Beilage
zum
Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.
N 10.
Dienſtag den 7. März
187I.
Das Frag= und Anzeigeblatt. die Beilaße hierzu, ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen woͤchentlich; Erſteres
Camſtag, die Beilage Dienſtaas und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Albonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen
Poſtämkern abonniren. In Darmſtadt bei der Expedition. Rheinſtraße Nr. 23 neu.
B e k a n n t m a ch u n g.
Der vom Verſchönerungsverein für Darmſtadt und Beſſungen beſtellte Aufſeher Johannes Bechtel dahier iſt auf den
Feld=
ſchutz verpflichtet worden, was hiermit bekannt gemacht wird.
Darmſtadt, den 2. März 1871.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
Dr. Goldmann.
Verſteigerungs=Anzeige.
Donnerſtag deu 9. d. M., Vormittags 9 Uhr,
werden im Hauſe der Holzhandlung der Hrn. Goldſchmidt u. Hernsheim,
37. Beſſunger Carlsſtraße, nachverzeichnete ſehr wenig gebrauchte
Gegen=
ſtände, als: 1 Cauſeuſe mit braunem Pelüſch, 6 Mahagoni und 12 nußb.
Rohrſtühle, 1 mahag. Damenſchreibtiſch, 1 do. Pfeilerſchrank, 1 nußbaum.
Spiegelſchrank, 1 mahag. Ausziehtiſch, 1 Chaiſelongue, 1 Spiegel in
Gold=
rahmen, 2 vollſtändige Betten, 4 Vorhänge mit Verzierungen, Rouleaux ꝛc.
gegen baare Zahlung verſteigt.
M. Renſtabt, Helurator.
1200
1196) Holz=Verſteigerung.
Mittwoch den 8. d. Mts., von Morgens
9 Uhr an, werden auf dem hieſigen
Rath=
hauſe aus dem Diſtrict Waiſenhaustanne
verſteigert:
387 Stecken kiefern Scheidholz,
103
Prügelholz, wovon
12 Steäen 7½ Fuß lang zu
Pfählen ſich eignen,
1074 Stecken kiefern Stockholz und
6250 Stück kiefern Wellen.
Gegen vorſchriftsmäßige Bürgſchaft wird
angemeſſene Zahlungsfriſt geſtakket.
Darmſtadt, den 2. März 1871.
Kehr,
Rechner der Großh. Landes=Waiſenanſtalt.
Verſteigerung eines Gebäudes
auf den Abbruch.
Dienſtag den 14. März l. J. Mittags
um 12 Uhr ſoll im Landeshospital Hofheim
(bei Crumſtadt) die vor der Anſtalt ſtehende
hölzerne Pförtnerwohnung auf den Abbruch
öffentlich an den Meiſtbietenden verſteigert
werden. Das Gebäude iſt einſtöckig, 36 Fuß
lang, 26 Fuß breit.
Darmſtadt, den 4. März 1871.
Großherzogliches Kreisbauamt Darmſtadt.
1318)
Köhler.
Feilgebotenes.
724) Ein Scheerwagen und ein kleiner
2rädriger Wagen zu verkaufen. Langegaſſe 6.
Neue Aulage
in Mainz.
Wegen Aufgabe meines Geſchäftes werden
folgende Wirthſchafts=Utenſilien aus freier:
Hand von Unterzeichnetem verkauft:
800 eiſerne Gartenſtühle mit
Eichenholz=
ſitzen und Lehnen,
100 eiſerne Gartentiſche mit
Eichenholz=
platten,
60 hölzerne Gartentiſche,
Gartenbänke,
80 „
Gartenſtühle,
100 „
9 Sophas von gelbem Damaſt,
12 Vorhänge von gelbem Damaſt,
8 große Tafeltiſche,
120 nußbaumene Rohrſtühle,
2 Eiskaſten,
2 große Theken,
1 kleine Theke,
mehrere große Gasluſtres,
4 große Spiegel mit Goldrahmen,
2 große Spiegel mit Nußbaumrahmen,
12 feine runde Tiſche mit
Nußbaum=
platten und Gußgeſtellen,
12 feine runde Tiſche mit Marmorplatten,
ferner:: Teller, Taſſen, Kaffee= und
Thee=
kannen, Gläſer, Servirbretter, Waſſerflaſchen,
1000 Stück Biergläſer und ſonſtige
Wirth=
ſchafts=Utenſilien.
Sämmtliche Gegenſtände befinden ſich in
ſehr gutem Zuſtande, indem dieſelben erſt
kurze Zeit im Gebrauch ſind.
1170)
Eg. Jos. Falch.
Ruhrer Steinkohlen.
118)
Friſche Sendung
ſtückreiches Fettſchrot per Ctr. fl. 1.-
Stückkohlen,
„ fl. 1. 24.
Auf vorherige Beſtellung verſende ab
Zeche in Wagenladungen von 200 Ctr.
zu billigen Notirungen.
J. Schweitzer,
mittlere Eliſabethenſtraße 35.
1171) Im Landwehrweg Nro. 7 ſind
zwei Einlegſchweine zu verkaufen.
1215) Lerchen=u. Fichten=Stangen
auf Achens=Mühle, ſowie in meinem Hauſe,
alter Roßdörfer=Weg, in großer Auswahl.
Dehn.
1319) Zwei gute Doppel=Flinten
(Jagdgewehre) werden billig abgegeben.
Caſinoſtraße Nr. 25.
1320) Aepfel=, Birnen=,
Zwet=
ſchen= &ap Pflaumen=Bäumchen ſind
zu haben auf Achens=Mühle.
1321) Vorzügliche Gartenerde kann
gegen mäßige Vergütung im Garten
Bleich=
ſtraße gegenüber Nr. 11 abgegeben werden.
1322) Magazinſtraße 14 iſt eine
wohl=
erhaltene, mit Schiefer gedeckte
Garten=
hütte zu verkaufen.
1323) Stute von edler Rage, im
Felde geritten, ſteht Verſetzung halber zu
verkaufen bei Herrn Stallmeiſter Goder,
untere Hügelſtraße.
1324) Unſere beiden feinſten Mehlſorten,
Blüthenmehl u. Waizenmehl l. ſind
ſtets bei Herrn Kaufmann J. J.
Dingel=
dey, Obergaſſe 1 in Darmſtadt, zu haben.
Gießen, im März 1871.
Franz Feppler & Co.
1325) Dieburgerſtraße 36 ſind 1 Paar
Holz- und 1 Paar Bordleiter zu verkaufen.
1326) Schöner junger Bux,
Zwetſchen=
bäume, wilde und Weinreben, Monatroſen
und großblühende Penſee. Auch wird Garten=
Arbeit angenommen.
J. Schubkegel, Gärtner,
gr. Bachgaſſe Nr. 18.
11
40
67Din hübſcher Holzſtall (Schweizer=
4 haus=Form, auch als
Garten=
haus verwendbar) iſt zu verkaufen.
Näheres bei der Expedition.
1328) Starke Zjährige Spargelpflanzen,
hoch=
ſtämmige Aprikoſenbäume, Weinreben,
Schnitt=
lauch, Pimpernelpflanzen, gute Gartenſämerei
bei H. Schubkegell, Arheilgerſtraße.
Vermiethungen.
4983) Dieburgerſtraße Nr. 40 iſt der
mittlere Stock zu vermiethen.
7133) 1 Zimmer nebſt Cabinet zu
ver=
miethen auf 1. Januar. Louiſenſtraße 10.
Georg Liebig Sohn.
8084) Ein Logis mit allen Bequemlichkeiten
zu vermiethen. Mühlſtraße 7.
8266) Beſſ. Weinbergſtaße N. 76 iſt
ein Zimmer zu vermiethen.
417) In der Magdalenenſtraße Nr. 16
ein Logis im Vorderhauſe und eine große
Scheuer mit oder ohne Stallung zuſammen
oder getheilt zu vermiethen u. zu beziehen.
L. Querdan, Küfermeiſter.
473) Louiſenplatz 4 iſt in der bel
Etage=
eine Wohnung von 4-5 Stuben mit Küche
und Zubehör alsbald zu vermiethen.
732) Beſſunger Carlſtraße Nro. 5 iſt
der mittlere Stock, beſtehend aus 5
Zim=
mern, Mitgebrauch der Waſchküche und des
Bleichplatzes, zu vermiethen und baldigſt
zu beziehen.
737) Zu vermiethen
in meinem Vorderhauſe gleicher Erde
eine Wohnung, beſtehend aus 3
klei=
neren Zimmern, wovon eins nach der
Straße gehend als Laden hergerichtet
werden könnte, nebſt allem Zubehör
und alsbald beziehbar. Auch, als
Bureau geeignet. J. Schweitzer,
mittlere Eliſabethenſtraße Nr. 35.
891) Steinſtraße Nr. 8 eine Parterre=
Wohnung, erſter und zweiter Stock, zu
vermiethen. Näheres Ludwigſtraße Nr. 8.
898) Marienplatz Nro. 10 Stube mit
Cabinet nach der Straße ꝛc., ſogleich beziehbar,
zu vermiethen. Ph. Schütz, Hofdachdecker.
996) Ein ſehr ſchön möblirtes
Zim=
mer im 1. Stock Blumenſtr. 6 zu vermiethen.
1064) Laden zu vermiethen.
Ernſt=Ludwigſtraße Nr. 19.
1060) Promenadeſtraße 64 iſt die
bel Etage: 4 Zimmer, Küche, Magdſtube,
nebſt allem Zubehör zu vermiethen
1067) Caſinoſtraße Nr. 20 iſt der
mitt=
lere Stock, beſtehend aus 6 Piecen nebſt
allem Zubehör zu vermiethen und den 1ten
Mai zu beziehen. Hermann Koch junior.
1073) Eine helle Werkſtätte zu vermie=
L. Fries.
then.
1141) Eck der Wilhelminen= u.
Anna=
ſtraße Nr. 14) bel Etage, 5 Zimmer und
1 Saal, Küche im Souterrain; im 3. Stock
2 Zimmer und Küche, Boden= und
Keller=
räume im Verhältniß. Auf Verlangen
Stallung und Mitbenutzung des Gartens.
1177) Mühlſtraße Nr. 16 ein
freund=
lich möblirtes Zimmer zu vermiethen.
1240) Ein freundliches Logis mit allen
Bequemlichkeiten gleich beziehbar.
Weinberg=
ſtraße Nr. 5 in Beſſungen.
N. 10.
1261) Ein ſehr fein möblirtes
Balcon=Zimmer mit Cabinet iſt ſofort
Caſinoſtraße Nr. 12.
zu vermiethen.
1329) Eck der Promenaden= u.
Fabrik=
ſtraße 10 der 3. Stock des Hauſes, beſtehend
aus 6 Zimmern, Küche, Keller ꝛc., zu
ver=
miethen und in einem Vierteljahr zu beziehen.
1330) In meinem neuen Hauſe der
Soderſtraße Nro. 53 iſt der 1., 2. und
3. Stock nebſt Bleichplatz und Waſchküche
zu vermiethen und alsbald zu beziehen.
Konrad Ganß, Weinbergſtraße 26.
1331) Zu vermiethen: Frankfurterſtr. 36
ein möblirtes Zimmer im Hinterbau.
1332) Hügelſtraße Nr. 61 der 3. Stock,
beſtehend aus 4 ſchönen Zimmern nebſt allen
Bequemlichkeiten vom 1 Juni ab zu vermiethen.
Vermiſchte Nachrichten.
1333) Ein zweiter Hausknecht wird
angenommen im Darmſtädter Hof.
1334) Forderungen an die Kaſſe lder
israelitiſchen Religions=Gemeinde dahier vom
Jahr 1870 ſind wegen Schluſſes der Jahres=
Rechnung binnen 14 Tagen um ſo gewiſſer
hierher anzuzeigen, als ſpäter einkommende
Rechnungen 1 ihre Erledigung nicht leicht
finden können.
Darmſtadt, den 5. März 1871.
Der Vorſtand
der israelitiſchen Religions=Gemeinde.
1335) Meine Wohnung befindet ſich
ſeit dem 1. März nicht mehr Kiesſtraße,
ſondern Stiftſtraße Nr. 59.
C. Rogen.
1336) Ich bringe meine gut gearbeiteten
Stuhlflechtereien in gef. Erinnerung.
Der blinde Friedrich Batzler,
Hinkelsgaſſe Nr 11.
1337)
Nr. 107
hat die Flinte gewonnen.
1338) Den geehrten Damen zur Nachricht, daß das
Waſchen und Färben der Strohhüte
ſeinen Anfang genommen.
H. Gamdor.
Vorddentscher Hlayd.
3972)
Postdampkschikfkahrt
von Bremen nach Howyork und Baltimore
eventuell Somthampton anlautend.
nach Newhork.
D. Hermann Sonnabend 11, März
Mittwoch 15. März
nach Baltimore.
D. =Leipzig
nach Newyork.
Sonnabend 18. März
D. Main
Sonnabend 25. März
D. Weſer
nach Newyork.
nach Baltimore.
Mittwoch 29. März
D. Hſio
Sonnabend 1. April
nach Newyork
D. Rhein
und ferner jeden Aittwoch und Honnabend.
Paſſagepreiſe nach Newyork: Erſte Cajüte 165 Thaler, zweite Cajüte 100 Thaler
Zwiſchendeck 55 Thaler Preuß. Courant.
Paſſagepreiſe nach Baltimore: Cajüte 135 Thaler, Zwiſchendeck 55 Thaler Pr. Crt.
Fracht: 4 2. - mit 15%₁₀ Primage per 40 Cubicfuß Bremer Maaße. Ordinäre
Güter nach Uebereinkunft.
von Bremen nach Hovorleans via Havana
D. Hannover Sonnabend 4. März. D. Köln Sonnabend 1. April.
Paſſage=Preiſe nach New=Orleans und Havana: Cajüte 180 Thaler, Zwiſchendeck
55 Thaler Preuß. Courant.
Fracht: L 3 mit 15⁄₀ Primage per 40 Cubiefuß Bremer Maaße. Ordinäre Güter
nach Uebereinkunft.
von Bremen nach Westindien via Southampton
Nach Colon, Savanilla, La Gnahra u. Porto Cabello mit Anſchlüſſen
via Panama nach allen Häfen der Weſtküſte Amerikas, ſowie nach China u. Japan.
D. König Wiſhelm 1. Dienſtag 7. März; D. Kronprinz Jriedrich Wilhelm Freitag 1. April;
D. Hraf Bismark Sonntag 7. Mai
und ferner am 7. jeden Monats.
Paſſage=Preiſe nach Colon und Savanilla: 1. Cajüte 300 Rthlr. Crt., 2. Cajüte
200 Rthlr. Crt., nach La Guahra und Porto Cabello: 1. Cajüte 325 Rthlr. Crt.,
2. Cajüte 215 Rthlr. Crt.
Fracht nach Colon, Savanilla. La Guahra und Porto Cabello 8 3. 103. mit 5 pCt.
Primage per 40 Cubikfuß Engliſche Maaße, zahlbar bei der Abladung in
Bremen. Ordinäre Güter nach Uebereinkunſt. Unter 2 1. 1s wird kein
Connoiſſement gezeichnet
Nach den Häfen der Weſtküſte Amerikals, Japan und China werden
Paſſage=Billets ausgeſtellt und durchgehende Connoiſſemente gezeichnet.
Nähere Auskunft ertheilen ſämmtliche Paſſagier=Expedienten in Bremen und deren
inlaͤndiſche Agenten, jowie
Die Direction des Horddentschen Hloyd.
R 10.
1339) Die Frankfurter Blätter beſprechen das Project, die
Bahn=
höfe der Main=Neckar=Bahn, Taunus=Bahn und Oberheſſiſchen Bahn
mit einem Koſten=Aufwand von Sieben bis Neun Millionen Gulden
zu vereinigen.
Das erweckt doch in jedem denkenden Darmſtädter eine ganze
Reihe von Betrachtungen!
1340)
Husth-Verehm.
Für die am Montag ausgefallene Probe
Mittwoch den 8. März.
Probe für die Damen präcis halb 7 Uhr, für die Herren
präcis 7 Uhr.
Der Vorſtand.
1154) Auf Oſtern oder auf ſogleich
wird ein Hausmädchen geſucht, welches fein
waſchen, bügeln und nähen kann.
Prome=
nade Nr. 37, parterre.
1341) Ein Hausburſche, mit guten
Zeugniſſen verſehen, wird geſucht. Näheres
Marienplatz Nr. 5 zweiter Stock.
1121) Ein braves Mädchen, das tüchtig
im Kochen und in der Hausarbeit iſt, wird
gegen guten Lohn auf Oſtern in Dienſt
ge=
ſucht; Heinrichſtraße 28 im unterſten Stock
Geſu ch1
1288)
junge Mädchen, welche das Putzgeſchäft
erlernen wollen.
Rheinſtraße 47. Eophie Stieler.
41
5 ſooein braves Mädchen findet dau=
S E, ernde Beſchäftigung in der
L. C. Wittich'ſchen Hofbuchdruckerei.
1104) Offene Lehrlings -Stelle in
meiner Papier- und Schreibmaterialien-
Handlung unter günstigen Bedingungen.
Georg Hoſ,
Elisabethenstr. im neuen Schulhause.
1286) Auf einem hieſigen Comptoir für
einen jungen Mann, welcher ſchöne
Hand=
ſchrift ſchreibt, Beſchäftigung. Kaufmänniſche
Kenntniſſe ſind nicht nöthig. Offerten nimmt
die Expedition unter P 26 zur
Weiter=
beförderung entgegen.
1343) Dauernde Beſchäftigung finden
gegen guten Verdienſt mehrere geſittete
Jungen und Mädchen von 14-18 Jahren
in der Knopffabrik von
L. Kolbe & Comp. in Beſſungen.
1344) Eine kleine, ſehr ruhige
Fa=
milie ſucht baldigſt, und zwar im
weſt=
lichen Theile der Stadt, eine freundl.
Wohnung von ca. 3 Zimmern, Kücheꝛc. ꝛc.
Franco=Offerten unter 4 B an d. Exp. d. B.
p.
G.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 7. März. 6. Vorſt. im
5. Ab.: Die Harfenſchule. Schauſpiel
in 5 Akten von Brachvogel.
Ein Cricket=Spiel auf den Sandbänken von Goodwin.
Schluß.)
Von Neuem ein gräßlicher Schrei! Es war wieder nur,
wie vorher, eine weiße Seemöve, welche mich umflog und ihren
Klageton ausſtieß, allein er erſchreckte mich. Näher und näher
kroch das kochende Waſſer, gierig nach meinem Leben greifend,
hungrig nach ſeiner Beute; und während deſſen rollte der Donner
und der Blitz fuhr zuckend über die ſchäumenden Wogen. Plötzlich
empfand ich eine unangenehme Kälte an meinen Füßen und blickte
zu Boden; ich ſtand bereits im Waſſer, das aus dem verrätheriſchen
Sande hervordrang. Von der großen Goodwins=Bank war jetzt
wenig mehr zu ſehen. Verzweifelnd blickte ich nach den Lichtern
der Stadt und den Leuchtfeuern des Ufers; ich ſah die Wellen
faſt ſchon meine Füße berühren, und kniete nieder auf den feuchten
Sand und betete ſo inbrünſtig, wie ich nie zuvor gethan. Ein
lauter Schall, ſchärfer und durchdringender als die tiefen Töne
der Artillerie des Himmels, ließ mich emporſpringen. Ich blickte
auf. Ein neuer Schuß,
- ein Signal! Verſprach es Hülfe;
Leider nicht. Mit Bitterkeit empfand ich, daß man mich nicht
vermißt hatte. Ich war ein Fremder: kein Weib, keine Mutter,
kein Freund fragte nach mir, und Niemand dachte daran, mich in
der Waſſerwüſte zu ſuchen. In keiner Familie ließ meine
Abweſen=
heit eine Leere eintreten, - mir blieb keine Hoffnung. Ein zweiter
Schuß! Ich ſah ſein Feuer und hörte den jetzt noch ſchärferen
Schall, und erkannte, daß es ein Nothſchuß war. Ein Riß in
den Wolken ließ etwas graues Licht durchdringen, und ich gewahrte
ein großes, zweimaſtiges Schiff, welches der Sturm vor ſich her
trieb. Ob es ein Schooner oder eine Brigg war, vermochte ich
nicht zu erkennen, denn nur die unteren Theile der Maſte ſtanden
noch und das Fahrzeug ſchwankte furchtbar, da ſeine eine Seite
von der Maſſe zerbrochener Sparren und zerriſſenen Takelwerks
überladen war. Die Kanone wurde zum dritten Mal abgefeuert,
und in demſelben Augenblicke ließ ſich ein Angſtſchrei menſchlicher
Stimmen hören, den im nächſten Momente der Sturm mit ſich
fortführte. Das Schiff ging augenſcheinlich ſeinem Untergange
entgegen, denn in gerader Richtung trieb es mit der Spitze auf
die Sandbank zu. Ein furchtbares Krachen folgte, als es darauf
ſtieß; der Bug wühlte ſich tief in den Sand, und einem Katarakte
ähnlich flutheten die Wogen darüber hin.
Dennoch erweckte dieſer Anblick eine neue Hoffnung in mir,
denn er verſprach mir Schutz. Wenn ich das Wrack zu erreichen
vermochte, ſo konnte ich mindeſtens eine Zeit lang darin eine ſichere
Zuflucht finden, vielleicht ſogar gerettet werden. Knietief durch das
Waſſer watend, gelangte ich endlich zum Fahrzeug, erſtieg mit
großer Anſtrengung das Bugſpriet und kroch auf das Verdeck.
Vom Vordertheile aus konnte ich ſehen, daß, obgleich die Wellen
den Stern des Schiffes bedeckten, der größere Theil des Verdeckes
doch frei war. Unter den Seiten des Fahrzeugs, gegen den Wind
geſchützt, kauerten, nur undeutlich erkennbar, zwei oder drei Figuren.
Ich näherte mich und ſah, daß die Gruppe aus einem alten Herrn,
deſſen weißes, unbedecktes Haar im Winde wehte, einer jungen
Dame, ſeiner Tochter, wie es ſchien, und einem Neger in
Matroſen=
kleidung beſtand. Der Letztere lag bewußtlos auf dem Verdecke,
und ſein dunkles Geſicht, ſowie das wollige Haar, war mit Blut
bedeckt.
„Papa, da iſt Hülfe lu rief das junge Mädchen, als es
aufblickend einen Fremden ſah. „Wir ſind gerettet!
„Leider nicht, erwiederte ich traurig. „Ich bin nur ein
Unglücklicher, wie Sie, kein Retter. Durch Zufall bin ich auf
dieſer Sandbank zurückgeblieben und habe jetzt das geſcheiterte
Schiff erklettert, ſo wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalme
greift. Wenn die Nothſchüſſe am Ufer gehört worden ſind
„O mein Herr, rief das junge Mädchen, „man hat auch
uns hier auf grauſame Weiſe zurückgelaſſen, unſerer flehenden
Bitten und Gegenvorſtellungen ungeachtet."
„Wer Zu fragte ich.
Das junge Mädchen deutete auf ein nur noch undeutlich
erkennbares und mit Menſchen angefülltes Boot, das auf einer
hohen Welle ſchwebte.
„Es iſt nur zu wahr, bemerkte der alte Mann mit ſchwacher
Stimme; „die Elenden haben uns in ihrem ſinnloſen, ſelbſtſüchtigen
Schrecken verlaſſen. Ich warnte ſie, daß kein Boot den Wellen
Widerſtand leiſten könne, und daß unſere einzige Hoffuung darin
42
Ne
beſtehe, auf dem Fahrzeuge zu bleiben und Nothzeichen an das
Ufer zu ſenden; allein ſie wollten nicht auf mich hören, weil ich
nur ein Paſſagier war. Der Kapitän ſtarb vor acht Tagen, und
der Steuermann war ſeige genug, der Erſte zu ſein, der uns im
Stiche ließ.
„Sie eilen ihrer Strafe entgegen, erwiederte ich, auf das
Meer blickend; „denn unmöglich iſt es, daß ein gewöhnliches Boot
in dieſer wüthenden See das Ufer erreiche. Waren Sie die ein=
3igen Paſſagiere ?”
Die junge Dame antwortete bejahend und fügte hinzu, daß
das Schiff ein ſpaniſches und, von einem ſüdamerikaniſchen Hafen
kommend, nach London beſtimmt geweſen ſei.
„Wir waren die einzigen Engländer an Bord, ſagte ſie,
„und nach den Begriffen der ſpaniſchen Mannſchaft Ketzer,
weß=
halb die Leute um ſo weniger Anſtand nahmen, uns zu verlaſſen.
Niemand iſt von ihnen zurückgeblieben, als jener arme Menſch,
der ſchwarze Koch, der durch einen Fall vom Hauptmaſte
beſinnungs=
los geworden iſt und dort liegt. Ich fürchte, er hat ſich ſchwer
verletzt; allein wenn die Vorſehung ſich nicht unſerer annimmt, ſo
wird Niemand von uns den nächſten Morgen erleben. Mein Vater
iſt krank, und ſelbſt wenn wir Hülfe bekommen ſollten, wird ihn
die Näſſe und Kälte der Nachtluft wahrſcheinlich dem Tode nahe
bringen.”
Erſt jetzt bemerkte ich, daß, während der alte Mann
ſorg=
fältig in einen dicken Mantel und viele Shawls gewickelt war,
die Tochter kein anderes Schutzmittel als ein einfaches weißes Tuch
trug, welches ſie ſich wahrſcheinlich in der Eile umgeworfex hatte,
als ſie aus dem Schlafe erweckt worden, und das jetzt vom Spritzen
der Wellen völlig durchnäßt war. Aber keine Klage kam über
ihre Lippen, und eine für uns endloſe Stunde lang war ſie es
allein, deren Muth vor den entſetzlich drohenden Gefahren keinen
Augenblick wich. Unſere einzige Hoffnung beſtand darin, daß das
Wrack ſo lange zuſammenhielt, bis ein Rettungsboot uns erreichen
konnte. Die Nothſchüße mußten am Uſer gehört worden ſein, und
der Muth der Schiffer von Kent war ſprüchwörtlich geworden.
Inzwiſchen ſchlugen die Wellen mit einer ſolchen Wuth an das
Schiff, als wären ſie begierig, ihr grauſames Werk zu vollenden,
ehe Hülfe zu uns gelangen konnte. Die Bohlen ſtöhnten, die
Balken knarrten entſetzlich und die ſchäumenden Wellen hoben ſich
immer höher, gleich Kriegern, welche die Mauern einer belagerten
Feſtung erklimmen wollen. Während die Fluth ſtieg, verſank das
Fahrzeug tiefer und tiefer in den Sand, und die Wogen ſtrömten
über die Schiffsſeiten auf das Verdeck und ſchleuderten jeden
Augen=
blick neue Waſſergüſſe auf uns. Der alte Mann lag, von Näſſe
und Kälte erſtarrt, an der hölzernen Wand und ließ keinen Laut
hören, ausgenommen, daß er von Zeit zu Zeit „Edith! Edithl”
den Namen ſeiner Tochter - rief, ſo wie ein krankes Kiud
die Wärterin zu rufen pflegt. Das junge Mädchen, an ſich nicht
denkend, kniete neben dem Vater, und war unabläſſig bemüht, ſeine
kalten Hände durch Reiben zu erwärmen und ihm Muth
einzu=
ſprechen. Plötzlich aber wandte ſie ſich nach mir um und ſagte:
„Es iſt mir eingefallen, daß, wenn ſich Hülfe nahen ſollte,
unſere Freunde in dieſer dunklen Nacht das Fahrzeug nicht würden
finden können. Wir müßten an einen der zerſplitterten Maſte ein
Licht oder eine Laterne befeſtigen.”
Die Richtigkeit dieſer Bemerkung war einleuchtend. Mit
großer Mühe öffnete ich deßhalb die Treppenthür und ſtieg in die
Kajüte hinab, wo ich, zu meiner unbeſchreiblichen Freude, nach
langem Suchen ſo glücklich war, eine Laterne und eine Schachtel
Streichhölzer zu finden. Ich zündete das Licht in der Laterne
an, verſchloß ſie ſorgfältig, und ſtieg wieder auf das Verdeck. Das
auf dieſe Weiſe erlangte Licht an die Spitze eines der zerſplitterten
Maſte zu befeſtigen, war noch ſchwieriger, da das Schiff bei
jedem Wellenſchlag ſchwankte und die ſchiefe Lage des Verdeckes
ein feſtes Stehen unmöglich machte. Auch hätte ich es allein nicht
zu Stande gebracht; allein mit der Hülfe des braven Mädchens
gelang es mir endlich, unſer trauriges kleines Nothlicht
aufzu=
hängen. Sein Schein fiel auf das bleiche, ſchöne Geſicht eines
reizenden jungen Mädchens von ungefähr neunzehn Jahren, deſſen
aufgelöſtes röthlichbraunes Haar im Winde flatterte. Es war
der erſte Blick, den ich auf ihre Züge warf, obgleich ich aus dem
10.
reinen Wohlklang ihrer Stimme ſchon längſt den ſicheren Schluß
gezogen hatte, daß ſie ſchön ſei.
Wir kehrten auf unſern Poſten an der Seite des Schiffes
zurück. Eine Minute verſtrich nach der andern, und jede ſchien
uns entſetzlich lang, denn die Spannung unſerer Nerven hatte den
höchſten Grad erreicht und der Tod umgab uns auf allen Seiten.
Die ſchreckliche Gewißheit drängte ſich mir auf, daß das Schiff
mit jedem Augenblicke tiefer in den Sand verſinke, und gleichzeitig
ſtieg die Fluth immer höher. Die zornigen, ſchäumenden Wellen
hoben ſich jetzt über den Schiffsrand und riſſen uns faſt mit ſich
fort. Ich that Alles, was ich konnte, um Edith zu ſchützen, die,
ohne Furcht zu verrathen, ihre ganze Aufmerkſamkeit nur dem
ſchwachen Vater wiemete. Plötzlich aber ſtieß ſie einen lauten
Schrei aus, der ſelbſt das Ohr des faſt bewußtloſen alten Mannes
berührte. „Gerettet! gerettetlu rief ſie. „Ich habe ſie geſehen,
dicht bei uns11 Ich blickte auf die Stelle, wohin ſie deutete. Ja,
da war ein Boot, ein Rettungsboot, und noch ein zweites, größeres,
mit Luggerſegeln und braven Seeleuten bemannt. Worte vermögen
die Angſt nicht zu ſchildern, welche wir empfanden, während Jene
mit den Wellen kämpften und uns näher zu kommen ſuchten. Sie
hatten die Ruder eingelegt, die von kräftigen, willigen Händen
geführt wurden, und arbeiteten gegen die wüthende See mit
un=
erſchütterlichem Muthe, obgleich ſie jeden Augenblick zurückgeſchleudert,
im Kreiſe gedreht und mit Waſſerſäulen überſchüttet wurden, ſo
daß Mehrere fortwährend ausſchöpfen mußten, während die Anderen
ruderten. Wir krochen ſo dicht an den Gang heran, als es
mög=
lich war und wir es wagten. Ich hielt inzwiſchen ein Seil in
Bereitſchaft, um es ihnen zuzuwerfen, ſobald ſie uns nahe genug
waren; allein mit jedem Augenblicke ſchien es, als müßten die
braven Menſchen umkommen oder ihren edelmüthigen
Rettungs=
verſuch aufgeben. Dennoch fuhren ſie mit ihren Anſtrengungen
muthig fort, während das Boot bald hoch oben auf dem Kamme
einer rieſigen Welle ſchwebte, bald tief unten in einem Abgrunde
unſern Augen faſt entzogen war, und im nüchſten Momente die
braven Kämpfer, von Waſſer tiefend, wieder auftauchten, um von
Neuem durch die brüllenden Wellen zurückgeſchleudert zu werden,
gegen die ſie immer wieder und wieder vorzudringen ſuchten.
„Nur guten Muth, ihr Leutelu rief uns der rauhe alte
Steuermann des nächſten Bootes zu, als das Licht der Laterne
auf ſein gebräuntes Geſicht und ſein weißes Haar fiel. „Nicht
verzweifelt, meine ſchöne Dame! Wir wollen nicht umkehren,
ohne Sie alle aufgenommen zu haben! Rudert, Jungens, alle
zugleich, — rudert, ſage ich!
Die Ruder blitzten, ſielen ins Waſſer, und von zwölf
kräf=
tigen Armen bewegt ſchoß das Boot vorwärts.
„Jetzt das Seilin lommandirte er weiter; - „ruhig und
ſicher, Herr! Wir haben vielleicht keine zweite Gelegenheit”
So ruhig und kräftig, als es mir möglich war, ſchleuderte
ich es ihnen zu; denn ich fühlte, daß von dieſem Wurfe unſer
Aller Leben abhing.
Hurrahl Das Seil war gefangen worden, und im nächſten
Augenblicke lag das Boot an der Seite unſeres Schiſſes. Mr.
mußte
Hethington, — das war der Name des alten Herrn,
über den Schiffsrand gehoben werden, und auf gleiche Weiſe der
arme ſchwarze Matroſe, welcher ſeinen Verletzungen bald darauf
erlag. Edith und ich folgten. Noch eine Minute, und wir flogen
über die wilde See, verhältnißmäßig ſicher in einem feſten kleinen
Fahrzeuge, das des wüthenden Wetters ſpottete, und deſſen brave
Mannſchaft jede Sandbank und jede Strömung jener gefährlichen
Küſte genau kannte, und in kaum zwei Stunden erreichten wir
wohlbehalten das Ufer.
Ich habe wenig mehr zu ſagen. Mr. Hethington, ein reicher
Mann, belohnte nach ſeiner Wiederherſtellung von ſchwerer
Krank=
heit die edelmüthigen Retter mit großer Freigebigkeit: und das
vertrauliche Verhältniß, welches zwiſchen mir und ſeiner Tochter
in jener furchtbaren Gefahr entſtanden war, hörte mit der letzteren
nicht auf. Sobald Vater und Tochter nach London kamen, beſuchte
ich ſie in ihrer Wohnung, und bin nunmehr ſeit zwei Jahren der
glückliche Gatte der ſchönen Edith. Aber nie werden wir Beide
jene ſchrecklichen, auf der Goodwins=Bank verlebten Stunden
vergeſſen.
Hierzu eine literariſche Beilage, betr.: „Heſſiſches Gedenkbuch an den ſiegreichen Befreiungskampf ꝛc."
Verlag und Redaction: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.