Anzeigenſchlüſſel 400000.
Einzelnummer 5 Millionen Mark
Bezugspreis:
Bei wöchentlich Tmaligem Erſcheinen bis 14. Oktober
40 Millionen Mk. und 4 Millionen Mk.
Abtrage=
gebühr, Abgeholt 4P/= Millionen Mk., durch die
Agenturen 44 Millionen Mi. frei Haus.
Poſtbezugs=
eis 10000 Mk. Grundpreis, Schlüſſelzahl. 3000
geibleibend). Verantworilichkeit für Aufnahme von
An
zen an beſtimmten Tagen wird nicht
übernom=
men. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur
Kür=
zung des Bezugspreiſes. Beſtellungen und
Abbeſtel=
ungen durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
Poſiſcheckkonto: Frankfurt a. M. 4301.
Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Originäl=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 278
Montag, den 8. Oktober 41923
186. Jahrgang
Anzeigenpreis:
27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſiadt 150 Mark=
Finanz=Anzeigen 200 Mark, Reklamezeile (92 mm
breit) 800 Mark. Anzeigen von auswärts 200 Mk.,
Finanz=Anzeigen 300 Mark, 92 mm breite
Reklame=
eils
zelle 4000 Mark. Dieſe Preiſe ſind mit der
Im
gültigen Schlüffelzahl zu multielizieren.
Falle höherer Gewalt, wie Krieg, Aufruhr, Streie
uſw., erliicht jede Verpfichtung auf Erfüllung
jaß-
Anzeigenaufträge und Teiſtung von Schader
Bel Konkurs oder gerichtlicher Beitreibur
nſtonto: Deutſche Bank und
Erfolge des Sparkommiſſars.
Berlin, 7. Okt. (Wolff.) Durch die Auflöſung der
Reichs=
tücklieferungskommiſſion und des Reichsausſchuſſes für
Schiffs=
bau under Uebertragung ihrer Reſiarbeiten auf das
Reichskom=
miſſariat für Reparationslieferungen, ein Ergebnis der
plan=
mäßigen Nachprüfungsarbeit durch den von der Reichsregierung
eingeſetzten Sparkommiſſar, wurde der Abbau von insgeſamt
1301 Arbeitskräften — zur Zeit der Aufnahme der
Prüfungs=
tätigkeit durch den Sparkommiſſar — auf 768, mithin um 533,
erreicht. Bei dem Treuhänder für das feindliche Vermögen,
deſſen Geſchäfte ebenfalls inzwiſchen durchgeprüft wurden, iſt
eine Verringerung des Perſonals um 170 (von 458
Arbeitskräf=
ten) eingetreten. Hand in Hand damit wurde eine weitgehende
tänmliche Vereinigung bisher getrennter Dienſtſtellen des
Wie=
deraufbauminiſteriums erzielt. Dieſe Maßnahme wird den
Ver=
kehr mit dem Publikum weſentlich erleichtern, bringt aber neben
ſonſtigen Vereinfachungen auch monatliche Milliardenerſparniſſe
an Miete für bisher in Privathäuſern benutzte Räume. Die
jetzt ermöglichte ſtraffere Zuſammenfaſſung läßt weitere
Verein=
fachungen und Erſparniſſe erwarten.
Vom Tage.
Der Antrag der Schriftleitung der Deutſchen Zeitung auf Ver
kürzung des vom Reichsminiſter des Innern am 26. September 1923
ausgeſprochenen Verbots der Deutſchen Zeitung iſt vom Befehlshaber
des Wehrkreiſes drei abgelehnt worden.
Die ordentliche Herbſtſeſſion des eidgenöſſiſchen Parlaments iſt
geſtern geſchloſſen worden.
Millerand hat die Todesſtrafe, die am 29. Juni wegen
angeb=
licher Sabotage gegen ſieben Deutſche vom Kriegsgericht in Mainz
verhängt worden war, in lebenslängliche Zwangsarbeit umgewandelt.
Nach einer Mitteilung des Temps hatte der franzöſiſche
Oberkom=
miſſar für die Rheinlande, Tirard, mit dem Vertreter der
Königs=
werke, Otto Wolf, am Montag vor der Unterredung mit Stinnes und
General Degoutte eine Unterredung.
Der Korreſpondent der Neu=York Poſt in Waſhington glaubt zu
wiſſen, daß der nächſte Anwärter für den amerikaniſchen Geſandtenpoſten
in London der derzeitige Geſandte in Tokio, Warren, ſei.
Die türkiſchen Truppen hielten geſtern ihren Einzug in
Konſtan=
tinopel. Sie wurden von der Bevölkerung mit großem Enthuſiiasmus
begrüßt.
Nach einer Meldung aus Sofia iſt der Belagerungszuſtand in
ganz Bulgarien mit Ausnahme von vier Bezirken aufgehoben worden.
Havas berichtet aus Liſſabon, daß der neue Präſident der
Repu=
blik, Texeira Gomes, geſtern die Präſidentſchaft übernommen hat.
EnglandsPolitik und Ruhrkrieg
Kaum jemals iſt die engliſche Politik ſo geheimnisvoll, ſo
unklar, ſo wenig zielſicher und ſo wenig energiſch geweſen
wie in den jetzigen Zeiten, die das Schickſal Europas, vielleicht
das Schickſal der Welt entſcheiden werden. Dieſe Tatſache wird
erneut unterſtrichen durch den Beſchluß des engliſchen Kabinetts,
die Ausführungen des britiſchen Außenminiſters Lord Curzon
über die enropäiſche Lage auf der britiſchen Reichskonferenz nur
vertraulich zu behandeln. Wenn man ſich nachträglich dahin
ver=
ſtanden hat, einen Teil der Ausführungen Lord Curzons dem
Publikum zugänglich zu machen, ſo wird damit bewieſen, daß
man in der Führung der engliſchen Politik ziemlich unſicher im
Dunkeln tappt. Die Maßnahme der Geheimhaltung der
Aus=
führungen Curzons hängt zweifellos mit dem Verhältnis
Eng=
lands zu Frankreich zuſammen. Bis heutigen Tages iſt über
die Abmachungen zwiſchen Baldwin und Poincaré bei der letzten
Konferenz in Paris völliges Stillſchweigen bewahrt worden.
Allgemein auffiel der überaus herzliche Ton, in dem das
Com=
munigué über die Beſprechungen abgefaßt wurde. Was in
Wirklichkeit jedoch in Paris verhandelt und abgemacht wurde,
bleibt das Geheimnis der beiden Kabinette. Albmählich werden
jedoch; Vermutungen laut, aus denen ſich als feſtſtehend
heraus=
ſchälen läßt, daß im Zuſammenhang mit der Ruhrfrage auch
verſchiedene Probleme im fernen Afrika und Aſien beſprochen
worden ſind. Für Deutſchland haben dieſe Verhandlungen
inſo=
fern ein beſonderes Intereſſe, als es mehrfach erfahren mußte,
daß ſich Paris und London zu ſeinem Schaden geeinigt haben.
Aehnliches iſt leider auch jetzt wieder zu befürchten. Daily
Tele=
graph ſagt nämlich, der franzöſiſche Vertreter in der
Tanger=
frage ſei von Paris aus inſtruiert worden, den engliſchen
For=
derungen in jeder Hinſicht entgegenzukommen. Das iſt zum
mindeſten auffallend. Andererſeits iſt es unerfindlich, warum
die engliſche Politik, die ſich am 11. Auguſt ſchroff
gegen die Ruhrbeſetzung ausſprach, nun auf
ein=
mal umgefallen iſt und den Franzoſen goldene Brücken baut.
Vom OZai d’Orſay liegt eine Meldung vor, in der erklärt
wird, allem Anſchein nach ſei der Augenblick nun nicht mehr
fern, ſvo Frankreich und Belgien den paſſiven Widerſtand als
eingeſtellt anerkennen würden. Dann werde man mit den
ver=
ſprochenen Aenderungen des Charakters der Ruhrbeſetzung
be=
ginnen. Wenn wir nun die amtlichen und nichtamtlichen
fran=
zöſiſchen Nachrichten zuſammenſtellen, ſo ergibt ſich zurzeit
fol=
gendes Bild: Frankreich muß in irgend einer Form ſein
ver=
ſprochenes Wort einlöſen. Es möchte die Ausführung ſeiner
Zuſagen möglichſt lang hinauszögern. Wird die Beſetzung des
Ruhrgebiets, wird der Druck auf die Rheinlande — wie die
Franzoſen die Zuſagen auffaſſen — gemildert, ſo handelt es ſich
wohl nur um einen Uebergang,der Gewalt aus den
Händen des Generals Degoutte in die Finger
des Oberkommiſſars Tirard. Wie Tirard zu
Deutſch=
land ſteht, iſt bekannt genng. Tirard iſt nur zu ſehr den
Ein=
flüſterungen des Separatiſtenhäuptlings Matthes zugänglich.
Und daß Matthes ſich ausnahmslos im Sinne von Lirard
be=
tätigt, haben ſeine Ausführungen beſtätigt, die er einem
Korre=
ſpondenten des Amſterdamer Telegraph machte. Dieſem ſagte
er u. a.: „Die rheiniſche Republik werde noch dieſen Herbſt
proklamiert werden, nötigenfalls unter Entfaczung einer
revo=
lutionären Bewegung. Es werde eine Regierung von zehn
Per=
fonen gebildet und die ausführende Gewalt in die Hände von
zwei Perſonen gelegt werden. Die Grenze des neuen Staates
werde im Weſten von Holland bis zur Pfalz laufen, im Oſten
bis Dortmund ſowie zum Induſtriegebiet von Elberfeld und
Varmen und im Süden Mainz einbegreifen. Der Staat werde
15 Millionen Einwohner zählen. Die Produktion werde über
Holland und Belgien und nicht über Bremen und Hamburg
zur Ausſuhr gelangen. Die Regierung werde nur aus
Rhein=
ländern beſtehen und weder Preußen noch Franzoſen enthalten.”
— Sie wird — das aber hat Ehren=Matthes vergeſſen
hinzu=
zufügen — unterſtellt ſein der franzöſiſch=belgiſchen
Rheinland=
konnnniſſion, die wiederum ihre Weiſungen aus Paris erhält,
genau wie Matthes ſelbſt.
Mit dieſen franzöſiſchen Zielen erklären ſich weite engliſche
Kreiſe nicht einverſtanden. Man iſt geradezu empört darüber,
daß Frankreich den beſetzten Gebieten bisher keine
Erleichte=
rungen gewährte, daß es vielmehr hart und brutal ſeine
Säbel=
herrſchafr aufrecht erhält in der underkennbaren Abſicht, dadurch
die Bevölkerung zu dem Endziel dieſer franzöſiſchen
Gewalt=
politik mürbe und widerſtandslos zu machen. Hingewieſen ſei
bei dieſer Gelegenheit auf eine Aeußerung des Mancheſter
Guar=
dian. Das Blatt verurteilt mit Recht die blutigen Zwiſchenfälle
in Düſſeldorf, die Entwaffnung der deutſchen Poliziſten durch
franzöſiſche Soldaten und die Auslieferung an den Mob, der ſie
zu Tode ſchlug. Beſonders wichtig iſt es, daß ſich die engliſche
Zeitung nicht auf deutſche Nachrichten zu ſtützen braucht, ſondern
daß ſie als Zeugen vier engliſche Zeitungsberichterſtatter
heran=
zieht, die den Mord mit eigenen Augen geſehen haben. Im
An=
ſchluß daran verurteilt der Mancheſter Guardian Poincarés
Politik überhaupt. Auch die Weſtminſter Gazette gibt
Frank=
reich die Verantwortung für alle Ereigniſſe. Frankreich wünſche
nur die Zerſtückelung Deutſchlands. Deshalb habe es das deutſche
Induſtriezentum beſetzt.
Noch vor wenigen Tagen hieß es in den engliſchen Blättern,
nach dem Aufhören des paſſiven Widerſtandes ſei Deutſchlands
Stellung ſtärler als bisher. Das iſt gewiß bedingt der Fall.
Wieder eininal hat Deutſchland bewieſen, daß es den Frieden
will, wieder eimmal iſt es durch den Abbruch des paſſiven
Wider=
jandes Frankreich in der gewünſchten Form entgegengekommen.
Die Welt darußen ſieht wohl, wer der Ruheſtörer Europas iſt.
die engliſchen Kronjuriſten haben erklärt, daß der Einfall in
das deutſche Gebiet ungeſetzlich ſei. Wenn nun Baldwin mit
Poincaré beſondere Abmachungen zum Schaden Deutſchlands
getroffen haben ſollte, ſo kann man nur die völlige Abhängigkeit
Englands von Frankreich feſtſtellen und aufs neue erleben, daß
England ſich an einer rechtswidrigen Maßnahme Frankreichs
auf dem Wege über Aſien oder Afrika beteiligt. Gewinnen
würde damit England jedoch nur einen vorübergehenden
mate=
riellen Vorteil, ganz geriß nicht aber einen Vorteil für ſein
politiſches Anſehen.
A.
Bermmmpimigen Mi oenin Begonne.
Stinnes bei General Degoutte.
TU. Paris, 7. Okt. Die geſtrige Zuſammenkunft zwiſchen
tinnes und General Degoutte bildet hier das Geſpräch des
Tages. Die Ueberraſchſng iſt allgemein und man meint, in
zieſer Begegnung einen ernſthaften Beweis für den wachſenden
Verhandlungswillen der deutſchen Regierung zu erblicken. Man
hätte die Nachricht in ihrer urſprünglichen Faſſung nur
ungläu=
tig aufgenommen und erwartete ein offizielles Dementi. Statt
ſeſſen wird die Tatſache von offiziöſer Seite unbeſtritten
zuge=
ben. Es wird erklärt, daß Stinnes als Beauftragter des
Reichskanzlers Dr. Streſemann im Ruhrgebiet eintraf und mit
dem franzöſiſchen Oberkomnandierenden über die
Wiederauf=
jahme der Arbeit wie auch der Kohlenlieferungen kraft des
Ver=
ailler Vertrages verhandelte. Man glaubt aber, daß auch
indere Fragen im Laufe der Unterredung geſtreift wurden. Die
Begegnung zwiſchen Stinnes und Degoutte hat nach
franzö=
iſchen Meldungen ungefähr folgendes Vorſpiel gehabt: Auf
iner Konferenz der rheiniſch=weſtfäliſchen Induſtriellen am
0. September in Annen wurde der Beſchluß gefaßt, mit den
Spitzen der Okkupationsbehörden in Verbindung zu treten. Nach
ſtückſprache mit dem Reichskanzler Dr. Streſemann begaben ſich
Stinnes, Klöckner, Vögler und van Velſen nach Düſſeldorf und
tatteten, wie bereits gemeldet wurde, Herrn Krupp von
Bohlen=
allbach im Gefängnis einen Beſuch ab. Hierauf erbaten ſie von
ſeneral Degoutte eine Audienz, wurden aber zunächſt von
eneral Devignes zu einer kurzen Vorbeſprechung empfangen
id erſt ſpäter bei Degoutte ſelbſt vorgelaſſen. Dem franzöſiſchen
benkommſandierenden erblärten ſie, von einem Teil der
rheiniſch=
eſtfäliſchen Induſtrie delegiert zu ſein. Tatſächlich wird hier
ngenommen, daß ſie von Streſemann beauftragt worden ſind.
er Quai d’Orſay hat bis jetzt noch keinen ausführlichen Bericht
tens des Generals Degoutte über die gepflogenen
Beſprechun=
n erhalten.
Das „Journal des Débats” ſchreibt hierzu: „Es iſt
unan=
htbar, daß dieſe Verhandlungen nützlich ſein können, unter
Bedingung jedoch, daß ſie ſich beſchränken auf die
Reorgani=
rung des no malen Lebens im Ruhrgebiet und nicht etwa zu
ter Regelung des Reparationsproblems führen ſollen, für das
e alliierten Regierungen zuſtändig ſind. Wenn dieſe
Verhand=
ungen fortgeſetzt werden, dürſten ſie under keinen Umſtänden
ber die Prüfung der Wiederherſtellung des normalen Lebens
beſetzten Eebiet hinausgehen.”
Der Brüſſeler Berichterſtatter des „Temps” meldet über
e Verhanblungen der Ruhrinduſtriellen mit General Degoutte:
ls man ſie gefragt habe, um ihre Abſichten hinſichtlich der
Sach=
ſerungen und der Zahlung der Steuern, namentlich der
ohlenſtener, kennen zu lernen, hätten ſie im Grundſatz die
fahlung der Steuer nucht verworfen. Aber ſie hätten den zu
ohen Steuerſatz kritiſiert. Sie hätten erklärt, ſie könnten ſich
ſiht verpflichten, die Lieferungen wieder aufzunehmen, ohne
cher zu ſein, daß die deutſche Regierung ſie bezahlen werde.
(ach gewiſſen Auskünften, die wan in Brüſſel erhalten habe,
önne man zu einer Verſtändigung gelangen, indem man zuerſt
ie glatte Wiederaufnahme der Sachlieferungen fordere und
lsdann den Induſtriellen geſtatte, einen gewiſſen Teil ihrer
roduktion für eigene Rechnung zu verkaufen wenn etwa die
Steuern bezahlt würden. Die deutſchen Induſtriellen hätten ſich
icht end gültig über ihre Abſichten, die Arbeit wieder
aufzu=
ehmen, ausgeſprochen, aber man ſei auf gutem Wege.
Die Wiederaufnahme der Arbeit.
TU. Paris, 7. Okt. Einer Havas=Meldung aus
Düſſel=
orf zufolge wird in den Gruben allgemein wieder gearbeitet.
luch verſchiedene Kokereien ſeien bereits wieder in Betrieb.
U. Eſſen, 7. Okt. Auf Seiten der Arbeitnehmer wird
les getan, um die Wiederaufnahme der Arbeit durchzuführen
das gleiche gilt für die Wirtſchaftskreiſe, die wieder zu
geregel=
en geſunden Verhältniſſen kommen wollen. Es wird erwartet,
aß von deutſcher Seite nunehr, nach der Löſung der
Kabinetts=
riſe, die vor allem im Ruhrgebiet eine gewiſſe Erleichterung
ervorgerufen hat, da wieder die Möglichkeit beſteht, mit der
euten aktionsfähigen Reichsregierung zur Wiederherſtellung des
Lirtſchaftslebens und zur Klärung aller noch ſtrittigen Fragen
fühlung zu nehmen, bei den in Frage kommenden franzöſiſchen
Stellen mit allen Mitteln Klarheit über die franzöſiſchen
Ab=
chten und Bedingungen geſchaffen wird, damit kein Zweifel
vehr darüber beſtehen kann, wer bisher die Wiederaufnahme der
roduktiven Arbeit verhindert hat.
Betriebsräteverhandlungen mit der Beſatzung.
Münve., 7. Okt. (Wolff.) Die Verhandlungen des
Be=
triebsrats der Zeche „Recklinghauſen 2” mit den Franzoſen
führ=
ten unter Zuſicherung von Lebensmitteln durch die Franzoſen
zu folgenden Vereinbarungen: 1. Die Franzoſen miſchen ſich in
den unterirdiſchen Betrieb in keiner Weiſe ein, ſondern behalten
lediglich die Oberleitung in den Kokereien und chemiſchen
Be=
trieben. 2. Die Deputatkohlen für die Belegſchaften werden
frei=
gegeben. 3. Die franzöſiſchen Poſten werden von der Zeche
zurückgezogen. 4. Die Hokereien werden wieder in Betrieb
geſetzt.
Ein Aufruf der Bergarbeiter.
EU. Elberfeld, 8. Okt. Der Vorſtand und die
Be=
zirksleitung des Verbandes der Bergarbeiter Deutſchlands
(alter Bergarbeiterverband) geben folgenden Aufruf bekannt:
An die Arbeiter und Angeſtellten des deutſchen Bergbaus!
Die Bergbauunternehmer des Ruhrgebiets haben am 6. Oktober
beſchloſſen, ohne Rückſicht auf Geſetz und Tarifverträge vom
9. Oktober ab im Ruhrbergbau die Vorkriegsarbeitszeit
einzu=
führen. Sie haben zum Ausdruck gebracht, daß das übrige
Deutſchland dem Ruhrgebiet mit einer ähnlichen Arbeitszeit
folgen ſoll. Wir haben ſofort veranlaßt, daß alle in Frage
kom=
menden Organiſationen zu dem diktatoriſchen Anſchlag dieſer
Unternehmerkreiſe Stellung nehmen. Einſtweilen fordern wir
Euch auf, niemand füge ſich dem Zwang zu einer längeren
Schichtzeit, als Geſetz und Tarifverträge beſtimmen. Arbeiter,
arbeitet weiter wie bisher, aber nicht länger. Laßt Euch von
keiner Seite zu Unbeſonnenheiten hinreißen. Wartet die
Wei=
ſungen der Organiſationen ab!
Ausweiſung der Düſſeldorfer Schutzpolizei.
* Düſſeldorf, 8. Okt. (Priv.=Tel.) Die geſamte
Schutz=
polizei Düſſeldorfs, mit Ausnahme der Offiziere und
Mann=
ſchaften, gegen die ein Verfahren eingeleitet iſt, hat den
Auswei=
ſungsbefehl erhalten. Ein Teil der aus dem Rheinland und
aus Weſtfalen ſtammenden Leute iſt bereit, in die blaue Polizei
überzutreten. Die Ausweiſung dieſer Leute wurde von der
Be=
ſatzungsbehörde zurückgenommien. Die Schutzpolizeibeamten
wurden unter ſcharfer Bedeckung von Kavallerie und
Panzer=
autos nach dem Bezirkskommando gebracht, von wo ſie
geſchloſ=
ſen über die Grenze befördert werden.
Die weſteuropäiſche Zeit im Saargebiet.
Saarbrücken, 7. Okt. Die Regierungskommiſſion hat
ab 7. Oktober die weſteuropäiſche Zeit im
Saar=
gebiet wieder eingeſührt. Der „Saarhandel”, das
Nachrich=
tenblatt des Schutzvereins für Handel und Gewerbe, ſchreibt
darüber:
„Wir können es uns nicht verſagen, an dieſer Stelle
deut=
lich zum Ausdruck zu bringen, daß Handel und Gewverbe des
Saargebiets durch die Wiedereinführung der weſteuropäiſchen
Normalzeit auf das ſchwerſte enttäuſcht ſind, hatten ſie doch
er=
wartet, daß — nachdem die weſteuropäiſche Zeit in den
vergan=
genen Wintern zu einer ſchweren Schädigung der ſaarländiſchen
Wirtſchaft geführt hat — wenigſtens in den künftigen Wintern
dieſe Nachteile erſpart bleiben würden. Vom wirtſchaftlichen
Standpunkt aus ſpricht nichts, aber auch gar nichts für die
weſt=
europäiſche Zeit im Saargebiet! Im Gegenteil: die
weſteuro=
päiſche Zeit laſtete in den vergangenen Wintern als eine höchſt
unproduktive Auflage auf der ſaarländiſchen Wirtſchaft. Sie
vermehrt fühlbar die undroduktiven Ausgaben für Beleuchtung
und Heizung. Steigerung der Produktionskoſten und der
Hand=
lungskoſten iſt die naturnotwendige Folge dieſer Maßnahme.”
Llotzd George in Amerika.
TU. Neu=York, 7. Okt. Geſtern iſt Lloyd George hier
eingetroffen und Furde, wie „Newhork Herald” mitteilt,
be=
geiſtert empfangen. Der Weg, der zu ſeinem Hotel führte, war
von 100 000 Perſonen umſäumt. In einem Interview erklärte
der frühere engliſche Miniſterpräſident, daß, wenn die Vorſchläge
des amerikaniſchen Staatsſekretärs Hughes von den
Verbün=
deten angenommen worden wären, Europa beſſer daſtehen würde.
Er fügte hinzu, er hoffe und glaube, daß es noch Zeit ſei, ſie
zu verwirklichen. Im Hinblick auf die Ruhrfrage führte er aus,
er nehme keine Beſſerung in der Situation wahr, obgleich
Deutſch=
land den paſſiven Widerſtand einſtellte.
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 8. Oktober 1923
Rummer 238
Die Pariſer Preſſe zur Kabinettsbildung.
Paris, 7. Okt. (Wolff.) Die franzöſiſche Preſſe ſtellt
heute Betrachtungen über die Umbildung des Miniſteriums
Streſemann und die geſtrige Reichstagsſitzung an. Sehr oft
laufen die Betrachtungen mit der Kritik der letzten Rede Curzons
zuſammen und mit einer Würdigung der in Düſſeldorf erfolgten
Underredung deutſcher Induſtrieller mit General Degoutte. Der
„Matin” ſchreibt, der Streik der Beſiegten iſt beendet, das hat
der Reichskanzler geſtern wit einem gewiſſen Mut verkündet.
Zum erſten Male ſeit der Unterzeichnung des Vertvages von
Verſailles ſpricht die Vermnft in Berlin. Volksparteiler und
Sozialiſten beugten ſich vor den Intereſſen ihres Landes. Es
ſpringt in die Augen, daß die elementarſte Klugheit nunmehr
ganz Deutſchland anempfiehlt, ſich wie Stinnes, Krupp, Vögler
und Klöckner mit den Tatſachen abzufinden. In Berlin oder
in München Widerſtand zu leiſten, wenn wan im Rheinland
und im Ruhrgebiet nachgegeben habe, würde Berlin und
Mün=
chen um den Nutzen des guten Willens bringen, der ſich in Bonn
und Eſſen zeigt. Der Reichskanzler ſcheint begriffen zu haben.
daß man jetzt zwiſchen der Reparationszahlung und der
Auf=
löſung Deutſchlands wählen müſſe. — Das „Petit
Journal=
ſchreibt, im Augenblick ſei nicht mehr von einer Diktatur die
Rede, zweifellos weil diejenigen, die ihr zuſchrien, ihre Stunde
noch nicht für gekommen hielten. — Der „Gaulois” ſagt, die
Rede Streſemanns entbehre weder der Geſchicklichkeit noch des
Mutes; ſie ſei deshalb geſchickt, weil ſie gegenüber Frankreich
eine unendlich gemäßigtere Sprache führt, als Curzon ſie
ange=
wandt habe. Unglücklicherweiſe bleibe er dabei, beweiſen zu
wollen, daß die deutſchen Vorſchläge vom 7. Juni eine
annehm=
bare Diskuſſionsbaſis ſeien. Der gute Wille Frankreichs hänge
von dem guten deutſchen Willen ab. — Der „Figard” vertritt
den Standpunkt, Streſemamn habe durch ſeine geſtrige Rede ſich
den Weg zu Verhandlungen mit Frankreich nicht verſperrt. —
„Oeuvre” ſpricht von den beiden Hauptforderungen, die
inner=
hallb 24 Stunden durch Curzon und Streſemann an die
fran=
zöſiſche Regierung ergangen ſeien. Sie mögen ihre Wünſche
und ihre Anſprüche vorbringen. Es ſcheine nicht, daß der Quci
diOrſay geneigt wäre, Streſewann und Curzon zu antvorten.
Man erkläre, das Gelbbuch enthalte alles. Inzwiſchen aber
begnüge man ſich damit, Maßnahnuen zu ergreifen, um das
Ruhr=
gebiet auszübeuten, eine O”eration, die nach dem Eingeſtändnis
Poincarés nur zu unbedeulenden Zahlungen führen könne. Die
franzöſiſch=belgiſche Regie beginne damt, im beſetzten Gebiet den
franzöſiſchen Franken einzuführen, wodurch ſie ſich der Gefahr
ausſetze, den Zuſammenbruch der franzöſiſchen Währung
herbei=
zuführen. Was die Reparationszahlungen anbetreffe, ſo ſcheine
es, daß niemand mehr wage, auch nur davon zu ſprechen, was
ſchließlich vielleicht doch ein ſchlechtes Mittel ſei, ſie zu erlangen.
— „Ere Nouvelle” ſchreibt, anu Freitag habe uns England brutal
und öffentlich zu Verhandlungen aufgefordert, 24 Stunden ſpäter
habe der deurſche Reichskanzler erklärt, daß er leine neuen
Vor=
ſchläge machen werde.
Vertrauenskundgebung für Dr. Streſemann.
Frankfurt a. M., 7. Okt. Nach einer aus vielen Orten
des Wahlkreiſes Heſſen=Naſſau ſtark beſuchten Vorſtands= und
Ausſchußſitzung der Deutſchen Volkspartei wurde nach
eingehen=
den Darlegungen der Abgg. Kalle=Biebrich und Dingeldey=
Darmſtadt über die letzten politiſchen Vorgänge im Reich und
über die Frage der großen Koalition dem Führer der Partei,
Reichskanzler Streſemann, einſtimmig vollſtes Vertrauen zu
ſeiner Politik ausgeſprochen.
Die deutſchen Reparationsleiſtungen.
TU. Paris, 6. Okt. Die Reparationskommiſſion
veröffent=
licht eine Aufſtellung der von Deutſchland bis zum 30. Juni 1923
gemachten Reparationszahlungen. Deutſchland hat dieſer
Auf=
ſtellung zufolge 1900854 000 Goldmark in bar eingezahlt, an
Naturalleiſtungen 3 225 416 000 Goldwark. Das Reich hat ferner
an Gütern einen Wert von 368 512000 Goldwark abgetreten,
ins=
geſamt handelt es ſich um einen Betrag vom 5 494 782 000
Gold=
mark. Von dieſer Summe hat Frankreich in bar 143 969000
Goldmark erhalten, weiterhin 1 347 956 000 Goldmark an
Natu=
ralleiſtungen ſowie ſchließlich 302 240 000 Goldmark an
über=
tragenen Leiſtungen, was einen Geſamtbetrag von 1 803 967000
Goldmark ausmacht. Nach einer Berechnung des „Matin” bleibt
von dieſer Summe ein verfügbarer Saldo in Höhe von
241 911000 Goldwark unter Abvechnung von Vorſchüſſen für
Kohlenlieferungen und der Beſatzungsunkoſten ſowie der
Auf=
wendungen für die Kontrollkommiſſionen übrig.
Kundgebung des Andreas Hofer=Bundes.
Innsbruck, 7. Okt. Am Jahrestage der Uebergabe
Süd=
tirols an Italien, am 9. Oktober, wird der Andreas=Hofer=Bund
eine Kundgebung veranſtalten. Im ganzen Land werden eine
Viertelſtunde die Glocken geläutet werden. Am darauffolgenden
Tage finden in allen Pfarrkirchen Gottesdienſte für die im Krieg
Gefallenen in Anweſenheit der Schuljugend ſtatt. In Innsbruck
werden Trauerfahnen aufgeſſteckt werden und die Kauſläden bis
10 Uhr vormittags geſchloſſen bleiben.
Poincarés Sonntagsreden.
Paris, 7. Okt. (Wolff.) Miniſterpräſident Poincaré hielt
heute in Ligny=en=Barrois ſeine angekündigte Rede. Er behandelte
darin zunächſt die Geſchehniſſe im Ruhrgebiet in der bekannten
Weiſe. U. a. hielt er die franzöſiſche Darſtellung der blutigen
Vorgänge in Düſſeldorf aufrecht, trotz des längſt erbrachten
Gegenbeweiſes nicht durch die amtlichen deutſchen Feſtſtellungen,
ſondern auch durch die Berichte engliſcher Korreſpondenten.
So=
dann kam er auf die Ruhrfrage im allgemeinen und auf die
Rede Lord Curzons zu ſprechen und führte aus:
Welches auch immer die Männer ſind, die mergen die
Ge=
ſchicke Deutſchlands lenken, wir wollen uns treu bleiben. Wir
werden, fortfahren, Bürgſcaften für unſere Sicherung und für
die Reparationszahlungen zu verlangen. Wir werden erſt
prä=
ziſe Vorſchläge entgegennehmen, wenn wir an Ort und Stelle
feſtgeſtellt haben, daß der Widerſtand aufgehört hat und daß die
uns geſchuldeten Sachlieferungen wieder einen normalen
Ver=
lauf genommen haben. Ich hoffe, daß mit der Zeit diejenigen
unſerer Alliierten, die unſere Haltung noch nicht gebilligt haben,
ſie ſchließlich zu beurteilen lernen. Die Publiziſten, die in
Eng=
land eine demnächſt erfolgende Aenderung der öffentlichen
Mei=
trung in Frankreich erhoffen, täuſchen ſich ſchwer. Sie brauchen
nur die jüngſten Beratungen der Generalräte in Betracht zu
ziehen. Außerdem werden ſie ja auch ſehen, daß die Mehrheit
in beiden Kammern die Regierungspolitik billigen wird. Wollen
ir uns ſchließlich unter den Alliierten zanken und nicht
ver=
ſuchen, uns zu verſtehen?
Gewiſſe Freunde ſagen uns: Ihr habt unrecht, Euch an den
Verſailler Vertrag zu klammern, er iſt unausführbar. Warum
ſollen wir nicht antworten: „Wenn er unausführbar iſt,
wes=
halb habt Ihr ihn unterzeichnet?” Was ſchlagen uns diejenigen
ver, die uns kritiſieren? „In letzter Linie imner eine
Herab=
ſetzung unſerer Forderungen.” Man ſagt, daß Deutſchland nicht
bezahlen könne, was es ſchulde, und gibt nicht zu, daß wir durch
die Ruhrbeſetzung ein gutes Mittel in Händen halten, um uns
bezahlt zu machen. Man vergißt, daß in dem Augenblick, in
dem wir in Eſſen einzogen, Deutſchland ſich für unfahig erklärt
hatte, zu bezahlen, und daß es ein Moratorium für mehrere
Jahre verlangte. Hätten wir das Ruhrgebiet nicht beſetzt, ſo
würden wir heute angeſichts des Verſagens des Schuldners mit
leeren Händen daſtehen.
Jetzt habe er aber Pfänder in den Händen. Gewiß hat
eutſch=
land alles Mögliche unternonmen, um uns daran zu hindern,
ſie auszubeuten; aber das wird ihm nicht gelingen, denn es
hat ſelbſt ein Intereſſe daran, daß die Induſtrie im Ruhrgebiet
nicht paralyſiert wird. Ich glaube nicht, daß es zwiſchen dem
Standpunkt des engliſchen Premerminiſters und dem unſerigen
einen unüberbrückbaren Gegenſatz gibt. Ich habe das
franzö=
ſiſche Programm im Gelbbuch entwickelt, und ich habe gar nichts
daran zu ändern. Freundſchaftliche und vertrauensvolle
Ver=
handlungen wie die, die jüngſt mit Baldwin geführt wurden,
können erneuert werden, um die Entente wieder feſter zu
ge=
ſtalten. So bedeutſam übrigens auch die Reparationsfrage iſt,
es iſt aber nicht der einzige Gegenſtand, den Frankreich und
England miteinander gemeinſam zu behandeln haben." Hoffen
wir, daß die Regelung, die uns am meiſten intereſſiert, die
Be=
zahlung unſerer Schäden und die Liquidierung der alliierten
Schulden, bald durch gemeinſame gute Abſichten glücklich gelöſt
werden könne. Keine Nation hat den aufrichtigeren Wunſch
danach als Frankreich.
Paris, 7. Okt. (Wolff.) In der Rede, die
Miniſterpräſi=
dent Poincaré heute nachmittag in Fierrefitte=ſur=Aire gehalten
hat, ſprach er zu ſeinen ehemaligen Wählern und erklärte, er
habe ſich geſchworen, daß er alles, was von ihm abhänge, tun
werde, daß Frankreich Gerechtigkeit werde, und er werde ſich
keine Ruhe gönnen, bevor dieſes Ziel nicht erreicht ſei.
An einer anderen Stelle ſeiner Rede ſagte Poincaré: Es
gibt einige Männer in Frankreich, die erſt ſchweigen und die
Arme kreuzen werden an dem Tage, an dem Deutſchland die
Spuren verwiſcht haben wird, die ſeine Anweſenheit und ſeine
Verbrechen in zehn franzöſiſchen Departements zurückgelaſſen
haben. Im übrigen griff Poincaré Lloyd George heftig an,
indem er ſagte, es ſtehe ehemaligen alliierten Miniſtern frei,
die periodiſch die franzöſiſche Politik in wöchentlichen Artikeln
verleugnen, oder die lärmende Konferenzreiſen unternehmen,
ihre Kampagne fortzuſetzen. Es ſtehe dieſen irregeführten
Freunden frei, die Worte deplaziert zu finden, die die grauſame
Prüfung ihm, Poincaré, täglich aufzwinge.
Spaniſche Marokko=Pläne.
Paris, 7. Okt. (Wolff.) Dem Journal wird aus Mabrid
gemeldet: In politiſchen Kreiſen ſchreibe man General Primo
de Rivera infolge der jüngſten Unterredungen mit den
Botſchaf=
tern von Frankreich, England und Italien die Abſicht zu, eine
ſenſationelle Maßnahme hinſichtlich Marokkos zu ergreifen, die
wie man ſagt, im ganzen Lande mit großer Befriedigung
auf=
genommen werde. Man ſage nicht, um was es ſich handelt, aber
auf alle Fälle habe der Vorſitzende des Direktoriums durchblicken
laſſen, daß demnächſt bedeutende Truppenmaſſen aus Marokko
zurückkehren würden.
Konzert.
Zu einer volkstümlichen Vormittägs=Muſik am Sonntag in
der Aula des Realgymnaſiums, wie ſie Herr Grospietſch ſchon
im Frühjahr eingerichtet hatte, war Herr Hans Hoefflin
einge=
laden worden und wartete mit einem Liederzyklus Franz
Schu=
berts auf.
Der beliebte Operntenor hat ſich als Konzertſänger bereits
rühmlich bewährt. Mir ſcheint das ſogar das Feld zu ſein, wo
er ſein Eigenſtes geben kann. Die hohe ſchöne Stimme,
intelli=
gente Auffaſſungsgabe, fertige kunſtgerechte Ausbildung kommen
hier am beſten zur Geltung. Es war ein ungetrübter Genuß,
die meiſt bikannten Lieder nahezu vollendet vorgetragen zu hören.
Der Zyklus „Die ſchöne Müllerin” beſteht aus 20 loſe
an=
einander gereihten Gedichten von Wilhelm Müller. Schubert
macht ein kleines Drama daraus, das ohne tiefere
Erſchütterun=
gen die Form eines Idylls annimmt, deſſen biedermeieriſches
Seelenbild der Gegenwart freilich fern liegt, rein menſchlich
ge=
niommen jedoch ewig gültig bleibt. Der muſikaliſche Wert liegt
im Melodiſchen, das Schubert in dieſen Liedern niedergelegt hat
in einer Fülle, Kraft und Zartheit, die unerreicht geblieben iſt.
Herrn Hoefflins Künſtlerperſönlichkeit iſt wie geſchaffen für
die Müllerlieder; man kann ſich kaum einen beſſeren Sänger für
ſie denken. Eine ſtarke Einfühlung in das Werk trat hinzu. Alle
wechſelnden Stimmungen kamen zu warmem Ausdruck von
un=
mittelbarer Wirkung, der durch überlegen gehandhabte
Kunſt=
mittel und vorzügliche Ausſprache geſteigert wurde. Ich kann
keinem einzelnen Liedvortrag den Vorzug geben: es waren
lau=
ter kleine Meiſterſtückchen. Die Klavierbegleitung des Herrn
Grospietſch war in ihrer klaren Sicherheit eine über das
Dilettantiſche hinausreichende Leiſtung. Der Saal faßte, die
Menge der Beſucher nicht, viele mußten umkehren. Er iſt zu
klein, obgleich er gerade alle Reize feinſter Pianiſſimo=
Wirkun=
gen ermöglicht. Ein Publikum von meiſt jungen Damen
jeg=
lichen Alters feierte den beliebten Sänger.
V. H.
Goethes „Fauſt” im Lichte der Phyſik.
C.K. Es gibt zwei große Perſönlichkeiten in der Geſchichte,
die gſeichzeitig als Künſtler und als Wiſſenſchaftler das Höchſte
geleiſtet haben: Leonardo da Vinci und Goethe. Aber ihre Wege
gehen denkbar weit auseinander. Leonardo war der geborene
Mann des Verſuches, Goethe war der Beobachter der natürlichen
Dinge und ſtand dem Expirement fremd, ja feindlich gegenüber.
Damit wurde Goethe zu einem heftigen Gegner der Phyſik, deren
Forſchung auf dem Verſuch beruht. Das betont der große
Phh=
ſiker W. Wien in einem geiſtvollen, ſoeben bei Johann Ambroſius
Barth in Leipzig erſchienenen Vortrag „Goethe und die Phyſik”.
Da Goethe die Natur nur beobachten, nicht mit ihr
experimen=
tieren wollte, ſo verwarf er grundſätzlich alle Apparate und
ver=
neinte damit die Experimentalphyſik, die alſo in ihrer beſonderen
Arbeitsweiſe von Goethe nichts lernen kann. Seine „
Farben=
lehre” vermag daher nach Wiens Anſicht dem Phyſiker nichts zu
bieten, aber, ſagt er, „als Darſtellung von Beobachtungen der
Natur wird ſie bedeutungsvoll bleiben, ſoweit ſie nicht, aus ihrer
Rolle fallend, phyſikaliſche Erklärungen abgeben will.” Goethes
Größe als Naturwiſſenſchaftler beruht auf der Darſtellung der
Aufgaben und der aulgemeinen Zuſammenhänge der
Wiſſenſchaf=
ten mit der Geſamtheit der Kultur und auf der künſtleriſchen
Verklärung wiſſenſchaftlicher Gedanken. Dieſe unvergleichliche
Fähigkeit, die Wiſſenſchaft im Zauber der Dichtung zu ſpiegeln
findet Wien vor allem im „Fauſt‟. Er erklärt den Erdgeiſt
nicht wie Helmholtz als eine Vorahnung des ſpäter entdeckten
Geſetzes von der Erhaltung der Energie, ſondern als die
Natur=
kraft ſchlechthin, wie ſie ums Menſchen auf unſerer Erde
ent=
gegentritt. Die Worte: „Du gleichſt dem Geift, den Du begreifſt,
nicht mir!” haben nach ihm die Bedeutung: „Du kannſt nur einen
kleinen Teil der Natur begreifen: in mir, in der Naturkraft ſelbſt,
wird immer zurückbleiben, was Du nicht zu verſtehen vermagſt.”
„In der Tat kann der Menſch nie hoffen, wie weit er auch die
Naturkräfte erforſchen mag, jemals ans Ende zu kommen,” fährt
Wien fort. „Jede neue Entdeckung wirft immer wieder
zahl=
reichere neie Fragen auf, ſo daß die Forſchungsarbeit endlos iſt.
Zu den höchſten Höhen der menſchlichen Erkenntnis überhaupt
hat ſich Goethe im zweiten Teil des „Fauſt” emporgeſchſungen.
Die Geſtalten der Mütter ſtellen zweifellos die abſtrakten
Ideen dar, welche die Mathematik, die mathematiſche Phyſik und
die Erkenntnistheorie anwenden. Die Worte: „Um ſie kein Ort,
noch weniger eine Zeit, von ihnen ſprechen iſt Verbegenheit” ſind
der modernen Relativitätstheorie wie auf den Leib
zu=
geſchnitten.” Mit dem „Schlüſſel” der mathematiſchen
Kennt=
niſſe ſteigt „Fauſt” zu den reinen Denkformen nieder, die nur
Thcorien, d. h. Bilder der Wirlichkeit bieten und erſt durch die
Anwendung auf die Wirklichkeit mit Leben erfüllt werden. Die
Schlußverſe des „Fauſt”: „Alles Vergängliche iſt nur ein
Gleich=
nis” bezeichnet Wien als „das Endergebnis aller
phyſikaliſch=
philoſophiſchen Erkenntnis”: „Die Wirklichkeit ſelbſt bleibt uns
unbekannt. Wir können uns nur mit Hilfe unſerer Verſtandes=
Die Internationale gegen Poincaré.
TU. Brüſſel, 7. Okt. Der Exekutvausſchuß der
ſozia=
liſtiſchen Internationale hat auf Vorſchlag der Franzoſen und
Belgier einſtimmig eine Entſchließung angenommen. Dieſe
Ent=
ſchließung ſtellt das Einvernehmen der engliſchen, franzöſiſchen
belgiſchen und deutſchen Arbeiter feſt und richtet ſich im übrigen
gegen die Politik der franco=belgiſchen Regierung. Die
Reſo=
lution führt aus, daß die Beſetzung des Ruhrgebietes einen Ge
waltakt, unvereinbar mit der Völkerverſöhnung und geradezu
eine kriegeriſche Handlung bedeute, die vom wirtſchaftlichen
Standpunkt aus fruchtlos verlaufe und das wirtſchaftliche Chaos
lediglich verſchärfen würde. In der Reſolution wird ferner
Stellung gegen die Pollitik Poincarés und aller derjenigen
er=
griffen, die nach Einſtellung des paſſiven Widerſtandes den
Be=
ginn von Beſprechungen an imer neue Bedingungen knüpfen.
Zum Schluß heißt es: Die Aufwerkſamkeit des Proletariats
wird auf folgende gebieteriſche Notwendigkeiten gelenkt:
1. den Ausgewieſenen aus der Nuhr zur Rückkehr zu
ver=
helfen und die Begnadigung derjenigen durchzuſetzen, die
be=
ſtraft wurden, weil ſie ſich lediglich weigerten, die Befehle der
Beſatzungswächte auszuführen;
2. die Wiederherſtellung des geſamten Verkehrs zwiſchen
be=
ſetztem und unbeſetztem Deutſchland zu ſichern;
3. den Beſatzungsbehörden den Treuſchwur zu leiſten und
4. unverzüglich Verhandlungen zwiſchen Deutſchland und den
alliierten Mächten ohne neue Bedingungen aufzunehmen.
Die Beamtengehälter.
* Berlin, 7. Okt. (Priv.=Tel.) Bei Beſprechung über die
Erhöhung der Beamtengehälter, die geſtern nachmittag im
Reichs=
finanzminiſterium zwiſchen Vertretern der Regierung und des
Deutſchen Beamtenbundes fortgeſetzt wurden haben noch zu
kei=
ner Einigung geführt. Die Anſichten der beiden Parteien ſtehen
ſich noch nach wie vor entgegen. Beſonders handelt es ſich um
die Frage ob eine Anpaſſung der Gehälter an die
Geldentwer=
tung nachträglich für das abgelaufene Vierteljahr ſtattfinden ſoll.
Die Entſcheidung darüber will man dem neuen Kabinett
über=
laſſen, und zwar hofft man auf eine endgültige Löſung der
Schwierigkeiten ſchon am Montag, da infolge der fortſchreitenden
Geldentwertung Eile geboten iſt.
Die Brotverſorgung auf Marken.
Berlin, 7. Okt. (Wolff.) Aus dem Reichsminiſterium
für Ernährung und Landwirtſchaft wird mitgeteilt, der Beſchluß
des Reichsrats zum Geſetzenturf über die Brotzerſorgung
werde in der Oeffentlichkeit zum Teil dahin gedeutet, als ob die
Brotberſorgung auf Marken über den 15. Oktober hinaus doch
wieder eingeführt werden ſoll. Dieſe Auffaſſung entſpricht nicht
den Tatſachen. Nach dem Entwurf der Regierung und den zu
ihm gefaßten Beſchlüſſen des Reichsrats bleibt es dabei, daß
die Markenbrotverſorgung am 15. Oktober ihr Ende findet.
Da=
mit es jedoch nicht zu Stockungen in der Brotverſorgung kommt,
gibt der Entwurf, wie er von der Reichsregierung vorgelegt und
vom Reichsrat angenommen wurde, die Möglichkeit, daß di=
Reichsgetreideftelle den Kommunalverbänden, in denen etwa
Schwierigkeiten auftauchen können, auf Antrag des
Kommunal=
verbandes Brotgetreide bis zu 50 Gramm Mehl täglich für den
Kopf der bisher verſorgungsberechtigten Bevölkerung liefert,
Dem Kommunalverband wird die Möglichkeit gegeben, den
Ab=
ſatz dieſes Getreides und des daraus gemahlenen Mehles zu
überwachen.
Einheitsfront der Sozialiſten und
Kommu=
niſten in Sachſen und Thüringen.
* Leipzig, 8. Okt. (Prib.=Tel.) Geſtern fand im
Leip=
ziger Volkshaus eine Konferenz des ſächſiſchen
Miniſterpräſiden=
ten Zeigner mit dem thüringiſchen Staatsminiſter Fröhlich ſtatt,
an der auch die Juſtiz= und Innenminiſter der Kabinette von
Dresden und Weimar teilnahmen. Das Ergebnis der
Konfe=
renz war, daß der von den Kommuniſten geforderte rote Block
gewährleiſtet wurde, das heißt, daß zwiſchen den beiden
Regie=
rungen völlige Einigkeit über das Zuſammengehen der beiden
Staaten beſteht. Die Kommuniſten werden in die Regierung
eintreten. Die Gefahren, die durch dieſe politiſche Entwickelung
in Mitteldeutſchland für das Deutſche Reich entſtanden ſind,
haben den Reichskanzler veranlaßt, den ſächſiſchen
Miniſterprä=
ſidenten Zeigner und den thüringiſchen Staatsminiſter Fröhlich
für Montag zu einer Unterredung nach Berlin zu bitten.
* Dresden, 8. Okt. (Priv.=Tel.) Wie wir hören,
wer=
den nach der nunmehr zwiſchen den Sozialiſten und
Kommu=
niſten erzielten Einigung die Konmuniſten das Arbeits= und
Juſtizminiſterium beſetzen. Die Namen der neuen Miniſter ſollen
heute bekannt gegeben werden.
kräfte Bilder von ihr machen, die von der Art ſein müſſen, daßt
die logiſchen Folgerungen aus unſeren Theorien mit dem Ablauf
der Wirklichkeit übeveinſtimmen. Dann haben wir die Natur be
griffen. Aber alle Erkenntnis der Natur bleibt unvollſtändig,
daher: „Das Unzulängliche, hier wirds Ereignis.”
CK. Dramen aus dem Taucherleben. Der einſamſte und
wohl auch der gefährlichſte Beruf, den es in der Welt gibt, i
der des Tauchers. Wos dieſe Beſucher der Meerestiefen
voll=
bringen können, das hat erſt bürzlich die Rettng der Schätze der
„Laurentio” gezeigt, von der innerhalb von vier Jahren Edel
metalle für wehr als 7 Millionen Pfund Sterling zuvage geför
dert wurden. Die Taucher, die dabei beſchäftigt wurden, ware
ausgewählte Mitglieder des Taucherchors der engliſchen Marine.
Es iſt nicht leicht, den Beruf des Tauchers zu ergreifen. Wen
jemand für die Arbeit ausgebildet wird, ſo muß er ein ärztliches
Zeugnis beibringen, daß er vollbommen geſund iſt, und währen!
der Ausbildumg werden die Anſänger öfters ärzilich underſuchſt
Zunächſt wird der Taucher=Zögling in einem vollſtändige
Dautcherkoſtüm in eine Tiefe von 10 bis 20 Fuß uter Waſſer ge
bracht. Seine erſten Arbeiten beſtehen darin, daß er verlorene
Gegenſtände auf dem Meeresgrund aufſuchen und in der Art un=
Weiſe, die er erlernt hat, an Seilen befeſtigen muß, damit ſie
herausgezogen werden können. Die Ausbeſſerung von Kabelf
die Beſeitigung des Roſtes vom Schiffsrupf ſind andere
Auf=
gaben, die den Anfängern zufallen. Bei der Bergung von Schätzen
in großen Meerestiefen werden nur erfahrene Taucher verwendel.
Der Taucher behält nur ſeine Unterkleidung an, bevor er in den
Tiefſeepanzer gezwvängt wird. Das Gewicht der ganzen
Aus=
rüſtung berrägt etwa 175 Pfund. Die Taucherkunſt iſt bereits im
Altertum bekannt geweſen, und während der Verteidigung von
Syrakus im Jahre 215—212 v. Chr. wurden Taucher dazu ver
wendet, die Hinderniſſe wegzuſchaffen, die im Haſen verſem
worden waven. Man benutzte gutch damals bereits Röhren, die
den Tauchern Luſt zuführten. Die erſte Form des modernenl
Tauchanzugs wurde von einem deutſchen Marine=Ingenieur
er=
funden und iſt ſeither ſehr verbeſſert worden. Die größte
Tieſe=
in der bis jetzt ein Taucher mit Erfolg arbeitet, betrug 182 Fuß=
Dieſe Leiſtung vollbrachte ein ſpaniſcher Taucher, der Silbel
barren im Werve von 1200
erling von einem Wrack
beim Kap Finiſterre rettet
ſoch nachgewieſen, dar
Tief
es unter günſtigen Umſt
iſt
von 210 Fuß zu arbeite
ifſe
rof
ſind die Taucher häufig
Rummer 2 28.
Seite 3.
Daemſtädter Tagblatt, Montag, deu 8. Oktober 1923.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 8. Oktober.
Verkehr nach dem Waldfriedhof. Nach einer Mitteilung der
ſtadt—Griesheim (Eiſenbahnbrücke dicht ſüdlich des
Hauptbahn=
hofes) dahin unterrichtet worden, daß der Verkehr nach dem
ſucher des Waldfricdhofes im Beſitze eines weißen (deutſchen)
Ausweiſes ſein, der an der Sperre gegen Aushändigung mal gewechſelt, und weil in der Nähe (Umkreis von 75 Metern) ſich
einer beſonderen Karte abgeliefert wird. Die Rückgabe des
übergangs an der Griesheimer Chauſſee verläuft die Grenze nun=
Betreten der „Tanne” weſtlich des neuen Bahngeländes muß
daher geivarnt werden. Im Norden der Stadt ſollen die
Grenz=
poſten bis zum Nordbahnhof ausſchließlich vorgeſchoben werden.
— Gegen Betriebsſtillegungen. Der Staatskommiſſar für
die wirtſchaftliche Demobilmachung weiſt hiermit wiederholt auf
die Beachtung der Reichsverordnung, betr. Maßnahmen
gegen=
über Betriebsabbrüchen und Betriebsſtillegungen, vom 8. Auguſt
1920, hin. Die gegenwärtige Lage fordert die
Auf=
rechterhaltung der Betriebe, wenn auch unter
gro=
ßen Opfern und weitgehendſter Arbeitsſtreckung. Inhaber von
Werken, die unter obige Reichsverordnung fallen und entgegen
der Meldepflicht ihre Betriebe ſtillgelegt haben oder ſtillegen
werden, machen ſich empfindlicher Freiheitsſtrafen
ſchul=
dig. Die Aufſichtsorgane ſind angewieſen, jeden einzelnen Fall
unter beſonderer Beſchleunigung zur Anzeige zu bringen. Die
empſindlichen Nachteile, die durch die notwendige Streuge bei
haben ſich dieſe gegebenenfalls ſelbſt zuzuſchreiben.
Heſſiſches Landestheater. Heute, Montag, findet im Kleinen Haus
die erſte Wiederholung von „Schluck und Jau” ſtatt. Morgen,
Diens=
tag, wird im Großen Haus „Elektra” wieder in den Spielplan
auf=
genommen. Die Partie der Chryſothemis ſingt diesmal Pauline Jack,
den Oreſt Robert Hager. Die Beſetzung der Hauptpartien (Elektra,
Klytämneſtra, Aegiſt) iſt mit den Damen Orff, Jacobs, ſowie Paul
— Das Schnurrbuſch=Quartett veranſtaltet dieſen Winter drei
Kammermuſikabende im Kleinen Haus des Landestheaters. Zur
Auf=
führung gelangen Werke von Mozart, Schubert, Brahms und Dvorak.
An neueren Werken ſind in Ausſicht genommen, ein Streichquartett von
E. v. Reznicek) (dem Roſe=Quartett gewidmet), ferner ein
Streichquar=
tett des Mannheimer Komponiſten, Erich Brückner, und ein
Streich=
trio des hieſigen Kammermuſikers 9. Steinmar. Für Intereſſenten
obiger drei Abende iſt ein Abonnement aufgelegt, das am Donnerstag
an der Kaſſe des Kleinen Hauſes zur Ausgabe gelangt.
Ausſtellung Mathildenhöhe. Die Sammlung der Freien
Vereini=
gung Darmſtädter Künſtler iſt einer Umgruppierung unterworfen
worden, wodurch ſich ihre Wirkung bedeutend erhöht hat. Aus dieſem
Grunde, und weil der Beſuch nach wie vor lebhaft anhält, wird die
Ausſtellung vorläufig noch nicht geſchloſſen, ſondern bis auf Weiteres
wochentäglich von 2—6 Uhr nachmittags, Sonntags durchgehend von
10—6 Uhr geöffnet bleiben.
Juryfreie Ausſtellung am Rheintor. Es wird daran erinnert, daß
die Einſendung von Werken, (bis zu 4 von jeder Kunſtgattung) wozu
alle in Heſſen wohnenden Künſtler berechtigt ſind, bis zum 9. Oktober
erſolät ſein muß. Die Eröffnung ſoll Sonntag, den 14. Oktober
ſtatt=
finden.
Der Brotpreis mußte wegen der Erhöhung des
Mehl=
preiſes und der weiteren Steigerung der Löhne, des
Breunmate=
rials uſw. abermals erhöht werden. Der große Laib koſtet jetzt
23,3 Millionen Mark, ein Brötchen aus gemiſchtem Brotmehl
1,1 Millionen Mark. (S. Anz.)
wb. Falſche Geldſcheine. Von den ſeit September d. J. von der
Reichsbahndirektion Frankfurt a. M. ausgegebenen Gutſcheinen zu Fünf
Millionen Mark mit dem Datum des 10. Auguſt 1923 ſind im
Verkehr Falſchſtücke aufgetaucht, die als plumpe Nachahmungen auf
den erſten Blick zu erkennen ſind. Das Papier der Falſchſtücke iſt
ein=
faches weißes Schreibpapier ehne jegliches Waſſerzeichen. Der Aufdruck
der Scheine iſt unſauber. An dem Geſamteindruck ſowie an der
man=
gelnden Genauigkeit und der Unſchärfe der Buchſtaben iſt die Fälſchung
ſofort zu erkennen. Stempel und Druckbuchſtaben ſind verkrüppelt und
ſchlecht wiedergegeben. Die Vignette an der linken Seite iſt ohne irgend
welche genauen Linien, im Muſter verſchwommen und in der Tönung
einmal zu ſtark und dann wieder zu ſchwach. Die Zahl fehlt zum Teil
in der Vignette, zum Teil iſt ſie zu groß oder zu klein und ſehr
mangel=
haft hergeſtellt.
Störungen der Ruhe und Orbnung durch Muſizieren betreffend.
Anhaltendes Muſizieren, insbeſondere Klavierſpielen, Singen,
Spielen=
laſſen von mechaniſchen Muſikapparaten (Grammophonen und dergleichen)
im Freien oder bei offenen Fenſtern bildet meiſt eine erhebliche
Beläſti=
gung der Nachbarſchaft und erfüllt häufig den Tatbeſtand des § 360,
Ziffer 11, des Reichsſtrafgeſetzbuches (ungebührliche Erregung
ruhe=
törenden Lärms oder Verübung groben Unfugs). Die Polizeibeamten
ſind angewieſen, einzuſchreiten.
Beleuchtung von Einfahrten, Höfen, Treppen, Fluren uſw. Wir
weiſen erneut auf die den Eigentümern von Grundſtücken obliegende
Verpflichtung hin, die Toreinfahrten, Höfe, Hausflure, Gänge und
Trep=
pen, ſofern und ſolange ſie jedermann zugänglich ſind, während der
Dunkelheit ſo ausreichend zu beleuchten, daß für die daſelbſt
verkehren=
den Perſonen keine Gefahr beſteht. Dieſe Verpflichtung liegt namentlich
auch den Inhabern von Fabriken, gewerblichen Anſtalten und
Arbeits=
ſtätten, von Vergnügungs=, Verſammlungs= und Schankſtätten (den
letz=
teren insbeſondere auch hinſichtlich der Bedürfnisanſtalten) ob.
Pflicht=
widrige Unterlaſſung der Beleuchtung begründet, falls hierdurch Jemand
zu Schaden kommt, die Entſchädigungspflicht ſowie die ſtrafrechtliche
Ver=
antwortlichkeit. Die Verpflichtung kann durch Vertrag auf
Hausverwal=
ter, Mieter uſw. übertragen werden. Dies ſetzt jedoch die
übereinſtim=
mende Willenserklärung beider Parteien, des Vermieters und des Mie=
tets, voraus. Eine einſeitige Erklärung des Vermieters (als ſolche iſt Antrag der Kommuniſten auch eine Roſa Luxemburg= und eine Karl
auch der ohne vorherige Verſtändigung mit dem Mieter erfolgte
Aus=
hang einer „Hausordnung” zu zählen), kann die obengenannte
Verpflich=
tung für die Mieter nicht begründen.
L. Verwaltungsgerichtshof. 1. Geſuch des Otto Reinheimer in
Offenbach um Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirtſchaft im Hauſe
franzöſiſchen Behörde ſind die Grenzpoſten an der Straße Darm= Große Marktſtraße 17. Erſchienen: Oberverwaltungsinſpektor
Polizei=
rat Becker=Offenbach und Rechtsanwalt Levi=Darmſtadt, Letzterer als
Vertreter des Geſuchſtellers. Der Provinzialausſchuß hat am 21. März
Waldfriedhof geſtattet iſt. Jedoch müſſen die Be= 1923 das Geſuch mangels Bedürfniſſes abgelehnt. Hiergegen verfolgt
N. Berufung. Der Provinzialausſchuß begründet die Entſcheidung mit
der mangelnden Rentabilität, hat doch in einem Jahre der Beſitzer vier=
10 Wirtſchaften befinden. Der letzte Inhaber vor R. habe die Wirt=
Ausweiſes erfolgt gegen Rückgabe der Karte. Südlich des Bahn= ſchaft mangels Rentabilität aufgegeben. Der Geſuchſteller hat zum
heu=
tigen Termin zwei Zeugen ſiſtiert. Der Vertreter desſelben legt eine
mehr enblang der weſtlichen Seite des Bahngeländes. Vor dem Aufſtellung über den Bierverbrauch in 2 Monaten vor, wonach pro
Woche 315 Liter Bier verzapft wurden und eine Umſatzſteuer von
monat=
lich 3 Milliarden 5 Millionen gezahlt wurde. Gaſtwirt Schnauber von
hier iſt als Sachverſtändiger und Vorſitzender des Landesverbands der
Wirte Heſſens erſchienen; er ſpricht ſich für Bejahung des Bedürfniſſes
im Fragefalle aus. Das Notgeſetz vom 24. Februar 1923 komme nach
hieſiger Praxis hauptſächlich bei Neukonzeſſionierung zur Anwendung,
N.s Umſatz ſei unter den heutigen Verhältniſſen noch hoch zu neunen.
Urteil: Auf die Berufung wird die Entſcheidung des
Provinzialaus=
ſchuſſes aufgehoben und die Konzeſſion unter Ausſchluß des
Branntwein=
ausſchanks erteilt. — 2. Klage des Willy Stern in Friedberg gegen
1. Rechtsanwalt und Notar Jöckel, 2. Wilh. Föller, 3. Guſtav Trapp,
ſämtlich in Friedberg, auf Schadenserſatz; hier: Vorentſcheidung.
Er=
ſchienen von den Parteien: niemand. Das Mieteinigungsamt gab am
30. Dezember 1921 einer Kündigung unter der Bedingung ſtatt, daß
Willy Stern eine andere Wohnung finde. Das M.E. A. entſchied dann
ſpäter, daß die Wohnung Bismarckſtraße 7 für Stern geeignet befunden
wurde. Stern wurde demnächſt zur Räumung der gekündigten
Woh=
nung verurteilt. Auf Grund ärztlicher Zeugniſſe wurde eine
Nachprü=
fung der erlaſſenen Entſcheidung des M.E.A. gefordert, das M. E.A.
der Qurchſührung der Vorſchriſten den Beteiligten entſtehen, wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zurück. Es
folg=
nochmalige Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim
E.A. am 7. September 1922. Am 8. September 1922 lehnte das
M. E. A. dieſe Anträge ab. Frau Stern erſuchte auch das Miniſterium
für Arbeit und Wirtſchaft um Einſchreiten, ihr Anwalt betonte, die
Fa=
milie müſſe, weil ſie keine Wohnung in Friedberg finden könne, in ein
Hotel in Bad=Nauheim ziehen. Das Miniſterium erklärte, es könne gegen
die Gemeinde nicht weiter einfchreiten. Der Anwalt Sterns ſucht nun
um Vorentſcheidung des Verwaltungsgerichtshofs nach, weil die
Beklag=
ten als Mitglieder des M.E.A. bei der Beſchlußfaſſung am 16. Juni
1922 zum Nachteil des Klägers Stern gehandelt hätten, es ſei zudem
anzunehmen, daß nicht ſachliche Gründe bei der Entſcheidung mitgewirkt
hätten. Stern will dieſe Mitglieder des M.E.A. und die Stadt
Fried=
berg auf Schad nerſatz belangen. Das Miniſterium für Arbeit und
Wirtſchaft hat am 25. April 1923 beim Verwaltungsgerichtshof
ſeiner=
ſeits Antrag auf Vorentſcheidung geſtellt. In einer längeren
Vernehm=
laſſung beſtreitet Rechtsanwalt und Notar Jöckel als
Vor=
ſitzender des M.E.A. jede Verletzung der Amtspflicht bei Behandlung
der Sternſchen Mietſache. Beſchlußentſcheidung wird am 20. d. M.,
vormittags 9 Uhr, verkündet werden.
Aus den Parteien.
— Deutſche Demokratiſche Partei. Die Zahlung der
Beiträge iſt einer Neuregelung unterzogen worden. Wir haben ab
1. Oktober zur beſſeren Anpaſſung an die Geldentwertung die
Goldmark=
rechnung eingeführt und zwar auf der Baſis 1 Goldmark gleich 1,25
Schweizer Franken. Die Umrechnung erfolgt nach dem Berliner
Brief=
kurs, wie er jeweils am erſten Börſentag des Monats feſtgeſtellt wird.
Bis auf weiteres beträgt der Monatsbeitrag 0,20 Goldmark gleich
8 500 000 Papiermark. Parteifreunde, die ſich ihrer Beitragspflicht für
ein Vierteljahr im voraus entledigen wollen, zahlen 25 000 000
Papier=
mark. Am 1. November und 1. Dezember erfolgen Neuberechnungen,
die dann auch für die noch nicht bezahlten vorausgegangenen Monate
gelten. Es empfiehlt ſich daher, die Beiträge für das Vierteljahr im
voraus und zwar innerhalb des erſten Quartalsmonats zu entrichten.
Zahlungen werden täglich, mit Ausnahme des Sonntags, von 4 bis 7
Uhr nachmittags, auf dem Parteibureau, Waldſtraße 45,
entgegengenom=
men. Wer Abholung des Beitrags vorzieht, wird gebeten, die
Mitglieds=
bücher und die Beträge in ſeiner Wohnung bereit zu halten, damit unſere
freiwilligen Kaſſierer keine vergeblichen Wege machen. Wo mehrere
Familienmitglieder Beiträge leiſten, zahlt das zweite und jedes weitere
nur die Hälfte des Beitrags. Kleinrentner und Erwerbsbeſchränkte
zah=
len einen ihren Verhältniſſen entſprechenden Beitrag, dafür wird aber
erwartet, daß alle anderen Mitglieder mehr als den Mindeſtbeitrag
leiſten.
-0- Mörfelden, 6. Okt. Scharfe Grenzkontrolle. Die
Frauzoſen haben in den letzten Tagen die Grenz= und Paßkontrolle
er=
heblich verſchärft. Auch die Zollkontrolle wird ſchärfer gehandhabt. An
der Straße nach Frankfurt haben ſie geſtern zirka 60 Perſonen, meiſt
Arbeitern und Angeſtellten, die Fahrräder beſchlagnahmt.
ro. Seligenſtadt a. M., 6. Okt. Der neue Mietpreis. Die
Wohnungsmiete für Oktober beträgt hier 134 000 648 Prozent. Der
Richtpreis für eine Kilowattſtunde Licht beträgt 60 und für Kraft
37 Goldpfennige.
— Offenbach, 5. Okt. In die
Stadtverordnetenver=
ſammlung trat geſtern für die Zentrumspartei der Stadtſekretär
Scheerer neu ein. Sein Vordermann, ein Portefeuiller aus Bürgel,
ver=
eichtete. Für die von der Stadt errichteten Siedelungshäuſer hatte die
Verwaltung einen Erbbauvertrag vorgelegt, wonach von Liebhabern
ein derartiges Dreizimmerhaus durch Anzahlung des Wertes von 4000
Arbeitsſtunden eines Arbeiters der chemiſchen Induſtrie, ein
Vierzim=
merhaus durch Zahlung des Wertes von 5200 Arbeitsſtunden erworben
werden kann. Von der Rechten wurde beantragt, den Erwerbspreis für
beide Häuſer auf 6000 und 7200 Arbeitsſtunden feſtzuſetzen, was 3000
und 3600 Goldmark entſprechen würde. Gegen die drei Stimmen der
Rechtsparteien wurde der niedere Erwerbspreis beſchloſſen. Die Rechte
ſtimmte darauf gegen den ganzen Vertrag, in dem auf ihren Antrag die
Leiſtungen des Erwerbers wertbeſtändig feſtgelegt wurden. Die
Straßenbenennung im Siedelungsgebiet des Werkes Oehler ſieht auf
Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)
57)
Der Großherzog lachte und ergriff Philipps Hand.
„Meine Achtung vor der Preſſe iſt in dieſer Nacht um
hun=
dert Prozent geſtiegen,” ſagte er. Kommen Sie alſo, wenn Sie
durchaus wollen.”
Sie tauchten in das nachtſchwarze Dunkel des Ganges, der
von dem kleinen Pförtchen zur Küchenregion führte. Leiſe,
un=
geheuer vorſichtig, Schritt für Schritt, gingen ſie von dort in die
Halle des Schloſſes. Ein einſames Lämpchen qualmte an dem
Ende, das dem Ausgang am nächſten lag. Von draußen hörte
man die dumpfen, regelmäßigen Schritte des Soldaten, der
Wache hielt.
Philipp zog ſein elektriſches Taſchenlämpchen heraus und
beleuchtete für einen Augenblick ſeine Uhr. Es war fünf
Minuten über zehn.
Der Großherzog war mit einer geräuſchloſen
Geſchmeidig=
keit, die man ſeinem Rieſenkörper nie zugetraut hätte, zu der
Reihe der Türen in der Halle geſchlichen, um zu lauſchen. Ein
bitteres Lächeln flog über ſein Geſicht, als er dieſe Türen
be=
trachtete; auf allen war das alte großherzögliche Wappen mit
groben Oelfarben übermalt, und auf einer derſelben bemerkte
er plötzlich eine Viſitenkarte. Er brauchte ſich kaum
vorzubeu=
gen und zu leſen, um zu wiſſen, welchen Namen ſie trug.
„Profeſſor,” flüſterte er, indem er Philipp winkte. „Hier
wohnt der Präſident. Sie ſehen ſeine Viſitenkarte an der Türe.”
Philipp huſchte raſch hin und ſtarrte das vielſagende weiße
Zettelchen an. Dann lauſchten ſie beide geſpannt nach dem
Zimmer. Nur der leiſe Laut der Schritte eines einzelnen
Men=
ſchen war von dort drinnen zu hören, und einem
unwiderſteh=
lichen Impuls gehorchend, hob Philipp die Hand und klopfte an.
Raſche Schritte näherten ſich von innen, dann wurde die
Türe geöffnet, und auf der Schwelle zeigte ſich, vom Lampenlicht
beſchienen, Präſident Luis Hernandez ſelbſt.
Philipp hatte raſch den Großherzog hinter die geöffnete
Tür=
hälſte geſchoben und verbeugte ſich nun leicht vor Senjor
Hernandez.
„Guten Abend, Herr Präſident!” ſagte er. „Wie Sie ſehen,
habe ich mir nicht erſt bis morgen Zeit gelaſſen, um unſere Pläne
zu diskutieren. Trotz der ſpäten Stunde habe ich mir die
Frei=
heit genommen, Sie ſchon heute abend aufzuſuchon.”
Das Geſicht des Präſidenten, der ihn zuerſt mit einem
Aus=
druck erſtaunten Argwohns angeſtarrt hatte, erhellte ſich ſo
all=
mählich, als er Philipp erkannte.
„Ah,” ſagte er mit Würde. „Sie haben recht. Die Stunde
iſt ſpät — aber Ihr Kommen paßt vortrefflich — ich erwarte
eben meine Freunde — meine Mithelfer. Treten Sie ein, Mr.
Pelotard!
„Ich danke, Herr Präſident,” ſagte Philipp und trat langſam
näher, „aber die Sache iſt die, daß ich nicht allein komme. Ich
habe einen Freund mitgebracht.”
Viertes Kapitel,
worin der Beſtand der Republik Minorca
ſtark bedroht erſcheint.
„Einen Freund?” wiederholte Senjor Hernandez
verſtänd=
nislos. „Jch glaubte, Sie wären allein in dem Boote. Haben
Sie Freunde in Minorca?”
„Ich habe einen,” ſagte Philipp mit einem unwillkürlichen
Beben in der Stimme und faßte die Hand des Großherzogs
hinter der Türhalfte. „Einen, der Ihnen ſeine Huldigung
dar=
zubringen wunſcht, Herr Präſident.”
Senjor Hernandez retirierte in das Zimmer und betrachtete
ihn mit plötzlich mißtrauiſchen Blicken.
„Wie ſind Sie an der Wache vorbeigekomnmen?” rief er.
„Zeigen Sie ſofort Ihsen Freund und ſagen Sie ſeinen Namen!
„Sein Name,” ſagte Philipp und ſtürzte in das Zimmer,
„iſt Don Ramon der Zwanzigſte von Minorca, den Sie und
Ihre Freunde für zweimalhunderttauſend Peſetas kontant zu
ermorden übernommen haben, und der jetzt wiedergekommen
iſt, um Ihnen in die Suppe zu ſpucken!“
Während er mit immr lauter werdender Stimme dieſe
Worte hinausrief, hatte Senjor Hernandez raſch Kehrt gemacht
und ſtürzte nun auf einen Schreibtiſch zu, auf deſſen äußerſter
Kante ein kleines, ſchwarzblinkendes Ding lag, das Philipp
ſofort als einen Revolder erkainnte. Es hatte eine Zeit gegeben,
wo Philipp, als der beſte Fußballſpieler einer ſchwediſchen
Univerſitätsſtadt gegolten hat ; es war lange her; aber beim
Anblick von Senjor Hernandez und dem Ziele, dem er zuſtürzte,
erwachten blitzſchnell lange ſchl immernde Inſtinkte in Philipps
Seele.
Er machte drei Sprünge, deren er ſich auch vor zwölf Jahren
nicht hätte zu ſchämen brauchen; und im ſelben Augenblick, in
dem der präſumtive Präſident von Minorca am Schreibtiſch
angelangt war und die Hand ausſtreckte, um den Revolver zu
packen, fuhr Philipps rechter Fuß in einem prächtigen Kick in
Liebknecht=Straße vor. Die Beratung über dieſen Gegenſtand
veran=
laßte die Rechte, die gegen die Verewigung der beiden Kommuniſten
ſtimmte, den Oberbürgermeiſter darauf hinzuweiſen, daß er die
Wort=
meldung eines Stadtverordneten der Rechten, der einen Gegenantrag
be=
gründen wollte, wohl überſehen habe. Den zwei Obmännern der
Er=
werbsloſenkommiſſion wurde für ihre Tätigkeit im Dienſte der
Erwerbs=
loſen der Unterſchiedsbetrag zwiſchen der Erwerbsloſenfürſorge und dem
Lohne eines ſtädtiſchen ungelernten Arbeiters zugebilligt. Zu einem
ſcharfen Zuſammenſtoße zwiſchen dem Oberbürgermeiſter und den
Kom=
muniſten kam es außerhalb der Tagesordnung. In einer Verſammlung
der Erwerbsloſen wurden vor etwa vier Wochen Drohungen gegen die
Verwaltung ausgeſtoßen, was den Oberbürgermeiſter veranlaßte, den
ruhigen Verlauf der Stadtverordnetenverſammlung vom 20. September
durch ein Polizeiaufgebot ſichern zu laſſen. Die Kommuniſten verbaten
ſich in heftiger Nede den Schutz der Polizei, worauf der
Oberbürgermei=
ſter treffend erwiderte, das Polizeiaufgebot ſei auch nur zum Schutze der
übrigen Stadtverordneten befohlen worden, die durch die Zuhörer nicht
geſchützt ſeien. Die Kommuniſten brauchten nach ſeiner Anſicht
ſelbſt=
verſtändlich keinen Schutz. Die Kommuniſten brachten dann noch zur
Sprache, daß in der Tulpenhofſtraße ſeit drei Jahren eine herrſchaftliche
Vierzimmerwohnung leergeſtanden habe, die jetzt von einem ganz jung
verheirateten Ehepaare bezogen worden ſei. Es handelt ſich dabei um
ein Haus der Stadtverordneten Kiara Grein. Der Oberbürgermeiſter
klärte den Fall dahin auf, daß das Bankhaus Merzbach, das die
Woh=
nung für ſeinen Prokuriſten bekam, dafür eine Dreizimmerwohnung der
Stadt zur Verfügung ſtelle, außerdem eine Milliarde zahle und die
ſaglartigen Räume mit Oefen ausſtatte. Die Stadtverordneten billigten
unter dieſen Umſtänden die Vergebung der Wohnung, wenn es auch
auf=
fällig ſei, daß ſich im Verlaufe von drei Jahren kein zahlkräftiger
Be=
iverber gefunden habe.
+ Offenbach, 5. Okt. Der Fleiſchverbrauch der
Offen=
bacher Bevölkerung betrug vor dem Kriege in der Woche auf
den Kopf 915 Gr. Ende September 1922 verzehrte jeder Einwohner in
der Woche noch 454, und Ende Auguſt 1923 waren es nur noch 314 Gr.
Von Ende Auguſt 1923 bis Ende September iſt der Verbrauch allein
um 41 Gr. geſunken. — Die Zahl der Wohnungsſuchenden iſt von
Auguſr 1922 bis Auguſt 1923 von 209 auf 5477 geſtiegen. Die Zahl der
Wohnungsſuchenden, die überhaupt ohne jede Wohnung iſt, iſt
inner=
halb Jahresfriſt von 2258 auf 2737 geſtiegen. Man iſt alſo nicht in
der Lage, die Wohnungsnot auch nur einigermaßen zu mildern.
Jeder Ausländer, der ſich länger als 48 Stunden hier aufhält, bedarf
hierzu der Genehmigung des Polizeiamtes. Im Auguſt wurden 17
Niederlaſſungsverhandlungen aufgenommen. Es begehrten 3 Deutſch=
Oeſterreicher, je zwei Ruſſen, Polen, Tſchechoſlowaken und Franzoſen
und je ein Ungar, Italiener, Schweizer, Engländer, Amerikaner und
ein Staatenloſer hier Aufenthalt zu nehmen.
ur. Offenbach, 6. Okt. Auto=Unfall. Kaufmann
Gerns=
bacher, der Mitinhaber der Lederwarenfabrik Kahn, iſt mit einem
ge=
mieteten Auto in der Röhn verunglückt. Er liegt ſchwer verletzt im
Krankenhaus zu Fulda darnieder.
hr. Heuſenſtamm b. Offenbach, 6. Okt. Die Guſtav
Adolfs=
kirche iſt am Sonntag, im Beiſein des Prälaten D. Dr. Diehl=
Darmſtadt und des Superintendenten Flöring=Darmſtadt, in
feier=
licher Weiſe eingeweiht worden.
ih. Mainz, 6. Okt. Dienſtjubiläum. Herr Kreisrentmeiſter
Baſtian konnte in dieſen Tagen auf eine 25jährige Amtszeit als
Rechner der Kreiskaſſe des Kreiſes Mainz zurückblicken. — Nacheak,
Hier wurden nachts an einem Hauſe in der Klaraſtraße von mehreren
Perſonen ſämtliche Fenſterſcheiben eingeworfen. Aller Wahrſcheinlichkeit
nach handelt es ſich um einen Racheakt.
th. Mainz, 6. Okt. Milchpreis. Ein Liter Vollmilch koſtet
jetzt 17 600 000 Mk. Der Stallpreis dagegen beträgt 12 Millionen Mk.
In einem hieſigen Spezereigeſchäft wurde eine im Hauſe wohnende
Frau als Ladendiebin auf friſcher Tat ertappt.
F. Bad Nauheim, 6. Okt. Die neuen Mahllöhne. Die
Mühlenvereinigung Wetterau” hat beſchloſſen 40 Prozent des
einge=
lieferten Getreides als Mahllohn zu nehmen. Das ſind bei einem
Dop=
pelzeutner 80 Pfund.
rh. Gettenau (Wetterau) 6. Okt. Eine Diebesbande hat in
der letzten Woche unſer Dörfchen heimgeſucht. Insbeſondere hatten
es die Diebe auf Federvieh abgeſehen. In einer ganzen Anzahl
Hof=
raiten wurden Hühner und Gänſe geſtohlen. Auch ſtatteten anſcheinend
die gleichen Diebe der Jagdhütte im Gettenauer Wald bei Echzell einen
Beſuch ab, wo ſie dem dieſe Hütte beſitzenden Jäger aus Friedberg
weitvolle Stücke des Inventars, beſonders Decken, Matratzen uſw.
ent=
wendeten.
R. Leihgeſtern, 5. Okt. Kirchliche Stiftung. Die hieſige
Gemeinde hatte eine außerordentliche Sammlung für die finanziell
ſchlecht daſtehende Kirchenkaſſe veranſtaltet. Das Ergebnis der
zahl=
reichen Stiftungen erbrachte einen Geſamterlös von 700 Millionen M.
Gültige Brotmarlen vom 7. bis 10. Oktober 1923 einſchließlich
(st7770
Nr. 5 mit 800 gr Brot.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 9. Oktober.
Unbeſtändig, einzelne Regenſchauer, auch tagsüber, geringe
Er=
wärmung.
Raae
Landestheater, Großes Haus: Geſchloſſen. — Kleines Haus,
An=
fang 7 Uhr, Ende 10 Uhr: „Schluck und Jau”. — Union=, Reſidenz=,
Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender.
Montag, den 8. Oktober, nachm. 3 Uhr: Verſteigerung,
Lud=
wigsplatz 6.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und Land”
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. 2. Flciſcmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 6 Seiten
die Höhe; im nächſten Moment ſauſte der kleine Browning in
einem Bogen von zehn Metern in das andere Ende des
Zim=
mers. Leider iſt hinzuzufügen, daß Philipps Fuß, vermutlich
gewiſſen phyſikaliſchen Geſetzen gehorchend, nach dieſer ſchönen
Leiſtung nicht innehielt, ſondern weiter hinaufflog, eine leichte
Abweichung machte und plötzlich der Naſe des Präſidenten von
Minorca begegnete, die im nächſten Augenblick die
Marmor=
platten des Bodens rot zu färben begann. Philipps Fuß ſank
wieder zu Boden, und während der Großherzog vor Lachen und
Wut brüllend herbeiſtürzte, ſank der Präſident der Republik
Minorca mit einem Schmerzensgeheul über dem Schreibtiſch
zuſammen.
„Well done, Profeſſor! Well done,” rief der Großherzog.
„Sie, Kerl, ſchweigen, oder ich töte Sie auf der Stelle, ohne viel
Federleſen! Keinen Ton, ſage ich!”
Seine Stimme war ſo furchtbar, daß Senjor Hernandez”
Schmerzgeheul ſo plötzlich verſtummte, als hätte man ihm die
Kehle abgeſchnitten; an allen Gliedern zitternd, erhob er ſich
vom Schreibtiſch, betrachtete einen Augenblick ſeinen Herrſcher
und ſank im nächſten auf dem Boden in die Knie, während das
Blut noch immer unaufhaltſam aus ſeiner Naſe ſtrömte:
„Gna . . . Gnade, Hoheit!” keuchte er, „Gnade! Ich.
ich bin verlockt worden . . . ich hatte, keinen Teil an der
Ver=
ſchwörung . . . ich ſchwöre es .. ."
Der Großherzog betrachtete ihn mit flammender Verachtung.
„Dann ſchwören Sie falſch, verdammter Schurke. Wie
kommt es, daß Sie ſich hier eingeniſtet haben, in meinem Palaſt!
Antworten Sie! Weil Sie keinen Anteil an der Verſchwörung
hatten?"
„Ma . . . man dachte mich zum P.. Präſidenten zu
wäh=
len,” murmelte Senjor Hernandez ſchluchzend.
„Und Sie haben die Würde gleich vorweggenommen! Aber
woher kommt es (die Stimme des Großherzogs wurde wieder
furchtbar), daß Ihr Name zu oberſt auf dieſem Kontrakt ſteht?”
Er riß plötzlich das Papier heraus, das Herrn Bekker aus
der Taſche gefallen war, und hielt es Luis Hernandez vor die
Augen.
Dieſer wurde bleicher als der Tod, und einen Augenblick
ſah es aus, als hörte ſogar das Blut aus ſeiner Naſe zu fließen
auf. Dann warf er ſich, ohne etwas zu ſagen, vornüber und
ver=
ſuchte, die Knie des Großherzogs zu umfaſſen, um um Gnade
zu flehen. Mit einer heftigen Bewegung machte ſich Don
Ra=
mon frei und ſagte zu Philipp:
„Wollen Sie in das Zimmer am äußereſtn Ende der Halle
gehen? Ich glaube, Sie werden da Stricke finden.”
(Fortſ. f.)
Darmſtädter Tagblatt
Handelsbia
Wirtſchaftliche Rundſchau.
wb. Der Ausweis der Reichsbank vom 22. Sept. zeigt eine
weitere gewaltige Anſpannung des Standes der Bank. Die geſamte
Kaditalanlage hat ſich gegenüber der Vorwoche mehr als verdreifacht:
ſie ſtieg von 4551,2 Billionen Mark auf 14994,5 Billionen Mark. Von
dieſer Zunahme in Höhe von 10 443,2 Billionen Mark entfiel wieder
weitaus der größte Teil auf das Schatzanweiſungskonto, deſſen Beſtand
von 3808,4 Billionen Mark um 8421 Billionen Mark auf 12229,4
Bil=
lionen Mark anſchwoll. Das Wechſelkonto ſtieg in gleichem Ausmaße
— d. h. auch auf mehr als das dreifache gegenüber der Vorſooche —
von 703 Billionen Mark um 1497,6 Billionen Mark auf 2200,6
Bil=
lionen Mark. Die Steigerung des Lombardkontos von 39,8 Billionen
Mark um 523,9 Billionen Mark auf 563,7 Billionen hängt zum Teil
damit zuſammen, daß Kreditanſprüche von den Darlehnskaſſen infolge
Erſchöpfung des Kontingents, (welches unterdes am 27. September von
300 Billionen Mark auf 5000 Billionen Mark erhöht worden iſt) nicht
befriedigt wurden, ſondern an die Reichsbank verwieſen werden mußten.
Mit der rieſenhaften Vermehrung der Anlagen der Reichsbank trat
eine entſprechende Vermehrung der Paſſiven ein: der Notenumlau
allein wuchs von 3183,7 Billionen Mark um 5444 Billionen Mark auf
8627,2 Billionen Mark. Daneben ſtieg die Summe der fremden
Gel=
der von 1954,4 Billionen Mark um 4138,4 Billionen Mark nuf 6152.8
Billionen Mark. Der Goldbeſtand verminderte ſich um 20 Millionen
Goldmark, die zum Zwecke der Deviſenbeſchaffung verpfändet wurden.
Der Darlehensbeſtand bei den Darlehnskaſſen erfukr eine geringe
Ab=
nahme von 299,2 Billionen Mark auf 292,2 Billionen Mark, wobei die
erwähnte, vorübergehende Verweiſung größerer Darlehen auf das
Reichsbanklombard zu berückſichtigen iſt. Durch den entſprechenden
Rückfluß von Darlehnskaſſenſcheinen von der Reichsbank zu den
Dar=
lehnskaſſen verminderte ſich der Beſtand der erſteren an ſolchen
Schei=
nen von 299,1 Billionen Mark auf 292,2 Billionen Mark.
* Gebr. Gödhart A.=G., Düſſeldorf. Ein Teilbetrag von
6 Mill. Mk. für das Geſchäftsjahr 1923 voll dividendenberechtigten
Aktien wird den alten Aktionären im Verhältnis 2:1 zum Gegenwert
von 6 Dollar zuzüglich Bezugsrechts= und Börſenumſatzſteuer zum
Bezuge bis einſchließlich 16. Oktober angeboten.
* Vereinigte Elbſchiffahrtsgeſellſchaften A.=G.,
Dresden. Die Geſellſchaft fordert die alten Aktionare auf, das
Be=
zugsrecht auf die neuen, ab 1. Januar 1923 dividendenberechtigten
Stammaktien auszuüben. Auf nominal 5000 Mk. alte Stammaktien
entfallen nominal 2000 Mk. neue zum Preiſe von 2 Dollar
Reichsgold=
anleihe zuzüglich Bezugsrechts= und Börſenumſatzſteuer. Das
Bezugs=
recht iſt bis zum 15. Oktober einſchließlich auszuüben.
Habermann u. Guckes A.=G. Kiel. 10 Mill. Mk. der
neuen, ab 1. Juli 1923 dividendenberechtigten Stammaktien werden den
alten Aktionären derart zum Bezuge angeboten, daß auf nominal 400
Mark alte eine neue Stammaktie über nominal 1000 Mk. zu 500 000
Prozent zuzüglich Börſenumſatzſteuer und eines noch bekannt zu
geben=
den Bezugsrechtsſteuerkoſtenpauſchals und eines etwaigen prozentualen,
vom Aufſichtsrat und Vorſtand feſtzuſetzenden Betrags als Ausgleich
für eine weitere Geldentwertung, falls der amtliche Dollarkurs am
5. Oktober in Berlin höher ſein ſollte als der amtlich notierte vom
14. September d. J., entfällt.
K
2d- Adolf Speck A.=G., Zuckerwarenfabriken,
arlsruhe. Die Generalverſammlung beſchloß die Erhöhung
des Aktienkapitals, das bisher aus 14 Millionen Mark Stamm=
und 1 Million Mark Vorzugsaktien beſtand, um 44 Millionen Mark
Stamm= und 1 Million Mark Vorzugsaktien auf insgeſamt 60
Mil=
lionen. Die Stammaktien werden von einem Bankenkonſortium unter
Führung der Rheiniſchen Kreditbank Karlsruhe mit der Verpflichtung
überndmmen, 14 Millionen den alten Aktionären in der Weiſe
anzu=
bieten, daß auf eine alte Aktie eine neue zum Kurſe von ½ Dollar
entfällt. Das Bezugsrecht kann in der Zeit vom 15. bis 31. Oktober
auf der Grundlage der amtlichen Berliner Dollarbriefnotierung vom
ſeweiligen Vortage ausgeübt werden. Die reſtlichen 30 Millionen
ſollen freihändig im Intereſſe der Geſellſchaft zu einem Mindeſtkurſe
von 6 Goldmark verwertet werden. Neu in den Aufſichtsrat wurden
gewählt: Bankier Dr. Kahn von der Firma Jaſfa u. Levin, Bankier
Falkenheim von der Firma Gebrüder Heh;n, und
Großkauf=
mann Eger, ſämtlich in Berlin, ſowie Direkie: Siebrecht vom
Bankhauſe Ernſt Wertheimer in Frankfurt a. M. Ueber die Lage des
Unternehmens wurde mitgeteilt, daß weit mehr Aufträge vorliegen,
als ſeiner bisherigen Leiſtungsfähigkeit entſprechen; und daher eine
Ka=
pitalsvermehrung zur Erhöhung der Produktion unerläßlich geworden
ſei. Durch die Aufhebung der Zuckerzwangswirtſchaft habe ſich die
Situation dieſes Induſtriezweiges weſentlich günſtiger geſtaltet.
* Cröllwitzer Aktienpapierfabrik, Halle a. d. S.
In der a. v. G.=V. wurde in Erweiterung des
Verwaltungsantra=
ges beſchloſſen, das Aktienkapital um bis zu 135 Mill. Mk. neuen Aktien
unter Ausſchluß des Bezugsrechts der Aktionäre zu erhöhen. Die neuen
Aktien ſollen zum Preiſe von 1 . Sterling, umgerechnet zum amtlichen
Berliner Mittelkurs des dem Eingangstag vorausgehenden Tages,
aus=
egeben werden.
Nie=
* Kammgarnſpinnerei Wernshauſen A.=G.,
der=Schmalkalden. Im Proſpekt zur Einführung von 20 Mill.
Mark. neuen Stammaktien wird mitgeteilt, daß der Geſchäftsgang im
laufenden Jahre bisher befriedigend war. Aufträge lagen auf mehrere
Monate vor, ſo daß auch für das erhöhte Aktienkapital mit einem
be=
friedigenden Ergebnis gerechnet werden könne. Seinerzeit wurden
10 Mill. Mark den alten Aktionären zum Bezug angeboten, die
reſt=
lichen 10 Mill. Mk., von denen 5 Mill. Mk. umgewandelte
Vorzugs=
aktien ſind, gingen an ein Konſortium über, welches dieſelben im
Ein=
verſtändnis und Gewinnbeteiligung der Geſellſchaft verwerten ſollte.
* Gehe u. Co. A.=G. Im Proſpekt über Zulaſſung von 25 Mill.
Mk. neuen Aktien verfügte die Geſellſchaft laut Zwiſchenbilanz per
31. Mai 1923 über ein Bankguthaben von 1,150 Mill. Mk., über
Außen=
ſtände von 8000 Mill. Mk. Dagegen betrugen Bankſchulden, ſonſtige
Verpflichtungen und Rücklagen 7,600 Mill. k. Es wird bemerkt, daß
die Waren in der Menge keineswegs hinter en Vorräten vom 31.
De=
zember zurückſtehen. (Warenbeſtand am 31. Dezember 131 Mill. Mk.
Die Umſätze betrugen 1920 90 Mill. Mk., 1921 350 Mill. Mk., 1922 rund
2,130 Mill. Mk. Der Geſchäftsgang ſoll, wie mitgeteilt wird,
befriedi=
gend ſein.
* J. D. Riedel A.=G., Berlin. Die a. o. G.=G. genehmigte
die Erhöhung des Aktienkapitals von 140 Mill. Mk. um bis zu 110 Mill.
Mark auf insgeſamt 250 Mill. Mk. Die neuen Aktien ſind ab 1. Januar
1923 dividendenberchtigt, der Ausgabekurs wurde auf 100 Prozent
feſt=
geſetzt. Die beſchloſſene Kapitalserhöhung kann ganz oder in
Teilbeträ=
gen zu den vom Aufſichtsrat und Vorſtand zu beſtimmenden Zeitpunkten
durchgeführt werden, jedoch mit der Maßgabe, daß die Kapitalserhöhung
zu unterbleiben hat, ſofern und ſoweit ſie nicht bis zum 1. Okvober 1924
durchgeführt iſt. Die gleichen Stellen ſind dazu ermächtigt, die neuen
Aktien nach dem Bedürfnis der Geſellſchaft zu begeben und darüber
zu beſtimmen, ob und in welchem Verhältnis den alten Aktionären ein
Bezugsrecht eingeräumt werden ſoll. 6 Mill. Mk. der neuen Aktien
werden zu einem Vorzugskurs an Aufſichtsrat, Vorſtand und Beamte
übergeben. Soweit durch die Begebung der Aktien ein Mehrerlös über
den Nennwert hinaus erzielt wird, ſind Vorſtand und Aufſichtsrat
be=
rechtigt, davon abzuſehen, dieſen Mehrerlös der geſetzlichen Reſerve
zuzufuhren. Wird von dieſer Berechtigung Gebrauch gemacht, ſo ſind
Vorſtand und Aufſichtsrat verpflichtet, den Mehrerlös in einen Fonds
für Ausbau des Ueberſeegeſchäftes oder in eine allgemeine
freie Rücklage zu überführen. Das Stimmrecht der Vorzugsaktien i
auf das 15fache erhöht mit Beſchränkung auf die bekannten Fälle. Vo
Vorſtand wurde mitgeteilt, daß das Vorſtandsmitglied Arthur
von Gwinner im Auftrage der Geſellſchaft nach Amerika gegangen, aus
dieſem Grunde aus der Direktion ausſcheide und in den Aufſichtsrat
eingetreten ſei. Die ſchwer zu beſchaffenden Rohſtoffe und die Abnahme
des Abſatzes erforderten eine engere Fühlungnahme mit dem Auslande,
ſowie eine Befeſtigung der alten wertvollen Beziehungen. Die
Geſell=
ſchaft hoffe von der Reiſe des Vorſtandsmitgliedes ein Aufblühen des
Exportgeſchäftes. Ueber die abgelaufenen 9 Monate des Geſchäftsjahres
äußerte man ſich zufriedenſtellend.
„Somag” Sächſiſche Ofen= und
Wandplatten=
werke, Meißen. Die Geſellſchaft fordert die alten Aktionäre auf,
das Bezugsrecht auf die neuen Stammaktien auszuüben. Auf nominal
2000 Mk. alte Stamaktien entfällt eine neue zu nominal 1000 Mk., ab
1. Januar 1923 dividendenberechtigt, zum Kurs von 3 Mill. Prozent,
zuzüglich Bezugsrechts= und Börſenumſatzſteuer. Das Bezugsrecht iſt
bis zum 18. Oktober einſchließlich auszuüben.
* Panzer: A.=G., Berlin. Die Börſenberichte, die über
Kapitalserhöhung der Geſellſchaft im Umlauf ſind, dürften ſich vorerſt
nicht als zutreffend erweiſen. Das Unternehmen, das zurzeit mit einem
Aktienkapital von Mk. 6,2 Mill. arbeitet, dürfte laut Mitteilung von
gut unterrichteter Seite nur im äußerſten Fall zur Kapitalserhöhung
ſchreiten. Zurzeit beſtehe hierzu kein Anlaß. Der Geſchäftsgang wird
als befriedigend bezeichnet; beſonders rege ſei das Inlandsgeſchäft
in=
folge der ſtarken Zunahme der bankgeſchäftlichen Tätigkeit.
* Warſteiner Gruben= und Hüttenwerke A.=G.
Warſtein. Auf der T.=O. der zum 27. ds. Mts. ſtattfindenden G.=V.
ſteht ein Antrag auf Ausgabe von Genußſcheinen.
* Zuckerfabrik Jülich, Alex. Schiller u. Co., A.=G.
Die Geſellſchaft beruft zum 17. Oktober a. o. G.=V., die über Erhöhung
des Grundkapitals um bis auf 7,5 Mill. Mk. Beſhluß faſſen ſoll. Die
a. v. G.=V. ſoll ferner über Erhöhung des mehrfachen Stimmrechts der
Vorzugsaktionäre und Beſchränkung des Vorrechts derſelben, auf
Ab=
ſtimmung über die Beſetzung des Aufſichtsrats die Aenderung der
Satzungen und die Auflöſung der Geſellſchaft Beſhluß faſſen.
* Gromo=Papier=Kartonfabrik, Julius Najok,
A.=G., Leipzig=Plagewitz. Die Aktien, die bis jetzt an der
Leipziger Börſe offiziell notierten, ſollen durch die Direktion der
Dis=
konto=Geſellſchaft in den nächſten Tagen in den offiziellen Verkehr der
Berliner Börſe eingeführt werden. Als Gegenſtand des Unternehmens
wird der Betrieb von Fabriken zur Herſtellung geſtrichener Papiere
an=
gegeben. Die Geſellſchaft wurde mit einem Aktienkapital von Mk. 1,2
Mill. gegründet und erreichte bis zum Mai v. Js. die Höhe von M
8,9 Mill., worunter Mk. 80 000 Vorzugsaktien enthalten waren, welch
letztere durch G.=V.=Beſchluß vom 5. Okt. v. Js. in Stammaktien
um=
gewandelt wurden. Dieſe G.=V. beſchloß Ausgabe von Mk. 8,2 Mill.
neuer Stammaktien, eine weitere a. v. G.=V. am 10. März ds. Js. ge
nehmigte die weitere Erhöhung des Aktienkapitals um Mk. 34 Mill.
Stamm= und Mk. 3 Mill. Vorzugsaktien, wobei die inzwiſchen wieder
beſtehenden Mk. 2 Mill. Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt
wurden. Die Geſellſchaft verfügte über einen Grundbeſitz von zirka
6800 Quadratmeter, wovon 5000 Quadratmeter bebaut ſind. Zur
Ver=
fügung ſtehen 5 Dampfkeſſel mit 387 Quadratmeter Heizfläche.
Vorhan=
den ſind ferner 4 Dampfmaſchinen, die einſchließlich Anſchluß an das
Elektrizitätswerk Leipzig das Werk mit 800 B.S. verſorgen. Zur
Her=
ſtellung der Erzeugniſſe beſitzt die Geſellſchaft moderne, einſeitige und
doppelſeitige Klebemaſchinen bezw. moderne Kalander bis zu 16 Walzen
Zur Zeit werden 34 Beamte und 280 Arbeiter beſchäftigt. In der
Bi=
lanz per 31. Dezember 22 ſtanden Grundſtücke mit Mk. 100 000, Gebäude
mit Mk. 1 Mill., die übrigen Anlagen mit dem Mindeſtwert zu Buche.
Nach Durchführung der letzten Kapitalserhöhung vom März ds. Js
betragen nach einer Zwiſchenbilanz per 30. Juni die Debitoren einſchl.
Mk. 867 Mill. Bankguthaben insgeſamt Mk. 1 461,3 Mill., andererſeits
Kreditoren einſchließlich Mk. 400 Mill. Vorauszahlungen Mk. 968 Mill.
Warenvorräte werden mit Mk. 1 715 Mill. bewertet. Bei einem Umſatz
von Mk. 1056 Mill. wies die Geſellſchaft einen Rohgewinn von Mk.
67 Mill. aus. Der Geſchäftsgang im laufenden Jahr wird als
befriedi=
gend bezeichnet. Nach einer im April eingetretenen Stockung ſeien ſeit
Mai die Betriebe vollbeſchäftigt. Die Geſellſchaft hofft auf das erhöhte
Aktienkapital eine angemeſſene Dividende in Ausſicht ſtellen zu können.
(Letzte Dividende 200 Prozent.)
h. Oberbedarf=Lüders. Wie wir hören, ſind Verhandlun=
gen im Gange, die auf eine Intereſſengemeinſchaft zwiſchen der
Gör=
litzer Waggonfabrik (Lüders) und der Oberſchleſiſchen Eiſenbahnbedarfs=
* Siegen=Solinger Gußſtahl=Aktienverein,
So=
lingen. Die G.=V., die bereits am 6. September ſtattfand, beſchloß,
wie nachträglich mitgeteilt wird, die Erhöhung des Aktienkapitals um
150 Mill. Mk. Stammaktien. Die neuen Aktien werden vorerſt den
Charakter von Schutzaktien haben und ſind, ſolange ſie ganz oder
teil=
weiſe zu Schutzzwecken dienen, an der Dividende nicht beteiligt.
Ver=
anlaſſung zu dieſer Maßnahme gaben laut Mitteilung der Verwaltung
die in letzter Zeit bekannt gewordenen Beſtrebungen, durch Ankauf von
Aktien Einfluß auf die Geſellſchaft zu gewinnen. Die neuen Aktien
werden von einem Konſortium unter Führung der Bergiſch=Märkiſchen
Bank übernommen. Ueber die Ausſichten des laufenden Geſchäftsjahres
kann infolge der gegenwärtigen Verhältniſſe nichts Beſtimmtes geſagt
werden. Die Hauptwerke des Konzerns liegen im beſetzten Gebiet und
haben unter der Ruhrbeſetzung und den damit zuſammenhängenden
Vorgängen zu leiden. Man ſei jedoch durch rechtzeitige Anſchaffung
von Materialreſerven über die Schwierigkeiten verhältnismäßig gut
hinweggekommen, und die Werke ſeien bisher noch voll im Betrieb
er=
halten. Auf einzelnen Werken ſind die Neubauten größtenteils
fertig=
geſtellt, ſo daß nach Beendigung der politiſchen Schwierigkeiten mit einer
verſtärkten Tätigkeit zu rechnen ſei. Auch die in Mitteldeutſchland
ge=
legenen Zweigniederlaſſungen, die Stahl= und Eiſenwerke „Frankleben”
und das Stahlwerk Groß=Kayna” ſeien zu modernen
Induſtrie=
anlagen ausgebaut und voll im Betrieb.
A.=G. abzielen. Die Gerüchte, die von dem bereits erfolgten Abſchluß
der Transaktion wiſſen wollen, eilen indeſſen nach unſeren
Informatio=
nen den Tatſachen voraus. Auch ſteht es noch nicht feſt, ob ein
gegen=
ſeitiger Aktienumtauſch vorgenommen werden wird. Der Zweck der
Transaktion dürfte namentlich darin liegen, daß Oberbedarf in die Lage
verſetzt wird, den Görlitzer Waggonfabriken Material zu liefern und
dabei nach Abſchluß einer Intereſſengemeinſchaft erhebliche
Steuer=
erſparniſſe zu machen.
Porzellanfabrik, Königszelt. A.=G.,
Königs=
zelt i. Schleſien. Die Bilanz des Unternehmens, deſſen
Geſchäfts=
gang mit dem 30. Juni abſchließt, iſt bis jetzt noch nicht veröffentlicht
worden. Laut Mitteilung dürfte die Bilanzſitzung erſt Mitte dieſes
Mrs. ſtattfinden. Entgegen der in letzter Zeit ſich bemerkbar machenden
Gepflogenheit einzelner Geſellſchaften, von einer
Dividendenausſchüt=
tung abzuſehen, wird die Verwaltung dieſes Unternehmens auf jeden
Fall eine Ausſchüttung höchſt wahrſcheinlich in wertbeſtändiger Form
vornehmen. Eine Kapitals=Erhöhung (die letzte erfolgte im Juli ds.
Js.) ſoll zurzeit nicht beabſichtigt ſein. Ueber die allgemeine Lage in
der Porzellan=Induſtrie wird mitgeteilt, daß der Geſchäfrsgang
zu=
friedenſtellend ſei; beſonders gut ſeien die
Porzellan=
abriken mit regen Auslandsbeziehungen und die
Geſchirrfabriken beſchäftigt. Anzunehmen ſei, daß bei
allen Unternehmen der Porzellan=Induſtrie geringfügige
Betriebsein=
ſchränkungen nötig ſind bezw. werden.
8. Oftober 1923 Nr. 278
* Gegen die Zerſtörung des Scheckverkehrs durch
die Banken. Der Deutſche Automobil=Händler=Verband beſchäftigte
ſich auf ſeiner während der Deutſchen Automobil=Ausſtellung in
Ber=
lin abgehaltenen außerordentlichen Generalverſammlung mit der Hand=
habung des Scheckverkehrs durch die Großbanken und faßte folgende
Reſolution: „Die außerordentliche Generalverſammlung des Deutſchen
Automobil=Händler=Verbandes bringt die ſchweren volkswirtſchaftlichen
Bedenken zum Ausdruck, die ſie gegen die derzeitige Handhabung des
Scheckverkehrs durch die Deutſchen Banken hat. Es iſt eine durch nichts
gerechtfertigte und in den wirtſchaftlichen Wirkungen verhängnisvolle
Ausnutzung der Monopolſtellung, die die Banken erlangt haben, wenn
ſie Schecks dem Ausſteller zwar am Ausſtellungstage belaſten, dem
Ein=
lieferer aber Schecks auf dem Bankplatz erſt nach 3 Tagen, ſolche auf
auswärtige Plätze ſogar erſt nach 8—14 Tagen, gutſchreiben. Die
Ban=
ken bereichern ſich durch dieſes Verfahren auf Koſten ihrer Kundſchaft
durch Zinsgewinne und Geldentwertung. Der Deutſche Automobil=
Händler=Verband richtet an die Spitzenverbände von Handel und
In=
duſtrie, ſowie an die Reichsregierung die dringende Aufforderung, au
die Banken im Sinne einer Aenderung des bisherigen Verfahrens
nachdrücklichſt einzuwirken, norfalls im Wege einer Aenderung des
Scheckgeſetzes, denn andernfalls muß der Scheckverkehr aus dem Wirt
ſchaftsleben überhaupt verſchwinden, weil die mit ihm verbundenen
Verluſte für die Unternehmungen nicht mehr tragbar ſind. Eine
Aus=
ſcheidung der Schecks aus dem Zahlungsverkehr würde aber zweifellos
die Inflationsſchwierigkeiten, unter denen die deutſche Wirtſchaft zu
leiden hat, noch verſchärfen.”
* Ueber die Lage des amerikaniſchen Eiſen= und
Stahlmarktes kabelt das amerikaniſche Fachblatt „Iron Trade
Review”, Cleveland, Ohio: Die Roheiſenproduktion betrug im
Sep=
tember 3 123 000 To. Gegenüber der Höchſtproduktion im Mai ds. Js.
mit einer Erzeugung von 98,5 Prozent der Hochofen=Leiſtungsfähigkeit
ergibt ſich insgeſamt eine Minderung um 16,5 Prozent. Nachdem im
September weitere 11 Hochöfen ausgeblaſen wurden, befinden ſich
augen=
blicklich noch 257 Oefen im Feuer. Die Nachfrage in Stahl hat ſich ein
wenig gebeſſert. Die eingehenden Anfragen auf Weißbleche laſſen für
das Jahr 1924 eine ungeheure Produktion erwarten. Die Eiſenbahnen
beſtellten weitere 100 000 To. Schienen und ſollen die Auftragserteilung
auf weitere 75 000 Eiſenbahnwagen noch für dieſes Jahr beabſichtigen.
Japan kauft in höherem Maße und beſtellte 12 000—15000 To.
Fein=
bleche und fragte 60 000 To. verzinkte Bleche und 12000 Faß Drahtſtifte
an. Der Roheifenmarkt iſt weiter abgeſchwächt. Die Preiſe gaben
wei=
ter um 0,50—1,00 Dollar nach. Der Ferromanganmarkt iſt etwas
ge=
beſſert. Da der Zwiſchenhandel weniger Material anbietet, bleiben die
Preiſe der Erzeuger unverändert. Große Aufträge in
Baukonſtruk=
tionen ſchweben noch. Für Verpackungszwecke werden große Mengen
Weißbleche gefordert.
Bonken.
h. Deutſche Hanſabank A.=G., München. Wie wir
hören, haben die ſüddeutſchen Handelsunternehmungen eines bekannten
rheiniſchen Großinduſtriellen einen erheblichen Poſten Aktien der Deut
ſchen Hanſabank aus deren letzter Kapitalserhöhung erworben. Der
nächſten Generalverſammlung der Bank wird die Zuwahl von 2
Her=
ren dieſer Unternehmungen in den Aufſichtsrat der Bank vorgeſchlagen
werden.
* Abermalige Erhöhung des Ausgaberechts der
Privatnotenbanken. Laut Forderung des
Reichswirtſchafts=
miniſters vom 27. v. M. wird der Betrag, über den hinaus ohne
reichs=
geſetzliche Ermächtigung Noten nicht ausgegeben werden dürfen, für die
Geltungsdauer des § 1 des Geſetzes, betreffend die Metallreſerven der
Privatnotenbanken, vom 13. Juli 1921 (R. G.Bl. Nr. 937), auf folgenden
Betrag erhöht: für die Bayeriſche Notenbank München
13,500 Milliarden Mark, für die Württembergiſche
Noten=
bank Stuttgart 4725 Milliarden Mark, für die Badiſche
Notenbank Mannheim 4725 Milliarden Mark.
Neugründungen.
h. Groſſag, Großhandels=A.=G. für chemiſch=
rech=
niſche Produkte, Mannheim. Unter obiger Firma wurde
mit 2 Milliarden Mark Aktienkapital eine neue Geſellſchaft gegründet.
em Aufſichtsrat gehören an: Direktor Friedrich L. Falk, Rechtsanwalt
Dr. Fritz Klein, Direktor Viktor Kutetzky uind Großkaufmann Ma=
Strauß, ſämtliche in Mannheim.
Meſſen.
* Wiener Frühjahrsmeſſe 1924. Die Wiener
Meſſe=
leitung hat den Termin der 6. Wiener Internationalen Meſſe (
Früh=
jahrsmeſſe) für die Zeit vom 9.—15. März 1924. feſtgeſetzt. Wie die
letzte Herbſtmeſſe, wird ſich auch dieſe Veranſtaltung unmittelbar an die
Leipziger Meſſe anſchließen. Nahezu ſämtliche Ausſteller der letzten
Herbſtmeſſe haben auf Grund einer Umfrage erklärt, daß ſie ſich an der
Frühjahrsmeſſe wieder beteiligen werden.
Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
Gür die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift Hbernimmt die Redaltion feineslei Ver
ntwortung; für ſie bieibt auf Grund des 5 21 Abſ. 2 des Preſſegeſehes in vollem Umfange
der Emſender
ver=
wortich.) — Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht
zurdckgefandt, die Abkehnung nicht begründet werden.
Verkehrsmißſtände.
Wegen Vornahme von Straßenbauarbeiten iſt die Frankfurterſtraße
zurzeit für den Fuhrwerksverkehr uſw. geſperrt. Am Mittwoch war
die Fahrbahn zwiſchen Kahlertſtraße und Aliceſtraße aufgeriſſen,
wäh=
rend der übrige, nach dem Stadtinnern zu gelegene Teil, ſich noch in
dem alten Zuſtand befand. An dem bezeichneten Tage, kurz vor 3 Uhr
nachmittags, fuhr ich mit meinem Fahrrad auf der nicht aufgeriſſenen
Fahrbahn kurz vor der Landwehrſtraße. Jeder vernünftig denkende
Menſch wird hierin keine ſtrafbare Handlung erblicken; gegenteiliger
Anſicht ſchien jedoch ein dort ſtehender blauer Geſetzeshüter zu ſein, der
mit der lächerlichen Begründung, die ganze Straße ſei für den
Rad=
fahrerverkehr geſperrt, Name und Wohnung notierte. Am folgenden
Tag konnte ich feſtellen, daß ein anderer Poliziſt von dort fahrenden
Radlern überhaupt keine Notiz nahm. Nun frage ich die maßgebende
Stelle, ob ſie tatſächlich mit einer d rartig einſeitigen Handhabung von
Vorſchriften einverſtanden iſt, oder ob man der Willkür eines einzelnen
Polizeibeamten ausgeſetzt ſein ſollte.
Zugleich ſei an dieſer Stelle ein anderer unhaltbarer Mißſtand
er=
örtert. Auf dem Ernſt=Ludwigsplatz prangt an einem Gaskandelaber
unauffällig und unſcheinbar eine Tafel, die beſagt, daß es verboten iſt,
über den Platz den Schienen entlang zu fahren. Tagtäglich, beſonders
Sonntags vormittags, wo zahlreiche fremde Radler durch Darmſtadt
kommen, kann man beobachten, wie dieſe, in gutem Glauben den Platz,
zumal der Schienenſtrang darüber hinweg läuft, für befahrbar halten,
von einem dort ſtehenden Schutzmann rückſichtslos aufgeſchrieben werden.
Dies iſt ein unbedingt zu beſeitigender Zuſtand, der das Anſehen
un=
ſerer Stadt ſchädigt. Keiner der dieſe Stelle paſſierenden Radfahrer
kann die Tafel, da man infolge des dort herrſchenden regen Verkehrs
ſein Augenmerk nach anderem hin zu wenden hat, erkennen.
Mehl= und Brotpreiſe.
Vom 8. Oktober ds. Js. ab:
1. Abgabepreis der
Mehl=
verteilungsſtelle für den
Doppelzentner gem.
Brotmehl einſchl.
Sack=
pfand . . . . . . . . ℳ 940000000
2. 1600 g Brot . . . . . ℳ 23 300000
3. 800 g Brot . . . . . ℳ 11650 000
4. Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl im Gewicht von
50 g. . . . . . . . ℳ 1100000
Lebensmittelamt. (st7771
Brlllanten
Berichtigung.
An- und Verkauf
von Edelmetallen
Adolf Aßmus
Schustersasse 15 (ad) Tel. 2300
7253a
Schreibmaschinen
und sämtliche Büromaschinen
werden rasch und fachmännisch
repariert bei
A. Lächler, Bürobedarf
Darmstadt — Karlstrasse
Telephon 1489 (70 66a
wird per ſofort eine ſchöne große
Geſucht 5—6 Zim-BBohnung, mit elektr.
Licht und ſonſtigem Zubehör, Parterre od
1. St., in ſchöner Lage, Südoſtviertel bevorz=
achon
wird eine; ſchöne große 4 Zim.”
Gehebcn Wohnung, mit ſchöner, freier
Ausſicht im 3 Stock. Umzug wird vergütet
Extra=Vergütung nach Uebereinkunft.
An=
gebote unter O. 70 ſan die Geſchäftsſtelle
(7454a
ds, Blattes erbeten,
Die für heute nachmittag 3 Uhr
an=
geſetzte Verſteigerung einer für
Karton=
nagefabriken, Tapetengeſchäfte und Buch=
7774
bindereien geeigneten
Schneidmaſchine
findet nicht Ludwigſtraße 6, ſondern
Ludwigsplatz Nr. 6
ſtatt.
Kapp, Verſteigerer.
Schreibmaſchinen
neu und gebraucht — in jeder Preis=
lage ſofort lieferbar (6934a
Darmſtadt,
Geſundheitspolizeiliche
Vorſchriften
für den Betrieb der
Bäckereien in Stadt u. Land
ind in der Geſchäftsſtelle des Darmſtädter Tagblatts
Rheinſtraße 23 zu haben.
Landestheater.
Großes Haus.
Montag, 8. Okt.
Keine Vorſtellung.
Kleines Haus. (V778
Zuſatzmiete V:.
Schluck u. Jau
v. Gerh. Hauptmann.
Preiſe: 30—150 Mill.
Anf. 7 Uhr, Ende 10 Uhr
3
gel
Famulus gewinnt das Gladiatorenrennen. — Deutſche Meiſterſchaft im 30=Kilometergehen.
Pferdeſport.
Famulus gewinnt gegen Ganelon das Gladiatorenrennen.
In der Aufnahme des Rennens im Grunewald im
Gladiatoren=
rennen uuterlag überraſchenderweiſe Ganelon aus dem Stalle Weinberg,
nachdem er bisher von Erfolg zu Erfolg geeilt war. Nach kurz
gelunge=
nem Start übernahm Ausleſe die Führung. Am Ende der den
Tri=
bünen gegenüberliegenden Seite hatte Ausleſe ihren Vorſprung auf
zwei Längen vor dem auf gleicher Höhe galopierenden Ganelon und
Famulus ausgelegt. Im Stillbogen war Ausleſe erledigt und Kardinal
hatte nunmehr mit Ganelon die Spitze vor Bajuvare, Famulus, Elite
und dem ausgerückten Träumer. Als es in die Gerade ging, fiel
Kardi=
nal zurück und Ganelon führte. Plötlich tauchte zu ſeiner Seite
Famu=
lus auf, deſſen wuchtigem Angriff Ganelon zum Schluß unterlag. Das
Nennen ergab im einzelnen: „Preis vom Ausſichtsturm, 68 000 Mark,
140) Meter: 1. Stall Nings Pali (Nowak); 2. Triori; 3. Gerda
53:10; 20,12:10. Ferner: Landrichter und Moralda. — Preis von
Wilhelmsruh, 11000 Mark, 1200 Meter: 1. Geſtüt Weils
Horn=
bori (Kaſpar); 2. Patrizier; 3. Caprivi. 18:10; 12,15:10. Ferner:
Mädchenjäger und die Domenius.
Preis von Ruhleben:
(6800 Mark, 1600 Meter), 1. Schubarts Granate (M. Schmidt): 2.
Be=
cherklang; 3. Niaze. 53:10: 17,20,21:10. Ferner: Per Dak, Fateiter,
Gildenneiſter und Amor. — Gladiatorenrennen, 105 000 Mk.,
2800 Meter: 1. Sklareks Famulus (Raſtenberger); 2. Arend v.
Wein=
bergs Ganelon; 3. Graf Arnims Elite. 8:10: 17,12,36:10. 1 L. 1, L.
Ferner: Kardinal, Träumer, Bajuvare, Staffelſtab, Perikles, Ausleſe.
Aldeolerennen, 11000 Mk., 1200 Meter: 1. Sulzbergers
Hanſa (H. Schmidt), 2. Marquiſe; 3. Alhambra. 27:10: 12,13:10.
Ferner: Laufeha.
Namounarennen, 21 000 Mark 1400
Meter: 1. v. Oppenheims Schwarzkutte (Carras); 2. Pans Robert;
3. Landon. 43:10; 16,15,17:10. Ferner: Craudi, Rheinberg,
Pellar=
tonie, Oberfälſcher, Anita II und Floree.
Rennen in Hannover.
Maidenrennen, 4800 Mark, 1000 Meter: 1. Ramhorſts
In=
nerweiß (Schwikowski); 2. Grund; 3. Brigand: 98:10; 31,38:10.
Fer=
ner: Zyne, Strohfeuer, Lachſalve.
Cyranorennen, 4800 Mk.,
1200 Meter:
1. Knechts Hexenmeiſter (Hutte); 2. Renata; 3.
Träu=
merin. 48:10; 19,29:10. Ferner: Delta, Kantia, Otar. — Bella
Donna=Jagdrennen
5800 Mk., 3200 Meter: 1. Machenſchaft
(Edler); 2. Artieller; 3. Orf. 12:10; 11,16:10. Ferner Blücher.
Kardinalausgleich, 6800 Mk., 1800 Meter: Stall Hernkrugs
Fliegerin (Staudinger); 2. Galante; 3. Jungfernriede. 23:10; 11:10.
Ferner: Samadan.
reis von Bella Viſta, 1500 Mark,
1300 Meter: 1. Humboldt (Staudinger); 2. Manuela; 3. Saba. 27:10;
12,11:10. Ferner Margsquiſo, Turmlied. — Galante=Ausgleich,
1100 Mk., 1400 Meter: v. Opels Elfe (Nürnbevg); 2. Maja; 3. Angelo.
Neulingshür=
26:10; 19,21:10. Ferner: Honeſta Verbene.
denrennen, 5800 Mk., 2000 Meter: 1. Alſterroſe (Weinknecht),
2. Hackelei. 23:10. Ferner Iduna. — Preis vom Kirchröter
Turm, 5800 Mk. 2000 Meter: „Gottſchalks Lobredner (Staudinger);
2. Hazcge; 3. Marſchabou. 16:10; 11,14:10. Ferner: Credo, Parielle.
Berliner Reit= und Fahrturnier.
Die großen Erfolge der letzten Reit= und Fahrturniere im
Ber=
liner Sportpalaſt haben das Sportkartell veranlaßt, auch in
die=
ſem Herbſt mit einer großen Veranſtaltung auf dem Plan zu erſcheinen.
Das Intereſſe der weiteſten Kreiſe am Turnierſport, foll durch eine
rußerordentliche Vielſeitigkeit des Programms wachgehalten werden.
Die Veranſtaltung wird ſich auf ſämtliche Abende vom 26. Oktober bis
. November erſtrecken und auf die Nachmittage am 25., 26., 27., 28.,
0., 31. Oktober, 2., 3. und 4. November. Am 28. Oktober findet auf der
Brunewaldrennbahn, nachdem der in die Potsdamer Gegend führende
Beländeritt der Großen Gebrauchsprüfung erledigt iſt, der Steeple
TChaſe=Galopp der einzelnen Teilnehmer ſtatt, außerden die
Einzelprü=
ungen der Teilnehmer an dem Preis des Landwirtſchaftsminiſteriums
ind der gemeinſame Jagdgalopp über Hinderniſſe der Teilnehmerinnen
in dem Großen Amazonen=Preis.
Fußball.
Sportverein Darmſtadt—Olympig=Lorſch, 0:1.
e Unter dem Schiedsrichter Müller vom F.=C. Phönix=
Karls=
euhe ſtand die Ligamannſchaft des Sportvereins am geſtrigen
Sonn=
ag dem Fußbalklub Olympia=Lorſch im vierten Kreisligaſpiel
gegen=
iber. Beide Mannſchaften, das ſei vorweg geſagt, lieferten ſich ein
jußerſt hartnäckige9 und intereſſantes Spiel, dem nur ein kleinen
Zwiſchenfall kurz vor Schluß Abbruch tun konnte. Von Anfang des
Spiels drängt Darmſtadt etwas. Als ſich Lorſchs Mannſchaft
ver=
vollſtändigt hat, wird das Spiel ausgeglichener. Darmſtadts Sturm
uternimmt in vielen Fällen gefährliche Angriffe, jedoch Lorſchs
Tor=
vächter rettet oft im letzten Augenblick mit viel Wagemut. Die
An=
zriffe von Lorſch zerſtört die Darmſtädter Verteidigung, in der
Ste=
ohan mit großer Aufopferung ſpielt. Immer wieder ſind es Becker
und Müllmerſtadt im Drang nach vorwärts, der Torwächter hält
je=
doch im Hinwerfen jeden Ball und vereitelt jeden Erfolg. Mit 0:0
geht es in die Pauſe. Nach dieſer hält ein weiter anregendes Spiel
die zahlreichen Zuſchauer in Spannung. Jede Partei ſtrebt
uner=
müdlich dem Erfolg zu. Das Bild iſt immer das gleiche. Alle
An=
griffe der Darmſtädter hält der ausgezeichnete Torwächter von Lorſch.
Unter Selbſtverachtung ſeiner Perſon holt er wiederholt den Ball
zus dem Gedränge vor ſeinem Tor. Nicht ein einziger der zahlreichen,
* 2000 Jahre Fußball.
Der Fußball, das beliebteſte Spiel in England, hat ſich auch
ſei uns im letzten Vierteljahrhundert mehr und mehr
eingebür=
gert, und gerade jetzt iſt die Saiſon der großen Fußballkämpfe
in ihrer Hochblüte. So verhältnismäßig jung nun auch die Pflege
dieſes Sports bei uns iſt, ſo gehört der Fußball doch zu den
älteſten Spielen der Welt. Es gibt eine Zeichnung in
einer alten chineſiſchen Handſchrift, die ins 5. Jahrhundert vor
Chriſti zurückdatiert wird, auf der wir Männer ſehen, die einen
Fußball treiben. Aber über dieſen chineſiſchen Fußball in ſo
ſtüher Zeit ſind wir nicht unterrichtet; dagegen können wir ſeine
Geſchichte 2000 Jahre zurückverfolgen. Bekannt iſt aus den
Schil=
derungen antiker Schriftſteller ein Ballſpiel, das die Römer
Harpaſtum nannten und das auch ſchon bei den Griechen gepflegt
wurde. Die „Sphäromachie”, der Ballkamp, an dem ſich die
ſpartiatiſchen Jünglinge erfreuten, wird bereits eine Art
Fuß=
ball geweſen ſein, und Prof. Koch hat in einer eigenen Schrift
wahrſcheinlich zu machet geſucht, daß das griechiſche Ballſpiel
Episkyros und das altrömiſche Harpaſtum ein und dasſelbe Spiel
waren. Jedenfalls wiſſen wir aus einem Briefe Senecas, daß
bei den Ballkämpfen nicht nur die Hände, ſondern auch die Füße
Verwendung fanden, und Galen Lentwirft in ſeiner Schrift:
„Ueber das Spiel mit den kleinen Bällen” ein lebendiges Bild
von dem antiken Fußballkampf: „Wenn die Spieler
gegeneinan=
der ſtehen und den in der Mitte am Aufraffen des Balles zu
hindern ſuchen, da wird es am wildeſten und leidenſchaftlichſten;
da wird Kopf und Nacken geübt bei den Halsdrehungen, Seiten,
Bruſt und Bauch beim Umſchlingen, beim Wegſtoßen,
Aufſtem=
men und ſonſtigen Ringerkünſten. Da werden auch Hüften und
Beine gewaltig angeſtrengt.‟ Es entſtand bei ſolchen
leiden=
ſchaftlichen Ballkämpfen ein wirres Durcheinander, das Galen
mit dem Zuſammenprall zweier Heere vergleicht und bei dem
es auch an Verletzungen nicht fehlte. Dieſes antike Fußballſpiel
findet bei den primitiven Völkern manche Parallele. Am
merk=
würdigſten dürfte der Steinball der nodamerikaniſchen
In=
dianer ſein, den man bis in vorgeſchichtliche Zeiten zurückführt
und der zweifellos mit den Füßen fortgeſtoßen wurde. Im
Mittelalter gab es volkstümliche Ballſpiele, von denen die
Minneſänger viel erzühlen. Ob es ſich dabei um Fußball handelt,
können wir nicht ſicher angeben. Es ſinden ſich aber in deutſchen
Liedern des 12. und 13. Jahrhunderts Erwähnungen von einem
gut geſpielten Eckbälle Darmſtadts, kommt in den Beſiü der Spieler.
Ueberlegen befördert er jeden dieſer Välle ins Feld. Darmſtadt hat
allmählich mehr vom Spiel und hält den G auer in ſeiner Hälfte
feſt. Irrtümlicher Weiſe pfeift der Schiedsrichter zehn Minuten vor
Schluß der requlären Spielzeit das Spiel ab. Auf die Beanſtandung
der beiden Parteien hin geht das allmählich ſchärfer und kraftvoller
nerdende Spiel weiter. Lorſch geht im Zug auf Tor geſchickt durch
die Darmſtädter Verteidigung und ehe ſich Ellenbeck viel bewegt hat,
ſteht das Spiel 1:0 für Lorſch. Darmſtadt ſtellt im Sturm um und
will in aufopferndem Spiel dem Gegner dieſen Erfolg ſtreitig machen.
Immer wieder holt ſich der Torwächter Lorſchs den Ball. Iſt den
letzten Minuten ereignet ſich ein kleiner Zwiſchenfall. Becker ſteht zum
Schuß bereit aufs Tor. Wieder greift der Torwächter ein und will
Becker den Ball noch vom Fuß wegnehmen. Durch die Wucht des
Angrifes ſtürzt Becker zu Boden, wobei er im Fallen mit dem
Tor=
wächter ſich auch noch erheblich am Knie verletzt. Gleich darauf iſt
Schluß und Lorſch hat einer Mannſ ft
abgerungen, um
die es ſchner zu kämpfen hatte. Auch Darmſtadts Mannſchaft ſpielte
aufopſernd. Die Schuld ihrer Niederlage trägt ſie heute nicht zu
recht; der Gegner, wenn auch nicht ebenbürtig, zeigte aber, daß man
wenigſtens ein Tor erzielen kann, und dieſes „eine” reichte ihm für
heute zum Sieg.
Freie Tgde. Darmſtadt I.—Tgde. Dreieichenhain I. 2:1 (1:0).
me- Im Verbandsſpiel ſtanden ſich die Mannſchaften der Freien
Turngemeinde Darmſtadt und der Turngemeinde Dreieichenhain auf dem
Platze an der Windmühle gegenüber. Was man für unmöglich gehalten
hatte, wurde Wirklichkeit: die Darmſtädter Elf ſchlug den
Meiſterſchafts=
favoriten nach aufopſerndem Spiel mit 2:1 Toren. Dieſes Reſultat war
aber nur daurch möglich, daß Jeder ſein Beſtes hergab. Einen von der
Elf hervorgehoben, hieße den anderen zurückſtellen.
Sofort nach Anſtoß entwickelte ſich ein ſchönes Feldſpiel. Angriffe
beiderſeits werden von den Verteidigungen geklärt. Des öfteren haben
auch beide Torhiter Gelegenheit, ihr Können zu zeigen. Drei Eckbälle
für Dreieichenhain und ein ſolcher für Darmſtadt bringen nichts ein.
Nach nahezu halbſtündiger Spielzeit gelingt endlich Darmſtadt der erſte
Erfolg. Trotz verzweifelter Anſtrengungen auf beiden Seiten geht man
in die Pauſe mit 1:0. Nach der Pauſe beginnen bange Minuten für
Darmſtadt. Dreieichenhain will mit aller Gewalt den Ausgleich
er=
zwingen. Doch die Hintermannſchaft von Darmſtadt iſt nicht
nieder=
zuringen. Aber auch die hieſige Mannſchaft findet ſich wieder und
ver=
ſucht, den Vorſprung zu vergrößern. Es gelingt: Darmſtadt führt 2:0.
Bald darauf fällt ein weiteres Tor für Darmſtadt. Der Schiedsrichter
hatte jedoch ſhen vorher Abſeits gepfiffen. Das wird Drejeichenhain
zuviel. Ihr Sturm trägt Angriff auf Angriff vor das Darmſtädter
Heiligtum, lunge Zeit vergebens. Schon ſchien es, als ſollte das Spiel
mit dieſem Nefultat ausgehen, als drei Minuten vor Schluß
Dreieichen=
hein durch kinen unverhoften Schuß ſein Ehrentor erzielt. Beinahe
ge=
lingt ihnen in der letzten Minute noch der Ausgleich, aber zwei Meter
vor d=m leeren Tor ſtehend, ſchießt ihr Mittelſtürmer mit aller Wucht
haushoch über das Tor. Nach kurzem Geplänkel ertönt der Schlußpfiff.
7275/ 0=Ver, Weinheim — Sportverein Union=Beſſungen, 2:1 (0:1).
moe Mit 20 Minuten Verſpätung gibt der Schiedsrichter den
Ball frei. — Beinheim hat Anſtoß und legt gleich ein mächtiges
Tempo vor. Der Angriff wird unterbunden. Beide Mannſchaften
finden ſich vorerſt nicht recht zuſammen, Union etwas früher.
Wein=
heims S urm ſchießt ſehr aufgeregt, ziemlich hoch, und ſpielt auf
An=
feuern vom Bublikum unnötig ſcharf. Union überaſcht heute nach der
angenehmen Seite. Jeder Spieler gibt ſein Beſtes. Bei einem
An=
griff von Union wird der Halbrechte im Strafraum ſehr hart zu
Fall gebracht, der verhängte Elfmeter wird verſchoſſen. In der 30.
Minute gelingt Union auch ein wunderbarer Durchbruch des
Mittel=
ſüürmers und des Halbr chten, dem der Mitelſtürmer rechtzeitig abgibt,
der unhaltbar einſendet. Nach der Pauſe zeigt ſich dasſelbe Bild. Union
hat jetzt mehr vom Spiel. Bis 20 Minuten vor Schluß führt Union,
Weinheim leitet den Angriff ein und kommt gut durch, ein hoher
Schuß wird von Unions Torhüter gut abgewehrt, der Nachſchuß aber
von Weinheim zum Tor derwandelt. Beim Antritte kommt Union
gut durch. Der Mittelſtürmer wird im Strafraum ſehr ſcharf
ange=
gangen und kommt zu Fall. Der Schiedsrichter entſcheidet den
zwei=
ten Elfmeter für Union. Jetzt ereignet ſich etwas, was zur Förderung
unſeres Sportes jedenfalls nicht beitragen wird. Die Spieler von
Weinheim drehen dem Schiedsrichter, das Publikum gebärdet ſich wie
wild, der Elfmeter wurde durch dieſe Aufregung wiederum von Union
vergeben. Der Schiedsrichter gab 4 Minuten Verlängerung, obwohl
Weinheim die Verlängerung verurſacht hatte; in der Verlängerung
fiel das zweite Tor für Weinheim.
Sportklub Bürgel — Helvetia=Bockenheim 3:3.
Kicker=Offenbach — Sportverein=Offenbach 4:0.
Viktoria=Aſchaffenburg — Hanan 93 3:0.
Fußballklub=Rödelheim — V. f. R. Frankfurt 8:1.
Merkur=Frankfurt — Sportvereinigung Heddernheim 4:1.
Vereinigung Fechenheim — Eckenheim 2:1.
Fußballſportverein=Frankfurt — Eintracht=Frankfurt 2:1.
Germania=Frankfurt — Fußballklub Seckbach 5:1.
Viktoria=Hanau — Aſchaffenburg=Damm 3:0.
Langenſelbold — Verein für Bewegungsſpiele Friedberg 3:0.
Kicker=Stuttgart — Spielvereinigung Feuerbach 4:0.
Fußballklub=Mühlburg — Freiburg 1:0.
„Kampfſpiel um eine Blaſe”, bei dem eine Schweinsblaſe als
eine Art Ball benutzt wurde. An dieſen Ballſpielen beteiligten
ſich nicht nur die Jünglinge, ſondern auch die Jungfrauen,
wobei Neidhardt von Reuenthal erzählt, daß man auf das
ſchönere Geſchlecht wenig Rückſicht nahm und die Mädchen durch
die kräftigen Stöße der Burſchen gelegentlich hart getroffen und
umgeworfen wurden.
Die älteſte Erwähnung des Fußballs mit ſeinem
heutigen Namen findet ſich im Jahre 1147, wo das Fußballſpiel
am Faſtendienstag als eine altengliſche Sitte bezeichnet wird.
Im 14. Jahrhundert begegnen wir dann den erſten Verboten
des Spiels, das als „nutzloſer Unfug” bezeichnet wird. Jedoch
gelang es den Behörden nicht, den Fußball zu veidrängen, und
auch Shakeſpeare erwähnt dies britiſche Nationalſpiel
mehrere Male, ſo in der „Komödie der Frrungen”, wo der hin=
und hergehetzte Drumio ausruft: „Bin ich ſo rund für euch, wie
ihr mit mir, / Daß wie inen Fußball ihr mich treibt und
ſtoßt! / Der ſtößt mich her, der ſtößt mich wieder hin; / Soll in
dem Dienſt ich währ’n, ſo näht in Leder mich.” Auch die
ita=
lieniſche Rengiſſance liebte das Fußballſpiel, wie ſeine
ausführ=
liche Behandlung in der 1553 erſchienenen „Abhandlung vom
Ballſpiel” von Antonio Scaino beweiſt. Der Fußball wurde
auf einem quadratiſchen Platz geſpielt, und zwar kämpften große
Scharen, bis zu 1000 Mann, gegeneinander, die in Reih und
Glied in einer Art Paradeſchritt marſchierten. In Frankreich
finden ſich die erſten Regeln für das Fußballſpiel in den
Kirchen=
bichern von Auxerre von 1396, und es war im Mittelalter üblich,
daß Geiſtliche an beſtimmten Tagen und Feſten ein Fußballſpiel
als zeremonielle Handlung vorführten. Während ſo die Kirche
des Mittelalters den Fußball gleichſam ſanktionierte, eröffnete
das unduldſame Puritanertum des 17, Jahrhunderts, wie gegen
Theater, Tanz und alle Vergnügungen, ſo auch gegen den
Fuß=
ball eine heftige Fehde. Biſchof Stubbs nannte es „eine
blu=
tige und mörderiſche Handlung, aber keinen anſtändigen
Zeit=
vertreib. Sie brechen ſich bei dieſen wüſten Schlägereien Arme
und Beine, ja ſogar die Hälſe, und ſchlagen ſich die Augen aus.
Darf ſolch mörderiſches Begimnen am heiligen Sabattag ge=
Luldet werden?‟ Die Puritaner brachten es denn auch dahin,
daß der Fußball in England im 17. und 18. Jahrhundert
zurück=
gedrängt wurde. Erſt mit der beginnenden Ronantik kam auch
wieder die Pflege des Spiels, das Walter Scott in ſeinem
Ge=
dicht verherrlichte, und von England aus iſt dann der Fußball
im 19. Jahrhundert ein überall beliebter und geübter Sport
geworden.
Pforzheim — Phönix=Karlsruhe 2:0.
Phöni==Karlsruhe — Verein für Bewegungsſpiele=Karlsruhe 3:0.
Germanig=Durlach — Raſtatt 3:1.
Eintracht=Stuttgart — Sportfreunde=Stuttgart 1:0.
Fußballvereinigung=Nürnberg — M.=T.=V. Fürth 5:2.
Verein für Raſenſpiele=Mannheim — Fendenheim 3:1.
Phönix=Ludwigshafen — Pfalz=Ludwigshafen 1:0.
Verein für Bewegungsſpiele=Heidelberg — Schwetzingen 98 3:0.
V. f. L. Neckarau — Schwetzingen 1910 3:1.
Olympia=Lorſch — Sportverein=Darmſtadt 1:0.
Sportvereinigung Sandhofen — V. f. R.=Darmſtadt 3:0.
Lindenhof 08 — Sportvereinigung Plankſtadt 5:0.
Hertha=Mannheim — Germania=Friedrichsfeld 4:1.
Mannheim 07 — Sportklub Käferthal 1:0.
Verlegung des Bundestags des Deutſchen Fußballbundes.
Wie uns mitgeteilt wird, iſt der Bundestag des D. F. B. am
27. November von München nach Würzburg verlegt worden.
Rugbg.
Sportklub 1880 Frankfuet — Rubergeſellſchaft=Heidelbera 10:5.
Frankfurter Sportklub ſpielte mit Erſatz. Heidelberg hat den
An=
tritt. In der 10. Minute kann Heidelberg infolge eines abgeprellten
Balles einen Erfolg buchen. Etwa eine halbe Stunde vor Schluß legt
Theu Haag von Frankfurt den Ball ins gegneriſche Mal. Der Verſuch
wird von Müller zum Treffer erhöht. Der Ausgleich iſt geſchaffen.
Kurz vor Schluß gelingt es Cckardtsberg=Frankfurt in einem flotten
Lauf durchzubrechen. Auch dieſer Verſuch wird verwandelt.
Sportklub Frankfurt II gegen Rudergeſellſchaft Heidelberg II 22:0.
Hocken.
Sportklub 1880=Frankfurt gegen Atheltik=Sportklub Wien 5:0 (2:0).
Am Sonntag vormittag ſetzte der Sportklub 1880=Frankfurt ſeinen
Siegeszug fort. Nach den in den letzten Spielen gezeigten Leiſtungen
dürfte der Frankfurter Sportklub kaum noch von einem anderen
Ver=
ein übertroffen werden. Sicherheit, Schnelligkeit und Stocktechnik ſind
der erſten Mannſchaft in hohem Grade eigen. Die Torſchützen im
geſt=
rigen Spiel waren wieder die Gebrüder Haag. Theo Haag, deſſen
Verletzung wieder behoben iſt, ſchoß vor Halbzeit zwei Tore, denen er
nach der Pauſe noch eins hinzufügte. Schließlich wartete Wille Haag
mit 2 Toren auf, denen die Wiener keins entgegenſetzen konnten.
Den=
noch haben die Gäſte ſehr gutes Können gezeigt, insbeſondere der
Mit=
telſtürmer Tieſch, der Mittelläufer Brück und der linke Läufer
Ber=
thoud. Die Mannſchaft war aber, wie kürzlich die Bremer, im
Schuß=
kreis unſicher. Der Torhüter bewahrte durch vorzügliches Können die
Wiener vor einer größeren Niederlage. Bei Frankfurt tat ſich die
ge=
ſamte Hintermannſchaft beſonders hervor, ebenſo die Läufer Pauls
und Bodesheim.
Leichtathletik.
Deutſche Meiſterſchaft im 50 Kilometergehen.
Die Deutſche Meiſterſchaft im 50 Kilometergehen, die in Leipzig
entſchieden wurde, ergab: 1. Köhler=Lichtenberg (Komet) 5:10:14,8;
2. Hauf (Berliner Athletikklub) 5:20:57.2; 3. Troiß=Landshut 5:2
4. H. Müller (Berliner Athletikklub), muß mit 8 Minuten Vorſprung
wegen wunder Füße aufgeben.
Herbſtgeländelauf des Main=Rheingaues D. T.
Am Sonntag, den 7. d. M., fand in Nieder=Modau der
Herbſt=
geländelauf ſtatt. Es wurde in A.= u. B.=Klaſſe (5000 Meter) und in
Jugendklaſſe (3000 Meter) gelaufen. Trotz des hügeligen Geländes
wur=
den ſehr gute Leiſtungen erzielt.
Klaſſe A. Mannſchaftslauf: 1. Turngemeinde Darmſtadt 6 Punkte,
2. Turnverein Nieder=Modau 15 Punkte. — Einzellauf: 1. Meher, T.=G.
Darmſtadt, 2. Delp, Tv. Pfungſtadt, 3. Michl, T.=G. Darmſtadt.
Klaſſe B. Mannſchaftslauf: 1. Turnverein Nieder=Beerbach 16 Pkte,
2. Turngemeinde Darmſtadt 20 Pkte. — Einzellauf: 1. Sauerwein, T.=G.
Darmſtadt, 2. Pritſch, Tv. Nieder=Beerbach, 3. Spieß, Tv. Nieder=
Beerbach.
Jugendklaſſe. Mannſchaftslauf: 1. Turngemeinde Darmſtadt
9 Pkte., 2. Turnverein Pfungſtadt 25 Pkte. — Einzellauf: 1.
Schön=
wolf, T.=G. Darmſtadt, 2. Trautmann, Tv. Nieder=Modau, 3. Ackermann,
Tv. Nieder=Modau.
Marathonlauf in Turin.
An dem Turiner Marathonlauf, zu dem 82 Wettbewerber, zum Teil
internationaler Klaſſe erſchienen waren, nahmen die deutſchen
Mara=
thonläufer Hempel und Wilz teil. Beide haben verſagt. Hempel gab
nach 12 Klm. auf. Die drei erſten Plätze ſicherten ſich die Italienen
Blaſi, der die 42,2 Alm. lange Strecke in 2:53:50 lief. Cavallero in
2:58:29 und Arvi, dem der Ungar Firaly dichtauf folgte.
Segelflug.
Oeſterreichiſche Segelflugwoche.
Die erſte öſterreichiſche Segelflugwoche findet in der Zeit vom 13.
bis 21. Oktober ſtatt. Es ſtehen mehr als 100 Millionen Kronen, von
denen das öſterreichiſche Bundesminiſterium für Handel und Verkehr
allein 30 Millionen Kronen geſtiftet hat, für Preiſe zur Verfügung,
Auch Nichtöſterreicher können ſich an dem Wettbewerb beteiligen.
Abſage der ſchleſiſchen Fliegerwoche.
Die kataſtrophale Geldentwertung hat die Schleſiergruppe des
Deut=
ſchen Luftfahrverbandes gezwungen, die für Anfang Oktober geplanten
großzügigen Segelflugverſuche abzuſagen. Trotzdem hofft man,
anläß=
lich der Einweihung der ſchleſiſchen Segelflugſchule im Rieſengebirg das
Rieſengebirgsgelände für den Segeflug praktiſch erproben zu können,
Im Flugzeug über Spitzbergen.
Den erſten großen Flug über die Arktis haben kürzlich zwei deutſche
Flieger, Neumann und Mittelholzer, mit einem Junkers=
Metallflugzeug unternommen. Sie flogen in über ſechs Stunden 100
Kilometer weit über die Eiswelt des unerforſchten Spitzbergen, um es
photographiſch und kartographiſch feſtzuhalten. Mittelholzer berichtet
über ſeinen Flug in einem äußerſt intereſſanten Aufſatz in der „
Um=
ſchau” (Frankfurt a. M.). Bei klarem Wetter ſtiegen ſie an der
Ad=
vent=Bai auf, um nach dem unbekannten Innern von Nord=Oſt=Land
vorzudringen. Neumann brachte die Maſchine mit großem Geſchick
zwiſchen den engen Gebirgswänden durch, wo ſie mit ſtarken Bäen zu
kämpfen hatten. In vielen Bildern und mehreren 100 Metern Film
haben ſie die großartige Gebirgswelt feſtgehalten, während das
Flug=
zeug eine halbe Stunde lang über dem höchſten Berg kreiſte. Die
E=
dedition iſt mit wertvollen Erfahrungen über die
Verwendungsmöglich=
keit des Flugzeuges in der Polarzone zurückgekehrt.
Winterſport.
Der Deutſche Skiverband, der über 50 000 Mitglieder zählt,
geneh=
migte in ſeiner in Oberhof abgehaltenen Vertreterverſammlung die neue
Wettlaufordnung. Die Deutſche Skimeiſterſchaft für 1924 ſoll am 3.
Februar in Jeny (Württemberg) ausgetragen werden. Der Staffellauf,
der künftig vom Hauptverbandslauf getrennt iſt, kommt acht Tage ſpäter
durch den Thüringer Winterſportverband zur Entſcheidung,
Seite G.
Darmſtädter Tagblati, Mo tag, den 8 Oktober 1923.
Nummer 278.
Memnersächr und Sieblangswefen
Tandwietſchaft, Gartenbau,
Der Stand der Oahlienzucht.
Von Pfarrer Paul Koch, Brandenburg a. H.
(Schluß.)
Die jüngſten Dahlienſorten ſind die Edeldahlien
(Kaktus=Georginen), unſtreitag wohl mit ihren lockeren,
ganz wunderbaren, oft ſtrahligen, gelockten, gedrehten oder
nadelſpitzen Formen die ſchönſten. Um die Mitte der achtziger
Jahre des vergangenen Jahrunderts wurde bei uns die Kaktus=
Dahlie Juarezi (ſo genannt, weil ihre Blüten den Blumen eines
Blattkaktus C. speciosissimus ähneln) eingeführt, eine ſtrahlige
Blume von leuchtend ſcharlachroter Farbe. Sie iſt die
Stamm=
mutter der heutigen Edeldahlien. Allerdings war die
Heran=
züchtung nicht ſo leicht. Mir iſt es damals trotz der größten
Mühe und Aufmerkſamkeit nicht gelungen, auch nur ein Korn
Samen zu erhalten. Glücklicher war Max Degen=Köſtritz, der
als der erſte in Deutſchland bald etliche Neuheiten auf den
Markt brachte, die ſicher Edeldahlienblut in ſich hatten, wenn
ihre Form auch noch zu wünſchen übrig ließ. Unſtreitig gebührt
den Engländern das Verdienſt, Neuheiten in moderner
Edel=
dahlienform zuerſt gezüchtet zu haben. Später freilich haben ſie,
wie es immer ihre Art geweſen iſt — man denke nur in der
Hühnerzucht an die Ueberzüchtung der Kochins und Orpingtons,
in der Taubenzucht an die Ueberzüchtung der Pfautauben und
Kröpfer —, die Zucht auf die Spitze getrieben. Die letzten
eng=
liſchen Züchtungen vor dem Kriege waren meiſt von ſtark
aus=
geprägter Kaktusform, manchmal reine Schauſtücke, aber faſt
ſtets auf viel zu ſchwachen Stielen, ſo daß die Blumen hingen,
wodurch ihr blumiſtiſcher Wert ſtark herabgedrückt wurde. Die
deutſche Zucht konnte zunächſt nicht mit der engliſchen Schritt
halten. Heute aber ſteht es ſo, daß die engliſche Zucht für uns
ganz überflüſſig iſt. Wir haben gute deutſche Sorten gezüchtet
und züchten ſie auch noch heute, ſo daß wir uns völlig an ihnen
genügen laſſen können; ſie halten den Vergleich mit den teuren
engliſchen Neuheiten völlig aus. Eins aber glaube ich doch
feſt=
ſtellen zu ſollen: die deutſche Zucht muß ſich vor einer Gefahr
hüten. Viele Züchter bringen heute faſt, nur Sorten mit ſchweren,
dichten Blumen auf den Markt, es fehlt ſehr oft das Strahlige
und Zierliche, das doch eigentlich das Beſondere und Wertvolle
an der Edeldahlie iſt; eine gewiſſe Plumpheit und Kompaktheit,
ja ſogar Steifheit, zeichnet manche Neuheiten aus. Ich glaube,
die Züchter müßten bei ihrer Auswahl viel ſtrenger ſein und
rückſichtslos ausmerzen. Es dürfen nicht ſo viel minderwertige
als erſtklaſſige Neuheiten angeboten werden, wie es heute ſo
vielfach geſchieht. Die Zucht der Edeldahlien iſt nun einmal
nicht ſo leicht, und wenn man unter ſeinen Sämlingen 1 bis
2 v. H. wirklich brauchbare (erſtklaſſige ſind es noch weniger)
er=
hält, ſo iſt das ein ſehr gutes Ergebnis. Darum iſt auch dem
Liebhaber durchaus abzuraten, Edeldahlien aus Samen zu
züchten. Wenn er ſich Sorten anſchafft, wird er viel mehr
Freude haben. — Man hat heute neben den vielen hohen
Edel=
dahlien auch ein kleines Sortiment Zwerg=Edeldahlien erzüchtet,
in dem ſchon alle Färbungen vertreten ſind. Unter den hohen
gibt es ſehr ſchöne, rieſenblumige Sorten, bis 20 Zentimeter
hoch, die auch meiſt von impoſantem Wuchſe ſind; kleinblumige
findet man nur ſehr wenig; etliche gute Sorten ſind im Kriege
eingegangen und Neuheiten ſind nicht wieder gezüchtet worden.
Unter den anderen gibt es die wundervollſten Formen, von
der bizarrſten Chryſanthemumform bis zur regelmäßigſten,
nadelſpitzen Form, eine bunte Muſterkarte in den reizvollſten
Farbentönen, die allermeiſten von hervorragender Blühwilligkeit.
Edeldahlenhybriden ſind Sorten von weniger
aus=
geprägter Kaktusform und darum weniger zu empfehlen. Bei
der Ausſaat von Edeldahlienſamen fallen viele dieſer Arten aus;
viele verdienen es nicht, dem Sortiment eingefügt zu werden.
Nur im Vorübergehen erwähne ich die
ſpäonienblüti=
gen oder holländiſchen Rieſendahlien, gefüllt und
halbgefüllt blühend. Mit ihren ganz bizarren, meiſt völlig
regel=
loſen Formen, wirken ſie oft geradezu grotesk und häßlich. Nur
für ganz große Vaſenſträuße und große Kränze ſind ſie
brauch=
bar, weil es hier auf Maſſenwirkung ankommt; für den
Lieb=
haber und den Hausgarten kommen ſie kaum in Frage. Ich habe
mit päonienblütigen Dahlien wiederholt Verſuche angeſtellt,
kann ihnen aber in meinem Dahlienſortiment, das weit über
200 Sorten aller Klaſſen umfaßt, keinen Raum gönnen. Sie
ſchienen mir ſtets den Vergleich mit den anderen Arten nicht
auszuhalten, ja ſelbſt den Platz im Garten nicht wert zu ſein.
Dahlien ſind in dieſem Jahre teuer. Die allgemeine
Teue=
lungswelle hat natürlich auch ihren Preis nicht unberührt
ge=
laſſen. Beim Kauf berückſichtige man nie zu billige Angebote,
denn man kann dabei ſehr ſtarke Enttäuſchungen erleben, da
noch immer ſehr viel Minderwertiges angeboten wird, für das
der gezahlte Betrag noch viel zu hoch iſt. — Trotz des hohen
Preiſes kann man doch empfehlen, Dahlien zu kaufen. Blumen
werden immer benötigt, und je freudloſer das Daſein wird, deſto
mehr; Blumen aber zu kaufen, wenn man einen Garten beſitzt,
iſt nicht rationell gewirtſchaftet. Kaum eine andere Pflanze
bie=
tet aber den ganzen Sommer über in ſo verſchwenderiſcher Fülle
ihre Blüten dar, wie die Dahlie. — Dabei nimmt ſie mit jedem
Boden, der nur nahrhaft und nicht zu trocken iſt, vorlieb; bei
trockenem Wetter muß öfters durchgreifend gegoſſen werden. Die
niedrigen Sorten paſſen auch für den kleinſten Hausgarten.
Pflanzeit iſt Ende April bis Mai. Am beſten bezieht man dann
erſt die Dahlienknollen, ſie ſind da meiſt angetrieben und wachſen
ganz ſicher. Die oft angebotenen Stecklinge zu pflanzen, iſt nicht
tatſam, denn ſie blühen viel ſpäter und nie ſo reichlich. Zu
be=
denken iſt auch, daß die Ausgabe für die Dahlien nur eine
ein=
malige iſt. Die Ueberwinterung iſt gar nicht ſo ſchwer und im
nächſten Frühjahr kann man die Knollen noch durch Teilung
ver=
mehren. — Die leichteſte und ſicherſte Ueberwinterung, in langen
Jahren von mir erprobt, mit der ich auch die empfindlichſten
Sorten und ſtets die von mir gezüchteten Neuheiten durch den
Winter bekommen habe, iſt folgende: Man nimmt die Knollen,
nachdem man die Stiele kurz über dem Erdboden abgeſchnitten,
Mitte Oktober heraus, da wir oft einen ſehr frühen Herbſt haben,
jedenfalls nicht viel ſpäter. Man ſchichtet die Knollen, dann
nebeneinander in eine Kiſte. Die Erde wird nicht abgeklopft,
nur Düngerſtoffe und Blattreſte, die leicht faulen, werden
ent=
fernt. Die Lücken werden mit derſelben Erde, in der die Knollen
geſtanden, ausgefüllt; die Kiſte bringt man in einen froſtfreien
Raum, luftigen Keller oder Zimmer. Im Winter, nach
Weih=
nachten, ſieht man einmal nach, klopft die Erde ab, ſchneidet die
Faſerwurzeln weg und packt ſie wieder in dieſelbe Erde. Will
man ein übriges tun und möglichſt frühen Blütenflor haben,
ſtellt man die Kiſte anfangs April in ein geheitztes Zimmer,
feuchtet die Erde mäßig an und gießt nach Bedarf auch ſpäter,
aber nicht zu oft und nicht zu viel, denn zu feuchte Erde bringt
oft Fäulnis hervor und treibt ſie ſo an. Meiſt werden ſie in
etwa 3 Wochen ſchon kräftige Triebe haben. Ende April
kom=
men dann die geteilten Knollen, an denen man aber nur einen.
höchſtens zwei Triebe ſtehen läßt, ins freie Land, wo ſie ſich in
dem wärmer werdenden Frühling bald kräftig entwickeln und
uns zu Beginn des Sommers ſchon durch reiche Blütenpracht
erfreuen.
Saatgutabbau.
Von
L. Kunkel, Heſſiſcher Landwirtſchaftslehrer und Züchter
für Buſch= und Stangenbohnen, Michelſtadt.
Die Erſcheinung, daß bei dem Kartoffelbau die Erträge
immer geringer werden, falls das Saatgut nicht erneuert wird,
nennen wir Abbau. Man unterſcheidet einen phyſiologiſchen und
einen wirtſchaftlichen Abbau. Der phyſiologiſche Abbau wird
als Schwächung der Lebensvorgänge in der Kartoffelknolle,
her=
vorgerufen durch äußere Verhältniſſe, erklärt. Der wirtſchaftliche
Abbau wird dadurch erklärt, daß leiſtungsfähigere
Kartoffel=
ſorten gezüchtet und in den Handel gebracht werden. Der
Ab=
bau hat mit Bodenmitigkeit nichts zu tun. Die
Bodenmädig=
keit wird dadurch erklärt, daß Pflanzen an ihrem Standort Stofſe
ausſcheiden, die die Entwicklung der im Anbau folgenden gleichen
Pflanze ſchädigen und dadurch den Ertrag herabdrücken. Lange
hintereinander können angebaut werden: Roggen, Kartoffeln,
auch Bohnen. Leicht bodenmüde werden die Kohlarten, Rüben,
Klee und Weizen. Mir iſt ein Fall bekannt, daß ein Landſtück
22 Jahre hindurch ſtets Bohnen trug. Seit 10 Jahren mache ich
die Beobachtung, daß Bohnen nach Bohnen gebaut im zweiten
Jahre höhere Erträge bringen als nach Kartoffeln. — Der
Ab=
bau der Bohne iſt dort möglich, wo wenig oder keine Sorgfalt
auf die Gewinnung guten Saatgutes gelegt wird, wo ohne
Be=
rückſichtigung der Leiſtungsfähigkeit der Einzelpflanze Saatgut
von der Maſſe der vorhandenen Pflanzen gewonnen wird.
Hierdurch gelangen Samen von Pflanzen mit mittelmäßiger
und geringerer Leiſtung in weit höherem Maße zu dem Saatgut
als von Pflanzen mit höchſter Leiſtungsfähigkeit (Plusvarianten).
Die Folge davon iſt, daß der Ertrag ſinkt, die Bohne iſt
abge=
baut. Von einem hervorragenden Stamm habe ich die Hälfte
unreif geerntet, die Samen getrocknet, um zu prüfen, ob dies
einen Einfluß auf die Leiſtungsfähigkeit des Stammes habe.
Die Bohnen gingen ſehr ſchwächlich auf, entwickelten ſich aber
außerordentlich freudig auf eine gegebene kleine Stickſtoffdüngung
und zeigten keinerlei Abbauerſcheinungen. Ich halte es nicht für
nötig, Bohnenſaatgut von außerhalb zu beziehen, falls Saatgut
in gut ausgereiftem Zuſtande von der leiſtungsfähigſten
Einzel=
pflanze gewonnen werden kann.
Miſchungsfehler bei künſtlichen Düngungsmitteln.
Wer mineraliſche Düngemittel wahllos miteinander
ver=
mengt, um die Arbeit doppelten Ausſtreuens zu ſparen, ſchädigt
ſich leicht ſelbſt dadurch, daß er Chemikalien zuſammenbringt, die
ſich gegenſeitig zerſetzen. Es iſt jetzt wieder an der Zeit, ſich
darüber klar zu werden, welche Düngemittel ohne Gefahr
zuſam=
mengebracht werden dürfen und welche ſtets getrennt gehalten
werden müſſen.
Beginnen wir mit den ſtickſtoffhaltigen Düngerarten, die den
Stickſtoff in Form von Ammoniak gebunden haben. Hierher
ge=
hören das ſchwefelſaure und ſalzſaure Ammoniak, der
Kali=
ammonſalpeter, der Natronammonſalpeter. Auch der Stallmiſt
hat in erſter Linie als ammoniakhaltiges Düngemittel zu gelten.
Verluſte an Ammoniak entſtehen dadurch, daß das Ammonium
durch Kalk verdrängt wird und als Ammonium entweicht.
Hier=
aus folgt, daß man ſtetssvermeiden muß, ammonhaltige
Dünge=
mittel mit kalkhaltigen zu miſchen. Als ſolche kommen beſonders
in Frage kohlenſaurer Kalk und Aetzkalk, ferner Thomasmehl,
das rund 40 v. H. Kalk enthält, Kalkſalpeter, der ſogar oft zur
Verminderung der Waſſeranziehung noch mit überſchüſſigem
Kalk verſetzt wird, und endlich Kalkſtickſtoff mit 50—60 v. H. Kalk.
Verluſte an Salpeterſäure, jener zweiten Form, in der wir
den Kulturboden mit Stickſtoff bereichern, ſind in der Praxis
kaum zu befürchten, da man die ſalpeterſauren Salze ja ihrer
ſchnellen Wirkung wegen in der Hauptſache unvermiſcht als
Kopfdünger anwendet. Immerhin ſei darauf aufmerkſam
ge=
macht, daß auch bei ſalpeterſauren Düngemitteln durch Miſchen
mit anderen Düngern unter Umſtänden große Stickſtoffverluſte
entſtehen können. Von ſalpeterſauren Düngeſalzen ſind
beſon=
ders zu nennen: Natronſalpeter, alſo der Chileſalpeter und der
ſogenannte deutſche Salpeter der Badiſchen Anilin= und
Soda=
fabrit und der Kalkſalpeter oder Norgeſalpeter. Hierher ſind
aber ebenfalls die obengenannten neuen Stickſtoffdünger zu
zäh=
len, nämlich Kaliammonſalpeter, Natronammonſalpeter und
Am=
monſulfatſalpeter, die ja den Stickſtoff etwa zur Hälfte als
Ammoniakſtickſtoff, zur Hälfte aber auch in Form von
Salpeter=
ſäure enthalten. Bei dieſen ſalpeterſauren Düngemitteln kann
nun in der Weiſe ein Verluſt an Salpeterſäure entſtehen, daß
die Salpeterſäure beim Miſchen mit einem anderen Salz durch
eine ſtärkere Säure dieſes Salzes verdrängt wird. Es tritt dann
anſtelle der Salpeterſäure die neue ſtärkere Säure. Als ſtärkere
Säure kommt wohl nur die Schwefelſäure in Frage.
Schwefel=
ſäure iſt im ſchwefelſauren Ammoniak und beſonders, ſogar als
freie Schwefelſäure, im Superphosphat enthalten. Die
Schwefel=
ſäure dieſer Salze würde nun beim Vermiſchen die
Salpeter=
ſäure freimachen und in die Luft entweichen laſſen. Beſonders
empfindlich iſt der Kalkſalpeter. Er zieht nicht nur aus der
Luft, ſondern auch aus anderen Salzen Waſſer an und wird
dann unſtreubar.
Im Anſchluß hieran ſeien auch die Dünger genannt, die mit
hygroſkopiſchen Salzen gemiſcht, unter der Waſſeraufnahme
lei=
den und ſchwer ſtreubar werden. Deshälb vermeide man
mög=
lichſt ein Miſchen von Superphosphat, ſchwefelſaurem
Ammo=
niak, Kaliammonſalpeter, Natronammonſalpeter und
Kaliſtick=
ſtoff einerſeits, mit den hygroſkopiſchen Kaliſalzen andererſeits,
es ſei denn, daß das Miſchen unmittelbar vor dem Gebrauch
ge=
ſchieht.
Bei phosphorſäurehaltigen Düngemitteln kann verkehrtes
Miſchen dazu führen, daß die lösliche Phosphorſäure in
unlös=
liche übergeht. Wenn man Superphosphat mit kalkhaltigen
Düngemitteln zuſammenbringt, tritt alsbald eine Umſetzung ein.
Es verbindet ſich dann nämlich die waſſerlösliche Phosphatſäure
wieder mit dem überſchüſſigen Kalk zu waſſerunlöslichem
Tri=
kalziumphosphat, und eine Düngerwirkung iſt dementſprechend
vorhanden. Als kalkhaltige Dünger, mit denen alſo
Superphos=
phat auf keinen Fall gemiſcht oder zuſammen gebracht werden
darf, kommen folgende in Betracht: Kalk, Thomasmehl,
Kalk=
alpeter, Kalkſtickſtoff und auch der neue Düngeammonſalpeter
der Badiſchen Anilin= und Sodafabrik, ein Gemiſch von Kalk
bzw. Gips und Ammonſalpeter.
Schließlich iſt noch als ſchädliche Wirkung beim Miſchen
ver=
ſchiedener Düngemittel die Bildung von ſogenanntem
Magneſia=
zement zu nennen, einer unlöslichen klumpigen Maſſe. Er
ent=
ſteht, wenn man Kaliſalze, beſonders Rohkaliſalze, mit baſiſchen,
alſo z. B. kalkhaltigen Düngemitteln zuſammenbringt und nicht
ſofort verbraucht. Aus dieſem Grunde iſt es nicht ratſam,
Kali=
ſalze aller Art mit baſiſchen Düngern, wie Kalk, Thomasmehl,
Kalkſalpeter, Kalkſtickſtoff und Düngeammonſalpeter, zu miſchen.
Stecklingsvermehrung von Johannisbeeren.
Brauchbare kräftige Johannisbeerbüſche kann man ſich leicht
ſelbſt ziehen, wenn man geſunde, gut ernährte, ſtark fruchtende
Mutterbüſche beſitzt. Man ſchneidet im Herbſt, ſobald die letzten
Blätter gefallen ſind, alſo etwa Ende September, von dieſen
Büſchen 1jährige Triebe, die mindeſtens Bleiſtiftſtärke haben
und 30—35 Zentimeter lang ſind. Die Spitze wird um 5
Zenti=
meter gekürzt. Alle Schnitte ſind mit ſcharfem Meſſer
auszu=
führen. Ein dermaßen vorbereitetes Zweigſtück nennt man
Steckling. Am beſten bringt man die fertig geſchnittenen
Steck=
linge ſofort im Herbſt in die Erde, indem man ſie im
Reihen=
abſtand von etwa 40—50 Zentimeter und in den Reihen im
Abſtand von etwa 20—25 Zentimeter in durchläſſigem Boden
mit guter Vorjahrsdüngung etwas ſchräg ſo tief einſteckt, da
nur die zwei bis drei oberſten Augen herausſehen und dann
wenn möglich, mit einem kurzen verrotteten Dünger überſtreut
So bleiben ſie über Winter liegen. Bleibt der Herbſt ſehr trok
ken, werden ſie vorteilhaft einmal gewäſſert.
Die Frühjahrs= und Sommerbehandlung iſt einfach. Sauber
halten und den Boden lockern, vielleicht einmal wäſſern.
Da=
iſt alles.: Bald werden kräftige grüne Triebe, einer bis drei
au=
jedem Steckling, vorhanden ſein.
Im Herbſt werden die nunmehr bewurzelten einjährigen
kleinen Sträucher umgeſetzt, und zwar auf etwas weitere Ent
fernungen und vielleicht auf ſchwereren Boden; denn ſie haber
ja jetzt ein ſelbſtändiges Wurzelvermögen. Die jungen Trieb
werden auf je drei Augen zurückgeſchnitten, damit der kommend
zweite Jahrestrieb einen ſchönen kräftigen Buſch von minde
ſtens drei bis zehn Augen treibt, der dann im kommenden Herbi
(alſo am Ende des zweiten Sommers) als Standbuſch an Or
und Stelle gepflanzt werden kann.
Zur Oeckzeit der Ziegen.
Von Mitte September bis in den Dezember hinein dauer
die Zeit, in der die Ziegen brünſtig werden. Anhaltendes Mek
kern, große Unruhe und Wedeln mit dem Schwanze und ſchlech
tes Freſſen kennzeichnen den Zuſtand. Der zweite Tag nad
dem Auftreten dieſer Anzeichen iſt der beſte, um die Ziege den
Bocke zuzuführen. Man kann dann beſtimmt damit rechnen
daß ſich die Ziege decken läßt und auch aufnimmt. Man ver
wende zum Decken nur einen erſtklaſſigen Bock und zahle liebe
etwas mehr Deckgeld, als daß man infolge falſcher Sparſamkei
das Tier von einem minderwertigen Bock decken läßt. Es, komm
auch öfter vor, daß die Ziege nicht gleich aufnimmt. Dies zeig
ſich ungefähr in der dritten Woche; die Brunſt tritt
nochmal=
auf, jedoch nicht ſo ſtark wie das erſtemal. Sollte die Ziege aud
das zweite Mal nicht aufnehmen, ſo iſt ſie nicht zuchtfähig und
man tut beſſer, ſie zu ſchlachten. Wer die Milchleiſtungen de
einzelnen Ziegen genau verfolgt, kann am Wachſen der Milch
menge genau erkennen, daß die Ziege trächtig geworden iſt. Di
Trächtigkeit dauert etwa 21 Wochen, alſo rund fünf Monate.
Während dieſer Zeit muß das Tier hinſichtlich der Fütte
rung beſonders gut verſehen werden; ſchlechtes, dumpfiges Heu
iſt zu vermeiden. Man gibt der tragenden Ziege des Morgens
eine Hand voll Heu und darauf eine Kleietränke, beſtehend aus
Schrotkleie, Brotabfällen und zerquetſchten Kartoffeln. Geger
10 Uhr vormittags reiche man dann noch eine Frühſtücksportion
beſtehend aus Brot und Kartoffelſchalen und Möhren. Mittags
Heu, nachmittags ähnlich wie vormittags und des Abends ein
Kleietränke und Heu. Sämtliche Fütterungen müſſen möglichſ
täglich um die gleiche Zeit ſtattfinden, was die ordnungsmäßig
Funktion des ganzen Organismus fördert. Sehr zu empfehlei
iſt die Beigabe eines guten Nährſalzes, welches neben phosphor
ſauerem Kalk auch noch Schwefel, Eiſen, Kieſelſäure, Fluor
Mangan uſw. enthalten muß, da das werdende Zicklein dieſ
Knochen= und Blutbildner zu ſeiner Entwicklung braucht. Rech
gut bewährt hat ſich das Dr. Grableyſche Mineralſalz für Zie
gen. Zur Erleichterung der Geburt trägt es bei, wenn die Mut
terziege regelmäßig Gelegenheit hat, ſich frei zu bewegen. Daſ
man ein tragendes Tier niemals plagen oder ſtoßen darf, brauch
wohl nicht erſt geſagt zu werden.
Völliger Kahlfraß der Obſibäume.
Wer im Frühjahr 1923, ja bis Juli dieſes Jahres in de
Provinz Rheinheſſen ſich umſah, der konnte in vielen Gemar
kungen eine große Menge völlig kahlgefreſſener Bäume wahrneh
men. Noch nie in meinem Leben war mir ein folches Bild vo
die Augen getreten. Aber auch nicht ein einziges Blatt war au
den Bäumen zu erblicken. Nur Ballen von Raupenneſtern hinger
daran. Und das mitten im Sommer, während ſonſt alle Bäum
im ſchönſten Grün prangten. Wer ein ſolches Jammerbild nod
nicht erblickt hat, kann ſich gar nicht denken, wie furchtbar ſchreck
lich und unheimlich ſolche blattloſen Bäume zur Sommerszei
auf das Auge des Naturfreundes wirken. Ein Grauen und Gru
ſeln überfällt einen. Und warum dieſer furchtbare Raupenfraß
Weil das völlig waldarme Rhe nheſſen nicht genügend Singvöge
hat. Jede Niſtgelegenheit fehlt, da auch die Hecken abgeholz
wurden. Das alles rächt ſich jetzt bitter. Auch andere nützlich
Tiere können ſich mangels Schutzgelegenheit nicht anſiedeln. S.
müſſen wir denn die furchtbaren Schäden und den mehrjährige
Obſtverluſt tragen. — Nicht unerwähnt ſoll bleiben, daß ſolch
Beſitzer, die ihre Schuldigkeit in der Schädlingsbekämpfung taten
geſunde, ſchön belaubte Bäume haben. Es iſt dies oft auf den
Baum wie abgeſchnitten. Am allerbeſten ſchneiden dies Jah
ſolche Beſitzer ab, die einen ſachkundigen Vogelſchutz betrieben
denn alle bisherigen Bekämpfungsmethoden reichten dies Jah
nicht aus. Darum Schutz allen nützlichen Mithelfern in den
Reiche der Natur.
—n.
M
B
halt
Der
Blattlausbekämpfung.
B re
un de
Me
W
ighe
Lnd
Ke
ni
Im allgemeinen glaubt man, daß ein milder Winter de=
Schädlingen aus der Inſektenwelt günſtig ſei. Dies iſt abe
neiſtens nicht der Fall. Viele Inſekten überdauern einen ſtrenge=
Winter mit ſtarkem Froſt leichter als einen ſolchen, der mi
Temperaturrückſchlägen und Feuchtigkeit ausgezeichnet iſt, da di
Natur den überwinternden Stadien einen ausreichenden
Schu=
gegen die ſtärkſte Kälte in mannigfacher Form mitgegeben ha=
Dieſes Jahr ſcheint allerdings der verhältnismäßig milde Wintel
wenigſtens was die Blattläuſe anbetrifft, eher günſtia ge
wirkt zu haben. Auch das regneriſche und kalte Frühjahr ha
ihrer Ausbreitung und Vermehrung nicht geſchadet. Im Gegen
teil traten dieſelben dieſes Jahr beſonders ſtark auf. Faſt
no=
nie konnte man einen ſolchen Befall der Apfel= und Birnbäume
der Steinobſtbäume und Roſen beobachten wie in dieſem Somme
und beſonders dort, wo im Winter und erſten Frühjahr vo
Austrieb der Blätter gegen die überwinternden. Eier dieſe
Schädlinge durch Beſpritzen der Bäume nicht vorgegangen würd
In ſolchen Fällen kann nur ein ſachgemäßes Spritzen de
(Gche
B=
N=
de
befallenen Zweige mit einem den Blättern nicht ſchadende
Blattlausmittel nützen. Je frühzeitiger ein ſolches angewant
wird, deſto beſſer witd die Wirkung ſein. Schwieriger wird de / Allich
Kampf gegen die Blattlaus beſonders dann, wenn ſich de
B.
Blätter infolge der Saugarbeit der Läuſe gekrümmt haben. Hie /Ang d.
muß ein ſehr intenſives Durchtränken der Blätter mit der Sprit
flüſſigkeit eintreten. Auch ſind ganz beſondere Anforderunge ud ü.
an ein ſolches Mittel zu ſtellen. Vor allem darf es den Blüter
Trieben und Blättern nicht ſchaden und muß trotzdem eine al
tötende Wirkung auf die Blattläuſe beſitzen. Am beſten eigne
ſich dazu Gifte, die dem Pflanzenreiche entnommen ſind, w
R‟
Nikotin, Quaſſia uſw., alſo der Pflanze ſelbſt keinen Schade
Nin
bringen können. Dagegen werden Metalle oder Salzlöſunge des
20nr N
von der Pflanze im allgemeinen ſchwerer vertragen. Ferner mu
Deu
eine gute Benetzungsfähigkeit von der Löſung verlangt werder
da ſie als Kontaktgift wirken ſoll und ſich Laher ſchnell und g1
Deiſcht
über die abzutötenden Tiere ausbreiten muß.
In dieſer Hinſicht heben ſich Emulſionen am beſten bewähr
DeIin
Eine ſolche, die monatelang ihre Haltbarkeit nicht einbüßt, kan
EAih
aus dem bekannten Blattlausmittel „Scheideanſtalt” hergeſtel Lanlaru
werden. Dieſes Mittel hat ſich zur Bekämpfung der Blattä” teeff,
und ähnlicher Schädlinge, wie Blattflöhe, Schildläuſe uſw., al”: Zeſiy,
zend bewährt. Infolge ſeiner Zuſammenſetzung treten nicht 2
geringſten Schädigungen bei den behandelten Gewächſen a.
Ne h.
Es vernichtet bei richtigem und durchgreifendem Spritzen u1 Slicht
fehlbar jede Blattlauskolonie.
A. A.
eir