Darmstädter Tagblatt 1923


05. Februar 1923

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Nummer 35

Montag, den 5. Februar 1923

Einzelnummer 60.00 Mk.

Der Reichskanzler im Ruhrgebiet.

TU. Eſſen, 5. Febr. Reichskanzler Dr. Cuno iſt
am Sonntag in Begleitung des Staatsſekretärs Hamm nach
Eſſen gefahren, um ſich über die Lage zu unterrichten. Er hielt
Konferenzen mit den Behörden, Gewerkſchaftsvertretern, In=
duſtriellen
und Parteivertretern ab. Er erklärte unter anderem,
zu Verhandlungen ſei die deutſche Regierung nur bereit, wenn
die franzöſiſche Beſetzung des Ruhrgebietes rückgängig gemacht
werde. Die Regierung ſei völlig einig. Danach reiſte der Reichs=
kanzler
auch nach Bochum und Düſſeldorf.
Beſchlagnahme holländiſcher Kohlentransporte.
Eſſen, 4. Febr. (Wolff.) Nach einer Mitteilung eines hol=
ländiſchen
Journaliſten wurde vom holländiſchen Konſul
in Duisburg erklärt, daß nicht nur Kohlenzüge, ſondern auch
Kohlenkähne, die nach Holland beſtimmt ſeien, beſchlag=
nahmt
würden. Nach der Auskunft der franzöſiſchen Be=
ſatzungsbehörde
ſeien dieſe Maßnahmen jedoch nur vorläufi=
ger
Natur. Wenn ein Antrag auf Ausfuhrbewilligung geſtellt
werde, ſo würden die beſchlagnahmten Kohlen wieder freigegeben.
Es ſei damit zu rechnen, daß in 1011 Tagen die Kohlenausfuhr
nach Holland wieder normal vor ſich gehen werde.
Eſſen, 4. Febr. (Wolff.) Wie aus Dorſten mitgeteilt
wird, wurde dort bereits vorgeſtern der erſte Kohlenzug
nach Holland beſchlagnahmt; ein ſogen. Vertragszug wurde
dann am Freitag abend für die Weiterfahrt nach Holland frei=
gegeben
. Seitdem ſind wieder ſämtliche nach Holland gehen=
den
Kohlenzüge beſchlagnahmt worden. Etwa ſechzig Wa=
gen
mit Privatkohlenſendungen ſtehen ſeit zwei Tagen auf dem
Bahnhof Dorſten.
Eſſen, 4. Febr. (Wolff.) Aus Weſel wird gemeldet, daß
geſtern nachmittag ein für Holland beſtimmter Kohlenzug
mit etwa 45 Wagen von den Franzoſen nicht durchgelaſſen wurde.
Der Zug mußte wieder zurückgeleitet werden.

iegler
ſtadt aaß
belfabrihf

Vom Tage.

Frankreich hat Offenburg und Appenweier beſetzt, angeblich wegen
der Schwierigkeiten, die Deutſchland bei der Durchführung der inter,
nationalen Züge PragParis bereitet, in Wirklichkeit, um die deutſchen
Kohlentransporte auf der Strecke Frankfurt-Baſel zu kontrollieren.
Die deutſche Regierung hat an Frankreich und Belgien eine Note
geſandt, in der ihr Verhalten gerechtfertigt wird.
Laut Lokalanzeiger wird von der Reichsregierung die Ernennung
eines beſonderen Reichskommiſſars für das Ruhrgebiet erwogen.
Auf der Eiſenbahn wurde die Mappe eines franzöſiſchen Militärs
gefunden, welche einen Befehlsentwurf, betreffend das Verhalten der
Franzoſen bei einem erzwungenen Rückzug und bei Aufſtänden enthielt.
Zu den geplanten Maßuahmen gehören u. a. die Anfreißung von Eiſen=
bahnſchienen
und die Sprengung von Brücken.
Gewerkſchaftsvertreter aller Richtungen haben eine Kundgebung
an den Senat und das Repräſentantenhaus der Vereinigten Staaten
ger tet, in der ſie an das amerfkaniſche Ehrgefühl appellieren und der
Ueberzeugung Ausdruck geben, daß der amerikaniſche Ehrenſtandpunkt
Europa und die Welt vor einem ſonſt unvermeidlichen Unglück retten
könne.
Dar norwegiſche Studentenverein nahm mit großer Mehrheit eine
Entſchließung an, in der die franzöſiſche Gewaltwpolitik im Ruhrgebiet
mißbilligt wird.
Der neue deutſche Geſandte in Riga Dr. Köſter iſt dort eingetroffen
und von der Preſſe freundlich begrüßt worden.
Der endgültige Vertrag in der Frage der engliſch=amerikaniſchen
Schulden iſt zwiſchen der ameritaniſchen Schuldenkommiſſion und Sir
Geddes abgeſchloſſen worden.
Ein Truppenkontingent von mehreren hunbert Mann, das von Lon=
don
kam, wurde in Malta ausgeſchifft. Es wird ſo bald wie möglich
auf dem Kreuzer Cardiff, der große Mengen Munition geladen hat,
mach Tſchanak transportiert.

Ein neuer ſchwerer Rechtsbruch der Franzoſen.
Die Beſetzung von Offenburg und Appenweier.

Offenburg, 4. Febr. (Wolff.) Heute vormittag rückte
franzöſiſche Kavallerie in Stärke von mehreren Schwa=
dronen
hier ein. Der Bahnhof, das Poſtamt, die Kaſerne und
die große Eiſenbahnbrücke wurden mit Wachtpoſten und Maſchi=
nengewehren
beſetzt. Auch iſt Appenweier von franzöſiſchen
Truppen beſetzt worden.
Freiburg, 4. Febr. (Wolff.) Ueber die Beſetzung
von Offenburg und Appenweier erfahren wir von
zuverläſſiger Seite folgendes:
Auf dem Rathaus in Offenburg hat heute vormittag auf
Veranlaſſung der franzöſiſchen Beſatzung eine Konferenz mit
Vertretern der ſtaatlichen und ſtädtiſchen Behörden ſtattgefunden,
in der von franzöſiſcher Seite mitgeteilt wurde, daß Offenburg
und Appenweier in den Brückenkopf Kehl einbezo=
gen
werden ſollten als Sanktion für die von deutſcher Seite
vorgenommene Beſchränkung im internationalen
Zugverkehr. Die Gerüchte von einer Beſetzung weiterer
badiſcher Orte haben ſich als unrichtig herausgeſtellt, doch iſt auch
die Station Ortenberg von franzöſiſcher Infanterie beſetzt
worden: Ortenberg iſt nach Offenburg Ausgangspunkt für die
durch das Kinzigtal führende große Schwarzwaldbahn
zum Bodenſeegebiet.
Welchen Umfang die Erweiterung des Brückenkopfgebiets
haben wird, läßt ſich zurzeit noch nicht nachprüfen. In Offen=
burg
und Appenweier iſt die Beveölkerung durch franzöſiſche Pla=
kate
aufgefordert worden, ſich ruhig zu verhalten. Es treten für
das erweiterte Brückenkopfgebiet nach franzöſiſcher Mitteilung
die für das bisherige Brückenkopfgebiet geltenden Beſtimmungen
über Verſorgung der Bevölkerung mit Päſſen, Ausweiſen uſw.
ſofort in Kraft. Ferner wurde für Offenburg ein Verſammlungs=
verbot
erlaſſen. Zufammenrottungen von mehr als fünf Perſonen
dürfen nicht ſtattfinden. Die Polizeiſtunde wurde auf 9 Uhr
abends ſeſtgeſetzt.
Auf dem Marktplatz und vor dem Gebäude des Bezirksamts
lagert zurzeit ein Regiment franzöſiſcher Infanterie, das nach
der Kavallerie eingerückt iſt; ferner ſieht man Panzerautos, Ma=
ſchinengewehre
, Fouragewagen uſw. Alles iſt in durchaus
kriegsmäßiger Ausrüſtung. Nach einer franzöſiſchen Be=
kanntmachung
handelt es ſich um eine friedliche (!!) Be=
ſetzung
und nicht um eine militäriſche.
Berlin, 4. Febr. (Wolff.) Die interalliierte
Rheinlandkommiſſion hat dem Reichskommiſſar
für die beſetzten Gebiete in Koblenz eine Note zugeleitet, in
der ſie Mitteilung von dem Beſchluß der franzöſiſchen Regierung
macht, Offenburg und Appenweier wegen der von der
deutſchen Eiſenbahnverwaltung bei der Durchführung der inter=
nationalen
Züge PragParis bereiteten Schwierigkeiten
zubeſetzen. Im Anſchluß hieran habe die interalliiere Rhein=
landkommiſſion
beſchloſſen, Offenburg und Appenweier demſelben
Regime zu unterwerfen, unter dem der Brückenkopf Kehl ſtehe.
Demgemäß habe ſie ihrem Delegierten in Koblenz Vollmacht auch
für dieſe neue Beſetzung gegeben.
Anmerkung des Wolff=Bureaus. Der Bortlaut
der Note liegt noch nicht vor. Schon jetzt muß aber auf Grund
der eingelaufenen Meldungen erklärt werden, daß von den Fran=
6öſen ein neuer ſchwerer Rechtsbruch begangen worden
Iſt. Zu den franzöſiſchen Gewalttaten im Ruhrgebiet tritt nun
die Vergewaltigung weiteren deutſchen Gebietes durch franzö=
liſche
Truppen, durch die vermutlich der deutfche Kohlen=
kansport
auf der wichtigen Strecke Frankfurt=
Saſel unter franzöſiſche Kontrolle genommen werden ſoll.

Gewalttätigkeiten in Mainz und Ingelheim.
9 Perſonen getötet.
TU. Mainz, 4. Febr. In Weiſenau bei Mainz ſind
infolge Unfähigkeit der Franzoſen zwei von franzöſiſchen Eiſen=
bahnern
geführte Züge zuſammengeſtoßen und, ein
Hilfszug entgleiſt.
In Ingelheim iſt ein Zug entgleiſt und umge=
fallen
. Das franzöſiſche Militär ſchoß auf die Menſchen=
anſammlung
, die ſich hierbei gebildet hatte. Neun Perſonen
fanden bei dieſer Schieße ei den Tod. (!)
Die Eiſenbahner forderten, daß ſämtliche Poſten aus dem
Bereich der Eiſenbahn gezogen werden und daß die Verhafteten
in Freiheit geſetzt werden. Bis auf den letzten Punkt ſind die
Forderungen bewilligt.
Neue Gewaltakte.
Aachen, 4. Febr. (Wolff.) Nach einer Blättermeldung wur=
den
Regierungsrat Schwidden, Regierungspräſidialſekretär
Klimbel und Regierungsoberſekretär Poſtert von der hieſi=
gen
Regierung, die vor drei Tagen verhaftet worden waren,
von der Beſatzungsbehörde ausgewieſen.
Berlin, 4. Febr. Wie dem Lokal=Anzeiger aus Reck=
linghauſen
berichtet wird, wurde ein Lokomotioführer
von Offizieren der Beſatzungstruppen mit einer Reit=
peitſcheſchwer
mißhandelt, weil er ſich geweigert hatte,
die Waſſerentnahmeſtelle für Lokomotiven zu zeigen.
Eſſen, 4. Febr. (Wolff.) Der franzöſiſche General
ließ durch ſeinen Stabschef den Polizeipräſidenten auf=
fordern
, die Zurückziehung des an die Schutzpolizei ergangenen
Grußverbotes zu veranlaſſen. Der Polizeipräſident hat dies
verweigert und die ihm geſetzte Bedenkzeit von zwei Tagen
als zwecklos bezeichnet; ſeine Weigerungſeiendgültig.
U. Düſſeldorf, 4. Jan. Hier wurde durch einen fran=
zöſiſchen
Korporal eine unerhörte Bluttat verübt. Im
Bahnhof des Vororts Bilk ſtand eine Abteilung franzöſiſcher
Soldaten, denen eine Anzahl Kinder zuſah. Plötzlich legte
ohne jeden Anlaß ein franzöſiſcher Korporal das Gewehr an und
ſchoß auf die Kinder. Ein Kind wurde getötet, ein
zweites verletzt.
Knebelung der Preſſe.
Koblenz, 4. Febr. (Wolff.) Die Rheiniſche Rund=
ſchau
wurde von der Rheinlandkommiſſion auf drei Tage der=
boten
.
Koblenz, 4. Febr. (Wolff.) Die Koblenzer Zeitun=
gen
ſollten morgen, Montag, wieder erſcheinen, unter der Be=
dingung
, daß ſie die zurückgewieſene Bekanntmachung des fran=
zöſiſchen
Delegierten in ihrer nächſten Nummer nun doch bräch=
ten
. Die Koblenzer Preſſe wird es aber auch weiterhin ab=
lehnen
, ſolche und ähnliche Bekanntmachungen der Rhein=
landkommiſſion
, die aus dem Rahmen des Rheinlandabkommens
herausfallen, zu veröffentlichen. Für den Fall der Nichtver=
öffentlichung
der Bekauntmachung ſind den Blättern übrigens
weitere Strafmaßnahmen angedroht worden.
Stolberg, 4. Febr. (Wolff.) Die Stolberger Zei=
tungiſt
aufdrei Tage von dem franzöſiſchen Kreisdelegierten
verboten worden, weil ſie die Anweiſung des Verkehrsmini=
ſters
an die Eiſenbahner ſowie das Grußverbot des Miniſters
des Innern für die Polizeibeamten des neubeſetzten Gebietes
veröffentlicht hatte.

Die Mainzer Kriegsgerichtsurteile.
Eine rechtliche Betrachtung.
Es iſt in den erſten Meldungen über die Urteile im Thyſſen=
Prozeß und im Prozeß gegen Herrn Dr. Schlutius und Geheim=
rat
Raiffeiſen nicht klar genug zum Ausdruck gekommen, daß im
Thyſſen=Prozeß die eigentliche Schuldfrage wegen Gehorſams=
verweigerung
gegenüber einem militäriſchen Befehl verneint
und dieſerhalb Freiſprechung erfolgt iſt, und daß die Ver=
urteilung
lediglich wegen einer weniger bedeutſamen Requiſi=
tionsverordnung
erfolgte. Die Anklageformel lgutete folgender=
maßen
:
Die Angeklagten werden beſchuldigt:
am 18. Januar 1923 zu Bredeney (beſetztes deutſches Gebiet)
ſich geweigert zu haben, einem Befehl zu gehorchen, welcher
geſetzmäßig durch den kommandierenden General der 128. In=
fanteriediviſion gegeben war und ihnen vorſchrieb, die Siche=
rung
der Kohlenlieferungen fortzuſetzen, die notwendig iſt für
das Funktionieren der öffentlichen Betriebe unter den ge=
ſwöhnlichen Bedingungen, einem Befehl, welcher die Ordnung
und das öffentliche Leben betrifft, und ſo gegen die Jüter=
eſſen verſtoßen zu haben, welche die Beſetzung notwendig
machen, und die ihnen auferlegt ſind und ſtrafbar ſind nach
den Artileln 63, 267 des Militärſtrafgeſetzbuchs, 42, 43 der
Haager Konvention vom 18. Oktober 1907, 2 und 9 der Ver=
ordnung des kommandierenden Generals der Beſatzungs=
ſtreitkräfte vom 11. Januar 1923 und 40 des Strafgeſetzbuchs.
Das kriegsgerichtliche Verfahren vollzieht ſich ähnlich wie bei
uns das ſchwurgerichtliche Verfahren, d. h. am Schluſſe wird der
Verhandlung eine Schuldfrage formuliert, und die obige Anklage=
formel
bildete die Hauptſchuldfrage. Man kann das hierdnich
ausgedrückte Delikt kurz als Gehorſamsverweigerung gegenüber
einem militäriſchen Befehl bezeichnen. Dieſe Schuldfrage wurde
einſtimmigverneint. Erſt in ſeinen Schlußanträgen regte
der Staatsanwalt die Stellung einer Hilfsfrage nach Verletzung
einer wenig bekannten Requiſitionsordnung an, die nur Geld=
ſtrafen
vorſieht, und zwar handelt es ſich eigentlich nicht einmal
um eine richtige Geldſtrafe, ſondern mehr um eine Art Verfall=
erklärung
oder Einziehung. Dieſe Einziehungen werden ausge=
ſprochen
in Höhe des doppelten Betrages der im Wege der Re=
quiſition
angeforderten, aber nicht gelieferten Waren. Darauf
ſinb die verſchiedenen Summen zurückzuführen.
Da ebenſo wie beim ſchwurgerichtlichen Verfahren in dem
Urteil Gründe nicht angegeben werden, ſo iſt auch nicht erſichtlich,
auf welche der zahlreichen Gründe, die zu einer Freiſprechung
führen mußten, das Gericht ſich geſtützt hat. Man kann hier nur
eine Vermutung ausſprechen, die zur Gewißheit wird, wenn
man damit das Urteil mit den unmittelbar darauf verhandelten
Sachen gegen Dr. Schlutius und Geheimrat Raiffeiſen (in der
Dr. Grimm ebenfalls verteidigt hat) vergleicht. Beide Herren
ſind Staatsbeamte, und bei beiden hat das Gericht die
Schuldfrage wegen Gehorſamsverweigerung bejaht. Dieſe
unterſchiedliche Behandlung beruht offenſichtlich auf der Faſſung
der Verordnung des Generals Degoutte, die auch in der Haupt=
verhandiung
eingehend erörtert wurde. Artikel 1 Abſatz 2 dieſer
Verordnung beſtimmt als Grundprinzip: die deutſchen Geſetze
bleiben in Kraft‟. Dies entſpricht der Vorſchrift des Art. 43 der
Haager Konvention. Von dieſem Prinzip macht dann Abſatz 3
eine Ausnahme, die meines Erachtens durchaus unzuläſſig iſt,
indem dort geſagt wird, daß die öffentlichen Behörden den Be=
fehlen
der Militärbehörden Gehorſam zu leiſten haben. In dem
Rheinlandabkommen findet ſich eine ähnliche Vorſchrift. Hiei iſt
ſie geſetzmäßig, da ſie auf einem völkerrechtlichen Vertrag zwi=
ſchen
der Entente und Deutſchland beruht. Das Rheinland=
abkommen
gilt aber nicht für das neubeſetzte Gebiet.
Für die Zivilperſonen iſt eine ſolche Gehorſamspflicht als
Ausnahme von der Geltung der deutſchen Geſetze in der Ver=
ordnung
des Generals Degoutte nicht vorgeſehen; daraus erklärt
ſich die unterſchiedliche Behandlung der privaten Zechenvertreter
und des Herrn Geheimrat Raiffeiſen, der ſich im übrigen als
Leiter der ſtaatlichen Zechen ſonſt in genau der gleichen Rechts=
lage
wie jene befand. Er hat den gleichen Befehl des Reuhs=
kohlenkommiſſars
wie die privaten Zechenbeſitzer erhalten, und
er hat in der gleichen würdigen Weiſe wie die privaten Beſitzer
und Zechendirektoren die Erfüllung des franzöſiſchen Befehls
in Widerſpruch zu den Geſetzen ſeines Landes verweigert.
Der damit vom Gericht eingenommene Standpunkt iſt ab=
ſolut
unhaltbar. Abgeſehen davon, daß die Verordnung des
Generals Degoutte überhaupt rechtsungültig iſt, kann dieſe Ver=
ordnung
doch niemals beſtehende Rechtsgrundſätze des Völker=
rechts
außer Kraft ſetzen. Es iſt anzuerkennen, daß der An=
klagevertreter
im Thyſſen=Prozeß ſich durchaus auf den Boden
des Haager Abkommens geſtellt hat und dieſes für Frankreich
als verbindlich anerkannt hat. Das erſte Haager Abkommen vom
Jahre 1899 iſt von Frankreich und Belgien unterzeichnet, die
Anklage ſelbft baut ſich darauf auf. Dieſes Abkommen beſtimmt
in Artikel 44: es iſt verboten, die Bevölkerung eines beſetzten
Gebietes zur Teilnahme an den Kriegsunternehmungen gegen
ihr eigenes Lans zu zwingen und bezüglich der Perſonalleiſtun=
gen
beſtimmt Artikel 52: ſie dürfen für die Bevökkerung nicht di=
Verpflichtung enthalten, an Kriegsunternehmungen gegen ihr
Vaterland teilzunehmen
Wenn man überhaupt die Haager Konvention anwenben
lpill, und Frankreich tut dies, um ſeine Maßnahmen zu rechtfer=
tigen
, ſo muß man ſie analog anwenden, und man kann nicht
einwenden, daß es ſich hier ja nicht um Kriegsmaßnahmen han=
dele
. Die Rechte des Okkupanten, der im Frieden eine rein wirt=
ſchaftliche
Beſetzung durchführt, deren militäriſcher Charakter ja
von Frankreich ausdrücklich geleugnet wird, müſſen geringer ſein
als die Nechte, welche der Okkupant im Krieg für ſich in Anſpruch
nehmen kann. Was im Kriege der Bevölkerung als Schutz für
ihre heiligſten Rechte und Güter zugebilligt iſt, muß auch als
Mindeſtgarantie für die Rechte der Ruhrbevölkerung gelten:.
Die franzöſiſchen Gerichte müſſen aber auch ihr Landesrecht
reſpektieren, und gerade im franzöſiſchen Strafrecht genießt der
Beamte, welcher auf Weiſung ſeiner vorgeſetzten Dienſtbehörde
handelt, einen beſonderen Schutz. Dies iſt an den ver=
ſchiedenſten
Stellen des Strafgeſetzbuchs zum Ausdruck gekom=
men
, ſo u. a. in Artikel 114, wo es in Abſatz 2 heißt: Wenn
der betreffende Beamte nachweiſt, daß er auf Befehle ſeiner Vor=
geſetzten
gehandelt hat, welchen er in der fraglichen Materie Ge=
horſam
ſchuldig war, iſt er ſtraflos.
Die unterſchiedliche Behandlung der Beamten und der Zivil=
bevölkerung
duich die franzöſiſche Militärbehörde iſt alſo nicht

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Runzuter 35.

Zeite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Februar 1923.

zu derſtehen. Das Umgekehrte hätte noch einen gewiſſen Sinn.
Denn wenn der einfache Staatsbürger ſeinem Lande und ſeinen
Geſetzen Gehorſom ſchuldig iſt, ſo iſt es doch der Beamte, der
feinem Staate den Treueid geleiſtet hat und der ſich in einer
miehrfachen Zwangslage befindet, erſt recht. Zunächſt befindet er
ſich in der allgemeinen moraliſchen Zwangslage jedes Bürgers,
dem Ehre und Gewiſſen verbieten, gegen ſein Vaterland zu hon=
deln
. Sodann in der beſonderen Zwangslage des Beamten, der
den Treueid geleiftet hat und nicht meineidig werden will. Dazu
kommt weiter, daß der Beamte Gefahr läuft, bei Zuwiderhand=
lung
gegen die Anordnungen des Reichskohlenkommiſſars nicht
nur mit Gefängnis beſtraft zu werden, ſondern auch diſzi=
dlinariſch
verfolgt zu werden und ſein Amt zu verlieren.
Schließlich komm; auch noch eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit
n Frage, die ihn bei Zuwiderhandlung gegen ſeine Amtspflicht
ſchadenerſatzpflichtig macht.
In würdiger, erhebender Weiſe hat Herr Geheimrat Raiff=
eiſen
in ſeinem Schlußwort vor dem Kriegsgericht dieſe klare
Rechtslage in die markigen Worte gekleidet: Dieſelbe
Difziplin, welche ich von den mir unterſtellten
Veamten verlange, verlange ich auch von mir
ſelbſt gegenüber meiner mir vorgeſetzten Be=
hörde
. Ich habe meinem Staate den Dienſteid
geſchworen, ich kann und will nicht meineidig
werden.
Ein Proteſt Deutſchlands.
Eine deutſche Note an Frankreich und Belgien.
Berlin, 3. Febr. (Wolff.) Die deutſche Regierung
beauftragte den Geſchäftsträger in Paris, auf die Note der
franzöſiſchen Regierung vom 31. Januar 1923 folgende
Antwort zu überreichen:
In ihrer Verbalnote vom 31. Januar 1923 hat die franzöſi=
ſche
Regierung die deutſche Regierung davon in Kenntnis geſetzt,
daß vom 1. Februar 1923 ab keine Verſendungvon Koh=
len
und Koks aus dem beſetzten Gebiet nach dem
übrigen Deutſchland mehr ſtattfinden wird; gleichzeitig
behielt ſich die franzöſiſche Regierung weitere Strafmaßnah=
men
vor. Die franzöſiſche Regierung erklärt, ſich auf 8 18, Anl. II.
Teil /III des Vertrages von Verſailles zu ſtützen. Sie verweiſt
auf das durch die Reparationskommiſſion feſtgeſtellte Gene=
ralverſäumnis
und bezieht ſich auf die entſprechende Mit=
teilung
der Reparationskommiſſion vom 26. Januar.
Die franzöſiſche Regierung erneuert hiernach den Verſuch,
die Verantwortlichkeiten zu vertauſchen indem
ſie die berechtigten Abwehrmaßnahmen Deutſchlands gegen den
rechtswidrigen Einbruch in das Ruhrgebiet als Anlaß für neue
Gewaltmaßnahmen bezeichnet. Die deutſche Regierung hat bereits
in ihrer Note vom 19. Januar die notwendige Antwort auf dieſen
Verſuch erteilt. In Wirkſichkeit liegt der Grund für den neuen
Gewaltakt in den für Frankreich unbefriedigenden Ergebniſſen
des erſten Unrechts, jener Ruhrbeſetzung, deren Erfolgloſigkeit
die franzöſiſche Regierung zu immer neuem Unrecht treibt. Durch
Verhinderung der Kohlenſendung aus dem Ruhrgebiet in das
übrige Deutſchland fügt Frankreich zu den bereits begangenen
Rechtsbrüchen einen weiteren hinzu. Die deutſche Regierung be=
ſtreitet
, daß die neuen Feſtſtellungen der Reparationskommiſſion
über angebliche Verſäumniſſe Deutſchlands begründet ſind.
Aber ſelbſt, wenn ſie ebenſo begründet wären, wie ſie unbegründet
ſind, ſo würden doch die §§ 17 und 18 Anlage II Teil VIII des
Vertrages von Verſailles für die von der franzöſiſchen Regierung
beſchlofſene Maßnahme ebenſowenig eine Rechtsgrundlage bil=
den
, wie dies hinſichtlich der früheren Feſtſtellungen der Repa=
rationskommiſſion
für den Einbruch ins Ruhrgebiet der Fall war.
Die deutſche Regierung verweiſt auf ihre Note vom 12. Januar,
in der nachgewieſen iſt, daß auf Grund der 85 17 und 18 nur
ſolche wirtſchaftlichen, finanziellen oder anderen gleichwertigen
Maßnahmen getroffen werden dürfen, die auf den Hoheitsgebie=
ten
der alliierten Staaten durchzuführen ſind, und daß ſolche
Maßnahmen nur von allen an den Reparationen beteiligten
Mächten gemeinſam ergriffen werden dürfen. Die von der fran=
zöſiſchen
Regierung angedrohten Maßnahmen ſtellten eine be=
ſonders
ſchwere Verletzung des Vertrages von Verſailles inſo=
fern
dar, als nach Artikel 251 dieſes Vertrages der notwendige
Bedarf Deutſchlands an Kohlen den Reparationsforde=
rungen
vorgeht und unter allen Umſtänden
ſichergeſtellt werden muß.
Die franzöſiſche Regierung behaudtet in ihrer Note vom
31. Januar, daß die Erregung unter den Beamten des Ruhr=
gebiets
und der Gebiete auf dem linken Rheinufer von der deut=
ſchen
Regierung geſchürt werde. Die deutſche Regierung weiß ſich
eins mit der Beamtenſchaft der betroffenen Gebiete, wenn ſie
erklärt, daß die Erregung der Beamtenſchaft ebenſo wie die der
Bevölkerung allein auf das völkerrechtswidrige
Vorgehen Frankreichs zurückzuführen iſt, und daß es
keines Anſporns der deutſchen Regierung bedurfte, um dieſe be=
rechtigte
und verſtändliche Erregung hervorzurufen. Die von der
franzöſiſchen Regierung mit Recht hervorgehobene Gefähr=
dungdes
Wirtſchaftslebens an der Ruhr beruht einzig
und allein auf dem rechtswidrigen und die Nuhrbevölkerung aufs
ſchwerſte ſchädigenden Verhalten der Okkupationsmächte.
Der Verſuch, das Ruhrgebiet durch Gewalt für die Kohlentrans=
porte
nach dem übrigen Deutſchland zu ſperren, kann nur den
weiteren Verfall der deutſchen Wirtſchaft zur
Folge haben, die von Frankreich angeblich angeſtrebte Sicherung
ſeiner Reparationsforderungen gefährden, und die Fähig=
keit
Deutſchlands zu Reparationsleiſtungen
ſchließlich zum Schaden aller Alliierten vernichten.
Gegen den Verſuch, ein friiedlich arbeitendes Volk durch die
Abſchneidung der lebensnotwendigen Kohlenzufuhr in Arbeits=
loſigkeit
und Elend zu ſtürzen, um es zur Anerkennung eines
Rechtsbruches zu zwingen, erhebt die deutſche Regierung hiermit
Proteſt.
Der deutſche Geſchäftsträger in Brüſſel iſt beauftragt,
der belgiſchen Regierung eine gleichlautende Note zu überreichen.
Die Kohlenverſorgung des unbeſetzten Gebietes.
Berlin, 4. Febr. Reichskohlenkommiſſar Stutz
erklärte einem Vertreter des B. T. über die Kohlenverſor=
gung
des unbeſetzten Deutſchland, eine Reihe von Ruhr=
gruben
bleibe außerhalb der franzöſiſchen Blockade=
linie
; deren Produktion werde alſo dem unbeſetzten Deutſch=
land
auch weiter zugute kommen. Für eine Vermehrung der
dem unbeſetzten Deutſchland zur Verfügung bleibenden Kohlen=
menge
käme Steigerung der Produktion in den unbeſetzten Ge=
bieten
und Einfuhr in Betracht. Die in Ausſicht genommenen
Ueberſchichten würden ein Ergebnis von nahezu einer hal=
ben
Million Tonnen pro Monat bringen. Die Einfuhr aus Oſt=
Oberſchleſien und der Tſchecho=Slowakei ſolle in dem bisherigen
Umfang aufrecht erhalten werden. Die Einfuhr aus dem Saar=
gebiet
ſei durch die Franzoſen abgeſchnitten; von der Einfuhr
aus England, die in den letzten Monaten infolge der Mark=
entwertung
geſunken ſei, erhoffe man bei umfangreichen Ankäu=
fen
eine baldige Steigerung. Die Abſchnürung des Ruhr=
reviers
werde bald eine außerordentliche Stockung der Förderung
und eine ſolche Verſtopfung des Verkehrs zeitigen, wie ſie noch
nicht dageweſen ſei. Frankreichs Erfolg bei der Ruhrbeſetzung
beſtehe darin, daß Frankreich in ganzen drei Wochen
noch nicht ſoviel Kohle erhalten habe, wie ſonſt
an einem halben Tage nach Frankreich geliefer
worden ſei.

Kundgebung aller deutſchen Gewerk=
ſchaften
an die amerikaniſchen Parlamente.
TU. Berlin, 4. Febr. Am 1. Februar traten Vertreter
des Allgemeinen Deutſchen Gewerkſchaftsbundes, des Deutſchen
Gewerkſchaftsbundes chriſtlicher Gewerkſchaften, des Gewerk=
ſchaftsringes
Hirſch=Duncker und des Allgemeinen Freien Ange=
ſtelltenbundes
zuſammen, um zu der augenblicklichen Lage und
den für die nächſte Zukunft drohenden Gefahren Stellung zu neh=
men
. Sie beſchloſſen, folgende Kundgebung ſofort ergehen
zu laſſen an den Senat und das Repräſentantenhaus der Ver=
einigten
Staaten in Waſhington:
Die unterzeichneten Gewerkſchaftsverbände, die 12 Millio=
nen
Mitglieder vertreten, mit ihren Angehörigen alſo mehr als
die Hälfte der geſamten deutſchen Bevölkerung, erklären erneut,
daß ſie, geſtützt auf Amerikas poſitives Verſprechen, völlige Ge=
rechtigkeit
walten zu laſſen, Deutſchland von der Autokratie zur
Demokratie geführt, ſich dem Gebot völliger Entwaffnung gefügt
haben. Der Deutſche liebt die friedliche Arbeit, aber er wider=
ſetzt
ſich ebenſoſehr der Abſicht, ihn für unbegrenzte Zeiten zum
Sklaven zu machen oder gar die kommenden Geſchlechter ſeines
Volkes einem Syſtem wirtſchaftlicher Knechtſchaft auszuliefern.
Die Beſetzung des Ruhrgebietes und der Verſailler Vertrag be=
dingen
jedoch ſolche Sklaverei, zerſtören die deutſche und die euro=
päiſche
Wirtſchaft und bedrohen zunächſt Millionen Deutſcher
mit Arbeitsloſigkeit. Eine unparteiſche, jedoch genügend bevoll=
mächtigte
Unterſuchungskommiſſion wird dies feſtſtellen können,
außerdem aber noch, daß jetzt mitten im Frieden Männer und
Frauen, alte und junge verhaftet und aus ihrer Heimat ausge=
wieſen
werden, nur weil ſie ſich weigern, zu Verrätern an ihrem
Vaterland zu werden. Wir ſind bereits zu einem Volk herab=
gedrückt
worden, das hungert, deſſen Säuglinge in Papier ſtatt
in Leinenwindeln gewickelt werden, deſſen Frauen und Kinder
körperlich verelenden und verkommen. Dieſer Appell ſoll kein
Verſuch ſein, Amerika zu bewegen, eine beſtimmte Haltung zu=
gunſten
der einen einen oder der anderen ſich gegenüberſtehenden
Parteien einzunehmen. Es ſoll ſein ein Appell an das traditio=
nelle
amerikaniſche Ehrgefühl und an ſeinen Sinn für fair plav.
Wir ſind feſt davon überzeugt, daß Amerika nicht in den Krieg
eingetreten iſt, um das deutſche Volk zu vernichten. Der ameri=
kaniſche
Ehrenſtandpunkt, wenn er auch jetzt feſt behauptet wird,
kann die Welt retten von ſonſt unvermeidlichem Unglück.
Erklärungen des Regierungspräſidenten Grützner.
TU. Eſſen, 4. Febr. Regierungspräſident Grützner aus
Düſſeldorf hatte geſtern ſowohl die deutſche wie die ausländiſche
Preſſe zu einer Beſprechung nach dem Rathaus geladen. Der
Regierungspräſident gab zunächſt ein Bild über die gegenwärtige
Ernährungs= und Verkehrslage im Ruhrgebiet. Immer wieder,
ſo erklärte er, werden trotz des Verbotes der Generale Requi=
ſitionen
von den Truppen vorgenommen, was natürlich im
Ruhrgebiet von den ſchwerſten Folgen für die Ernährungslage
ſein kann. Geſtern mußten, wie aus Vohwinkel gemeldet wird,
dort 350 Mann Infanterie und Dragoner untergebracht werden.
Die Truppen haben dort gewaltſam reguiriert, und
zwar wurde Mehl, das nur in rationierter Form abgegeben
wird, von den Truppen, als der Verkauf verweigert wurde, ein=
fach
weggenommen. Die Lebensmittelverſor=
gung
wird aber auch durch die Verkehrslage neuerdings
erſchwert. Die Verſorgung mit Milch z. B. in Düſ=
ſeldorf
iſt kataſtrophal. Der dortige Landrat meldet, daß für
Säuglinge überhaupt keine Milch zu bekommen iſt. Regierungs=
präſident
Grützner teilte dann mit, daß die Beſatzungsbehörde
beabſichtige, zum Verladen der Kohlen, wozu ſich kein deutſcher
Arbeiter bereitfinde, Arbeiterkommandos, die im Aus=
lande
angeworben ſind, hier im Kohlengebiet zu verwenden.
Eine derartige Maßnahme würde ſchon aus dem Grunde eine
ſchwere Belaſtung der Bevölkerung des Einbruchgebietes ſein,
weil dieſe angeworbenen Arbeiter wieder einquartiert werden
müßten und die ſchon kataſtrophale Wohnungsnot vergrößern
würde. Auf eine Anfrage teilte der Regierungspräſident mit,
daß bisher 150 Beamte mit ihren Familienangehörigen, zuſam=
men
etwa 600 Perſonen, aus dem Ruhrgebiet ausgewieſen wor=
den
ſind.
Die Franzoſen ſperrten geſtern auch die Kohlenzüge
nach denneutralen Ländern. Vier Züge mit Vertrags=
kohle
nach der Schweiz wurden von ihnen in Dortmund angehal=
ten
. In Weſel wurde ein Kohlenzug mit etwa 45 Wagen, der
für Holland beſtimmt war, von den Franzoſen nicht durchgelaſſen.
Der Zug mußte wieder zurückgeleitet werden. In Dorſten iſt
der erſte Kohlenzug beſchlagnahmt worden. Seit geſtern werden
fämtliche nach Holland gehende Kohlenzüge beſchlagnahmt.
Auslandsſpenden für die Ruhrhilfe.
Berlin, 3. Febr. (Wolff.) Dem Reichspräſidenten wur=
den
von der norwegiſchen Firma Allan u. Co. in Kri=
ſtiania
500 000 Mark für die Armen im Ruhrgebiet und von
einem Deutſchen in Norwegen zur Linderung der Not in Deutſch=
land
als weitere Rate 290 norwegiſche Kronen überwieſen.
Eine Samlung des Vorarlberger Tagblatts für
den gleichen Zweck ergab vorläuſig 3 300000 Kronen und 3000
Mark, davon 1 Million Kronen allein vom Deutſchen Frauen=
verein
in Bregenz. Auch die deutſche Kolonie in Baſel und
der Verband deutſcher Vereine in Zürich haben Sammlungen
eingeleitet.
Fortdauer des Streiks.
Koblenz, 4. Febr. (Wolff.) Als die Eiſenbahner
erfuhren, daß die Arbeit unter der Bedingung wieder aufgenom=
men
werden ſollte, daß das franzöſiſche und belgiſche
Eiſenbahnperſonal auf den Bahnhöfen bleibe, bemächtigte
ſich ihrer eine ungeheuere Erregung. Einmütig erklärten
ſie, daß ſie die Arbeit nicht eher wieder aufnehmen würden, als
bis die Franzoſen und Belgier vollkommen aus den Betrieben
herausgenommen worden ſeien. Der Streik geht heute noch
weiter.
Keine Eiſenbahnerentlaſſungen.
Berlin, 3. Febr. In der in Hamburg ſtattfindenden
Generalverſammlung des Deutſchen Eiſenbahnerver=
bandes
wurde nach einer Meldung der Voſſiſchen Zeitung mit=
geteilt
, daß infolge des Eingreifens der Organiſation die von den
maßgebenden Stellen geplanten Entlaſſungen von Eiſenbahnern
in Anbetracht der augenblicklichen wirtſchaftlichen Verhältniſſe
von den Behörden vorläufig zurückgezogen worden ſind.
Zwiſchenfall im badiſchen Landtag.
Berlin, 4. Febr. Die Anweſenheit zweier Mitglieder einer
Ententekommiſſion in einer Sitzung des badiſchen
Landtags rief einen Zwiſchenfall hervor. Die volks=
parteiliche
Abgeordnete Weber beſtritt den diplomatiſchen Cha=
rakter
der Kommiſſion, auf Grund deſſen das Präſidium den bei=
den
Ententevertretern Eintrittskarten zur Verfügung geſtellt
hatte. Die Deutſchnationalen, die Mitglieder des Landbundes
ſowie mehrere Abgeordnete der Volkspartei verließen den Saal.
Franzöſiſche Kultur
Koblenz, 4. Febr. (Wolff.) Die Franzoſen haben
in der Eiſenbahnbetriebswerkſtätte des Koblenzer Hauptbahn=
hofs
fürchterlich gehauſt. Alle Kiſten und fonſtigen Be=
hältniſſe
der Eiſenbahner wurden mit Gewalt erbrochen
die Kleider der Beamten herausgeriſſen und in den Dreck getre=
ten
, die Stiefelmit Kohle gefüllt und angezündet,
die Werkzeuge hinausgeſvorfen, die Geſchäftsbücher zerriſſen,
das Bettzeug zerſchnitten und die Oelbehälter zum
Auslaufen gebracht. Der ganze Raum iſt vollſtändig mit Kot
beſchmutzt. Die Lokomotiven ſtehen ohne Feuerung und
ſind zum Teil für lange Wochen unbrguchbar gemacht. Der
Schaden geht in die Millionen.

Deutſchland und die Reparationskommiſſion.
Der Wortlaut der deutſchen Note.
Paris, 3. Febr. (Wolff.) Der Reparationskommiſſion
wurde auf die Note vom 26. Januar, die unter Feſtſtellung des
General=Manquements die Anträge der deutſchen Regierung
vom 14. Nobember als gegenſtandslos bezeichnet und den Lon=
doner
Zahlungsplan wieder in Kraft ſetzt, nachſtehende Andort=
note
übergeben:
Die Reparationskommiſſion ſtellte wegen der Einſtellung der
Reparationsleiſtungen an Frankreich und Belgien die allgemeine
Verfehlung Deutſchlands gegenüber dieſen beiden Staaten im
Sinne des § 17 Anhang 2 und Teil 8 des Vertrages von Ver=
ſailles
feſt. Zugleich erklärte ſie, daß mit der Einſtellung der
Leiſtungen an Frankreich und Belgien der Antrag der deutſchen
Regierung vom 14. November hinfällig geworden ſei und daß
daher alle Beſtimmungen des Zahlungsplanes vom 5. Mai 1921
in Kraft blieben. Die deutſche Regierung ſtellte, wie ſich aus
ihrer Note vom 31. Januar ergibt, die Leiſtungen an Frankreich
und Belgien lediglich wegen des vertragswidrigen Einmarſches
dieſer beiden Mächte in das Ruhrgebiet ein, und zwar lediglich
für die Dauer des dadurch geſchaffenen vertragswidrigen Zu=
ſtandes
und ſeiner Folgen. Sie machte damit von dem unzweifel=
haften
Rechte G=brauch, und von einer Verfehlung im Sinne
des § 17 kann nicht geſprochen werden. Die deutſche Regierung
legt deshalb gegen die Feſtſtellung einer ſolchen Verfehlung Ver=
wahrung
ein. Ebenſo muß die deutſche Regierung der Annahme
widerſprechen, daß nunmehr ihr Antrag auf Gewährung eines
Zahlungsaufſchubs hinfällig geworden ſei. Die Reparations=
kommiſſion
ſelbſt ſtellte in einer Entſcheidung vom 21. März feſt,
daß die finanzielle Lage Deutſchlands der deutſchen Regierung
nicht ermöglichte, die Verpflichtungen für 1922 aus dem Zah=
lungsplan
vom 5. Mai 1921 vollſtändig zu erfüllen. Die Repa=
rationskommiſion
erkannte ferner in einer Entſcheidung vom
31. Auguſt ausdrücklich an, daß das Reich jeden inneren und
äußeren Kredit verloren habe. Die Reparationskommiſſion
faßte daher eine Ermäßigung der äußeren Laſten Deutſchlands
ins Auge. Sodanm erkannten die alliierten Hauptmächte in
ihrer Pariſer Konferenz vom 2. Januar die vorgelegten Pläne
über die gegenwärtige Zahlungsunfähigkeit Deutſchlands über=
einſtimmend
dadurch an, daß ſie außer der Herabſetzung der Ge=
ſamtverpflichtungen
Deutſchlands aus dem Zahlungsplan vom
5. Mai 1921 einen ſofortigen Zahlungsaufſchub für mehrere
Jahre vorſahen. Inzwiſchen verſchlechterte ſich infolge der Be=
ſetzung
des Ruhrgebiets die finanzielle und wirtſchaftliche Lage
Deutſchlands noch weiter. Die Mark ſank auf ein Zehntauſend=
ſtel
ihres Friedenswertes. Wenn jetzt die Reparationskommiſ=
ſion
auf den Londoner Zahlungsplan zurückgreift, ſo muß die
deutſche Regierung darin einen Widerſpruch zu der bisherigen
Stellungnahme ſowohl der Reparationskommiſſion wie der alli=
ierten
Hauptmächte erblicken. Ueberdies ſetzt ſich die Repara=
tionskommiſſion
damit auch über die Beſtimmungen des Ver=
trages
von Verſailles hinweg, die das Ausmaß der Reparations=
verpflichtungen
Deutſchlands von ſeiner Leiſtungsfähigkeit ab=
hängig
machen und ſeinen notwendigen Lebensbedürfniſſen den
Vorrang vor den Reparationsverpflichtungen geben. Nach dem
Einbruch in das Ruhrgebiet und nach dem Beginn der wirt=
ſchaftlichen
und finanziellen Abſonderung der linksrheiniſchen
Gebiete und des Ruhrgebiets von dem übrigen deutſchen Wirt=
ſchaftskörper
iſt die deutſche Regierung noch weniger als zuvor
imſtande, den Londoner Zahlungsplan zu erfüllen. Sie kann
in der Entſcheidung der Reparationskommiſſion vom 26. Januar
keine ſachliche Beantwortung ihrer Note vom 14. November er=
blicken
und ſiehr der Nachprüfung der deutſchen Leiſtungsfähigkeit
nach Art. 234 des Vertrages von Verſailles entgegen.
Anmerkung des W. T. B.: Die Pariſer Preſſe will, offenbar
auf ein ihr gegebenes Stichwort hin, in der Note ein verſchleier=
tes
Verhandlungsangebot Deutſchlands gegenüber Frankreich
ſehen. Sie glaubt, daß die plötzliche Bereitſchaft der deutſchen
Regierung, mit der franzöſiſchen Regierung zu verhandeln, durch
die Abſperrung des Ruhrgebiets herbeigeführt worden iſt. Der
Wortlaut der deutſchen Andwort beweiſt, daß die franzöſiſche
Auslegung falſch iſt. Uebrigens muß hervorgehoben werden,
daß die Antwort der deutſchen Regierung an die Reparations=
kommiſſion
und nicht an die franzöſiſche Regierung gerichtet iſt.
Die Reparationskommiſſion ſtellt eine Geſamtvertretung der alli=
ierten
Mächte dar, und es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die regelmäßi=
gen
Verhandlungen mit ihr, die niemals unterbrochen waren,
weitergeführt werden müſſen,
Der Pfandwert der Ruhrinduſtrie.
In einer Unterredung, die Herr Poincaré einer Anzahl ame=
rikaniſcher
Journaliſten gewährte, betonte er ausdrücklich: Was
auch kommen mag, wir dürfen keinesfalls das Pfand, das wir
im deutſchen Ruhrgebiet jetzt beſitzen, preisgeben. Der Gedanke,
das Ruhrgebiet ebenſo wie den Rhein als Pfand für die Er=
füllung
der franzöſiſchen Anſprüche zu betrachten, ſtammt vom
Vorſitzenden der Finanzkommiſſion der franzöſiſchen Deputierten=
kammer
, Adrien Dariac, der die Grundlagen und Ziele ſeiner
Pfänderpolitik in einem im Rheiniſchen Beobachter dan=
kenswerterweiſe
zum erſten Male in deutſcher Sprache mitgeteil=
ten
Geheimbericht ausführlich darlegte. Dieſer Bericht
bringt in ſeinem erſten Teil, rein ſachlich genommen, dem deut=
ſchen
Leſer kaum neues. Er enthält zunachſt ein reichhaltiges
ſtatiſtiſches Material, vorzugsweiſe die bekannten Ziffern über
Kohle=, Erz=, Farbſtoff= und andere Produktionen des Ruhr=
gebietes
. Intereſſant und wichtig für die Beurteilung der augen=
blicklichen
Lage wird ſodann das Eingeſtändnis des franzöſiſchen
Fachmannes, daß die Zahlen der geſamten franzöſiſchen Produk=
tion
vor dem Kriege auch nicht von fern verglichen werden kön=
nen
mit den Wirtſchaftserträgniſſen des Ruhrgebietes, obwohl
deſſen Ausdehnung nicht einmal der eines kleinen franzöſiſchen
Departements gleichkommt.
Anſchließend an dieſe für die franzöſiſche Wirtſchaft gewiß
nicht ſchmeichelhafte Bemerkung ſtellt Dariac nun eine Betrach=
tung
darüber an, inwieweit es ſich ermöglichen ließe, eine Nutz=
barmachung
der Ruhr durch eine freundſchaftliche Zuſammen=
arbeit
zwiſchen Frankreich und den Alliierten einerſeits und
Deutſchland andererſeits herbeizuführen. Daß in der Tat eine
Art Intereſſengemeinſchaft zwiſchen franzöſiſchem Erz und deut=
ſcher
Kohle von ſeiten der franzöſiſchen Schwerinduſtrie ange=
ſtrebt
wurde, beweiſen einige noch in den letzten Tagen an deut=
ſchs
Konzerne ergangenen Angebote, und man wird wohl nicht
fehlgehen in der Annahme, daß man unter dem Schutz der
Bajonette und mit dem Revolver in der Hand auch heute noch
das Zuſtandekommen einer derartigen freundſchaftlichen Zu=
ſammenarbeit
ſucht. Dariaes Schlußfolgerung, daß die frau=
zöſiſche
Eiſeninduſtrie ohne deutſche Kohle nicht leben kann, hat
ſich bereits in vollem Umfange beſtätigt. Im franzöſiſch= loth=
ringiſchen
Erzgebiet mußten bereits zahlreiche Hochöfen wegell
Mangels an Nuhrkohle ausgeblaſen werden.
Daß unſere Induftrie aller Schwierigkeiten zum Trotz neil
Grundlagen und Mittel gefunden hat, ſich wieder zu beleben, iſt
Darige ein beſonderer Dorn im Auge. Kann Frankreich, 10
fragt er in bezeichnendem Peſſimismus, den Austauſch des deul=
ſchen
Kokſes und des franzöſiſchen Erzes für eine gemeinſchafl=
liche
Ausbeute ins Auge faſſen, indem es die Grundlage für eine
wahrhafte induſtrielle Aſſoziierung anbietet? Wir können bbit
Deutſchland nicht verlangen, daß es während 35 Jahren unge‟
heuere Summen an uns bezahlt, während wir auf der anderen
Seite Angſt haben, daß ſeine Induſtrie ſich in einem Maße enl=
wickele
, welche ihm die Zahlung der unterſchriebenen Schulden
geſtattete. Der Sinn der in vieler Hinſicht für uns heute ſehr
lehrreichen Betrachtungen des Herrn Adrien Darige gipfelt in
der Theſe: Unter den gegenwärtigen Verhältniſſen können wir
Deutſchlands Lebensnerv zerſtören oder ihn unſerer Kontrolle
unterſtellen. Was bisher aus dem franzöſiſchen Ruhrabenteuer
herausgekommen iſt, ſpricht jedenfalls nicht für eine Verwirt=
lichung
der Darigeſchen Pläne und Wünſche.

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 5. Februnt 1923.

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Rummer 35.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 5. Februar.
Ruhrhilfe.
Aufruf des Landeskartells Heſſen des D.B.B. und des Heſſiſchen
Beamtenbundes.
Die tiefe Not und Bedrängnis, in die Volk und Vaterland durch
feindliche Willkür und Eewalr gevaten ſind, muß in der Beämtenfchaft
den geſchloſſenen und einmütigen Willen zu ſtarker, hel=
fender
Tat auslöſen. Wo deutſche Brüder ob ihrer Treue zum
Vaterlande und ob ihrer unentwegten Pflichterfüllung gegemüber den
Anordnungen der Reichsregierung Schaden und Nachteil erlitten haben,
da muß ſich ohne jegliches Befinnen die rettende Bruderhand ausſtrecken,
da muß der Geſchädigte tröftlich den warmen Herzſchlag aller übrigen
Volksgenoſſen verſpüren. Nuv tiefſte innere Gemeinſchaft gibt in dieſen
Tagen des nationalen Elends die wahre Kraft zu erfolgreichem Wider=
ſtande
und feſtem Durchhalten. Eme Beamtenſchaft, die ſich mit Recht
aIs das Rückgrat eines geordneten Staatslveſens fühlt, weiß genau, wie=
viel
heute gerade von ihrer Haltung abhängt. Das hat ſie im beſetzten
und im vergewaltigten Gebiet in gemeinſamer Front mit der Arbeiter=
chaft
und den übriyen Bevölkerungskreiſon in verbildlicher Weiſe be=
wieſen
. Nun gilt es für die Beamtenſchaft des unbeſetzten Gebictes,
mit tatkräftiger Hilfe einzuſpringen. Bereitwilligkeit hierzu und Opfer=
ſinn
haben ſich ſchon in dieſen Tagen in hervorragender Weiſe kund=
getan
. Jetzt aber handelt es ſich darum, die Hilfe planmäßig zu geſtal=
ten
und auszubauen. Deshalb ſei folgende Aufklärung gegeben: es
handelt ſich für die Beamtenſchaft um zweierlei: Einmal iſt die Orga=
niſationsſpende
dringend vonnöten. Dieſe Scumnlung ſoll
umalig fein und von den Oxtskartellen vorgenommen werden, die durch
ſtundſchreiben genaue Anweiſung erhalten haben. Das Ergebnis kommt
inmittelbar den betroffenen Beamten zugute. Für die
weckmäßigſte Verwendung zu rechter Zeit und am rechten Orte iſt
ſeſtens Vorſorge getroffen. Zum anderen ſoll die Volksſpende,
ſuhrhilfe, der allgemeinen Hilfe dienem. Sie muß ſeitens der
Heamtenſchaft in einem laufenden Beitrag beſtehen, der monatlich
bgeliefert würd. Wenn dieſe Spende wirkſam ſein ſoll, ſo muß ein
eſtimmter Bruchteil des Gehalts geopfert werden, deſſen Höhe natürlich
edem freigeſtellt iſt. In Thüringen gibt die Beamtenſchaft 3 Prozent
es jeweiligen Monatseinkommens. Gewiſſe Beqmtenorganiſationen
aben ſich dieſem Satz ſchon angeſchloſſen. Der Ertrag dieſe laufen=
en
Spende iſt durch die Fachverbände einzuſammein und an die
gatliche Heſſiſche Sammelſtelle abzuliefern, die vegierungsſeitig in den
ächſten Tagen als zuſtändig bezeichmet werden Güirfte.
Für ſämtliche Reichs=, Gemeinde= und Landesbeamten, die im Lan=
estartell
Heſſen des Deutſchen Beamtenbundes und im Heſſiſchen Be=
mtenkarbell
organiſiert ſind: Im Auftrage der Vorſtände: Die Preſſe=
ertretung
; Karl Schäfer.
(Alle heſſiſchen Zeitungen werben dringend um Nachdruck gebeten!)

Die Sätze der Gebühtenordnung für die heſſiſchen Hebammen
vm 9. Auguſt 1922 werden ab 1. vor. Mts. rüickwirkend um 800 v.H.,
ie Weggebühren um 500 v.H. erhöht.
Die vereinigte Sozialdemokratiſche Partei veranſtaltete am Sonn=
ig
vormittag im Städtiſchen Saalbau eine Proteſtverſamm=
ung
gegen das Urteil im Fechenbach=Prozeß. Im Laufe der Ver=
mmlung
wurde folgende Entſchließung angenonpnen: Die heute
n Städtiſchen Saalbau aus alſen Kreiſen der Darmſtädter Bevölkerung
1t beſuchte Voltsberſammlung proteſtiert nach Anhören ihres Referen=
n
Rechtsanwalt Kann aus Frankfurt mit aller Entſchiedemheit gegen
is ungeheuerliche Urteil, das vom Bayeriſchen Volksgericht gegen den
yrheitsſozialiſtiſchen Schriftſteller Fechenbach gefällt wvorden iſt. Die
eiſammlung betracktet es als eine Schmach der deutſchen Juſtiz im
uslande, wenn ein Urteil, wie gegen Fechenßach, gerade jetzt in ernſter
tunde im deutſchen Volke möglich war. Die Verſanelten fordern
Reichsvegierung auf, endlich dazu überzugehen, alle diejenigen, die
einer Zeit, in der der Feind in unſeren Landen ſteht, verfuchen wol=
u
, die deutſche Republik zu gefährden, unmöglich zu wachen. Die
inde der Republik gehören hinter Schloß und Riegel, und Leute wig
Genbach gehören für die Rebublik dienſtbar gemacht zu werden, wozu
e ſofortige Freilafſung Fechenbachs gefordert wwird.
Oeffentlicher Vortrag. Es ſei an dieſer Stelle nochmals auf den
n Mittzogcß, den 7. Februar, abends 8 Uhr, im Städtiſchen Scalbau
tttfindenden öffentlichen Lichtbildervortag über ſparſame
järmewirtſchaft, im Haushalt, durch Frau Dr. Klara Freiſt
s Eiſenach, hingelvieſen. Die Stadtverwaltung hat dieſen Vortrag
ſichtlich in dia Abendſtunden gelegt, um auch der werktätigen Bevölke=
ng
Gelegenheit zu geben, ihn zu beſuchen. Insbeſondere werden die
msfrauenbereine, ſowie die gewerblichen Verufsverbände zur Teil=
ihms
an dieſem Vortrag aufgefordert.
Oſtprenßen! Ziecks Gründung eines Heimatbundes werden
hier wohnenden Oſtpreußen gebeten, ſich am Donnerstag abend im
deſſiſchen Hof einzufinden. (Näh. ſ. Anz.)
Orpheuz. Heute, Montag, 5. Februar, letztes und drittes En=
mble
=Gaſtſpiel von Mitgliedern des Frankfurter Neuen Theaters und
8 Schauſpielhauſes: Der kühne Schwimmer, Luſtſpiel in
ei Akten. (Siehe Anzeige.)

Aus den Parteien.
Eſchollbrücken. Hier ſprach am Mittwoch abend Poſtſekretär
Süß=Darmſtaht über das Ruhrgebiet und die Bedeutung ſeiner Induſtrie
für das ganze Wirtſchaftsleben Deutſchlands. An Hand einer großen
Anzahl von prächtigen Lichtbildern führte er die gewaltige Induſtrie
des Ruhrgebiets vor Augen. Allgemein war der Wunſch, recht bald
wieder einen ähnlichen Lichtbildervortrag zu erleben.
Reichelsheim (Odenw.). Unſere Ortsgruppe des Volksbundes
für deutſche Kriegsgräberfürſorge veranſtaltete einen Lichtbildervortrag
mit Pfarrer von der Au, dem 1. Vorſitzenden, als Redner, um die
praktiſchen Erfolge der ſchönen Arbeit des Volksbundes einmal klar
vor Augen zu führen. Der Saal des Gaſthauſes Zum goldenen Engel,
war überfüllt, und voller Spannung lauſchte man den Ausführungen
des Redners, der an Hand der Bilder von allen Kriegsſchauplätzen er=
läuterte
, was bereits geſchehen iſt und was noch zu tun übrig bleibt.
Paxteigeſchäftsführer Süß=Darmſtadt, der ſich zufällig in Reichelsheim
aufhielt, übernahm es dann, an Hand einer Anzahl von Lichtbildern
die Anweſenden mit ſeiner engeren Heimar, dem Ruhrgebiet, und deſſen
gewaltiger Induſtrie näher bekannt zu machen. Eine eingeleitete
Sammlung, der eine Hausſammlung für Naturalien folgen ſoll, ergab
eine Summe von 8000 Mark.
O Viernheim, 1. Febr. Die Gemeinde kaufte das Gaſthaus Zum
Schwanen für 4,6 Millionen Mark zwecks Umbaues von Wohnungen.
-0- Groß=Gerau, 2. Febr. Die Rheinlandkommiſſion
hat hier die bekaunten Filme von der Skagerakſchlacht und vom Frem=
denlegionär
Kirſch verboten. Vorläufig dürfen überhaupt keine Kino=
vorführungen
ſtattfinden.
* Worms, 2. Febr. Eine nachahmen swerte Einrich=
tung
wurde hier geſchaffen. Es handelt ſich um eine Gemeinſchafts=
küche
, zu der ſich bereits 70 Teilnehmer gemeldet haben. Das Mittag=
eſſen
ſtellt ſich auf 450 Mk., im Abonnement auf 400 Mk. Die Preiſe
werden jeweils für 10 Tage feſtgeſetzt. Der angegebenie Preis gilt bis
10. Februar.
ot. Langsdorf (Oberheſſen), 1. Febr. Der Gemeinderat hat in
ſeiner letzten Sitzung beſchloſſen, 100 000 Mark aus der Gemeindekaſſe der
Ruhrhilfe zur Verfügung zu ſtellen. In Zell hat eine Zigeunerin
aus dem Schulhauſe die Geige des Lehrers geſtohlen.

Spiel, Sport und Turnen.
Hockeh.
Turngeſellſchaft Mannheim I.Darmſtädter
Hocehklub I. 2:3 (2:0). Zum fälligen Rückſpiel weilte die erſte
Mannſchaft der D.H.Kl. in Mannheim. Leider war ſie gezwungen,
mit zlvei Erſatzleuten und nur zehn Mann anzutreten. Mannheim,
komplett, zeigte ein weit beſſeres Spiel als in Darmſtadt und konnte bis
zur Halbzeit 2 Tore erzielen. D.H.Kl. konnte ſich mit dem ungewohn=
ten
glatten Platz lange nicht zurechtfimden. Der Sturm, in ungewohnter
Aufſtellung, kam gegen die energiſche Mannheimer Verteidigung nicht
auf. Erſt nach zirka 25 Minuten kam die Mannſchaft in Schwung.
Zwei eintvandfreie Tore von Ziegler und Kemmer werden vom Schieds=
richter
nicht gegeben. Mir 2:0 für Mannheim gehts in die Pauſe.
Nach Seitenwechſel zunächſt verteiltes Spiel. Dann wird Darm=
ſtadt
überlegen. Der fehlende Mann im Sturm iſt jedoch ein großer
Nachteil, und lange Zeit weiß der vorzügliche Monnheimer Torvächter
im Verein mit der Verteidigung ſein Tor rein zu halten. Vier Schiſſe
nacheinander hält er glänzend, doch gelingt es Deutſch durch ſchnelles
Nachſetzen, den letzten abgewehrten Ball einzudrücken. Nach einer Reihe
ſchEner Angrifffe verivandelt Deutſch ein Flanke von links zum zweiten
Tor (2: 2). Beide Parteien gehen jetzt mächtig ins Zeug, doch ſind die
Angriffe des M. T. G.=Sptrmes zu planlos, um gegen die ſichere Darm=
ſtädter
Verieidiguung von Erfolg zu ſein. Der M. T.G.=Torwart hält
noch derſchiedene ſcharfe Schüſſe. D.H.Kl. drückt ſtark, und wieder iſt
es Deutſch, der aus ſchwieriger Stellung aas ſiegbringende Tor erzielen
konn. Noch einige Angriffe Darmſtadts, Ern Schuß Häußlers hält der
Torwächter gut, dann iſt Schluß.
M. T. G. hat ſich bebeutend verbeſſert und bak in Torwächter, linken
Verteidiger und Mittelläufer ſehr gute Spieler. Der Sturm war ſchnell
und ſtockſicher, aber ohne Zuſammenhang. Beim D.H.Kl. arbeitet die
Verteidigung: Zimmernann, Wißmann II, in gewohnt guter Manier,
beſonders Wißmtann II war in der zweiten Hälfte hervorvagend. Wiß=
mann
I im Tor bekam wenig zu tun. Er brachte die Bälle gut
weß; an den Toren trifft ihn keine Schuld. Die Läuferreihe: Finger,
(ärtner, Kreuzer, bok Vorzügliches und hielt in der zweiten Hälfte den
Gegner gut im Schach. Die vier Männer harten in ungewohnter Auf=
ſtellung
einen ſchweren Stand. Erſt in der letzten lben Srunde konn=
ten
ſie in ausgeprägtem Kombinationsſpiel den harten Widerſtond des
Gegners brechen.

Pr. Der S. S. Möwe‟=Darmſtadt E. V. empfing am
vergangenen Samstag, den 3. Februar, den S. S. Heſſen=Worms
zu einem internen Vereinswettkampf, der während des Uebungsabends
des S. S. Möwe‟=Darmſtadt im hieſigen Städtiſchen Hallenſchwimm=
bad
ausgetragen wurde. Der Vorſitzende des S. S. Möwe‟=Darmſtadt
begrüßte in kurzen Worten die Woumſer Schwimmkameraden und dankte
ihnen noch ganz beſonders für ihr Erſcheinen, das infolge der Stillegung
der Eiſenbahn im beſetzten Gebiet mit mancherlei Schwierigkeiten ver=
bunden
war. Die Wewtkämpfe des Abends eröffnete eine Herven= Lagen=
ſtaffel
, 4mal2 Bahnen, die S. S. Möwe‟=Dgrmſtadt für ſich entſcheiden

Seite 3.
konnte. Das nächſte Rennen, die Herren=Bruſtſtafel, 6mal2 Bahnen,
war der aufregendſte Kampf des Abends und endete als totes Rennen.
Wegen eines Formfehlers bei Möwe‟=Darmſtadt mußte der Sieg
S. S. Heſſen=Worms zugeſprochen werden. In raſcher Folge ſchloſſen
ſich weiter an: Streckentauchen, Sieger: Treuſch (Heſſen=Worms);
Jugend=Lagenſtaffel, 4mal2 Bahnen, Sieger Heſſen=Worms, und Her=
ren
=Staffel, 6mal2 Bahnen beliebig, Sieger Möwe‟=Darmſtadt. Wegen
der Kürze der zur Verfügung ſtehenden Zeit mußte auf Austragung
von Einzelrennen und Springwettkämpfen verzichtet wenden, ſo daß nur
noch zwei Waſſerballſpiele folgten, die beide S. S. Möwe‟=Darmſtadt
gewinnen konnte, und zwar: Heſſen=Worms II.Möwe‟=Darmſtadt
II. 2:3 (Halbzeit 1:1) und Heſſen=Worms I.Möwe‟= Darm=
ſtadt
I. 0:5 (Halbzeit 0:1). Nach vorſtehenden Ergebniſſen bann der
S. S. Möwe‟=Darmſtadt mit ſeinem erſten ſportlichen Wettkampf recht
zfurieden ſein, mußte er ſich doch den größten Teil ſeiner Schwinmen
in den wenigen Monaten ſeit ſeiner Gründung erſt heranbilden, da ſie
borher der Schwimmſportbewegung vollkonomen fernſtanden. Wegen
ſeines großen ſchwimmeriſchen Werbes ſoll das Waſſerballſpiel bei dem
Schwimmſportverei Möwe‟=Darmſtadt im Sommst, wenn die
Schwimmbahn im Woog wieder zur Verfügung ſteht, beſonders gepflegt
werden. Um die Mitglieder ſchon jetzt darauf vorzubereiten, wird in
der nächſten Monatsverſamnlung, Dienstag abend halb 8 Uhr, der
Anfang mit Vorträgen über Regeln und Technik des Waſſerballſpiels
gemacht werden.

9. Quittung
über in der Geſchäftsſtelle des Darmſtädter Tagblatts eingegangene
Spenden für die geſchädigte Ruhrbevölkerung:
Martin Hock 2000 Mk., Beamten d. 6. Polizeireviers 17000 Mk.,
Rentner Roth, Wilhelmſtraße 2, 1000 Mk., Frau Lilienfeld 500 Mk.,
Joſeph Huber 2000 Mk., Georg Scherf 1000 Mk., Ein Nichtraucher 20
Mr., Hch. Krüger 2000 Mk., Perſonal d. Verbandskornſtelle 13 400 Mk.,
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6= 600 Mk., 6: 4880 Mk.; Oberlandesgerichtsrat Pfannmüller 10 000
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5000 Mk., Dr. Ph. Schmitt 5000 Mk., Wette in Kranichſtein 500 Mk.,
Juſtizrat Dr. Jaeger 5000 Mk., Gerichtsreferendar Dr. W. Wißmann
1060 Mk., Ungenannt 400 Mk., Vermeſſungsrat Treuſch 5000 Mk., Ober=
Poſtinſpektor Brenner 2000 Mk., Ober=Poſtſekretär Jacoby, Kiesſtraße 69,
2000 Mk. Hans Dieter, cand. ing., 500 Mk., Technika, G. m. b. H., hier,
10000 Mk., N. N. 2000 Mk., G. Seibel, Landwehrſtraße 1, 2000 Mk.,
Karl Kornmann 1000 Mk., Rektor Kaßlick 500 Mk., Verkaufserlös für
Schneemann=Karten Guſtav Paul, Papierhandlung, 3000/Mk., Fa. Haas
u. Bernhard 20000 Mk., Gefangverein Sängerluſt, Egelsbach, 2120
Mk., Buchdruckereibeſitzer Drechsler, Egelsbach, 1000 Mk., Arbeiter und
Angeſtellten und die Fa. Dr. Otto C. Strecker, Olbrichweg 6, 13000 Mk.,
Ungenannt 300 Mk., Klub Heidenröschen 1200 Mk., Beamten der Ober=
poſrdirektion
, 1. Rate, 208 000 Mk., Frau G. Riel 25 000 Mk., Beamten
des 3. Polizeireviers 10000 Mk., Weitere Sammlung im Privatunter=
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Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, abends 7 Uhr: Fünftes Konzert
des Landestheater=Orcheſters. Kleines Haus, abends 8 Uhr, Film=
vortrag
Dr. Vetter: Der Menſch vor hunderttauſend Jahren
Orpheum, 348 Uhr: Der kühne Schwimmer Union=, Reſidenz=,
Central=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kino=Vorſtellungen.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: Paul
Lange ſämtlich in Darmſtadt.

Die heutige Rummer hat 4 Seiten.

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im Alter von 76 Jahren.
Eberſtadt b. D., den 4. Februar 1923.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Wilhelwine Pfeiffer, geb. Böning.
Die Beerdigung findet am Mittwoch, den 7. Febr. 1923, nachm.
3 Uhr, vom Trauerhauſe, Mühlſtr. 3, aus ſtatt.
Bon Beileidsbeſuchen bitte ich abzuſehen. (1039

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[ ][  ]

4.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, deu 5. Februar 1923.

Nummer 35.

Die Wirkung des Kalkes.
ch. Der Kalk iſt ein unentbehrlicher Pflanzennährſtoff und
muß bei der Düngung ebenſo berückſichtigt werden wie die an=
deren
, vielen Böden fehlenden Nährſtoffe: Stickſtoff, Phosphor=
ſäure
und Kali. Wohl keimt das Samenkorn ohne Kalk, es bil=
den
ſich auch zarte Würzelchen und wenige, aber ſchwächliche ober=
irdiſche
Triebe auf Koſten des in dem Samenkorn enthaltenen
Kalkes; ſchließlich aber gehen die Pflanzen, die oft reichlich
blühen, ohne Früchte getragen zu haben, zugrunde. Auf Böden
mit genügendem Kalk iſt das Ausſehen der Pflanzen kräftig,
die Wurzeln werden lang und verzweigt, die Stengelorgane ſtark
und veräſtelt, Lagerung iſt ſelten und der Fruchtanſatz ſehr reich.
Die Frucht ſelbſt iſt voll entwickelt und eignet ſich vorzüglich als
Saatgut. Wie günſtig der Kalk auf die Erzeugung von Klee
einwirkt, beweiſt eine mir bekannte Gegend, wo in der ganzen
Feldmark kein Rotklee anzutreffen war. Nach Einführung der
Kalkdüngung entwickelten ſich dort üppige Kleefelder. Auch die
Hülſenfrüchte, Erbſen, Bohnen, Linſen und Wicken, die Helfer
zur Beſeitigung der Eiweißnot, werden durch Zufuhr von Kalk
anbaufähig. Der Kalk wird in den Früchten, Blättern und Sten=
geln
abgelagert, und da dieſe zum größten Teil der Ernährung
von Menſchen und Tieren dienen, kommt er beiden zugute. Der
Menſch, deſſen Skelett zu 60 v. H. aus phosphor= und kohlen=
ſaurem
Kalk beſteht, muß ihn in der Nahrung aufnehmen; die
Kalkverſorgung iſt bei ihm ebenſo wichtig wie die Eiweißver=
ſorgung
, weil der Kalk im Menſchenkörper für gewiſſe phyſio=
logiſche
Stoffe unentbehrlich iſt. Enthalten die aufgenommenen
Speiſen reichlich Kalk, iſt das Trinkwaſſer kalkreich und die
Milch, die unſere Säuglinge und Kinder erhalten, aus kalk=
reichem
Futter erzeugt, ſo wird vor allem ein ſtarkes Knochen=
gerüſt
gebildet. Hierdurch erklärt ſich auch die Tatſache, daß die
Bewohner auf kaltreichem Boden recht groß, ſtark und kräftig
ſind, daher auch dieſe Bezirke dem Vaterland früher die meiſten
Gardiſten ſtellten. Die Knochen der Tiere ſind ebenfalls aus
phosphor= und kohlenſaurem Kalk aufgebaut, und ſtarker Kno=
chenbau
iſt ein Zeichen, daß ſie kalkreiches Futter erhalten haben.
Die in der Pflanzenmaſſe eingeſchloſſenen Kalkſalze werden von
den Verdauungsorganen der Tiere gelöſt, dem Blute zugeführt
und gelangen auch zum Anſatz, was von den im Handel vor=
kommenden
, mit den ſchönſten Namen prangenden Kalkpräpa=
raten
bis jetzt noch nicht erwieſen iſt. Neue Verſuche haben die
in der landirtſchaftlichen Praxis längſt bekannte Erfahrung
beſtätigt, daß durch kalkreiches Futter der Milchertrag weſentlich
geſteigert wird und daß ſolche Milch ganz beſonders beim Jung=
vieh
, Fohlen, Kälbern und Ferkeln, den Aufbau günſtig beein=
flußt
, zur Knochenfeſtigkeit und damit zur erhöhten Leiſtungs=
fähigkeit
beiträgt. Allgemein iſt bekannt, daß die Rachitis bei
Rindern und Schweinen in kalkarmen Gegenden geradezu hei=
miſch
iſt, während ſie in Gegenden mit Kalkboden ſehr ſelten
auftritt. Das beſte rheiniſche Kaltblut mit ſeinem ſtarken Kno=
chenbau
iſt dort anzutrefſen, wo die Scholle, die ihm das Futter
liefert, kalkhaltig iſt. Dieſe Tatſachen ſollten die Landwirte allein
ſchon veraulaſſen, den Boden, der zur Erzeugung menſchlicher
und tieriſcher Nahrung dient, reichlich mit Kalk zu düngen.
Außer ſeiner Eigenſchaft als unmittelbares Pflanzennähr=
mittel
hat der Kalk auch noch große mittelbare Wirkungen. Durch
chemiſche Umſetzungen veranlaßt er die vorhin erwähnte Ueber=
führung
ſchwerlöslicher Nährſtoffe in eine für die Pflanze auf=
nehmbare
Form. Er fördert die Verwitterungsvorgänge, wo=
durch
die in den Mineralien eingeſchloſſenen Nährſtoffe ſchnell
und reichlich aufgeſchloſſen werden. Weiter bindet und neutrali=
ſiert
er die freien, allen landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen
ſchädlichen Säuren und macht ſie unſchädlich; die den Pflanzen
wertvolle Säure, die Phosphorſäure, ſchützt er vor dem Ver=
ſickern
, und durch Umwandlung bringt er die ſchädlichen Eiſen=
oxydverbindungen
in unſchädliches Eiſenoxyd. Infolge ſeiner
innigen Miſchung mit den anderen Bodenbeſtandteilen bewirkt
er einerſeits, daß die chemiſchen Veränderungen ſich ſehr tief=
greifend
geſtalten, andererſeits übt der Kalk aber auch Schutz=
wirkungen
aus. Die ſchädlichen Wirkungen der Kohlenſäure, die
in der Hauptſache die Bodenſilikate, die als Träger der Boden=
fruchtbarkeit
bekannt ſind, angreift und ſo löſt, daß ſie zur Aus=
waſchung
gelangen, werden durch den ſauren kohlenſauren Kalk,
der durch Aufnahme von Kohlenſäure und Waſſer aus dem
Aetzkalk oder kohlenſaurem Kalk entſteht, ſtark herabgeſetzt oder
gänzlich ausgeſchaltet. Dieſer Vorgang wird von Ramann als
Pufferwirkung bezeichnet. (Vergleichung mit der Wirkung der
Puffer am Eiſenbahnzuge.) Die austauſchbaren Nährſtoffe blei=
ben
immer im Boden aufgeſpeichert und ſtehen den Pflanzen in
aufnehmbarer Form ſtets zur Verfügung. Dadurch wird der
Kalk zum Erhalter und Regeler der Bodenfruchtbarkeit.
Die phyſikaliſchen Verbeſſerungen durch den Kalk kommen
beſonders auf ſchweren Böden zur Geltung. Der kalte bindige
Boden wird lockerer und wärmer, und da die Luft und die
Sonne beſſer in ihn eindringen und ihre günſtigen Eigenſchaften
auf ſeine Beſtandteile ausüben, läßt er ſich leichter verarbeiten;
auch neigt er nicht mehr ſo ſehr zur Verkruſtung. Die Feuchtig=
keit
aus den Niederſchlägen kann in den Untergrund gelangen,
wodurch die zu hohe waſſerhaltende Kraft, die dem Pflanzen=

wachstum ſchädlich iſt, aufgehoben wird. Der leichte ſandige Bo=
den
wird durch eine richtig angewendete Kalkdüngung, die ſo=
wohl
chemiſch wie phyſikaliſch die Quellkörper im Boden günſtig
beeinflußt, bindiger, waſſerfaſſender und dadurch zu höheren
Erträgen gebracht.
Der Kalt wirkt biologiſch vorteilhaft auf die Entwicklung
gewiſſer niedriger Lebeweſen, Pilze und Bakterien ein. Er ſchafft
ihnen teils günſtige, teils ungünſtige Daſeinsbedingungen. So
bewirkt er eine beſſere Ernährung derjenigen Bakterien, die die
Gare des Bodens befördern und die Umwandlung des Ammo=
niakſtickſtoffs
in ſalpeterſaure Salze herbeiführen: nach Verſuchen
ſoll er ein Abſterben der beim Brand und bei der Wurzelfäule
der Rüben etwa beteiligten Organismen herbeiführen.
Auch die phyſiologiſchen Wirkungen des Kalkes in der
Pflanze ſind überaus beachtenswert. Der Kalk beeinflußt den
Aufbau der Zellen, dabei wird die Erniedrigung der Tempera=
tur
in der Pflanze gehemmt und ſomit die Gefahr des Er=
frierens
gemindert. Die in den Pflanzenzellen eingelagerten
Kalkkriſtalle ſchützen gegen Tierfraß der Raupen und Schnecken,
und die Pilze treten weniger in die kalthaltige Membräne ein.
Bei genügendem Kalkgehalt tritt eine erhöhte Aſſimilation ( Bil=
dung
von Stärke und ſomit von Zucker) ein, die Braugerſte und
die Kartoffeln werden ſtärkereicher, die Rüben zuckerreicher, und
der Wein wird in Güte und Blume verbeſſert.
Das Wetter im Februgr.
Für Landwirtſchaft, Handel und Gewerbe ſind die ſeither
vom öſſentlichen Wetterdienſt aufgeſtellten Wettervorherſagen
für einen oder zwei bis drei Tage nicht ausreichend. Sie ver=
langen
brauchbare Vorherſagen für längere Zeit, etwa für die
nächſte Woche, den nächſten Monat. Derartige langfriſtige Vor=
herſagen
werden ſchon von manchen Seiten aus verſucht,
ſeither noch nicht mit dem wünſchenswerten Erfolge. Jetzt
nun auch dahingehende Arbeiten des bekannten Leiters der
öffentlichen Wetterdienſtſtelle, Prof. Dr. Freybe, zum vorlän=
figen
Abſchluß gelangt. Sie werden nicht auf Grund von Mond=
ſtellungen
uſ., ſondern auf Grund der tatſächlich vorhandenen
Waſſerwärme der Enropa umſpülenden Meere in Verbindung
mit der durchſchnittlichen europäiſchen Luftdruckverteilung des
letzten Monats aufgeſtellt. Beide zeigen wichtige Zuſanmen=
hänge
mit dem Wetter des nachfolgenden Monats. Dieſe Zu=
ſammenhänge
werden zunächſt an den Beobachtungen eines 25 Zeitraums gefunden und dann für einen ſpäteren fünf=
jährigen
geprüft. Das Ergebnis der Prüfung war ein ſo zu=
friedenſtellendes
, daß Freybe glaubt, ſie der Oeffentlichkeit nicht
vorenthalten zu ſollen. In Weilburg werden daher von jetzt ab
am Ende eines jeden Monats verſuchsweiſe Wettervorherſagen
für den kommenden Monat aufgeſtellt. Sie erſtrecken ſich vor=
läufig
auf die durchſchnittliche Luftwärme und ſollen vorerſt
nur angeben, ob die mittlere Luftwärme des kommenden Monats
über (oder im anderen Falle unter) dem langjährigen Mittel
des betreffenden Monats liegt, d. h. ob der kommende Monat
verhältnismäßig warm (im anderen Falle verhältnismäßig kalt)
ſein wird. Ihre Erweiterung und Ergänzung durch Nieder=
ſchlagsvorherſagen
wird bearbeitet. Die Vorherſagen gelten zu=
nächſt
für das mittlere Deutſchland. Doch erſtrecken ſich bekannt=
lich
die großen Schwankungen der Luftwärme über ein weites
Gebiet, ſo daß die Vorherſagen wahrſcheinlich die gleiche Gül=
tigkeit
für ganz Deutſchland, vielleicht für ganz Mitteleuropa
haben. Der kommende Februar wird vorausſichtlich verhält=
nismäßig
milde ſein, d. h. milder, als ſonſt der Februar
im langjährigen Durchſchnitt zu ſein pflegt.

werden. Man kann ſie aber auch im grünen Zuſtande, zuſammer
mit Schrot und Heu, an alles Vieh ohne Bedenken verfüttern
Die Hauptſache aber iſt, daß man überhaupt erſt den Willen hat
die Sache in Angriff zu nehmen. Man hat ja früher manches
als unrentabel und wertlos zurückgewieſen, das ſich in anderer
Zeit doch als höchſt nutzbar erwieſen hat. Vielleicht wird es der
lisher verachteten und geſchmähten Quecke noch ähnlich ergehen
Zur Bearbeitung des Tonbodens. Die Be
arbeitung des Tonbodens verlangt ihre Zeit. Hat der noch feuchte
Boden Riſſe und Sprünge, wenn man ihn in der Hand zu
ſammenballt, ſo iſt dies ein Zeichen, daß er locker vom Pflug
fallen wird, und man darf dann mit der Bearbeitung nicht länge
ſäumen. Niemand führt dem Landwirt die Vorteile eines qu
gebauten Pfluges beſſer vor Augen als der Tonboden. Wenn
der ſchlecht gebaute nicht mehr angreift, fährt jener noch mi
Leichtigkeit durch den feſten Boden und wirft die noch feucht
Furche herauf. Hauptſache iſt und bleibt es, den Tonboden meh
und mehr zu vertiefen und die durch wiederholtes, gleichmäßige=
tiefes
Pflügen entſtandene harte Sohle von Zeit zu Zeit zu
durchbrechen, um den Pflanzen ein tieferes Eindringen in der
Untergrund zu ermöglichen. Ebenſo kann durch Beobachtung de
ſetzten Punktes viel mehr Luſt in den Boden eindringen und di
Verwitterung befördern. Natürlich muß mit der Vertiefung de
Ackerkrume auch eine ſtarke Düngung Hand in Hand gehen, un
erſtere darf nur in dem Maße ausgedehnt werden, als auch di
Düngung vermehrt wird.

Landwirtſe

ZurNutzung der Quecke. Wenn ſonſt nichts wächſt,
die Quecke wächſt immer. Da mögen die Umſtände noch ſo un=
günſtig
liegen; ſie gedeiht überall, daß man ſchier darüber ver=
zweifeln
könnte. Gibt es doch kaum ein läſtigeres Unkraut als
gerade die Quecke, und doch läßt auch ſie ſich nutzbar machen.
Sogar zur menſchlichen Nahrung iſt ſie nicht ganz ungeeignet.
Man hat dieſen Gedanken ſchon früher ausgeſprochen und Quek=
kenmehl
ins Brot verbacken. Die Herſtellung von verbrauchs=
fertigem
Queckenmehl iſt aber eine ſehr ſchwierige, ſo daß der
angedeutete Verwendungszweck wohl eine überwundene Sache
iſt. Aber der Gebrauch im Haushalte zu Suppen, zu Gemüſen
und Mehlſpeiſen iſt immer noch ein annehmbarerer Vorſchlag,
wie der es war, der das Gras zur menſchlichen Nahrung zu ſtem=
peln
ſuchte. Größere Ausſicht und Bedeutung hat die Nutzung
der Quecke als Viehfutter. Die chemiſche Unterſuchung ergab:
4,93 v.H. verdauliches Eiteiß, 1,33 v.H. Fett und 45,44 v.H.
Kohlehydrate, d. ſ. 37,3 Kilo Stärkewerte im Doppelzentner.
Danach käme der Futterwert der Quecken dem des beſten Klee=
heus
gleich. Allerdings iſt die Herrichtung nicht ſo ganz einfach.
Die Quecken müſfen zunächſt lufttrocken gemacht, dann von Sand
und Erde befreit und dann zerkleinert und künſtlich getrocknet

Unverpflanzter Kohlrabi. Man kann Kohl
rabi gleich an Ort und Stelle ausſäen, wenn man entſprechen.
dünn ſät. Praktiſch bewvährt hat ſich namentlich das Säer
eines Eemiſches von Kohlrabi und Mohrrüben. Der ins Frei
geſät: Kohlrabi wird zwar nicht ganz ſo früh gebrauchsferti
wie der aus frühen Miſtbeetpflanzen gezogene, aber da er kein
Störung durch das Verpflanzen erleidet, entwickelt er ſich doc
bedeutend ſchneller als aus verpflanzten Freilandſämlingen,
daß er unmittelbar nach den Frühbeetpflanzen geerntet werde=
kann
. Man ſar die Reihen etwa 40 Zentimeter weit und rechne
ein Gramm Samen, ungefähr 250 Korn, für laufende 20 Meter
Geht der Samen zu dicht auf, dann muß man natürlich di
ſchwächeren Pflanzen herausnehmen und verſetzen. Ein Vortei
des Verfahrens liegt noch darin, daß ein häufig begangen=
Fehler vernrieden wird, das Zutiefſetzen der Kohlrakipflänzcher
das dazu führt, daß die Knollen dicht auf der Erde ſitzen, wo
möglich unten Wurzeln ſchlagen.
Die Hyazinthen= und Blumenbeete in
Bluutengarten müſſen bei offenem Wetter ſorgfältig unterſuch
werden, ob ſich keine Mäuſe in denſelben eingeniſtet habet
Dieſelben fuchen nämlich mit Vorliebe Blumenzwiebelbeete au
und tun ſich an den Zwiebeln gütlich. Entdeckt wuan hierbe
Mauslöcher, ſo ſtreue man ſofort Giftkörner in dieſelben un
trete die Löcher zu.

Nummer

efranz
ntret
daß
ſtweder mi
nsvon u
za
ten
Vi

Zwei Rezepte für die Schweinemaſt. Al
Futterzuſammenſtellungen mit einfachen Mitteln haben ſich fo
gende bewährt: Für ein Schwein von ungefähr 20 Kilogrami
Lebendgewicht: 2200 bis 2400 Gramnr Futterrüben oder Kau
toffeln, Schalen, Obſt= und Gemüſeabfälle, 80 bis 100 Gram=
Nährheſe, 100 bis 200 Gramm Gerſtenſchrot, 200 bis 300 Gram
Klee, Luzernehäckſel uſw., 3 bis 4 Gramm Futterkalk ode
Schlemmkreide; für ein 65 Kilogramm ſchweres Sehwein: 450
bis 5000 Gramm Futterrüben uſw., 500 bis 600 Gramm ge
ſchrotene oder gedämpſte Eicheln, 50 bis 100 Gramm Blut= ode
Fiſchmehl, 700 bis 1000 Gramm Klee= und Serradellaheuhäckſe
100 bis 200 Gramm Brenneſſelblätter und 5 bis 6 Gramn
Futterkalk
Das Haſenkaninchen iſt aus England herüber
gekommen, woſelbſt es, obwohl es nur bis vier Kilograuf
ſchwer wird, als gute Nutzraſſe gilt. Es iſt dem Feldhaſe
äußerlich ſo ähnlich, daß man bei ſeiner Betrachtung unwill
kürlich an eine Baſtardierung der beiden Nager denken muß; d
aber, wie viele zahlloſe Verſuche ergeben haben, eine Kreuzun
von Kaninchen und Haſen kaum zu erzielen iſt, iſt wvohl anzu
nehmen, daß auch dieſes dem Hafen ſo ähnliche Tier, deſſer
Abkunft in Dunkel gehüllt iſt, ein reinblütiges Kaninchen iſ
Die Farbe des Haſenkaninchens iſt ähnlich der des Feldhafen
nur ſind die langen, dünnen Vorderläufe wie die Hinterläuf
fuchsrot, wie überhaupt letztere Farbe an dem ganzen Kanin
chen möglichſt viel zur Geltung kommen ſoll. Das Haſenkanin
chen iſt infolge ſeiner langen Läufe ſehr hoch geſtellt, es iſt dabe
ſehr ſchlank und von ungemein lebhafter, faſt wild zu nennende
Natur, und braucht aus dieſem Grunde einen großen Stall
Hg.

Das

Roman von Friedrich Kipp.
(Nachdruck verboten).

Sie ließ ſich ſchwerfällig auf die Bank nieder und ſah ver=
ängſtigt
und gequält über den glatten Spiegel des Teiches dahin.
Ich mußte Dich ſprechen, Max, erwiderte ſie, indem ein
glühendes Rot in ihre Wangen ſtieg. Ich ginge ſonſt unter. Ich
weiß, Du biſt immer noch der vornehme, edle Menſch von da=
mals
und darum hatte ich das Vertrauen, daß Du mich anhören
würdeſt. Mag die Situation ſein wie ſie will, und mag es un=
weiblich
von mir erſcheinen, in dieſer Stunde des Wiederſehens
und des Abſchiedes ſoll es klar zwiſchen uns werden. Jedenfalls
will ich Dir offen und ehrlich mein Inneres bloßlegen, damit
Du, wenn wir ſür immer getrennte Wege gehen, vielleicht ein
wenig milder von mir denkſt und mir verzeihſt.
Bitte, Max, laß mich weiterreden, fuhr ſie fort, als ſie ſah,
daß er eine Entgegnung bereit hatte.
Wärſt Du damals nur ein weniger vornehm und edel ge=
weſen
, vielleicht wäre es beſſer geworden. Mit einem heiligen
Donnerwetter hätteſt Du dazwiſchen fahren ſollen, als man Dir
von meiner Leichtlebigkeit erzählte. Du bliebſt aber in Deiner
äußerlichen gleichmäßigen Reſerviertheit und hatteſt kaum ein
Wort des Tadels, und das nutzte ich junges, dummes Ding aus
und glaubte nicht daran, daß ich Dich ins Herz damit traf. Ich
fah es ja nicht, daß Deine Seele blutete, hatte auch kein Ver=
ſtändnis
dafür, ſondern war nur darauf bedacht, mir die Stun=
den
angenehm zu vertreiben. Ich war zu eogiſtiſch, dachte nur
an mich und immer nur an mich, und war eitel und töricht ge=
nug
, es für ein Glück zu halten, wenn die Herrenwelt mir Schö=
nes
ſagte.
Erika, unterbrach Mar die Sprecherin, und wenn das
was Du ſagſt, auch wirklich aus Deinem innerſten Herzen, aus
Deinem lauterſten Herzensgrunde kommi, was hat das aber jetzt
für einen Zweck? Du mußt wiſſen, daß mein Herz tot und kalt
iſt, und daß ich all das, was hinter mir liegt, nach furchtbaren
Kämpfen zu vergeſſen ſuchte. Mir geht es wie dem Schiffer, der
ſein Schiff verloren hat, und der vom Leben nichts weiter hofft
als einen Lebensabend, an dem er über das nachdenken kann,
was ihm die Meereswoge nahm.
Das verſtehe ich alles ganz gut, Max, fuhr ſie mit klagen=
der
Stimme fort. Ich weiß, daß ich Dich um des Lebens Glück
betrog, aber Du weißt nicht, daß ich daran getragen habe und
mein ganzes Leben weiter daran tragen werde. Der
die

der gut zu machen, was ich an Dir tat, ſelbſt wenn unſere Herzen
ſich wiederfinden würden, iſt zu ſpät. Und darum bin ich ja auch
nicht gekommen denn ich bin eines anderen Frau.
Max ſprang auf und ſah ſie faſſungslos an.
Du biſt verheiratet, Erika?
Ja, Max, ſchon über zwei Jahre.
Das habe ich ja gar nicht gewußt. Mir wurde nur mitge=
teilt
, daß Du in hieſiger Gegend weilteſt.
Ja, und es iſt gut, daß es ſo iſt, fuhr ſie fort, ſonſt hätte
ich nicht den Mut gehabt, zu Dir zu kommen, da Dit dann von
mir annehmen mußteſt, daß ich Dir wieder nachſtellte, wie früher.
Das iſt nun aber vorbei.
Max ſah ſie gequält an. Er ſeufzte.
Erika, warum riefſt Du mich? Nur um mir das zu ſagen?
Ja, um Dir das zu ſagen, und noch mehr. Daß ich nur
Dich geliebt habe, trotz allen Leichtſinns und aller Mädchen=
launen
."
Iſt das wahr, Erika? kam es zweifelnd von ſeinen Lippen.
Sage die Wahrheit, frevle nicht auch jetzt an meinem Herzen
und treibe nicht Dein Spiel mit mir.
Er hatte ſich wieder neben ſie geſetzt und ſah, ſie bittend,
flehend an, und nun legte ſie ihm die feine ſchmale Hand auf
die Schulter.
Max, Du Guter, ſieh mich an, ſagte ſie. Sieh mein blei=
ches
, vergrämtes Geſicht. Kannſt Du denn nicht darin leſen, daß
das Leben mit eiſernem Griffel ſeine Runen darin zeichnete?
Glaubſt Dui, daß aus ihm die Unwahrheit hervorleuchtet?
Glaucſt Du, daß ich in dieſem heiligen Augenblick lüge? Max,
jetzt darfſt Du mir voll und ganz glauben, denn es ſpricht eine
arme, gequälte Menſchenfeele zu Dir, die in ewiger Pein und
Selbſtanklage durch die Tag= und Nachtſtunden weint, die ruhe=
los
und raſtlos geworden iſt und die keine Heimſtätte mehr kennt,
und die ſich derzehren möchte in Sehnſucht und Qual nach den
ſtilien Gärten des Friedens, die ihr für immer verſchloſſen bleiben.
Ja, aber mein Gott, Erika, ſtotterte er faſt verlegen, Du
ſagteſt doch, daß Du verheiratet ſeieſt. Da haſt Du doch an Dei=
nem
Manne einen Anker, an den Du Dich anklammern kannſt.
Sie machte eine unwillige Bewegung.
Sprechen wir nicht von meiner Ehe. Das iſt ja alles fetzt
Rebenſache. Gewiß, ich bin die Frau des engliſchen Aitachees
geworden. Wie das kam, iſt zuletzt gleichgültig, und wie wir
leben, iſt einerlei. Herr Watſon, mein Gemahl, iſt in der Geſell=
ſchaft
geachtet, und das mag genügen.

Erika, liebe Erika, ſtammelte Max, dann biſt Du alſ
nicht glücklich,!"
Ob glücklich oder nicht glücklich, das ſpielt ja alles hier jetz
keine Rolle. Darüber wollte ich nicht ſprechen. Ich weiß, da
ich Dir Deines Lebens Krone geraubt habe und daß ich dafü
büßen muß. Nur das wollte ich Dir ſagen, daß ich Dich immer
immer geliebt habe, trotzdem es anders ſchien. Erſt da habe iſ.
das ſo recht eingeſehen, als ich Dich für immer verloren hatte
als ich Dich im ſernen Afrika, unter heißer Sonne, im wilden
gefahrvollen Streit wußte. Seit der Zeit iſt es anders in mei
nem Herzen geworden, da war ich nicht mehr die alte Leichtlebig
Da drohte mir das Herz zu brechen, denn meine Seele weint
nach Dir, nach dem unwiederbringlichen Glück, das ich ſelbſt ver
ſcherzt hatte. Da meinte ich, mein Herz ſei tot und ſtill geworden
Dann kam der Verfall unſeres Hauſes. Mein Vater verlor Hal
und Gut und ſtarb bald darauf vor Gram und Kummer. Un
dann reichte ich Herrn Watſon, der ſchon länger um mich geworbel
hatte, die Hand. Aber ich hatte mich ſelbſt getäuſcht. Mein Her
war nicht tot. In dunklen, langen, qualvollen Nächten ſchrie e.
nach Dir und meine Sehnſucht floh über Länder und Meere und
tar bei Dir. Und ich kannte Dich ja. Ich wußte, daß auch 21
litteſt, daß auch Deine Seele weinte alle die Jahre lang. Un
dann hörte ich, daß Du mit knapper Not dem Tode entronne!
warſt. Da wurde meine Sehnſucht ſtark und mächtig. Und dan!
kam die Berufung meines Mannes in die britiſchen Kolonien !
Wenige Tage ſind uns noch in Deutſchland beſchieden. Dan!
trägt uns das Schiff in den ſernen, fremden Erdteil. Mein
Sehnſucht wurde brennend und qualvoll. Da wollte ich es durch
ſetzen und Dich ſehen, Dir mein Herz bloßlegen, Dir freimüti!
ſagen und bekennen: Siehe, ſo war es, ſo iſt es! Und dann wout
ich wiſſen, ob Du mir verzeihen kannſt, ob wir getrennt lebei
ſollen mit der Bitternis im Herzen, oder mit dem ſchmerzlich
tröſtlichen Gefühl, daß unſere Seelen eins ſind, auf daß ſie nich
mehr weinen in Groll und Anklage, ſondern in dem Gefühl, da)
wir ausgeſöhnt ſind. Und wenn wir dann beide als Einſame 9e
ſchieden ſind, ſo ſoll es ein Gedenken des Friedens ſein, das uns
das Leben ertragen hilft, um unſeren dornenvollen Pflichtgant
bis an unſer Ende zu gehen. Siehe, Max, darum rief ich Dich
um Dir dies alles zu ſagen und Dich anzuflehen: Verzeih mik!
Max faß auf der Bank neben der blaſſen Frau und fror.
Wie ein Fieberſchauer ging es ihm über den Rücken.
(Fortſetzung folgt.)