Darmstädter Tagblatt 1929


07. Juni 1929

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Einzelnummer 10 Pfennige
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Nummer 156
Freitag, den 2. Juni 1929.
192. Jahrgang
ſtädter und Natſonalbanf.

Die Arbeitsloſen Verſicherung als Streitobiekt.
Roke Fanfaren. Agikakion um jeden Preis. Für die Sozialdemokraken kommt nur eine Beitrags=
erhöhung
in Frage! Es lebe die Parkei! Wo bleibt die Verankworkung gegenüber Staak und Volk?

*
Zwei Welken.
Der Anſchlag auf die Taſchen der Skeuerzahler.
ein geſchiffes Suet. De ridige Kauſat.
Die Antwort, die der Reichswirtſchaftsminiſter am Mittwoch
den Sozialdemokraten gegeben hat, hat geſeſſen. Das zeigte ſich
ſofort in der nervöſen Erregung des Herrn Breitſcheid, das zeigte
ſich bald darauf in der Verärgerung des Vorwärts, der es un=
gewöhnlich
findet, daß ein Miniſter in einer Frage, die im Ka=
binett
noch nicht entſchieden iſt, ſeine Parteiſtellung vertritt. Ganz
abgeſehen davon, daß Dr. Curtius als Miniſter und nicht als
Parteimann geſprochen hat, glauben wir uns bei dem Pan=
zerkreuzerfall
zu erinnern, daß die ſozialdemokra=
tiſchen
Miniſter, obwohl das Kabinett entſchieden hatte, im
Reichstag ihre Parteiſtellung vertraten. Gerade von
der Seite ſind alſo ſolche =Vorwürfe unangebracht. Sachlich
greift der Vorwärts ſchon wieder zu Orohungen. Wenn der
ſozialdemokratiſche Vorſchlag abgelehnt würde, müßte entweder
das Defizit der Arbeitsloſenverſicherung aus allgemeinen Reichs=
mitteln
gedeckt oder gegen den Willen der Sozialdemokraten ein
Abbau der Leiſtungen erzwungen werden. Das klingt ſehr tapfer,
iſt aber nur eine Fanfare, denn von einem Abbau der
Leiſtungen hat bisher niemand geſprochen,
ſondern nur von einer Beſchränkung des Rechtes
auf unterſtützungen.
Am deutlichſten wurden die Sozialdemokraten dann am
Donnerstag im Reichstag, wo ſie den Vorſitzenden des
Metallarbeiterverbandes, Brandes, vorſchickten, der allerdings
die Tatſachen auf den Kopf ſtellte und Herrn Dr. Curtius für
den ganzen Streit verantwortlich machen wollte, anſtatt zuzu=
geben
, daß es wieder die Sozialdemokraten geweſen ſind, die
durch ihr Vorprellen den Miniſter zu ſeiner Abwehr gezwungen
hatten. Dr. Curtius hat dazu geſchwiegen wohl mit Necht.
Er hatte einmal geſagt, was er auf dem Herzen hatte, und zwei=
tens
wäre eine Fortſetzung der Ausſprache vor verſammeltem
Reichstag koalitionspolitiſch unzweckmäßig geweſen, zumal da ja
das eigentliche Streitobjekt in das Reſſort des Reichsarbeits=
miniſters
hineingehört.
Herr Wiſſel hat nun am Donnerstag endlich die inter=
fraktionellen
Beſprechungen begonnen, die ſchon
längſt wegen der Arbeitsloſenverſicherung fällig
waren. Zu einer materiellen Erörterung ſeines Sofortpro=
gramms
, das wie wir ſchon ſagten um die eigentlichen
Schwierigkeiten herumgeht und nur mit Verwaltungsmittelchen
Abhilfe ſchaffen will, iſt es gar nicht gekommen. Der Sozial=
demokrat
Aufhäuſer hat ſofort wieder ſeinen Spruch her=
untergebetet
, daß für die Sozialdemokraten nur eine Bei=
tragserhöhung
in Frage komme. Die bürgerlichen
Parteien haben ſich dem widerſetzt und für Freitag
praktiſche Vorſchläge angekündigt. Es verſtärkt ſich aber der Ein=
druck
, daß die Sozialdemokraten die Frage dilatoriſch behandeln
wollen und auch auf eine Sachverſtändigenkommiſſion der Re=
gierung
drängen nur zu dem Zwecke, die Vorbeſprechungen ſo=
lange
hinauszuſchieben, daß bis zum Herbſt nichts zu machen iſt
und dann die Regierung in die Zwangslage zu verſetzen, beim
Neubeginn der winterlichen Arbeitsloſigkeit weitere Zuſchüſſe zu
leiſten. Die bürgerlichen Parteien haben keine Neigung, dieſes
Spiel mitzumachen. Sie werden darauf drücken, daß noch vor
den Sommerferien eine Entſcheidung fällt, und es kann ſchon ſein,
daß wenn die Sozialdemokraten bockbeinig bleiben, darüber
Niſſe in der Koalition entſtehen.
Im Reichstag

iſt es am Donnerstag, aber auch ſonſt recht intereſſant geweſen.
Selbſtverſtändlich haben die Deutſchnationalen verſucht, die Pa=
riſer
Verhandlungen in die Debatte zu ziehen. Dazu wurde als
zweiter Redner Herr Klönne vorgeſchickt, der als Vertreter der
Induſtrie in dieſer Frage beſonders ſachverſtändig iſt. Er ver=
ſuchte
vergeblich, den Reichswirtſchaftsminiſter noch zu einer Er=
klärung
über das kommende Gutachten herauszulocken. Dr. Cur=
tius
tat ihm dieſen Gefallen aber nicht. Dagegen faßte Herr
Klönne den Demokraten Prof. Bernhard ſehr ſcharf an, der nach
dem Rücktritt Dr. Vöglers durch ſeine voreiligen und einſeitigen
Angriffe in der Voſſiſchen Zeitung gegen die Schwerinduſtrie
ſehr viel Unheil angeſtiftet hat. Bei dieſem Streit wurde es
gleich ſehr lebhaft. Von rechtsher fiel ſogar gegen Herrn Bern=
hard
der Zwiſchenruf Landesverräter‟. Was Herr Bernhard
ſelbſt zur Erwiderung zu ſagen hatte, war wenig geſchickt. Er
trat inſoweit einen Rückzug an, als er Dr. Vögler niemals als
einen bezahlten Angeſtellten der Schwerinduſtrie habe bezeichnen
wollen, aber er hätte klüger getan, zuzugeben, daß er auf falſche
Informationen hereingefallen war, als auch noch den Verſuch zu
machen, wiederum falſch verſtandene Klatſchereien zu Angriffen
zu benutzen. Wieviel Porzellan er damals zerſchlug, müßte er
eigentlich inzwiſchen begriffen haben.
Reichskags=Sikungsbericht. Aufmarſch der Gegner
des Heſsenſtſchafsnfuese.
In der Donnerstagsſitzung des Reichstags wurde die Beratung des
Wirtſchaftsetas fortgeſetzt.
Abg. Brandes (S.) wandte ſich gegen die Ausführungen des
Reichswirtſchaftsminiſters zur Arbeitsloſenverſicherung. Der Miniſter
könue nur für die hinter ihm ſtehende Partei geſprochen hoben. Die
Sozialdemokraten würden einer befriſteten Beitragserhöbung zuſtim=
men
, verlangten aber, daß an den Leiſtungen der Verſicherung nichts
gekürzt werde. Dieſen Beſtrebugen gegenüber wirden die Sozial=
demokraten
den ſtärkſten Widerſtand zeigen.

Abg. Dr. Klönne (Dn.) wandte ſich gegen die geſtrigen Ausfüh=
rungen
des Mimniſters gegen die Deutſchnationalen. Der Redner kam
dann auf die Pariſer Konferenz zu ſprechen und behauptete, die Aus=
laſſungen
des Reichswirtſchaftsminiſters über die Kapitalneubildung in
Deutſchland hätte eine der Grundlagen gebildet, die Parker Gilbert zu
der Abfaſſung ſeines unveranwortlich günſtigen Berichtes veranlaßt
hätten. Der Redner fragte dann, ob der Miniſter den Verhandlungen
zugeſtimmt habe, ehe die Frage der Rheinlandräumung geklärt war.
Der Nucktrittsbeſchluß des Sachverſtändigen Vögler laſſe klar erkennen,
daß die Grenzen des deutſchen Entgegenkommens überſchritten worden
ſeien. (Lebhafte Zuſtimmung rachts, Unruhe und Lärm links)
Reichswirkſchaftsminiſter Dr. Curkius
erwiderte dem deutſchnationalen Redner, ſeine geſtrige Bemerkung gegen
die Deutſchnationalen habe ſich gegen die Ablehnung der Vorlage über
die Weltwirtſchaftskanferenz gerſchtet. Auf die Reparationsverhand=
lungen
könne erſt ſpäter eingegangen werden. Bezüglich ſeiner Aus=
führungen
über die Kapitalneubildung müſſe er entſchieden den Vor=
ſpurf
zurüchveiſen, als habe er die deutſchen Intereſſen geſchädigt. Im
weiteren Verlauf ſeiner Erklärungen, kam, der Miniſter noch auf die
Zollfragen zu ſprechen und erwähnte, er habe bei den verſchiedenen Han=
delsverträgen
dafür geſorgt, daß die Forderungen der Landwirtſchaft
erfüllt wurden.
Der Fal Bernhard.
Abg Bernhard (Dem.) wandte ſich in einigen perſönlichen Be=
merkungen
gegen derſchiedene Vorwürfe des deutſchmnationalen Redners
Klönne. Er habe ſich immer bemüht, dem Sachverſtändigen Vögler ge=
recht
zu werden. Die Schwerinduſtrie habe aber aus der Not der deut=
ſchen
Wirtſchaft ihre Konſeguenzen ziehen wollen. Es iſt nicht zu leug=
nen
, ſo erklärte der Nedner, daß Vögler und Schacht ins Nuhrgebiet
gefahren ſind, um die Schwerinduſtrie umzuſtimmen. Nach den Dar=
legungen
Schachts über die drohende Transferkriſe habe Thyſſen bei
dieſen Beſprechungen erwidert, er brauche dieſe Kriſe jetzt, nur dann
ſeien die Lohnfrage und die Reparationsfrage auf einmal zu beſeitigen,
Abg. von Raumer (2.B.P.) ſprach den Pariſer Sachverſtändi=
gen
den Dank ſeiner Partei aus. Auch ſeine Partei verſtehe nicht die
Entgleiſungen, die ſich der Abg. Bernhard habe zuſchulden kommen
laſſen. Kaum je habe ein Artikel in weiten Kreiſen ſolche Beunruhi=
gung
erregt, wie der des Abg, Bernhard. Der Redner hielt es für
notwendig, daß unſere Zollſätze genau nachgeprüft toerden, ob die
autonomen Sätze hoch genug ſind, um einen vertragsloſen Zuſtand den
übrigen Ländern unangenehm zu machen. Die Nede des Abg. Krätzig
ſei ein kommuniſtiſches Manifeſt geweſen. Tatſächlich habe die kabi=
taliſtiſche
Wirtſchaft in den letzten Jahren außerordentliche Leiſtungen
aufzuweiſen, wohei er ſowohl die Verdienſte der Arbeiterſchaft wie der
Unternehmer chaft anerkenne. Es handele ſich jetzt darum, wirtſchaft=
liche
Rückſchläge zu vermeiden. Da ſei die Mitarbeit der Arbeitnehmer
in ihrem eigenſten Intereſſe. Wir werden demnächſt ein neues Wirt=
ſchaftsprogramm
aufzuſtellen haben. Wir reichen Ihnen (zu den Soz.)
die Hand zur Mitarbeit. Ob die Zuſammenarbeit zu etwas führen
werde, hänge davon ab, ob Sie tatſächlich die Maſſen führen. Nach=
dem
noch die Abgg. Haind! (Deutſche Bauernbartei), Büll (Dem.),
Koenen (Kom.), Arteld (Deutſch=Hannob.), Peine (Soz),
Rieſeberg (Onatl.), v. Sybel GBauernpt. Adler, Hörnke
(Kom.), Gandorfer Bauernpt.) und Hutmann (Soz.) geſpro=
chen
hatten, ſchloß die Ausſprache. Die Abſtimmungen wurden auf
morgen zurückgeſtellt. Das Haus vertagte ſich um halb 10 Uhr auf
Freitag, 3 Uhr: Haushalt des Miniſteriums des Innern.
Dr. Skreſemann auf der Reiſe nach
Madrid in Paris.
Unkerredung mit den deutſchen Sachverſtändigen.
EP. Paris, 6. Juni.
Reichsaußenminiſter Dr. Streſemann wurde heute mittag
bei ſeiner Ankunft auf dem Nordbahnhof vom deutſchen Bot=
ſchafter
v. Hoeſch, dem geſamten Botſchaftsperſonal und einem
Vertreter des Quai dOrſay empfangen. Nachdem er das üb=
liche
Schnellfeuer der Photographen lächelnd über ſich hatte er=
gehen
laſſen, begab er ſich im Auto zur deutſchen Botſchaft. Zu
ſeinen Ehren veranſtaltete heute nachmittag der deutſche Bot=
ſchaſter
v. Hoeſch einen Tee=Empfang in der Botſchaft. Nachher
hatte Dr. Streſemann eine lange Unterredung mit den deutſchen
Delegierten auf der Sachverſtändigenkonferenz. Dr. Streſemann
und die deutſche Delegation haben die Fahrt nach Madrid heute
abend 20,30 Uhr angetreten.
Konferenzſchluß in Paris. Unkerzeichnung Zreitag
Uuahniſtaf F Uk.
Die offizielle Sitzung des Sachverſtändigenausſchuſſes, in
der die Unterzeichnung des für die Regierungen
beſtimmten Schlußberichtes ſtattfinden wird, iſt auf
Freitag nachmittag 5 Uhr angeſetzt. Da die Konferenz
am 9. Februar mit einer vorbereitenden Sitzung in der Bank von
Frankreich begonnen hat, hat ſie genau vier Monate gedauert.
Der Redaktionsausſchuß der Konferenz ſetzt inzwiſchen eifrig
ſeine Arbeiten fort und hofft, mit der Abfaſſung des Berichtes
in ſpäter Nachtſtunde oder morgen früh fertig zu werden. Dem
Temps zufolge wird der Bericht, der bekanntlich in engliſcher
und franzöſiſcher Sprache aufgeſetzt wird, folgende Kapitel ent=
halten
: Einberufung und Aufgaben des Sachverſtändigen= Aus=
ſchuſſes
, Prüfung der Lage Deutſchlands, Statuten und Arbeits=
weiſe
der Internationalen Zahlungsbank, Vergleiche zwiſchen
dem Dawesplan und dem Young=Plan, Reparations=Annuitäten
(Höhe, Zahl, ungeſchützter Teil, Sachlieferungen uſw.), Transfer I
und Aufbringung F=Moratorium, Kommerzialiſierung und Mobi=
liſierung
des ungeſchützten Annuitätenteiles. In umfangreichen
Anhängen werden die Internationale Zahlungsbank und die
Verteilung der deutſchen Annuitäten unter die Gläubigerländer

behandelt.

* Die Einigung in Paris.
In dieſen Tagen werden die Sachverſtändigen der ein=
zelnen
Länder den Bericht der Reparationskonferenz gemein=
ſchaftlich
unterzeichnen, nachdem das letzte Hindernis, die Rege=
lung
der belgiſchen Markforderung, durch das Entgegenkommen
der deutſchen Delegation aus dem Wege geräumt worden iſt.
Die Reparationsſachverſtändigen haben ſich alſo nach langwie=
rigen
und ſchwierigen Verhandlungen, die mehr als drei Mo=
nate
angedauert haben und einem wechſelvollen Spiel ausgeſetzt
waren, geeinigt, und die Sachverſtändigenkonferenz geht damit
zu Ende, und das Drama der Reparationen findet ſeinen vor=
läufigen
Abſchluß.
Eine genaue, ins einzelne gehende materielle Würdigung
und Beurteilung der Arbeiten des Pariſer Sachverſtändigenaus=
ſchuſſes
iſt ſo lange nicht möglich, als der genaue Wortlaut des
unterzeichneten Berichtes der Reparationskonferenz nicht vor=
liegt
. Trotzdem kann aber jetzt das Fazit aus Verlauf, Ent=
wicklung
und den bisher bekannt gewordenen Ergebniſſen der
Sachverſtändigenkonferenz gezogen werden. Die in Paris er=
reichte
Einigung ſtellt eine politiſche Löſung dar, nicht wie es
von deutſcher Seite angeſtrebt wurde, eine wirtſchaftliche, und
es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Einigung nur
herbeigeführt werden konnte, weil man bei der Behandlung der
Reparationsfrage in Paris auf das politiſche Gebiet zurückgekehrt
iſt. Wenn die ganze Welt über die Nachricht von der glücklichen
Beendigung der Sachverſtändigenkonferenz aufatmet, ſo liegt dies
nicht darin, daß man allgemein in der Einigung eine endgültige
Löſung des Reparationsproblems ſehen zu können glaubt, ſon=
dern
vornehmlich in der Tatſache, daß die Sachverſtändigenkon=
ferenz
auf einem umſtändlichen, mit vielen Kriſen gekennzeich=
neten
Weg nun doch zu einem Ziele gelangt iſt. Die Welt hat
erkennen müſſen, wie ſchwierig alle mit dem Reparationspro=
blem
zuſammenhängenden Fragen und alle aus ihm erwachſenen
Aufgaben ſind, die von den Sachverſtändigen nur zu einem Er=
gebnis
gebracht werden konnten, indem ſie ſich ſchließlich unter
Ausſchluß von harten wirtſchaftlichen Tatſachen ausgehender
Ueberlegungen des Mittels der Politik bedient haben. Es iſt
klar, und das kann heute mit aller Deutlichkeit ausgeſprochen
werden, daß eine Löſung auf rein wirtſchaftlicher Grundlage
niemals möglich war, und daß infolgedeſſen niemals wirkliche
Sachverſtändige ein Ergebnis hätten herausarbeiten können,
welches als Grundlage für eine Einigung zwiſchen Deutſchland
und den Gläubigernationen in Frage gekommen wäre. Sicher=
lich
iſt hier die Frage berechtigt, warum denn gerade Deutſchland,
bzw. die deutſche Regierung, immer wieder darauf Wert gelegt
hat, zu erklären, daß die deutſchen Delegierten als unabhängige
Sachverſtändige an den Verhandlungen in Paris teilnehmen.
Für Deutſchland kam es in erſter Linie darauf an, die Sach=
verſtändigenkonferenz
mit Männern der Wirtſchaftspraxis zu
beſchicken, weil die deutſche Leiſtungsfähigkeit, das Zahlen=
können
, zu behandeln ſtand und weil nur Sachkenner die ſchäd=
lichen
Folgen in wirtſchaftlicher Hinſicht tatſächlich erklären und
nachweiſen konnten, wenn man bei Verhandlungen, die der
deutſchen Leiſtungsfähigkeit gezogenen wirtſchaftlichen Grenzen,
wie es geſchehen iſt, überſchritt. Alles, was ſich auf den ſo zu
ſagen techniſchen Teil der Reparationszahlungen bezieht, ihre
Folgen auf die internationalen Kapitalbewegungen, vor allem
aber ihre Wirkungen für die empfangenden Gläubigerſtaaten
ſelbſt, konnten nur von Sachverſtändigen bearbeitet werden,
das gleiche gilt für den Plan der Reparationsbank, durch die ein
ganz neuer Organismus für die deutſchen Reparationszahlungen
und Leiſtungen geſchaffen wird und für die zwölf deutſchen Vor=
behalte
, die zum Teil angenommen ſind und eine Reihe von
Sicherungen für Aufbringung und Transfer vorſehen. Wirt=
ſchaftliche
Geſichtspunkte konnten von vornherein für die Dele=
gierten
der Gläubigernationen bei der Feſtſtellung deutſcher
Reparationszahlungen nicht ausſchlaggebend ſein, weil ſie allein
von dem Begriff des Zahlenſollens ausgingen und infolge=
deſſen
die Reparationsſumme lediglich nach den Finanzbedürf=
niſſen
ihrer Regierungen feſtgeſetzt ſehen wollten. Als die deutſche
Delegation ihr Angebot auf 1650 Mill. RM. bezifferte, war das
Erſtaunen bei allen Delegierten, einſchließlich der Amerikaner,
ſehr groß, obgleich nach den Ausführungen, die Dr. Schacht zu
Beginn der Konferenz über die deutſche Leiſtungsfähigkeit ge=
macht
hatte, eigentlich bei wirtſchaftlichen Sachverſtändigen kein
Zweifel über die Höhe des deutſchen Angebots beſtehen konnte.
Die Vertreter der Gläubigernationen haben in ihrem erſten
Zahlenmemorandum, das die Summen enthielt, die man von
Deutſchland forderte, offen zugegeben, daß dieſe Zahlen die
Forderungen der hinter ihnen ſtehenden Regierungen ſeien. Die=
ſes
ſeinerzeit ausgeſprochene Eingeſtändnis politiſcher Forde=
rungen
kann heute, wo mit der Einigung in Paris die Repa=
rationsfrage
wieder zur Politik zurückehrt, nicht mehr Verwun=
derung
erregen. Zu einer Feſtſtellung der deutſchen Leiſtungs=
ſähigkeit
, nach wirtſchaftlichen Geſichtspunkten iſt es in Paris
nicht gekommen; man hat ſich vielmehr an die von den Ameri=
kanern
in Verkennung der wirtſchaftlichen Lage Deutſchlands
eingeſchätzte Leiſtungsfähigkeit gehalten, die zahlenmäßig in dem
Young=Plan mit einer Durchſchnittsanuität von etwas über
2 Milliarden pro Jahr ihren Ausdruck gefunden hat. Während
das deutſche Angebot ſich auf 26 Milliarden Goldmark belief.
gegenüber einer Forderung der Allierten in Höhe von 39 Mil=
liarden
, iſt alſo ſchließlich eine Kapitalſumme von 36 Milliar=
den
zuſtande gekommen, die um etwa 10 Milliarden über dem
deutſchen Angebot liegt. Es iſt von uns ſchon an dieſer Stelle
betont worden, daß die deutſche Delegation mit der Annahme des
Young=Planes, den Boden wirtſchaftlicher Tatſachen verließ,
welchen Schritt mitzugehen Dr. Vögler für nicht mit ſeinem
Sachverſtändigengewiſſen vereinbar hielt. Der Rücktritt Dr. Vög=
lers
hat ſeinen Eindruck auf die Delegierten der Reparations=
konferenz
nicht verfehlt, er hat aber vor allem gerade in dem
letzten Verhandlungsabſchnitt die Poſition der deutſchen Dele=
gation
geſtärkt, ſo daß ſie durch feſte Haltung wenigſtens die
deutſchen Vorbehalte zur Annahme bringen konnte. Die An=
nahme
dieſer Vorbehalte, die es der deutſchen Delegation über=
haupt
möglich machte, den durch die Young=Ziffern ſo weſent=

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Zeite 2

Freitag, den 7. Juni 1929

Nummer 456

lich überſteigerten Reparationszahlungen zuzuſtimmen, bedeutet
viel, und man kann nur hoffen, daß dieſe Vorbehalte in den
politiſchen Nachverhandlungen keine Modifizierungen zum Nach=
teil
Deutſchlands erhalten.
Wertet man das mit der Einigung in Paris Erreichte ſum=
mariſch
unter dem Geſichtspunkt, daß es das Maximum des
unter den gegenwärtigen Umſtänden und, wie es uns der Ver=
lauf
der Konferenz eindeutig vor Augen geführt hat, Erreich=
baren
darſtellt, ſo iſt zu ſagen, daß wirtſchaftliche Fortſchritte
gegenüber dem Dawesplan nur in der Feſtſetzung der Annuitä=
tenhöhe
der erſten 10 oder 15 Jahre und in der Befreiung der
deutſchen Wirtſchaft von Sonderkontrollen feſtzuſtellen ſind. Die
Ziffern des Young=Planes ſind aber im Geſamtdurchſchnitt
politiſche und tragen nicht den wirtſchaftlichen, ſondern den poli=
tiſchen
Erforderniſſen Rechnung. Der Young=Plan iſt, genau wie
das Dawesabkommen ein Proviſorium inſofern, als im Falle
einſchneidender wirtſchaftlicher Veränderungen eine Ueberprü=
fung
ſtattzufinden hat, von der lediglich der transferungeſchützte
Teil der deutſchen Annuität in Höhe von 660 Mill. RM. mit
Einſchluß des Zinſendienſtes für die Dawesanleihe ausgenom=
men
iſt; er iſt aber im Unterſchied zum Dawesplan ein Defi=
nitivum
und verläßt damit den experimentellen Boden des
Dawesplanes, indem die Einigung hinſichtlich der Ziffern über
das Höchſtmaß deutſcher Leiſtungen endgültig ſein ſoll. Damit iſt
alſo eine Ziffernbaſis auch für die Gläubiger feſtgelegt und an
die Stelle der bisherigen Ungewißheit über die Höhe der deut=
ſchen
Reparationsleiſtungen tritt die Gewißheit der Young=
Zahlen. Die Einigung ſtellt ſomit für die Reparationsfrage eine
Notlöſung dar, weil auch die Young=Kommiſſion nicht von der
Baſis ſachverſtändiger Beurteilung der deutſchen Leiſtungsfähig=
keit
ausging. Jedenfalls iſt die Erfüllung des Young=Planes
vorerſt auch nur dann möglich, wenn Deutſchland neue Kredite
aus dem Auslande bekommt und mit dieſen erfüllt. Ob es ge=
lingen
wird, die deutſche Wirtſchaft in den erſten 10 Jahren
durch die gewährten Erleichterungen in ihrer Produktionsfähig=
keit
zu ſtärken und ihre Ausfuhr zu ſteigern, iſt zweifelhaft. Vor
allem muß jetzt alles daran geſetzt werden, um mit den Erleich=
terungen
die Grundlage für eine dauernd günſtige Entwicklung
der Wirtſchaft zu ſchaffen, d. h. mit anderen Worten, die in
Waris erreichten Erleichterungen müſſen in erſter Linie der
Wirtſchaft zugute kommen. Dazu bedarf es aber einer Reform,
beſonders des Finanz= und Steuerweſens in dem Sinne, daß
die aus der Neuregelung frei werdenden Beträge nicht zu einer
weiteren Steigerung der Ausgaben des Staates benutzt, ſon=
dern
durch eine ſolche Reform an Haupt und Gliedern, von der
auch die Verwaltung mit ergriffen werden muß, zu einer Ent=
laſtung
der Wirtſchaft eingeſetzt werden. Ueber die Konſequenzen,
die die deutſche Wirtſchaftspolitik aus der durch die Einigung
in Paris geſchaffenen Baſis für die Wirtſchaftsführung zu ziehen
hat, wenn die Regierungen der einzelnen Länder ihre Zuſtim=
mung
zu dem Bericht der Sachverſtändigen gegeben haben, ins=
beſondere
über die Neuregelung im Innern, werden wir dem=
nächſt
uns äußern.
Die Markverhandlungen mit Belgien beginnen.
Der Geſandte Ritter, der im Auftrage des Auswärtigen
Amtes die Verhandlungen mit Belgien über die während des
Krieges in Belgien ausgegebenen Markbeſtände führen wird,
reiſt am Montag nach Brüſſel ab. Es iſt falſch, wenn behaup=
tet
wird, daß als Entſchädigung von unſerer Seite die Summe
von 400 Millionen zugeſtanden werden ſoll. Die Belgier haben
vielmehr von ſich aus dieſen Betrag verlangt, der in Annuitäten.
von 25 Millionen Dollar getilgt werden ſoll. Aufgabe des deut=
ſchen
Unterhändlers wird es nun ſein, zu einem möglichſt bil=
ligen
Abkommen zu gelangen.
Abwarlende Halkung Amerikas zur Inkernakionalen
Diplomakenkonferenz.
Aus der Umgebung des Weißen Hauſes verlautet, daß
Präſident Hoover den Bericht der amerikaniſchen Delegation
bei der Pariſer Sachverſtändigenkonferenz abwarten will, um
darüber zu entſcheiden, ob für die Vereinigten Staaten ein An=
laß
beſteht, ſich an der zu erwartenden Internationalen diplo=
matiſchen
Konferenz zu beteiligen. Falls der Präſident eine
ſolche Beteiligung für notwendig erachtet, werde wahrſcheinlich
der amerikawiſche Botſchafter in London, General Dawes, mit der
Vertretung der Vereinigten Staaten beauftragt.

Von OScar A. H. Schmitz.

Die Grundlage der alten chineſiſchen Kultur iſt das vor=
urteilsfreie
, gewiſſenhafte Denken des Edlen, der im Einklang
mit ſich ſelbſt ſtets das Rechte zu tun beſtrebt iſt, ſowie die
plaſtiſche Beinflußbarkeit der menſchlichen Pſyche zu Gunſten
der Werte. (Richard Wilhelm.) Das Fehlen jeder abergläu=
biſchen
Begründung macht in China dieſe innerſten Erfah=
rungen
unwiderlegbar durch wiſſenſchaftliche Tatſachen, und da
die geforderten Werte in ſichtbaren Menſchen verkörpert, nicht
bloß in Vereinigungen hoch gehalten werden, wird der Lehrer
nicht zum Schulmeiſter, ſondern zum Weiſen. Ohne Zweifel be=
ſitzt
das Abendland in ſeiner aus der Vermählung von Antike und
Chriſtentum gewachſenen, mit dem Blut vieler jüngerer Völker
gedüngten Kultur ein Analogon zu jener chineſiſchen Tradition,
nur iſt es weniger einheitlich verſchmolzen, weniger ſchlackenrein,
weniger überzeugend, anziehend und werbend. Aus dieſem Grund
iſt heute die Frage berechtigt, ob eine endgültige Befriedung
des Abendlandes eine überzeugende Vereinheitlichung der abend=
ländiſchen
Kulturwerte noch in letzter Stunde ermöglichen wird,
die ihr die volle, wenn auch ſpäte Reife und Widerſtandsfähig=
keit
gegen Schädliches geſtatten würde. Nur dann vermag ſie,
die Errungenſchaften der Ziviliſation zu menſchenwürdigen Zwek=
ken
zu verwenden, andernfalls wird, ihr die zuſammengefaßte
Kraft fehlen, den Verſuchungen zu widerſtehen, die Technik
immer mehr in den Dienſt des Minderwertigen zu ſtellen, oder
gar angebetet, zum Kultus des Minderwertigen werden. Das
wollen wir etwas näher betrachten.
In jenen Gruppen, die das Zeitalter der modernen Zivili=
ſation
kritiſch betrachten, hört man immer wieder als Hauptein=
wand
gegen ſie, daß ſie totes Wiſſen aufſchichte, das wohl zu
mechaniſchem Können führe, nicht aber zu wertvollem, menſchen=
würdigem
Sein. Ein ſolches werde weniger durch Wiſſen, als
durch lebendige Weisheit erreicht. Dieſe wird nun tatſächlich
nicht dadurch gewonnen, daß man Kenntniſſe erwirbt, ſo wie man
etwa Einkäufe macht und ſie in einen Koffer legt, ſondern ihre
Uebertragung auf den Schüler durch das Wort des Meiſters gleicht
dem organiſchen Vorgang des Säens. Der Same an ſich wäre
kein Beſitz, wenn er nicht unter dem Einfluß des Erdreiches ſich
völlig verwandelte und als Pflanze aufginge. Das Land nun,
das die Erziehung und ſein ganzes Ethos auf ſolche Weisheit
geſtellt hat, iſt China, und merkwürdig genug: während die Kri=

Vom Tage.
Der Reichsrat genehmigte die Verlängerung der
Geltungsdauer des Republikſchutzgeſetzes um drei
Jahre mit 62 gegen 4 Stimmen. Dagegen ſtimmten die Vertreter
von Oſtpreußen, Brandenburg, Pommern und Niederſchleſien.
Im Reichsfinanzminiſterium wird gegenwärtig an einer Denk=
ſchrift
über die Kraftfahrzeugſteuer gearbeiter, die bis
Oktober 1930 fertiggeſtellt und die Ergebniſſe einer Sachverſtändigen=
Kommiſſion in den Vereinigten Staaten enthalten ſoll.
Dem gemeinſamen Schritt der evangeliſchen Landes=
kirchen
zum Konkordat folgt nunmehr eine zuſtimmende
Erklärung des Kirchenſenats, der ſich auf ſeiner ſoeben
beendeten Berliner Tagung eingehend mit der Konkordatsfrage be=
faßt
hat.
Bei der in Bukareſt am Freitag beginnenden internatio=
nalen
landwirtſchaftlichen Tagung wird als erſter aus=
ländiſcher
Vertreter der ehemalige Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Her=
mes
über die Bedeutung der Landwirtſchaft und
über die Entwicklung der Weltwirtſchaft ſprechen.
Der franzöſiſche Miniſterpräſident Poinearé hat den Finanzkommiſ=
ſionen
der Kammer und des Senats ein juriſtiſches Gutachten übermittelt,
das von drei hervorragenden franzöſiſchen Rechtslehrern aufgeſtellt wor=
den
iſt, und das zu dem Schluß komut, daß die Regierung das Recht
habe, die Schuldenabkommen mit den Vereinigten Staaten und England
ohne vorherige Befragung des Parlaments zu ratifizieren.

tiker unſerer abendländiſchen Zivilifation des Wiſſens und Kön=
nens
ihre Blicke bewundernd und neuerdings auch verſtehend nach
China wenden, will es ſcheinen, als ob dieſer einzige gleich ſtarke
und gleichwertige Gegenpol Europas ſeiner Ueberlieferung zu
Gunſten der abendländiſchen Ziviliſation entſagen wolle. Indeſ=
ſen
ſſcheint es nur ſo. Wenn wir dem tiefſten Kenner Chinas,
Prof. Richard Wilhelm (Univerſität Frankfurt), glauben dürfen,
handelt es ſich hier nicht um eine Kapitulation des chineſiſchen
Geiſtes vor mechaniſchem Ungeiſt‟. Das chineſiſche Kulturplasma
hat ſich immer fähig gezeigt, ſehr fremdartige Einflüſſe zu aſſi=
milieren
. Primitiven Völkern fehlt der feſte Seelengrund, von
dem aus Brücken zu Neuland geſchlagen werden könnten. Darum
verfallen ſie unter dem Einfluß der modernen Ziviliſation ſchnell
der Proletariſierung. China aber bringt nicht nur genug ſeeliſche
Widerſtandskräfte mit, ſondern auch eine eigene techniſche Tradi=
tion
, hat es doch Kompaß, Papier, Buchdruck, Schießpulver, Por=
zellan
erfunden, von der aus es nur weiter zu ſchreiten braucht.
Wer ſich über Werden und Wandel des chineſiſchen Kulturkreiſes
im Hinblick auf die hier erörterten Fragen ſehr ſchnell und doch nicht
oberflächlich unterrichten will, der greife zu Wilhelms eben in
Prinzhorns Bücherſerie Das Weltbild bei Kiepenheuer er=
ſchienenem
Büchlein Oſtaſien‟. Da hier das reiche Tatſachen=
material
immer auf ſeinen Sinn bezogen iſt, prägt es ſich ſchnell
ein und macht die Lektüre feſſelnd wie eine epiſche Erzählung.
Wilhelm glaubt nun in China an die Möglichkeit einer Syntheſe.
Der in Jahrtauſenden gezüchtete chineſiſche Menſch werde nicht
von der techniſchen Ziviliſation aufgefreſſen werden, ſondern er
lerne ſie nur als neues Mittel der Lebensbeherrſchung gebrauchen.
Die Grundlage der alten chineſiſchen Kultur aber iſt das vor=
urteilsfreie
, gewiſſenhafte Denken des Edlen, der im Einklang
mit ſich ſelbſt ſtets das Rechte zu tun beſtrebt iſt, ſowie die
plaſtiſche Beeinflußbarkeit der menſchlichen Pſyche zu Gunſten der
Werte. Das Fehlen jeder abergläubiſchen Begründung macht
dieſe innerſten Erfahrungen unwiderlegbar durch wiſſenſchaftliche
Tatſachen, und da die geforderten Werte Seinswerte ſind, ſetzen
ſie die Verkörperung, nicht bloß ihre Hochhaltung voraus. So
wird der Lehrer nicht zum Schulmeiſter, ſondern zum Weiſen.
Ohne Zweifel beſitzt das Abendland in ſeiner aus der Ver=
mählung
von Antike und Chriſtentum gewachſenen, mit dem
Blut vieler jüngerer Völker gedüngten Kultur ein Analogon zu
jener chineſiſchen Tradition, nur iſt es weniger einheitlich ver=
ſchmolzen
, weniger ſchlackenrein, weniger überzeugend, anziehend
und werbend. Aus dieſem Grund iſt heute die Frage berechtigt,
ob eine endgültige Befriedung des Abendlandes eine wirkliche
Integrierung der abendländiſchen Kulturwerte noch in letzter

Der Reichsbahnſchiedsſpruch verbindlich.
Vor Verhandlungen über die Deckungsfrage.
Berlin, 6. Juni.
Der Reichsarbeitsminiſter hat am Donnerstag den im Lohn=
ſtreit
der Reichsbahn vom Schlichter gefällen Schiedsſpruch für
verbindlich erklärt. Nach der Verbindlichkeitserklärung des
Reichsbahnſchiedsſpruches durch den Reichsarbeitsminiſter wird
vermutlich die Reichsbahn an die Reichsregierung wegen der
Deckungsfrage ſchleunigſt herantreten, ohne daß dabei allerdings
ſofort die Forderung einer Tariferhöhung erhoben werden dürfte.
Man wird vielmehr verſuchen, in den kommenden Verhandlun=
gen
zunächſt die Möglichkeit eine Deckung für die entſtandenen
Mehrlaſtem auf anderem Wege, vielleicht durch den ſchon kürz=
lich
angedeuteten eventuellen Verzicht des Reiches auf den Ueber=
ſchuß
aus der Verkehrsſteuer über den an den Neparationsagen=
ten
abzuführenden Betrag. Dem nunmehr für verbindlich erklär=
ten
Schiedsſpruch unterwirft ſich die Reichsbahn wit der ſoforti=
gen
Auszahlung der laufenden erhöhten Löhne aus der Betriebs=
laſſe
, aber dieſe Auszahlungen ſind nur augenblicklich und nicht
auf die Dauer möglich ohne Regelung der Deckungsfrage.

Stunde ermöglichen wird, die ihr die volle, wenn auch ſpäte
Reife und Widerſtandsfähigkeit gegen Schädliches geſtatten würde.
Nur dann vermag ſie, die Errungenſchaſten der Ziviliſation zu
menſchenwürdigen Zwecken zu verwenden, andernfalls wird ihr
die zuſammengefaßte Kraft fehlen, den Verſuchungen zu wider=
ſtehen
, die Technik immer mehr in den Dienſt des Minderwertigen
zu ſtellen. Das Reſultat wäre eine Menſchheit, in der jeder Ein=
zelne
über Auto, Zentralheizung, hygieniſche Nahrung, Pelz,
Radio, Wiſſen und Vergnügung aller Art verfügte, aber niemand
mehr verſtünde, was in Hellas, Paläſtina, Rom, Florenz, Paris,
London, Wien, Weimar trotz maſſenhafter Armut, Krankheit und
Gebundenheit des Lebens den Menſchen über das Verhältnis von
Verkäufer und Kunde, Warenproduzent und Verbraucher empor=
gehoben
hat."
Worauf beruht nun die Gefahr der techniſchen Ziviliſation,
mehr und mehr in den Dienſt des Minderwertigen zu treten?
Zitieren wir hier noch einmal Wilhelm, denn beſſer läßt es ſich
nicht ſagen: Die Technik beruht auf der konſequenten Anwendung
der phyſikaliſchen Geſetze, der einzigen, die, wie ſchon Kant ſagte,
rein verſtandesmäßig demonſtriert werden können. Sie bedürfen
zu ihrer Aneignung nicht eines beſonderen Erlebniſſes, wie die
religiöſen und künſtleriſchen Erſcheinungen, ſondern ſie können
rein logiſch äußerlich übertragen werden. Darum ſind ſie auch in
ihren Reſultaten erlernbar, ohne daß man den ſchöpferiſchen
Prozeß, der zu ihrer Aufſtellung geführt hat, innerlich nacherle=
ben
mußte. Das iſt nun eine große Gefahr. Jeder praktiſch be=
gabte
Menſch kann, unabhängig von etwaiger religiös=ethiſcher
Entwicklung, ja jeder ſeeliſch=geiſtigen Reife dieſe Reſulate ſich
aneignen, wirtſchaftlich ausbeuten und damit alle die Werte, die
ſich nichr oder auch nur nicht ſofort bezahlt machen, an ihrer Ent=
faltung
hemmen, ja ſchließlich einer Weltanſchauung zum Sieg
verhelfen, die in allen dieſen Werten eine Narrheit ſieht. Da nun
ihre Träger ein Lebensminimum brauchen, dies aber in dem
Zeitalter des Chauffeurs, wie Keyſerling einmal unſere auf
der leichten Uebertragbarkeit techniſcher Reſultate beruhende
Epoche genannt hat, nicht mehr finden kann, ſo beſteht die Gefahr,
daß die Träger der geiſtigen Erbmaſſe ausſterben zu Gunſten eines
wohlhabenden Maſſenmenſchentums. Damit hätte die Zivili=
ſation
der Minderwertigkeit geſiegt.
Freilich, lange würde ſie nicht beſtehen können. Der Menſch
kann biologiſch zwar lange Zeit auf einer das Tier kaum über=
ragenden
Stufe leben, ſolange dieſe Stufe ein Beginn iſt und
nichts im Wege ſteht, die in ihm liegenden ſeeliſch=geiſtigen Mög=
lichkeiten
allmählich mehr und mehr zu entfalten. Iſt dies aber
bis zu einem gewiſſen Grade geſchehen, und bleibt er dann guf

Organiſierte Wirtſchaftsfreiheit.

Tagung des deutſchen Maſchinenbaus.
Forldauer des konjunkkurellen Abſtiegs der
deutſchen Wirtſchaft.
Berlin, 6. Juni.
Unter ſtarker Beteiligung und im Beiſein mehrerer Miniſter
hielt heute der Verein Deutſcher Maſchinenbauanſtalten, der
Spitzenverband der geſamten deutſchen Maſchineninduſtrie, in
deſſen Händen auch die Geſchäftsführung der Arbeitsgemeinſchaſt
der Eiſen verarbeitenden Induſtrie liegt, ſeine diesjährige ordent=
liche
Mitgliederverſammlung ab. Generaldirektor Dr. Reuter, der
Vorſitzende des Vereins, betonte in ſeiner Eröffnungsrede, daß
angeſichts der Fortdauer des konjunkturellen Abſtiegs der deut=
ſchen
Wirtſchaft mit der ſozialen Mehrbelaſtung der Wirtſchaft
endlich innegehalten werde,
Nachdem noch Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Curtius einige
Worte der Begrüßung geſprochen hatte, hielt der Geſchäftsführer
des Vereins, Direktor K. Lange, einen Vortrag über das
Thema Wirtſchaftsdemokratie oder organiſierte
Wirtſchaftsfreiheit‟ Er führte u. a. aus: Die freien
Gewerkſchaften wollten ausdrücklich Wirtſchaftsdemokratie als
einen zeitgemäßen Weg zur Vollſozialiſierung verſtanden wiſſen.
Ein verbogener und verpfuſchter Kapitalismus würde aber, ohne
menſchlich etwas zu beſſern, nur zu einer Verſchlechterung des
Wirtſchaftsertrages führen. Das Vordringen der öffentlichen
Hand in die Wirtſchaft führe ſtatt zu einer gemeinwirtſchaftlichen
Geſtaltung der öffentlichen Betriebe vielmehr zu einer Verwirt=
ſchaftlichung
des Staates. Die Gemeinwirtſchaftskörper hätten
ſich unfähig erwieſen, die ihnen anvertrauten Geſamtintereſſen
zu ſchützen. Der Eiſenwirtſchaftsbund insbeſondere werde gerade
von den Verbrauchern unbedingt abgelehnt. Das Beſtreben, das
Unternehmerriſiko durch die Monopolrente zu erſetzen, beherrſche
die Induſtrie bei weitem nicht in dem oft angenommenen Maße
und vor allem ſei nur ein engbegrenzter Teil der Wirtſchaft über=
haupt
monopoliſierungsfähig. Auch das Rufen nach Staats=
ſubventionen
ſei abzulehnen. Weder für Unternehmer noch für
Arbeiter ſolle der Staat zu einer allgemeinen Penſionsverſiche=
rungsanſtalt
ausarten. Außer der alten, nicht mehr zeitgemäßen
liberal=atomiſtiſchen Wirtſchaftsfreiheit und dem bureaukratiſchen
Zentralismus der Planwirtſchaft gäbe es noch eine dritte Mög=
lichkeit
, die der organiſierten Wirtſchaftsfreiheit.
In dieſer Richtung lägen die zeitgemäßen Notwendigkeiten
wirtſchaftlicher Reform. Für die Sozialpolitik ſollte der Grund=
ſatz
des optimalen Lohnes und der optimalen Arbeitszeit gelten,
deſſen Anerkennung die Verhandlungen zwiſchen den beiderſei=
tigen
Organiſationen weſentlich fruchtbarer geſtalten würde. Die
öffentliche Wirtſchaft ſei auf die dafür unumgänglichen Gebiete
einzuſchränken. Dagegen müßten die bisherigen Hoheitsrechte
unbedingt feſt in der Hand des Staates bleiben, ſo insbeſondere
die Handelspolitik. Das Ziel der organiſierten Wirtſchaftsfrei=
heit
ſichere dem Unternehmer zwar ſeine Selbſtändigkeit, ſtelle
aber auch hohe Anforderungen an ihn und werde nur in dem
Maße durchdringen, als der Unternehmer ſich dieſen Anforde=
rungen
gewachſen zeige. Zugleich aber ſei in der kapitaliſtiſchen
Wirtſchaftsordnung die Rentabilität des Unternehmens die un=

entbehrliche Grundlage für alles Weitere. Umſo weniger dane
ſich die Steuerpolitik zu einem Pogrom auf die Rentabilität aus=
wachſen
.
Reichswiriſchaftsminiſter Dr. Curkius
über Kooperation zwiſchen Staat und Wirtſchaft, Erhaltung der
kleinen und mittleren Betriebe, Exportförderung und Landwirt=
ſchaftszölle
.
Anſchließend ergriff Reichswirtſchaftsminiſter Dr.
Curtius zu einigen wichtigen Problemen der Wirtſchaft und
des Maſchinenbaus das Wort. Er gab den Gedanlen der
Kooperation zwiſchen Staat und Wirtſchaft leb=
haft
Ausdruck. Zur Reparationsfrage glaubte ſich der Miniſter
nicht äußern zu dürfen, weil dies auch mit dem beſonderen
Wunſche der Sachverſtändigen in Einklang ſtehe. Er machte aber
einige perſönliche Bemerkungen, die darin gipfelten, daß in
Deutſchland über die Einigung in Paris kein Jubel herrſchen
werde, ſondern daß wir uns ſchweren Laſten gegenüber ſehen,
Es beſtehe der feſte Wille, in der inneren Wirtſchaft die Reformen
durchzuführen, die ſie in den Stand ſetzen, dieſe gewaltigen
Laſten zu tragen. Die Wirtſchaft werde daran die Forderung
knüpfen, daß der Staat ſeine Souveränität wieder erlange.
Dr. Curtius würdigte dann kurz die Bedeutung des
Vereins Deutſcher Maſchinenbauanſtalten, in dem über 2000
Werke mit über 500 000 Arbeitern zuſammengefaßt ſeien. Faſt
70 Prozent dieſer Werke ſeien mittlere oder kleinere Unterneh=
mungen
, bei denen der Einzelunternehmer mit ſeiner Privat=
initiative
den Ausſchlag gebe. Statiſtiſch ſei feſtgeſtellt worden,
daß gerade die kleineren und mittleren Betriebe ſich
in überraſchendem Maße gehalten haben. Gerade dieſer Be=
ſitzſtand
müſſe weiter erhalten werden, um die
wirtſchaftliche Kraft des Einzelunternehmers, ſeine Privat=
initiative
, zur vollen Entfaltung zu bringen. An der Induſtriali=
ſierung
des Fernen Oſtens müſſe ſich die deutſche Wirtſchaft in
hervorragendem Maße beteiligen, um ihren Export beſonders an
Maſchinen und Fertigwaren zu ſteigern. Es ſei eine falſche Auf=
faſſung
, daß man durch die Induſtrialiſierung eines Landes eine‟
Konkurrenz heranziehe. Je mehr man induſtrialiſiere, deſto grö=
ßer würden die Abſatzmöglichkeiten, da der Warenaustauſch, ins=
beſondere
der Austauſch von Fertigwaren, im allgemenien mit
zunehmender Induſtrialiſierung wachſe. Die Induſtrialiſierung
des Fernen Oſtens würde alſo ein Anwachſen des internationalen
Handels zur Folge haben.
Dr. Curtius verſicherte, daß er ſich auch weiterhin für die
Export=Förderung einſetzen werde, die bisher nur mit ge=
ringen
Mitteln hätte durchgeführt werden können. Es ſei falſch,
einen Gegenſatz zwiſchen Exportförderung und Inlandsmarkt
anzunehmen. Export und Inlandsmarkt müßten gemeinſam ge=
pflegt
und mit einander verbunden werden. Die Notwendigkeit
der Behebung der landwirtſchaftlichen Kriſe zum beſten nicht nur
des Landmaſchinenbaues, ſondern der Geſamtwirtſchaft hob Dr.
Curtius ganz beſonders hervor, wobei er es als unumgänglich
bezeichnete, die Zölle der Landwirtſchaft auf gewiſſen Gebieten
zu erhöhen. Die Entwicklung der Weltwirtſchaft beruhe auf der
der nationalen Wirtſchaften und auf der weltwirtſchaftlichen Ar=
beitsteilung
. Letztere beide müßten in Wechſelwirkung treten und
in einem Spannungsverhältnis gehalten werden, wobei jede
Wirtſchaft ſich ſo intenſiv wie möglich geſtalten müſſe.

[ ][  ][ ]

Nummer 136

Freitag, den 7. Juni 1929

Ungünſtige Akmoſphäre.
Abrüſtungs- und Minderheikenfrage werfen ihren
Schatken. Verwirrung in der heutigen

* Madrid, 6. Juni. (Priv.=Tel.)
Die Wahl Madrids als Tagungsort für den Völkerbundsrat

iſt äußerlich als ein Akt internationaler Höflichkeit und Ausdruck
der Anerkennung der Großmächte gegenüber Spanien anzuſehen.
Seit der Rückkehr in den Völkerbund hat Spanien als Mitglied
des Völkerbundsrats von neuem

einen einflußreichen Platz in der
Völkerbundspolitik eingenommen
und wird künftig trotz aller inne=
ren
Schwierigkeiten von großer
Bedeutung für die künftige euro=
päiſche
Entwicklung ſein.
Die Atmoſphäre, in der der
Völkerbund in Madrid zuſam=
mentritt
, iſt keine glückliche. Sie
zeichnet ſich durch Verworrenheit
und Stagnation, die typiſchen
Merkmale der heutigen europä=
iſchen
Lage, aus. In den großen
Fragen der internationalen Po=
litik
, die im Vordergrunde des
allgemeinen Intereſſes ſtehen,
ſind ſeit langem keine grund=
legenden
Fortſchritte zu verzeich=
nen
. Die Abrüſtungsfrage
iſt noch immer das große,
ungelöſte Zukunftspro=
blem
. Aehnlich und vielleicht
noch ſchwieriger iſt der Stand der
Minderheitenfrage, die im Mit=
telpunkt
der Madrider Rats=
tagung
ſtehen ſollte, aber durch
den unverhofften Ausgang der
engliſchen Wahlen wohl auf der
Septembertagung des Rates be=
reinigt
werden wird. Sie er=
ſcheint
heute tatſächlich als un=
lösbar
. Nirgends treten die un=
ſeligen
Folgen des Verſailler Sy=
ſtems
ſo drohend und ſo eindeu=
tig
zutage, wie gerade in dem
Verſuch, durch den Minderheiten=
ſchutz
des Völkerbundes wenig=
ſtens
teilweiſe die Verwirrung in
den europäiſchen Minderheiten
wieder auszugleichen.
drid zu einer Ausſprache hier= der die Tagung eröffnet und leitet. Links unten: Reichsaußenminiſter Dr. Streſemann, der wieder=
über
kommen, ſo wird der Rats=
ausſchuß
zunächſt als Diskuſſions=
grundlage
den Londoner Bericht
des Dreierausſchuſſes (Chamberlain, Quinones de Léon und
Adatſchi) vorlegen, der den Ausgangspunkt der offiziellen Ver=
handlungen
bilden wird. Der Ausſchuß, der lediglich vorbereitende
Arbeiten unverbindlichen Charakters leiſten ſollte, hat ungeachtet
dieſer Verſicherung jedoch einen Bericht ausgearbeitet, der heute
von den leitenden Kreiſen der Großmächte als die Endlöſung
und die Endregelung des geſamten Minderheitenproblems auf=
gefaßt
wird.
Nirgends wird die Verwirrung der heutigen europäiſchen
Politik, ſo deutlich zutage treten, wie gerade während dieſer
Tagung des Völkerbundsrates. Die Zeit iſt jedoch für die ent=
ſcheidenden
Löſungen heute noch nicht reif. Löſungen werden erſt
dann gefunden werden können, wenn die deutſche Regierung die
innere Geſchloſſenheit und die innere Kraft gewonnen hat, die die
einzige und unerläßliche Vorausſetzung jeder nationalen Macht=
ſtellung
und =geltung eines Volkes ſind.
Die Londoner Minderheikenvorſchläge. Das Schema
für Madrid.

2. Der Generalſekretär des Völkerbundes ſoll in Zukunft den
beſchwerdeführenden Minderheiten davon Mitteilung machen, ob
ihre Beſchwerde vom Sekretariat des Völkerbundes als zuſtändig
(ecerable) erklärt worden und ſomit an die Dreier=Ausſchüſſe des
Völkerbundsrates weitergeleitet worden iſt. Bisher erhielten die
beſchwerdeführenden Minderheiten keinerlei Mitteilungen über
das weitere Schickſal ihrer Beſchwerden. Jedoch ſoll in der Mit=
teilung
des Generalſekretariats an die beſchwerdeführende Min=
derheit
in formeller Form auf die Bedingungen der Zuläſſigkeit
von Minderheitenbeſchwerden hingewieſen werden (Mäßigkeit der
Sprache, Herkunft aus einer nichtanonymen Quelle, kein Antrag
auf Bruch der politiſchen Beziehungen zwiſchen den Minderheiten
und dem betreffenden Staat, Behandlung von Fragen lediglich im
Rahmen der Minderheitenverträge). Das Völkerbundsſekretariat
hat bisher Beſchwerden der Minderheiten als unzuläſſig erklärt,
falls eine dieſer Beſtimmungen nicht erfüllt war.

Der Ort der Völkerbundskagung.

Sollte es doch bereits in Ma= Der Senatspalaſt in Madrid. Rechts oben: Der Präſident der Völkerbundsverſammlung Gimeno,
um Deutſchlands Intereſſen auf der Tagung vertritt.

Der Bericht des Londoner Dreier=Ausſchuſſes in der Minder=
heitenfrage
, der dem Rat zu ſeiner Madrider Tagung bereits vor=
liegt
und in dem die Großmächte und ihre an dieſer Frage lebhaft
intereſſierten Trabanten eine ihren Intereſſen günſtige Endlöſung
erblicken umfaßt folgende Mitteilungen an den Völkerbundsrat:
1. Der Jahresbericht des Generalſekretärs des Völkerbundes
ſoll in Zukunft kurze ſtatiſtiſche Angaben über die Zahl der ein=
gegangenen
Minderheitenbeſchwerden enthalten, die den üblichen
Dreier=Ausſchüſſen des Völkerbundsrates vorgelegt und ſodann an
den Völkerbundsrat weitergeleitet worden ſind. Dieſe Mitteilun=
gen
des Generalſekretärszes Völkerbundes an die Vollverſamm=
lung
des Völkerbundes ſönen jedoch in dem Bericht einen ſtreng
ſtatiſtiſchen Charakter haben, ohne daß hierbei auf das Weſen und
die Ziele der einzelnen Minderheitenbeſchwerden eingegangen wird.

3. Die Veröffentlichung einer Minderheitenbeſchwerde nebſt
dem zugehörigen Material ſoll in Zukunft als zuläſſig erklärt wer=

den, falls der Dreier=Ausſchuß des Rates von einer Weiterleitung
der Beſchwerde an den Völkerbundsrat abſieht, wie dies bisher
ohne Ausnahme der Fall geweſen iſt, jedoch ſoll die Veröffent=
lichung
der Beſchwerde von der Zuſtimmung der intereſſierten
Regierung abhängig gemacht werden. Die einzelnen Beſtimmun=
gen
dieſes Vorſchlages ſind jedoch in dem Bericht äußerſt unklar
gefaßt und laſſen verſchiedene Deutungen offen.
4. Der Bericht des Dreier=Ausſchuſſes unterſtreicht ſodann das
bereits beſtehende Verfahren, die Mitglieder des Völkerbunds=
rates
über die Arbeiten der Dreier=Ausſchüſſe des Völkerbunds=
rates
für die Minderheitenfrage unterrichten zu laſſen.
5. Der Bericht lehnt hierauf den Gedanken einer Ueber=
wachung
der Durchführung der Minderheitenverträge, durch den
Rat kategoriſch ab und weiſt in dieſem Zuſammenhang den deut=
ſchen
Vorſchlag auf Einſetzung einer Minderheitenkommiſſion beim
Völkerbund zur Durchführung der allgemeinen Garantie des Völ=
kerbundes
gegenüber den Minderheiten zurück. Der Bericht lehnt
ausdrücklich die Teilnahme der intereſſierten Mächte an den Ver=
handlungen
der Dreier=Ausſchüſſe des Völkerbundsrates für die
Minderheitenfragen ab.
*

Der Londoner Bericht bedeutet alſo eine faſt uneingeſchränkte
Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zuſtandes im Minderheiten=
ſchutz
des Völkerbundes. Die im Bericht gemachten Vorſchläge be=
deuten
lediglich Abänderung einiger Formalitäten von nur gerin=
ger
praktiſcher Bedeutung. Von entſcheidender Bedeutung iſt, daß
der Dreier=Ausſchuß in London den Grundgedanken der Reichs=
regierung
, es beſtehe eine allgemeine Garantie= und Schutzpflicht
des Völkerbundes gegenüber den Minderheiten, kategoriſch
ablehnt und infolgedeſſen den Antrag in der Denkſchrift der
Reichsregierung auf Prüfung des Gedankens einer ſtändigen Min=
derheitenkommiſſion
zur Kontrolle der Durchführung der Minder=
heitenverträge
uneingeſchränkt zurückweiſt. Der Bericht

ſeiner Entwicklungsſtufe ſtehen, ja, kehrt er, materiell geſichert,
auf eine primitivere Seelenſtufe zurück, alſo etwa die Völker
Goethes, Shakeſpeares, Moliéres, Dantes auf die Stufe einer,
wenn auch großartigen, bloßen Bedürfnisbefriedigung, dann
treten ſofort Entartungserſcheinungen auf und ſchließlich der bio=
logiſche
Tod. Der Menſch kann eben, ſeiner für höheres beſtimm=
ten
Konſtitution nach, nicht wie ein Tier, auch nicht wie ein ge=
zähmtes
, leben, wie ja nicht nur Völker=, ſondern auch Familien=
und Einzelſchickſale beweiſen.
Man vergißt leicht, daß die Fortſchritte der Technik ſelbſt
noch von dem alten Kulturerbe der abendländiſchen Menſchheit
leben. Die großen Erfinder und Entdecker, ſowie die, welche im
erſten Erproben einer Erfindung ihr Leben aufs Spiel ſetzen,
ſind ſelber noch heroiſch=tragiſche Naturen, die ohne generationen=
alte
Zucht nicht von ſelber wachſen. Ihnen gilt noch das Ethos:
Das Leben iſt der Güter höchſtes nicht, in dem ſich heroiſche
und religiöſe Auffaſſung treffen. Aber wie ſollen ſolche Typen
nachwachſen, wenn ihre Werke und Taten einer Ziviliſation
dienen, der das Leben, ja das bloße Wohlleben, der Güter
höchſtes iſt. Die Nutznießung der Technik überträgt nur das
Können, nicht das Ethos ihrer Erfinder. Ihre Handhabung wird
nüchtern erlernt, nicht, den Menſchen umwälzend, erlebt. Wenn
daher gleichzeitig mit der Erziehung zum Wiſſen und Können,
d. h. der Leiſtung, nicht wieder die zu höherem, individuellem Men=
ſchentum
ſtattfindet, dann wird es auch bald keine techniſchen
Erfinde, mehr, ſondern nur noch kleine Baſtler ohne echten For=
ſchungsdrang
und Wagemut geben. Beſonders ſeit der Erfindung
des Radio wächſt deren Zahl erſchreckend, und man vergißt
immer mehr, daß Realbildung auf deutſch Sachbildung, humani=
ſtiſche
Bildung dagegen Menſchenbildung heißt. Gewiß gibt es
auch heute noch unter den Technikern viele, die nicht nur etwas
können, ſondern auch menſchlich etwas ſind. Sie werden indeſſen
zugeben, daß ſie dies nicht den Realien, ſondern anderen
Quellen verdanken. Wir wiederholen, was wir am Anfang ge=
ſagt
haben: die Technik ſelbſt iſt weder gut noch böſe. Der Menſch
mit ſeinen Zwecken macht ſie erſt zum einen oder zum andern.
Wird ſie nun aber ſelbſt zum Lebensinhalt gemacht, woher ſollen
dann Seele und Geiſt Nahrung nehmen? In der Logarithmen=
tafel
iſt ſie nicht zu finden.
Wir haben nun die Gefahr gezeigt, nun dürfen wir auch nicht
verſchweigen, daß die Gegenbewegung ſchon recht ſtark iſt. Nicht
ſeltener als die Klage über die Entſeelung und Verflachung un=
ſeres
Lebens durch die Mechaniſierung iſt der Ruf nach Führer=
tum
. Er verrät, daß die abendländiſchen Menſchen doch nicht

gewillt ſind, in der Ziviliſation der Minderwertigkeit ſtecken zu
bleiben. Zwar fehlt uns durchaus eine der chineſiſchen gleich=
wertige
weltliche Erziehungstradition zur Entwicklung edler
Menſchen, aber die außerordentlichen Bemühungen der Seelen=
kunde
in den letzten Jahrzehnten deuten doch unverkennbar auf
dieſes Ziel. In der ſchon genannten Sammlung Seelenbild iſt
ſoeben noch ein leſenswertes Buch erſchienen, das den derzeitigen
Stand dieſer Bemühungen überſichtlich zeigt: Seelenführung,
von dem bekannten Münchener Nervenarzt Dr. G. R. Heyer. Hier
findet der Leſer kurz und klar, inwiefern Magnetismus, Hypnoſe,
Suggeſtion und Autoſuggeſtion, vor allem aber die verſchiedenen
Richtungen der Pſychoanalyſe, den Einzelmenſchen in ſeiner
heutigen führerloſen Verwirrung wieder bei ſeiner Seele an=
packen
, und zwar geſchieht dies hier das erſtemal in Europa
außerhalb der Kirchen. Das Ziel iſt, den Einzelnen auf ſein
in ihm ſelbſt beruhendes Sein zu verweiſen, was Wiſſen und
Können allein nie vermögen. Krankhafter Geltungstrieb beider
Geſchlechter auf der Grundlage geheimer Minderwertigkeits=
gefühle
, die ſich vermännlichende und die frigide Frau, falſche
Erziehung und Aufklärung, mißverſtandenes Sports= und Wil=
lenstraining
und viele andere Erſcheinungen der Ziviliſation
des Minderwertigen und die bis jetzt verfügbaren pſychiſchen
Heilmittel werden ins rechte Licht geſetzt. Leider iſt der Pſycho=
Analyſe des Schweizers C. G. Jung etwas zu knapper Raum
gewidmet, denn er iſt es, der dieſe Wiſſenſchaft von einer Seelen=
diagnoſe
erſt zur wahren Seelenführung gemacht hat und einer
neuen Kultur der Werte eine Grundlage ſchafft.

Aus den Darmſtädter Lichtſpieltheakern.
Union=Theater.
Eine Nacht in London iſt ein ſehr hübſcher Unter=
haltungsfilm
, von deſſen Handlung wir nur erzählen wollen,
daß die junge Lilian, aus dem Bad kommend, das Hotelzimmer
verwechſelt und am Morgen mit einem Ring am Finger auf=
wacht
. Im übrigen ſei feſtgeſtellt, daß der Film nicht nur ſeinen
Stoff, ſondern auch ſeinen Geſamtcharakter einem engliſchen
Roman entlehnt, und damit ſich die in unſerer literariſchen und
filmiſchen Produktion immer noch ſeltenen Vorzüge engliſcher
Unterhaltungsliteratur aneignet, d. h., er iſt unterhaltend und
ſpannend, ohne geſchmacklos und ſenſationsſüchtig zu ſein. Von
den Schauſpielern werden keine großen Leiſtungen verlangt ſon=
dern
nur die ſichere Wiedergabe eines beſtimmten Lebensſtils.

Seite 3

ſchließt ſich ſomit dem von den Regierungen der Kleinen Entente
Polens und Griechenlands in ihrer übereinſtimmenden Denkſchrift
eingenommenen Standpunkt an, nach dem der bisherige Minder=
heitenſchutz
des Völkerbundes keinerlei grundlegende Aenderung
erfahren dürfte. Unter dieſen Umſtänden werden, wie bereits jetzt
verlautet, die polniſche und die rumäniſche Regierung ſowie auch
die Regierungen der Kleinen Entente den Londoner Bericht an=
nehmen
. Die deutſche Vertretung wird angeſichts dieſer Lage in
Madrid einen ſchweren Stand haben. Von neuem hat ſich die
überlegene Taktik der großen Völkerbundsmächte gezeigt. Man
ſchafft mit deutſcher Zuſtimmung die Vorbedingungen, um ſpäter
mit vollzogenen Tatſachen vor die Oeffentlichkeit zu treten und
Endlöſungen auf dieſem Wege herbeizuführen. Es bedarf
keines Hinweiſes, daß der Londoner Bericht völ=
lig
unannehmbar und untragbar für jede deut=
ſche
Regierung iſt, welche parteipolitiſche Zuſammenſetzung
ſie auch aufweiſt. Der deutſche Vertreter im Völkerbundsrat wird
nun von neuem den Kampf aufnehmen müſſen. Dieſes iſt heute
das unvermeidliche deutſche Schickſal, wenn überhaupt Fortſchritte
in der Stellung und in der Löſung der großen Gegenwartsfragen
erzielt werden ſollen. Praktiſch erſcheint zunächſt kein anderes
Ergebnis als eine Vertagung der Minderheitenfrage auf den Sep=
tember
denkbar. Dieſes dürfte nach Lage der Dinge das Höchſt=
maß
ſein, was von deutſcher Seite diesmal in Madrid erreicht
werden kann. Der Bericht wird von Deutſchland
entſprechend den auf der Märztagung gemachten
Zuſicherungen lediglich als eine Diskuſſions=
grundlage
betrachtet werden ohne jede bindende
Kraft, wobei ausdrücklich der Inhalt des Lon=
doner
Berichts als eine untragbare Löſung er=
klärt
werden wird.
Beginn der Minderheikenkagung des Ralskomikees.
Chamberlains Begräbnis im Völkerbund.
* Madrid, 6. Juni. (Priv.=Tel.)
Die erſte nichtöffentliche Sitzung des Ratskomitees, die
heute vormittag kurz nach halb 11 Uhr begann, galt der offi=
ziellen
Beuanntgabe des Londoner Berichtes
des ſog. Dreier=Komitees. Kurz nach Eröffnung der
Sitzung verlas der engliſche Vertreter Grahame ein Abſchieds=
telegramm
Chamberlains, worin dieeſr ſein Bedauern
ausſpricht, daß ſeine Mitarbeit beim Völkerbund nicht mehr
möglich ſei. Adatſchi wies in einer Ehrenkundgebung
auf den maßgebenden Einfluß Chamberlains bei der Aufſtellung
des Londoner Minderheitenberichtes hin. Dann kam es zu
einem auffallenden Intermezzo. Scialoja bat nämlich Briand,
als den beſten Stiliſten, ein Antworttelegramm an Chamberlain
zu entwerfen. Briand lehnte dies jedoch mit einer höflichen
Wendung ab, wies aber kurz auf die nachhaltige Teilnahme
Chamberlains bei vielen wichtigen Entſcheidungen des Völker=
bundes
hin. Das Komitee trat dann in die Beratung des Lon=
doner
Berichtes ein, entſchloß ſich aber nach kurzer Debatte, die
Diskuſſion auf Freitag zu vertagen. Es wird erwartet daß
Staatsſekretär von Schubert in der nächſten Sitzung des Rats=
ausſchuſſes
bei Beginn der Ausſprache den deutſchen Standpunkt
bekanntgeben und nachdrücklichſt darauf hinweiſen wird, daß der
Londoner Minderheitenbericht für Deutſchland untragbar und
eine eingehende Prüfung des Minderheitenproblems durch den
Studienausſchuß unbedingt erforderlich ſei.
Der Bericht des Dreierkomikees für Deutſchland
unannehmbar.
Die Situation iſt nach der offiziellen Be=
kanntgabe
des Londoner Chamberlain= Be=
richts
über die Minderheitenfrage als vollkommen un=
verändert
zu bezeichnen. Der Bericht iſt zwar noch ge=
heim
. Er befindet ſich aber infolge verſchiedener Indiskre=
tionen
von einer Seite, die den engliſchen Vertreter auf den
Wortlaut des Berichts vor der Oeffentlichkeit feſtlegen möchte,
ziemlich in aller Hände. Der Bericht geht tatſächlich nicht über
einige unbedeutende Aenderungen der Formalitäten des Peti=
tionsverfahrens
hinaus. Die Aufſtellung einer jährlichen Stati=
ſtik
der eingegangenen Petitionen und der Unterrichtung der
Minderheiten über die Ablehnung ihrer Petitionen ſind dabei
noch die weiteſtgehenden Anregungen der Minderheitenmemoran=
den
der intereſſierten Regierungen. Aus dieſem Grunde bleibt
für die deutſche Delegation der Bericht als
Verhandlungsgrundlage nach wie vor unan=
nehmbar
. Es iſt auch nicht zu erwarten, daß durch geringe
Konzeſſionen, wie etwa die Erweiterung des bisherigen Dreier=
komitees
auf fünf Perſonen, wovon geſprochen wird, die deutſche
Zuſtimmung herbeigeführt wird. Die Verhandlungen über
den Bericht dürften alſo recht langwierig werden.
Es iſt bis heute abend noch nicht klar, wann der engliſche
Vertreter Grahame den erwarteten Vertagungsantrag in
der Minderheitenfrage ſtellen wird, da dies ſowohl
von der Bildung der engliſchen Regierung, als auch dem Ver=
lauf
der Dinge im Ratskomitee abhängen wird.

Mehr leiſtet auch Lilian Harvey in der Hauptrolle nicht. Die
Regie Lupu Picks iſt an allen Stellen ſicher und geſchmackvoll,
ob es ſich nun um die Atmoſphäre eines eleganten Hotels oder
das Leben auf einem engliſchen Landſitz handelt. Da auch die
Aufnahmen gut und kultiviert ſind, iſt der Film durchaus zu
empfehlen. Daneben läuft ein Hochalpenfilm, der aus dem
Terrain des Wilden Kaiſers aufregende Einzelheiten hoch=
alpiner
Touriſtik und gewagte Kletterkunſtſtücke in guten Auf=
nahmen
zeigt.

* Der Dornadier=Sprechchor.
Dieſe junge Künſtlergruppe hatte zu einem Abend in den
Saalbau zu Frankfurt geladen und rechtfertigte den Ruf, welchen
ſie ſich auf ihren erſten Fahrten durch Deutſchland erworben hat.
Man iſt dem Gedanken des Sprechchors in jüngſter Zeit von ver=
ſchiedenen
Seiten her nähergetreten. Es war bedeutſam, am Dor=
nadier
=Sprechchor erleben zu können, zu welcher Gewalt das vom
ſubjektiv Willkürlichen einer Wiedergabe befreite dichteriſche Wort
erwacht, wenn es aus einem Gemeinſchaftswillen heraus er=
tönt
und dadurch aus der Sphäre des perſönlich ſeeliſch Be=
grenzten
in das Bereich des überperſönlichen Sprachgeiſtigen ge=
hoben
wird. Aus dieſem Bereich dem innerſten Bezirk jeder
metriſchen Dichtung erwachſen die Grundſätze der hier geübten
Sprachkunſt. Sie geſtaltet aus Rhythmus und Klang und erweckt
damit ein Sinnhaftes, das höher iſt als der begriffliche oder ge=
fühlsmäßige
Inhalt. Choriſche Diſziplin, Abſtufung des Klanges,
ſelbſtverſtändliche Sicherheit in Einſatz und Steigerung zeugen
von einem Aufgehen des Einzelnen im künſtleriſchen Geſamt=
weſen
, das dieſen Chor zu einem lebendigen Organismus macht.
Höhepunkt des Abends waren wohl Morgenſterns Waſſerfall bei
Nacht, ein Myſterienſpruch Steiners, die Fauſt=Chöre und vor
allem die Wiedergabe des 13. Kapitels aus dem erſten Korinther=
brief
, wo Gliederung wie Zuſammenklang der männlichen und
weiblichen Stimmen, verbunden mit groß angelegtem Aufbau zu
erſchütternder, faſt ſinfoniſcher Wirkung wuchs. Der gut beſetzte
Saal folgte dem Neuartigen mit ſteigender Wärme und dankte der
Gruppe die durch ihr ſchlichtes Auftreten ungemein ſympathiſch
wirkte, mit begeiftertem Beifall.
A. P.

Ehrung eines deutſchen Aſtronomen. Die Aſtronomiſche Ge=
ſellſchaft
von Frankreich hat den Internationalen Preis für
Aſtronautik, d. h. für Reiſen im Weltall, dem deutſchen Profeſſor
Obrecht verliehen, der in Bukareſt tätig iſt.

[ ][  ][ ]

Seite 4

Nummer 156

England nach den Wahlen.
Das neue Parlament. Der allzu zurückhaltende König.
der neuen Lage.
Von unſerem (O=Korreſpondenten.
G. P. London, 4. Juni.
geſetz) die erſten engliſchen Wahlen, an denen die geſamte
erwachſene Bevölkerung teilgenommen hatte, und die einhei= geweſen.. ..
miſche Preſſe iſt voll des Lobes für den hierbei angeblich be=
zu
den Wahlurnen herangelaſſenen Backfiſche haben eine
haben ſie kaltblütig das Genick gebrochen, darüber hinaus aber
eine derartige politiſche Stockung, ein derartig hoffnungsloſes Georges Verſprechen, mit Der Arbeitsloſigkeit aufzuräumen
weſen iſt. Und wäre eine ſofortige Neuwahl nicht ein ſo ris=
kantes
, koſtſpieliges und turbulentes Ereignis, ſo würden ſich
ſamen Ausweg flüchten. . . .
länder ſagen. Da iſt zunächſt die erwähnenswerte Tatſache, daß
die Mehrzahl der Wähler ſich wenigſtens klar gegen den So=
zialismus
ausgeſprochen hat: von den etwa 22 Millionen
8 Millionen ſozialiſtiſch geſtimmt. Somit hat ſich das Land nicht
eigentlich für eine ſozialiſtiſche Regierungsreform ausgeſprochen.
Wie überhaupt dem Außenſtehenden noch folgende Tatſache auf=
tinentalen
Maßſtab. Stellten ſchon vorher alle drei Parteien im
äußerten ſich die betreffenden Führer über den vorausſichtlichen
Wahlausgang gleich zuverſichtlich (und gleich falſch!), ſo nehmen
ſie auch jetzt, nach gelieferter Schlacht, alle drei die gleiche bri=
tiſche
Haltung ein: Rechnet mit den gegebenen Tat=
ſachen
! Verliert nicht Ruhe und Mäßigung! und vor allem
Greift zu keinen unfairen Methoden! Man glaubt es daher
den Engländern gerne, wenn ſie dem Ausländer ſagen: Wir ſind
in der Vergangenheit ſchon mit mancher großen Schwierigkeit fer=
tig
geworden. Wir werden auch mit dieſer fertig werden.. ..
Die City iſt von der wirtſchaftlichen Unſicherheit, die eine
nicht ſehr erbaut. Aber ſie hat mit keiner Panik reagiert und
verhält ſich gleichfalls noch abwartend. Nur viele Spekulanten Da iſt vor allem die nun ſehr groß gewordene Wahrſcheinlich=
in
Wahlſtocks erlitten heftige Schläge, am meiſten diejenigen, keit, daß nach dieſem bitter=ſüßen Zwiſchenſpiel England bei den
die Liberale gekauft hatten. Die Kotierung der Liberalen
haben. Das neue Parlament wird in mancher Hinſicht neu
ausſehen. Das vertraute Antlitz Saklatvalas wird fehlen, und
die Mutter der Parlamente wird diesmal nicht mal einen ein=
zigen
Ehrenkommuniſten vorzuzeigen haben. Die Zahl der
Frauen wird jetzt 13 betragen, darunter einige hochariſtokratiſche
Damen, wie die Herzogin von Atholl, die Viscounteß Aſtor, Lady
Iveagh, Lady Mosley, Mrs. Hamilton uſw. Acht Mitglieder des
neuen Parlaments heißen Smith und ſieben Jones, Ferner
in ſo manchem Winkel des neuen Parlaments wird man
ganze Familien ſitzen ſehen: Lloyd George wird mit
Tochter und Sohn erſcheinen; Sir Oswald Mosley kommt mit
ſeiner Gattin ins Haus einer Tochter des ſeligen Lord Curzon;
Mr. Arthur Henderſon bringt ſeine zwei Söhne mit, und alle
drei werden ſich auf den ſozialiſtiſchen Bänken niederlaſſen; auch
Ramſay Macdonald wird ſeinen Sohn zur Seite haben. Das
gleiche kann man, aber nicht mit dem gleichen Wortſinn, von
Stanley Baldwin ſagen, deſſen Sohn Oliver nicht neben dem
bei den feindlichen Sozialiſten Platz nehmen wird.. .
Eine dramatiſche Note war in dieſe Wahlen durch die
neuerliche Erkrankung des Königs gebracht worden.
Man hatte die Nachricht kurz nach erfolgter Wahl, aber noch

Freitag, den 2. Zuni 1929
in der Downing Street.
vor Bekanntwerden der Reſultate veröffentlicht, und ſie ver=
dunkelte
für eine Zeitlang faſt das Intereſſe für den Wahlaus=
gang
ſelbſt. Der König war bereits drei Tage vorher erkrankt,
Politiſcher Katzenjammer. Die Unheil bringenden Backfiſche, aber bekanntlich hatte er ſelbſt darauf beſtanden, daß die Kunde
hiervon zunächſt geheimgehalten und erſt nach erfolgter Wahl
Lloyd George hält die Balance. Die poſitiven Ergebniſſe bekanntgegeben werde um die freie Entſcheidung der Wäh=
lenden
nicht durch die Nachricht von ſeiner Erkrankung zu beein=
fluſſen
. Dieſe Handlung des Königs wird hier als neuer Beweis
ſeiner konſtitutionellen Treue aufgefaßt und von aller Welt
einſtimmig geprieſen. Indeſſen iſt manchem Außenſtehenden auch
der Gedanke aufgekommen, ob der König in dieſem Falle ſich
Die Stimmung, die zurzeit in England herrſcht, könnte man nicht doch etwas überkonſtitutionell gezeigt hätte: Die Mög=
bielleicht
am treffendſten mit den Worten allgemeiner lichkeit eines eventuellen Ablebens des Monarchen iſt eine ſchwer=
politiſcher
Katzenjammer bezeichnen. Die Wahlen von wiegende politiſche Tatſache, die viele Wähler bei der Stimm=
1929 waren (nach der Annahme von Baldwins Backfiſch=Wahl= abgabe ſicher mit in Betracht gezogen hätten, und hiervon recht=
zeitig
unterrichtet zu ſein, wäre vielleicht ſogar ihr gutes Recht
Wie vor Stattfinden der Wahl, ſo auch jetzt, nach Abſchluß
wieſenen politiſchen Verantwortungsſinn, der neuen Wähler= derfelben iſt noch immer Lloyd George das große
ſchaft. Doch der Außenſtehende wird dem nicht ganz zuſtimmen Rätſel der kommenden Ereigniſſe. Bei der Wahl hat er aller=
können
; er glaubt vielmehr den Eindruck zu haben, daß leider dings eine unglaubliche Pleite erlitten. Von über 500 aufgeſtell=
gerade
das Gegenteil zur Wahrheit geworden iſt: die erſtmalig ten liberalen Wahlkandidaten ſind nur 58 gewählt worden, d. h.,
kaum 12 mehr als im alten Parlament, und jeder dieſer zwölf
heilloſe Verwirrung angerichtet; ihren konſervativen Wohltätern neuen Liberalen hat der Parteikaſſe nicht weniger als
1600000 Mark Wahlpropaganda=Ausgaben gekoſtet! Lloyd
Schachmatt geſchaffen, wie es kaum je zuvor der Fall ge= ohne die Steuerlaſt auch nur um einen Penny zu erhöhen.
haben die ſkeptiſchen Briten nur wenig Glauben geſchenkt. Doch
eines hat Lloyd George immerhin erreicht: er hält nun in der
alle Parteien lieber heute als Morgen zu dieſem einzig wirk= Tat das Zünglein an der Waage, und von ihm allein hängt das
Schickſal einer jeden kommenden Regierung ab. Wie verzwickt
Inzwiſchen bleibt einem nichts Beſferes übrig, als ſich mit und verfahren die neue Lage iſt, erkennt man erſt mit völliger
den Tatſachen abzufinden, to face the kaots, wie die Eng= Deutlichkeit, wenn man ſich folgende Tatſachen vors Bewußtſein
führt: 1. Lloyd George hat vor den Wahlen mehrmals er=
klärt
, daß er nichts unternehmen werde, um den Sozialiſten
in den Regierungsſattel zu helfen; das heißt nun, daß er ſich
Geſamtwählern haben über 14 Millionen bürgerlich und nur weder mit der Arbeiterpartei zu einer Koalition verbinden, noch
ihr durch Stimmenthaltung zur Macht verhelfen werde;
2. ſtimmt er aber nicht für Labour und enthält er ſich nicht der
Stimme, ſo kann er vernünftigerweiſe nur für die Konſerva=
fallen
muß: der geiſtige Konſervatismus aller drei Parteien tiven ſtimmen; doch hier ſtößt man auf die zweite Schwierigkeit:
und ihre geringe Unterſchiedlichkeit, gemeſſen an unſerem kon= Stanley Baldwin hat vor den Wahlen gleichfalls erklärt, daß er
unter keinen Umſtänden mit Lloyd George zu=
Grunde nur wenig divergierende Wahlprogramme auf und ſammenarbeiten werde; und endlich 3., um das Maß
voll zu machen, hat auch Ramſay Macdonald wiederholt zu ver=
ſtehen
gegeben, daß er nie und nimmer mit Lloyd
George einen Pakt eingehen werde. Die Situation
iſt alſo die, daß einerſeits niemand etwas von Lloyd George
wiſſen wolle, daß aber andererſeits auch niemand ohne ſeine
Unterſtützung wird regieren können.. .."
Leicht begreiflich iſt es, daß man, angeſichts dieſer wenig
erfreulichen Lage, wenigſtens Ausſchau nach einigen poſi=
tiven
Reſultaten dieſer an und für ſich ſo wenig befrie=
digenden
Wahl zu halten verſucht. Und man braucht durchaus
eventuelle Arbeiterregierung mit ſich bringen würde, natürlich kein unverbeſſerlicher Optimiſt zu ſein, um immerhin eine
ganze Reihe ſolcher poſitiver Ergebniſſe feſtſtellen zu können.
nächſten Wahlen endgültig zum reinen Zweiparteien=
ging
am Wahltage ſturzartig von 98 auf 50 hinunter, und die Syſtem zurückkehren wird. Das wird in Zukunft die
betreffenden Käufer werden überaus große Differenzen zu zahlen politiſchen Verhältniſſe Englands weſentlich vereinfachen und
gefunden. Doch auch was die ſofortige Beeinfluſſung von
Wirtſchaft und Politik anbelangt, dürften die Wahlen für beide
von außerordentlicher und poſitiver Bedeutung ſein ganz un=
abhängig
davon, welches Antlitz die Regierung ſchließlich an=
nehmen
wird. Einer weiteren Ausdehnung der Schutzzollpolitik
iſt nun zunächſt ein kräftiger Riegel vorgeſchoben worden. End=
lich
wird die kommende Regierung unter den neuen parlamenta=
riſchen
Umſtänden geradezu gezwungen ſein, eine energiſchere
Friedenspolitik zu betreiben und die Außenpolitik Großbritan=
nies
mit einer kräftigeren Initiative zu erfüllen. Dieſe beiden
Tatſachen aber keine Einführung neuer Schutzzölle, reſp.
Abbau der Schutzzölle überhaupt und Intenſivie=
rung
der britiſchen Friedenspolitik gehen das
Ausland in direktem Maße an. Dieſer Umſtand berechtigt daher
zur Behauptung, daß die ſoeben vollzogenen engliſchen Parla=
mentswahlen
, ſo unbefriedigend ſie ſonſt ausgefallen ſein mögen,
weltpolitiſch genommen dennoch als ein weſentlicher Schritt vor=
Vater auf gleicher konſervativer Bank, ſondern ihm gegenüber wärts bewertet werden müſſen bedeuten ſie doch das Ende
jener Periode der Reſerve und des Sichverſchließens, auf der
Großbritannien im Laufe der drei letzten Jahre leider ſo hart=

näckig zu verharren beſtanden hat."

In Paris, ſo berichtet uns unſer 4=Korreſpondent, rechnet
man damit, daß Henderſon der Nachfolger Chamberlains wer=
den
wird. Er iſt perſönlich in Frankreich nicht ſonderlich be=
liebt
. Ueberhaupt beunruhigt man ſich dort ziemlich wegen der
kommenden engliſchen Außenpolitik. Man rechnet allerdings da=
mit
, daß ſich die Aenderungen in Madrid nur wenig aus=
wirken
werden, und glaubt man, daß die Engländer ſich bei der
Ratstagung diesmal zurückhalten werden. Das würde an und
für ſich einer deutſch=franzöſiſchen Annäherung nicht im Wege
ſtehen, und es gibt gewiſſe Pariſer Kreiſe, die glauben, daß die
Zeit dafür gekommen ſei.
Macdonald im Hauſe Downing Streei Nr. 10.
Beſprechungen mit Baldwin.
EP. London, 6. Junk.
Premierneiniſter Macdonald und die Arbeiterführer Snowden und
Thomas ſtatteten am. Donnerstag vormittag dem früheren Premier=
miniſter
Baldwin ſin Downing Street Nr. 10, einen Beſuch ab. Die
Kunde hiervon überraſchte allgemein, umſomehr, als der Beſuch in der
Geſchichte von Downing Street ohne Vorgang daſteht. Macdonald hat
ſich nach ſeinem überraſchenden Beſuch in Downing=
ſtreet
auf die orakelhafte Erklärung beſchränkt, er ſei nach Downing=
ſtreet
gegangen, um die Organiſation für die Arbeiten in Fluß
zu bringen, die verbunden ſeien mit der erſten ernſtlichen Beſchäftigung
mit dem Arbeitsloſenproblem. Dieſe Worte können vielleicht ſo gedeutet
werden, daß Macdonald Vorbereitungen für die Einrichtung von Büro=
räumen
für den Miniſter zur Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit getroffen
hat. Macdonald beabſichtigt nämlich, die Amtswohnung des Premier=
miniſters
nur für Büroräume und Empfangszwecke zu benützen, will
aber in ſeinem Haus in Hampſtead wohnen bleiben. Immerhin erſcheint
es fraglich, ob die Anweſenheit Macdonalds dieſem velativ geringfügigen
Anlaß gegolten hat, wahrſcheinlicher iſt vielmehr, daß Perſonalfragen
im Zuſammenhang mit dem Arbeitsloſenproblem beſprochen worden
ſind. Der politiſche Korreſpondent des Star will aus beſter Quelle
wiſſen, daß
die Bildung des Kabinekts noch unerwarkete
Ueberraſchungen bringen werde.
Man habe ſich in letzter Stunde doch noch dazu entſchloſſen, Außenſeiter?
in das Kabinett hineinzunehmen, und es erſcheint nicht ausgeſchloſſen.
daß Maedonald durch Konzeſſionen in den Perſonen=
fragen
die andere Seite des Hauſes im Hinblick auf das Problem der
Arbeitsloſigkeit für ſich verpflichten will. Ferner ſcheint die Beſetzung
von ſolchen Poſten, die in der Regel von Juriſten beſetzt werden, noch
Schwierigkeiten zu machen, da in der Arbeiterpartei an geeigneten Kan=
didaten
hierfür Mangel herrſcht. Baldwin hat ſich heute nachmittag
nach Chequers begeben. Die neuen Minöſter werden am Samstag in
Windſor ihr Portefeuilles empfangen.
Zuwachs der Arbeiterparkei: ein Liberaler
übergekreten.
Die Arbeiterpartei hat einen neuen Erfolg zu
verzeichnen. In den Abendſtunden wurde bekannt, daß der libe=
rale
Abgeordnete für Preſton, W. A. Jowett ſich entſchloſ=
ſen
habe, zur Arbeiterpartei überzutreten. Die
Möglichkeit beſteht, daß Jowett einen hohen juriſtiſchen Poſten
erhalten wird, was lebhaft debattiert wurde. Es verlautet, daß
ein weiterer liberaler Abgeordneter aus einem
der nördlichen Wahlkreiſe fich mit ähnlichen Plänen
tragen ſoll.
Ueber die vermutliche Zuſammenſetzung des Ka=
binetts
wird als endgültig angenommen: Großſiegelbe=
wahrer
und Miniſter zur Bekämpfung der Ar=
beitsloſigkeit
: Thomas. Ihm wird für ſeine Aufgabe
Longberry beigegeben, dem gleichzeitig der Poſten des erſten
Kommiſſars für öffentliche Arbeiten übertragen wird. Als In=
nenminiſter
wird Clynes genannt, als Außen=
miniſter
Henderſon, als Finanzminiſter Snow=
den
, als Handelsminiſter William Graham und
als Geſundheitsminiſter Arthur Greenwood. Das
Miniſterium zur Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit wird als das
wichtigſte angeſehen, da der Wahlkampf unter dieſer Parole ge=
führt
wurde. Es ſoll eine beſondere Organiſation unter Leitung
von Thomas geſchaffen werden, deren Aufgabe es iſt, die Tätig=
keit
des Arbeits=, des Transport=, des Erziehungsminiſteriums
und ſonſtiger beteiligter Miniſterien aufeinander abzuſtimmen,
damit die Zuſammenarbeit und damit die höchſte Leiſtungsfähig=
keit
gewährleiſtet wird. Die neue Organiſation wird mit größter
Beſchleunigung gebildet, und dieſem Zwecke diente auch der heu=
tige
Beſuch Macdonalds, Snowdens und Thomas’ in der Dow=
ning
=Street.

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[ ][  ][ ]

Nummer 156

Freitag, den 2. Junk 1929

Aus der Landeshauptſtadt.
Darmſtadt, 7. Juni.
* Neuer Fahrplan der Aukobuslinien der Heag.
Seit dem 1. Juni hat die Heag den Autobusverkehr innerhalb der
Stadt bedeutend erweitert. Die neuen Linien ſollen und werden in
Kurze eme ſtarke Belebung des Verkehrs zwiſchen den einzelnen Stadt=
dierteln
unſerer Landeshauptſtadt bringen, ſobald erſt die Annehmlich=
keiten
der neuen Verbindungen allen Volkskreiſen genügend bekannt
ſein werden. Es ſoll deshalb im folgenden das Wichtigſte über die
neuen Linien nochmals kurz dargeſtellt werden.
I. Ringlinie: Schloß-Techniſche Hochſchule Rieger=
platz
RhönringSpeſſartringOſtbahnhof-Erbacher. Straße
VeckſtraßeSoderſtraßeHeidenreichſtraßeNoßdörfer Straße
Nieder=Ramſtädter StraßeSchulſtraßeLudwigsplatzSchloß und
umgekehrt.

ſind: 1. Pankratiusſtraße, Ecke Schloßgartenſtraße, 2. Heinheimer
Straße, Ecke Rhönring, 3. Dieburger Straße, Ecke Speſſartring, 4. Oſt=
bahnhof
, 5. Beckſtraße, Ecke Landgraf=Georgſtraße, 6. Beckſtraße, Ecke
Moßdörfer Straße, 7. Hochſtraße, Ecke Nieder=Ramſtädter Straße,
8. Echloß
Die Ringlinie vermittelt den Verkehr zwiſchen Stadtinnerm und
Martinsviertel, zwiſchen Martinsviertel und Südoſtviertel (Oſtbahnhof,
Woog, Heidenreichſtraße) und zwiſchen Südoſtviertel und Stad. Die
Bewohner des Rhönrings fahren jetzt in 6 Minuten von der Heinheimer=
ſtraße
bis zum Oſtbahnhof und in gleichem Wagen in weiteren 3 Minu=
ten
zu den Badeanſtalten am Großen Woog, die alle drei (Damenbad,
Herrenbad und Strandbad auf der Inſel) von nächſtgelegenen Halte=
ſtellen
aus bequem erreichbar ſind. Der Fahrplan iſt folgender:

Schloß . .
2109 2119
Riegerplatz".
2104 2114 2124
Ringſtraße".
638
2108 2118 2128
Oſtbahnhof.
641 5 21u1 2121 2131
Heidenreichſtraße
646 S 2116 2126 2186
Roßdörferſtraße
649 2119 2120 2130
Schloß
654
2124
Schloß .
39
11o
Roßdörferſtraße
614 624 634 644
Heidenreichſtraße
617 627 687 647
Oſtbahnhof
622 632 642 652 5 2182
Ringſtraße
625 685 645
Riegerplatz
629
689
649
2130
634 644
Schloß . . . . . . . .
654
04 g 214

Zwiſchen Schloß und Niegerplatz iſt nach Bedarf 5=Minuten= Ver=
kehr
, ferner abends bis 10 Uhr (22 Uhr) Pendelbetrieb.
Die Wagen der Ringlinie haben am Schloß unmittelbar An=
ſchluß
an die Wagen der Straßenbahnlinie 2 vom Hauptbahn=
hof
, Linien 6, 7 von der Heidelberger Straße und Linie 3
von der Moosbergſtraße. Dies gewährleiſtet raſcheſte Verbindung
zwiſchen Hruptbahnhof und Heidelberger Straße einerſeits und Darm=
ſtadt
=Südoſt und =Nordoſt andererſeits (Hauptbahnhof- Heidenreich=
ſtraße
17 Min., Hauptbahnhof-Rhönring 15 Min., Landskronſtraße
Heidenreichſtraße 21 Min., LandskronſtraßeRhönring 19 Min. Fahr=
zeit
einſchließlich Umſteigen) und zwiſchen Darmſtodi=Beſſungen und
Martinsviertel (oosbergſtraßeRhönring 15 Min.).
Leider muß infolge Straßenbauarbeiten in der Soder= und Heiden=
reichſtraße
in den nähſten Tagen die Ringlinie vorübergehend durch die
Beckſtraße von der Roßdörfer Straße bis zur Erbacher Straße durch=
gehnd
in beiden Richtungen umgeleitet werden.
II. Pendelbetrieb: Roßdörfer Straße (Anfang)Nieder=
Namſtädter SraßeHerdwegPaulusplatzWittmannſtraße Her=
mannſtraße
, Ecke Karlſtraße.

652 alle
2012 2139 / Roßdörferſtr. 4 701
682 10 Min. bis 2049 214 Hermannſtr. 4 654 D 2014

Zahlgrenze iſt Herdweg, Ecke Niebergallweg. 10=Minuten=
Verkehr.
Dieſe Linie iſt ganz neu und ſtellt die lang erſehnte Querverbin=
dung
zwiſchen Darmſtadt=Süd und Südoſt her. Die Wagen haben an
der Noßdörfer Straß= guten Anſchluß von und nach der Heiden=
reichſtraße
und an der Hermannſtraße an Linie 3 der Straßen=
bahn
. Man fährt von der Hermannſtraße in 13 Minuten zur Heiden=
reichſtraße
(Strandbad auf der Woogsinſel) und in weiteren 4 Minuten
zum Oſtbahnhof; von der Moosbergſtraße bis zur Roßdörfer Straße
benötigt man etwa 15 Minuten einſchließlich Aufenthalt beim Umſtei=
gen
an der Hermannſtraße.
Ein beſonders günſtiger Anſchluß iſt mit Linie 2 geſchaffen
worden, indem die Wagen in der Rüchtung nach dem Paulusplatz
an der Roßdörfer Straße die vom Hauptbahnhef bommenden Straßen=
bahnwagen
der Linie 2 abwarten, ſo daß man vom Hauptbahnhof
in zirka 16 Minuten zum Paulusplatz gelangt. In der Rich=
tung
nach dem Hauptbahnhof iſt ſofortiger Anſchluß an der Hermann=
ſtraße
, Linie 3, Geſamtfahrzeit zirka 20 Minuten vom Paulusplatz bis
Hauptbahnhof.
Die Halteſtellen der Autobuslinien ſind durch rot=weiße Schil=
der
mit en ſprechnder Aufſchrift gekennzeichnet. An der Heinrichſtraße,
Ecke Nieder=Ramſtädter Straß=, fehlt ein ſolches noch. Auch beabſich=
tigt
die Heag, wie wir hören, weitere Halteſtellen einzurichten, ſo an
der Klappacherſtraße und am Weſtportal der Techn. Hochſſchule. Dgs.

Ernannt wurden: der Amtsgerichtsrat bei dem Amtsgericht in
Gießen Wilhelm Volk unter Belaſſung in der Stelle eines Amtsrichters
des Amtsgerichtes in Gießen zum Landgerichtsrat bei dem Landgericht
der Provinz Oberheſſen; der Kanzleigehilfe bei dem Amtsgericht Pfed=
dersheim
Franz Keller zum Kanzliſten mit Wirkung vom 1. Mai
1229 ab und der Kanzleigehilfe bei dem Amtsanwalt in Bensheim
Franz Wendel zum Kanzliſten mit Wirkung vom 1. Juni 1929 ab,
der Verſorgungsanwärter und Hilfsgefangenenaufſeher bei dem Amts=
gericht
Gernsheim Jakob Schmitt zum Amtsgehilfen bei dem Amts=
gericht
Lampertheim mit Wirkung vom 1. Juli d. J. ab: der Land=
gerichtsrat
bei dem Landgericht der Provinz Rheinheſſen Dr. Wilhelm
Hetzel unter Belaſſung in der ſchon bisher von ihm bekleideten Stelle
eines Amtsrichters bei dem Amtsgericht in Mainz zum Landgerichts=
direktor
bei dem Landgericht der Provinz Rheinheſſen mit Wirkung
vom 1. Juni 1929 ab.
In den Ruheſtand treten am 1. Juli 1929 auf Grund des Ge=
ſetzes
über die Altersgrenze der Staatsbeamten: Strafanſtaltsoberwacht=
meiſter
bei der Zellenſtrafanſtalt Butzbach Johann Heinrich Köberer
und der Gefängniswachtmeiſter bei dem Amtsgerichtsgefängnis zu
Hirſchhorn Karl Anton Meßler.
Techniſche Hochſchule Darmſtadt. Der engliſche Unterricht, der
von Fräulein Dr. v. Petzold, Lektorin an der Univerſität Frankfurt
am Main übernommen worden iſt, findet Freitag nachmittags ſtatt;
und zwar hält Fräulein v. Petzold Freitags von 56 Uhr eine Vor=
leſung
in engliſcher Sprache über The Romantic Movement. Uebun=
gen
für Fortgeſchrittenere ſind von 35 Uhr; für weniger Fortgeſchrit=
tene
von 67 Uhr angeſetzt. Auch Nicht=Studierende können daran teil=
nehmen
, wenn ſie ſich als Gäſte im Sekretariat einſchreiben laſſen.
Gewerbemuſeum. Am Sonntag, den 9. Juni, um 11 Uhr, findet
in der Ausſtellung von Joſua Gampp eine Führung ſtatt.

Bau Darmſtadk im H. 5.B.

Unſer Bundesfeſt rückt immer näher. Mit dem Begrüßungskonzert
am 12. Juli, abends 8 Uhr, in der Feſthalle wird das Feſt eröffnet.
Damit dieſes Konzert eine glänzende Leiſtung des Gaues wird, iſt vor=
heriges
eifriges Studium der zum Vortrag kommenden Chöre erforder=
lich
. Die verehrlichen Vereine werden gebeten, ſich die Sache ernſtlich
angelegen ſein zu laſſen.
Die Proben (ſtimmenweiſe) ſind wie folgt vorgeſehen:
am 10., 15. und 17. Juni abends 8 Uhr, und zwar:
1. Tenor: Turnhalle der Mädchenſchule, Rundeturmſtr. (W. Etzold.)
2. Tenor: Aula der Ludwigs=Oberrealſchule. (K. Grim.)
1. Baß: Mozartvereinsſaal, Schulſtraße. (H. Lambert.)
2. Baß: Aula des Realgymnaſiums am Kapellplatz. (H. Herber.)
Am 24. Juni, abends 8 Uhr, iſt die erſte Geſangsprobe. Lokal
wird noch bekanntgegeben.
Am 1. und 8. Juli, abends 8 Uhr, ſind die Vorproben mit Orcheſter
in der Feſthalle.
Die verehrlichen Vereine werden höflichſt gebeten, in den Proben
in voller Stärke zu erſcheinen.
Eine nochmalige Bekanntgabe der Proben findet nicht ſtatt. (Siehe
beſondere Anzeige in der Samstags=Nummer des Blattes.)

Heſſiſches Landestheater. Heute, Freitag, gelangt zum letzten
Male in dieſer Spielzeit Grabbes Schauſpiel Napoleon in der
Inſzenierung Carl Eberts zur Wiederholung. (Miete D, Beginn:
20 Uhr.)
Im Kleinen Haus findet heute eine Aufführung der Darmſtädter
Lokalpoſſe Datterich von Niebergall, dargeſtellt durch die Heſſiſche
Spielgemeinſchaft, ſtatt.
Morgen, Samstag, zum erſten Male Othello von Verdi in
der Inſzenierung Carl Eberts; muſikaliſche Leitung: Dr. Karl Böhm,
Bühnenbilder: Lothar Schenck von Trapp. In den Hauptrollen die
Damen: Anny von Stoſch, Anna Jacobs, und die Herren: Grahl,
Komregg, Jäger, Herrmann, Vogt. Die Erſtaufführung iſt der Miete E.
zugeteilt und beginnt um 19 Uhr.
Zum letzten Male Prozeß Mary Dugan als
Volksvorſtellung. Das erfolgreiche Senſationsſtück Der Pro=
zeß
Mary Dugan gelangt morgen im Kleinen Haus nochmals zur Auf=
führung
, um den Teilnehmern der heſſiſchen Polizeiwoche auch Gelegen=
heit
zu geben, dieſes Kriminalſtück kennen zu lernen. Aus demſelben
Grunde gelangt Sonntag, den 9. Juni, Verneuils kriminalpſycho=
logiſches
Schauſpiel Herr Lamberthier zur Wiederholung.

Spendet nächsten Sonntag

AROTKREUZ-TAK
für die freiwillige Sanitäts-Haupt-Kolonne vom Roten
Kreuz, Darmstadt, Sanitätswache, Fernruf Nr. 400.
Zur Feier von Richard Strauß' 65. Geburtstag (11. Juni) geht im
Großen Haus Sonntag, den 9. Juni, der Noſenkavalier unter
muſikaliſcher Leitung von Max Rudolf in Szene. In den Hauptrollen
ſind die Damen: Roſe Landwehr, Anny von Stoſch, Anna Jacobs,
Marta Liebel, und die Herren: Theo Herrmann, Johannes Biſchoff,
Eugen Vogt, Adolf Jaeger, beſchäftigt. (Gemeinde F, Beginn:
18½ Uhr.)
Das amerikaniſche Zeitbild Broadway, die Theaterſenſation
aller Welt, gelangt am Mittwoch, den 12. Juni, im Großen Haus zum
erſten Male zur Aufführung. Dieſes Senſationsſtück enthält Szenen
des Alkoholſchmuggels und des Artiſtenlebens, wildeſtes Rowdytum und
reizvolles Tingeltangelmilieu der amerikaniſchen Großſtadt. Die In=
ſzenierung
beſorgten Günter Haenel und Wilhelm Reinking. Die
Hauptrollen ſind mit den Damen: Rüggold, Gothe, Hoffart, und den
Herren: Hinz, Keßler, Valk, Minetti, Maletzki, Jungbauer, Gallinger,
Baumeiſter beſetzt.

Darmſtädter Fahrplanbuch. Zu unſerer geſtrigen Notiz ſei noch
folgendes nachgetragen: Neue Züge: S. 122, Nr. 117: Miltenberg ab
Sa 21,50, Wertheim an 23,07; Wertheim ab Sa 23,17, Miltenberg an
0,37. Seite 35, Nr. 25b, 8. und 10. Spalte: Anſchlüſſe: Kaſſel ab
10,47, Frankfurt an 16,53, Darmſtadt an 18,29. Seite 112, Nr. 1082,
9. Spalte: Wellenlinie zwiſchen Kempten und Reutte zu ſtreichen.
Seite 151: bei Kiſſingen iſt zu D 107/108 ein zuzuſetzen, nur 1. und
2. Klaſſe.

Große Auswahl in Badewäsche

Auf vorjährig
Badeanzüge

390 gabat

Ludwigs-
Heinrten Bäuer II. platz 6957s

Verwaltungsgerichtshof, Zeughausſtraße 2. Oeffentliche
Sitzung am Samstag, den 8. Juni 1929: 9½ Uhr: Klage der J. G.
arbeninduſtrie Aktiengeſellſchaft in Frankfurt a. M. gegen die Stadt
Offenbach a. M. wegen Heranziehung zu den Koſten der Herſtellung der
Mühlheimerſtraße; 10½ Uhr: Geſuch des Ernſt Emil Nitzſchke in Offen=
ſch
a. M. um Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirtſchaft.
Wegen Vornahme von Straßenbau=Arbeiten werden vom 8. Juni
d. J. bis auf weiteres für Fahrzeuge aller Art geſperrt: 1. die Heiden=
eichſtraße
zwiſchen Roßdörfer= und Soderſtraße; 2. die Inſelſtraße zwi=
ſchen
Roßdörfer= und Soderſtraße.

Es iſt bekannk von alkersher:
Wer ſelbſt wäſchk, hak gar oft Malheur!
Wer weiß nicht davon ein Liedchen zu ſingen?! Das Zuhauſe=
waſchen
iſt nicht nur eine Quälerei für Frauen und Mädchen, auch
uinrentabel iſt es obendrein, und die Unannehmlichkeiten und das
Mißgeſchick, die oft damit verbunden, laſſen es immer mehr emp=
ehlenswert
erſcheinen, auch auf dieſem Gebiet fortſchrittlicher zu
ſein und die geſamte Haushaltungs=, Leib= und Stärkewäſche in
der ſeit 73 Jahren ſich immer bewährten Großwäſcherei Hering
baſchen und bügeln oder nur waſchen zu laſſen, denn Hering, der
rfahrene Wäſchereifachmann, wäſcht und bügelt die Wäſche am
(5689a
ſönſten. Telephon 3949.

Seite 5

Der Pfungſtädter Landfriedensbruch vor dem
Schwurgericht.
p. Als wir am 18. April d. J. das Urteil in Sachen gegen Heinric)
Huxhorn 2. und Genoſſen von Pfungſtadt veröffentlichten, teilten wir
mit, daß das Verfahren gegen den Nationalſozialiſten Weisbinder Hans
Melk in Darmſtadt, der ſeinen politiſchen Geſinnungsgenoſſen Kottmann
mit dem Meſſer geſtochen und tödlich verletzt hatte, vor das Schwur=
gericht
verwieſen ſei. Geſtern wurde nun dieſe Sache verhandelt.
Der beklagenswerte Vorfall hat ſich in der Nacht vom 12./13. Mai
1928 in Pfungſtadt abgeſpielt. Der Eröffnungsbeſchluß hatte auf fahr=
läſſige
Tötung gelautet, aber das Bezirksſchöffengericht hat angenom=
men
, daß Körperverletzung mit Todesfolge vorliege und in für das
Schwurgericht bindender Weiſe die Sache an dieſes Gericht verwieſen.
Melk erklärt, es ſei damals mit Steinen geworfen worden, es ſei
(um 12 Uhr nachts) ſehr dunkel geweſen, er habe deshalb, um ſich zu
wehren, zum Meſſer gegriffen, das er in der Manteltaſche verwahrte.
Melk war bemüht, den verwundeten Nationalſozialiſten Karg aufzu=
heben
und glaubte in Kottmann einen Gegner von ſich, der ihm vor die
Bruſt ſchlug, abzuwehren.
Die Beweisaufnahme beginnt mit der Vernehmung des Vaters
Kottmann, der ſeinen Sohn, der ſchon ſehr ſchwach war, im Kranken=
hauſe
beſuchte. Die Sektion ergab Verblutung der inneren Organe in=
folge
des mit aller Wucht geführten Meſſerſtiches. Sowohl Kottmann
wie Melk waren damals nicht in Uniform. Ein Zeuge ſchildert die An
griffe durch Steinwürfe, die von Johlen und Schreien begleitet waren,
er erhielt einen Schlag auf den Oberarm. Kottmann war vollkommen
bewußtlos, er wurde zum Arzt gebracht, der das Krankenauto aus
Darmſtadt herbeirief. Ein bereits im Kommuniſtenprozeſſe vernom=
mener
natſoz. Zeuge marſchierte an der Spitze des Zuges nach Verlaſſen
des Verſammlungslokals, als Steinwürfe kamen, kommandierte er, ſich
an die Wand zu ſtellen, er glaubt nicht, daß Melk den Kottmann ge=
ſtochen
habe. Die Beweisaufnahme wickelte ſich raſch ab.
Der Staatsanwalt lehnt es ab, auf die politiſchen Verhältniſſe und
Gegenſätze einzugehen, lediglich ſei die Frage zu prüfen, ob der Ango=
klagte
der Täter ſei. Dafür ſpricht die Einlaſſung des Melk und die
ganze Sachlage. Eine völlige Klärung habe auch die jetzige Verhand=
lung
nicht gebracht. Angeklagter habe vorſätzlich gehandelt und ſeine
Körperverletzung ſei urſächlich für den Tod. Liege Notwehr vor? Dieſe
Frage ſei zu verneinen. Ein eigener Parteigenoſſe greift einen Partei=
genoſſen
nicht an. Wohl könne man von einer Putativnotwehr ſprechen
Habe Angeklagter über ein Tatbeſtandsmerkmal geirrt? Aber auch bei
Putativnotwehr könne eine fahrläſſige Handlung, hier fahrläſſige
Tötung, in Frage kommen. Angeklagter habe nicht blindlings zum
Meſſer greifen und ſtechen dürfen; er hätte ſich verläſſigen müſſen, ob
es nicht einer aus ſeinen eigenen Reihen ſei. Im fahrläſſigen Verhalten
liege das Verſchulden des Angeklagten. Daß der Stich den Tod herbei=
führen
konnte, war für ihn vorausſehbar. Notwehrexzeß ſcheide bei
Putativnotwehr aus. Mildernde Umſtände ſeien gegeben. Eine Ge=
fängnisſtrafe
von 9 Monaten wird in Antrag gebracht.
Der Verteidiger betont, es müſſe geprüft werden, unter welchen
Umſtänden der tödliche Stich geführt worden ſei. Schon am nächſten
Tage habe Melk die Strafe auf ſich genommen und ſich der Polizei ge=
ſtellt
. Damit beweiſe er, daß er es mit der Wahrheit genau nehme
und ſich nicht hinter Leugnen verſchanze. Die Nationalſozialiſten ſeien
die Angegriffenen geweſen, ein kleines Häuflein gegenüber politiſchen
Gegnern. Verletzte habe es nur auf ſeiten der Nationalſozialiſten ge=
geben
. Angeklagter habe annehmen müſſen, ein Gegner ſpringe gegen
ihn an. Tatſache ſei, daß die Gegner mit Waffen geſchlagen hätten.
Melk habe in Putativnotwehr gehandelt, er habe zu dem angewandten
Mittel greifen müſſen, zum Ueberlegen ſei ihm keine Zeit übrig geblie=
ben
. Habe er nicht fahrläſſig gehandelt, ſo habe er auch nicht in ſtraf=
barer
Weiſe gehandelt und müſſe freigeſprochen werden. Habe er aber
fahrläſſig gehandelt, ſo erſcheine das beantragte Strafmaß doch zu hoch.
Die Täter müßten wo anders geſucht werden. Melk habe aus einer
Notlage heraus den unglücklichen Stich geführt.
Das Urteil erkennt auf 3 Monate Gefängnis wegen fahrläſſiger
Tötung. Putativnotwehr hat vorgelegen. Melk hatte bereits vor dem
irrtümlich angenommenen Angriff in Erwägung gezogen, von dem
Meſſer Gebrauch zu machen. Mildernde Umſtände werden bewilligt.

Ausſtellung in der Kunſthalle am Rheinkor.
Kommenden Sonntag, den 9. d. M., vormittags 10 Uhr, wird in
der Kunſthalle am Rheintor eine neue Ausſtellung eröffnet, die in der
Hauptſache von Mitgliedern der Freien Vereinigung Darmſtädter Künſt=
ler
beſchickt iſt. Wir finden dort gute alte Bekannte, die hier immer
gerne geſehen werden, wie Ernſt Eimer, Hans Albert Hofmann, Karl
Scheld, Auguſt Soeder und Walter Reitzel, die alle mit guten anſpre=
chenden
Arbeiten vertreten ſind. Auch Erich Bialla hat den einen Nord=
raum
mit Werken gefüllt, unter denen in erſter Linie die wohlgelunge=
nen
Porträts mehrerer Opernſterne unſeres Landestheaters und im
Muſikleben unſerer Stadt führender Perſönlichkeiten beſondere Beach=
tung
finden werden. Der zweite Nordraum enthält lediglich Studien
und Aquarelle von Karl Scheld, die bei ihren ſehr annehmbaren Prei=
ſen
manchen Liebhaber zum Erwerb veranlaſſen werden. Die Wies=
badener
Künſtlerin Ella Bieger hat eine große Anzahl ſympathiſcher
Blumenſtilleben gebracht. Als weiterer Gaſt des Kunſtvereins hat der
Kreuznacher Maler Karl Kaſtenholz etwa 20 ſtarke Arbeiten eingeſandt,
unter denen namentlich auf die intereſſanten Poxträts, beiſpielsweiſe
von Geheimrat v. M., Amtsgerichtsrat R., Fräulem L. und Landrat
D. M. verwieſen werden ſoll. Jedenfalls hatte Kaſtenholz bei Aus=
ſtellungen
in Berlin, Frankfurt, Dresden, Zürich und Davos ſehr ſchöne
Erfolge aufzuweiſen, die ſicher auch hier nicht ausbleiben werden. Alles
in allem handelt es ſich um eine Ausſtellung, die gewiß den Beifall
Ier Beſucher haben wird.

Volkshochſchule. Am Sonntag, den 9. Juni, 10 Uhr, treffen
ſich die Teilnehmer der engliſchen Kurſe von Profeſſor Schil=
ling
zu einem Morgenſpaziergang an der Odenwaldbahnbrücke,
Dieburgerſtraße.
Orpheum. Sommerfpielzeit Direktor Adalbert Steffter.
Eine einzige Nacht Operette in 3 Akten von Leopold Jacob=
ſon
und Rudolf Oeſterreicher, Muſik von Robert Stolz. Dieſe Operette
wird Samstag, den 8. Juni, im Orpheum unter Leitung des Direktors
Adalbert Steffter zur Erſtaufführung gelangen. Was man auf deutſch
mit dem Wort Charme auszudrücken pflegt, hat, iſt und gibt die Ope=
rette
Eine einzige Nacht‟. Die Handlung untergrundet ein ſehr hüb=
ſcher
Gedanke. Eine echtere Operette iſt nie geſchrieben worden; denn
vier Elemente innig geſellt, bilden das Leben, bilden die Welt!, lehrt
Schiller. Und ein Stück ernſtes Leben, ein Schmarotzertum daran, ein
Lüfterl leichtfertigen Lebens und eine große Luſtigkeit geben dieſer Ope=
rette
den Punſch: die Muſik. Das jubiliert im Orcheſter, das ergießt
ſich ſehnſuchtsvoll und erobert dabei alle Herzen. Rhythmus über alles!
Die Preſſeſtimmen von auswärts wie Hamburg, Hannover, Düſſeldorf,
Wien lauten: Eine einzige Nacht iſt eine der liebenswürdigſten und
kultivierteſten Operetten der letzten Jahre. Robert Stolz iſt den
Darmſtädtern kein Fremder, denn ſeine Operette Mädi (mit Edith
Steffter in der Titelrolle im Kleinen Haus des Heſſiſchen Landes=
theaters
) hatte vor zwei Jahren einen großen Erfolg. Um die Ope=
rette
ganz erſtklaſſig zu beſetzen, hat die Direktion vor allen Dingen die
ſeit Jahren in Darmſtadt ſo beliebte Opernſängerin Paula Kapper
für die erſte Sängerin als Gaſt verpflichtet, und das hieſige Publikum
wird es begrüßen, daß es Paula Kapper, ehe ſie ihr Engagement am
Landestheater in Stuttgart antritt, noch einmal in einer luſtigen, hüb=
ſchen
, intereſſanten Rolle auf der Bühne ſieht, ehe ſie von Darmſtadt
Abſchied nimmt. Außerdem wird auch Fritz Geiger, der ſeit drei
Jahren bei Direktor Steffter während der Sommerſpielzeit im Kleinen
Haus des Heſſ. Landestheaters tätig war, gaſtieren und wird die Rolle
des Wolfgang Schöbel dazu beitragen, daß ſich Geiger weiter in die
Herzen der Darmſtädter hineinſpielt. Ria Urban, welche als Miß
Chocolate bei Publikum und Preſſe großen Erfolg hatte, wird die
Soubrettenrolle der Daiſy ſpielen. Die Eintrittspreiſe ſind trotz
der Gäſte nicht erhöht.

[ ][  ][ ]

Seite 6

Freitag, den 7. Juni 1929

Nummer 436

Die Perabſchiedung des Stellenplans.
Eine Löſung nach ſchwierigen Beralungen. Die neuen Tarife für die Badeanſtalk am Großen Woog. Aus
dem Wohnungsbauprogramm 1929-30. Wieder einmal: die elektriſche Straßenbahnverbindung nach der
Waldkolonie und die Palaisgarkenfrage.

Nachdem man vor acht Tagen den Voranſchlag glücklich unter Dach
gebracht hatte, war auf die geſtrige Tagesordnung die Beratung und
Annahme des Stellenplans geſetzt. Dieſer Stellenplan verurſachte aber
ſchwere Kopfzerbrechen. Man hatte ſich im Prinzip geeinigt nur
über die Gehaltsregelung der Amtmänner konnte man keine Cinigung
erzielen. Noch vor der Sitzung tagte der Unter= und Finanzausſchuß,
ſo daß die öffentliche Sitzung mit faſt einer Stunde Verſpätung be=
gann
, die nach der Erledigung der umfangreichen Tagesordnung (die
übrigens ſehr ſchnell vonſtatten ging, da ſämtliche Punkte einſtimmig
angenommen wurden) nochmals zwecks weiterer Beratung unterbrochen
wurde. Erſt zu ſpäter Stunde wurde eine Löſung gefunden und auch
der Stellenolan gegen die Stimmen der Deutſchen Volkspartei (ſ. unten)
angenommen.
Der Sihungsverlauf.
Um 5.50 Uhr eröffnete Oberbürgermeiſter Mueller die öffent=
liche
Sitzung. Der Stadtrat war vollzählig erſchienen, während die
Reihen der Stadtratsmitglieder einige Lücken aufwieſen. Die einzelnen
Punkte der Tagesordnung wurden ohne Bericht einſtimmig ange=
nommen
.
Schon vor dem Kriege hat ſich
die Schweineſchlachthalle des Städtiſchen Schlachthofes
mit Rückſicht auf ihre Inanſpruchnahme als nicht mehr ausreichend
erwieſen. Die Berechtigung der in der letzten Zeit wiederholt in der
Oeffentlichkeit erhobenen Klagen über die Zuſtände in der Schweine=
markt
= und Schlachthalle kann nicht von der Hand gewieſen werden.
Die Tatſache, daß an den Hauptſchlachttagen die Schweineſchlachthalle
überfüllt iſt, iſt nicht nur auf die Zunahme der Schlachtungen, ſondern
auch auf die veränderten Betriebsverhältniſſe gegenüber den früheren
Jahren zurückzuführen. Der Schweinemarkt findet am Montagvormit=
tag
ſtatt, und die meiſten Metzger ſind dazu übergegangen, die gekauften
Schweine noch am gleichen Tage, und zwar innerhalb vier Stunden,
abzuſchlachten. Dieſen zuſammengedrängten Schlachtbetrieb kann die
Schlachthalle ſelbſtverſtändlich nicht aufnehmen, und es muß zu den
angedeuteten Mißſtänden führen.
Die Schlachtziffern an Schweinen haben ſich wie folgt entwickelt:
1913: P 498 Stück, 1923: 6024 Stück, 1924: 18 617 Stück,
1925: 23 945 Stück, 1926: 24 995 Stück, 1927: 31 293 Stück,
1928: 33 953 Stück. Aus dieſer Entwicklung geht klar hervor, daß die
Schweineſchlachtungen ſtändig im Steigen begriffen ſind. Vir dem
Krieg wurde nach Schlachtgewicht gehandelt und demgemäß verteilten
ſich die Schlachtungen auf die ganze Woche. Durch den jetzt üblichen
Handel nach Lebendgewicht kaufen und ſchlachten die Metzger, um Ge=
wichtsverluſten
zu entgehen, ihre Schweine am gleichen Tage. Im
Gegenſatz zur Vorkriegszeit ſind jetzt die Hauptmarkttage Montag
und Mittwoch gleichzeitig Hauptſchlachttage, und es muß mit Schlacht=
ziffern
bis zu 500 Stück pro Tag gerechnet werden. In den Haupt=
betriebszeiten
werden mitunter bis 140 Schweine pro Stunde getötet.
Es iſt daher notwendig, auch die Zahl der vorhandenen Brühkeſſel ent=
ſprechend
zu vermehren.
Nach den vorausgegangenen gemeinſamen Beſichtigungen unter
Zuziehung von Vertretern der Metzgerinnung hat die Direktion der
ſtädtiſchen Betriebe im Einvernehmen mit dem Städtiſchen Hochbauamt
ein eingehendes Projekt nebſt Koſtenanſchlag für die Errichtung einer
neuen Schweineſchlachthalle vorgelegt. Das Projekt ſieht weiter vor,
die vorhandene Schweineſchlachthalle in eine Schlachthalle für Klein=
vieh
umzuwandeln, das zur Zeit in der Großviehſchlachthalle geſchlachtet
wird. Auch hier haben ſich die Verhältniſſe derart entwickelt, daß nach
der angedeuteten Richtung Abhilfe geſchaffen werden muß. Die Ge=
ſamtkoſten
des Projektes ſind auf 695 000 RM. veranſchlagt. An Dek=
kungsmitteln
ſtehen aus dem Erneuerungs= und Reſervefonds des
Schlachthofes nach dem Stand vom 31. März 1928 rund 455 000 RM.
zur Verfügung. Der Reſt von 240 000 RM. müßte ſo lange durch
Kapitalaufnahme gedeckt werden, b’s der Erneuerungs= und Rücklage=
fonds
durch weitere Ueberweiſungen aus den jährlichen Einnahmen die=
ſen
Betrag erreicht hat.
Die Metzgerinnung als Nächſtbeteiligte hat ſich mit dem Projekt in
allen Teilen einverſtanden erklärt.
Nachdem der Betriebsausſchuß und die Schlachthofdeputation das
Projekt in ihrer gemeinſamen Sitzung vom 24. April Ifd. J8. gut=
geheißen
haben, wird beantragt, ſeine alsbaldige Ausführung unter
Zurverfügungſtellung der erforderlichen Mittel in der vorerwähnten
Weiſe zu genehmigen. Die Genehmigung wird erteilt.
Regelung der Gaspreiſe.
Gemäß dem mit der Gemeinde Arheilgen beſtehenden Gaslieferungs=
vertrag
4 ſoll der Gaspreis für die öffentliche Beleuchtung und die
Gemeindeanſtalten der Gemeinde Arheilgen durch beſonderen Vertrag
geregelt werden. Urſprünglich wurde dieſer Preis auf die Dauer von
fünf Jahren feſtgeſetzt mit der Maßgabe, daß nach Ablauf dieſer Zeit
die Neufeſtſetzung des Preiſes je nach den Herſtellungskoſten zu erfol=
gen
habe. Mit Einführung der ſtabilen Währung nach der Inflation
hat die Gemeinde Arheilgen den allgemein gültigen Einheitstarifpreis,
zuletzt von 18 Pfg. je Kubikmeter, bezahlt. Die Gemeinde Arheilgen
hat beantragt, auf Grund der beſonderen vertraglichen Beſtimmungen
eine Neuregelung des Preiſes des für Gemeindezwecke verbrauchten
Gaſes vorzunehmen. Auf Grund der von der Direktion der ſtädtiſchen
Betriebe angeſtellten Berechnungen hat der Betriebsausſchuß in ſeiner
Sitzung vom 24. April beſchloſſen, den Gaspreis mit Wirkung von der
Aprilaufnahme 1929 ab auf 15 Pfg. je Kubikmeter feſtzuſetzen. Zu=
ſtimmung
wird erteilt; ebenſo wird Genehmigung zur Umänderung der
Kücheneinrichtung des Städtiſchen Ratskellers erteilt.
Der endgültigen Feſtſetzung der Gewerbeſteuer für das Jahr 1928
wird Genehmigung erteilt. Der Umſtellung des veralteten Verbrauchs=
nogabetarifes
vom 8. März 1924 in eine neue Ortsſatzung, ſowie der
Gebührenordnung für die Friedhöfe wird zugeſtimmt.
Stadtrat Kircher (Soz.) bittet, man möge armen Leuten die
Gebühr von 20 Pfg. für Bießkannenbenutzung erlaſſen. Oberbürger=
meiſter
Mueller erklärt, man werde etwaige diesbezügliche Anträge
Bedürftiger prüfen und in begründeten Fällen genehmigen.
Die Stadt beabſichtigt, auf dem ehemaligen Bahngelände zwiſchen
Holzhofallee und Beſſunger Straße in den Jahren 1929 und 1930
424 Dreizimmer=Wohnungen im Geſamtkoſtenaufwand von
rund 5 000 000 Reichsmark
zu errichten. Im Einvernehmen mit dem Bauausſchuß wird beantragt,
dieſes Bauprogramm zu genehmigen und den erforderlichen Kredit aus
Anlehensmitteln zur Verfügung zu ſtellen. Auch hierzu wird die
Genehmigung einſtimmig erteilt.
Die Inſtandſetzung des ſtädtiſchen Hauſes Frankfurter Straße 3,
zu 13 000 Mark, und die Kreditbeſchaffung hierzu, wird genehmigt.

Die letzte
Feſtſetzung der Badepreiſe uſw. für die ſtädtiſchen Bade=
Anſtalten am Woog
hat im Jahre 1924 (kurz nach dem Aufhören der Inflation) ſtattgefun=
den
. Dieſe Preiſe haben bis heute unverändert fortbeſtanden. Ju=
folge
erheblicher Mehrbelaſtungen weiſt der Woogsbetrieb nicht nur
keinen Ueberſchuß mehr auf, ſondern die Einnahmen reichen nicht mehr
dazu aus, um außer den laufenden Ausgaben die unbedingt erforder=
lichen
Rücklagen zu Erhaltung der Anlagen in angemeſſener Höhe vor=
zunehmen
. Bei der angeſpannten Finanzlage der Stadt iſt daher eine
Erhöhung der Badepreiſe für die ſtädtiſchen Badeanlagen am Woog
ein unbedingtes Erfordernis. Es wird vorgeſchlagen, dieſe Bäderpreiſe
von der kommenden Badezeit ab um25 Prozent durchſchnitt=
lich
zu erhöhen, (mit Ausnahme der Preiſe für Schwimmunter=
richt
und der Preiſe für Nachenfahrten).
Der Städtiſche Sportausſchuß hat in ſeiner Sitzung vom 30. April
der von der Verwaltung vorgeſchlagenen Erhöhung der Bäder= uſw.
Preiſe zugeſtimmt mit der Einſchränkung, daß die Preiſe für ſämtli he
Familienbeikarten und die Preiſe der Dauerkarten für die Mitglieder
von Schwimmvereinen in der ſeitherigen Höhe beſtehen bleiben.
Außerdem ſollen an den Mittwoch= und Samstagnachmittagen ab 15
Uhr ſogenannte Volksbadetage eingerichtet werden, an denen die
Tageskarten für einmalige Benutzung einer Zelle oder einer Halle zu
den ſeitherigen Preiſen (30 Pfg. für eine Karte mit Zellenbeautzung
und 15 Pfg. für eine Karte mit Hallenbenutzung) ausgegeben werden.

Der Finanzausſchuß hat in ſeiner Sitzung vom 30. April den neuen
Tarif in der vom Sportausſchuß vorgeſchlagenen Faſſung einſtimmig
gutgeheißen. Gleichzeitig hat der Finanzausſchuß die Verwaltung er=
mächtigt
, für den Fall, daß die Eröffnung des Badebetriebs noch vor
der nächſten Stadtratsſitzung erfolgt, die neuen Preiſe ſchon von dem
Tage der Eröffnung der Badeſaiſon ab zu erheben. Dem Beſchluß
des Finanzausſchuſſes ſtimmte der Stadrat geſtern zu.
Abgeſetzt bzw. zurſickgeſtellt wurden die Beratungen über die Her=
ausgabe
eines neuen Führers von Darmſtadt, über die Gründung einer
Wohnungsbau A. G., über die Herſtellung eines Sportplatzes am Oſt=
bahnhof
für die Turngemeinde 1846, über die Kreditnachbewilligung für
Erneuerung der Fußböden in der Khritzſchule und über den Bebau=
ungsplan
für das Gebiet zwiſchen Beſſunger Straße, Donnersbergring,
Landskronſtraße. Ueber den
Skellenplan.
erſtattete Stadtrat Friedrich (Soz.) Bericht. In 14 Sitzungen des
Unterausſchuſſes und Finanzausſchuſſes habe man ſich mit dem Stellen=
plan
befaßt und habe im Finanzausſchuß auch Aenderungen gegenüber
der Vorlage vorgenommen, über die Einigkeit unter allen Parteien
beſtehe. Lediglich über die Frage der Einſtufung der Amtmänner be=
ſtänden
noch Meinungsverſchiedenheiten. Die Erörterung über dieſe
Frage müſſe in der geheimen Sitzung erfolgen. Der Berichterſtatter
nannte nun in großen Zügen die Bezugszulagen der einzelnen Kate=
gorien
. Bezüglich der Nückwirkung des neuen Stellenplans iſt, ſoweit
die Poſitionen ab 1. Oktober 1927 in Kraft treten, ein Mehraufwand

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von 24 000 Mark, ſoweit dieſe ab 1. Arpil 1929 in Kraft treten, ein
Mehraufwand von 66 000 Mark erforderlich. Da der Unterausſchuß
und Finanzausſchuß dem Stellenplan in ſeiner neuen Form zugeſtimmt
haben, beantrage er die Genehmigung des Stadtrats vorbehaltlich der
Entſcheidung über die Einſtufung der Amtmänner. Durch den Stellen=
plan
würden ſich vielleicht für einzelne Beamtengruppen Schwierigkei=
ten
ergeben, über die man im Unterausſchuß verhandeln könne.
Bürgermeiſter Buxbaum erklärte, dem Stellenplan nicht zu=
ſtimmen
zu können.
Stadtrat Altendorf. (D.V.P.) hält es für erforderlich, daß erſt
eine Einigung ber die Einſtufung der Amtmänner erzielt werden
müſſe; vorher könne man nicht über den Stellenplan abſtimmen, da
man nur den Stellenplan als Ganzes akzeptieren werde nach Klärung
aller Punkte.
Bürgermeiſter Ritzert ſtimmte dieſen Ausführungen zu und
nahm zu dem Stellenplan die gleiche Haltung ein wie Bürgermeiſter
Buxbaum.
Es wurde beſchloſſen, nach Beendigung der Tagesordnung die
Sitzung zu unterbrechen und über den Stellenplan zunächſt in geheimer
Sitzung weiter zu beraten.
Zu Punkt Mitteilungen gab Oberbürgermeiſter Mueller zu=
nächſt
bekannt, daß für die Vergebung des Druckes von Schuldver=
ſchreibungen
zwei Angebote eingelaufen ſeien. Man habe mit dem
Druck die Firma Wittich beauftragt, da ihr Angebot ſehr erheblich
billiger geweſen ſei als das zweite, von der Reichsdruckerei eingelaufene.
Bürgermeiſter Ritzert erklärte, man habe ſich wegen der Beſchaf=
fung
einer Fakturiermaſchine für die Gasanſtalt genau erkundigt. Es
gäbe zur Zeit keine ſo gute Maſchine wie die von Amerika angebotene.
Stadtrat Schneider (Dnatl.) wendet ſich ſcharf gegen die Ab=
ſicht
, eine ausländiſche Maſchine anzuſchaffen.
Stadtrat Baßler (Soz.) erklärt, daß das Gaswerk die Maſchine
benötige und, wie die deutſche Firma beſtätige, auf dieſem Gebiet zur
Zeit keine gleichwertige in Deutſchland exiſtiere, möge man ſie an=
ſchaffen
.
Bürgermeiſter Ritzert, wies darauf hin, daß Deutſchland für
andere Spezialmaſchinen führend ſei, die das Ausland von Deutſchland
beziehe; in dieſem Ausnahmefall müſſe man nun die beſſere Maſchine
vom Ausland beziehen.
Der Anſchaffung wird gegen die Stimmen der Deutſchnationalen
zugeſtimmt.
Stadtrat Kalbfleiſch (D.V.P.) fragt, ob die Abſicht beſtehe,
daß die Soderſtraße nahe der Beckſtraße, dem ſtärkeren Verkehr Rech=
nung
tragend, bald ausgebeſſert werde.

Stadtrat Hütſch (Soz.) fragt an, wie es mit dem Palaisgarten
ſtehe und ob, wie das Gerücht gehe, ein neues Projekt vorliege.
Stadtrat Frau Glänz (Dem.) beſtätigt die Notwendigkeit der
Ausbeſſerung der Soderſtraße nah der Beckſtraße.
Zur Straßenausbeſſerung und deren Finanzierung ſprachen noch
die Stadträte Wieſenecker (Soz.), der auf die Deckungsfrage hin=
wies
, Tempel (Soz.), der auch die Ausbeſſerung der Heidenreich=
ſtraße
wünſcht, falls die Soderſtraße ausgebaut werde.
Stadtrat Frau Kern (Soz.) bittet, man möge die Sprengwagen
in manchen Straßen nicht ausgerechnet zur Zeit der größten Belebtheit
fahren laſſen.
Bürgermeiſter Buxbaum teilt mit, daß wegen eines wichtigen
Kanalneubaues, der ſeither wegen finanzieller Schwierigkeiten zurück=
geſtellt
werden mußte, eine Ausbeſſerung nicht vorgenommen werden
konnte.
Stadtrat Schneider (Dnatl.) beſtätigt, daß das Kanalnetz in
der Soderſtraße an der fraglichen Stelle ausbeſſerungsbedürftig ſei,
Stadtrat Kalbfleiſch (D.V.P.) gab der Hoffnung Ausdruck,
daß man bald an die Ausbeſſerung der Soderſtraße gehen werde.
Stadtrat Weſp (Ztr.) fragt an, wann.
die elektriſche Straßenbahn nach der Waldkolonie
gebaut werde. Er glaube nicht, daß dieſer Bahnbau ſchon beſchloſſen
ſei, und er werde, da er keine genügende Auskunft erhalten habe, bei der
(heutigen) Aufſichtsratsſitzung der Heag dieſe Frage nochmals an=
ſchneiden
.
Auf die nochmalige Anfrage des Stadtrats Hütſch betr. des
Palaisgartenprojektes erklärt Bürgermeiſter Buxbaum, ein neu=
ausgearbeiteter
Plan ſe: dem Miniſterium vorgelegt, und er hoffe, daß
nunmehr eine Einigung erzielt werden kann. Ueber die andere Frage
des Stadtrats Hütſch, ob ein neues Projekt vorliege, könne er in öffent=
licher
Sitzung keine Auskunft erteilen.
Da keine weiteren Wortmeldungen vorlagen, wurde, die öffentliche
Sitzung für kurze‟ Zeit unterbrochen, um in geheimer Sitzung und
nochmaliger Ausſchußſitzung über den Stellenplan zu beraten. Dieſe
Beratungen zogen ſich annähernd drei Stunden, bis gegen 10 Uhr, hin.
Es kam aber auch in der geheimen Sitzung zu keiner Einigung, ſon=
dern
es wurde mit Mehrheitsbeſchlüſſen ſchließlich ein Reſultat zuſtande
gebracht, zu dem in der anſchließenden öffentlichen Sitzung dann die
Parteien Erklärungen abgaben. Die Deutſche Volkspartei erklärte,
daß ſie, da in der ihr äußerſt wichtig erſcheinenden Frage der Ein=
ſtufung
der Amtmänner kein ſie befriedigendes Ergebnis erzielt worden
ſei, ſie ſich leider gezwungen ſehe, gegen die ganze Vorlage zu ſtimmen.
Die übrigen Parteien erklärten, daß ſie, wenn auch ſelbſt nicht voll
befriedigt, im Intereſſe der Beamtenſchaft der Vorlage zuſtimmen wür=
den
. In der Abſtimmung fand dann der Stellenplan gegen die Stim=
men
der Volkspartei und der Bürgermeiſter Buxbaum und Ritzert An=
nahme
. Die in der geheimen Sitzung vorgenommene Aenderung des
Stellenplanes hat von 28 Stellen vier für wichtige Amtmännerſtellen
gehoben. Die Rückwirkung iſt wie oben ſchon ausgeführt ſo, daß
rückwirkend vom 1. Oktober 1927 ab, wie beim Reich und Staat eine
Belaſtung von 24 000 RM. jährlich in Frage kommt, und vom 1. April
1929 ab ein Betrag von rund 60 000 RM., der aus dem im Etat vor=
geſehenen
Reſervefonds gedeckt werden ſoll.
Um 10 Uhr wurde die öffentliche Sitzung von Oberbürgermeiſter
Mueller geſchloſſen.

Der Darmſtädter Hausbeſitzerverein hält heute abend 8 Uhr im
Konkordiaſaal, Waldſtraße 33, ſeine diesjährige ordentliche Mitglieder=
Verſammlung ab. In einem vom Vorſitzenden zu erſtattenden Jahres=
bericht
werden die neueſten Ereigniſſe im Hausbeſitz geſchildert, ſo daß
ſich für die Mitglieder der Beſuch der Verſammlung empfiehlt.
Die Kunſt des Kochens‟. Die geſtern Donnerstag nachmittag
im Uniontheater ſtattgefundene Aufführung dieſes Lehrfilms fand das
ungeteilte Intereſſe der hieſigen Hausfrauen. Bereits vor Beginn der
Vorführung war das Haus gefüllt. Der unter der wirklich vorzüglichen
fachlichen Leitung von Fräulein Walther als Vorſteherin der Haushal=
tungsſchule
des Lettevereins=Berlin, hergeſtellte Film bringt der Frauen=
welt
reiche Anregungen. Es ſei nochmals darauf hingewieſen, daß
heute, Freitag, 7. Juni, nachmittags 3 Uhr, die letzte Vorführung des
Films im Uniontheater ſtattfindet.
Filmvortrag. Heute abend wird Herr Felix Graetz einen Film
mit begleitendem Vortrag über die Taylorixbuchhaltung im Fürſtenſaal
vorführen. Der Vortrag iſt als Einleitung der am kommenden Sams=
tag
und Sonntag im Städtiſchen Saalbau ſtattfindenden Büroausſtel=
lung
gedacht. (Siehe Anzeige.)
Wiener Kronenbräu=Keller. Laut Inſerat in heutiger Ausgabe
konzertiert heute abend Matthias Weber mit ſeinen Militärmuſikern
im Kronenbräukeller nach volkstümlicher Art. Dabei wird der Herrn
Bierbrauereibeſitzer, Hermann Wiener gewidmete Marſch Wiener
Kronenbräu=Klänge und andere gerne gehörten Stücke das Programm
verſchönern. Daß dabei das die Situation beherrſchende Stückchen
Wenn der weiße Flieder wieder blüht nicht fehlen darf, leuchtet ein.
Ortsbriefzuſtellung. Die eingehenden Briefſendungen und
Zeitungen werden werktäglich in folgender Weiſe zugeſtellt: bei der
1. Zuſtellung um 7.30 Uhr: die nach 15 bis 6,15 Uhr eingegangenen
Poſten; bei der 2. Zuſtellung um 10,45 Uhr: die nach 6,15 bis 10 Uhr
eingegangenen Poſten; bei der 3. Zuſtellung um 15,45 Uhr: die nach 10
bis 15 Uhr eingegangenen Poſten. An Sonn= und Feiertagen findet
eine Zuſtellung um 8 Uhr ſtatt, ausgenommen am 2. Weihnachts=, Oſter=
und Pfingſtfeiertag.

Man iſt nur ſo alt, wie man ausſieht,
deshalb benutze man Exlepäng. Gibt grauen Haaren die
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Tageskalender für Freitag, den 7. Juni 1929.
Heſſ. Landestheater, Großes Haus, Anfang 20 Uhr, Ende 22,15
Uhr, D 26: Napoleon. Kleines Haus, Anfang 19,30 Uhr, Ende
nach 22 Uhr: Datterich Orpheum, abends 20,15 Uhr: Miß
Chocolate‟ Konzerte: Schloßkaffee, Reichshof, Hotel Schmitz,
Sportplatz=Reſtaurant, Kaffee Ganßmann. Kinovorſtellun=
gen
: Union=Theater, Pglaſt=Lichtſpiele.

Gottesdfenſt der iſraelitiſchen Religionsgemeinde
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße)
Freitag, den 7. Juni: Vorabendgottesdienſt 7 Uhr 30 Min.
Samstag, den 8. Juni: Morgengottesdienſt 8 Uhr 30 Min.
Sabbatausgang 9 Uhr 35 Min.
Gottesdienſt an den Wochentagen:
Morgen3 7 Uhr 00 Min. Abends 9 Uhr 35 Min
Gebetszeiten der Synagoge der Iſraelitiſchen Religionsgeſellſchaft.
Samstag, den 8. Juni: Vorabend 7 Uhr 50 Min. Morgens
8 Uhr. Nachmittags 5 Uhr. Sabbatausgang 9 Uhr 35 Min.
Wochentags: Morgens 6 Uhr. Abends 8 Uhr 15 Min, und mit
Nacht.
Sonntag, den 9. Juni: Rauſch Chaudeſch Siwan.
Donnerstag, den 18. Juni: Erew Schowuaus. Erub
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[ ][  ][ ]

Nummer 130

Freitag, den 7. Jari 1929

Seite 7

Aus Heſſen.
An. Arheilgen, 5. Juni. Junglandbund. Kommenden Sonn=
tag
findet hier das Reit= und Fahrturnier des Junglandbundes, Orts=
gruppe
Arheilgen, auf dem Sportplatz auf der Viehtrift ſtatt. Nach den
bis jetzt gemeldeten Gruppen und einzelnen Teilnehmern dürfte das=
ſelbe
das bisher größte innerhalb des Bundes werden. Wertvolle Preiſe
für die Sieger aller Gruppen wurden in großer Zahl geſtiftet und ſind
zurzeit im Schaufenſter der Eiſenhandlung Johs. Schmitt, hier, aus=
geſtellt
. Zum Austrag kommen: Gruppenreiten, Schaufahren für Acker=
wagen
(Ein= und Zweiſpänner) und Kutſchwagen, Hindernisſpringen
(Oldenburger 80 Zentimeter, Belgier 60 Zentimeter), Schrittreiten
(Belgier 609 Meter), Trabreiten (Oldenburger und Belgier 800 Meter),
Galoppreiten (Oldenburger 1000 Meter, a) preisgekrönte, b) nichtpreis=
gekrönte
Klaſſe) und Gewandheitsreiten (Nadel= und Fadenreiten). Dem
ganzen wird ein Aufmarſch ſämtlicher Reitergruppen vorausgehen. Den
Abſchluß bildet abends acht Uhr im Gaſthaus Zum weißen Schwanen
die Preisverteilung mit anſchließendem Tanz. Schwimmen im
Turnverein. Mit Beginn der Badezeit finden die Schwimmſtunden
des Vereins jeden Montag und Freitag, abends 6 Uhr, im Gemeinde=
ſchwimmbad
am Arheilger Mühlchen ſtatt. Jeder Teilnehmer wird rich=
tiges
Schwimmen gelehrt bzw. zum Wettſchwimmer ausgebildet. Ferner
können Waſſerſpringen, Figurenliegen und Reigenſchwimmen erlernt
werden. Auch kann, das Waſſerballſpiel geübt werden. Beſonderes
Augenmerk wird dem Rettungsſchwimmen gewidmet werden. Die
hieſige Orcheſtervereinigung hat für nächſten Samstag abend
ſeine Mitwirdng bei dem Kommers des Geſangvereins Treue zuge=
ſagt
und wird auch am 29. d. M. den Feſtabend der hieſigen Sport=
vereinigung
04 verſchönern helfen und an beiden Abenden mit einem
ausgewählten Programm aufwarten. Der hieſige Geſangverein
Frohſinn beteiligte ſich in großer Zahl an dem 70jährigen Jubi=
läum
des Geſangvereins Sängerbund Meſſel. Während die größte
Zahl der Teilnehmer ſich mit der Bahn nach dem benachbarten, gern
beſuchten Feſtorte begaben, hatten auch nicht wenige mit dem Beſuche
des Feſtes einen herrlichen Gang durch den in der Jetztzeit ſo wunder=
vollen
Kranichſteiner Wildpark verbunden.
0. Weiterſtadt, 5. Juni. Die Zahl der Bauluſtigen iſt in
dieſem Jahre ſo groß, daß der Gemeinderat beſchloſſen hat, die Höhe
des einzelnen Bauzuſchuſſes von 3000 Mk. auf 2000 Mk. herabzuſetzen.
Unfall. Auf der Landſtraße zwiſchen hier und Gräfenhauſen fuhr
ein Motorradfahrer aus Gräfenhauſen in ein Fuhrwerk hinein. Sein
Mitfahrer wurde vom Soziusſitz geſchleudert und erlitt erhebliche Kopf=
verletzungen
.
I. Griesheim, 5. Juni. Am Donnerstag, den 6. Juni vollendet
unſer in weiten Kreiſen unter dem Namen Kurze Heinrich bekannte
Mitbürger, Herr Heinrich Kurz 3, ſein 80. Lebensjahr in außerordent=
lich
ſtaunenswerter körperlicher und geiſtiger Friſche. Der Jubilar iſt
Veteran des Feldzuges 1870/71 und bekleidete 25 Jahre lang das Amt
eines Polizeidieners in hieſiger Gemeinde. Als ſolcher zeichnete er ſich
durch abſolute Gewiſſenhaftigkeit und Pflichttreue aus. Er ſteht in=
folgedeſſen
auch heute noch bei der hieſigen Einwohnerſchaft in aller=
beſtem
Anſehen. Seine körperliche Beſchaffenheit läßt es heute noch zu,
daß er noch täglich ſeiner gewohnten Beſchäftigung bei der Bewirtſchaf=
tung
ſeines kleinen Grundbeſitzes nachgeht. Das Philharmo=
niſche
Orcheſter, veranſtaltet am kommenden Sonntag, vormittags
von 11 bis 12 Uhr, unter dem Kaſtanienbaum vor der Wirtſchaft. Zum
grünen Laub wiederum ein Platzkonzert. Vom Wetter begünſtigt,
nahm das 2jährige Stiftungsfeſt des Arbeiter=Radfahrervereins Friſch=
auf
einen recht guten Verlauf. An dem Feſt haben ſich eine größere
Anzahl auswärtiger Nadfahrervereine beteiligt, die ihr Können im
Reigen= und Kunſtfahren zeigten. Die am Montag veranſtaltete Nach=
feier
erfreute ſich ebenfalls eines guten Beſuches und fand mit einem
großen Brillantfeuerwerk ſeinen Abſchluß.
F. Eberſtadt, 5. Juni. Jugendfeſt. Der Schulvorſtand hat
in ſeiner letzten Sitzung beſchloſſen, das Jugendfeſt dieſes Jahr am
Samstag, dem 22. Juni, abzuhalten. Entſprechend einem Erlaſſe des
Herrn Staatspräſidenten und einem Wunſche des Lehrerkollegiums ſoll
auch hier der Jugendtag unter den Leitgedanken des Jugendwanderns
geſtellt werden. Die einzelnen Klaſſen werden getrennt wandern, um
ſich um 4 Uhr nachmitags in üblicher Weiſe zu ungezwungenem Suiel
zuit der Elternſchaft auf dem ſchattinen Feſtplatz im Walde zu treffen.
Dor ſelhſt wird die Muſickapelle Edelweiß konzertieren. Ferner wird
eine Feſtanſprache gehalten und die übliche Johannisbretzel ver=
teilt
werden. Abends geht es dann mit klingendem Spiel heimwärts.
Der Schilvorſtand beſichtigte anläßlich der genannten Sitzung die von
der hieſigen Volksſchule gefertigten Reliefs, die in plaſtiſcher Weiſe das
engere Heimatsgebiet veranſchaulichen und zur Beſichtigung Intereſſen=
ten
zugänglich ſind. Lehrer Wilhelm Schneider gab hierzu die
uötigen Erläuterungen. Anſchließend ſprach Lehrer Dr. Weſp über
tie Notwendigkeir der weiteren Ausgeſtaltung des Phyſikſagles und
führte dem Schulvorſtand eine kleine Anzahl ſelbſtgefertigter. Auf=
nahmen
vom Frankenſtein im Lichtbilde vor. Ueber orthopädiſches Tur=
nen
ſprach Turnlehrer Heinrich Schneider, der hierüber ebenfalls
Ainige Lichtbilder zeigte, durch die ſeine Ausführungen wirkſam ergänzt
wurden.
Aa. Eberſtadt, 5. Juni. Platzkonzert. Anläßlich des am kom=
menden
Sonntag ſtattfindenden Blumentags des Fechtvereins Waiſen=
ſchutz
hält das Blasorcheſter des Muſikvereins Edelweiß vormittags
ab 11 Uhr auf dem Marktplatz ein Platzkonzert ab. Eberſtadt
verſchöni ſich. Seit Beginn des Frühjahrs ſind viele Häuſer, mit
einem neuen Anſtrich verſehen worden, was weſentlich zur Hebung des
Straßenbildes beiträgt. Sehr anzuerkennen iſt auch die Tatſache, daß
der Verkehrs= und Verſchönerungsverein Eberſtadt an zahlreichen Punk=
ten
neue Ruhebänke aufgeſtellt hat. Dazu kommt, daß die Gemeinde
in den Hauptſtraßen auf den Fußſteigen Neueinkieſungen vorgenommen
hat. Daß der Gießwagen gegenwärtig fleißig geht, wird auch dankbar
anerkannt. Das Schwimmbad im Mühltal wird ſeit ſeiner Er=
öffnung
bereits fleißig benutzt, in beſonders ſtarkem Maße natürlich von
der Jugend. Nur ſeit Beginn dieſer Woche mit ihrer kühlen Witterung
iſt der Beſuch etwas zurückgegangen.
O. Pfungſtadt, 5. Junk. Steuerſätze. Für die endgültige Ge=
meindeſteuer
hat der Gemeinderat folgende Sätze feſtgeſetzt: 29 Pfg. auf
je 100 Mk. Gewerbekapital und 1.20 Mk. auf je 100 Mk. Gewerbeertrag.
Ferner wurde beſchloſſen, zur Ablöſung der Markanleihen
an die Verſicherungsanſtalt gemeindlicher Beamten dieſer einen Betrag
von 2100 Mk. zu überweifen. Die geforderten Zinſen für drei Jahre
mit 5 Prozent ( 315 Mk.) ſollen in vergleichsweiſer Erledigung mit
200 Mk. abgegolten werden. Neben den im Bau befindlichen Flach=
bauten
in der Verlängerung der Ringſtraße ſollen zwei weitere
Flachbauten für Wohnzwecke auf Koſten der Gemeinde errichtet werden.
Die Arbeiten ſollen mit möglichſter Beſchleunigung ausgeſchrieben und
dann durchgeführt werden. Die Gemeinde hat für zwei abgängige
Zuchteber einen neuen Zuchteber aus Gernsheim und einen weiteren
aus Wolfskehlen angekauft. Die neue Feſtbühne ſoll für Vereine
zur Verfügung geſtellt werden. Vereine haben dafür eine Leihgebühr
von 100 Mk. zu zahlen. Die Feſtbühne kann auch von auswärtigen
Vereinen geliehen werden. Auswärtige müſſen allerdings 120 Mk. be=
zahlen
. Neulich fand ein Wieſenrundgang durch die Gemar=
kung
ſtatt. Dabei wurde feſtgeſtellt, daß verſchiedene Ausbeſſerungs=
arbeiten
an Gräben und die Neuherſtellung eines Verbindungsgrabens
in den Rotgraben nötig ſeien. Zu dieſem Zwecke ſoll eine Wieſe von
der Gemeinde angekauft werden. Außerdem beſchloß die Gemeinde,
mehrere Waldparzellen anzukaufen. Der Gemeinderat hat ferner be=
ſchloſſen
, den Weg über die Sandſchollenſchneiſe, der täglich von vielen
Arbeitern mit ihrem Fahrrad auf dem Weg von oder zur Arbeits=
ſtätte
benutzt wird und der verſchiedentlich ſich in einem ſchlechten Zu=
ſtand
befindet, auszubeſſern. Auf ein Geſuch der Anwohner der Bahn=
hofſtraße
hin ſoll der obere Teil der Straße bis zum Friedhof bei der
Herſtellung des Friedhofweges etwas abgewalzt werden. Der Wohl=
fahrtsausſchuß
wird ſich demnächſt mit der erhöhten Rente der Bohl=
fahrtsunterſtützungsempfänger
zu beſchäftigen haben.
G. Ober=Namſtadt, 5. Juni. Aus dem Gemeinderat. Der
Gemeinderat hielt geſtern eine außerordentliche Sitzung ab, um zu der
Frage der Waſſerverſorgung erneut. Stellung zu nehmen. Bekannt=
lih
wurden bereits im November 1998 und Januar 1939 auf Beſchluß
des Gemeinderats durch das Kulturbauamt Darmſtadt Feſtſtellungen
über die Ergiebigkeit von Quellen in hieſiger Gemarkung, beim Forſt=
ort
Heimböhl, und darüber hinaus in den Gemarkungen Nieder= und
Ober=Modau ſowvie Ernſthofen gemacht, um die Frage zu prüfen, ob

Die Polizeiwoche in Darmſtadt.
Rauſchgifte und ihre Wirkung. Der Erkennungsdienſt bei der Polizei. Ueber die Berechtigung des A
Schußwaffenbeſikes.

Der geſtrige Vortragsmorgen der 1. Heſſiſchen Polizeiwoche brachte
wiederum einige ſehr aktuelle Themen, die von bekannten Spezialiſten
und Fachmännern behandelt wurden. Zu den Vorträgen, die im Union=
Theater gehalten wurden, hatte ſich wie räglich eine außerordent=
lich
große Zuhörerſchaft eingefunden, die mit Intereſſe den Ausführun=
gen
folgten und den Referenten lebhaften Beifall zollten.
Zunächſt ſprach Dr. Karl Merck=Darmſtadt über:
Die Rauſchgifte, ihre Herſtellung, Verpackung, ihren
Gebrauch und ihre Fälſchung.
Immer hat es die Menſchheit verſtanden, Pflanzen, die Rauſchſtoffe
enthielten, ausfindig zu machen und zu benutzen. Dieſe Nauſchſtoffe,
meiſt Alkaloide, wurden dann in neuerer Zeit iſolierr, und haben zum
Teil, wie das Kokain und Morphin, Eingang in die Medizin
gefunden. Da ſie aber neben ihrer wertvollen therapeutiſchen Wirkung
Euphorie hervorrufen, iſt ihre mißbräuchliche Anwendung raſch ge=
wachſen
, verſtärkt durch die Tatſache, daß ſie Gewöhnung verurſachſen,
d. h. zur Hervorbringung derſelben Wirkung immer größere Doſen
benötigen und daß außerdem der einmal mit einer ſolchen Sucht Be=
haftete
nicht mehr von dem Gebrauch der Mittel loskommen kann.
Schwere körtzerliche und geiſtige Störungen ſind die Folgen.
Die Geſchichte des Morphins bzw. ſeiner Mutterſubſtanz, des
Opiums, geht bis in die älteſten Zeiten zurück. Der Gebrauch von
Opium iſt heute über die ganze Erde verbreitet, insbeſondere hat China
zur Verbreitung beigetragen. Der Fabrikation von Morphin dient
europäiſches und kleinaſiatiſches Opium. An Hand einer Reihe von
intereſſanten Lichtbildern wird der Gang der Fabrikation gezeigt.
Auch der Gebrauch der Kokablätter, aus denen das Kokain ge=
wonnen
wird, geht in Südamerika auf alte Zeiten zurück und wurde
dort von den Spaniern vorgefunden. Das Kauen von Kokablättern
ermöglichte den Indianern außergewöhnliche körperliche Leiſtungen.
Nach Iſolierung des Kokains durch Niemann, wird in den 80er
Jahren die Fabrikation in Deutſchland aufgenommen; ſie geſchieht
heute nicht mehr wie früher aus importiertem Nohkokain, ſondern aus
den von Niederländiſch=Indien kommenden getrockneten Kokablättern.
Auch die Fabrikation des Kokains wird an Hand von Lichtbildern
geſchildert, ebenſo die zum Schutze gegen Diebſtahl getroffenen und
ſonſtigen Sicherheitsmaßnahmen. Fälſchungen der Packungen für
illegalen Verbrauch ſind häufig, enthalten aber faſt nie Kokain bzw.
Morphin, ſondern wertloſe Erſatzſtoffe.
Als ſchmerzlinderndes Mittel iſt das Morphin heute noch unerſetz=
bar
. Hand in Hand mit ſeiner therapeutiſchen Verwendung geht aber
ein ausgedehnter Mißbrauch, der zum Morphinismus führt, der zur
Gewöhnung an dieſes Gift und zum allmählichen gänzlichen körperlichen
und geiſtigen Verfall führt. Dasſelbe gilt von Kokain, nur daß die
Ausbreitung des Kokginismus jüngeren Datums iſt und ſich raſcher
vollzogen hat. Das iſt in erſter Linie darauf zurückzuführen, daß der
Kokainiſt im Gegenſatz zum Morphiniſten Geſellſchaft ſucht und in der
Verführung anderer Befriedigung findet. Im übrigen ſind die Folgen
ähnliche wie beim Morphinismus.
Vor dem Kriege war Deutſchland in der Kokain=Fabrikation füh=
rend
, heute hat es nur noch ein Viertel bis ein Fünftel des Weltum=
ſatzes
, während es bei Morphin immer noch an erſter Stelle ſteht. Der
legale Handel wird durch das Opiumgeſetz von 1920 geregelt; zur Ein=
dämmung
des illegalen wäre am wünſchenswerteſten die Schaffung von
Erſatzſtoffen, die bei gleicher therapeutiſcher Wirkung keine Euphorie
hervorrufen.
Anſchließend referierte Profefſor Dr. Strauch=Berlin ſehr
intereſſant und lebendig über das Thema:
Mord oder Selbſtmord.
An Hand inſtruktiver Lichtbilder erläuterte der Referent die ver=
ſchiedenſten
Selbſtmordarten, die zum Teil ſo raffiniert und kompliziert
ausgeführt ſind, daß es in ſehr vielen Fällen zunächſt äußerſt ſchwierig
iſt, nach Auffindung einer Leiche mit Sicherheit feſtzuſtellen, daß ein
Selbſtmord vorliegt. Da der Selbſtmörder in ſehr vielen Fällen bei
Ausführung der Tat in einem Verwirrungszuſtand der Sinne ſich be=
findet
und die Gründe des Freitodes oft pſychologiſcher Art ſind und
häufig von den Angehörigen oder Bekannten des Toten nicht gekannt
werden, iſt auch die Tötungsarr ſehr verſchieden. Sehr oft ſpielen
Nervenſchwächlinge mit dem Gedanken des Freitodes und ſuchen ſich
eine Todesart aus. An mannigfaltigen Merkmalen gelingt es den
Sachverſtändigen oft nur mit großer Mühe, feſtzuſtellen, ob der Tote
einem Morde zum Opfer fiel oder Hand an ſich ſelbſt gelegt hat. Der
Referent behandelte dieſe Merkmale in gründlichen Ausführungen, in=
dem
er in Lichtbildern auf die Unterſchiede aufmerkſam machte. Er ging
auf die verſchiedenſten Todesarten, z. B. durch Erhängen, Erdroſſeln,
durch Schnitt= und Schlaginſtrumente (Meſſer, Beil) und durch Erſchießen
ein; verſtand es aber, durch ſeine ſachliche und menſchlich verſtändnis=
volle
Vortragsweiſe, die an ſich kraſſe Materie den Zuhörern erträglich
zu geſtalten. Beſonders ſeltene und ſchwere Fälle von Morden oder
Selbſttötungen wurden von dem Neferenten als Beiſpiele für die
Schwierigkeit der Feſtſtellung des freiwilligen oder gewaltſamen Todes
angezogen und jeweils die Merkmale der einwandfreien Klarlegung des
in Frage ſtehenden Falles unterſtrichen. Der Referent zeigte in
Verbindung mit den Lichtbildern zahlreiche Mordinſtrumente, mit denen
die Tötungen vorgenommen wurden.
Polizeimajor i. R. Dr. Koch=Berlin ſprach nach einer kurzen
Pauſe über:
Waffenerwerb. und Waffenbeſitz.
Er wies zunächſt darauf hin, daß das Geſetz über Schußwaffen und
Munition vom 12. April 1928 zum erſtenmal dieſe Materie einheitlich
für das ganze Reich regele, während dies bisher Sache der Länder
geweſen ſei. Der ſich ſteigernde Mißbrauch von Schußwaffen habe
gezeigt, daß die Umſtände nur zu beſeitigen wären, wenn die Herſtel=
lung
, der Handel, der Erwerb und das Führen von Schußwaffen und
Munition ſtring überwacht würde. Er erläuterte alsdann den Begriff
Schußwaffen, unter denen das Geſetz ſolche Waffen, bei denen ein
Geſchoß oder eine Schrotladung mittels Entwicklung von Exploſivgaſen
oder Druckluft urch einen Lauf getrieben wird, verſtanden wiſſen will,
und Munition, welche fertige Munition zu Schußwaffen und Schieß=
pulver
jeder Art nach dem Geſetz umfaßt.

Abweichend lon den bisherigen Beſtimmungen, die nur eine An=
zeigepflicht
kannten, werde jetzt für Waffen= und Munitionsfabriken die
Beantragung der Genehmigung gefordert; dazu lomme die Vorſchrift
über Führung eines Waffenbuches, aus dem der Verbleib der Schuß=
waffen
hervorgehe. Vor der Erteilung bzw. Verſagung der Genehmi=
gungs
ſei, die örtlich zuſtändige amtliche Berufsvertretung, zu hören,
Des weiteren ſei für den Handel mit Schußwaffen und Munition die
Genehmigungspflicht eingeführt. Sehr wichtig ſei, daß Trödlern und
Althändlern niemals eine Genehmigung erteilt werden dürfe, ſowie das
Pfandleihen, alſo das Beleihen von Schußwaffen und Munition, ver=
boten
iſt. Der Unterſagung des Handels im Wandergewerbe ſei noch
die des Handels auf Jahrmärkten, Schützenfeſten und Meſſen hinzu=
gekommen
; damit ſtehe in Verbindung das Verbot des Handels mit
Schußwaffen im Stadthauſieren. Dem Händler ſei die Führung eines
Waffenhandbuches vorgeſchrieben; ihm ſei auch vorgeſchrieben, daß für
den Verkauf beſtimmte Schußwaffen Namen oder Warenzeichen des
Herſtellers bzw. Händlers führen müſſen. Hinſichtlich des Erwerbes,
Beſitzes und Führens ſehe das Geſetz vor, zunächſt einen Waffen= bzw.
Munitionsſchein, ohne welchen jeder Kauf unmöglich ſei, ſodann zum
Führen einen Waffenſchein, deſſen Gültigkeit über das ganze Reich
ausgedehnt ſei; dabei bedeute Führen das Beiſichtragen zu dem
Zwecke, gegebenenfalls von der Schußwaffe Gebrauch machen zu müſ=
ſen
. Von der Einführung eines Waffenſcheins ſei Abſtand genommen.
Es ſei jedermann, der ordnungsmäßig in den Beſitz einer Schußwaffe
gekommen ſei, erlaubt, eine Schußwaffe in ſeiner Wohnung, ſeinen
Geſchäftsräumen oder ſeinem befriedeten Beſitztum zu haben, ohne
einen Waffenſchein zu beſitzen.
Redner ging dann auf die Beſtimmungen über Jagdwaffen ein;
zu deren Führung bedürfe der Inhaber eines gültigen Jagdſcheines,
nicht eines beſonderen Waffenſcheines; der Jagdſchein genügte. Hier
ſei noch eine Erweiterung zu erwähnen: der Jagdſchein gebe dem In=
haber
jetzt auch das Recht zum Tragen=einer Fauſtfeuerwaffe. Waf=
fen
= und Munitionslager ſeien genehmigungspflichtig.
Bei Beſprechung der Strafbeſtimmung machte Redner auf eine ſehr
wichtige Neuerung aufmerkſam, welche beſagt, daß Aufſichts= und Er=
ziehungspflichtige
für Zuwiderhandlungen der zu ihrer Hausgemein=
ſchaft
gehörigen oder ihrer Aufſicht oder Erziehung unterliegenden Per=
ſonen
unter 20 Jahren verantwortlich gemacht werden.
Redner ſchloß ſeinen Vortrag mit dem Hinweis, daß das Geſetz den
gewünſchten Erfolg haben werde, wenn ſtrenge und rückſichtsloſe poli=
zeiliche
Kontrollen der Waffenhändler erfolge und die Gerichte bei Ver=
ſtößen
ſtrenge Strafen unter Ausſchaltung jeder Bewährungsfriſt ver=
hängen
.
Als letzter Referent des geſtrigen Vormittags ſprach Polizeidirektor
Wilhelm=Eßlingen über die Frage:
Wie ſucht der moderne Verbrecher ſeine Spuren zu verwiſchen?
Einleitend bemerkte der Redner, daß der erfahrene Verbrecher in
ſeinem Handwerk in gewiſſem Sinne Mimikry treibe. Dieſe Tarnung
ſei im Grunde nichts anderes, als ein Ausfluß des natürlichen Selbſt=
erhaltungstriebs
, der jedem Menſchen, und dem Verbrecher im beſon=
deren
, innewohne. Die Weſensmerkmale, die dem bodenſtändigen und
dem reiſender Gewohnheits= und Berufsverbrecher eigen ſeien, bildeten
in ihrer Folgewirkung für beide Verbrecherarten in allerdings nur
beſchränktem Umfange einen natürlichen Schutz gegen die Gefahr,
gefaßt zu werden.
Bei der Vorbereitung der Tat und bei ihrer Ausführung zeige ſich
der Verbrecher ſo recht als Trieb= und Stimmungsmenſch. Seine Vor=
ausſicht
erſtrecke ſich kaum über die Tat hinaus. Auch die Vorſicht des
Verbrechers beſchränke ſich im weſentlichen darauf, der Gefahr zu be=
gegnen
, bei der Ausführung der Tat überraſcht oder erkannt zu wer=
den
. Dabei bewege er ſich in ziemlich ausgefahrenen Geleiſen. Der
Redner ſchildert ſodann, wie der Verbrecher es zu verhindern ſucht,
Spuren zu hinterlaſſen. Er führt auch einige Beiſpiele an, wie der
Verbrecher künſtliche oder wechſelnde Spuren erzeugt, um den Nach=
ſtellungen
der Strafverfolgungsbehörden zu begegnen.
In die Abwehr gebrängt, ändere ſich das Bild nicht unweſentlich.
Jetzt erwache im Verbrecher der Selbſterhaltungstrieb in ſeiner ganzen
Stärke; jetzt erſt komme ihm die verbrecheriſche Erfindungskraft zur
Hilfe. Die Maßnahmen, die der Verbrecher treffe, um ſich der Verant=
wortung
für die Tat zu entziehen, richteten ſich nach dem Ziele, das
ſeinerſeits durch die Lage bedingt iſt. Der Redner ſchildert ſodann an
einer Reihe von Beiſpielen aus der praktiſchen Arbeit der Kriminal=
polizei
, wie der zunächſt unerkannt gebliebene Täter ſeiner Ermittelung
zu entgehen ſuche, wie der der Perſönlichkeit nach bekannte Verbrecher
ſich der Ergreifung zu entziehen bemühe, und wie der verdächtige Ver=
brecher
beſtrebt ſei, die Ueberführung zu verhindern. Im beſonderen
erwähnt er, welche beſondere Vorſicht der Verbrecher aufwende, um die
ihm gefährlichſte Spur zu beſeitigen, diejenige nämlich, die durch die
Verwertung der Beute entſteht.
Zuſammenfaſſend bemerkte der Redner, daß die Frage: Wie ſucht
der moderne Verbrecher ſeine Spuren zu verwiſchen? in erſter Linie
kriminalpſychologiſch zu löſen ſei. Am Schluß zieht er aus ſeinen
Ausführungen die Folgerungen für die Methode der Kriminalunter=
ſuchung
und ſchließt mit der Mahnung, bei, der Aufnahme des Tat=
beſtandes
von Verbrechen die größte Sorgfalt auf die Auffindung der
unverwiſchten Spuren zu legen, die der Täter trotz aller Vorſicht am
Tatort zurücklaſſe.
Am geſtrigen Nachmittag fand planmäßig ein Ausflug ſtatt,
an dem ſehr viele Teilnehmer der Polizeiwoche teilnahmen.
Am heutigen Freitag ſind folgende Referate vorgeſehen:
8.30 9.15 Uhr: Oberregierungsrat Degenhardt=Berlin: Fragen
aus dem polizeilichen Bildungsweſen.
92510.10 Uhr: Oberregierungsrat Prütz=Berlin: Die Bureau=
reform
bei der ſtaatlichen Polizei in Preußen.
10.4011.25 Uhr; Kriminalpolizeirat Dr. Riemann=Berlin: Die
Tatbeſtandsaufnahme bei einem Kapitalverbrechen, gezeigt
an einem konkreten Fall.
11.3512.50 Uhr: Profeſſor Dr. Müller=Heß=Bonn: Sexual=
pſychologie
der Jugendlichen.
1516 Uhr: Ausſprache über die Vorträge Degenhardt und Prütz.
1617 Uhr: Desgleichen Riemann und Müller=Heß.

dem zeitweiſen Waſſermangel durch weitere Zuleitungen aus dieſer
Nichtung entgegengetreten werden könnte. Die damaligen Meſſungen
waren einigermaßen erfolgverſprechend. Der Gemeinderat hatte des=
halb
ſeinerzeit beſchloſſen, die Meſſungen durch das Kulturbauamt wie=
derholen
zu laſſen, um die Ergebniſſe der erſten Unterſuchung in troch=
ner
Jahreszeit überprüfen zu können. Dieſe wiederholten Meſſungen
fanden am Freitag, dem 31. Mai d. J., ſtatt. Dabeſi wurde feſtgeſtellt,
daß die Waſſermengen der einzelnen in Ausſicht genommenen Quellen
geenüber den eiſten Meſſungen durchweg um etwa 50 Pvozent zurück=
gegangen
waren. Am Montag, dem 3. Juni d. J., fand nun auf dem
Nathaus eine Beſprechung ſtatt, an der neben Vertretern der Gemeinde
Herr Oberberarat Kiemm, vom Kulturbauamt Herr Oberbaurat Hauck
und Herr Kulturteckmiker Nitter, als weiterer Sachverſtändige Herr Heck
imn Fa. 2. Nohl=Darmſtadt teilnahmen. Die Ergebniſſe der bisheri=
gen
Feſtellungen wurden eingehend beſprochen, und man kam allgemein
zu der Ueberzeugung, daß eine Waſſerzuführung aus der oben erwähn=
ten
Gegend nach dem Ergebnis der letzten Meſſung der Quellen wohl
nicht ausreichen würde, um die Waſſerknappheit endgültig zu beheben.
Es muß dabei auch berückſichtigt werden, daß viele Kilometer Rohr=
leitung
, die Zuleitung aus den Nebentälern und die Quellenfaſſungen
einen Koſtenpunkt verurſachen würden, der dem zu erwartenden Erfolg
abſolut nicht entſorähe. Anſchließend an dieſe Ausſprache wurden
nochmals Beſichtigungen iu hieſiger Gemarkung vorgenommen und be=
ſchloſſen
, dem Gemeinderat vorzuſchlagen, Bohrungen nach Waſſer ober=

und unterhalb des Ortes vorzunehmen. Der Gemeinderat hat nun in
ſeiner geſtrigen Sitzung dieſem Vorſchlag zugeſtimmt und die Firma
J. Nohl=Darmſtadt mit der ſofortigen Aufnahme der Bohrarbeiten
beauftragt. Man hofft, hierdurch weitere Waſſermengen zu gewinnen
und dieſe dann durch ein Pumpwerk dem Rohrnetz zuführen zu können,
Ci. Zwingenberg a. d. B., 6. Juni. Eröffnung des Groß=
obſtmarktes
. Heute nachmittag wurde der hieſige Großobſtmarkt
für das Jahr 1929 eröffnet. Trotz der regneriſchen Witterung war die
Anfuhr am erſten Tage verhältnismäßig gut. Es wurden angeboten:
Frühkirſchen in den Sorten Früheſte am Markt, Frühe Oberländer
Maikirſchen, und in Erdbeeren die Sorte Laxtons Nobel‟. Gezahlt
wurden für Kirſchen 4560 Pfg. pro Pfund und für Erdbeeren 1.50
Mark. Da uns die letzten Tage nach langer Trockenheit endlich ergiebige
Regenfälle gebracht haben, ſo iſt in den nächſten Tagen und Wochen mit
einer reichen Beſchickung des Marktes in erſtklaſſigen Kirſchen und Erd=
beeren
zu rechnen. Todesfall. Plötzlich verſchied an einem Herz=
ſchlag
der über Zwingenbergs Mauern hinaus geſchätzte Metzgermeiſter P.
Schuchmann. Am Tage vor ſeinem Tode war er noch auswärts in
ſeiner Eigenſchaft als Obermeiſter der Metzgerinnung Bergſtraße tätig.
Vor wenigen Jahren verlor er ſeinen einzigen, im blühenden Mannes=
alter
ſtehenden Sohn und Nachfolger.
Hirſchhorn, 6. Juni. Waſſerſtand des Neckars, am
5. Juni: 0,78 Meter; am 6. Juni: 0,78 Meter.

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[ ][  ][ ]

Seite 8

Nummer 156

Freitag, den 7. Juni 1929

Die deutſche Landwirkſchaft auf der Rekofa.
Auf der Rekofa=Ausſtellung veranſtaltete zum erſten Male die
deutſche Landwirtſchaft unter Mütwirkung des Reichsmilchausſchuſſes,
des Deutſchen Landwirtſchaftsrates und der Preußiſchen Hauptland=
wirtſchaftskammer
eine gemeinſame Sonderſchan:
Deutſche landwirtſchaftliche Qualitätserzeugniffe.
Hier wird ein Ueberblick gegeben über die erfreulichen Ergebniſſe
der von der einheim’ſchen Landwirtſchaft auf dem Wege der Selbſt=
hilfe
ergriffenen Maßnahmen zur Förderung des Abſatzes
ihrer Erzeugniſſe, wie: Verbeſſerung der Qualität, der äuße=
ren
Beſchaffenheit, Sortierung, Verpackung und Einheitlichkeit der
Ware, ſowie der in anerkennenswerter Weiſe von den Landwirtſchafts=
kammern
auf das ſchärfſte durchgeführten amtlichen Qualitäts=
kontrolle
. Durch die dadurch erfolgende Hebung der Abſatzfähig=
keit
und Steigerung der Abſatzmöglichkeit iſt auch die deutſche Landwirt=
ſchaft
in der Lage, den neuzeitlichen Anſprüchen des Marktes nachzu=
kommen
. Es gelang ihr ſo, den Vorſprung, den infolge der Kriegszeit
das Ausland mit ſeinen Produkten auf unſeren Märkten erlangt hatte,
wettzumachen.
Wir ſehen in der Gruppe Milch und Molkereiprodukte‟
erſtklaſſige Butter und Käſe, deren Herſtellung unter amtlicher
Kontrolle bzw. bei Käſe an altbekannten Erzeugungsſtätten er=
folgt
. Für die Hebung des Verbrauchs einheimiſcher Milcherzeugniſſe
ſetzt ſich der Reichsausſchuß zur Förderung des Milchverbrauchs beſon=
ders
ein.
Weiterhin iſt die deutſche Geflügelhaltung mit ihren
Erzeugniſſen, beſonders mit Eiern, hervorragend vertreten. Die vom
Deutſchen Landwirtſchaftsrat einheitlich feſtgeſetzten Richtlinien für das
Deutſche Friſchei ſorgen unter amtlicher Kontrolle dafür, daß
der deutſche Markt mit einwandfrei friſchen und gut ſortierten Eiern
verſorgt wird.

Eine Sammlung echten deutſchen Hon: gs zeigt das ſchöne Er=
gebnis
der Arbeiten des Deutſchen Imkerbundes, der jedes
Gefäß, in welchem reiner deutſcher Qualitätshonig enthalten iſt, mit
ſeiner Kontrollmarke verſieht.
Eine weitere Gruppe zeigt die Beſtrebungen der Gemein=
ſchaftsarbeit
zwiſchen dem Reichsverband des Deut=
ſchen
Gartenbaues und dem Obſt= und Gemüſehandel.
Gut ſortiertes, anſprechendes Gemüſe lockt zum Bezuge. Ferner wer=
den
von der deutſchen Landwirtſchaft Kartoffeln gezeigt, die unter amt=
licher
Kontrolle als Markenkartoffeln auf den Markt
kommen.
Ein zur Verteilung gelangender Sonderführer gibt weitere
lehrreiche Aufſchlüſſe, die für jeden Beſucher wiſſenswert ſind.
Die deutſche Landwirtſchaft hat mit anerkennenswerier Mühe und
unter Zuſammenfaſſung aller Kräfte die Aufgabe ubernommen, ihre
Erzeugniſſe den höchſten Anforderungen des Verbrauchers anzupaſſen
und dafür die freiwillige amtliche Kontrolle von ſich aus durchgeführt.
Zu wünſchen iſt es, daß der beutſche Handel und Verbraucher in An=
erkennung
dieſer Beſtrebungen und zu ihrer Förderung das dautſche
Angebot landwirtſchaftlicher Erzeugniſſe reſtlos aufnehmen.
Der deutſche Markt den deutſchen Erzeugniſſen.

Zur Wünſchelrukenfrage.
Wir erhalten eine Zuſchrift, der wir folgendes entnehmen:
Die Preuß. Geol. Landesanſtalt hat ſich veranlaßt geſehen eine
Flugſchrift in Umlauf zu ſetzen, die die Verſuche mit Rutengängern
beſchreibt.
Für die Verſuche hatten ſich vor Jahren, trotz der Warnung
des Int. Vereins der Rutengänger, drei Herren, die dem

Verein angehören, zur Verfügung geſtellt. Es handelte ſich um Herren,
die erſt kurze Zeit ihre Befähigung zum Rutengehen erprobt hatten.
Die Verſuche waren derart angeordnet und vorbereitet, daß un=
erfahrene
Rutengänger den beabſichtigten ſuggeſtiven Einflüſſen
erliegen mußten. Prominente und erfahrene Rutengänger hätten ſich
durch das Verſteckſpielen und die vorbedacht gelegten Fallen nicht un=
ſicher
machen laſſen, ſondern ſich lediglich auf ihre unterbewußten Aus=
ſchläge
und Empfindungen verlaſſen.
Die Brauchbarkeit und Tüchtigkeit eines Rutengängers iſt nach
der Fähigkeit des vollkommenen Ausſchaltens der Gehirntätigkeit zu
beurteilen. Der Rutengänger darf ſich nicht von vorgefaßten Vermu=
tungen
leiten laſſen, da alsdann ſeine Angaben wertlos ſind. Die von
den Behörden, veranlaßt durch die geologiſchen Beratung, geſammelten
Mißerfolge der Wünſchelrute ſind ſo verſchwindend gering gegen die
Erfolge und den unſchätzbaren Nutzen, den die Wünſchelrute der In=
duſtrie
, den Behörden und der Landwirtſchaft ſchafft, daß ſie garnicht
ins Gewicht fallen. Die Warnungen gegen die Wünſchelrute ergehen
daher nur aus eigennützigen Gründen der Geologie, die ſich durch die
fortſchreitende Anerkennung der Wünſchelrute in den Schatten geſtellt
ſieht. Es wird dabei vollkommen vergeſſen, daß auch ein freundſchaft=
liches
und nützliches Zuſammenarbeiten beider Wiſſenſchaften möglich iſt.
Das Wünſchelrutenproblem iſt noch keineswegs gelöſt, wird aber
durch das Vorgehen der Geol. Landesanſtalt und deren Warnungen
nicht gelöſt werden. Eine Anzahl Mißerfolge, noch dazu
in verſchwindender Menge geben niemand das
Recht, den Stab über die Wünſchelrute zu brechen.
Mit einer ablehnenden Behandlung des Problems iſt keine Förderung
desſelben zu erzielen und namentlich kein Licht in die geheimſten Tiefen
dieſes noch unergründeten Nätſels der Natur zu bringen.
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Wünſcheleutenforſcher.

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Nummer 136

Freitag, den 7. Juni 1929

Seite 9

Die Gewerbeſteuer der Aerzte.

Von ſachkundiger Seite erhalten wir folgende Zuſchrift:
Die moderne Steuerlehre wurzelt in der Grundanſchauung, daß
die aus den verſchiedenſten Quellen fließenden Einkommensarten ihrem
Bezieher eine verſchiedenartige wirtſchaftliche und deshalb ſteuerliche
Leiſtungsfähigkeit verleihen. Das aus dem Vermögensbeſitz fließende
Einkommen verbürgt infolge der nachhaltigen Fähigkeit dieſer Quelle,
Einkommen zu bilden, eine hohe Leiſtungsfähigkeit, während dagegen
das Arbeitseinkommen wegen der Möglichkeit einer Schwächung oder
gar eines Verſiegens der Arbeitskraft eine geringere wirtſchaftliche und
ſteuerliche Leiſtungsfähigkeit aufweiſt. Aus dieſem Grunde rechtfertigt
ſich die öhere Belaſtung des ſogenannten fundierten, d. h. aus Ver=
mögen
fließenden Einkommens gegenüber dem reinen Arbeitseinkom=
men
, und nur ſo kann auch die Gewerbeſteuer als Realſteuer zuläſſig
erſcheinen. Faſſen wir’s präziſer, ſo erſcheint bei der Gewerbeſteuer
allgemein nur der erſte Teil gerechtfertigt, der das Betriebsvermögen
erfaßt, nicht aber der zweite Teil, von dem das Einkommen ſelbſt noch
betroffen wird. Ein Beiſpiel möge das erläutern: Ein Spenglermeiſter
beſitzt in ſeinem Geſchäft ſelbſt, das einen gewiſſen Kundenkreis hat,
und in ſeiner Betriebseinrichtung ein beſonderes Vermögen, das an
ſich Einkommen abwirft und auch bei Verkauf Werte einbringt. Es iſt
gar nicht unbedingt notwendig, daß er ſelbſt das Geſchäft führt, das
kann von ſeiner Frau oder irgend einer anderen dritten Perſon mit
bezahlten Kräften geſchehen. In dem Kundenkreis und der Einrich=
tung
liegt alſo ein beſonderer Vermögenswert, der nutzbringend iſt.
Die Beſteuerung dieſes Wertes erſcheint deshalb bis zu einem gewiſſen
Grade berechtigt. Ganz anders aber iſt es mit der Erhebung der
Gewerbeſteuer vom Einkommen ſelbſt, das der Spenglermeiſter in ſei=
nem
Geſchäte erwirbt. Dieſe Sonderbeſteuerung iſt nichts anderes
als eine zweite Einkommenſteuer, und deshalb erſcheint ſie nicht ange=
bracht
, denn es iſt durch nichts zu rechtfertigen, daß ganze Berufsklaſſen
zweimal Einkommenſteuer bezahlen müſſen, einerlei, ob der Einzelne
ein hohes Einkommen hat oder nicht. Wie der Betreffende ſein Ein=
kommen
erwirbt, iſt an ſich doch gleichgültig; die Frage der Ste ier=
geſetzgebung
müßte lauten: Wie hoch iſt das Einkommen jedes Steue=
pflichtigen
, und nach der Höhe müßte ſich die Staffelung richten, bzwv.
auf Einkommen von einer beſtimmten Höhe an eine Sonderſtener eut=
fallen
. Das entſpricht dem Gerechtigkeitsgefühl und würde von allen
auch als gerecht empfunden und verſtanden werden. Können wir ſo
bei der Gewerbeſteuer allgemein nur die Belaſtung des gewerblichen
Betriebsvermögens als einigermaßen zuläſſig anſehen, ſo werden wir
ſofort einſehen müſſen, daß die Gewerbeſteuer der Aerzte ungerecht=
fertigt
iſt und daß die Gleichſtellung des Aerzteberufes mit einem Ge=
werbebetrieb
auch dem Sinne der Steuergeſetzgebung widerſpricht.
Denn die Gewerbeſteuer ſtellt die Vorbelaſtung eines Einkommens dar,
das auf einem Vermögen (Betriebsvermögen) fundiert iſt; das Ein=
kommen
des Arztes iſt aber reines Arbeitseinkommen. Es baſiert ledig=
lich
auf der Fähigkeit des Arztes, beſonders qualifizierte Arbeit zu lei=
ſten
, und es fließt nicht aus irgend einem Vermögensbeſitz. Die Ein=
richtung
eines Anwaltsbureaus, das Inſtrumentarium des Arztes, das
Bureau eines Architekten uſw. ſtellt in dieſem Sinne kein Betriebs=
vermögen
dar, denn das Betriebsvermögen iſt unabhängig von der
Perſon des Betriebsinhabers und repräſentiert für ſich einen wirtſchaft=
lichen
Wert, der veräußerlich und vererblich iſt und der bei Wechſel in
der Perſon des Betriebeinhabers alsbald wieder zur Erzielung eines
Ertrages verwendet werden kann. Der Arzt beſitzr aber keinen ver=
äußerlichen
oder vererblichen Betrieb, den er verkaufen kann oder der
im Falle ſeines Todes von ſeinen Erben weitergeführt werden könnte,
und er beſitzt deshalb kein fundiertes Einkommen.
Was insbeſondere das Inſtrumentarium des Arztes, auch des Spe=
zialarztes
anlangt, ſo kann auch dieſes nicht als Betriebsvermögen an=
geſehen
werden, das unabhängig von der Perſon des Betriebsinhabers
als Quelle eines fundierten Einkommens angeſehen werden könnte,
denn dieſes Inſtrumentarium iſt kein werbendes Vermögen, ſondern es
bedeutet nur etwas in der Hand des geſchulten Arztes und iſt ohne deſ=
ſen
Perſon und deſſen beſondere wiſſenſchaftliche Fähigkeiten etwas
wirtſchaftlich ganz wertloſes.
Der Unterſchied gegenüber dem Gewerbetreibenden wird auch da=
durch
klar, daß dieſer an ſich die Arbeit nicht ſelbſt zu leiſten brauchr,
der Arzt aber immer perſönlich ſie vollführen muß. Nehmen wir wie=
der
den Spenglermeiſter, ſo verlangt kein Kunde, der eine Arbeit be=
ſtellt
hat, daß der Meiſter ſie perſönlich ausführt, er kann ſie durch
einen Geſellen machen laſſen. Wenn aber ein Patient zu einem Arzt

geht, ſo will er von dieſem ſelbſt behandelt oder operiert werden, nicht

von irgend einem Aſſiſtenten oder ſonſtigen Beauftragten.
Auch da, wo der ärztliche Beruf in einer Klinik oder einem Privat=
krankenhaus
ausgeübt wird, iſt er kein Erwerb. Denn das Einkommen
aus der Klinik beruht auch hier wieder auf wiſſenſchaftlicher Arbeit
des Arztes, iſt alſo reines Arbeitseinkommen. Es fließt nicht etwa aus
der Unterbringung und Verpflegung der Patienten, die nur notwendig
iſt, weil der Patient in der Klinik behandelt werden muß. Die Unter=
bringung
und Verpflegung der Patienten wirft keinen Gewinn für
ſich ab; es iſt dies offenſichtlich auch nicht möglich, weil den öffentlichen
Krankenhäuſern ein Zuſchuß des Staates oder der Gemeinde zur Ver=
fügung
ſteht und die Privatkliniken und Privatkrankenhäuſer genötigt
werden, die Koſten der Unterbringung und Verpflegung der Patienten
denen der öffentlichen Krankenhäuſer anzupaſſen. Da aber den Privar=
kliniken
ein derartiger Zuſchuß nicht zur Verfürung ſteht, müſſen ſie
die Koſten der Verpflegung und Unterbringung ſchon ſo niedrig halten,
daß ein Gewinn hieraus, nicht erzielt werden kann.
Denkbar wäre es, daß beiſpielsweiſe in einem Sanatorium das
Einkommen nicht nur aus der ärztlichen Behandlung, ſondern auch aus
der Unterbringung und Verpflegung der Patienten fließt. Das wäre
ein Ausnahmefall, der unter den Begriff des Gewerbes zu bringen
wäre und den offenbar die Beſtimmungen des § 4 Ziff. 7 des Reichs=
bew
.=Geſetzes im Auge hat. Allein dieſer Ausnahmefall könnte nichts
an der Tatſache ändern, daß der ärztliche Beruf grundſätzlich kein Ge=
werbebetrieb
iſt.
Hiernach widerſpricht die Heranziehung des Aerzteberufes zu der
Gewerbeſteuer dem Sinne dieſer Steuer.
Von ſeiten der Aerzteſchaft iſt gegen die Heranziehung der Aerzte
zur Gewerbeſteuer Berufung eingelegt worden, weil hierin ein Verſtoß
gegen die 8§ 811 des Reichsfinanzausgleichgeſetzes liegt und weil dieſe
Steuer, ſoweit ſie den Ertrag beſteuert eine verſteckte Einkommens=
ſteuer
darſtellt und deshalb gegen die §8 210 des Reichsfinanzaus=
gleichsgeſetzes
verſtößt. Es würde zu weit führen, hier die ausführ=
liche
Begründung dieſer Berufung darzulegen. Bemerkt ſei nur, daß
auch nach mehrfacher Entſcheidung des Reichsgerichtes die Ausübung der
Heilkunde ihrem innerſten und eigentlichen Weſen nach kein gewerb=
liches
Unternehmen iſt, auch nicht im Sinne der Gewerbeordnung.
Der Beruf des Arztes kann auch deshalb als Gewerbe nicht an=
geſehen
werden, weil für das Gewerbe der Grundſatz der Gewerbe=
freiheit
gilt, der den Gewerbetreibenden in der Entfaltung ſeiner wirt=
ſchaftlichen
Tätigkeit weder der Art noch dem Inhalt nach beſchränkt.
Bei der Ausübung der Heilkunde walten erhebliche öffentlich=rechtliche
Intereſſen der Geſundheitspflege ob. Aus dieſem Grunde hat der Ge=
ſetzgeber
, um dieſe Intereſſen der Geſundheitspflege zu ſichern, dem
Beruf des Arztes Beſchränkungen auferlegt, die mit dem Begriff des
Gewerbes unvereinbar ſind. Der Gewerbebetrieb iſt eine mit der Ab=
ſicht
der Gewinnenrzielung unternommene Erwerbstätigkeit, die ſich als
Beteiligung am allgemeinen wirtſchaftlichen Verkehr darſtellt. Wäh=
rend
beim Gewerbebetrieb deshalb dem Erwerbszweck keine anderen
Schranken gezogen ſind, als die natürlichen wirtſchaftlichen, insbeſondere
diefenigen der Konjunktur, hat der Geſetzgeber bei der Heilkunde im
Indereſſe der öffentlichen Geſundheitspflege dem Erwerbszweck geſetz=
liche
Schranken gezogen, nämlich die der Gebührenordnung, ebenſo aber
auch die in der Aerzteordnung zum Ausdruck kommenden, die dem
Standesbewußtſein und der Standeszucht der Aerzteſchaft entſprechen.
Hierher gehört vor allem das im Intereſſe des
Verbot der Reklame, ein Verbot, das mit dem freien Gewerbebetrieb
unvereinbar iſt, praktiſch aber eine hohe Belaſtung des Aerzteſtandes
bedeutet. Der Verkauf einer ärztlichen Praxis wird vom Reichsgericht
im weſentlichen für ſtandeswidrig und unerlaubt angeſehen; es ent=
ſpricht
dies auch der Anſchauung, daß die Grundlage der ärztlichen
Praxis niemals eine rein wirtſchaftliche ſein kann, ſondern nur beruht
auf dem Vertrauen der Patienten. Der Arzt wird durch die Gebühren=
ordnung
genötigt, für Armenverbände zu den Mindeſtſätzen der Cebüh=
renordnung
tätig zu werden, die oft kein ausreichendes Entgelt für
ſeine Tätigkeit darſtellen. Er iſt verpflichtet, in Notfällen Kilfe zu
leiſten und hat ferner die Verpflichtung zur Anzeige von anſteckenden
Krankheiten. All dies ſind Umſtände, die klar zeigen, daß der Erverbs=
zweck
, der für das Gewerbe weſentlich iſt, beim ärztlichen Beruf hinter
höhere öffentlich=rechtliche Geſichtspunkte zurücktreten muß.
Die genaue Befolgung dieſer dem Arzt auferlegten ſtandesrecht=
lichen
Pflichten wird durch die Ehrengerichtsbarkeit geſichert, die in der
Aerzteordnung näher geregelr iſt.

Von beſonderer Bedeutung iſt in dieſem Zuſammenhang auch das
Krankenkaſſenweſen. Der Arzt iſt genötigt, den Mitgliedern der Kran=
kenkaſſen
ſeine Tätigkeit zu den Mindeſtſätzen der Gebührenordnung zur
Verfügung zu ſtellen. Die Kaſſenordnung bedeutet eine Beſchränkung
der Freizügigkeit und Niederlaſſungsmöglichkeit. Wohl beſteht die
Freizügigkeit für den Arzt, der keine Kaſſenpraxis hat; allein die Mög=
lichkeit
ohne die Kaſſenpraxis auszukommen iſt bei den heutigen Ver=
hältniſſen
derartig verſchwindend gering, daß die Freizügigkeit und die
Niederlaſſungsmöglichkeit praktiſch völlig beſchränkt iſt.
Schließlich iſt in dieſem Zuſammenhang zu erwähnen, daß für die
Kaſſenpraxis Zulaſſungsbeſchränkungen beſtehen; da, wie ſchon erwähnt,
kaum ein Arzt ohne Kaſſenpraxis auskommen kann, bedeuten die Zu=
laſſungsbeſchränkungen
für die Kaſſenpraxis, daß ein Arzt, der die vor=
geſchriebenen
Prüfungen abgelegt hat, trotz der langen Ausbildungs=
zeit
und trotz der hohen auf dieſe Ausbildungszeit verwandten Koſten
unter Umſtänden noch Jahre lang warten muß, bis er in die Lage
kommt, eine Praxis zu betreiben. Ganz anders iſt der Gewerbebetrieb,
den jedermann ohne beſondere Ausbildung jederzeit beginnen kann.
Es kann keinesfalls dagegen eingewendet werden, daß der Fall des
Arztes, der nur Privatpraxis betreibt, weil er zur Kaſſenpraxis noch
nicht zugelaſſen werden kann, nicht anders liegt wie der Fall des
Gewerbetreibenden, dem es nicht gelingt, Kundſchaft zu erwerben und
ſein Geſchäft zu vergrößern. Denn das Tätigkeitsfeld des Arztes, der
Privatpraxis betreibt, iſt von vornherein durch geſetzliche Beſtimmun=
gen
erheblich eingeſchränkt, weil der größere Teil der Bevölkerung durch
die Beſtimmungen der Reichsverſicherungsordnung verſi herungspflichtig
oder verſicherungsberechtigt iſt und daher zu einer Krankenkaſſe gehört;
die Tätigkeit des Arztes iſt deshalb auch in dieſer Beziehung geſetzlich
beſchränkt; eine Tatſache, die mit dem freien Gewerbebetrieb underein=
bar
iſt.
Der Gewerbetreibende iſt ſelbſtverſtändlich für die pünktliche und
gewiſſenhafte Ausführung der ihm übertragenen Arbeit verantwortlich.
Es iſt aber doch etwas ganz anderes, ob man die Verantwortung für
Arbeit an einem lebloſen Gegenſtand oder einem lebenden Menſchen
zu tragen hat. Wer da weiß, welche Gedanken und Sorgen ſich ein
gewiſſenhafter Arzt um ſeine Schwerkranken macht, wie er Tag und
Nachr zur Hilfe bereit ſein muß und ſich dabei innerlich abquält, ob er
im einzelnen Falle richtig handelt, und wer ſelbſt einmal ſchwerkrank
geweſen iſt oder eines ſeiner Lieben in Lebensgefahr wußte und mit
vollem Vertrauen an ſeinem Arzte hing und von ihm Rettung erhoffte,
der wird nicht einen Augenblick daran denken können, im Arzt den
Handwerker zu ſehen. Traurig, daß der Heſſiſche Landtag in Verken=
nung
all dieſer Tatſachen ſich auf den entgegengeſetzten Standpunkt
ſtellte. Die heſſiſche Reglerung war gegen das Geſetz, und in Preußen
iſt es durch die Stellungnahme der Regierung bzw. des preußiſchen
Staatsrates nicht angenommen worden, weil ein großer Teil der Ab=
geordneten
nicht nur aus finanzpolitiſchen Gründen dagegen ſtimmte,
ſondern auch deshalb, weil dieſe Abgeordneten die Gewerbeſteuer für
die frelen Berufe als geſetzlich unzuläſſig betrachteten. Von Bedeutung
iſt es, daß in dem Entwurf zum Gewerbeſteuerrahmengeſetz, das der
Reichsfinanzminiſter dem Reichstag zugeleitet hat, die freien Berufe
von der Steuer ausdrücklich ausgenommen ſind. Es iſt dies offenbar
auch auf die Auffaſſung des Reichsfinanzminiſters ſelbſt zurückzuführen,
daß die freien Berufe einem Gewerbebetrieb nicht gleichgeſtellt wer=
den
können.
Die Not der Zeit, die Inflation mit ihrer Vernichtung der Ver=
mögen
hat die Aerzte leider dazu gezwungen, auch mehr kaufmänniſch
zu denken, als es früher der Fall war. Eine dahin weitergehende Ent=
wicklung
kann nicht im Intereſſe des Aerzteſtandes ſelbſt und
damit nicht im Intereſſe des Publikums liegen. Nun zwingt
man die Aerzte mit Gewalt in den Stand der Gewerbetreibenden. Die
notwendige Folge muß ſein, daß ſie auch gewerblich denken lernen.
Vor allem müſſen ſie, wie jeder Gewerbetreibende, überlegen, wie ſie
dieſe Steuer abwälzen oder einkalkulieren können. Bei den Privat=
patkenten
iſt das leicht, doch unangenehm für Arzr und Patient. Bei
den Krankenkaſſen erſcheint es ſchwerer. Aber auch da muß und wird
ein Weg dazu gefunden werden. Damit würde dann auch hier die
Steuer letzten Endes von den Arbeitnehmern bzw. Arbeitgebern auf=
gebracht
werden. Iſt damit dann den wirklich Gewerbetreibenden ge=
dient
, die zum Teil ſich freuten, daß ſie einen Zuwachs von Leidens=
genoſſen
bekamen, durch die Heranziehung der freien Berufe? Einſich=
tige
und weiterſchauende Krankenkaſſenbeamte haben das Verfehlte dieſer
Steuer ſchon lange eingeſehen und ſich deshalb dagegen ausgeſprochen.
Aber auch die Allgemeinheit muß ſich nunmehr aufraffen und dagegen
wenden und verlangen, daß der Stand, auf den die leidenden Menſchen
in Krankheitsnot angewieſen ſind, nicht mit Gewalt ſeinen idealen Ein=
ſtellungen
entfremdet wird, und daß der Arzt auch weiterhin niemals
zu der Ueberlegung des Gewerbetreibenden kommen darf, wie verdiene
ich in jedem Falle am meiſten, ſondern immer nur beherrſcht ſein muß
von dem Gedanken, wie helfe ich meinen Kranken am beſten.

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kannten
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halb
der Offenlegungsfriſt können ſchrift=
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Darmſtadt, den 5. Juni 1929. (st9622
Der Oberbürgermeiſter.

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L. Neu.
Nr. 51581
K. Kammer,
Nr. 55 697
E. Lehr,
Nr. 203 478
D. Kammer,
Nr. 207 419
werden nach § 23 der Satzung für kraft=
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erklärt, wenn ſie nicht innerhalb von
3 Monaten bei uns vorgelegt werden.
Darmſtadt, den 5. Juni 1929. (st9588
Städtiſche Sparkaſſe Darmſtadt.

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[ ][  ][ ]

Seite 10

Nummer 156

Freitag, den 7. Juni 1929

Die Unkerſuchung der Zeppelinmokoren
Friedrichshafen, 6. Juni.
Wie die Telegraphen=Union erfährt, ſind die Un=
terſuchungen
der Kurbelwellenbrüche der Zeppelin=
motoren
ſchon ſeit acht Tagen im Gange und haben
bereits gewiſſe Ergebniſſe gezeitigt. Erſte Fachleute
der deutſchen Technik, wie Profeſſor Kutzbach von der
Techniſchen Hochſchule Dresden, einer der hervor=
ragendſten
Schwingungstheoretiker, und Profeſſor
Thoma von der Techniſchen Hochſchule Karlsruhe, der
ein neues ausgezeichnetes Verfahren zur Unter=
ſuchung
von Schwingungen entwickelt hat, ſind zu
dieſen Unterſuchungen hinzugezogen worden. Zunächſt
iſt eine Unterſuchung auf dem feſten Prüfſtand der
Maybachwerke vorgenommen worden. Das Reſultat
war, daß Schwingungen von kritiſchem Ausmaß ſich
hier nicht gezeigt haben, weder bei feſter Verbindung
der Zylinder untereinander noch bei durchſchnittenen
Anſaug= und Auspuffrohren. Weitere Unterſuchungen
auf dem feſten Prüfſtand ſollen mit mehr oder weni=
ger
weicher Kupplung und mit verſchiedenen Betriebs=
ſtoffen
(Benzin, Benzol, Betriebsgas) erfolgen. Die
Motoren ſollen dann weiter einer Prüfung in der
Maſchinengondel unterzogen werden, die in gleicher
Weiſe wie die Gondeln im Luftſchiff aufgehängt iſt,
und endlich ſollen dann Meſſungen während der
Fahrt im Luftſchiff ſelbſt vorgenommen werden, um
die Einwirkungen des Fahrtſtromes feſtzuſtellen.
Es wird mit allem Nachdruck von ſeiten der Zep=
pelinwerft
betont, daß große, insbeſondere Trans=
atlantik
=Fahrten nicht zur Ausführung gelangen ſol=
len
, bevor die Störungsquelle erekannt und beſeitigt
iſt. Im übrigen iſt es bekannt, daß Kurbelwellen=
brüche
an Luftfahrzeugen gerade in letzter Zeit in
außerordentlich großer Anzahl (mehr als hundert
Fälle) zu verzeichnen waren und bereits ſeit geraumer
Zeit Gegenſtand ernſten Studiums der deutſchen
Luftfahrtbehörden waren und noch ſind. Wenn Luft=
ſchiffe
bisher von Kurbelwellenbrüchen verſchont
waren, ſo iſt das darauf zurückzuführen, daß zwiſchen
Propeller und Motor im Luftſchiff ein Getriebe ein=
geſchaltet
war, das vom Propeller ausgehende Stö=
rungen
aufnahm. Die Löſung des Problems wird
daher ſehr wahrſcheinlich auch in einem Getriebe ge=
funden
werden, das geeignet iſt, etwa auftretende
Schwingungen zu dämpfen.
Was ſieht man in der Feſthalle Frankfurt a. M.
vom 8.12. Juni 1929.
Der Beruf des Drogiſten vereinigt in ſich die ber=
ſchiedenſten
Gebiete. Denkt der Laie wohl zunächſt
an die bitteren Drogen, ſo wird ihm bald einfallen,
was er alles noch beim Drogiſten erhält: kosmetiſche
Präparate, Parfümerien, Seifen hygieniſche Artikel,
pharmazeutiſche Spezialitäten, Nähr= und Kräfti=
gungsmittel
, Farben, Lacke, Oele, Gewürze, Putz=
und Waſchmittel, aber auch Sämereien, Düngemittel
und Mittel zur Schädlingsbekämpfung. In den letz=
ten
Jahren iſt dazu auch die umfangreiche Produktion
der photographiſchen Apparate und Bedarfsartikel
gekommen, die bei der zunehmenden Verbreitung der
Amateurphotographie gerade im Drogenhandel einen
immer breiteren Raum einnimmt. Um dem Publi=
kum
dies alles einmal in ſeiner Reichhaltigkeit vor
Augen zu führen, hat der Deutſche Drogiſten=Verband
ſeine Delegierten=Tagung in Frankfurt a. M., dem
Sitz zahlreicher und wohl der größten chemiſchen In=
duſtrien
Deutſchlands, benutzt, um hier vom 8.12.
Juni die Reichsfachausſtellung zu veranſtalten. Die
Ausſtellung iſt in 10 Gruppen gegliedert und im
Rieſenraum der Feſthalle und einem Teil des Hauſes
der Moden untergebracht. Von allen führenden Fir=
men
der einzelnen Branchen beſchickt, wird ſie nach
künſtleriſchen Grundſätzen geſchmackvoll ausgeſtattet
ein ſehr intereſſantes Geſamtbild dieſes vielgeſtaltigen
Gewerbes zeigen.

Großfeuer in Düſſeldorf.
Düſſeldorf. In der Lackiererei der Firma
Paveling G. m. b. H., Preß= und Stanzwerke, ent=
ſtand
am Mittwoch nachmittag ein Brand, der auf die
Fahrläſſigkeit eines Arbeiters zurückgeführt wird.
Das Feuer, das in den Lackvorräten reiche Nahrung
fand, griff raſch um ſich. Die Feuerwehr bekämpfte
den Brand aus 5 Schlauchleitungen. Beſondere Maß=
nahmen
wurden zur Sicherung der Nachbargrund=
ſtücke
getroffen. Die Lackiererei iſt vollkommen aus=
gebrannt
, ihr Dach äſt in ſich zuſammengefallen. Die
Eiſenkonſtruktion der Schloſſerei, die ebenfalls in
Brand geriet, iſt halb zerſchmolzen, die Maſchinen
wurden beſchädigt. Perſonen ſind nicht zu Schaden
gekommen.
Mit einem geſtohlenen Motorrad verunglückt.
Warnsdorf. Auf der Flucht auf einem von
ihnen aus einer Budweiſer Garage entwendeten
Motorrad mit Beiwagen ſind vier Burſchen am
Doubrawitzer Berge verunglückt. Alle vier trugen
ſchwere Verletzungen davon. Sie wurden in das
Budweiſer Krankenhaus eingeliefert, wo einer in=
zwiſchen
ſeinen Verletzungen erlegen iſt.

Helbſtmord eines Berliner Theaker=
Regiſſeurs.

Dr. Reinhard Bruck,

der hervorragende Berliner Regiſſeur, wurde 1
den wirtſchaftlichen Sorgen, aus denen er na
dem Zuſammenbruch ſeiner Direktion im Thea
am Nollendorfplatz keinen Ausweg fand, in de
Tod getrieben. Dr. Bruck war ebenſo beliebt a
Menſch wie als Regiſſeur.

Der ſpaniſche König beim Beſuch der deukſchen Ausſtellung in Barcelona.

König Alfons XIII. wird von Generalkommiſſar v. Schnitzler durch den deutſchen Pavillon geführt.
Der deutſche Pavillon in der Weltausſtellung von Barcelona fand den beſonderen Beifall des ſpani=
ſchen
Königs. In einer Ausſprache betonte er die guten Beziehungen zwiſchen Spanien und Deutſch=
land
, die ſich gerade während des gemeinſamen Aufbaues der Ausſtellung gezeigt hätten.

Der Krater des Veſuvs von der Südoſtſeite.
Der neue Ausbruch des Veſuvs gibt zu ernſten Befürchtungen für die Dörfer am Fuße des Vulkans
Anlaß. Ein neuer Krater hat ſich aufgetan, der gewaltige Lava= und Felsmaſſen ausſpeit. Der
Feuerſtrom ergießt ſich in ſüdöſtlicher Richtung durch das Valle del ’Inferno und bedroht mehrere
Ortſchaften.

Strafbefehl gegen Max Hölz.
Berlin. In der bekannten Auseinanderſetzung
zwiſchen dem Redakteur Rabold und dem Kommu=
niſtenführer
Max Hölz iſt jetzt vom Amtsgericht gegen
Max Hölz ein Strafbefehl über 50 RM. wegen ver=
ſuchter
Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung
erlaſſen worden. Nabold hatte gegen Hölz Anzeige
erſtattet, weil er ihn angegriffen und mit Totſchlag
bedroht hatte. Es handelt ſich in dieſem Falle darum,
daß Rabold ſeiner geſchiedenen Frau das Kind aus
der gemeinſchaftlichen Ehe, für das ihm durch das
Scheidungsurteil das Sorgerecht zugeſprochen war,
durch die Polizei wegnehmen laſſen wollte, um es
angeblich dem Einfluß von Hölz zu entziehen. Gegen
den Strafbefehl hat Max Hölz Einſpruch erhoben, da
er in öffentlicher Gerichtsverſammlung den Fall zur
Aufklärung bringen will.
Drei Kinder von einer Granate getötet.
Rom. In einem Orte bei Brescia erplodierte
eine Granate, als vier Kinder damit ſpielten. Drei
Kinder wurden ſofort getötet, das vierte lebensgefähr=
lich
verletzt.

Der Dampfer Ugo Maru in Kamtſchatka
eingetroffen.
London. Die Meldungen über eine auf dem
japaniſchen Dampfer Ugo Maru ausgebrochene
Feuersbrunſt haben ſich nicht beſtätigt. Nach einer
Meldung des Exchange Telegraph aus Tokio iſt
der Dampfer unverſehrt in ſeinem Beſtimmungshafen
auf Kamtſchatka eingelaufen. Die erſten Meldun=
gen
über die gefährliche Lage des von Wladiwoſtok
unterwegs befindlichen Schiffes und des ungewiſſe
Schickſal der an Bord befindlichen 700 Paſſagiere
hatten erhebliche Beunruhigung hervorgerufen. Die
japaniſchen Behörden haben eine Unterſuchung über
den Urſprung der falſchen Gerüchte eingeleitet.
Das amerikaniſche Flaggſchiff Luzon
geſtrandet.
London. Nach einer Meldung des Evening
Standard aus Schanghai iſt das amerikaniſche Flagg=
ſchiff
Luzon in der Nähe von Wuſung auf einen
Felſen gelaufen. Hierbei erhielt es ein großes Leck
und begann ſofort zu ſinken, ſo daß die Beſatzung
das Schiff verlaſſen mußte.

Der Beſuv beruhigt ſich.
Neapel. Der Direktor der Veſuwwarte hat mit
Führern die drei Kilometer des großen Kraterrandes
abgeſchritten, um jeden Sektor gründlich beobachten
zu können. Ueber ſeine Wahrnehmungen berichtet
er u. a.: Ueberall iſt die Lava in der vergangenen
Nacht ſchwarz geworden, mit Ausnahme des Sektors
am Nordoſtrand, wo ein zum größten Teil mit
Schlacken bedeckter breiter Strom ſich mit mäßiger
Geſchwindigkeit vorwärts bewegt. Das iſt ein Zeichen
der Abnahme. Am Rande gegen das ſogenannte
Höllental beſtehen noch zwei Kaskaden: eine öſtliche,
die aus dunklen Brocken beſteht, ſehr langſam das
ganze Tal durchfließt und bis oberhalb Terzigno
reicht. Die andere Kaskade im Weſten iſt lebendiger
und hat eine Geſchwindigkeit von ungefähr zwei
Metern in der Stunde. Sie iſt etwa zehn Meter
breit. Die flüſſige Lava iſt ſomit im Abnehmen be=
griffen
. Indeſſen bemerkt man noch an allen Wänder
des Kraters die Spuren der ſtarken Ausbrüche dieſer
Nacht. Die Schlackenkruſte iſt drei bis fünf Meter
hoch. Im Kegel, der ſich teilweile neu gebildet hat,
bemerkt man noch den See ſiedender Lava. Aus der
hundert Meter breiten Mündung des Kegels erfolgen
heftige Exploſionen mit reichlichen Auswürfen glühen=
den
Materials. Am Mittwoch vormittag 10 Uhr
wurde neuerdings eine ſtarke trockene Exploſion wahr=
genommen
, die von lebhaften Blitzen begleitet war.
Außerhalb des Kraters iſt der Boden überall mit
großen Lavatrümmern bedeckt. Einige davon wiegen
mehrere Tonnen. An all dieſen Erſcheinungen iſt
zu ſchließen, daß die Tätigkeit des Veſuvs erheblich
abgenommen hat. Bei der Räumung von Terzigno
hat ein Greis ſein Haus nicht verlaſſen wollen und
iſt dann einem Schlaganfall zum Opfer gefallen.
Bis jetzt hat der Lavaſtrom des Veſuvs nur den aus
etwa 50 Häuſern beſtehenden Weiler Pagani zer=
ſtört
. Ein weiterer Arm rückt gegen Sant Antonia
vor, während der Arm gegen Terzigno nur noch
langſam vorwärts kommt und oft vollſtändig ſtillzu=
ſtehen
ſcheint. In der Bevölkerung kehrt allmählich
wieder Zuverſicht zurück. Der Erzbiſchof von Neapel
iſt nach den Veſuvgemeinden unterwegs, um die Be=
völkerung
zu tröſten. Sehr lebhaft iſt der Zuſtrom
der Fremden, die die Naturerſcheinungen aus näch=
ſter
Nähe beobachten wollen, doch wird die Beſtei=
gung
des Veſuvs vorläufig nicht geſtattet. Die Frem=
den
werden nur bis zur Lavafront vorgelaſſen. In=
folge
der Verſchüttung des Waſſerreſervoirs ſind nun
auch das große Dorf Boscoreale und ein Teil von
Torre Annunziate ohne Trinkwaſſer. Im Dorfe Ter=
zigno
wurde eine Funkſtation eingerichtet, um Muſſo=
lini
ſtändig über den Verlauf des Ausbruchs unter=
richten
zu können. Der Lavaſtrom hat die erſten
Häuſer in der Umgebung von Terzigno erreicht. Im
halb erloſchenen Vulkan von Pozzuali bei Neapel
wird ſeit Dienstag eine gewiſſe Tätigkeit bemerkt.
Seit der Verſchärfung des Veſuvausbruchs ſteigen
auch hier größere Mengen von Dämpfen und
Schwefelgaſen auf.
Neue Erdſtöße in der Provinz Mendoza
in Argentinien.
Die Bevölkerung der Provinz Mendoza in Argen=
tinien
wird von einer Aufregung in die andere ver=
ſetzt
. Das Land iſt jetzt neuerdings von einem hef=
tigen
Erdbeben heimgeſucht worden, das ſich in meh=
reren
Erdſtößen auswirkte. Die Bevölkerung wurde
von wilder Panik ergriffen und ſtürzte ins Freie.
Beſonders ſtark waren die Erſchütterungen in
Mont el Nevado, wo zahlreiche Menſchen getötet
oder verletzt wurden. Es haben ſich verſchiedene
Krater gebildet, die große Mengen von Lava aus=
werfen
. Eine Anzahl Grubenarbeiter in den Blei=
minen
von Huber Piccardo ſind von den Kratern
eingeſchloſſen worden. Der durch das neue Erdbeben
verurſachte Schaden iſt bedeutend.
Mordprozeß Gartner.
Wien. In der Mittwoch=Verhandlung des Mord=
prozeſſes
Gartner kamen vormittags verſchiedene Zeu=
gen
zu Wort, die im Augenblick der Tat im Weſtibül
Konzetrhausſaales anweſend waren. Ihre Aus=
ſagen
boten kein Intereſſe. Die Nachmittagsverhand=
lung
war mit der Einvernahme des Vaters der Er=
mordeten
, des ägyptiſchen Exminiſters Mohammed
Mouheb Paſcha ausgefüllt. Er erklärte, er ſei von
der erſten Stunde ſeiner Bekanntſchaft mit Gartner
gegen eine Verbindung ſeiner Tochter mit dem Ritt=
meiſter
geweſen, den er für einen Abenteurer und
Deſporado hielt. Der Zeuge gibt an, daß ſeine
Tochter ihn wiederholt gebeten habe, ſie von dem
Einfluß dieſes Mannes zu befreien. Einen tiefen
Eindruck machte es auf die Zuhörerſchaft, als der
62jährige Mann den Gerichtshof bat, im Intereſſe
der Ehre ſeiner toten Tochter den letzten Satz des
gerichtlichen Obduktionsbefundes zu verleſen. Der
Gerichtshof gab dieſem Anſuchen ſtatt. Der Obduk=
tionsbefund
ſchließt mit der Feſtſtellung, daß Djidji
Mouheb unberührt geweſen ſei. Ein weiterer Zeuge,
der Wiener ägyptiſche Generalkonſul Surur Bey be=
kundet
, Gartner habe im Laufe einer Unterredung
bemerkt: Wenn der Vater die Einwilligung zur Ehe
nicht gibt, ſo wird ſich etwas Schreckliches ereignen.
Die Verhandlung wurde um 8 Uhr abends auf Don=
nerstag
vertagt.
Die Korruptionsaffäre in der Prager Landes=
finanzdirektion
.
Prag. Das Finanzminiſterium veröffentlicht eine
amtliche Darſtellung der vor einigen Tagen aufge=
deckten
Korruptionsaffäre bei der Prager Landes=
finanzdirektion
, wo eine Anzahl Beamte ihre Stel=
lung
dazu mißbraucht hat, von Perſonen, die um
Nachlaß von Steuern nachſuchten, eine Vermittlungs=
proviſion
von 10 bis 15 Prozent der nachgelaſſenen
Summe zu verlangen. Im ganzen ſind, wie der Mit=
teilung
zu entnehmen iſt, neun Perſonen in dieſer
Angelegenheit verhaftet worden, von denen drei in=
zwiſchen
wieder auf freien Fuß geſetzt worden ſind.
Von dem einzuleitenden Strafverfahren wird jedoch
ein ſehr viel größerer Perſonenkreis erfaßt werden.
Beſonders belaſtet iſt ein 32jähriger Kanzleibeamter
Wenzel Schneider, in deſſen Wohnung drei Spar=
kaſſenbücher
über zuſammen 225 000 Kronen, der
Schlüſſel zu einem Bankſafe und verſchiedene ver
dächtige Aufzeichnungen beſchlagnahmt wurden. Bei
einem anderen Bankunternehmen hatte Schneider eine
Einlage von 100 000 Kronen zur Deckung von Ver=
luſten
bei Börſengeſchäften gemacht. Sein Debetkonto
war mit einer Million Kronen belaſtet. Das Finanz
miniſterium beſtreitet, daß Schneider und die übrigen
ſchuldigen Beamten mit ihrer Tätigkeit Millionen
verdient hätten. In einem vereinzelten Fall habe
Schneider 150 000 Kronen Proviſion erhalten. Uebri
gens habe er in Wirklichkeit keinerlei Einfluß auf diſ
Gewährung von Steuernachläſſen gehabt.

[ ][  ][ ]

Nummer 136

Freitag, den 7. Juni 1929

Spor,, ehlel und Tafnen.

Seite 11

Turnen.
10. Gaufrauenkurnen des Main=Rheingaues.
Das deutſche Frauenturnen hat gerade in den letzten Jahren nach
dem Kriege einen ungeahnten Aufſchwung genommen. In allen Vereinen
der D.T. wachſen die Zahlen der Turnerinnen ganz gewaltig und auch
die Betriebsformen machen unaufhaltſame Fortſchritte. Die Urſache
dürfte nicht zuleßt in der veränderten Stellung der Frau im öffentlichen
Leben zu ſuchen ſein. Sie iſt mehr als früher in den Lebenskampf ein=
getreten
und muß ſich infolgedeſſen auch beſonders für ihn rüſten. Dazu
ſind die Leibesübungen das beſte und heilvollſte Mittel, denn ſie erhalten
den Körper kräftig und geſund, ſie härten ihn ab und machen ihn ſpann=
kräftig
, ſie bilden das trefflichſte Gegewmittel gegen die Schädigungen
des Berufslebens, die Arbeit in der ſchlechten Luft der Bureaus und der
Fabrikräume, die Einſeitigkeit der Berufsarbeit und die Nervenhetze,
die das Kennzeichen mancher Verufe iſt. Turnen erhält friſch, Turnen
gleicht aus, was an ſchädlichen Einflüiſſen ſich zeigt, und Turnen ſchafft
jene Entſpannung, die Heiterkeit des Genits und Daſeinsfreude zur
Folge hat. Das Geräteturnen ſchafft Kraft, Haltung, gleichmäßige Kör=
verbildung
und erzieht zu Mut und Entſchloſſenheit. Die Uebungen
des Laufs und Sprungs eröffnen denen, die ſich für ſie begeiſtern, ein
Sonnenland freudigſter Betätigung in friſcher Luft. Das Turn= und
Sportſpiel gibt Hunderttauſenden die Möglichkeit, fröhlöch unter den
Fröhlichen körperlſche Erziehungsarbeit an ſich ſelbſt zu leiſten. Neben
dieſen Uebungszweigen ſind noch Schwimmen, Fechten und Wandern
zu nennen, und ſchließlich hat ſich auch das Turnen der Frau im zeit=
genöſſiſchen
Sinn eingeſtellt auf die ſchwunghaften Tanzformen, auf die
ſogenannte neuzeitliche Frauengynoaſtik mit ihren vielen Abarten und
Beſonderheiten. Höhepunkte des Frauenturnens ſind neben der tur=
neriſchen

Höhepunkt mit dem 10. Gaufrauenturnen, das am Samstag und Sonn=
tag
, den 8. und 9. Juni, in Nieder=Ramſtadt ſtattfindet, mit be=
ſonderm
Intereſſe i den Vordergrund. Die Vorbereitungen zum Feſt,
die getroffen ſind, laſſen erkeunen, daß, wenn auch im beſcheidenen Nah=
men
durchgeführt, techniſch es allen Anforderungen, die an die Durch=
führung
eines Frauenturnens geſtellt werden, voll und ganz entſpricht.
Die Anordnung, einzelne Vorführungen der Gauvereine als Muſtertur=
nen
nicht auf dem Feſtplatze, ſondern in einem großen Saale ſtattfinden
zu laſſen, gleichſam als Werbe= und Bühnenſchauturnen, verleihen dern
Feſte eime beſondere Note und ſoll hier beſonders die Allgemeinheit und
der Stand Ses Frauenturnens von heute dem Feſtbeſucher gezeigt wer=
den
, und nicht zuletzt ſoll es Anvegungen ſowie Lehrſtoff für den Jahres=
turnbetrieb
der Vereine abgeben. Das Wetturnen ſelbſt wird dunh eine
Feier= und Weiheſtunde am Sonntag, vormittags ½9 Uhr, eingeleitet.
Nach Beendigung derſelben treten nahezu 500 Turnerinnen, in 30 Rie=
gen
eingeteilt, an den verſchiedenen Geräten zum Wettkampfe an. Ueber
120 Kampfrichter, Niegenführer und Berechner ſind aufgeboten, die not=
wendig
werdende Wertung und Berechnung der Wettkämpfe vorzuneh=
men
. Je näher ein Wettkampf herankommt, ſo drängt ſich auch immer
mehr die Frage in den Vordergrnnd: Wer wird Sieger, wer unter
den erſten fein? So iſt es auch bei den Turnerinnen, die um den Eichen=
kranz
am kommenden Sonntag ringen. Obwohl es ſchwer iſt, und be=
ſonders
im Turnen, eine Vorausſage zu machen, kann man doch immer=
hin
aus den Eegebniſſen der Vorjahre, ſowie auf Grund der Erfolge
auf größeren Turnfeſten (Kreis und D.T.) Schlüſſe ziehen. In der
Oberſtufe dürfte zunöchſt Kätha Benz=Arheilgen, die erſte Siegerin im
Achtkampf des Vorjahres, auch diesmal wieder an erſter Stelle zu nennen
ſein. Im Fünfkampf A ſtellte die erſte Siegerin im vevgangenen Jahre
die Turngeſellſchaft Darmſtadt in M. Aßmuth vor eBnz=Arheilgen, die
beide wieder in gegenſeitige Konkurrenz treten. Den Fünſkampf B
(Volksturnen) konnte L. Treuſch, Reichsbahn T. u. Spp. Darmſradt, mit
112 Punkten gewinnen, während K. Benz=Arheilgen mit 13 Punkten
lveniger den zmeiten Platz einnahm. Wer diesmal die meiſten Punkte
auf ſich vereinigen durfte, ſteht noch offen. Sehr gute Kräfte ſtellen noch
ins Feld Tgſ. Darmſtadt mit D. Wannemacher, Rüſſelsheim mit A. Ger=
lach
, Pfungſtadt mit K. Geibel u. a. Aber auch neueren Kräften dürfte
der Weg zu den erſten Siegen offen ſtehen. Sehr wechſelvoll waren bis=
her
die erſren Siegerinnen der Unterſtufe, und oft gab es hier die größ=
ten
Ueberraſchungen, ſodaß hier noch mit wöit weniger Beſtimmtheit
die evtl. Siegerinnen genannt werden können. Am Feſtnachmittag folgen
einzelne Muſtervorführungen, ſowie Spiele einzelner Turwerinnen=Abtei=

lungen, und wird der von den Turnerinnen ſehnlich erwartete große Tag,
der nicht nur dem Wsrrkampf gelten, ſondern auch ein Gradmeſſer des
Standes der Frauenturnbewegung ſein ſoll, mit der Verkündung der
Siegevinnen beſchloſſen. Allen aber, die Einſicht in das Frauenturnen
nehmen wollen, ſei ein Gang aach Nieder=Ramſtadt gelegentlich des
10. Gaufrauenturnens des Main=Rheingaues, welches unter der Leitung
des Turnoberlehres Klenk=Bensheim ſteht, beſonders empfohlen.
Gpw.
Waſſerball.
Jung=Deukſchland Sp. Frankfurk 10:1 (5:0).
Dieſes Spiel, deſſen Erlebnis geſtern irrtümlicherweiſe mit 8:1 an=
gegeben
war, war im wahrſten Sinne des Wortes ein Waſſer ball=
ſpiel
. Denn bald nach Beginn ſetzte ein derart ſtarker Regen ein, wie
man ihn am Woog bei einem Waſſerballſpiel noch nie erlebte. Daß
trotzdem die für ein derartiges Wetter zahlreich erſchienenen Zuſchauer
tapfer aushielten, iſt ein Beweis dafür, daß man ſich freute, den ſüd=
deutſchen
Meiſter nach langer Pauſe wieder einmal ſpielen zu ſehen.
Die erſten Minuten ſahen allerdings für die Darmſtädter nicht ge=
rade
günſtig aus, da ſie ein derartig zerfahrenes Spiel vorführten, daß
die Frankfurter faſt zu Erfolgen gekommen wären. Als aber nach einem
gehaltenen Strafſtoß Berges bald danach das erſte Tor erzielen kann,
iſt der Widerſtand der Frankfurter gebrochen. Die techniſche und taktiſche
Ueberlegenheit Jungdeutſchlands, gepaart mit größerer Schnelligkeit,
macht ſich nun ſtark bemerkbar, ſo daß vier weitere Tore vor Halbzeit
und 5 nach der Pauſe die Ausbeute waren. Kurz vor Schluß kam
Frankfurt durch eine Unaufmerkſamkeit der Darmſtädter durch ſchönen
Schuß zum verdienten Ehrentor.
Herr Wenzel (Rot=Weiß=Darmſtadt), der das Spiel gut leitete, war
zum Schluß durch den anhaltenden Regen von einem Waſſerballſpieler
kaum noch zu unterſcheiden.
Die Tabelle hat nach der Niederlage von Rot=Weiß in Frankfurt
(5:2) gegen den E.F. S.C. folgendes Ausſehen:

Spiele Torverhältnis Punkte Jung=Deutſchland 18:3 4:0 1. Frankfurter SC. 9:4 3:1 Rot=Weiß 4:9 1:3 SV. Frankfurt 3:18 0:4

Auf die weiteren Spiele, die hier heute abend mit dem Spiel Rot=
Weiß gegen Jung=Deutſchland fortgeſetzt werden, iſt man mit Recht ſehr
geſpannt.
Roi-Weiß, B. ſ.R. 25C. Jung=Deukſchland.
Wir weiſen an dieſer Stelle nochmals auf das heute abend 7.45 Uhr
im Großen Woog ſtattfindende Waſſerballſpiel hin. Die Rot=Weißen,
die am vergangenen Dienstag in Frankfurt gegen den dortigen 1. Frank=
furter
Schwimmklub 5:2 verloren, müſſen ſich gewaltig anſtrengen, wenn
ſie gegen den ſüddeutſchen Meiſter ehrenvoll beſtehen wollen. Jung=
Deutſchland hat erſt wieder am Mittwoch durch ſeinen 10:1 Sieg über
den SV. Frankfurt ſeine Stärke bewieſen. Die Aufſtellung der Mann=
ſchaften
iſt folgende:
Jungdeutſchland:
Müller
Richter
Förſter
Orlemann
Berges
Kloſtermann
Gils
Nottmann
E. Hanſt
Merz
Dahmer 1.
Stückert
Gimbel
Rot=Weiß:
Karg
Sollte die Waſſertemperatur die vorgeſchriebene Mindeſtwärme nicht
mehr haben, ſo wird das Spiel eine halbe Stunde ſpäter (8,15 Uhr)
im Städtiſchen Hallenbad ausgetragen. Das Schülerſpiel gegen den
Frankfurter Schwimmverein fällt wegen der kalten Witterung aus.
Turngemeinde 1846 Turngeſellſchaft 1875 8:0.
Das geſtern abend 7,30 Uhr im Woog ſtattgefundene Vorrundenſpiel
um die Kreismeiſterſchaft des 9. Kreiſes (Mittelrhein) brachte der
Mannſchaft der Tgde. 1846 einen leichten Sieg. Das Spiel litt aller=

dings unter der kühlen Waſſertemperatur, die die Schnelligkeit ſtark be=
einträchtigte
. Die Tgde. 1846 beherrſchte das Spiel von Anfang an
ind die Tore fielen in regelmäßigen Abſtänden von 2 Minuten. Den
Schiedsrichter Egert=Tgſ. Offenbach konnte befriedigen. Die zahlreich
erſchienenen Zuſchauer verfolgten das Spiel mit lebhaftem Intereſſe
und ließen ſich trotz des einſetzenden Regens nicht vertreiben.

Rundfunk=Programme.
Frankfurt.
Freitag, 7. Juni. 12.15: Schallplatten. O 15.05: Jugendſtunde.
Mittelſchullehrer Hering: Der Wetterbericht. 15.35: Gemüſe= und
Obſtpreiſe der Frankf. Markthalle. O 16.35: Hausfrauen=Nachmittag,
veranſtaltet vom Frankfurter Hausfrauenverein. U. a.: Johanna
Koch: Elektrizität im Haushalt. o 17.35: Stuttgart: Konzert
des Funkorch. 6 18.10: Leſeſtunde: Aus Vierzig Jahre aus dem
Leben eines Toten. Sprecher: E. Möllmann. S 18.30: Stunde
des Südweſtdeutſchen Radio=Clubs. o 18.55: Stenogr. Fortbil=
dungskurſus
. O 19.15: Fortſchritte in Wiſſenſchaft und Technik.
O 19.35: Film=Wochenſchau. O 20.15: Konzert=Oper: Lucia von
Lammermoor, von Gaetano Donizetti. Perſ.: Lord Enrico Aſthon;
Lucia. ſeine Schweſter; Sir Edgardo von Ravenswood; Lord Arturo
Bucklaw: Raimondo Bidebent, Lucias Erzieher. Bearbeitung: Carl
Stueber. O 21.45: Kaſſel: Siegfried=Wagner=Feier (geb. 6. Juni
1869). Rich. Wagner: Huldigungsmarſch. Siegfried Wagners
Leben und Werke. Siegfr. Wagner: Vorſpiel zu An allem
iſt Hütchen Schuld Geſchichte vom braven fetten Pfannekuchen.
(Für Altſtimme und Orch.). Vorſpiel zu Die heilige Linde‟
Ausf.: Das Funkorch., Louiſa Mugell (Alt), W. Eggert (Vortrag),
O 0.30: Nur für Kaſſel: Nachtkonzert des Funkorch. Cherubinis
Ouv. zu Medea‟. Lieder mit Klavier. Beethoven: Zweito
Sinfonie in D=dur. Mitw.: E. Fuchs (Baß).
Königswuſterbauſen.

Deutſche Welle. Freitag, 7. Juni. 12: Prof. Lampe, Hannaß
Aſch: Birma. Geographiſches Zwiegeſpräch. O 12.25: Wetter für die

Landwirtſchaft. 12.30: Mitteilungen der Preuß. Landgemeinden.
O 12.55: Nauener Zeit. 14.30: Kinderlieder: Alleweil ein
wenig luſtig. O 15: Prof. Dr. Lazarus: Was ſollte jeder von
bösartigen und gutartigen Geſchwülſten wiſſen? O 15.30: Wetter,
Börſe. O 15.40: Frauenſtunde. Muſikaliſche Hauskultur. Aennne
Bickerich: Geiſtliche Muſik für das deutſche Haus. O 16: W. Kitt=
mann
: Die Bedeutung des Schulgartens für Volks= und Fort=
bildungsſchule
. O 16.30: Muſikverſtehen. Prof. Dr. Mersmanns
Einführung in Sonate und Sinfonie. o 17: Leipzig: Konzert.
Muſikal. Länderbilder. Mitw.: Lotte Meuſel (Geſana), M. Krämer
(Violine), Dr. Neſtmann (Klavier). o 18: Prof. Dr. Rühl: Die
wirtſchafts=geographiſchen Grundlagen des Außenhandels. o 18.303
Engliſch für Fortgeſchrittene. O 18.55: Dr. Ditthorn: Die Bakteri=
ologie
des täglichen Lebens. 20: Berliner Feſtſpiele. Uebertragung
aus der Städt. Oper, Charlottenburg: Elektra. Tragödie in einem
Aufzuge von Rich. Strauß. Leitung: Der Komponiſt.
Wetterbericht.
Der Abzug und die Abflachung der ſkandinaviſchen Störung gehen
nur langſam vonſtatten. Sie übt keinen Einfluß mehr auf unſere
Wetterlage aus. Ein Ausläufer des neuen britiſchen Fallgebietes hat
bereits unſer Gebiet überquert und Niederſchläge gebracht. An der
Südſeite der Störung dringen weiter aus Südweſten kommende Luft=
maſſen
vor, die uns zunächſt noch Niederſchläge zuführen werden. Jedoch
wird mit dem ſpäter einſetzenden Luftdruckanſtieg die Niederſchlagstätig=
keit
nachlaſſen und es zur Durchbrechung der Wolkendecke kommen.
Ausſichten für Freitag, den 7. Juni: Zunächſt vorwiegend bedeckt, zeit=
weiſe
Regen, ſpäter wechſelnd wolkig, mäßig warm.
Ausſichten für Samstag, den 8. Junf: Wolkig, auch zeitweiſe aufheiternb,
Nachlaſſen der Niederſchläge und nur noch vereinzeltes Auftreten.

Hauptſchriftleltung: Rudolf Mauve
Veranwwortich für Pollikk und Wirtſchaft: Rudelf Maupe; für Feuiſleton, Reich und
Ausland und Heſſiſche Nachrichten: Max Streeſe; für Sport: Dr. Eugen Buhlmann;
für den Handel: Dr. C. H. Quetſch; für den Schlußdienſt: Andreas Bauer; für
Die Gegenwart: Dr. Herberi Nette; für den Inſeratentell: Willp Kuhle; Dindk
und Verſag: L. C. Wittich ſämtlich in Darmſtadt
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[ ][  ][ ]

Nummer 156

Geite 12

Freitag, den 7. Juni 1929

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[ ][  ][ ]

Nummer 156

Freitag, den 7. Juni

Wirkſchaftliche Rundſchau.

Die amtliche Großhandelsindexziffer für den Monatsdurchſchnitt
Mai 1929. Die für den Monatsdurchſchnitt Mai berechnete Großhan=
delsindexziffer
des Statiſtiſchen Reichsamtes iſt mit 135,5 gegenüber dem
Vormonat (137,1) um 1,2 v.H. geſunken. Von den Hauptgruppen iſt
die Indexziffer für Agrarſtoffe um 19 v.H. auf 125,8 128,2) und die
Indexziffer für Kolonialwaren um 1,2 v.H. auf 125,0 (126,5) zurück=
gegangen
. Die Indexziffer für induſtrielle Nohſtofſe und Halbwaren
lag mit 131,3 (133,1) um 14 v.H. niedriger als im Vormonat, woährend
diejenige für induſtrielle Fertigwaren um 0,2 v.H. auf 157,7 (157,8)
nachgegeben hat.
Vom Internationalen Sahlkartell. Kein Austritt Deutſchlands.
Nach Brüſſeler Meldungen wird die nächſte Sitzung des Internationalen
Stahlkartells am 18. Juni in Paris ſtattfinden, alſo nicht in Wien, wvie
zuerſt beabſichtigt war. Auf der Tagesordnung ſteht die Frage der Er=
neuerung
des Kartells über den 31. Oktober dieſes Jahres hinaus.
Gegenüber den Gerüichten, die von einem Austritt Deutſchlands wiſſen
wollten, wird darauf hingewieſen, daß der Kündigungstermin des
30. April bereits abgelaufen iſt, ohne daß Deutſchland die Abſicht be=
kundet
hat, ſich aus dem Kartell zurückzuziehen. Die Belgier haben den
Wunſch nach einer Abänderung gewiſſer, auf Belgien bezüglicher Ver=
tragsbeſtimmungen
geäußert. In Brüſſel iſt zwiſchen Frankreich, Belgien
und Luxemburg ein Internationales Phosphorgußkartell gebildet
worden.
Zuſammenſchluß der deutſchen Waggonfabriken. Am Donnerstag
fand in Berlin eine Sitzung der deutſchen Waggonfabriken ſtatt zum
Zwecke der Gründung eines Verbandes zur Rationaliſierung der ſämt=
lichen
in= und ausländiſchen Aufträge, ſoweit ſie nicht von der Deut=
ſchen
Reichsbahn vergeben werden. Die Regelung der Reichsbahnauf=
träge
liegt bekanntlich ſeit zwei Jahren in den Händen der Deutſchen
Wagenbauvereinigung. Die Sitzung führte zu dem Ergebnis, daß
16 Firmen mit über 52 Prozent der errechneten Quoten ſich zum ſofor=
tigen
Beitritt erklärten. Drei Werke fehlten entſchuldigt, die übrigen
15 Firmen behielten ſich die Entſcheidung über den Beitritt bis zum
19. Juni vor.
* Konkursnachrichten aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Darmſtadt.
Neue Verfahren. Mainz: Kaufmann Heinrich Lindauer, In=
haber
einer Schuhwarenhandlung. Af. 10. 6. Gl.=V. u. Prft. 22. 6.
Beendete Konkurſe. Gießen: Hanſa chem. metallurg. Ge=
ſellſchaft
m. b. H. Homberg: Gutspächter Paul Holthauſen.
Neue Vergleichsverfahren. Mainz: Fa. Alois Karolus,
Sektkellerei in Mainz=Kaſtel, und Nachlaß des geweſenen Inhabers
Alois Karolus. Vergl.=T. 15. 6. Offenbach: Fa. G. Löffler u. Co.,
Sattlerwarenfabrik. Vergl.=T. 12. 6. Worms: Kaufmann Hans
Schneider. Vergl.=T. 3. 6. Darmſtadt: Fa. Ober=Ramſtädter Haar=
ſchmuck
= u. Celluloidfabrik, Ober Ramſtadt, und deren Inhaber Max
Walbinger. Vergl.=T. 8. 6. Bingen: Kaufmann Lorenz Franz
Schmitt. Vergl.=T. 7. 6. Alzeh: Lederhandlung Arthur Klar.
Vergl.=T. 5. 6. Mainz: Kaufmann Sally Heymann, Inhaber der Firma
gleichen Namens, Holzhandlung. Vergl.=T. 20. 6. Aufgehobene
Vergleichsberfahren. Fürth, Odenwald: Fa. Dörr u. Eckert,
Kolonialwavengroßhandlung.
Elektrizitätswerk Rheinheffen A.G., Worms. Der auf den 8. Juni
einberufenen Generalverſammlung ſoll die Ausſchüttung einer Divi=
dende
von 8 Prozent vorgeſchlagen werden.
Kellerei St. Alban A.=G., Mainz. Die Geſellſchaft beantragt Her=
abſetzung
des 400 000 RM. betragenden Kapitals und Auflöſung der
Geſellſchaft.
Fuſion Frankfurter Verkehrs= und Hotelbetriebs=A.=G. in Frank=
furt
und Hotel Diſch A.=G. in Köln a. Rhein. Die Verwaltung der
Frankfurter Verkehrs= und Hotelbetriebs=A.=G. in Frankfurt a. M.
und der Hotel Diſch A.=G. in Köln a. Rh. werden in der demnächſt
einzuberufenden Generalverſammlung ihren Aktionären eine Verſchmel=
zung
vorſchlagen. Beide Geſellſchaften ſind ſchon ſeit langem durch
freundſchaftliche Beziehungen verbunden, die auch darin zum Ausdruck
kommen, daß die Mitglieder des Aufſichtsrats der Diſch A.=G. gleich=
zeitig
dem Aufſichtsrat der Frankfurter Verkehrs= und Hotelbetriebs=
A.=G. angehören.
Tellus Aktiengeſellſchaft für Bergbau und Hütteninduſtrie. Frank=
furt
a. M. Der A.=R. beſchloß der am 1. Juli d. J. ſtattfindenden
G.=V. aus einem Reingewinn von 271 650 RM. die Verteilung einer
Dividende von wieder 8 Prozent vorzuſchlagen. Der Geſchäftsgang
im laufenden Jahre wird als befriedigend bezeichnet.
Hermann Wronker A.=G., Frankfurt a. M. Der A.=R. hat be=
ſchloſſen
, der auf den 29. Juni einzuberufenden G.=V. die Verteilung
einer Dividende von 8 Prozent auf 6 Mill. RM. aus einem Reingewinn
von 640 117 RM. vorzuſchlagen.
Wayß u. Freytag A.=G., Frankfurt a. M. Die G.=V. genehmigte
den Abſchluß mit 8 (10) Prozent Dividende und wählte neu in den
A.=R. Geh. Legationsrat Dr. Friſch, Vorſtandsmitglied der Dresdner
Bank, Berlin.
Der Abſchluß der Amſterdamer Maſchinen= und Waggonfabrik
Werkſpoor. Abkommen mit Hanomag. Im Jahresbericht der Amſter=
damer
Maſchinen= und Waggonfabrik Werkſpoor, in deren Generalver=
ſammlung
die Regularien antragsgemäß genehmigt wurden und die
Dividende auf 7 Prozent feſtgeſetzt wurde, wird der Geſchäftsgang als
durchaus befriedigend bezeichnet, da die beiden Fabriken der Unterneh=
mung
voll beſchäftigt waren und auch für das laufende Jahr mit Auf=
trägen
reichlich verſehen ſind. Mitgeteilt wurde u. a., daß mit der Han=
noverſchen
Maſchinenfabrik AG. Hanomag ein Abkommen abgeſchloſſen
worden ſei, durch das die Amſterdamer Geſellſchaft das Recht zur Her=
ſtellung
der Keſſeltypen der Hanomag erhalten habe. Ferner habe
ſich die Geſellſchaft von der Salzer A. G. zu Winterthur in der Schweiz
das Recht zur Anfertigung von Zweitakt=Selzer=Schiffsmotoren üler=
tragen
laſſen.
Mefallnokierungen.
Die Berliner Metallnotierungen vom 6. Juni ſtellten ſich für Elek=
trolytkupfer
170,75 RM., Original Hüttenaluminium 190 RM., des=
gleichen
in Walzen oder Drahtbarren 194 MM., Reinnickel 350 MM.,
Antimon Regulus 7277 MM., Feinſilber 7172,75 RM.
Die Berliner Metalltermine vom 6. Jumi ſtellten ſich für Kupfer:
Januar 146,25 (146,50), Februar, März 146,50 (146,75), April, Mai
146,50 (146,50) Juni 141 (143), Juli 141 (144), Auguſt 143 (145), Sep=
tember
144,50 (145), Oktober, November 145 (145,50), Dezember 145,50
(145,75). Tendenz: feſter. Für Blei: Januar, Februar, März 47 50
(47,75), April 47775 (48), Mai 47,50 (48), Juni 46,25 (47,50),
Auguſt, September 47 (47,50), Oktober, November, Dezember 47 (47,75).
Tendenz: ruhig. Für Zink: Januar, Februar, März, April, Mai
50,50 (52,25), Juni, Juli 50 (53), Auguſt 50,50 (53), September, Oktober,
November, Dezember 50,50 (52,50). Tendenz: uſtlos. Die erſten
Zahlen bedeuten Geld, die in Klammern beigefügten Brief.
Produkkenberichte.
Mannheimer Produktenbörſe. Der Markt nahm heute vormittag
einen ſretigen Verlauf. Im Waggongeſchäft nonnte man gegen 12½
Uhr im nichtoffiziellen Verkehr per 100 Kg. waggonfrei Mannheim:
Weizen inl. 23,5023,75, ausl. 2426,50, Noggen inl. 2222,50, ausl.
2222,50, Hafer inl. 22,5023, ausl. 20,5021,50, Futtergerſte 19,50
bis 21, Mais mit Sack 20,2, ſüddeutſches Weizenmehl, Spezial Null,
offizieller Mühlenpreis 32,75, doch iſt auch weſentlich unter dieſem Preis
anzukommen, ſüddeutſches Roggenmehl 28,5033, Kleie 11, Biertreber
mit Sack 1819,50 RM.
Frankfurter Produktenbericht vom 6. Juni. Die Frankfurter Ge=
treidebörſe
lag ruhig bei unveränderten Preiſen. Es notierten je 100
Kg.: Weizen 23,2523,50; Roggen 21,5021,75; Sommergerſte 23;
Hafer 22,25; Mais 2020,25; Weizenmehl ſüdd. 32,2532,75; dito
niederrhein. 3232,25; Roggenmehl 27,5028,50; Weizenkleie 11,25;
Roggenkleie 12.
Berliner Produktenbericht vom 6. Juni. Nach der kräftigen Hauſſe=
bewegung
an den überſeeiſchen Getreideterminmärkten blieb die Reak=
tion
nicht aus, und auch hier zeigte ſich eine Abſchwächung, obgleich das
inländiſche Angebot von Brotgetreide nach wie vor nur ſehr gering iſt.
Die Lieferungspreiſe waren um 4 bis 5 Mark rückgängig, und für das
nur ſpärlich vorhandene Angebot für Effektivware nannte man in ähn=
lichem
Ausmaß ermäßigte Preiſe. Das Mehlgeſchäft iſt wieder ſehr
ſtill geworden. Die Mühlen halten zwar vorerſt ihre Forderungen
aufrecht, zeigen ſich aber eher zu Konzeſſionen geneigt. Hafer in guten
und mittleren Qualitäten knapp angeboten und im Preiſe gut gehalten. 4½% Lig=Pfbr=
Lieferung dagegen ebenſo wie Brotgetreide beträchtlich abgeſchwächt. 49 PfbrBk.
Gerſte ruhig.

Frankfurker und Berliner Effeikenbörſe.
Frankfurt a. M., 6. Juni.
Nach den ſtändigen Kursſteigerungen der letzten Tage trat heute
wieder eine allgemeine Abſchwächung ein, die jedoch in der Hauptſache
auf Nealiſationsmaßnahmen zurückzuführen iſt. Die Börſe ſchreitet an=
geſichts
der letzten teilweiſe anſehnlichen Steigerungen durch Glattſtel=
lungen
zur Gewinnſicherung. Daneben verurſachte das Ausbleiben faſt
jeglicher größerer Orders eine Zurückhaltung der Spekulation, wodurch
die Umſätze nur ſehr gering blieben. Die angeblich feſten Auslands=
börſen
konnten keine Anregung geben, jedoch hielten ſich die Kursverluſte
in mäßigen Grenzen und erreichten durchſchnittlich ein Ausmaß bis zu
2,5 Prozent. So lagen Banken 1,25 Prozent niedriger. Am Montan=
maukt
gaben Buderus 0,5, Mannesmann 1,5, Rheinbraun 5 Prozent
nach. Auch Kaliwerte bis 3,5 Prozent abgeſchwächt. Am Elektromarkt
verloren Lieferungen 0,75; Geffürel 1,5, Schuckert 2,5, Siemens 1,5
Prozent. Dagegen konnten AEG. 0,5, Chade 1, Licht und Kraft 0,5
Prozent gewinnen. Die Farbenaktie hatte einen Verluſt von 2,5 Pro=
zent
bei ſehr mäßigem Geſchäft. Daneben Rheinſtahl 2,25 Prozent ab=
geſchwächt
. Zellſtoffwerte bis 2 Prozent, von Schiffahrtswerten Nordd.
Lloyd ³⁄₈ Prozent niedriger. Automobilwerte gleichfalls unter Druck.
Daimler verloren 1, Adlerwerke 0,75 Prozent. Am variablen Markt
hatten Laura einen Gewinn von 2, Holzverkohlung und Peters Union
von 1,5 Prozent. Am Rentenmarkt zeigte ſich kein Geſchäft. Der Ver=
lauf
blieb unſicher und bei anhaltend ſchwachem Geſchäft nicht erholt.
Tagesgeld eine Kleinigkeit leichter und 7 Prozent. LondonNew York
4,847/g, PfundeMark 20,33,50; DollarMark 4,19,35.
Auch an der Abendbörſe wurden immer noch verſchiedentlich Reali=
ſationen
vorgenommen, doch waren im großen und ganzen gegenübe=
dem
Berliner Schluß die Kurſe gut behauptet. Etpas ſchwächer lagen
Schuckert minus 1 Prozent, Daimler minus ½ Prozent und Zellſtoff
Waldhof minus 1 Prozent. Stimmungsgemäß war man aber nicht un=
freundlich
, nur konnte infolge des Ausbleibens faſt jeglicher Orders das
Geſchäft nur langſam in Gang kommen. Etwas mehr Intereſſe beſtand
dagegen für J. G. Farben, Siemens, A. E.G., Licht und Kraft und
Rhein. Braunkohlen, die etwas höher eröffneten. Renten ſtill. Später
konnten ſich jedoch kleinere Beſſerungen durchſetzen. Nachbörslich traten
wieder Abſchläge bis zu 1 Prozent ein.
Berlin, 6. Juni.
Der Vormittagsverkehr war heute wieder ruhiger als an den Vor=
tagen
, und an der Vorbörſe gingen die Kurſe bei Abgaben der Speku=
lation
mehrere Prozent herunter. Kurz vor Beginn ſetzte ſich zwar auf
die Befeſtigung in AEG. eine Erholung durch, doch lagen die erſten
Kurſe überwiegend 1 bis 2 Prozent unter den geſtrigen Mittagsſchluß=
kurſen
. Wie ſchon an der geſtrigen Börſe, benutzte auch heute die
Spekulation das erhöhte Kursniveau zu Gewinnmitnahmen. Die her=
auskommende
Ware wurde jedoch glatt aufgenommen, da die vorliegen=
den
Auslandsorders eine Stütze boten. Anregende Momente lagen
kaum vor: die New Yorker Börſe ſchloß ſchwach, doch befriedigte eine
Mitteilung, daß eine Diskonterhöhung wohl nicht mehr zu befürchten
ſei, da die Spekulation weiter eingeſchränkt werden würde. Der Wochen=
bericht
des Inſtituts für Konjunkturforſchung ſtellte zwar eine Belebung
feſt, die aber geringer als das normale jährliche Maß ſei. Aus Paris
lag nichts Neues vor, man rechnet für morgen mit der Unterzeichnung
des Berichtes. Aus dem Auslande ſollen ebenfalls ſchwächere Börſen=
meldungen
vorliegen. Nach den erſten Kurſen wurde es vorübergehend
etwas ſchwächer, dann ſetzte ſich aber eine Erholung durch, die aber bald
einer erneuten Abwärtsbewegung Platz machte.

A. E. G..
Augsb.=Nürnb. Maſch.) 86.
Baſalt .. ......."
Bergmann. . . . . . . .

Berl. Hand.=Geſ. .
Braunkohl. Briket
Bremer=Wolle...
Danatbank. . .
Deutſche Bank.
Diskontogeſellſchaft.
Dresdner Bank....
Deutſche Maſchinen
Deutſche Erdöl .....

Dynamit Nobel. . . .
Elektr. Lieferung. ..
J. G. Farben. . . ...
Gelſenk. Berg.. .. . ..
Geſ. f. elektr. Untern.
Han. Maſch.=Egeſt. .
Hanſa Dampfſch. .. .
Hapag .........../ 123
Harpener .........
Hemoor Zement.. .

Helſingfors.
Wien.......
Prag.....
Budapeſt.
Soſia .......
Holland ..."
Oslo ......"
Kopenhagen.
Stockholm. .
London ..
Buenos Aires.
New York....
Belgien......

5. 6. 5. 6. 6. 6: 192. 193,25 Hirſch Aupfer 133. 133. 89.75 Höſch Eiſen 1128.50 1127.50 54. 53. Hohenlohe Werke 95. 224. 220.50 Kahla Porzellan. 92. 3. 162. 60.50 Kali Aſchersleber 247. 247. 223. 225.- Salzdetfurt 409. 1408.50 160. 1159.75 Weſteregelt
Lindes Eismaſch 256. 127. 188.75 173.-75 172,5 275.
168. 278.
167 L. Loewe & Co. 210.
56. 211.-
55. Lingel Schuh. 155.75 156.25 MannesmannR 122. 1120 163. 162.75 Niederlauſitzer K. 147.50 148.75 53.50 51.*0 Nordd. Lloyd 118. 1116.50 118. 1115.50 Orenſtein. 96.50 96.50 65.50
121.
168.75 65.
120.
166. Polyphon
Rütgerswerke 445.
95.
112. 447.
96.
111.50 Sachſenwerke 261.75 260. Siemens Glas 133. 1136. 138. 1136.25 Ver. Glanzſtof 455. 457. 230. 230. Ver. Stahlwerke 103-, 99.50 52. 4 Volkſtedter Porzella 38 37.50 Wanderer Werke. 90. 98. 123.5 Wiſſner Metall .." 132. 132. 146.75
285. 144.75
288.50 Wittener Gußſtahl".
53.50 56. verte verſtehen ſich exkl. Bezugsrecht.

Deviſenmarkk.

5. 6. 6. S Celd Brief Geld Brief Geld Brie Gelb 10.527 110.54 10.525110.545 Italien ...... 21.93 21.27 le1.92 58.96 58.98 58.66 58.88 Paris ....... / 16.375 16.415 12-408/12.42 12.40 12.424 Schweiz .... 80,621 40.785 180.635 73.02 n3.16 1302 h3.16 Spanien ..... 57.54 57.66 58.29 3.032/ 3.03 3.03 2.038 Danzig ...... 81.22 81.38 31.21 168.25168.5 69 23 168.56 Japan....." 1.835 1.830 1.832 U1.Sitns 111.62ſt11.84 Rio de Janeirol 0.496 10.4985 0.4965 rii.ssltit,stl 111.59 1r1.er Jugoſlawien. 7.359 7.37: 111.89/112 21 12.02 112.24 Portugal. . ... 18.73 18.77 18.73 20.316 20.356/20.3 16 20.356 Athen ......." 5.431 5.445 5.435 1.755 1.759 1.754 1.758 Konſtantinopel 1.990 1.9941 2.003 4. 1900/4. 1980/4. 1895 4. 1975 Kanada . . . . . . 4.155 4.163 4.55 58.15 8.27 58.17 E 8.29 Uruguay ..... 4.056 4.064 4.056 4.064

Brief
1.96
16.373/16.415
80.785
58.41
81.37
1.836
0.4985
7.36 / 7.375
8.77
5.445
2.007
4.163

Amerikaniſche Kabelnachrichken.
* New York, 6. Juni. (Priv.=Tel.)
Kaffee: Die Preisbewegung am heutigen Markt war nach unten
gerichtet, da angeſichts der ſchwächeren braſilianiſchen Marktberichte
Liquidationen und Verkäufe für europäiſche Firmen erfolgten.
Zucker: Auf Deckungsnachfrage konnten die Preiſe heute anziehen.
Der Handel und das Publikum ſchritten zu Anſchaffungen bei kleinerem
Angebot. Gegen Schluß kam es teilweiſe zu Liquidationen, ſo daß ſich
die Gewinne nicht voll behaupten konnten.
Baumwolle: Auf die ſchwächeren Liverpooler Kabel und Abgaben
für ausländiſche Rechnung ſetzten die Kurſe niedriger ein. Später
wurde die Haltung wieder feſter auf Käufe für Wallſtreet= und New
Orleanſer Firmen.
Es notierten nach Meldungen aus Chicago am 6. Juni:
Getreide: Weizen, Juli 108½, Sept. 11234, Dez. 117½ Mais,
Juli 89½, Sept. 90½, Dez. 85½; Hafer, Juli 44½, Sept. 43½,
Dez. 45½; Roggen, Juli 84½, Sept. 88½, Dez. 9238.
Schmalz: Juli 11,825, Sept. 12,175, Okt. 12,30, Dez. 12,325.
Fleiſch: Rippen, Juli 12,875, Sept. 13,10; Speck, loco 13,25;
leichte Schweine 10,1511, ſchwere Schweine 10,1510,80;
Schweinezufuhren Chicago 35 000, im Weſten 100 000.
Chicago Baumwolle: Juli 18,86, Oktober 18,84.
Es notierten nach Meldungen aus NewYork am 6. Juni:
Getreide: Weizen, Rotwinter 129½, Hartwinter 119½: Mais
neu ang. Ernte 102½; Mehl ſpr. wheat clears 5,355,60; Getr.
Fracht nach England 1,92,6 sh, nach dem Kontinent 1113 C.
Schmalz: Prima Weſtern loco 12,40; Talg, extra loſe 728.
Kakao: Tendenz ſtetig, Umſätze in lots 118, loco 10½, Juni
10.25, Juli 10.56, Auguſt 10.62, September 10.73, Oktober 10.78,
November 10.54, Dezember 10.49, Januar 1930 10.54, März 10.65.
Diehmärkke.
Darmſtädter Viehmarkt vom 6. Juni. Aufgetrieben waren: Fünf
Ochſen, 103 Kälber, 2 Schafe, 1 Ziege. Die Preiſe ſtellten ſich für Käl=
ber
a) 7380, b) 6772, c) 6066 Pfg. pro Pfund. Marktverlauf: leb=
haft
, geräumt.
Groß=Gerauer Ferkelmarkt vom 5. Juni. Auftrieb 370 Ferkel. Es
koſteten Ferkel bis 6 Wochen 3045 Mk., 6 bis 8 Wochen 4550 Mk.,
Läufer 6070 Mk. das Stück. Tendenz: Faſt ausverkauft. Der
nächſte Ferkelmarkt findet Mittwoch, den 19. Juni, von vormittags
8.30 Uhr, auf dem Marktplatz ſtatt.
Mannheimer Viehmarkt vom 6. Juni. Zum heutigen Kleinviehmarkt
waren zugetvieben und wurden die 50 Kg. Lebendgewicht je nach Klaſſe
in Reichsmark gehandelt: 90 Kälber 6888, 10 Schafe 7578 75 Schafe
7578, 75 Schweine 7276, 581 Ferkel und Läufer, für Ferkel bis vier
Wochen 2834, über vier Wochen 3644 RM., für Läufer 5260 RM.
Marktverlauf: Mit Kälbern lebhaft, ausverkauft; mit Schweinen mittel=
mäßig
, geräumt; mit Ferkeln und Läufern lebhaft.
Frankfurter Kleinviehmarkt vom 6. Juni. Aufgetrieben waren:
1163 Kälber, 85 Schafe, 693 Schweine. Der Auftrieb war um 522 Käl=
ber
und um 9 Schafe höher und um 3887 Schweine geringer. Preiſe
für 1 Zentner Lebendgewicht: Kälber a) ; b) 7883; c) 7277;
d) 6471: Schweine: b) 7172; c) 7275; d) 7275; e) 7072.
Marktverlauf: In allen Viehgattungen ausverkauft. Fleiſchgroßhandels=
preiſe
: Ochſenfleiſch 1. 90100; 2. 8090; Bullenfleiſch 8590; Kuh=
fleiſch
2. 5570; 3. 3555; Kalbfleiſch 95110; Schweinefleiſch 1. 90
bis 95; Gefrierfleiſch (Rindfleiſch) Vorderviertel 56; Hinterviertel 62.
Geſchäftsgang lebhaft.
Kleine Wirtſchaftsnachrichken.
Der Reichsarbeitsminiſter hat den Schiedsſpruch im Aachener Stein=
kohlenbergbau
und den Schiedsſpruch für die Deutſche Reichsbahngeſell=
ſchaft
für verbindlich erklärt.
Bei den Ergänzungswahlen zum Berliner Börſenvorſtand wurden
Bankdirektor Ludwig Berliner für Reinhardt, ſowie die Bankiers Es=
keles
für Nürnberg und Sundheimer für Arons gewählt.
Wie uns mitgeteilt wird, wurden ab 4. Juni die Höchſtpreiſe für
Meſſingbleche um 2 auf 183 RM. und für Meſfingſtangen um 3 auf
160 RM. per 100 Kg. ermäßigt.
In der GV. der Wayß u. Freytag A.G. Frankfurt a. M. wurden
die Negularien einſtimmig genehmigt. Danach gelangen für das ver=
floſſene
Geſchäftsjahr 8 Prozent (i. V. 10 Prozent) zur Verteilung.
Neu in den Aufſichtsrat wurde Goh. Legationsrat Dt. W. Friſch, Vor=
ſtandsmitglied
der Dresdner Bank, Verlin, gewählt.
Der Aufſichtsrat der Tellus A. G. für Bergbau und Hütteninduſtrie
Frankfurt a. M. beſchloß, der am 1. Jubi d. Js. ſtattfindenden G.V.
aus einem Reingowinn von 271 650 RM. die Verteilung einer Dividende
von wieder 8 Prozent vorzuſchlagen. Der Geſchäftsgang im laufenden
Jahr wird als befriedigend bezeichnet.
Der Verband der deutſchen Hanfinduſtriellen Berlin hat in ſeiner
in Frankfurt ſtattgefundenen Sitzung die Verlängerung der Preisbin=
dung
und deren ſtraffe Durchführung beſchloſſen.
Nach Verhandlungen tagte im Inſelhotel zu Konſtanz unter Vorſitz
des 1. Vereinspräſidenten. Carl Commerell=Höfen (Württemberg) der
Verein von Holzintereſſenten Südweſtdeutſchlands (Sitz Freiburg) mit
ſeiner ordentlichen Generalverſammlung im 30. Beſtehungsjahre bei
zahlreicher Beteiligung aus dem geſamten Vereinsgebiet.
Die Bank von Indien ermäßigte ihren Diskontſatz von 6 Prozent
auf 5 Prozent.

Frankfurter Kursbericht vom 6. Juni 1929.

PMife eie
anl. v. 27.
Baden, Frei
ſtaat v. 27..
6% Bahern Frei=
ſtaat
v. 27
% Heſſen Volks
ſtaat v. 28.
6% Preuß. Staats=
anl
. v. 28.
6% Sachſen Frei=
ſtaat
v. 27...
126 ThüringerFrei=
ſtaat
v. 27..

Diche. Anl. Auslo=
ungsſch
. *
Ablöſungsan!.
Dtſche. Anl. Abli
ungsſch. (Neub.)
Diche. Schutzge.
bietsanleihe..

Bad.=Bad. v. 26
% Berlin v. 24..
% Darmſtadt v. 26
v. 2
%. Fril. 0. M. b.20
6 Mainz v. 26..
32 Mannh. v. 26
% Nürnber 26

Di. Komm. Eam=
mel
=Ablö ſ.-Anl.
+ Ausl. Ser.
*. Ser.II
Ber Hhp.=Bk.
8% Frrf. Hhp. Bk.
8½% Lig. Pfbr

87.3
75.5
76
88
91.4
79.5
51.6
11.7
5.4

88
*8
83
90

50.1
64
97.5
97.5
75
98
77.5

% Heſi. Landesbk.
4½½ Heſſ. 2d8.,Gp.
Bk.=Ligid. Pfbr.
8% Kom. Landes=
bank
Darmſtadt.
Mein. Hyp. Bi.
4½%0 Lig. Pfb
8% Pfälz.Hyp.B
8% Preuß. Ztr.:
Stadt ſchaft. .
8% Rhein. Hyp.=Bk
4½%0 Lig. Pfbr.
80 Rhei.=Weſtf.
Bd.=-Cred
8% Südd. Bod,
Cred.=Ban 1..."
8% Württ. Hhp.=B
6% Daim ler Benz
von 27...
8% Klöckner=Werkel
Berlin v. 26....
7% Mainkrw. v. 26.
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97.25 14/,% Ungarn 19141
Goldr., 22.7
84.75 14%
73.75
ktien.

94
82.5
95.5
75.9
97.5
97.5
97.75
79-1.
97.5
98.5
97.75

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6% AEG. Vorzug

128.5
17
224
187
275
167.25
127.5
89
156
162.5
105.5
139.25
138.5
133
131.5
185
15)
30.8
323.75
22
153
167
13

117
124

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77
138
74
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114
30)

40
147
130
75.5
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221
76
245
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252
191
95

295
88
107.5
231
119.25
84
30.5
53.75
58.5
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190
363.5
106
123.75
248
165
400
220
84
149.75
S4
102.9

100

71:1.
99
150
15
70
213
118
204.5
200
142.5

243
954

140

[ ][  ][ ]

Seite 14

Freitag, den 7. Juni 1929

Num mer 136

Jualität!

Affauser

Ludwigsplatz 2
Ludwigstraße 6

OM

Todes=Anzeige.
Heute entſchlief ſanft nach kurzem ſchweren
Teiden unſer lieber Vater, Großvater, Schwie=
gervater
, Bruder, Schwager und Onkel
Georg Hechler
Telegr.=Aſſ. i. R.
im Alter von 62 Jahren.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, den 3. Juni 1929.
Kaupſtraße 54
Die Beerdigung findet Samstag nachmittag
3 Uhr auf dem Waldfriedhof ſiatt.
(9576

Todes=Anzeige.
Am Sonntag, den 2. Juni, verſiarb unſere
liebe Mutter und Schwiegermutter
Hagufte Sduntgeb. Schmidt
Witwe des Hofvergolders Georg Zaun.
In tiefer Trauer:
Profeſſor Balſer und Frau.
Friedberg i. H.,
9589

Für die vielen Beweiſe herzlicher Teilnahme bei dem
Heimgang unſeres lieben Entſchlafenen

ſagen wir auf dieſem Wege unſeren innigſten Dank. Die
zahlreichen Kranz= und Blumenſpenden ſind uns ein Troſi
in unſerem ſchweren Leid.
Wir danken noch insbeſondere für die Kranznieder=
legung
der Bedienſieten des Bahnbetriebswerk und der
Gewerkſchaft deutſcher Lokomotivführer.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſtadt, Ober=Ramſtadt, San=Francisco

Dankſagung.
(Statt Karten.)
Für die vielen Beweiſe herzlicher Teilnahme und die
zahlreichen Blumenſpenden anläßlich des Ablebens unſeres
lieben Bruders, Schwagers und unvergeßlichen Onkels

ſagen wir hiermit unſeren herzlichſten Dank.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Darmſiadt, den 5. Juni 1929.

Gerzlichen Dank Allen, die uns in
2a unſerem ſchweren Leid troſireſch
zur Seite ſtanden! Insbeſondere
danken wir allen Beteiligten für die
vielen Blumenſpenden, ferner den
Mitkonfirmandinnen unſerer ſo früh
Verſtorbenen und nicht zuletzt Herrn
Pfarrer Lizentiat Zur Nieden.
Adolph Fuchs
und Familie.
Darmſtadt, den 6. Juni 1929.

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[ ][  ][ ]

Nummer 156

Seite 15

Sin danin der Nagt.
Roman von Max Brand.
Deutſche Rechte bei Th. Knaur Nachf., Berlin W. 50.
18)
(Nachdruck verboten.)
Er trat einen Schritt zurück und ſchwang den Arm.
Nun dalli!

Der Rappe zuckte zuſammen, als er die plötzliche Bewegung
jah, und legte die Ohren zurück, aber der Reiter rührte kein Glied.
Ich hab' nie was von Mae Strann gehört, ſagte Barry.
Nie von Mac Strann gehört? wiederholte Fatty.
Aber ich würd’ mich freuen, ihn kennenzulernen, meinte
Barry.
Der Konſtabler blinzelte heftig mit den Augen. Es ſchien ihm
eine Fliege hineingeraten zu ſein.
Barry, ſagte er heiſer, du haſt Mark in den Knochen, das
ſieht ein Blinder im Dunkeln, aber bring’ dich nicht in die Tinte.
Wenn du Mac Strann in die Finger kommſt ſpringt er mit dir
um wie mit einem Wickelkind. Mann, es lebt keiner, der eine
Chance hat gegen Mac Strann. Ihr habt Jerry ganz ſauber
zugerichtet. Soll mir nicht einfallen, Euch das abzuſtreiten, aber
erry und Mac, das iſt ein Unterſchied, wie zwiſchen einem
Hauskater und einem Löwen. Ich ſeh’ ſchon, Mann, Ihr ſeid
fremd hier herum, aber Ihr braucht bloß den Mund aufzutun,
um mich zu fragen, und ich werd: Euch den beſten Weg ſagen,
auf dem Ihr von hier wegkommt."
Barry glitt aus dem Sattel.

Ihr könntet mir den beſten Platz ſagen, wo man hier ſein
Pferd unterſtellen kann.
Der Konſtabler war unfähig, zu reden.
Barry machte auf dem Abſatz kehrt und ging nach den Ställen
hinüber. Der Rappe und der Hund folgten ihm auf dem Fuße,
Konſtabler Matthews befeuchtete ſich die Lippen, aber er konnte
ſie ſpitzen wie er wollte, es gelang ihm nicht, einen Ton zu pfei=
fen
. Schließlich raffte er ſich auf, um in den Schankraum zurück=
zukehren
. Sein Blick war gedankenſchwer ins Leere gerichtet.
Drin klammerte er ſich mit ſeinen beiden Fäuſten an den Rand
des Schanktiſches.
O=Brien, Whisky!
OBrienk ſchob ein leeres Whiskyglas vor ihn hin und ſchickte
ſich an, einzuſchenken, aber Fatty wiſchte es zur Seite und packte
ſtatt deſſen ein mächtiges Waſſerglas.

Freitag, den 2. Juni 1929
OBrien, ſagte er, ich brauch’ kein Tröpfchen zur Ermunte=
rung
, ich brauch’ was, was mir Kraft gibt, und damit füllte er
ſelbſt das Glas bis zum Rand mit Whisky und ſtürzte es in ei=
nem
Zug hinunter.
Elftes Kapitel.
Der Aasgeier.
Unter den Zeugen des Kampfes zwiſchen Barry und Jerry
Strann wäre einem aufmerkſamen Beobachter ein Mann auf=
gefallen
, der ſich durch ſeine unglaubliche Länge ebenſo auszeich=
nete
wie durch ſeine Magerkeit. Er ſah aus, als müſſe jeder ſtarke
Wind die Knochen zum Raſſeln bringen, aus denen allein ſein
merkwürdiges Körpergebäude zuſammengeſetzt ſchien. Ueber dem
Ganzen ſaß ein langer, ſchmaler Schädel, eine Naſe wie ein Schna=
bel
, Augen, die dicht beieinander ſtanden und wie polierte Knöpfe
glänzten, und ein rieſiger Adamsapfel, der ſeinen faltigen Hals
verunzierte. Er war wie dazu geſchaffen, in einem Myſterien=
ſpiel
die Rolle des Hungers zu übernehmen. Aber hier oben in
den Bergen war es zutreffender, ihn mit einem Aasgeier zu ver=
gleichen
. Dank ſeiner unglaublichen Häßlichkeit war Haw=Haw
Langley weit und breit bekannt, und als Haw=Haw beſſer als
unter dem Namen Langley. Denn bei gewiſſen beſonderen Ge=
legenheiten
pflegte Langley in ein Lachen auszubrechen, ein un=
beſchreibliches
Geräuſch, das etwa zwiſchen dem Schreien eines
Eſels und dem Krächzen einer Krähe die Mitte hielt. Freilich nur
bei beſonderen Gelegenheiten, denn in der Regel war Haw=
Haw Langley ein ſchweigſamer Menſch. Er konnte durch Stun=
den
in den Kneipen ſitzen und nicht ein Wort von ſich geben. Aber
unaufhörlich verdrehte er den ſonderbaren Kopf auf ſeinem falti=
gen
Hals und nickte mit komiſchen pickenden Bewegungen, wäh=
rend
er Geſicht nach Geſicht in der Runde muſterte. Die ganze
erbarmungsloſe Bitterkeit der öden Berge ſchien in Haw=Haw
Langley verkörpert zu ſein. Er ſah nicht nur ſo aus, ſondern
hatte auch die Seele eines Aasgeiers, und ſo pflegte er Jerry
Strann auf ſeinen Pfaden durch das Land zu folgen, indem er
ſich von den Brocken nährte, die Jerry übrigließ, und ſeine Seele
mit den Gefahren und Abenteuern mäſtete, die Jerry Strann
beſtand.
Haw=Haw Langley hatte deshalb auch in der Kneipe ge=
ſtanden
, und ſein ſcharfes, kleines Auge war bald zu Jerry
Strann, bald zu Dan Barry hinübergewandert, bald von Dan
Barry zurück zu Strann. Als der verhängnisvolle Schuß fiel,
zerrte etwas wie ein Grinſen an ſeinen dünnen Lippen, und als
Jerry Strann getroffen nach vorne taumelte und der ſcharlach=
rote
Fleck auf ſeiner Bruſt aufglühte, da ſtanden Haws=Haws
Augen in Flammen, als ob ein allesverzehrendes Feuer ſich darin
widerſpiegle. Als alles vorbei war, trieb er ſich noch kurze Zeit
im Zimmer herum, ohne auch nur den Verſuch zu machen, dem

Ire Trkstarrn

bedingt vor allen Ruhe für Herz
und Nerven. Bei der Wahl zwischen
zwei Genußnitteln, von denen das
eine für Sie schädlich sein könnte
und das andere vol lkommen unschäd-
1ich für Sie ist werden Sie be-
stimmt
das Letztere wählen.
So ist es auch beim Bohnen-
Skaffee. Kaffee Hag ist jedenFal ls
ein unschädlicher Bohnenkaffee,
Sdenn er ist coffeinfrei. Dabei ist
er von. Feinster dualität.

Gefallenen zu helfen. Schließlich aber, nachdem er über die
Schwere der Verwundung hinreichend informiert war und den
blutigen Schaum geſehen hatte, der Jerry Strann in Blaſen aus
dem Munde trat, drehte er dem Verwundeten den Rücken zu und
verließ mit langen Schritten die Kneipe. Seine Augen funkelten,
und ſein Inneres labte ſich, bis zum Platzen geſättigt, an dem Ge=
nuß
der Unglücksbotſchaft, die er mit ſich davontrug.
Vor der Tür hängte er ſich in den Sattel eines zwerghaft
kleinen Pferdes, wirbelte es mit einem Ruck der dürren Lenden
herum und grub die Sporen tief in ſeine Weichen. Das arme
Vieh ſchnaubte und ſchlug aus, aber Langleys lange Beine ſchlan=
gen
ſich eiſern um ſeine Rippen und zwangen es raſch genug wie=
der
zum Gehorſam.
Haw=Haws Lächeln, das begonnen hatte, als in O=Briens
Bar Dan Barrys Revolver geknallt hatte, verſchwand nicht von
ſeinen Lippen, ehe er viele Meilen hinter ſich hatte und tief im
Gebirge nach dem Kamm hinaufſtrebte. Aber nach und nach, als
er Bergſattel nach Bergſattel hinter ſich ließ und ſchon hier und
da die blauen Schatten des Abends in den Tälern ſich zeigten,
verſchwand mit dem Taglicht zugleich auch das Grinſen auf Haw=
Haws Geſicht. Er achtete jetzt mit geſpannter Aufmerkſamkeit auf
ſeinen Weg, bis er von neuem den Gipfel eines mächtigen Berges
erklommen hatte und, die Zügel anziehend, in das Tal vor ſich
hinunterſpähte.
(Fortſetzung folgt.)

können Sie im günstigsten Falle für nur 2 Mk,
(Doppellos) bei der Volkswohl-Lotterie ge-
winnen
. Da Nachfrage groß, ist Eile nöt g.
Lose noch zu haben bei den Staatl. Lotterie-
Einnehmern und allen Los-Verkautsstellen.
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Staubmäntel . . . . . . . . . von Mark 3.50 an
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