Darmstädter Tagblatt 1927


01. Juli 1927

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Einzelnummer 10 Pfennige

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Nabat weg. Bankionio: Deutſche Bank und Darm=
ſtädter
und Naiſonalbanf.

Vor der Sonmerpauſe.
und Aufwertung
Von unſerer Berliner Redaktion
Die Reichstagsverhandlungen nähern ſich ihrem Ende. Die
Fraktionsführer fürchten, daß ſie ihre Mitglieder nicht bis Ende
Juli zuſammenbehalten und drängen deshalb alle darauf hin,
die Tagung des Reichstages möglichſt abzukürzen. Doch iſt man
jetzt wieder einen guten Schritt vorwärts gekommen. Das
die ſchwierigſte Aufgabe darſtellte, iſt am Donnerstag in zweiter
Leſung zu Ende gebracht worden. Es iſt gelungen, Formulierungen
zu finden, denen alle Parteien zuſtimmen oder mit denen wenig=
ſtens
alle Parteien ſich abfinden, ſo daß eine Obſtruktion der
Sozialdemokraten nicht erwartet wird. Bei Streik und Aus=
ſperrungen
ſoll grundſätzlich Unterſtützung nicht gezahlt werden,
mit Ausnahmen, die vom Verſicherungsamt ſelbſt feſtgeſetzt wer=
den
. Der Antrag auf die Zuläſſigkeit von Erſatzkaſſen, der im geſetzes abgelehnt hatte, wurde die Ausſprache geſchloſſen.
Ausſchuß abgelehnt war, wird wohl auch im Plenum neu ein=
gebracht
, vermutlich aber wieder abgelehnt werden. Dafür will
die Deutſche Volkspartei eine Entſchließung beantragen, wonach
die deutſche Reichsregierung aufgefordert wird, nach 2 Jahren
eine Denkſchrift dem Reichstag zur Verfügung zu ſtellen, worin
über die Wirkungen der Verſicherung berichtet wird. Die
Regierungsparteien hoffen, daß es möglich ſein wird, das ganze
Geſetz am Montag und Dienstag durch das Plenum zu brin=
gen
, ſo daß dann am Mittwoch die endgültige Abſtimmung vor=
genommen
werden könnte. Am Montag ſoll außerdem das Zoll=
geſetz
, das den Ausſchuß des Reichstages bereits paſſiert hat,
in erſter Leſung vorgenommen werden, damit es gleich an den
Ausſchuß gehen kann. Beim Schulgeſetz iſt man immer noch nicht
weiter gekommen. Die Schwierigkeiten ſind die gleichen geblie=
ben
, ſo daß wohl auch das Zentrum nicht mehr an eine Ver=
ſtändigung
vor der Sommerpauſe glaubt. Dagegen iſt das
wird in den nächſten Tagen dem Kabinett zugehen. Das Kabi=
weiſen
, der aber in dieſem Falle, weil ſo ſtarke Intereſſen der
Länder dabei auf dem Spiel ſtehen, kaum auf ſeine Einlaſſungs= ausgeſetzt wäre.
friſt von drei Wochen verzichten wird, ſo daß dieſes Geſetz erſt
nach der Sommerpauſe den Reichstag beſchäftigen kann, ebenſo
wie das Liquidationsſchädengeſetz, das an ſich im Finanzmini=
ſterium
fertiggeſtellt worden iſt. Die Deckungsfrage iſt aber noch
nicht gelöſt, und der Reichsfinanzminiſter lehnt es mit Recht ab,
dem Reiche neue Ausgaben aufzubürden, ehe er nicht für die
rigkeit bildet noch die Vermögensſteuer für 1925, für die eine
Nachzahlung geleiſtet werden ſoll, falls ein Geſamtbetrag von
400 Millionen nicht erreicht wird. Allem Anſchein nach wird der
Ertrag der Vermögensſteuer ſo hoch nicht ſein. Es wäre alfo
an ſich eine Nachzahlung erforderlich. Die Regierungsparteien
wollen aber dieſe Frage zurückſtellen, bis das endgültige Ergeb=
nis
der Vermögensſteuer ſich überſehen läßt.
Allem guten Zureden zum Trotz, iſt das Zentrum am
Donnerstag im Plenum bei der Beſprechung des Fürſtenſperr=
geſetzes
halsſtarrig geblieben und hat für den ſozialdemokratiſch=
demokratiſchen
Antrag gegen die übrigen Regierungsparteien
geſtimmt. Man hatte hinter den Kuliſſen noch einmal eine Ver=
ſtändigung
verſucht, die aber ſcheiterte. Offenbar iſt die Fürſten=
abfindung
für das Zentrum nach den Erfahrungen, die es bei
der Volksabſtimmung mit ſeinen eigenen Wählern gemacht hat,
ein etwas wunder Punkt. Und da von vornherein ſicher war,
daß die verfaſſungsmäßigen Vorausſetzungen für ein Zuſtande=
kommen
des Geſetzes nicht zu ſchaffen ſeien, glaubte das Zen=
trum
, unbedenklich ſeinem linken Flügel den Gefallen
tun zu können. Auf eine eingehende Ausſprache im Plenum
wurde verzichtet. Nur die Oppoſition führte eigentlich das Wort.
Schließlich wurde das Geſetz, mit 233 : 167 Stimmen angenom=
men
. Der Reichstagspräſident Loebe ſtellte aber gleichzeitig feſt,
daß die nach Artikel 78 der Verfaſſung vorgeſchriebenen Bedin=
gungen
nicht erreicht ſeien, weil eine Zwei=Drittel=Mehrheit der
Abſtimmenden nicht vorhanden ſei. Das Geſetz iſt alſo abge=
lehnt
. Damit iſt dieſer Fall zunächſt ausgeſtanden. Daß die
Extratour des Zentrums ſpäterhin Rückwirkungen haben kann,
darüber wird ſich das Zentrum ſelbſt nicht im unklaren geweſen
ſein.
Der Reichstag beſchäftigte ſich dann noch mit dem Entwurf
über die Verzinſung aufgewerteter Hypotheken und ihre Um=
wandlung
in Grundſchuld. Der Reichsjuſtizminiſter Hergt wies
darauf hin, daß der Rechtsausſchuß über die Regierungsvorlage
hinausgegangen ſei und wertvolle Verbeſſerungen für die Gläu=
ſtanden
, ſie müſſe aber ftſtſtellen, daß dabei die Grenze ihres
Entgegenkommens erreicht ſei. Die Regierungsparteien gaben
durch Herrn Thierard vom Zentrum eine Erklärung der gleichen
Richtung ab, während die ſozialdemokratiſche Oppoſition noch
neue Zugeſtändniſſe herauszuholen ſuchte und weitere Anträge
ankündigte. Darüber wird man ſich aber am Freitag noch
weiter unterhalten.
Reichstags=Sitzungsbericht.
Der Reichstag begann heute ſofort mit der Beratung des geſtern
im Rechtsausſchuß angenommenen demokratiſchen und ſozialdemokrati=
ſchen
Antrags auf Verlängerung des Sperrgeſetzes für die Fürſten=
abfindungsprozeſſe
bis zum 31. Dezember d. J.
darauf hin, daß die meiſten der in Frage kommenden Landesregierungen
politiſch rechts eingeſtellt ſeien, und daß deshalb trotz der intenſiven
Vermittlungstätigkeit der Reichsregierung in vielen Fällen die Ver= Fraktionen beteiligten. Beſchlüſſe wurden jedoch nicht gefaßt.

ſtändigung mit den früher regierenden Fürſtenhäuſern nicht zuſtande=
gekommen
ſei. Der engliſche Prinz und frühere Herzog von Koburg=
Gotha habe z. B. aus ſeinem Zivilbeſitz bis heute noch nicht einen Pfg. Univerſitätsprofeſſor Dr. P. Moldenhauer, Köln, M. d. R.
Steuer an Thüringen gezahlt. Das Angebot der Fürſten, bis zum
Erweibsloſen=Perſichenrung, Fürſtenſperrgeſetz 1. Dezember freiwillig die Prozeſſe ruhen zu laſſen, bezeichnete der
Redner als wertlos. Schon wegen der ganz unberechtigten Anſprüche geſellſchaft, die Gothaer Lebensverſicherungsbank auf Gegenſei=
der
depoſſierten Standesherren ſei die Verlängerung des Sperrgeſetzes tigkeit, ihr hundertjähriges Geſchäftsjubiläum. Erſt ſeit dem
notwendig. Die Regierungskoalition biete ein ſeltſames Bild. Während Tage der Gründung der Gothaer Lebensverſicherungsbank, der
das Zentrum für das Sperrgeſetz ſtimme, ſähen die Deutſchnationalen in großen Tat Ernſt Wilhelm Arnoldis, können wir von einer deut=
je
dem Geſetz eire Nechtsverweigerung. Der Redner erklärte zum Schluß, ſchen Lebensverſicherung ſprechen. Was vor dieſer Zeit liegt
ſondern könne mit einfacher Mehrheit angenommen werden.
Weiſe als der Sozialiſt Roſenfeld für die Verlängerug des Sperrgeſetzes
2 einſetzte. Je älter die Republik werde, deſto frecher würden die Fürſten, verſicherung durch ihre wiſſenſchaftliche Grundlage auf der einen
Geſetz über die Erwerbsloſenverſicherung, das dem Umfang nach Die Schwäche der Republik ſei durch die Tatſache gekennzeichnet, daß und den Großbetrieb auf der anderen Seite. In den letzten
wehren müſſe.
den Ländern einen weiteren Schutz des Sperrgeſetzes nicht verweigern
dürfe. Wenn man ſich nach dem Willen der Reichsregierung mit dem wie auf dem Gebiet der Feuerverſicherung, auch auf dem der
unzureichenden Angebot der Fürſtenhäuſer begnüge, dann hätten dieſe
Familien das Uebergewicht über die Länder.
In einfacher Abſtimmung wurde der Geſetzentwurf gegen die
ſchen, Nationalſozialiſten und einige Mitglieder der Wirtſchaftspartei
mit einfacher Mehrheit angenommen.
Die 3. Leſung des Geſetzes, in der die entſcheidende, mit zwei Drittel die deutſche Lebensverſicherung machtvoll entfaltet. Ihre Ent=
Mehrheit vorzunehmende Abſtimmung vor ſich gehen ſoll, wurde bis
Schluß der Abſtimmung zumickgeſtellt.
Verzinſung aufgewerteter Hybotheken und ihre Umwandlung in Grund= ſen der Verſicherungsſummen bis zur Inflationszeit, d. h. über
gegangen ſei und ſehr wertvolle Verbeſſerungen für die Gläubiger be=
ſchloſſen
habe. Die Regierung ſei damit einkerſtanden, ſtelle aber feſt,
daß damit die Grenze des Tragbaven erreicht ſei. Sie hoffe, daß nach
deu öffentlichen Diskuſſion ausſcheide.
Abg, von Guérard (Ztr.) verlas im Namen der Negierungs=
parteien
eine gemeinſame Erklärung, die ſich im weſentlichen mit den lionen, 1880 iſt die Zahl auf 36 Geſellſchaften mit einem Beſtand
Reichsrahmengeſetz im Finanzminiſterium jetzt fertiggeſtellt und Ausführungen des Neichsjuſtizminiſters Hergt deckt. In der Erklärung von 2 Milliarden angewachſen, 1905 wird die zehnte, 1915 die
heißt es, die Regierungsparteien ſeien weiter beſtrebt, die Härten der
nett will es auch noch verabſchieden und dem Reichsrat über= Aufwertungsgeſetzgebung nach Möglichkeit auszugleichen. Die Grund=
lage
der beſtehenden Aufvertungsgeſetzgebung könne aber nicht ver=
laſſen
werden, weil ſonſt das ganze Wirtſchaftsleben ſchweren Gefahren
Abg Jöriſſen (W.=P.) ſchloß ſich den Ausführungen von
Guérards an.
Abg. Keil (Soz.) begründete verſchiedene Anträge ſeiner Fraktion
zur Beſſerſtellung der Aufwertungsgläubiger, denen die Regierung mit
den Aufwertungsgeſetzen ein ſchlimmes Unrecht angetan habe. Wenn
die Regierung die ſozialdemokratiſchen Anträge ablehne, ſo beweiſe ſie
damit, daß ſie nur die Neureichen begünſtige. Den Deutſ=ationalen
entſprechenden Eiunahmen geſorgt hat. Eine beſondere Schwie= warf der Redner doppelzüngige Haltung vor. Die Deutſomationalen kommt hinzu das große Verantwortungsgefühl und die Fähig=
ſeien
im Ausſchuß ganz anders aufgetreten als früher bei der Wahl=
agitation
gegenüber den bedrohten Gläubigern und Sparern.
Dann wurde die Beratung dieſer Angelegenheit abgebrochen.
ſozialdemokratiſchen Geſetzesantrag auf Verlängerung der Fürſten=
war
folgendes:
Abgegeben wurden 402 Stimmen, der Stimme enthielten ſich zwei
Abgeordnete. Mit Ja ſtimmten B3, mit Nein 167.
Präſident Loebe ſtellte feſt, daß von den in 8 76 der Reichsverfaſſung
erſte Beſtimmung erfüllt ſei, nämlich die Anweſenheit von mehr als
zwei Dritteln des Hauſes. Von dieſen zwei Dritteln hätten aber nicht
heit nicht erreicht worden und das Geſetz daher abgelehnt.
Das Ergebnis wurde auf der Linken mit Pfuirufen, auf der Rechten
mit Bravorufen begleitet.
Hierauf vertagte ſich das Haus auf Freitag 15 Uhr.
Weltwirſchaftskonferenz
für auswärtige Angelegenheiten, für Volkswirtſchaft und Han=
delspolitik
gab heute Reichsminiſter a. D. Hermes einen aus=
Möglichkeit einer blühenden Landwirtſchaft, 2. möglichſte Selbſt= der deutſchen Geſellſchaften abgelöſt worden iſt. Die ſteigenden
hilfe der Landwirtſchaft, 3,. die Parität der Landwirtſchaft mit der Anwerbekoſten ſtellten die Technik vor wichtige Fragen, nicht nur,
ſtellung dieſer Parität in den einzelnen Ländern ſei Vorausſetzung großen Beſtand den Wettbewerb aushalten könnten, ſondern wie
Gewicht auch auf die Zuſammenarbeit der Erzeuger= und Ver= Geſellſchaften für die Reſerbenberechnung die der ungekürzten
biger beſchloſſen habe. Die Reichsregierung ſei damit einver= kreditinſtituts, denn zunächſt müßten die einzelnen Landwirt= rechte Dividenden=Politik geſchaffen und damit der Lebens=
ſchaften
national ſich ſelber helfen.
nale Handelspolitik betreffe, ſo habe die Konferenz drei wichtige Zeit trat die gemiſchte Form, nach der die Verſicherung beim
Maßnahmen zum Abbau der Zölle und ſie ſtellte eine Aktion des grund, weil ſie mehr als die lebenslängliche den praktiſchen Be=
Völkerbundes anheim, die das allgemeine Zollniveau der Na= dürfniſſen entſpringt. Sie iſt im Laufe des Jahrhunderts der
Abg Noſenfeld (Soz) wies in der Begründung des Antrages angenommen habe. Die wirtſchaftlichen Fragen müßten ſoweit klein geblieben, ebenſo wie die Renten=Verſicherungen, ganz im
als möglich von den politiſchen Fragen getrennt werden. Hierauf

Hundert Jahre
deutſcher Lebensverſicherung.
Von
Am 9. Juli feiert die älteſte deutſche Lebensverſicherungs=
der
eingebrachte Geſetzentwurf bedeute keine Verfaſſungsänderung, und bis in das frühe Mittelalter hinein reicht, ſind primitive
Sterbekaſſen, wie wir ſie in hundertfältiger Geſtalt auch heute
Es folgte der Abg. Neubauer (Kom), der ſich in noch ſchärferer noch finden. Von ihnen unterſcheidet ſich die moderne Lebens=
ſie
ſich im 8. Jahre ihres Beſtehens noch der Habgier der Fürſten er= Jahrzehnten vor der Gründung der Gothaer waren bereits eng=
liſche
Lebensverſicherungsgeſelſchaften nach Deutſchland ge=
Abg. Dr. von Richthofen (Dem.) ſetzte ſich dafür ein, daß man kommen, um hier ihr Geſchäft zu betreiben. Der nach den Be=
freiungskriegen
ſich mächtig entfaltende nationale Sinn ertrug,
Lebensverſicherung die Fremdherrſchaft nicht mehr, zumal über
Als der Abg. Kube Nat=Soz) die Verlängerung des Sperr= die Regulierungsmethoden der fremden Geſellſchaften insbeſon=
dere
auch in der Lebensverſicherung bittere Klagen geführt wur=
den
. Gerade der ungünſtige Ausgang eines Prozeſſes gegen eine
Deutſchnationalen, die Deutſche und Bayeriſche Volkspartei, die Völki= engliſche Geſellſchaft war für Ernſt Wilhelm Arnoldi mit der
Anlaß zur Gründung der Gothaer Lebensverſicherungsbank.
In den hundert Jahren, die nun hinter uns liegen, hat ſich
wicklung iſt gegenüber der anderer Länder ganz beſonders ge=
Das Haus begann dann die 2. Leſung des Geſetzentwurfes über die kennzeichnet durch große Stetigkeit, durch ein ſtändiges Anwach=
ſchulden
. In einer kurzen Erklärung teilte Reichsjuſtizminiſter Hergt 90 Jahre hat es keinen Rückſchlag gegeben, wenn auch in Jahren
mit, daß der Rechtsausſchuß über die Regierungsvorlage hinaus= politiſcher oder wirtſchaftlicher Kriſen die Zunahme an Verſiche=
rungsſummen
langſamer gegangen iſt. Bereits 1850 zählten wir
10 Verſicherungsgeſellſchaften mit einer Verſicherungsſumme von
Annahme dieſe Verbeſſerungen die Aufwertungsfrage endgültig aus 143 Millionen, von denen über die Hälfte, nämlich 76 Millionen,
auf die Gothaer entfielen. 1860 haben wir bereits 24 Geſell=
ſchaften
mit einem Verſicherungsbeſtand von rund 450 Mil=
ſechzehnte
Milliarde überſchritten. Deutſchland ſtand 1914 in
den Verſicherungsſummen an dritter Stelle hinter den Ver=
einigten
Staaten von Amerika und England.
Dieſe günſtige Entwicklung iſt auf eine Reihe von Faktoren
zurückzuführen, einmal auf den ſteigenden Wohltand Deutſch=
lands
und auf die große wirtſchaftliche Entwicklung des ver=
gangenen
Jahrhurkerts, zweitens auf den Sparſinn im deut=
ſchen
Volk und den ſtark entwickelten Familienſinn, der in der
Lebensverſicherung die beſte Möglichkeit für die Verſorgung der
Familie erblickte. Als dritter und vielleicht wichtigſter Faktor
keit der Leiter der deutſchen Lebensverſicherungsgeſellſchaften
während dieſes Jahrhunderts, die gewiß tüchtige Kaufleute
Das Haus nahm die zurückgeſtellte Schlußabſtimmung über den waren, aber niemals die große ethiſche Bedeutung der Lebens=
verſicherung
verkannten. Der ſtarke Wettbewerb zwiſchen gegen=
abfindungsſperre
vor. Das Ergebnis der namentlichen Abſtimmung ſeitigen und Aktiengeſellſchaften hat ſtets dazu geführt, daß das
Erwerbsintereſſe ſtark zurückgedrängt wurde. Der beſte Beweis
dafür iſt, daß auch die Aktiengeſellſchaften genötigt wurden, die
Verſicherten am Gewinn, zu beteiligen und von den Ueber=
vorgeſehenen
Beſtimmungen für verfaſſungsändernde Geſetze nur die ſchüſſen nur einen kleinen Teil, ſelten mehr als 10 b. H., an die
Aktionäre auszukehren. Tatſächlich hat hinſichtlich der Leiſtungs=
fähigkeit
zwiſchen den großen führenden gegenſeitigen Verſiche=
zwei
Drittel ſüir das Geſetz geſtimmt. Cs ſei alſo die Zweidrittelmehr= rungsgeſellſchaften und den Aktiengeſellſchaften kaum ein Unter=
ſchied
beſtanden.
Neben der extenſiven Entwicklung der deutſchen Lebens=
verſicherung
beobachten wir ein intenſives Arbeiten am Ausbau
der Verſicherung ſelbſt. Die Rechnungsgrundlagen werden
dauernd wiſſenſchaftlicher Unterſuchung unterzogen und ver=
Gemeinſame Ausſchußberatung über die beſſert. Unvergeßlich bleiben die Verdienſte Karups, des Chef=
mathematikers
der Gothaer Lebensverſicherungsbank, ohne mit
der Nennung dieſes einen Namens die Verdienſte anderer ver=
In einer gemeinſchaftlichen Sitzung der Reichstagsausſchüſſe dunkeln zu wollen. Hatte man urſprünglich engliſche Tafeln
den Berechnungen zugrunde gelegt, ſo machte man ſich auch im
Laufe der Zeit von dieſem Vorbild frei. Einzelne Gefellſchaften
führlichen Bericht über Verlauf und Ergebniſſe der Weltwirt= hatten, wie die Gothaer und Leipziger, ihre eigenen Tafeln, auf
ſchaftskonferenz, ſoweit ſie Agrarfragen betraf. Der Redner hob eigene Erfahrungen begründet. Aus der Zuſammenarbeit aller
beſonders hervor eine Entſchließung der landwirtſchaftlichen Kom= Geſellſchaften entſtand die Tafel der 23 deutſchen Geſelſchaften
miſſion, wonach es nötig ſei, 1. die Aufklärung der Welt über die von 1883, die erſt nach dem Kriege durch eine neue Sterbetafel
Induſtrie in der Behandlung der Zölle herauszuſtellen. Die Her= wie junge Geſellſchaften gegenüber den Geſellſchaften mit altem
für die Durchführung einer internationalen Abbauaktion. Weiter vor allem eine richtige Dividenden=Politik getrieben werden
teilte der Miniſter mit, die deutſchen Vertreter hätten beſonderes könne. Hatte jahrzehntelang unter der Einwirkung der alten
brauchergenoſſenſchaſten jedes Landes gelegt. Starke Bedenken Reſerven vorgeherrſcht, ſo iſt es das Verdienſt Höckners, auf
beſtänden gegen die Errichtung eines internationalen Agrar= Ideen Zillmers zurückgreifend, neue Grundlagen für eine ge=
verſicherungstechnik
neue Wege gewieſen zu haben. Im Anfang
Gewerkſchaftsſekretär Aggert führte aus, was die internatio= war Lebensverſicherung reine Todesfall=Verſicherung. Mit der
Ergebniſſe gehabt: Sie empfahl den Abſchluß langfriſtiger Han= Tode des Verſicherten, ſpäteſtens nach einer beſtimmten Zahl
delsverträge mit weitgehenden Ermäßigungen; einzelſtaatliche von Jahren (25 bis 30) fällig wird, immer mehr in den Vorder=
tionen
auf autonomem Wege ſenken ſoll. Dieſe Entſchließung vorherrſchende Typ geworden. Die Erlebensfall=Verſicherung
verurteilte klar den Protektionismus, deſſen Beſeitigung ſie als hat nie eine große Rolle geſpielt. Wohl hat es immer Aus=
Vorausſetzung für die Geſundung der Weltwirtſchaft bezeichnete, ſteuer=Verſicherungen gegeben, ſeit 1876 kennen wir die Militär=
Beklagenswert ſei, daß die Konferenz die Forderung der Ar= dienſt=Verſicherung, die erſt mit Kriegsende, mit dem Aufhören
beitergruppe nach Schaffung eines internationalen Wirtſchafts= der allgemeinen Wehrpflicht, ihr Ende genommen hat, aber das
amtes unter der Oberhoheit des Völkerbundes nicht voll und ganz Geſchäft iſt gegenüber dem der großen Lebensverſicherungen
ßegenſatz zu dem rentenluſtigen Frankreich. War die Lebens=
folgte
eine Diskuſſion, an der ſich die Abgeordneten faſt ſämtlicher verſicherung jahrzehntelang die Verſicherung des Mittelſtandes
und der oberen Schichten, ſo dringt ſie nach 1895 in der Form

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Geite 2

Freitag, den 1. Juli 1927

Nummer 180

der Volksverſicherung auch in die breiten Maſſen der Arbeiter
ein, ohne freilich hier jemals den Umfang zu erreichen, den ſie
in den Vereinigten Staaten und in England erreicht hat. Das
liegt darin begründet, daß die im Jahre 1883 beginnende Sozial=
verſicherung
Deutſchlands die meiſten Aufgaben auf dieſem Ge=
biet
bereits löſte. In den Verſicherungsbedingungen entwickelt
ſich langſam der Fortſchritt. Sind die erſten Bedingungen noch
ſtreng und eng, ſo zwingen Wettbewerb und Verkehr zu immer
weiteren Zugeſtändniſſen, Berufswechſel, Reiſen ins Ausland
bedingen keine Veränderung des Verſicherungsvertrages mehr.
Der Gedanke der Unverfallbarkeit und Unanfechtbarkeit der
Lebensverſicherung ſetzt ſich um 1900 vollkommen durch. Selbſt
bei Selbſtmord zahlen die Verſicherungs=Geſellſchaften, wenn
eine kurze Karenzzeit von ein bis drei Jahren verſtrichen iſt,
die Verſicherungsſumme aus. Auch der Kreis der Aufnahme=
fähigen
wird mit dem Fortſchritt der Verſicherungsmedizin
immer weiter gezogen, aber das Problem der Verſicherung
minderwertiger Leben, für deren Verſicherung man vorüber=
gehend
gemeinſam eine beſondere Geſellſchaft gründete, iſt noch
heute ungelöſt.
Bis 1911 war die Lebensverſicherung, von ganz wenigen
Ausnahmen abgeſehen, in der Hand der privaten Verſicherungs=
Geſellſchaften. Auf Anregung des damaligen Generallandſchafts=
Direktors Kapp wird um dieſe Zeit die erſte öffentliche Lebens=
verſicherungs
=Anſtalt in Oſtpreußen begründet, der in den näch=
ſten
Jahren ähnliche Gründungen in den anderen preußiſchen
Provinzen und den übrigen Bundesſtaaten folgen. Sie wenden
ſich ganz beſonders, wenn auch nicht allein, an die Landwirt=
ſchaft
. Gerade der Gedanke einer landwirtſchaftlichen Hypo=
thekar
=Lebensverſicherung und der Anlegung der großen Fonds
der Verſicherungs=Geſellſchaften in landwirtſchaftlichen Werten
war für Kapp der Hauptanlaß für ſeine Gründung.
Der Weltkrieg traf ein in höchſter Blüte ſtehendes deutſches
Lebensverſicherungsweſen, das ſo ſtark war, daß es auch die
ſchweren Erſchütterungen des Krieges überſtand und den ge=
waltig
geſteigerten Anforderungen, die die Kriegsſterblichkeit an
die deutſche Lebensverſicherung ſtellte, gewachſen war. Erſt die
Nachkriegszeit, die Inflation, traf die deutſche Lebensverſiche=
rung
ins Mark. Die über fünf Milliarden betragenden Prämien=
reſerven
waren in mündelſicheren Werten angelegt, davon über
80 v. H. in Hypotheken. Nun verfielen alle dieſe Werte. Aus=
landsverpflichtungen
, die einzelne Geſellſchaften hatten, drohten
angeſehene und große Geſellſchaften in den Konkurs zu ſtürzen.
Wurde auch dieſe Gefahr vermieden, ſo gingen die alten Ver=
ſicherungen
verloren. Die durch die dritte Steuernotverordnung
und das Aufwertungsgeſetz vorgeſehene Aufwertung kann nur
einen beſcheidenen Teil des Verlorenen wiederbringen. Aber
als die Schleier der Inflation gefallen waren, als man auf dem
Trümmerfeld deutſcher Lebensverſicherung ſtand, legte man nicht
mutlos die Hände in den Schoß, man begann wieder aufzu=
bauen
. Bereits 1925 zählten 44 private Geſellſchaften einen Be=
ſtand
von über 5 Milliarden Verſicherungsſummen, d. h. an=
nähernd
ein Drittel des früheren Beſtandes. Dazu kommen
noch über 550 Millionen Verſicherungsſummen der öffentlichen
Verſicherungsanſtalten. Aber nur ſehr langſam bilden ſich die
neuen Kapitalien. 1925 betrugen die neuen Prämienreſerven
erſt 177 Millionen gegenüber 5 Milliarden zu Anfang des
Krieges. Erſt langſam, ſehr langſam, wächſt ſo die Lebensver=
ſicherung
in eine ihrer anderen Aufgaben hinein, Geldgeber für
den Realkredit zu ſein. Aber der Geiſt, der die alte deutſche
Lebensverſicherung beherrſchte, iſt geblieben. Er gibt uns die
Hoffnung, daß mit dem langſamen Wiederanſtieg Deutſchlands
auch die Lebensverſicherung gleichen Schritt hält und der erſtar=
kenden
deutſchen Wirtſchaft dieſelben wertvollen Dienſte leiſtet,
wie es im vergangenen Jahrhundert der Fall geweſen iſt.

Der Kampf um die Poſigebühren.
Die Poſtgebührenfrage, dürfte in der nächſten Zeit die
deutſche Oeffentlichkeit ſehr beſchäftigen. Nachdem in den letzten
Verwaltungsratsſitzungen die eingebrachten Vorlagen zurück=
gezogen
wurden, wird jetzt eine neue ausgearbeitet, die ihnen
entſprechen ſoll. Eine endgültige Geſtalt hat der Entwurf aber
noch nicht erhalten, weil die Vorarbeiten und Beſprechungen
noch nicht abgeſchloſſen ſind. Infolgedeſſen läßt ſich auch noch
nichts darüber mitteilen, zu welchem Zeitpunkt die neue Ge=
bührenordnung
dem Verwaltungsrat zugeleitet wird.
Das neue ſächſiſche Kabineti.
Dresden, 30. Juni.
Miniſterpräſident Heldt hat nunmehr das neue Kabinett
gebildet. Es ſetzt ſich in der Weiſe zuſammen, wie wir bereits
berichten konnten: Heldt (Altſozialiſt) Miniſterpräſident; Dr.
Apelt (Dem.) Innenminiſter; Dr. Kaiſer (D. Vpt.) Volks=
bildungsminiſter
; Weber (Wirtſchaftspartei) Finanzminiſter;
Dr. Krug von Nidda (Dnatl.) Wirtſchaftsminiſter; Dr.
von Fumetti (Volksrechtsparteiler Juſtizminiſter; Alsner
(Altſoz.) Arbeitsminiſter.

Vom Tage.
Um 12,88 Uhr gelang es der Funkſtation Vioy=Chatillon, mit dem
Flugzeug Byrds in Verbindung zu treten. Jedoch konnte die Station
keine Angaben über den augenblicklichen Standort des Flugzeugs erhal=
ten
. Gerüchtweiſe verlautet, daß das Flugzeug Abeville unweit
der belgiſchen Grenze überflogen hat. Kurz vor Redaktions=
ſchluß
geht die Meldung zu, daß Byrds Flugzeug über Paris geſichtet
wurde, wo es einige Rundflüge ausführte. Seine Landung wird jeden
Augenblick erwartet, falls er ſich nicht noch entſchließt, weiter zu fliegen.
Für Anfang Oktober hat der Reichskanzler als Miniſter der
beſetzten Gebiete eine Reiſe dorthin vorgeſehen. Dabei wird vermutlich
in Koblenz ein Preſſeempfang ſtattfinden.
Nach einer Meldung aus Kowno iſt die Verbreitung der
Königsbeyger Hartungſchen Zeitung in Litauen
auf acht Tage verboten worben.
Neichsminiſter des Aeußern Dr. Streſemann legte geſtern
nachmittag an der vor dem Gebäude des Nobel=Inſtituts ſtehenden
Büſte Nobels einen Lorbeerkranz nieder.
Das neue eidgenöſſiſche Beamtengeſetz wurde in
der geſtrigen Schlußabſtimmung im Nationalrat mit großer Mehr=
heit
und im Ständerat einſtimmig angenommen.
Die Action Frangaife veröffentlicht einen entrüſteten
Proteſt anläßlich der Verhaftung ihres Chefredakteurs Pujo, vor
allem deshalb, weil Pujo nicht als politiſcher Gefangener behandelt
werde.
Wegen Spionageverdachts ſind bei Caen fünf Perſonen,
ein Franzoſe, ein Belgier, ein Serbe und zwei Italiener, verhaftet
worden.
Der ägyptiſche Premierminiſter Sarwat Paſcha iſt in
Paris angekommen. Er wird ſich zuſammen mit König Fugd
nach London begeben
Die ſüdafrikaniſche Parlamentsſeſſion endete mit
erheblichen Schierigkeiten zwiſchen der Kommer und dem Senat. Die=
ſer
hat nicht nur das Flaggengeſetz abgelehnt, ſondern auch das Diaman=
tengeſetz
ablehnen wollen, was jedoch von dem Berowverksminiſter als
unannehmbar erklärt wurde.
Wie die Agence Indo=Pacifique aus Peking meldet, hat die Pekin=
ger
Regierung beſchloſſen aus Sparſamkeitsgrün=
den
die meiſten chineſiſchen diplomatiſchen Vertretungen und Konfulate
in Europa und Amerika aufzuheben.

Maſſenkündigungen in Oſtoberſchleſien.
Beuthen, 30. Juni.
Wie aus Kattowitz gemeldet wird, wird 88 Beamten und Angeſtell=
ten
der Vereinigung König= und Laura=Hütte morgen die Kündigung
ihres bisherigen Dienſtverhältniſſes zugehen. Unter den von dieſer
Maßnahme Betroffenen befindet ſich auch der Werkverwalter der Gräfin=
Laura=Grube, der deutſcher Seim=Abgeordneter iſt. Auf die einzelnen
Betriebe ver eilen ſich die Entlaſſenen folgendermaßen: Aus den Rich=
ter
=Schächten und der Laura=Grube 30 Beamte und Angeſtellte; aus der
Gräfin=Laura=Grube 40 Beamte und Angeſtellte und von der Dubenſka=
Grube 18 Beamte und Angeſtellte. Weitere Entlaſſungen ſtehen bevor
Die zur Entlaſſung kommenden Beamten und Angeſtellten ſind durch=
ſchnittlich
längere Zeit im Dienſte, einige bis zu 30 Jahren.
Die Religionsgliederung im Deutſchen Reich 1925.

DIE RELIGIONSGLIEDERUNG
M DEUTSCHEN REICHO2S

Sonstige 2,8%

Die Ergebniſſe über die Religionsgliederung der Bevölkerung im
Deutſchen Reich auf Grund der Volkszählung vom 16. Juni 1925.

Streſemann=Ehrung in Oslo.
Feſtbankett des Nobel=Komitees.
OSlo, 30. Juni.
Zu Ehren Dr. Streſemanns fand geſtern abend ein großes
Bankett des Nobelkomitees ſtatt, an dem der norwegiſche Miniſter=
präſident
, der Storthing=Präſident, das diplomatiſche Korps, der
Bürgermeiſter von Oslo ſowie die Mitglieder der deutſchen
Geſandtſchaft teilnahmen. Der Vorſitzende des Nobelkomitees,
Profeſſor Stang, feierte in einer Anſprache den Reichsaußen=
miniſter
und legte die Gründe dar, die zur Verleihung des
Friedenspreiſes an die Locarnopolitiker geführt haben. In
ſeiner Erwiderung gab der Reichsaußenminiſter in warmen
Worten ſeinen Dank für die ihm in Norwegen gezeigte Liebens=
würdigkeit
und Freundſchaft Ausdruck. Dann ſprach Fritjog
Nanſen über den Geiſt der Verſtändigung, der durch Streſemann
repräſentiert werde, wobei er auch die Verdienſte Briands und
Chamberlains hervorhob und an alle politiſchen Staatsmänner
den Appell zur Weiterführung der Verſtändigungspolitik rich=
tete
. Storthing=Präſident Mowincke ſprach auf Frau Streſemann
und über die Bedeutung der Frau für die Friedensarbeit.
Schließlich feierte Profeſſor Stang den Neffen Alfred Nobels,
den greiſen Emanuel, der in kurzen Worten dankte.
Heute mittag fand beim norwegiſchen Miniſterpräſidenten
und Außenminiſter Lycke ein Frühſtück ſtatt, bei dem u. a. der
deutſche Geſandte. Dr. Rhomberg, der ſchwediſche Geſandte
Hoeyer, ſowie zahlreiche Mitglieder der Regierung und des
Nobel=Komitees teilnahmen. Miniſterpräſident Lycke hielt eine
Rede, in der er u. a. ausführte: Ich glaube ſagen zu können,
daß das norwegiſche Volk die diesmal erfolgte Verteilung des
Nobel=Friedenspreiſes mit großer Zufriedenheit aufgenommen
hat, da man ſich hier allgemein der Idee anſchließt, ſeine Hoch=
achtung
und Bewunderung den Männern zu bezeugen, die an
hohen und verartwortungsvollen Stellen mit allen Kräften
daran arbeiten, den Frieden zu feſtigen. Die Jahrhunderte
alten Beziehungen zwiſchen Norwegen und Deutſchland bringen
es mit ſich, daß wir die Beſtrebungen der deutſchen Regierung,
die darauf hinzielen, Wirtſchaft, Arbeitsmöglichkeit und allge=
meinen
Wohlſtand im deutſchen Volke zu fördern, mit großem
Intereſſe und Bewunderung verfolgen. Wir erhoffen auch für
uns hieraus ſtarke Impulſe. Miniſterpräſident Lycke ſchloß mit
einem Toaſt auf Dr. Streſemann und das deutſche Volk.
Der Temps zur Rede Streſemanns in Oslo.
Paris, 30. Juni.
Der Temps beſchäftigt ſich mit der Rede Streſemams in
Oslo. Er habe, ſo erklärt er, ſeine Ausführungen auf das Milieu
eingeſtellt, in dem er geſprochen habe, und wo, die Friedensſache
an ſich betrachtet werde und nicht vom Standpunkt der reinem
deutſchen Intereſſem. Offenbar habe er wohl begriffen, daß es
nodwendig ſei, ſeinen Zuhörer von der Aufrichtigkeit, die
Deutſchland hinſichtlich der Weiterverfolgung der Politik
von Locarno auſbringe, zu ſprechen und auch von dem Verdienſte,
das es gehabt habe, als es ſich auf dieſen Weg begab. Er habe
offenbar begriffen, daß es notendig ſei, darauf zu beſtehen, um
im Rahmen des Möglichen das Mißtrauen zu beſeitigen, das ge=
wiſſe
deutſche Kundgebungen noch im Auslande erweckten. Der
Demps ſucht dadurch, daß er die Mitarbeit der Deutſchnatio=
nalen
im Kabinett in den Vordergrund ſtellt, die Ausführungen
Streſemamns zu diskreditieren, und drückt ſeine Verwunderung
darüber auis, daß Streſemann in Oslo, dem Reichspräſidenten
vollkomene Gerechtigkeit habe widerfahren laſſen. Marſchall
Hindenburg, ſo ſchreibt der Temps, an der Spitze des Deut=
ſchen
Reiches bedeutet immer noch die Datſache, daß man die Ge=
ſchicke
der Deutſchen Republik und ihre Entwicklung dem Kriegs=
chef
des kaiſerlichen Deutſchland anpertraut hobe. Ob man wvolle
oder nicht, das veranlaſſe auch die Vertrautensvollſten zum Nach=
denken
, und die Wahl Hindenburgs ſei der erſte Fehler gegen
die Politik der Ausſöhnung, der Entſpannung und der Verſtän=
digung
geweſen. Der zweite und ernſthafteſte Fehler, den die
Regierenden in Deutſchland gegen dieſe neue Politik begangen
hätten, ſei die Rückbehr der Nationaliſten zur Regierung geweſen.
Im übrigen wendet ſich der Temps auch gegen den Hinweis
Streſewanns auf die Unvereinbarkeit der Entſpannungs= und
Verſtändigungspolitik mit der Fortdauer der Rheinlandbeſetzung.
Dieſes Thema kenne man. Man dürfe aber nicht vergeſſen, daß
der Vertrag von Locarno im Rahmen der beſtehenden Verträge
abgeſchloſſen ſei, alſo nichts vorgeſehen habe hinſichtlich der vor=
zeitigen
Räumung der Rheinlande, ohne irgendeine Gegen=
leiſtung
. Alſo erkenne man auch hier wieder, daß die Auffaſſung
von der neuen Friedenspolitik in Deutſchland und in den alliier=
ten
Ländern nicht die gleiche ſei, was den Kontroverſen des
Augenblicks manchmal einen entäuſchenden Charakter gebe.

Die Jahresſchau deutſcher Arbeit
das Papier.
Die ſechſte Jahresſchau deutſcher Arbeit in Dresden iſt dem
Papier, ſeiner Erfindung und Herſtellung, ſeiner Verarbeitung
und Benutzung gewidmet. Auf dem ſchönen, auch in dieſem Jahre
den Erforderniſſen der Ausſtellung gemäß erweiterten Gelände,
das ſich an den berühmten Großen Garten anſchließt, wurden
neben den beſtehenden Gebäuden eine weitere Anzahl aufgeführt,
die, in ſchlichtem ſachlichen Stil gehalten, vor allem durch ihre
ſchöne Abgewogenheit und Reinheit des Verhältniſſes von Fläche
zu Linie wirken. Ein reichhaltiger Vergnügungspark, ſchöne
Gartenanlagen ergänzen den Eindruck. Die Jahresſchau hat ſich
keine Mühe und keine Koſten verdrießen laſſen, um den Beſucher
zu belehren und zu erheitern, ihm den Ernſt der Arbeit, die her=
vorragende
Wichtigkeit der Papierinduſtrie neben der bunten
Mannigfaltigkeit der Verwendung der phantaſievollen und an=
regenden
Möglichkeit ſeines Gebrauchs vorzuführen. Der Geſamt=
eindruck
des Ausgeſtellten vermittelt die Einſicht, daß alles Tech=
niſche
, Zweckbedingte auf einer beſonderen Höhe ſteht, der Gegen=
ſtand
aber, der durch Kultur geformten Geſchmack benötigt, ent=
täuſcht
. So iſt, was an Spielzeug, Chriſtbaumſchmuck und Krip=
pen
, an Lampeuſchirmen und Tapeten gezeigt wird, wohl in der
Herſtellungsweiſe intereſſant, aber keineswegs ſchön. Dasſelbe
wäre auch von dem Zweig der Papierinduſtrie, dem eine beſon=
dere
Abteilung gewidmet iſt, der Verpackung, ſei es von Süßig=
keiten
und Kakao, ſei es von anderen Waren, zu ſagen. So im=
poſant
die Maſchine etwa, die Tellſche Kakaoſchachteln herſtellt und
füllt, oder die andere, die Zigaretten macht und ſie fertig verpackt
und banderoliert zutage fördert, erſcheinen, ſo enttäuſchend iſt der
bei der Ausſtattung ideſer Dinge herrſchende Geſchmack. Der Ver=
gleich
mit einem von Chineſen eingerichteten Raum, in dem
chineſiſche und japaniſche Gebrauchsgegenſtände, Nippes und
Spielzeug vorgeführt werden, erläutert das Geſagte: hier iſt alles
Gezeigte von einem durchgebildeten Geſchmack, einer geläuterten,
ſicheren Feinheit der Form und Farbe, die dem Europäer fehlt.
Nicht nur packend und großartig, ſondern auch ſchön ſind die
großen hellfarbigen Räume, in denen eine Papiermühle, eine
Zeitungs=, eine Buchdruckerei aufgeſtellt ſind. Die zahlreichen
verſchiedenen Druckverfahren werden hier, auch dem Laien ver=
ſtändlich
, vorgeführt. Buchbinderei, wie ſie die die Maſchine be=
nützende
Induſtrie und wie ſie das Handwerk ausführt, ſind ver=
treten
. Eigene Räume beherbergen die ſogenannte Gebrauchs=

graphik, Plakat= und Redroduktionsdruck; die Reichsdruckere
zeigt, auf welch hohem Stand der deutſche Reproduktionsdruck,
die techniſche Verfeinerung dieſer Verfahren ſtehen. Eine hiſto=
riſche
Abteilung geht von der papierloſen Zeit, den erſten Schrift=
zeichen
in Stein und Holz, den von primitiven Völkern benutz=
ten
Stoffen und der Entwicklung der Papier= und Druckarten
unſeres Mittelalters aus bis auf die heutige Zeit. Eine Papier=
mühle
aus dem 18. Jahrhundert iſt aufgeſtellt worden und hier
wird vor unſeren Augen handgeſchöpftes Büttenpapier gemacht
Ganz köſtlich iſt die Sammlung alter koſtbarer Drucke und illu=
ſtrierter
Bücher, die die ſächſiſche Landesbibliothek ausſtellt, die
ſchönen Einbände des berühmteſten Buchbinders aller Zeiten
Jacob Krauſes, die alten Spielkarten, die wunderſchönen Bilder=
bücher
, Papiere und Tapeten aus dem Ende des 18. und dem
Anfang des 19. Jahrhunderts. Hieraus erwächſt dem Betrachter
Verſtändnis etwa für den hohen Stand unſerer neuzeitlichen
Schriftgießereien, das Wiederaufwecken des ſchönen Druckes auf
gutem Papier, des ungewöhnlich hohen Standes unſerer ganzen
Buchinduſtrie, die ſich, trotz der ungeheueren wirtſchaftlichen
Schwierigkeiten der Gegenwart erhalten hat. Die ganze Schau
erweckt das Vertrauen zu der gewaltigen Arbeitsleiſtung, dem
Fleiß, der Tüchtigkeit und der Tapferkeit unſerer Wirtſchaft, die
ſich, von billiger Maſſenproduktion abgehend, auf die Herſtellung
von Qualitätsarbeit einrichtet und auf dieſem Gebiet zuverſicht=
lich
den Kampf gegen die Konkurrenz einer Welt aufnimmt.
An die Jahresſchau ſchließt ſich eine Ausſtellung deutſcher
Kunſtgraphik an, als des Zweiges der bildenden Kunſt, die ſich
in der Hauptſache des Papieres bedient. Die Handzeichnung,
die heute eine mehr vorbereitende Rolle ſpielt, das Aquarell, das
nicht unbedingt an das Papier als Malgrund gebunden iſt, fallen
fort. Gezeigt wird Druckgraphik, und zwar der Holzſchnitt, der
immer wieder als ein charakteriſtiſcher Ausdruck deutſchen Kunſt=
empfindens
auftritt, die geätzte und die Kaltnadelradierung, der
heute ſelten angewendete Kupferſtich und die Steinzeichnung.
Der Deutſche Künſtlerbund hat hier nach jahrelanger, durch Krieg
und Inflationszeit bedingter Pauſe das Beſte zuſammengebracht,
was in Deutſchland auf dieſem Gebiet geleiſtet wird. Auf licht=
grauen
Wänden, in hellen ſchlichten Holzrahmen, wurden die
558 Blätter von 127 Künſtlern ſo verteilt, daß, entgegen der ſonſt
gewohnten Aufreihung, das Werk eines jeden Künſtlers in ſich
geſchloſſen eine Gruppe bildet, das Wandbild aufgelockert, das
Auge nicht ermüdet wird. Wirkt die unregelmäßige Hängung bei
den älteren Künſtlern zuweilen befremdend und unruhig, ſo
überzeugt ſie in den modernen Sälen unbedingt, beſonders in

dem Bauhauszimmer; hier ſcheint z. B. die Feiningerſche For=
menſprache
über den Rahmen hinaus die Wand zu gliedern.
Zwiſchen den Blättern iſt eine geringe Anzahl von Kleinplaſtiken
aufgeſtellt. Auch ſie ſind ſo angeordnet, daß die neuzeitliche
Raumgliederung betont wird. Die Verteilung der Blätter wurde
nicht vom hiſtoriſchen Geſichtspunkt aus unternommen, ſondern
es wurde Wert darauf gelegt, Verwandtes, auf denſelben Ton
Geſtimmtes zuſammenzuhängen. So wurde ein Rohlfs, ein
Campendonk, ein Pol Caſſel dem Raum eingefügt, der von dem
Deſſauer Bauhaus beherrſcht iſt. Dieſe Art der Anordnung hat
ſich bewährt. Der Betrachter ſieht in wenigen vorzüglichen Wer=
ken
die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand unſerer
Kunſt vor ſich; ermüdende Anhäufung iſt vermieden, einander
widerſprechende Richtungen ſind getrennt, die ſchwerfällige Be=
laſtung
einer hiſtoriſch bedingten Anſchauung iſt vermieden. Die
ganze Ausſtellung iſt von dem Beſtreben geleitet, lebendige
Schönheit zu zeigen, Genuß zu vermitteln ohne Belehrung auf=
zudrängen
.
An die wenigen eindringlichen Blätter von Käthe Kollwitz
ſchließt Lovis Corinth an: hier ſind die köſtlichſten Radierungen
vorhanden, die er in ſeiner Spätzeit ſchuf. Liebermann zeigt
geiſtreiche, ausgezeichnete Porträts, unter denen ein Bildnis
Gerſtenbergs hervorragt, und reizvolle Kinderſkizzen. Barlachs
ganz in Linien aufgelcſte, ſtrenge ernſte Geſtalten ſchreiten durch
eine ſchwere und bedrängte Welt. Auf das Glücklichſte geben
Orlik, der anmutige, feinſinnige Schilderer einer zigeunerhaften,
einer aſiatiſchen Welt, der ſcharfſichtige Porträtiſt einer Tilla
Durieux und der bezaubernde Illuſtrator Slevogt dem näch=
ſten
Raum ihr Gepräge. Kalckreuth zeigt einige Bildniſſe und
ſtimmungsvolle Landſchaften, unter denen zwei in der ſchönen
klaren Kupferſtichtechnik hervorragen. Im Nachbarzimmer zieht
der Zeichner einer phantaſtiſchen und grauenhaften Welt, Kubin,
in ſeinen Bann, und wird klar und leuchtend von den reinen
ſchönen Holzſchnitten Wilhelm Laages kontraſtiert. Ein größerer
Saal ſchließt die ältere Generation zuſammen.
Caſpars reizende zarte Kindſchilderungen ſind in einem Pult
ausgeſtellt, Hettner zeigt ſtarkbewegte und freudige Steinzeich=
nungen
, eine begabte Frau, Hedwig Trumm=Witzel, iſt mit drei
ftillen Landſchaften vertreten. Ganz eigenartige Illuſtrationen
Steinhardts zum Buche Jona verdienen Erwähnung. Derſelbe
Raum bringt Arbeiten zweier weiterer Künſtlerinnen, Nelly von
Seidlitz mit lichten anmutigen Tier= und Menſchendarſtellungen,
Grete Schmedes mit einem ornamental empfundenen Holzſchnitt,
einem Buchenwald. Ludwig von Hofmanns Blätter aus dem

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Nummer 180

Zum Ablauf des Handelsprovi=
ſoriums
mit Frankreich.
Das Schickſal des Saar=Abkommens.
* Berlin, 30. Juni. (Priv.=Tel.)
Die Reichsregierung hat wegen der Abbrechung der Handels=
bertragsverhandlungen
mit Frankreich keine ſchlechte Preſſe. Die
meiſten Parteien ſehen ein, daß nicht anders zu verfahren war,
wenn auch die Sozialdemokratie natürlich die Schuld daran der
Rechtsregierung zuſchiebt. Dagegen beſteht allgemeine Ueber=
einſtimmung
darüber, daß das amtliche Communiqué wieder
denkbar ungeſchickt abgefaßt iſt, weil der Unbeteiligte dabei her=
ausleſen
muß, daß Deutſchland die Schuld an dem Scheitern der
Verhandlungen trägt, während doch tatſächlich die Zuſammen=
hänge
umgekehrt ſind. Die Regierung entſchuldigt ſich damit,
daß das Communiqué ein Kompromiß darſtellt. Dieſe Ent=
ſchuldigung
wird aber nicht anerkannt, weil er nicht der Grund
ſein dürfte, Deutſchland mit einer Verantwortung zu belaſten,
die es in Wahrheit nicht trägt. Beſonders ſchwierig geſtalten
ſich die Beziehungen zur Saar. Auch die Saarverträge laufen
am 1. Juli ab. Da auf beiden Seiten der Wunſch beſteht, jede
Kampfhandlung zu vermeiden, haben ſich die Franzoſen mit
einer Verlängerung der Saarverträge einverſtanden erklärt. Das
Reichskabinett hat eine entſprechend Vorlage bereits ausgear=
beitet
, die am Freitag ſchon den Reichsrat beſchäftigen wird, ſo
daß ſie am Samstag im Reichstag verabſchiedet werden könnte
und die vertragloſe Zeit zwiſchen Deutſchland und der Saar dann
auf wenige Tage zuſammenſchrumpft.

Erklärungen des franzöſiſchen Handelsmin ſters.
EP. Paris, 30. Juni.
Handelsminiſter Bokanowſki empfing heute eine aus Mit=
gliedern
der Weinbaugruppe, der Landwirtſchaftskommiſſion und
der Zolllommiſſion der Kammer beſtehende Abordnung, die Auf=
klärungen
über den Stand der deutſch=franzöſiſchen Handelsver=
tragsverhandlungen
zu erhalten wünſchte. Bokanowſki erklärte,
er ſei bereit, ein einjähriges Proviſorium unter Zugrundelegung
einer Liſte beſtimmter deutſcher Erzeugniſſe (früher Liſte B) ab=
zuſchließen
, für die Frankreich Minimaltarif zugeſtehen werde.
Da die Minimalſätze des gegenwärtigen Falles jedoch für einige
Artikel ſo niedrig ſeien, daß die deutſche Einfuhr gewiſſe fran=
zöſiſche
Induſtrien ſchädigen könne, müſſe die Kammer für die in
Frage kommenden Tarifpoſten neue, mit der deutſchen Delegation
zu vereinbarende Minimalſätze annehmen. Er hoffe zuverſicht=
lich
, noch vor dem 15. Juli mit den deutſchen Unterhändlern zum
Abſchluß zu kommen. Wie wir erfahren, zeigte ſich die Abord=
nung
von den Auskünften Bokanowſkis wenig befriedigt. Sie
verlangte von dem Handelsminiſter, er ſolle bei den kommenden
Verhandlungen eine Vorzugsbehandlung für Frühobſt und Ge=
müſe
durchſetzen und vor allem dafür eintreten, daß die Kontin=
gentierung
der Weineinfuhr nach Deutſchland wegfalle und die
franzöſiſchen Weine in Zulunft wie die ſpaniſchen und italieni=
ſchen
Weine behandelt würden. Ferner hat die Zollkommiſſion
der Kammer heute eine Entſchließung angenommen, in der die
Wiederherſtellung der Ausfuhrfreiheit für landwirtſchaftliche Er=
zeugniſſe
, d. h. die Beſeitigung der dafür beſtehenden franzöſi=
ſchen
Ausfuhrzölle gefordert wird.
Während die Pariſer Preſſe die Entwicklung der Handels=
vertragsverhandlungen
zwiſchen Deutſchland und Frankreich im
allgemeinen als einen Mißerfolg bezeichnet, für den das Parla=
ment
verantwortlich ſei, veröffentlicht das amtliche Havasbureau
zu dem geſtrigen Kommumiqué der beiden Delegationen folgende
Erläuterungen: Aus dem Bericht geht hervor, daß eine Verlänge=
rung
des zurzeit beſtehenden Proviſoriums nicht mehr in Frage
kommt. Vom 1. bis 15. Juli, dem Zeitpunkt, an dem die beiden
Abordnungen ein neues Abkommen fertiggeſtellt haben müſſen,
wird der Güteraustauſch auf der Grundlage, des allgemeinen
Tarifes beider Länder erfolgen. Andererſeits ſollen die beiden
Abordnungen, falls ſich eine Verſtändigung erzielen läßt, beab=
ſichtigen
, das neue Abkommen auf eine größere Anzahl von Ar=
tikeln
zu erſtrecken und auf etwa 1 Jahr abzuſchließen.
Auch Painlevé ſollie das Opfer einer
Myſtifikation werden.
Nach dem Echo de Paris ſollte am Samstag auch Kriegs=
miniſter
Painlevé das Opfer einer durch das Telephon verſuchten
Myſtifikation werden, und zwar dadurch, daß man dem dienſt= Außenminiſters eine Reiſe offiziellen Charalters nach dem Aus=
tuenden
Offizier den Befehl diktierte, einen Teil der Soldaten
der Jahresklaſſe 1925 ſofort zu entlaſſen. Der betreffende Offizier reits über den Reiſeplan des Königs verſtändigt worden. Dieſer
verfaßte ein Rundtelegramm, und als er dieſes im Kabinett Reiſe wird in bulgariſchen politiſchen Kreiſen eine große Bedeu=
Painlevé vorlegte, um die Genehwigung zur Abſendung zu er=
halten
, wurde die Sache ruchbar. Bis jetzt ſucht man erfolglos lobung des Königs mit einer noch nicht bekannten Prinzeſſin
nach den Urhebern des ſchlechten Scherzes.
Werk Eros atmen Abgewogenheit und Harmonie in Ruhe und
Bewegung. Zille, über deſſen illuſtrativer Befähigung ſo oft der 4 Buſonls Ooktor Fauft in Frankfurt a. M.
Künſtler vergeſſen wird, erweiſt ſich hier mit ſechs Blättern aus
Berliner Großſtadtelend als Geſtalter von hohem Rang. Pla=
ſtiſche
Werke von Albicker, Klimſch, Cauer und Wenck vervollſtän= nalen Geſellſchaft für neue Muſik gab das Frankfurter Opern=
digen
den Eindruck des hier vertretenen Kunſtwillens. Ein
Raum, der die impoſante Hindenburgbüſte Scharffs enthält, lei=
tet
zu den jüngeren Künſtlern über. George Groß, der ſatiriſche Philipp Jarnach, ſchrieb nach Skizzen des Meiſters den Schluß,
Geißler ſozialer Minderwertigkeit, Kokoſchka, der geniale Erfaſſer und zwar mit ſolcher Anpaſſungsfähigkeit, daß eine Stilver=
des
Weſentlichen, geiſtig Bewegten im dargeſtellten Antlitz, Beck=
mann
, der Scharfe und Harte, Hofer mit ſeinen innigen ernſten nicht ſtark für das Werk einſetzte, ſcheint uns der innere Wert
und ſcheuen Werken ſtehen glücklich mit den zwei hervorragenden hochbedeutend, denn ſowohl das Dämoniſche als auch Trans=
Vertretern der neuen Sachlichkeit zuſammen, mit Dix und zendentale und Myſtiſche iſt wohl in keiner muſikaliſchen Fauſt=
Kanoldt. Als ein feinfühliger Porträtiſt, deſſen Geſchmack das jaſſung ſo zum Ausdruck gekommen, wie in dem Werk Buſonis.
Morbide berührt, erweiſt ſich Ehrlich im nächſten Raum, den er Nach einem Einleitungsſatz, der aus Urmotiven, Glockenklängen
mit dem begabten Kretzſchmar und einem jüngeren Steinzeichner, und aus weiter Ferne herüberklingenden Sagengedanken beſteht,
Erbslöh, teilt. Kretzſchmar zeigt nur ältere Arbeiten, das jüngſte tritt ein Schauſpieler auf, und ſein Prolog, klingt wie eine
Blatt, ein Selbſtbildnis, ſtammt aus dem Jahre 1925. Man hat Beichte Buſonis. Er erklärt, wie er zur Fauſtſage kommt, wie
den Eindruck, er ſei in der Entwicklung begriffen, Weg und Ziel
ſeien noch nicht gefeſtigt. Im Bauhausraum ſind Kandinſky und aufgab und ſich dem alten Volksbuch zuwandte. Ob es dem
Moholy=Nagy die einzigen Vertreter einer rein konſtruktiviſti= muſikaliſchen Kunſtwerk frommt, eine derartige Erläuterung, die
ſchen Kunſt, Feiningers wundervolle muſikaliſche Landſchaften
leiten zur naturnahen Kunſt zurück. Sehr reizvoll iſt der ſetzt iſt, in ſeiner Mitte aufzunehmen, ſtellen wir in Frage
Gegenſatz der wuchtigen Rohlfsſchen Holzſchnitte zu Klees bis einſtweilen aber erleichtert dieſer Prolog, der ſeinem Inhalt
ins Krankhafte verfeinerten, zierlichen und zerflatterten Radie= entſprechend ſehr trocken, faſt pedantiſch vorgetragen wurde, das
rungen. Im Eckſaal ſei noch der junge Otto Pankok erwähnt, Verſtändnis für die Anlage des Werkes ſehr.
unter deſſen Radierungen von erſtaunlichem Größenmaß der
Widder beſondere Beachtung verdient. Hier ſtehen auch vier
ſchöne Holzplaſtiken Henſelmanns. Ein großer, Raum von ſpiele; wenn aber Buſoni zuerſt ſeine Abſicht kund tut, ſeinen
ſchönen Proportionen nimmt eine Reihe mächtiger, weitwirken= Doktor Fauſt als reines Spiel zu betrachten, ſo hält er daran
der Holzſchnitte auf. Weniger bekannte Künſtler wie Gotſch, nicht feſt, ſondern läßt trotzdem den Charakter des Muſikdramas
Winkler und Möller werden hier in glücklichſter Weiſe eingeführt, vorwalten. Schon in der erſten Szene, in der Fauſt von den
die Böckſtiegel gewährte Anteilnahme fühlt ſich vor ſeinen Blät= drei geheimnisvollen Studenten aus Krakau das Zauberbuch
tern voll eigenſinniger Klarheit berechtigt. Schmidt=Rottluffs erhält, läßt keine völlige ſtiliſtiſche Freiheit dem Muſikdrama
gewaltige Holzſchnitte übertönen den nervöſen Kirchner und füh= Wagners gegenüber erkennen. Auch die nächtliche Beſchwörungs=
ren
zu den klaren und beglückenden Schöpfungen Heckels hinüber.
Felixmüller und Rudolph leiſten Gutes, aber bleiben ſeit Jah=
ren
auf erreichter Höhe ſtehen.
Dieſer flüchtige Ueberblick über das Gezeigte, vermittelt in
einteutiger Weiſe das Entſcheidende graphiſchen Schaffens im niſchen. Er entſcheidet ſich für den, der ihm jeden Wunſch er=
beutigen
Deutſchland und wird dem Betrachter in der Weiſe vor= füllt, und Mebhiſtopheles wird in vielerlei Geſtalt ſein ſtändiger
geführt, daß er, ſei es als Laie, ſei es als Kenner, ſeiner ſonder=
lichen
Neigung folgen und reiche Schönheit genießen kann.

Freitag, den 1. Juli 1927

Seite 3

Frankreichs innenpolitiſche Lage.
Angefährliche Vertrauensvoten. Das Verlangen nach
Amneftie. Die Rolle der extremen Parteien.
Von unſerem A=Korreſpondenten.
Paris, 30. Juni.
Die Regierung hat Erfolge vor der Kammer zu verzeichnen,
die Votierung des Militärgeſetzes und die Vertagung der Inter=
pellationen
über Daudets Befreiung haben ihre Lage beträchtlich
verbeſſert. In verhältnismäßig kurzer Zeit hat die Regierung
der nationalen Einigung zwei anſehnliche Vertrauensvoten be=
kommen
: das eine über den Fiſcherſtreik, das andere über die
Vertagung der Interpellationen über Daudet. Wie man ſieht,
iſt man beſtrebt, die Vertrauensfrage bei nicht allzu gefährlichen
Fragen zu ſtellen.
Die Interpellationen über Daudet, beide von ſozialiſtiſcher
Seite, hätten einen durchaus politiſchen Charakter gehabt, wenn
ſie zur Sprache gekommen wären. Die Sozialiſten bezweckten,
auf die Gefahren, die von der äußerſten Rechten drohen, hinzu=
wveiſen
und auf dieſe Weiſe die Campagne gegen die Kommu=
niſten
abzuſchwächen. Sehr weite Kreiſe wünſchen in der Kam=
mer
eine allgemeine Amneſtie für politiſche Verbrecher, in der
Praxis ſtößt aber dieſe Amneſtie auf ziemlich große Schwierig=
keiten
. Nach den heftigen Reden gegen die Kommuniſten und
nach der Befreiung Daudets, welche die Staatsgewalt gelinde
geſagt lächerlich machte, würde eine politiſche Amneſtie etwas
ſonderbar anmuten. Dennoch gibt es aber auch ſehr ernſte
Argumente für die Amneſtie. Nach der Anſicht unverbeſſerlicher
Optimiſten würde ſie ſogar ſehr viel zu einer Entſpannung in
der Kammer beitragen. Und die Linke, die infolge der anti=
kommuniſtiſchen
Kampagne der Regierung ziemlich erregt iſt,
würde für eine allgemeine Amneſtie manches in Kauf nehmen.
Die öffentliche Meinung iſt aber verſtimmt wegen der
Huſarenſtückchen der extremen Parteien. Sie beklagt, daß die
ſtaatliche Adminiſtration vollkommen mit den Anhängern der
extremen Parteien (Kommuniſten oder Royaliſten) durchdrungen
iſt. Das iſt vielleicht etwas übertrieben, aber es läßt ſich nicht
ableugnen, daß viel daran wahr iſt. Die Urſachen der extremen
Einſtellung in der Beamtenſchaft ſind aber eher in der ſchlechten
Beſoldung als in der Agitation der Kommuniſten oder der
Fasciſten zu ſuchen.
Gewiſſe Kreiſe möchten gegen den antikommuniſtiſchen Kampf
einen antiroyaliſtiſchen und antifasciſtiſchen Kampf ausſpielen.
In Wirklichkeit iſt aber die extreme Rechte in Frankreich ſchwach
und außerdem noch ſtark zerſplittert. Die Bedeutung der Kom=
muniſten
iſt noch immer viel größer, nicht zu vergeſſen, daß die
kommuniſtiſche Agitation auch in den Kolonien einen fruchtbaren
Nährboden finden kann.
Auslandsreiſe des bulgariſchen Königs.

König Boris von Bulgarien
beabſichtigt, in Begleitung des Miniſterpräſidenten und des
lande zu unternehmen. Berlin, London, Rom und Paris ſind be=
tung
beigelegt. Gerüchtweiſe ſoll gelegentlich der Reiſe die Ver=
erfolgen
.
F. N. Als Eröffnung des fünften Feſtes der Internatio=
haus
das Werk, das Buſoni als ſein Lebenswerk betrachtete und
das zu vollenden ihm nicht vergönnt war. Einer ſeiner Schüler,
ſchiedenheit kaum zu erkennen iſt. Trotzdem ſich das Publikum
er den urſprünglichen Gedanken, Goethes Dichtung zu vertonen,
mit äſthetiſchen und kunſtphiloſophiſchen Betrachtungen durch=
Nun reihen ſich Szenen in teils feſterer, teils loſerer Folge
aneinander, eine große Rolle ſpielen die muſikaliſchen Zwiſchen=
ſzene
ſechs hölliſche Geiſter, als grünliche unheimliche Flam=
men
erſcheinend und ſtark an die Erſcheinung der alten Meiſter
in Pfitzuers Palgeſtrina gemahnend, bieten Fauſt ihre Dienſte
an wirkt nicht als Spiel, ſondern als Verkörperung des Dämo=
Begleiter. Bald in Uebereinſtimmung mit dem Inhalt Goethe=
ſcher
Szenen, bald völlig abweichend reihen ſich nun loſe Bilder
an, Gretchen iſt ausgeſchaltet, wir ahnen ihr Geſchick nur in der
Alexandra Gräfin Schwerin. Romaniſchen Kapelle, wo der Bruder des verführten Mädchens,

Verſchärfung des G. P.A.=
Verrors in Sowjetrußland.
Erweiterung der Vollmachten Menſchinſkis.
* Riga, 30. Juni. (Priv.=Tel.)
Wie gemeldet, verſuchte Rykow geſtern in einem Antwort=
telegramm
an die engliſchen Gewerkſchaften auf deren Proteſt
gegen die Maſſenhinrichtungen in Sowjetrußland den Stand=
punkt
Moskaus und damit die Maßnahmen der G. P. 1. zu
rechtfertigen. Rykow brachte in dieſer Antwort zum Ausdruck,
daß an eine Abſchaffung des Terrors gegenwärtig nicht zu den=
ken
ſei. In einer Rede, die Rykow heute in Moskau hielt, be=
tonte
er erneut, daß die Terror=Maßnahmen auch weiter auf=
recht
erhalten und durchgeführt werden müßten. Eine Ab=
ſchwächung
des Terrors würde die Ruhe im Lande gefährden.
Rykow ſagte, jeder weißgardiſtiſche Schuß im Ausland oder im
Inland werde durch entſprechende terroriſtiſche Maßnahmen
ſeitens der G. P. U. beantwortet werden. Auch der Leiter der
G. P. U., Menſchinſki, hielt eine Rede, in der er betonte, daß er
das Vermächtnis Lenins treu erfüllen werde. Es ſcheint
demnach, daß der Proteſt der engliſchen Gewerkſchaften in Mos=
kau
tatſächlich keinerlei Eindruck gemacht hat und daß die Nach=
folgerin
Dſerſchinſkis, die G. P. U., verſchärfte Maßnahmen an=
wenden
will, um die Konterrepolution zu unterdrücken. Es
verlautet in dieſem Zuſammenhang, daß die Vollmachten des
Leiters der G. P. 1., Menſchinfki, in den nächſten Tagen erwei=
tert
werden ſollen. Wegen angeblicher konterrevolutionärer Agi=
tation
iſt der Biſchof Georg in Moskau verhaftet worden.
Die ruſſiſch=polniſche Spannung.
Moskau, 30. Juni.
Jsweſtija weiſt darauf hin, daß keine Antwort der pol=
niſchen
Regierung auf die zweite Sowjetnote eingetroffen iſt
und daß die polniſche Regierung keine Maßnahmen gegen die
offenkundige Tätigkeit weißgardiſtiſcher Verſchwörer unternom=
men
hat. Bis zum Eintreffen einer befriedigenden Antwort ſei
eine Beſſerung der ſowjetruſſiſch=polniſchen Beziehungen unmög=
lich
. Der Mißerfolg der polniſchen Anleiheverhandlungen mit
amerikaniſchen Bankiers beweiſe, daß die amerikaniſchen Kreiſe
offenbar nicht an die angebliche Friedenspolitik der polniſchen
Regierung glauben. Entgegen einer Meldung der polniſchen
Preſſe habe die Sowjetregierung keine neuen Vorſchläge zur
Frage eines Garantiepaktes gemacht und beabſichtige dies nicht,
bevor ſie volle Genugtuung für die Ermordung Wojkows er=
halten
habe.
Die japaniſche Außenpolitik.
EP. Yokohama, 30. Juni.
Die von Genf ausgegangenen Gerüchte über die geplante Er=
neuerung
des engliſch=japaniſchen Bündniſſes bzw. den Abſchluß
eines Sicherheitspaktes zwiſchen Japan und Amerika werden von
der japaniſchen Preſſe ſehr kühl aufgenommen. Die Blätter ver=
weiſen
hierbei beſonders auf die geringe Ausſicht, die ein Ver=
trag
der letzteren Art bezüglich der Ratifikation durch den ameri=
kaniſchen
Senat haben würde. Was den Vorſchlag zum Abſchluß
eines Bündniſſes zwiſchen England und Japan betrifft, ſo wird
dieſer beargwöhnt als eine Fortſetzung des engliſchen Be=
ſtrebens
, Japan zu einer gemeinſamen Politik in China zu ver=
anlaſſen
ſowie in die antiruſſiſche Einkreiſungsfront einzube=
ziehen
. Die Preſſe mahnt die Regierung in dieſem Zuſammen=
hang
zu größter Vorſicht, und bezeichnet den angeblichen eng=
liſchen
Plan als anachroniſtiſch. Gleichzeitig unterſtreicht ſie ſtark
die guten Beziehungen Japans zu Sowjetrußland; der Gedanke
eines engliſch=japaniſch=amerikaniſchen Vertrages wird dagegen
etwas freundlicher aufgenommen unter der Vorausſetzung, daß
dieſer zuſammen mit einer Flottenbeſchränkung abgeſchloſſen
würde. Er wird jedoch ebenfalls als kaum ausſichtsvoll, jedenfalls
als nicht von Tokio aus angeregt, bezeichnet.
Die China=Politik Japans.
EP. Yokohama, 30. Juni.
Ueber die Verhandlungen der in Tokio abgehaltenen Kon=
ferenz
über die japaniſche China=Politik wurden bisher keinerlei
bemerkenswerte Einzelheiten bekanntgegeben. Der Miniſter=
präſident
Tanaka betonte ausſchließlich den informatoriſchen Cha-
rakter
der Konferenz und ſagte, daß die China=Politik der Re=
gierung
ſchon vorher feſtgelegt geweſen ſei, ohne jedoch eine Er=
klärung
darüber abzugeben, in welcher Richtung. Die Blätter
fordern ganz allgemein die Zurückziehung der japaniſchen Trup=
pen
aus Tſingtau und betonen gleichzeitig das völlige Verſagen
der China=Politik des Sei Yukai=Kabinetts, deren einzige bis=
herige
Wirkung die Boykottbewegung gegen Japan geweſen ſei.

der ihre Ehre rächen will, erliegt. Dafür tritt die Herzogin
von Parma an Gretchens Stelle, ſie erliegt dem Zauber, den
Fauſt auf ſie ausübt. Abgeſehen von dem Prolog, wäre die
Dichtung ein geradezu ideales Opernbuch, und in Wirklichkeit
begeiſtert Buſoni, der Dichter Buſoni den Muſiker zu zahl=
reichen
genialen Einfällen und Szenen. Dafür erſcheinen aber
auch Längen, beſonders in den Monologen des zweiten Teiles,
es kommen Partien vor, bei denen die muſikaliſche Erfindung
weniger glücklich iſt. Trotz des Reichtums an Gegenſätzen kann
man ſich des Eindrucks nicht erwehren, daß ſie in der muſi=
kaliſchen
Farbe nicht mit vollſter Konſequenz ausgenützt ſind. Iſt
nicht unſer heutiger Stil noch zu wenig konſolidiert, als daß
man in ihm das Unzulängliche des Irdiſchen und Menſchlichen
dergeſſen machen könnte? Was einem Mozart gelang Buſont
nennt ihn im Vorwort als den Meiſter, zu dem er in Scheu
aufſieht , Buſoni blieb es verſagt, reſtlos zu erfüllen, ganz
ſich und das eigene Streben und Wollen in dem Werk wider=
zuſpiegeln
, ſchlackenlos überzeugend zu wirken.
Aufführung und Inſzenierung waren ausgezeichnet. Clemens
Krauß am Dirigentenpult ließ das Werk klanglich wundervoll
erſtehen, hätte allerdings manche Längen etwas überbrücken
können. Das Orcheſter ſpielte meiſterhaft, auch die überaus
ſchweren Chöre gerieten hervorragend. Beſonders ſei auch das
ausgezeichnete Orgelſpiel von Willy Czernik genannt, denn
die Szene in der Romaniſchen Kapelle wird im weſentlichen
von der Orgel begleitet. Unter den darſtellenden Künſtlern
muß in erſter Linie der hervorragende Mephiſtopheles von Hans
Brandt genannt werden, darſtelleriſch wie geſanglich gleich
vollendet, das ganze Werk mit Dämonie erfüllend. Ihm gegen=
über
trat Abolf Permann als Fauſt zurück, weniger in Hin=
ſicht
auf das Muſikaliſche er ſang ſchön und ausdrucksvoll ,
als im Spiel, wo er über eine allgemeine Charakteriſierung nicht
hinauszukommen vermochte. Auch die kleineren Rollen waren
vorzüglich beſetzt, beſonders erwähnt ſei vor allem Frau
Gentner=Fiſcher als Herzogin von Parma. Buſoni hat
in ſeinem Fauſt wie im Arlecchino einen perſönlichen Stil er=
reicht
, der ihn zu den bedeutendſten Komponiſten der neueren
Zeit ſtempelt, trotzdem werden wohl auch ſeine bedeutendſten
Werke eine Brücke bleiben, die zur Zukunft führt und die uns
einmal wieder in elementarer Ueberzeugungskraft ein Genie
von überragender Bedeutung beſcheren möge, das Zeitliches und
Ueberzeitliches, Perſönliches und Allgemeingültiges ſo mitein=
ander
verbindet, daß man an ihm den Sinn unſerer Zeit im
reinen Kunſtwerk zu erkennen und erfühlen vermag.

[ ][  ][ ]

Seite 4

Freitag, den 1. Juli 1927

Nummer 180

DerParteikrieg der Sudetendeutſchen
Von unſerem E=Korreſpondenten.
Prag, 30. Juni.
Die Alldeutſche Volkspartei für Böhmen, Mähren und
Schleſien, die ihren Sitz in der alten Staufenſtadt Eger hat,
hat anläßlich der letzten Wahlen in das Prager Parlament wohl
den Verſuch eines ſelbſtändigen Vorgehens unterlaſſen, im
übrigen ſich aber für die Zukunft freie Hand vorbehalten und
ihre Anhängerſchaft darauf vorbereitet, daß die Zeit einer all= Mittel und Wege finden werden, über ein gemeinſames Vor=
deutſchen
Wahlkandidatur für das Prager Parlament nicht ferne
ſei. Aus einem Leitaufſatz des offiziellen Parteiorganes geht
nunmehr hervor, daß die Partei ſich ernſthaft mit der Abſicht
eines ſelbſtändigen Vorgehens bei der nächſten Wahl trägt. Die
Alldeutſchen, ſo heißt es in dem betreffenden Artikel, hätten ſo=
lange
von der Aufſtellung eigener Kandidaten abgeſehen, ſolange
zu hoffen war, daß die ſudetendeutſchen politiſchen Gruppen ſich
zu einer einzigen Partei zuſammenſchließen würden, um durch
dieſe einzige große Partei das erſte und heilige Recht des Volkes,
das Selbſtbeſtimmungsrecht, zu erringen‟. Dieſe Hoffnung habe
getrogen, denn die deutſche Einheitsfront ſei nicht zuſtande ge=
kommen
, ſo daß insbeſondere durch den Eintritt deutſcher Par=
In dem Aufſatz heißt es ſodann: Wir können mit ruhigem Ge=
wiſſen
in den Wahlkampf gehen. Wir müſſen zum deutſchen
Banner eilen, wenn andere deutſche Parteien es verlaſſen. Es
läßt es iſt die Pflicht des deutſchen Gewiſſens, das es nicht Flugverkehrs untereinander abſchloſſen.

dulden darf, daß man das Recht des deutſchen Volkes verkauft.
und verſchachert.
Sollte die Alldeutſche Volkspartei in der Tat bei den nächſten
Wahlen als Sondergruppe in den Wahlkampf eintreten, dann iſt
eine neuerliche empfindliche Schwächung der ſudetendeutſchen
Poſition zu befürchten, da die Zahl der alldeutſchen Anhänger
in keinem einzigen Wahlkreis groß genug iſt, um die Wahl auch
nur eines einzigen Kandidaten zu gewährleiſten. Die zer=
ſplitterten
Stimmen kämen dann zweifellos letzten Endes den
Tſchechen zugute. Es bleibt zu hoffen, daß die Führer der
Alldeutſchen Volkspartei für Böhmen, Mähren und Schleſien
gehen mit der ihr am nächſten ſtehenden deutſchen Nationalpartei
in der Tſchechoſlowakei einig zu werden.
Ein deutſch=engliſches Luftabkommen.
*Berlin, 30. Juni. (Priv.=Tel.)
In Berlin iſt am Mittwoch ein deutſch=engliſches Abkommen
über die Regelung des Luftverkehrs zwiſchen beiden Staaten
unterzeichnet worden. Es hat ausſchließlich techniſche Bedeutung.
Dieſer Vertrag entſpricht jenen Sonderabkommen, die wir in
teien in die tſchechiſche Regierung die Vorausſetzungen für die den letzten Jahren mit einer ganzen Reihe von Staaten, u. a.
Alldeutſchen gefallen ſeien, ſich nicht an der Wahl zu beteiligen. Frankreich, Dänemark, der Schweiz, Oeſterreich, Holland und
Schweden abgeſchloſſen haben, weil wir und die neutralen Staa=
ten
nicht dem internationalen Luftabkommen aus dem Jahre
iſt kein Mandatshunger, der uns ſelbſtändig zur Wahl ſchreiten 1919 angehören, das die alliierten Mächte zur Regelung ihres

Polpi über die italieniſche Finanzlage.
Finanzminiſter Volpi hat dem Popolo d.Itallia, wichtige
Erklärungen über die italieniſche Finanzpolitik, die jüngſten
Schwankungen der Wechſelkurſe und über die Haltung der italie=
niſchen
Börſen abgegeben. Er beſtätigte vor allem, daß im Kurs=
ſtand
der Lira die Quote 90, d. h. ein Wert von ungefähr 90 Lire
für das engliſche Pſund, beibehalten werde. Der Preisabbau ſei
vom Regierugschef auf dieſe Baſis eingeſtellt worden. Das Re=
gime
laſſe eine Aenderung des Zieles, durch Kräfte, die der
Nation fernſtehen, wicht zu. Natürlich werde die Quote 90 nicht
als ein mathematiſch feſtſtehender Punkt gedacht. Man könne jetzt
ſagen, daß der Oktober keine Ueberraſchumgen bringen, ſondern
die Quote 90 lange Zeit beibehalten werde. Jedermam könne
daher beruhigt ſein. Wir wiſſen wohl, daß mit der Zeit eine
Stabiliſierung nötig iſt. Wir wünſchen den Zeitpunkt dafür und
das Niveau ſelbſt zu wählen. Vorläufig werden keine Geneh=
wigungen
zu ausländiſchen Anleihen mehr erteilt werden, damit
die bisher aufgewendeten Mittel beſſer eingeſetzt werden können.
Die in politiſcher, wirtſchaftlicher und finanzieller Hinſicht geſunde
Lage des Landes reagiert von ſelbſt auf die knankhaften Kund=
gebungen
der Börſe während der letzten Wochen und auf den
Druck der internationalen Spekulation, die ſich, für ihr früheres
Mißgeſchick ſchadlos zu halten ſucht. Die Spekuladion geht einem
neuen Mißgeſchick endgegen. Hoffen wir, daß es das letzte ſei,
denn das Landbraucht Ruhe. Gewiß ſtellt die Lira für die Speku=
lation
eine Verſuchung dar. Muſſolini hat mit ſeiner Rede am
Himmelfahrtstag die Aktionslinie des Landes klar vorgezeichnet.
Man glaubte, die Stellung der Valuta ſprengen zu können, ohne
zu wiſſen, daß die fasziſtüiſche Regierung die Kontrolle in der
Hand hat.

Wir zeigen hocherfreut die
Geburt eines geſunden Mädels

Dip.=Hdl. Dr. Karl Zetzſche
und Frau Elli, geb. Noll.

Darmſtadt, 29. Juni 1927.
Rhönring 44.

(*17295

Krieger=Verein
Darmſtadt
Geſtern verſchied, unſer lieber
Kamerad und Mitglied
Joh. Hönig.
Die Beerdigung findet Freitag,
den 1. Juli ds. Js., nachmittags
3 Uhr, auf dem Waldfriedhof ſtatt.
Wir bitten um zahlreiche Be=
teiligung
.
10499)
Der Vorſtand.

Dankſagung.
Für die vielen Beweiſe herzlicher
Teilnahme bei demHinſcheiden unſe=
res
lieben Entſchlafenen
Friedrich Philipp Benz
und für die troſtreichen Worte des
Herrn Pfarrer Vogel ſagen wir herz=
lichen
Dank.
(17163
Im Namen
der trauernden Hinterbliebenen:
Frau B Wenz Wwe.

Statt beſonderer Anzeige.
Heute früh 6 Uhr verſchied ſanft nach 18tägigem, ſehr
ſchwerem, mit großer Geduld ertragenem Teiden im 43. Lebens=
jahr
, meine innigſigeliebte Frau, meine treubeſorgte Mutter,
meine herzensgute Schweſter, unſere liebe Schwiegertochter,
Schwägerin und Tante
Frau
ieog Schaffnn
geb. Rehberger.
In tiefer Trauer:
Profeſſor Georg Schaffnit, Studienrat und Tochter
Marie
Poſtinſpektor Hermann Jacobh und Frau Marie,
geb. Rehberger
Zahnarzt Dr. Otto Schaffnit und Familie.
Darmſtadt, Wilsdruf bei Dresden, den 30. Juni 1927.
Die Beerdigung findet am Samstag, den 2. Juli 1927, nachmittags
4 Uhr, vom Portale des Friedhofs an der Nieder=Ramſtädterſtraße
aus ſiatt.
Von Beileidsbeſuchen bitten wir abzuſehen.
(10482

gespielte
Pranss

10526a

Dankſagung.
Für die vielſeitige Teil=
nahme
bei dem Heimgange
unſerer lieben Entſchlafenen
ſagen wir Allen unſeren
innigſien Dank. (10524
Familie Wilh. Bernius II.
Roßdorf, den 29. Juni 1927.

Es iſt uns in unſerem unſagbaren Weh nicht
möglich, allen den vtelen, vielen lieben Menſchen, die
uns nach der grauenhaften Freveltat in den ſchwerſten
Tagen unſeres Lebens mit ſo unendlich viel Liebe
und Mitgefühl überſchüttet haben, einzeln zu danken,
und wir bitten innigſt, auf dieſem Wege unſeren
heißen, tiefſten Dank für die allgemeine Teilnahme
an dem herben Verluſte unſerer unvergeßlichen

Anneliſe

entgegennehmen zu wollen.

Karl Rittershaus und Frau
Wilhelmine Groh Wwe.

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Darmſtadt, Viktoriaſtr. 30.

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Verwandten, Freunden und Bekannten machen wir
hiermit die tietſchmerzliche Mitteilung, daß meine liebe,
gute Frau, die treuſorgende Mutter ihrer Kinder, unſere
herzensgute Tochter, Schwiegertochter, Enkelin, Schweſter=
kind
, Schwägerin und Tante
Frau Margarete Gerhard
geb. Zöller
nach kurzem Leiden heute früh 5 Uhr im Alter von
28 Jahren im Städtiſchen Krankenhaus zu Darmſtadt
ſanſt dem Herrn entſchlafen iſt.
Wir bitten um ſiille Teilnahme.
Griesheim, am 29. Juni 1927. (10483
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Gaſtwirt peter Gerhard VIII. und Kinder
philipp Zöller VII. Wwe.
Die Beerdigung findet am Samstag nachmittag 3 Uhr
vom Trauerhauſe Schaafgaſſe 2 aus ſtatt.

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Füße den Dienſt verſagen. Der moderne Menſch muß beweglich
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[ ][  ][ ]

Nummer 180

Mas der Lanveshauptſtadt.

Freitag, den 1. Juli 1927

Seite 5

Darmſtadt, 1. Juli.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Heinrich Schenck *
Am Samstag, den 25. Juni, entſchlief um 7 Uhr unter dem fried=
lichen
Geläute der Abendglocken der ordentliche Profeſſor der Botanik
der Techniſchen Hochſchule und Direktor des Botaniſchen Gartens zu
Darmſtadt. Johann Heinrich Rudolf Schenck war am 31. Januar 1860
zu Siegen in Weſtfalen geboren, beſuchte die dortige Realſchule 1. Ord=
nung
, promovierte 1884 in Botanik an der Univerſität Bonn unter
ſeinem geiſtvollen und hochverdienten Lehrer und ſpäteren Chef, dem
Geheimen Rat Prof. Dr. Eduard Strasburger, habilitierte ſich 1889 an
der gleichen Univerſität und wurde neben ſeiner Aſſiſtententätigkeit am
Botaniſchen Inſtitut mit der Leitung der mikroſkopiſchen Uebungen in
Pflanzenanatomie und Pflanzenkrankheiten an der Landwirtſchaftlichen
Akademie zu Bonn=Poppelsdorf betraut.
Im Jahre 1896 wurde Dr. Schenck der ehrenvolle Ruf als Profeſſor
der Botanik an der damals Großherzoglich=Techniſchen Hochſchule zu
Darmſtadt zuteil. Zugleich übernahm er als Direktor die Leitung des
Botaniſchen Gartens und trat ſo die Nachfolgeſchaft von Prof. Dr. Leo=
vold
Dippel an. Seitdem wirkte er, nur kürzere Zeit durch ſeine
Studienreiſen unterbrochen am Botaniſchen Inſtitut und baute mit
gleichmäßiger Schaffenskraft im Stillen ſeine wohlgeordneten Samm=
lungen
auf, die ſo manche Koſtbarkeit enthalten. Zugleich richtete er mit
ſcharfem Blick den Teil ſeines Inſtituts ein, der der Belehrung der
Studenten dient, das nun üben ein ſelten reichhaltiges, und doch zweck=
entſprechend
ausgewähltes Vorführungsmaterial verfügt. Es ſei nur
die Rieſenzahl der mit eigener Hand gemalten Wandtafeln erwähnt.
Ein beſonderes Kabinettſtück ſeines Schaffens iſt die nach jeder Richtung
hin glücklich durchgeführte Ordnung des Herbariums, deſſen Tauſende
von Pflanzen alle durch ſeine Hände gingen. Kritiſch wählend und dabei
doch pietätvoll erhaltend brachte er eine einheitliche Sammlung von
muſtergültigem Aufbau und ſeltenem Wert zuſammen. Der Kern des
Herbariums beſteht in einer wohl vollſtändigen Sammlung aller Pflan=
zen
Heſſens.
Auch in dem größeren Rahmen der Hochſchule wirkte der Ent=
ſchlafene
mit der ihm eigenen Pflichttreue. Von 19091911 begleitete
er das Amt des Rektors und vertrat ſeinen erkrankten Nachfolger in
den Jahren 19111913. Später erhielt Prof. Schenck den Charakter als
Geheimer Hofrat.
Ueber ſeine wiſſenſchaftliche Bedeutung werden Fachzeitſchriften zu
berichten haben. Angeregt durch weite Reiſen nach Braſilien und Mexiko,
aber auch durch die Mannigfaltigkeit der ihn umgebenden Natur der
Heimat entſtandenen Werke, wie z. B. Beiträge zur Biologie und
Anatomie der Lianen und Die Biologie der Waſſergewächſe‟. Be=
ſonders
am Herzen lag ihm, den von ihm ſeit der erſten Auflage über=
nommenen
Teil des klaſſiſchen Lehrbuches der Botanik von Strasburger
bis zur letzten, 16. Auflage auf der Höhe moderner wiſſenſchaftlicher
Forſchung zu halten.
Wer Prof. Schenck kannte, als Lehrer und Berater, als Kollegen
vder in dem einfachen Verhältnis von Menſch zu Menſch, dem wird er
als hohes Vorbild von Pflichttreue, gepaart mit ſchlichteſter Anſpruchs=
loſigkeit
in Erinnerung bleiben. Mit ſeltener Energie die Qualen ſeiner
langen Leidenszeit überwindend, kämpfte er ſich dazu durch, ſeinen ein=
mal
übernommenen Verpflichtungen nachzukommen bis zum Letzten, wie
er es von den Zeiten ſeiner urwüchſigen Kraft her gewohnt war. Dazu
half ihm die köſtliche Gabe einer Lebensweisheit, die ihn über den Klein=
kram
des Alltages ſtellte, ſein Auge erſtrahlen machte, und ihn mit dem
für eine objektive Betrachtung nötigen Abſtand die Dinge des Lebens
mit dem feinen Humor eines Philoſophen erſchauen ließ. Objektiv zu
ſein war ſein ſtändiges Bemühen, anderen und in bewundernswertem
Maße ſich ſelbſt gegenüber. So hatte er die Vorausſetzungen, die den
gründlichen Gelehrten und edlen Menſchen bedingen. Mögen ſich die,
die ihm im Hörſaal zu Füßen ſaßen, die ſich Rat bei ihm holten, oder in
Freundſchaft um ihn weilten, ſeine hohen Eigenſchaften zum Vorbild
nehmen, dann lebt er in uns weiter. Ehre ſeinem Andenken!
Ernannt wurden: am 23. Juni 1927: der Rechtsanwalt Otto
Hirſchbrandt in Alzeh zum Notar mit dem Amtsſitz in Gau=
Algesheim mit Wirkung vom 10. Juli 1927 ab: am 25. Juni 1927:
1. der Regierungsbaumeiſter Ludwig Götz aus Darmſtadt, 2. der Re=
gierungsbaumeiſter
, Regierungsrat Adolf Kaufhold aus Caffel,
3. der Regierungsbaumeiſter Walther von der Leyen aus Bonn,
4. der Regierungsbaumeiſter, Regierungsbaurat Karl Münkler aus
Noßdorf und 5 der Regierungsbaumeiſter, Regierungsbaurat Karl
Schneider aus Pfaffenbeerfurth vom 1. Juni 1927 ab zu überplan=
mäßigen
Bauamtmännern mit der Amtsbezeichnung Regierungsbaurat.
Dienſtjubiläum. Am 1. Juli ſind 30 Jahre verfloſſen, ſeit Herr
Bureauvorſteher Konrad Röſſel in der Kronenbrauerei, Gebrüder
Wiener hier, tätig iſt.
Sommerſpielzeit im Kleinen Haus des Heffiſchen Landestheaters.
Leitung Direktor Adalbert Steffter. Auf das heute Freitag ſtattfindende
letzte Gaſtſpiel des Tenors Erik Wirl ſei hiermit nochmals hingewieſen,
und wird ausdrücklich bemerkt, daß eine Verlängerung des Gaſtſpiels
nicht ſtattfinden kann. Morgen Samstag, abends 7½ Uhr, findet die
Erſtaufführung der Operettenneuheit Die Tereſina von Osear Strauß,
ſtatt. In der Partie der Tereſina gaſtiert Mizi Marx=Freiburg vom
Stadttheater Leipzig. Weiter ſind noch beſchäftigt die Damen Neidhart
und Zadora, ſowie die Herren Aman, Daurer, Geiger, Marx, Otto,
Schmidt und Viktor Schmidt. Leiter der Aufführung iſt Direktor Steff=
ter
, die muſikaliſche Leitung hat Kapellmeiſter Voigt. Samstag, abends
11 Uhr, findet als erſte Nachtvorſtellung ein Bunter Abend ſtatt unter
Mitwirkung des geſamten Soloperſonals, und zwar zu ganz billigen
Preiſen von 13 Mk. Sonntag, nachmittags 3½ Uhr, wird als
Familien= und Fremdenvorſtellung Die Roſe von Stambul, gegeben,
ebenfalls zu ermäßigten Preiſen von 13 Mk. Abends 8 Uhr und täg=
lich
gelangt die Operette Die Tereſina zur Wiedergabe mit Mizi
Marx=Freiberg als Gaſt.
Mozart=Verein. Das Sommerfeſt am 9. Juli Halbe Nacht
im halben Mond zu Heppenheim begegnet freudigem Zuſpruch.
Die Mitglieder des Vereins, denen allein die Veranſtaltung zugänglich
iſt, tun gut daran, ſich ihre Einlaßkarten baldigſt in der Geſchäftsſtelle
abzuholen. Die Witterung kann die Feſtteilnehmer nicht ſtören, da der
Halbe Mond bei Sonne, Mond und Regen ſeine Gäſte bequem unter=
bringen
kann. Ueberraſchungen aller Art ſtehen in Ausſicht. Das
Nähere ſagen die Anzeigen.
Turngemeinde Darmſtadt 1846. Einen ganz beſonderen Charak=
ter
hat die morgen abend ſtattfindende Monatsverſammlung. Als letzte
vor dem Kreisturnfeſt werden in derſelben alle Hauptpunkte, die die
Mitglieder beſonders intereſſieren, bekannt gegeben. Sie wird deshalb
im neuhergerichteten kleinen Turnſaal abgehalten, der dadurch gewiſſer=
maßen
ſeine Weihe erhalten ſoll. Derſelbe iſt nunmehr eine Zierde
unſeres Hauſes und erwarten wir, daß ſich recht viele Mitglieder davon
überzeugen. Die beiden Feſtlieder werden bei dieſer Gelegenheit mit
Muſikbegleitung geſungen; ebenſo hat die Singmannſchaft ihre Mit=
wirkung
zugeſagt. (Siehe geſtrige Anzeige.)
Sehr vernünftig! Der Landesfrauenausſchuß der
Deutſchnationalen Volkspartei wendet ſich an alle deut=
ſchen
Frauen mit der Bitte, die in Ausſicht geſtellte Mode des Tragens
von Rehkitz=Fellen, alſo von Fellen neugeborener Rehe, als Mäntel,
Jacken oder ſonſtwie auf das Energiſchſte als eine Rohheit ſonder=
gleichen
abzulehnen. Schlimm genug, daß ſich deutſche Frauen fanden
und finden, die Kalbfellmäntel und Fohlenmäntel oder Beſätze tragen
und ſich keine Rechenſchaft davon geben, wie unwürdig und grauſam das
Tragen von Fellen ungeborener Tiere iſt. Das unſere Wälder ſo be=
lebende
und verſchönernde Wild darf aber keiner Laune perverſer Mode=
richtung
zum Opfer fallen. Wir fordern die deutſchen Frauen deshalb
auf, in Wort und, wenn nötig, in Schrift und Tat dagegen Einſpruch
zu erheben.
2 Ausstellungen
Juni September, 10-19 Uhr (10073a
Landesmuseum Mathildenhöhe

Rheiniſche Komiker im Wandel der Zeiten!
(Zu dem Gaſtſpiel Joſef Weinreiß im Orpheum.)
Man ſchreibt uns: Auf der Bühne war zu allen Zeiten ein luſtiger
Spaßmacher vonnöten, ſowohl auf der Sprechbühne des Theaters, wie
auch in der Oper und Operette. Selbſtverſtändlich brauchte auch das
Varieté dieſen Typ, der ſich aus dem Clown des Zirkus entwickelt hatte,
als in den neunziger Jahren der leichten Muſe Paläſte gebaut wurden
die man vorher in dieſem Ausmaße nicht kannte. Immer wieder wechſelt
der Geſchmack des Publikums; alte gemtlich Witze aus der Großväter=
zeit
wurden von unſeren Großvätern belacht, aber uſere Väter hielten
dieſe ſchon für alt und abgeſchmackt.
In den großen Varieté=Theatern entſtand der Wunſch, daß nach
einem rheiniſchen Komiker auch einmal ein ſächſiſcher zur Abwechflung
kommen wüiſſe und danach ein batzeriſcher. Außer dieſen drei großen Höhe von 20 Proz, der letzteren erhoben. Die Sozialdemokratiſche Partei
Gruppen iſt im ganzen Deutſchland ſo recht kein anderer Komiker hei=
miſch
geworden; alle anderen Verſuche, etwa den Verliner Witz in die
Provinz zu verpflanzen, ſchlugen fehl. Aber dieſe drei Standard=
Typen ſind geblieben, nur wurden die Vorträge anderer Art. Als
neben dem rheiniſchen Komiker der moderne Humoriſt entſtand, deſſen
hervorragendſter Vertreter Otto Reutter war und auch bis zum heutigen
Tage unerreicht geblieben iſt, war der Komiker in den Hintergrund ge=
treten
. Erſt im Anfang dieſes Jahrhunderts begann der Siegeslauf der
rheiniſchen Komiker, allen voran das damals berühmte Komiker=Trio Es wird beantragt, die Bezeichnung Büchnerſtraße auch für die
Haaſe=Hartſtein=Prang. Im ganzen Rheinland kannte man die Thegter
der reiſenden Unternehmen Baum und Prang, Millowitſch und Job
Claaſſen; erſt dem Komiker Hartſtein gelang es, auch in Berlin feſten
Fuß zu faſſen und von dort aus in ganz Deutſchland Gaſtſpiele zu
geben! Aehnlich wie Friß Reutter ſein geliebtes Mecklenburger Platt
für ſeinen Leſerkreis mit Miſſingſch verſetzte und dadurch verſtändlich
machte, erreichte auch Hartſtein es endlich, das echte urwüchſige Kölſch
mit Hochdeutſch zu vermiſchen, ſo daß auch der Bayer oder Sachſe ſeine
Sprache und damit ſeinen Witz verſtand. Es ſcheint manchmal, als ob
die Gabe des Humors den Künſtlern nur noch ſelten in die Wiege gelegt
wird; oftmals kamn man über einen Komiker nicht einmal lachen, die
überragenden ſind zu zählen. Wohl hat Sachſen noch ſeinen Paul
Beckers und Minchen ſeinen Valentin, beide haben ſich aber
immer wieder ſeßhaft gemacht an ihren Heimatplätzen; auf die Reiſe
gehen beide mr ausnahmsweiſe. In Köln, der Metropole Rheinlands,
exiſtiert leider ſeit Millowitſchs Zeiten kein eigenes Unternehmen für
die bodenſtändige Komik; ab und zu gaſtieren die bekannten rheiniſchen
Komiker in ihrer Vaterſtadt.
Von den neuen Komikern gilt als einer der beſten Joſef Wein=
reiß
, der weit über die Grenzen Rheinlands durch ſeine eigenartige
Komik ſich einen großen Namen geſchaffen hat. Jede Geſte, Bewegung
oder Mimik iſt knallig, er trägt ſtark auf, karikiert, zwingt uns aber zum
Lachen. Und das iſt der Zweck des ganzen. In unſerem nervös= über=
haſteten
Zeitalter ſollen wir dankbar ſein für jede frohe Stunde, die uns
ein anderer ſchafft, und Weinreiß gebührt ein Ehrenplatz, denn er
hat Zehntauſende zum Lachen gebracht.
Muß man ſagen, daß er ein Rheinländer iſt? Nein, dieſe Art Komir
gibt es nur im Rheinland, iſt hier zu Hauſe, wird ſeit Hunderten von
Jahren gehegt und gepflegt durch eine uralte Tradition, die im Faſte=
lovend
, im Karneval, ihren Höhepunkt erreicht. Die Leitung des
Orpheums hat keine Koſten und Mühe geſpart, ſich dieſen hervorragen=
den
Komiker für ein kurzes Gaſtſpiel zu ſichern; dieſes beginnt morgen,
Samstag, den 2. Juli, abends 8 Uhr, mit einer ganz ausgezeichneten
Schlager=Novität Stöpſel von den beſtens bekannten Schwank=
und Operetten=Autoven Franz Arnold und Ernſt Bach, mit Joſef Wein=
reiß
in der Hauptrolle. Der Kartenverkauf hat bei Hugo de Waal,
Rheinſtraße 14, ſowie im Verkehrsbüro begonnen. Es gelten übliche
Eintrittspreiſe. (Siehe Anzeige.)

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Städtiſche Akademie für Tonkunſt. Die Städtiſche Akademie ver=
anſtaltete
mit ihren Ausbildungsſchülern in Verbindung mit dem Reichs=
verband
, einigen Mitgliedern der Madrigalvereinigung und des Städt.
Orcheſters am letzten Montag eine Exkurſion zur Internationalen
Ausſtellung. Die Muſik im Leben der Völker nach Frankfurt am Main.
An dieſer Exkurſion nahmen im ganzen 216 Perſonen teil. Dank des
Entgegenkommens der Reichsbahndirektion und der Ausſtellungsleitung
traten ſowohl für die Fahrt wie für den Beſuch der Ausſtellung für die
einzelnen Mitglieder ſtarke Ermäßigungen ein. Vormittags 7.54 Uhr
wurde die Fahrt in Sonderwagen nach Frankfurt angetreten. In der
Ausſtellung wurden die Teilnehmer von Direktor Baum im Namen der
Stadt Frankfurt und der Ausſtellungsleitung mit herzlichen Worten
begrüßt und unter fachmänniſcher Führung in drei Gruppen die ein=
zelnen
Abteilungen der Ausſtellung eingehend beſichtigt. Von der Fülle
des Gebotenen kann nur der ſich einen Begriff machen, der die Aus=
ſtellumg
geſehen hat. Beſonderes Intereſſe erregt die muſikhiſtoriſche
Abteilung mit ihren Handſchriften faſt ſämtlicher namhafter Kompo=
niſten
auf allen Gebieten der Muſik: Auch die Inſtrumentenſammlung,
die überaus reich beſchickt iſt, fand regſtes Intereſſe der Beſucher. Die
Beſichtigung der Inſtrumentenſammlung war dadurch beſonders an=
regend
, als die einzelnen Inſtrumente jeder Zeitgattung praktiſch vor=
geſührt
werden konnten. War der Vormittag ſo durch die Führung
ausgefüllt, ſtand der Nachmittag jedem einzelnen Teilnehmer zur Be=
ſichtigung
desjenigen Gebietes, für das er ſich am meiſten intereſſierte,
frei. Einige Mitglieder der Exkurſion hatten beſonderes Glück, indem
ſie unvorhergeſehener Weiſe an dem Konzert des Orcheſters Concert du
Conſervatoire, Paris, unter Leitung von Kapellmeiſter Philippe
Gaubert. Paris teilnehemn konnten, das auf Veranlaſſung des
Kultusminiſters Herriot für die Schulkinder Frankfurts veranſtaltet
wurde. Zum Vortrag kamen: eine Sinfonie von Haydn, je ein Werk
von Camille Saint=Saens und C. Charpentier, und zum Schluß aus
Fauſts Verdammung Sylphentanz und Ungariſcher Marſch von Ber=
lioz
. Die andere Hälfte der Teilnehmer der Exkurſion konnte ſich an
der mit 52 Regiſtern verſehenen Orgel im Bach=Saal erfreuen. Außer=
dem
wurde noch ein Film der Firma Bechſtein über die Entſtehung des
Flügels geboten. Mit dem fahrplanmäßigen Zug 2004 Uhr wurde,
abermals in Sonderwagen, die Müickfahrt angetreten. Hochbefriedigt
ſchieden die Teilnehmer von dem Leiter der Veranſtaltung, Herrn Muſik=
direktor
W. Schmitt, mit der Bitte, dieſe Exkurſion Ende Auguſt, vor
Schluß der Ausſtellung, zu wiederholen.
Das Arbeitsgericht Darmſtadt beginnt am 1 Juli 1927 ſeine
Tätigkeit im Neuen Gerichtsgebäude hier, Mathildenplatz. Seine öffent=
lichen
Sitzungen finden im Saal 308 ſtatt. Geſchäftsſtelle des Arbeits=
gerichts
iſt die Gerichtsſchreiberei des Amtsgerichts Darmſtadt I Ab=
teilung
für ſtreitige Gerichtsbarkeit. Sein Bezirk umfaßt die Amts=
gerichtsbezirke
Darmſtadt I und II, Dieburg, Gernsheim, Groß=Umſtadt,
Reichelsheim und Reinheim.

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Stadtberordnetenverſammlung.
Herr Oberbürgermeiſter Dr. Gläſſing eröffnet die öffentliche Sitzung
um 5 Uhr 5 Minuten.
Der Vorſitzende teilt mit, daß San.=Rat Dr. Kolb ſein Mandat
niedergelegt hat. Die Verwaltung hat ihm für ſein Wirken gedankt.
1. Erhebung einer Filialſteuer.
Die Verſammlung hat am 6. Mai grundſätzlich dieſer Erhebung zu=
geſtimmt
. Nun iſt der von der Verwaltung vorgelegte Satzungsentwurf
gutzuheißen, nachdem ihn der Rechtsausſchuß begutachtet und nichts be=
anſtandet
hat. Stadtv. Dr. Bender erſtattet Bericht. Der Finanz=
ausſchuß
hat der Steuerſatzung zugeſtimmt. Die Steuer wird in Form
eines Zuſchlags zur gemeindlichen Gewerbeſteuer, und zwar in einer
ſtimmt gegen die Satzung. Die Satzung iſt angenommen.
2. Verlegung des Landskronweges.
Der vor dem Neubau Schölzel an der Ludwigshöhſtraße gelegene
Teil des Weges ſoll rechtwinkelig zur Ludwigshöhſtraße verlegt und der
dadurch erforderlich werdende Geländetauſch genehmigt werden. Dies
findet Annahme.
3. Benennung von Straßen.
ſüdliche Fortſetzung dieſer Straße beizubehalten. Dies wird genehmigt.
4.Bebeuungsplan für den Stadtteil ſüdlich der Landskronſtraße.
Für das Gebiet zwiſchen Landskronſtraße und ihrer ſüdlichen
Parallelſtraße einerſeits und Heidelberger= und Goetheſtraße anderen
ſeits wurde ein Bebauungsplan aufgeſtellt, deſſen Genehmigung be=
antragt
und ausgeſprochen wird.
5. Bauprogramm 19927.
Nach dem Voranſchlag waren zum Bauprogramm 1927 vorgeſehen:
1 Eigenbauten der Stadt. 40 Einzimmerwohnungen, 100 Zweizimmer=
Wohnungen, 100 Dreizimmerwohnungen ſtatt 150, 60 Vierzimmer=
wohnungen
zur Geſamtſumme von 4 Millionen Mk. 2. Privat= und
Genoſſenſchaftsbauten, Reihenhäuſer mit ſtädtiſchen Darlehen 2 Milli=
onen
. 3. Privat= und Genoſſenſchaftsbauten, Einfamilienhäuſer und
Erbbauhäuſer mit ſtädtiſchen Darlehen 1600 000 Mark. Im übrigen
ſei auf den Voranſchlag Seite B7 verwieſen.
Stadtv. Haury begründet den Antrag der Deutſchen Volkspartei,
die Höchſtgvenze der Zuſchußleiſtung bei Einfamilienhäuſern und Erb=
bauhäuſern
auf 75 Prozent feſtzuſetzen. Die Zuſchußleiſtung darf jedoch
den Höchſtbetrag von 45 000 Mk. nicht überſteigen. Die Sozialdemokra=
tiſche
Partei wolle die Kommunaliſierung des ganzen Bauweſens, dieſe
Abſicht unterſtütze die Stadtverwaltung. Die Bezuſchuſſung müſſe höher
gegriffen werden als dies die Sozialdemokratiſche Partei wolle
Bürgermeiſter Buxbaum erklärt, der Vorwurf der Kommunali=
ſierung
treffe ihn nicht. Er wolle viele kleine Wohnugen, nicht aber
große Villen, gebaut haben. Er wüiſſe für ſein weiteres Vorgehen Richt=
linien
haben. Stadtv. Ziegs verweiſt hinſichtlich der Kommunaliſie=
rung
auf Wien; die Sozialdemokratiſche Partei wolle möglichſt viele
Kleinwohnungen erſtellt ſehen. (Stadtv. Haury zu letzterer Aeußerung:
Ganz einverſtanden!) Die Soz. Partei wolle über einen Zuſchuß zu den
Baukoſten von 20 000 Mark aber nicht hinausgehen. Man würde un=
verantwortlich
handeln, wolle man über dieſen Satz hinausgehen.
Stadtv. Süß erachtet, daß die Frage keinen parteipolitiſchen Anſtrich
habe. Der Antrag der Deutſchen Volkspartei möge dahin erweitert
werden, daß zwei Drittel der Summe ſir Siedlungshäuſer bis zum
Betrag von 2000 Mark feſtgelegt und ein Drittel nur für größere
Bauten genommen werde. Stadtv, Haury polemiſiert gegen den
Stadtv. Ziegs. Die Stadtverwaltung müſſe die gleichen Mieten nehmen,
wie die von den zuſammengeſchloſſenen Gewerbetreibenden erſtellten
Häuſer von dieſen verlangt werden müßten. Man müſſe Leute als
Steuerzahler hierher bekommen, die auch erhöhte Steuern zahlen könnten.
Den hieſigen Möbelfabriken müſſe Gelegenheit gegeben werden, auch für
größere Häuſer erſtklaſſige Arbeit zu liefern. Es möge Gelegenheit ge=
geben
werden, etwas Beſſeres zu bauen. Gegen die Erweiterung, wie
ſie Stadwv. Süß vorſchlägt, hat der Redner nichts zu erinnern, Stadtv.
Schneider ſt neben der Erſtellung der Häuſer durch die öffentliche
Hand für die Förderung des Genoſſenſchaftz= und privaten Bauens.
Die öffentliche Hand wüſſe der breiten Maſſe dienen, deshalb ſei er für
den Amtrag der Verwaltung. Stadtv. Leuſchner fragt, wer baue
denn heute Einfamilienhäuſer, doch nur die Leute, die über Kapital
verfügten. Für dieſe Häuſer habe der Wohnungsmarkt kein Intereſſe.
Für Qualitätshäuſer möchten Zuſchüſſe gegeben werden, oder Bürg=
ſchaften
übernommen werden, aber dieſe Zuſchüſſe dürften nicht aus den
8 Millionen genommen werden. Die Soz. Partei wolle mit ihrem An=
trage
der Wohnungsnot ſteuern und in dieſem Rahmen auch Privat=
bauten
uterſtützen. Eine Vertretung des Privatkapitals kenne die
Soz. Partei nicht. Stadtv. Altendorf erklärt, die Deutſche Volks=
partei
wolle den Privatwohnungsbau fördern. Wir wüßten mit
den heutigen Verhältniſſen rechwen und uns mit den allgemeinen
ſtädtiſchen Intereſſen abfinden und ſie wahrnehmen. Die Stadt müſſe
ſich fragen, ob ſie das Programm bezahlen könne. Der Bau von ſtadt=
eigenen
Häuſern müſſe, wenn möglich, vermieden werden. Ein zu
weitgehendes Bauprogramm könne heute aus finanziellen Gründen
nicht genehmigt werden. Die Ausführung von ſtadteigenen Häuſern
belaſte den Stadtſäckel zu ſehr. Die Stadt gebe nur Baugeld zu 6 Proz.,
der Staat gebe ſolches zu 2 Prozent, die Stadt profitiere alſo 4 Proz.
Die Privaten würden durch ſolche Darlehen gar nicht bevorzugt. Im
öffentlichen Intereſſe ſei es, daß jeder baue, auch die privaten Kräfte
wüßten in Bewegung geſetzt und bezuſchußt werden. Die Soz. Partei
möge die Parteigrundſätze in den Hintergrund ſtellen. Stadtv. Geiß=
ner
ſpricht ſich für den Mittelweg der ſtädtiſchen Verwaltung aus.
Auch Stadtv. Goſenheimer erklärt, daß die Demokratiſche Partei
für den Antrag der Stadtverwaltung und ihr Bauprogramm eintrete.
Stadtv. Ziegs Soz. meint, die Bodenſpekulation gehe eben ſchon
wieder ins Ungemeſſene. Der Zinsfuß werde wohl nicht unter 6 Proz=
heruntergehen
, Stadtv. Leufchner meint, der gemeinnützige Woh=
nungsbau
fördere die allgemeinen Intereſſen, während der private die
Mieten und die Bodenpreiſe in die Höhe treibe.
Der Antrag der Deutſchen Volkspartei wird gegen deren Stimmen
abgelehnt. Der Antrag der Soz. Partei wird gleichfalls abgelehnt. Ein
ſozialdemokratiſcher neuer Antrag will, daß von den 8 Millionen 5 Mil=
lionen
für ſtadteigene Häuſer und 3 Millionen für private Bauten ver=
wendet
werden. Auch dieſer Antrag wird abgelehnt. Damit iſt die
Vorlage der Verwaltung angenommen. Ein Antrag der Deutſchen
Volkspartei will eine Kommiſſion für Mietnachläſſe und dergl. aus
Stadtverordneten beſtehend alsbald beſtellt haben. Dieſe Kommiſſion
ſoll auch beſonders darüber Entſcheidung treffen, auf welche Privat=
bauten
und in welchem Umfang die Zuſchüſſe entfallen ſollen. Dieſer
Antrag ſoll noch beſonders behandelt werden.
6. Errichtung einer Rampe zum Speiſetransport im Krankenhaus.
Um den Transport möglichſt geräuſchlos durchzuführen, wurde ein
vorhandener Wäſcheaufzug zum elektriſch betriebenen Speiſeaufzug um=
gearbeitet
. Nun beſteht aber noch der Mißſtand, daß das Einfahren an
der Einladeſtelle im Sockelgeſchoß vor den Krankenzimmern des Mittel=
baues
I her erfolgen muß, anſtatt durch den Garten. Es iſt daher not=
wendig
, den Weg durch den Garten zu aſphaltieren und eine Holz=
rampe
vom Garten in das Haus herzurichten. Die auf 4000 Mk. ver=
anſchlagten
erforderlichen Mittel ſollen aus Vermögensmitteln ent=
nommen
werden. Dies wird beſchloſſen.
Schluß der öffentlichen Sitzung: 7 Uhr 10 Minuten

Parlamentariſches.

Der Finanzausſchuß des Heſſiſchen Landtages tagte heute, um eine
Reihe von Regierungsvorlagen, Anträgen und Eingaben zu beraten.
Zunächſt beſchäftigte ſich der Ausſchuß mit der Regierungsvorlage über
das Arbeitsgerichtsgeſetz und erörterte die Koſtenfrage, ſodann mit einer
Vorlage über die Entwäſſerung der Grundwieſen und mit Waſſerbau=
arbeiten
am Schwarzbach, ferner mit einer Regierungsvorlage über die
Unterſtützung der Kraftwagenlinien in Heſſen und mit einem Geſetz=
entwurf
über die Grundſteuer der Gemeinden und Gemeindeverbände.
Eine Reihe von Eingaben, die mit Beſoldungsfragen im Zuſammen=
hang
ſtehen, wurden der Regierung als Material überwieſen; darunter
war ein Antrag Dingeldey über die Beſoldungsverhältniſſe der Haus=
warte
und Amtsgehilfen, eine Eingabe des Diplom=Handelslehrervereins,
des Heſſiſchen Reallehrervereins uſw. Nächſte Sitzung Freitag.

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[ ][  ][ ]

Seite 6

Freitag, den 1. Juli 1927

Nummer 180

* Jahres=Verſammlung des deutſch=ebangeliſchen
Frauenbundes, Ortsgruppe Darmſtadt.
Samstag, 25. Juni, nachmittags 4 Uhr, fand im Gemeindeſaal der
Pauluskirche die Jahresverſammlung des deutſch=evangeliſchen
Frauenbundes, Ortsgruppe Darmſtadt, ſtatt. Die Vorſitzende Fräulein
Sonne begrüßte die Anweſenden, vor allem ſehr herzlich die Rednerin
Fräulein Grotefend=Marburg.
Im Jahresberich: gab die Vorſitzende einen Ueberblick über die Er=
eigniſſe
und die Arbeit des vergangenen Vereinsjahres. Der Orts=
gruppe
wurden fünf Mitglieder durch den Tod entriſſen, deren Fräulein
Sonne mit warmen Worten gedachte und deren Andenken die Verſamm=
lung
durch Erheben von den Sitzen ehrte. Es haben fünf Vorſtands=
ſitzungen
und vier Mitgliederverſammlungen ſtattgefunden. Von aus=
wärtigen
Rednerinnen ſprachen: Frl. Grotefend=Marburg über Das
Programm des deutſch=evangeliſchen Frauenbundes, Frl. Maiſch= Stutt=
gart
über Die geiſtige Haltung der heranwachſenden Jugend und Frl.
Winnecke=Hannover über das wichtige Thema Fran und Preſſe‟.
Die Vorſitzenden der beiden Kommiſſionen gaben je einen kurzen
Bericht über ihre Jahresarbeit. Frau Dr. Brückner hatte aus der
Blindenfürſorge zu erzählen: 27. Blinde ſtanden unter ihrer Obhut,
denen Zuwendungen gemacht weiden konnten. Das Miniſterium des
Innern bewilligte der Vorſitzenden eine größere Summe zu dieſem Zweck,
und die evangeliſch=Eirchlichen Frauenvereine beteiligten ſich an der Blin=
denfürſorge
in dankenswerter Weiſe ſowohl mit Beiträgen als auch
durch perſönliche Beſuche der Helferinnen bei den Blinden des Ge=
meindebezirks
. Frau Dr. Merck konnte von den Vormundſchaften
berichten, daß ſie die Zahl von 461 Mündeln zu betreuen hat; die Not
der Zeit wirkt ſich hier beſonders aus, doch kam es erfreulicherweiſe im
Laufe des Jahres öfters zu Heiraten der Eltern der Mündel, oder der
Stiefvater erwies ſich als zuverläſſig, ſo daß die Vormundſchaft auf=
gehoben
werden konnte.
Darauf erhielt Fräulein Grotefend=Marburg das Wort zu
ihrem Bericht rüber die diesjährige Generalverſammlung des deutfch=
evangeliſchen
Fkauenbundes in Stralſund, zu der Vertreterinnen aus
allen Teilen Deutſchlands erſchienen waren. Die Stadt Stralſund emp=
fing
die Gäſte in überaus herzlicher Weiſe und tat alles Mögliche dazu,
ihnen den Aufenthalt angenehm zu geſtalten, ſodaß ſchon der äußere
Nahmen ein feſtlicher und eindrucksvoller war. Noch eindrucksvoller aber
geſtaltete ſich die Tagung durch die Referate, die ſo beſonders wichtige
Lebensfragen behandelten, durch den Geiſt, der die Tagung erfülle und
die Teilnehmerinnen untereinander verband. Die Themen der Referatze
waren: Die Frau als Vikarin Das Recht des unehelichen Kindes,
Eheſcheidungsreform Jede dieſer Fragen bewegt heute die Gemüter.
Es ſind in erſter Linie Frauenfragen von einſchneidendſter Bedeutung
Der Raum verbietet hier leider näheres Eingehen auf Einzelheiten der
Vorträge. Ganz beſonders erwähnenswert iſt die Rede des Dompredi=
gers
Martin=Magdeburg über Die ſeeliſchen Vorausſetzungen für
Deutſchlands Wioderaufſtieg, der ſeinen Zuhörern eine Weiheſtunde
bereitete, die noch lange in aller Herzen nachklingen wird. Es ſei dar=
auf
hingewieſen, daß dieſe Rede mit den anderen Vorträgen in einem
Sonderabdruck des Stralſunder Tageblatts erſchienen iſt. Der Bericht
von Fräulein Grotefend wurde mit warmem Jutereſſe entgegengenom=
men
. Fräulein Sonne ſprach der Rednerin den wohlverdienten
Dank der Verſammlung aus.
Muſikantengilde. Die Vorführung von Lichtbildern aus einer
Schatzkammer findet am Freitag, den 1. Juli, abends 8 Uhr, im Ge=
werbemuſeum
ſtatt.
Treue Mieter. Am 1. Juli 1927 ſind es 25 Jahre, daß Familie
Ph. Schmidt, Bohrmeiſter, im Hauſe der Frau Bräuning Witwe, Emil=
ſtraße
44, wohnt.
* Unfälle. Geſtern nachmittag wurde kurz nach 12 Uhr in der Gra=
fenſtraße
ein älteres Fräulein von einem Motorradfahrer angefahren.
Sie erlitt ſtarke Verletzungen im Geſicht. Am Mathildenplatz wurde
um 18 Uhr eine Radfahrerin von einem Auto überfahren. Sie trug
innere Verletzungen und Kopfverletzungen davoi. Das Rad der Frau
wurde total zertrümmert. Die Verletzten wurden von der ſtädtiſchen
Rettungswache nach dem Städtiſchen Krankephaus verbracht.
Lokale Veranſtaltungen.
Deutſchorden Kommende Darmſtadt. Der Kom=
mendeabend
in dieſem Monat findet nicht am Freitag, den 1. Juli,
ſondern am Samstag, den 16. Juli, in Eberſtadt Bergſträßer Hof
ſtatt.

Der zoologiſche Park des
Zirkus Krone.
Ueber die glanzvolle Eröffnungsvorſtellung des gigantiſchen Zirkus=
unternehmens
Krone haben wir geſtern ausführlich berichtet. Zur
geſtrigen Abendvorſtellung ergoß ſich eine wahre Völkerwanderung zum
Meßplatz.
Neben dem in ſeiner Art einzig daſtehenden Zirkus verfügt das
Unternehmen Krone über einen Tierpark, wie ihn in einzelnen Grup=
pen
und gleicher Reichhaltigkeit kein reiſendes Unternehmen, wie auch
wohl kaum ein zoologiſcher Garten der Welt aufweiſen kann. Wir
hatten geſtern Gelegenheit, unter Führung des wiſſenſchaftlichen Leiters
Herrn Dr. Knottnerus=Meyer, des ehemaligen Direktors des
zoologiſchen Gartens in Rom, den Tierpark zu beſichtigen. Wie aus=
gezeichnet
Herr Dr. Knottnerus mit ſeinen Tieren ſteht, bewies das
Freudengeheul, mit dem viele ſeiner Lieblinge ihn bei ſeinem Rundgang
empfingen . Wie glänzend in wiſſenſchaftlicher Beziehung er ſeine
Aufgaben zu erfüllen vermag, zeigen einmal der geradezu glänzende Ge=
ſundheitszuſtand
ausnahmslos aller Tiere, dann aber auch die ausge=
zeichneten
Zuchterfolge, die er beſonders bei ſeltenen Tieren erreicht
hat. Um nur Weniges herauszunehmen: Eine rieſige Bengaltigerin
betreut zurzeit ihren 3. Wurf, drei reizende kleine Kerlchen von etwa
4 Wochen, eine Berberlöwin 2 Junge von gleichem Alter. Beide ſind
ſo zahm, daß ſie ſich von Dr. K., allerdings nicht von anderen, berühren
laſſen. Sie ſorgen zärtlichſt für ihre Jungen, die prächtig gedeihen.
Daneben ſind ausgezeichnete Zuchterfolge bei Kamelen und Dro=
medaren
zu verzeichnen, auch hier ſind Füllen von wenigen Wochen bis
einigen Monaten vorhanden. Ebenſo Kälber von exotiſchen Rindern,
Kreuzungen aus dieſen und einheimiſchem Vieh, dann aber auch ſehr
intereſſante Kreuzungen zwiſchen Zebraſtute und Pferdehengſt, die bei
dunkler, brauner Haarfarbe die Zebrazeichnungen noch ſehr deutlich
aufweiſen, auch den Bau des Zebras in erſter Linie fortpflanzen.
Als beſondere Seltenheit unter den Raubtieren zeigt der Tierpark
Krone zwei ſibiriſche Tiger, vielleicht die beiden einzigen, die noch
reinraſſig zurzeit vorhanden ſind, da ſeit der Sowfetregierung kein
Tier aus Sibirien mehr zu haben iſt. Neben dieſen ſind auch Kreuzun=
gen
zwiſchen ſibiriſchen und bengaliſchen Tigern und eine ganze Reihe
bengaliſcher Königstiger, Berberlöwen (Nordweſtafrika), ebenfalls große
Seltenheiten, und ſüdafrikaniſche Löwen vorhanden. In einem Sonder=
käfig
iſt ein ſtarker Wurf wildeingefangener Löwen vorhanden und auch
eine Anzahl im Tierpark geborener junger Tiger. Als weitere große
Seltenheit werden zwei prachtvolle große Ameiſenbären gezeigt, die aus
Zentral=Südamerika ſtammen, ferner ein rieſiges Nilpferd und daneben
ein junges, das allerdings auch ſchon von reſpektablen Ausmaßen iſt,
ſich ſonſt aber recht babyhaft benimmt (Jonas).
Der Stolz des Krone’ſchen Tierparks und gleichzeitig des Zirkus=
unternehmens
ſind die 24 Elefanten, ein prachtvoller Anblick, dieſe
Rieſen der Tierwelt in einer Reihe nebeneinander zu ſehen. Von den
kleinen afrikaniſchen Elefanten es ſind eine ganze Anzahl junge, neu
eingeführte vorhanden bis zu dem großen Rieſen Loecki, der zurzeit
der größte in Europa ausgeſtellte Elefant iſt. Dieſer indiſche Rieſe,
für den zum Eiſenbahntransport ein beſonderer Waggon angefertigt
werden mußte, iſt 3,10 Meter hoch und 125 Zentner ſchwer. Er iſt
noch roh, d. h. ſeine Dreſſur iſt noch nicht ſo weit abgeſchloſſen, daß
er im Zirkus vorgeführt werden kann. Er marſchiert aber an der
Spitze bei dem großen allabendlichen Umzug. Ueber die wundervolle
Dreſſur der übrigen Elefanten, der Lieblinge Direktor Krone’s, haben
wir bereits berichtet.
Unter den 250 Pferden und Ponys aller Raſſen ſind ganz wunder=
volle
Tiere, von den wundervollen Lipizanern angefangen, ſind vor=
handen
deutſche und ausländiſche Edelzucht, Kaltſchläger, Halb= und
Vollblüter, bis zu den entzückenden kleinen Shetland Pony’s ſind alle
dieſe Pferde in glänzender geſundheitlicher und pfleglicher Verfaſſung.
Auch hier wird vielfach eigne Zucht getrieben, von deren Erfolg ver=
ſchiedene
Füllen zeugen, darunter das kleinſte und jüngſte Shetland=
füllen
, das wie ein niedliches Spielzeug anmutet und munter in ſeiner
Box umhertrollt.
Auch unter der großen Kollektion von Affen ſind ſehr ſeltene Tiere
aus dem tropiſchen Afrika u. a. ein Celebes, ein Dril mit dunkel=
blauem
Geſicht, der bunte Mandril u. v .a., das ſüdamerikaniſche Sechs=
binden
=Gürteltier, ein niedlicher kleiner Kerl, kennt ſeinen Herrn genau
und kommt auf Anruf ſofort, um ſeine gewohnte Schokolade in
Empfang zu nehmen. Die gleiche Anhänglichkeit an Dr. Knottnerus
zeigen aber auch viele Stiere und Rinder, die alle auf Namensruf
reagieren und für Liebkoſungen ſehr empfänglich ſind, vom indiſchen

Brahminen=Zebuſtier bis zu den rieſigen mächtig behörnten italieniſchen
und ſiebenbürgiſchen Stieren.
Sehr lebendig iſt die große Gruppe der Eisba , die leider
nicht vorgeführt werden kann, weil die Enge des Mezdlatzes dieſes
Rieſenunternehmens, in der Aufſtellung ſtark beeinträchtigt. Von den
Seelöwen war ſchon die Rede. Außer den bereits genannten Tieren
ſind vorhanden eine große Anzahl prachtvoll gefiederter Papageien,
Arras, ein prachtvoller, ſeltener Helmkaſuar, von den Papua=Inſeln
ſtammend, eine Kollektion Flamingos, Marabus, Pelikane uſw. Ferner
zählen wir auf neapolitaniſche Eſel, darunter zwei ſehr ſeltene Weiß=
linge
mit roten Augen, wilde Lamas aus dem ſüdamerikaniſchen Hoch=
gebirge
, ein weißes Lama, Renntiere, Hirſche, Känguruhs, Wölfe, ein
ſehr ſeltener Lippenbär, Bärengruppen aus Kleinaſien, den Karpathen,
ein rieſiger See=Elefant, der berühmte Gepard, das durch zahlloſe Bilder
bekannte Begleittier des Ehepaares Krone, Silberlöwen, Luchſe, Pan=
ther
, Leoparden, Waſchbären, Stachelſchweine, eine ſehr ſeltene Neger=
Rieſenſchildkröte, Schlangen, darunter die ſeltene größte amerikaniſche
Schlange Anakonda, die bis 10 Meter lang wird und eine Kollektion
von munter in ihrem Baſſin herumſchwimmenden Alligatoren. Dieſe
Aufzählung allein genügt wohl, um den Beſuch der Tierſchau zu recht!
fertigen.
M. St.
Kunſinotizen.
Der Schwarzmeierſche Kinderchor, Berlin, wird
am 8. und 9. Juli in Darmſtadt in der Turnhalle, Woogsplatz 2, Kon=
zerte
veranſtalten. Der prächtig geſchulte Chor beſteht aus 200 Kindern
im Alter von 10 bis 15 Jahren. Bei jeder Konzert=Veranſtaltung werden
die Kinder umjubelt von dem Beifall der entzückten Beſucher. Der
Kartenverkauf bei Chriſtian Arnold am Weißen Turm hat bereits vege
eingeſetzt.
Union=Theater. Alſo: Valencia iſt nicht die ſchöne
ſpaniſche Stadt dieſes Namens, ſondern eine Blumenverkäuferin auf
Madeira. Eine jener raſſigen Frauen, mit dem gewiſſen Fluidum. Eine,
die den Männern den Kopf verdreht, und zwar möglichſt vielen gleich=
zeitig
und die gleichzeitig jedem von ihnen im letzten Moment ent=
wiſcht
. Alſo: Eine Schöne, die mit Männerherzen ſpielt, innerlich
kalt, äußerlich glühend. Ihr Modell iſt Carmen. Nach dieſer Charakter=
ſchilderung
wird man auf ein Luſtſpiel gefaßt ſein, in dem die Hexe
eine Handvoll Männer ſo richtig durcheinanderwirbelt und foppt.
Doch nein, der Film, deſſen Titel ſie iſt, bewegt ſich in dramatiſchen
Bahnen, und erſt der Schluß findet eine überraſchende Kurve zum Luſt=
ſpielſtil
, zu hinreißendem Jazzband=Rhythmus. Dieſer wirklich mit
Schmiß hingelegte Schluß, durchpulſt von den Rhythmen des bekannten
Schlagers Valencia entſcheidet den Sieg, den zweifelloſen Erfolg deg
Films, der z. Zt. im Union=Theater läuft.

Tapolen Keste!

Hochstaetter
Elisabethenstr. 29. (osos

Tageskalender für Freitag, den 1. Juli 1927.
Landestheater, Großes Haus: Geſchloſſen. Kleines
Haus, abends 8 Uhr: Die Roſe von Stambul. Orpheum:
Geſchloſſen. Zirkus, nachm. 3 Uhr: Letzte Vorſtellung.
Konzerte: Schloß=Café; Hotel=Reſtaurant Schmitz; Café= Reſtau=
rant
Waldesruhe: Herrngarten=Café; Hotel=Café=Reſtaurant Wald=
ſchlößchen
. Fürſtenſaal, Grafenſtr. 18, Vortrag des Herrn
Langer, Frankfurt a. M., über: Die Anſchlußfrage das deutſche
Problem Kinovorſtellungen: Union=, Reſidenz=Theater,
Palaſt=Lichtſpiele. Landesmuſeum, von 1019 Uhr, Aus=
ſtellung
: Alte Kunch. Mathildenhöhe, von 1019 Uhr,
Ausſtellung: Neue Kunſt.
Gottesdienſt der iſraelitiſchen Religionsgemeinde.
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße),
Freitag, den 1. Juli: Vorabendgottesdienſt 7 Uhr 30 Min.
Samstag, den 2. Juli: Morgengottesdienſt 8 Uhr 30 Min.
Sabbatausgang 9 Uhr 40 Min.
Gottesdienſt an den Wochentagen: Morgens 7 Uhr. Abends
7 Uhr 15 Min.
Gebetszeiten in der Synagoge der iſraelitiſchen Religionsgeſellſchaft.
Samstag, den 2. Juli: Vorabend 7 Uhr 50 Min. Morgens
8 Uhr. Nachm. 5 Uhr. Sabbatausgang 9 Uhr 40 Min.
Wochengottesdienſt: Morgens 6 Uhr. Abends 8 Uhr.

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Welches Mundwasser nehme ich
auf die Reise mit?
Diese Frage legen Sie sich häufig beim Packen des
Koffers vor, denn wiederholt ist das flüssige Mund=
wasser
ausgelaufen oder die Flasche zerbrochen, wodurch
Koffer,Kleiderund andere Gegenstände unansehnlich wurden.
Kennen Sie Ortizon=Mundwasser=Kugeln? Wenn nicht, so
besorgen Sie sich, bitte, eine Packung. Nach einmaligem Gebrauch
werden Sie ein dauernder Anhänger dieses vorzüglichen Präparates.
Die Ortizon=Mundwasser=Kugeln sind nicht nur in ihrer desinfi=
zierenden
Wirkung unerreicht, sondern auch sparsam im Gebrauch und
besonders praktisch für die Reise. Die Packung ist handlich, der Inhalt
nicht flüssig. Er kann daher durch Auslaufen Tasche und Koffer nicht ge=
fährden
. Sie werden sicher von jetzt an auf allen Reisen nur Ortizon- Mund=
wasser
=Kugeln bei sich führen. Original=Packung Boged in allen ein=
schlägigen
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[ ][  ][ ]

1. Zuli 1927

Nummer

Kaa He
Hafnem H le
Aad Kt8.

[ ][  ][ ]

Seite 8

Aus Heſſen.
5. Junglandbundtag Heſſen=Starkenburg.
Am kommenden Sonntag, 3. Juli, findet der diesjährige Star=
kenburger
Landvolktag in Lengfeld ſtatt. Bereits am
Samstag abend treffen die Jungbauern aus zahlreichen Ortsgruppen
des Heſſiſchen Landbundes aus der Provinz Starkenburg in Lengfeld
zuſammen, um dieſen Tag mit ernſter Arbeit in Form einer Vertreter=
verſammlung
, in der wichtige Standesfragen zu Beratung ſtehen, zu
beginnen. Anſchließend an die Vertreterverſammlung findet der Be=
grüßungsabend
auf dem Feſtplatz unterhalb Zipfen ſtatt. Den Abſchluß
desſelben bildet ein Brillantfeuerwerk. Der Sonntagmorgen wird durch
ein Kleinkaliber=Wettſchießen eingeleitet, dem ſich dann ein Gottesdienſt
und Kriegergedächtnisfeier anſchließt. Um 1 Uhr ſtellt ſich der Feſtzug
auf, zu dem eine große Anzahl Feſtwagen aus dem ganzen Odenwald
gemeldet iſt. Dieſer Feſtzug bildet zugleich eine Trachtenſchau, da eine
große Anzahl Jungbauern und Jungbäuerinnen im Schmucke ihrer
elterlichen Trachten erſcheint. Mit dem 5. Junglandbundtag iſt zugleich
die Fahnenweihe des Junglandbundes Heſſen=Starkenburg und die
Bannerweihe der Junglandbund=Ortsgruppe Lengfeld verbunden, die
der Landesvorſitzende des Heſſiſchen Landbundes Herr Landtagsabgeord=
neter
Dr. v. Helmolt, vornimmt. Auf dem Feſtplatz werden die Reichs=
tagsabgeordneten
Dorſch=Wölſersheim und Ohler=Marienau Referate
über die derzeitige wirtſchaftspolitiſche Lage halten, und die heſſiſchen
Landtagsabgeordneten Dr. Müller=Darmſtadt und Glaſer=Nordheim
ſprechen über heſſiſche Politik. Die Referate werden von zwei verſchie=
denen
Stellen des Feſtplatzes gehalten. Auf dem Feſtplatz finden außer=
dem
Reitervorführungen des Reitervereins des vorderen Odenwaldes,
der Reitergruppen Lengfeld und Habitzheim ſtatt; außerdem werden
landliche Reigen und Nationaltänze zur Vorführung gelangen. Den
(chluß der geſamten Veranſtaltung bildet ein am Montag nachmittag
ſtattfindendes Reit= und Fahrturnier, zu dem zahlreiche Ehrenpreiſe von
Gönnern des edlen Reitſports geſtiftet wurden.
Der Beſuch des Starkenburger Landvolktags dürfte deshalb dem
heſſiſchen Landvolk beſonders empfohlen ſein.

Ck. Wixhauſen, 29. Juni. Oeffentl. Gemeinderats=
ſitzung
. Als 1. Punkt ſtanden die Bemerkungen des Kreisamts zu
dem diesjährigen Gemeindevoranſchlag zur Debatte. Die im Voran=
ſchlag
genehmigten Mittel zum Beitritt für den Bezirkskonſumverein
Darmſtadt, ferner den Betrag für die Ortsgruppe der Freidenker und
Feuerbeſtattungsweſen ſowie die Anſchaffung von Kontrolluhren im Vor=
anſchlag
zu ſtreichen, wurde abgelehnt. Die Witwenpenſion der Witwe
des Hilfsfeldſchützen Benz auf dem alten Satz zu belaſſen. Dieſer war
ums Doppelte erhöht, wurde ebenfalls abgelehnt. Der bewilligte Betrag
in Höhe von 200 Mk. für Lernmittel für Kinder der Erwerbsloſen ſowie
1500 Mk. Betriebsmittel und 500 Mk. aus dem vorgeſehenen Betrage
der Kriſenfürſorge wurden geſtrichen, ſodaß der jetzige Voranſchlag
25 900 Mark beträgt. Die Steuerausſchlagſätze wurde beſchloſſen in der
nächſten Sitzung feſtzuſetzen. Für die Aufbewahrung der alten Akten
werden 2 Schränke angeſchafft und Schreinermeiſter Melk für 130 Mark
übertragen. Der Lehrerrat legt in einem Schreiben Proteſt ein gegen
das Verhalten einiger Gemeinderäte in der Sitzung vom 19. Mai und
verweiſt auf die Dienſtvorſchriften betreffs der Beſichtigung der Schul=
ſäle
ſeitens der Gemeindevertreter ſowie gegen die Herabſetzung der
genehmigten ſachlichen Ausgaben von 1800 auf 1300 Mark. Der Ge=
meinderat
weiſt die in dem Schreiben enthaltenen Vorwürfe zurück und
verſichert, daß es ihm fern gelegen habe, der Lehrerſchaft Vorwürfe zu
machen. Für den Ausflug der Schulkinder an den Rhein wurden für
unbemittelte Kinder 50 Mark bewilligt.
H. Eberſtadt, 29. Juni. Zelt=Volksmiſſion. Die gegen=
wärtig
hier weilende Zelt=Volksmiſſion mußte ihre Eröffnungsfeier und
ihre Verſammlungen am Sonntag, Montag und Dienstag in der evan=
geliſchen
Kirche abhalten, da ſich bei dem Zelte auf dem Marktplatz eine
Künſtlertruppe etabliert hatte, durch deren Vorſtellungen ein ungeſtörter
Verlauf der Miſſionsveranſtaltungen nicht möglich war. Bei der Er=
öffnungsfeier
wirkte der Arheilger und der hieſige gemiſchte Chor der
Landeskirchlichen Gemeinſchaft mit. Es ſprachen Pfarrer Paul für
die hieſige evangeliſche Kirchengemeinde, Evangeliſt Neuber für die
hieſige Gemeinſchaft, Stadtmiſſionar Semmel für die Stadtmiſſion
und der Reiſeprediger der Zeltmiſſion, Adelhelm von Reutlingen. Der
zweite Prediger der Zeltmiſſion, Bruder Veller aus Barmen, leitete
die Feier. Die Eröffnungs=Feier ſowie die Sonntag= Abendverſamm=
lung
waren gut beſucht. Von Mittwoch ab werden die Verſammlungen

Freitag, den 1. Juli 1927

im Zelt ſtattfinden. Der Wagenführer Georg Koch wurde nach
nahezu 3Gjähriger Dienſtzeit bei der Heag mit Wirkung vom 1. Juni
1927 an in den Ruheſtand verſetzt. Der Ortsausſchuß für Volks= den Straßenbau zuiſchen Einſiedel und Gundernhauſen ein weiteres
bildung und Jugendpflege unternimmt am kommenden Sonntag, den
3. Juli, als 7. geologiſche Wanderung unter der Führung des brüchen beſchloſſen. Die Koſten der Straße belaufen ſich auf 150 000 RM.
Handelslehrers Dr. Diehl=Darmſtadt einen Beſuch der geologiſch= paläon=
tologiſchen
Sammlung des Senckenbergiſchen Muſeums zu Frankfurt läßlich des 30jährigen Beſtehens des hieſigen Ziegenzuchtvereins eine
9,12 Uhr mit Sonntags=Rückfahrkarte Frankfurt a. M. Die Führung
iſt um 1 Uhr zu Ende.
* Pfungſtadt, 30. Juni. Heugrasverſteigerung. Die Heu=
grasverſteigerung
der Gemeindewieſen (es handelt ſich um ea. 80 Mor=
gen
) ergab einen Geſamterlös von 2489,50 RM. In den beſſeren Lagen durch die Straßen der Stadt, und nach der offiziellen Feier im Gaſt=
wurden
für einen Morgen 40 RM., in den geringeren Lagen wurden
20 bis 25 RM. geboten.
* Ober=Ramſtadt, 30. Juni. Gaufeſt des Gaues 70 des
Deutſchen Radfahrer=Bundes. Nur noch wenige Tage
trennen uns von dem großangelegten Gaufeſt des Bundes Deutſcher
Radfahrer, das der hieſige Radfahrerverein 1893 übernommen hat. Die
Vorbereitungen im großen Ganzen ſind getroffen. Ein umfangreiches
Feſt= und Sportprogramm iſt aufgeſtellt. Unter letzterem iſt hervor=
zuheben
: Austrag der Gaumeiſterſchaft im 100 Kilometer=Rennen, Wett=
bewerbe
im 2er Radball Aktiv, 6er Jugendreigen, 6er Schulreigen, 8er
Schmuckreigen, Corſo=Fahrt. Außerdem gelangen eine Anzahl Radſpiele,
wie Damenreigen, Kunſtreigen uſw. zur Vorführung. Das Feſt nimmt
Samstag, den 2. Juli mit einem Fackelzug und Bankett auf dem Feſt=
platz
(Buchwald) ſeinen Anfang. Der Sonntag bringt eine große An=
zahl
von Vereinen, die ſich an den Wettſpielen beteiligen. Viele prächtige
Ehrenpreiſe ſind für die Sieger ausgeſetzt. Alle Hände ſind an der
Arbeit, das Feſt, mit dem zugleich die Gau=Bannerweihe verbunden
iſt, zu einem außerordentlichen zu geſtalten. Eine hübſche Feſtſchrift iſt
erſchienen, die den Feſtteilnehmern nicht nur zur nötigen Orientierung,
ſondern auch durch ſeinen intereſſanten Inhalt eine angenehme Er=
innerungsgabe
darſtellt. Auch eine Anzahl Jlluſtrationen aus dem
Feſtort nebſt einem überſichtlichen Lage= und Orientierungsplan ſchmücken ſchönen Verlauf nehmen möge. Geſangsvorträge, turneriſche Vorfüh=
dieſelbe
. Der groß angelegte Feſtplatz wird viele Tauſende von Feſt=
beſuchern
aufnehmen, denen allerlei Genüſſe daſelbſt geboten werden.
Auch die gaſtfreundliche Einwohnerſchaft Ober=Ramſtadts wird ihr
Möglichſtes tun, um den Feſtgäſten den Aufenthalt ſo angenehm als
möglich zu machen. Drum auf nach dem weithin beſtens bekannten Becker, gelieferte Brillantfeuerwerk angeſprochen werden, das alle dar=
Feſtort Ober=Ramſtadt, wo einige genußreiche Stunden geboten werden!
* Ober=Ramſtadt, 29. Juni. Am Sonntag beteiligte ſich das Doppel=
Quartett Konkordia an dem großen nationalen Geſangswettſtreit in nach und nach trafen die auswärngen Vereine ein, um ſich an dem
Griesheim b. D. Der Verein errang uter Leitung ſeines hervorragen= Wertungsſingen, das um halb 9 Uhr in den Gaſthäuſern Zur Laube‟
den Dirigenten, Herrn Kautor H. Samper=Darmſtadt, in der 2. Stadt= (Ldw. Lortz) und Zum Deutſchen Haus (Hch. Daub) begann, zu be=
klaſſe
bei ſehr ſtarker Konkurrenz, den erſten Klaſſenpreis (400 Mark in teiligen. Es wurden dabei ſehr beachtenswerte Leiſtungen erzielt. Pünkt=
bar
), den Ehrenpreis (wertvoller ſilberner Pokal) ſowie den Dirigenten=
preis
(eine ſchöne Bowle und Plakette). Die im Klaſſenſingen konkur= und der Spielabteilung des Arbeiter=Turn= und Sportereins in Be=
rierenden
Vereine erhielten folgende Punktzahlen: Doppel=Quartett
Konkordia=Ober=Ramſtadt, 36 Sänger, 186½ Punkte; Silcher= Quar=
tett
=Offenbach a M., 54 Sänger, 177 Punkte; Liedertafel=Griesheim, 49
Sänger, 162 Punkte. Als Preisrichter fungierten die Herren: Univer= und weihte die neue, von den Ortseinwohnern geſtiftete (dritte) Fahne.
ſitätsmuſikdirektor Prof. Dr. Poppen, Heidelberg, ſowie Univerſitäts=
Konkordia wird gewiß von allen Ober=Ramſtädtern freudigſt mitempfun=
den
und herzlichſt begrüßt.
Rote Kreuz ergab die Summe von 188 Mk. Die Sammlung wurde teren Teil des Nachmittags aus, bis allmählich wieder die auswärtigen
geführt. Dieſen ſowie allen Spendern ſei auch an dieſer Stelle noch=
verein
Einigkeit ſein 20jähriges Stiftungsfeſt.
termin derjenigen Schulkinder, welche in dieſem Jahre 12 Jahre alt
Impfung der im vorigen Jahre geborenen Kinder vorgenomen. Die trägen gemütlich beiſammen.
Reviſionstermine ſind auf 8. Juli um dieſelben Tageszeiten feſtgeſetzt.
jahr 1927 ſind bei der hieſigen Untererhebſtelle erhältlich

Nummer 180

Groß=Zimmern, 29 Juni. Straßenbau Einſiedel
Gundernhauſen. Der Gemeinderat von Groß=Zimmern hat für
Darlehen von 30 000 RM. gemeinſam mit Gundernhauſen und Spach=
* Groß=Umſtadt, 29. Juni. Am Sonntag vormittag (1) fand an=
a
. M., Viktoria=Allee 7. Abfahrt: Eberſtadt 8,47 Uhr Darmſtadt Prämierung von Ziegen im Schulhof der Volksſchule ſtatt. Namhafte
Preiſe ſtanden zur Verfügung, und Liebhahern war Gelegenheit ge=
boten
, auch den der Stadt gehörigen Bock Nero, der bei der Ausſtel=
lung
der Deutſchen Landwirtſchaftsgeſellſchaft zu Dortmund den erſten
Preis davontrug, zu beſichtigen. Nachmittags bewegte ſich ein Feſtzug
haus zum Weißen Roß beſchloß ein Tänzchen die ſchön verlaufene
Veranſtaltung. Am verfloſſenen Mittwoch feierte der bei allen Mit=
bürgern
in hoher Achtung ſtehende Feldſchütz Martin Brücher 2. und
ſeine Gattin Katharina im Kreiſe ihrer Familie das Feſt der Goldenen
Hochzeit. Der Jubilar vevſieht noch in voller Rüſtigkeit ſeinen Dienſt.
Möge dem Ehepgar ein geſegneker Lebensabend beſchieden ſein.
* Groß=Bieberau, 29. Juni. Sängerfeſt. Am Samstag abend
herrſchte ſchon hohe Feſtſtimmung in unſerem von den Bewohnern ohne
Unterſchied der Partei feſtlich geſchmückten Marktflecken, ſollte doch das
70jährige Gründungsfeſt des Männergeſangvereins Eintvacht ver=
bunden
mit Fahnenweihe und dem Wertungsſingen des Gerſprenzgaues,
gefeiert werden. Vor allem die Straßen, durch die ſich der Feſtzug be=
wegen
ſollte, prangten in reichem Girlanden= und Flaggenſchmuck. Um
8 Uhr abends ſetzte ſich der Fackelzug unter Beteiligung ſämtlicher Orts=
vereine
an der Hartmannſchen Mühle in Bewegung, um unter den Klän=
gen
der Kapelle Kollbacher=Werſau und der Spielabteilung des Arbeiter=
Turn= und Sportvereins ſich nach dem Feſtplatz zu begeben. Dort über=
gab
Bürgermeiſter Daab den Feſtplatz (Sportpla) ſeiner Beſtimmung,
nämlich der Jugend, um auf ihm den Körper zu ſtählen und zu ſtärken.
Spenglermeiſter Poth, der Präſident des feſtgebenden Vereins, begrüßte
die Erſchienenen und gab der Hoffnung Ausdruck, daß das Feſt einem
rungen des Deutſchen Turnvereins, ſowie des Arbeiter=Turn= und Sport=
vereins
, Kunſtfahren des Arbeiter=Radfahrervereins und Muſikvorträge
der Feſtkapelle füllten den Abend aus. Als Hauptſehenswürdigkeit des
Abends dürfte wohl das von der hieſigen Adlerdrogerie, Inhaber Gg.
auf geſetzten Erwartungen übertraf und alle Anweſenden entzückte. Am
Sonntag, vormittags 6 Uhr, ertönte in den Ortsſtraßen der Weckruf,
lich um 2 Uhr ſetzte ſich der Feſtzug in Begleitung von 2 Muſikkapellen
wegung. Es nahmen daran 45 geſchloſſene Vereine teil. Nach der Be=
grüßungsanſprache
des Präſidenten Poth wies Studienaſſeſſor Dr. Held=
mann
, ein Sohn Groß=Bieberaus, in ſeiner Feſtrede in zu Herzen
Sänger, 162 Punkte; Liederkranz=Zellhauſen bei Offenbach a. M., 70 gehenden Worten auf die Bedeutung des Liedes in Freud und Leid hin
Die eine Seite der Fahne, die von Kaufmann Wilhelm Nuths= Groß=
muſikdirektor
Prof. Dr. Zöllner, Heidelberg. Dieſer ſchöne Erfolg der Bieberau geliefert iſt, trägt die Lyra mit dem Groß=Bieberauer Orts=
wappen
(einen Biber in blauem Felde darſtellend). In dem Feſtprolog
übergab Fräulein E. Schuchmann die neue Fahne dem Fahnenträger
* Noßdorf, 30. Juni. Das Ergebnis des Opfertags für das des Vereins, Georg Feick. Lieder= und Muſikvorträge fülltem den wei=
von
Mädchen des Alice=Frauenvereins in liebenswürdiger Weiſe aus= Vereine zur Heimkehr aufbrachen. Am Montag vormittag trafen ſich
viele Feſtteilnehmer zum Frühſchoppenkonzert auf dem Feſtplatz. An
mals herzlich gedankt. Am 2 und 3. Juli feiert der Arbeitergeſang= dem Feſtzug am Nachmittag beteiligten ſich wiederum ſämtliche Orts=
vereine
mit Feſtwagen, um ſich nach dem Feſtplatz zu begeben. Dort ver=
* Roßdorf, 30. Juni. 1. Impftermine. Oeffentlicher Impſ= gingen die Stunden ſehr raſch. Für die Kinder wurden Spiele veran=
ſtaltet
, die Sieger erhielten vom Verein geſtiſtete Geſchenke. Der von
werden oder geworden ſind, findet am 1. Juli, nachm. 2½ Uhr, auf dem Schulkindern aufgeführte Reigen fand großen Gefallen bei allen Zu=
Nathauſe ſtatt. Am gleichen Tage, nachmittags 3½ Uhr, wird auch die ſchauern. Abends war man noch bei Tanz, Geſangs= und Muſikvor=
* Höchſt i. D. 30. Juni. Der hieſige Männergeſangverein begeht.
2. Gewerbeſcheine. Die Gewerbeſcheine für das Rechnungs= vom 2. bis 4. Juli ds. Js. die Feier ſeines 25jährigen Jubiläums, ver=
bunden
mit großem nationalem Geſangswettſtreit. Selbſt auf dem Ge=
biete
des Geſangswettſtreits wohlerfahren, iſt zu evwarten, daß der
Jubelberein unter der Leitung ſeines bewährten Dirigenten, Herrn
Herbert=Darmſtadt, ſeiner nicht zu unterſchätzenden Aufgabe voll und
ganz gerecht wird. Die Bahnverbindung des ſehr ſchön gelegenen Feſt=
orts
iſt dank der günſtigen Geſtaltung des Sommerfahrplans eine gute
zu nennen, und dürfte es daher dem Jubiläumsfeſte an Zuſpruch ſicher
nicht fehlen.

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R44

Freitag;den 1:Sufi 927

Seife 9

* Reichelsheim, 29. Ju. Ein neues Schwimmbad zu
Feichelsheim. Das Schwimmbad der Gemeinde Reichelsheim iſt
fertiggeſtellt und wird am Sonntag, den 3. Juli, ſeiner Beſtimmung
übergeben werden. Seine Ausmaße ſind derart, daß es den höchſten An=
forderungen
zu entſprechen vermag. Das Bechen iſt 130 Meter lang und
40 Meter breit und beſitzt ſehr gute Zu= und Abflußverhältniſſe. Ein
großer Turn= und Spielplatz iſt mit der Anlage verbunden und ſo auch
genügend für Licht= und Luftbadmöglichkeiten geſorgt. Schöne Hallen=
bauten
enthalten Erfriſchungs= und Umkleideräume, und was das Bad
noch beſonders auszeichnet, das iſt ſeine wunderbare Lage: am Fuße
des Reichenbergs, dicht bei Reichelsheim, in einer Talrinne gelegen, auf
der Nordſeite von Wald umſäumt. Der Platz hätte nicht ſchöner aus=
geſucht
werden können. Er wurde in beſonders dankenswerter und zu=
vorkommender
Weiſe von dem Gräflichen Hauſe in Erbach der Gemeinde
Reichelsheim zu einem geringem Pachtpreis umd mit Vorkaufsrecht über=
laſſen
. Die Errichtung der Badeanlage, die auf dem Wege der produk=
tiven
Erwerbsloſenfürſorge unter Leitung des Kulturbauamtes in Darm=
ſtadt
erfolgte, iſt eine Tatz, zu der man die Gemeinde und beſonders
ihren rührigen Bürgermeiſter Heiſt beglückwünſchen kann. Er hat damit
bewieſen, daß er über ſeine gewöhnlichen Verwaltungsgeſchäfte hinaus
ſich auch ſeiner volkserzieheriſchem Pflichten bewußt und beſtrebt iſt, Rei=
chelsheim
, ſeiner Bedeutung als Kulturort entſprechend, zu fördern.
* König i. O., 30. Juni. An dem am Sonntag von dem Geſang=
verein
Sängerbund Griesheim unter großer Beteiligung veranſtalteten
Geſangswettſtreit nahm auch der Geſangverein Liederkvanz König i. O.
teil. Bei ſchärfſter Konkurpenz konnte er in der 2. Landklaſſe den 1. Preis
(300 Mk.), den 1. Ehvenpreis und Dirigentenpreis (ie ein prachtvoller
Kumſtgegenſtand) erringen. Der Verein hat ſomit den Odenwald unter
Leitung ſeines vorzüglichem Dirigenten und Meiſters, Herrn Herbert=
Darmſtadt, aufs würdigſte vertreten.
* Michelſtadt, 29. Juni. Von der Stadtſchule. An der
Stadtſchule wurden zwei Lehrſtellen errichtet, die den bereits ſeit länge=
ren
Jahren hier tätigen Schulverwalterinnen. Fräulein Ruths und
Fräulein Pauli übertragen wurden. Zahnärztliche Be=
handlung
von Schulkindern. Giner Mitteilung, die in der
letzten Gemeinderatsſitzung gegeben wurde, iſt zu entnehmen, daß der
in Michelſtadt anſäſſige Zahnarzt Dr med. dent. Pieroth m 300
Fällen koſtenlos Zahnbehandlung geleiſtet hat. Von den behandelten
Kindern waren 80 Prozent aus Michelſtadt und 20 Prozent aus Erbach.
Der Gemeinderat ſprach Herrn Dr. F. Pieroth ſeinen Dank aus.
Alarmſirene. Seit längerer Zeit wurden in Michelſtadt ver=
ſchiedene
Sirenen zur Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr aus=
probiert
. Als ſich dieſer Tage der Gemeinderat entſcheiden ſollte, fand
ſich keine Mehrheit, die der Anſchaffung einer Sirene zuſtimmen wollte.
Man war vielmehr der Anſchauung, daß man mit den früheren Nebel=
hömnern
auskommen könne. Dem Glöckner der Stadtbirche ſoll ein
Telephon gelegt werden, da man ſich hiervon bei dem Vorhandenſein
des Selbſtanſchlußamtes ebenfalls eine raſche Alarmierung im Falle
eines Brandes durch die Kirchenglocken verſpricht. Straßen=
herſtellung
. In der Waldſtraße werden zurzeit umfangreiche Her=
ſtellungsarbeiten
der Straße geleiſtet. Der vordere Teil der Straße
wird mit Kleinpflaſter verſehen, der obere Teil wird neu chauſſiert. Die
Arbelt geht unter Benützung einer großen Dampfwalze ſehr raſch von=
ſtatten
. Nunmehr läßt die Stadt auch noch den Weg mach dem Stadion
nen herſtellen. Die Waſſerleitung mußte an verſchiedenen Punkten in=
folge
aufgedeckter Mängel verbeſſert werden.
Erbach i. O., 30. Juni. Mit dem morgigen Tage ſcheidet Herr
Regierungsrat Dr. Feilbach aus unſerem Kreisamt aus, um in
Offenbach a. M. das neu gegründete Arbeitsgericht, das das größte von
Heſſen iſt, als Vorſitzender zu übernehmen. Herr Regierungsrat
Dr. Feilbach kam vor ſaſt zehn Jahren, im September 1917, als
Regierungsaſſeſſor nach Erbach an das Kreisamt. Die letzte allerſchwerſte
Zeit des Krieges mit ſeinem unglücklichen Ausgang, die ſtaatliche Um=
wälzung
, die erſten ſchweren Jahre des Wiederaufbaues, die unfelige
Zeit der Inflation, dam die andauernde Erwerbsloſigkeit zehn
Jahre ſchwverſter Verantwortung und nervenzerſtörender Tätigkeit auf
wichtigem, exponiertem Verwaltungspoſten ſind eine Leiſtung, eine
Lebensarbeit. Jahrelang hat Herr Regierungsrat Dr. Feilbach den
hieſigen Kommmalverband mit Geſchick und Erfolg zum Segen aller
geleitet. Unter ſeiner Amtszeit wurde das Gewerbegericht gegründet,
das er leitete, der bedeutend erweiterte Arbeitsnachweis, das Jugend=
und Fürſorgeamt u. a. m. Herr Regierungsrat Dr. Feilbach hat alle
dieſe ihm geſtelltem Aufgaben als ein ganzer Mann, als ernſter pflicht=
bewußter
Begmter mit beſtem Erfolge und Geſchick gelöſt. Er wird
hier im Kreiſe nicht leicht zu erſetzen ſein und nur umgern ſehen wir
den Mann von hier ſcheiden, der für jeden, der ihn aufſuchte, ein freund=

liches Wort hatte und half, wo er konnte, weit über ſeinen Pflichtenkreis
hinaus. Zehn Jahre äußerſter pflichttreuer Arbeit gehen nicht ſpurlos
vorüber, weder an dem, der ſie geleiſtet hat, noch an ſeinem Wirkungs=
kreis
. Wir, die wir ihn hier ſchwer vermiſſen werden, werden ſeiner
ſtets in Treue und Dankbarkeit gedenken, möge er auch unſerer und des
Odenwaldes gerne gedenken. Wir wünſchen ihm, daß er in ſeinem
neuen Wirkungskreis ebenſoviel Erfolg habe, wie in dem ſeitherigen
und daß ihm und ſeiner verehrten Gemahlin die neue Heimat ebenſo
lieb ſein werde, wie wir hoffen, daß es ihnen die ſeitherige war.
i. Beerfelden, 30. Juni. Als vorgeſtern mittag Herr H. Kumpf von
hier von Rothenberg zurückehrte, fand er in der Nähe des Blockhauſes
auf der Straße einen Motorradfahrer, der bewußtlos unter ſeinem Rade
lag. Der Verunglückte erlangte das Bewußtſein wieder und wurde von
Herrn Kumpf hierher zum Arzt. gebracht, der eine leichte Gehirnerſchütte=
rung
feſtſtellte. Der Verunglückte, ein Reiſender aus Walldürn, wurde
mit einem Perſonenauto in ſeine Heimat verbracht.
t. Gammelsbach, 30. Juni. Prompt ausbezahlt. Am Sonn=
tag
fuhr ein Perſonenauto gegen Eberbach mit ſolcher Schnelligkeit durch
unſeren Ort, daß zwei Rothenberger Sänger nicht mehr ausweichen
konnten und angerempelt wurden. Der Chauffeur hielt und bekam
alſobald den Lohn für ſeine Schnelligkeit in Geſtalt einer Tracht Prügel.
Ihm lamen Eberbacher Bekannte zu Hilfe, die Angerempelten erhielten
aber auch Zuzug in den Mitgliedern der beiden Rothenberger Geſang=
vereine
. Die Keileret endete damit, daß die Eberbacher Sänger in ein
Auto eilten und davonfuhnen.
n. Hüttenthal i. O., 29. Juni. Die diesmalige Bürgermeiſter=
wahl
erledigte ſich in der denkbar glatteſten Weiſe. Ein Gegenkan=
didat
war nicht aufgeſtellt, und fo bleibt das ſeitherige Ortzoberhaupt,
Herr Gaſtwirt Jakob Heß, für 9 weitene Jahre Büvgermeiſter unſerer
Gemeinde. Dieſes Ergebnis zeugt von dem guten Eiwvernehmen zwi=
ſchen
der Einwohnerſchaft und ihrem Oberhaupt.
Hirſchhorn, 30. Juni. Waſſerſtand des Neckars am
29. Junf 0,92 Meter, am 30. Juni 0,90 Meter.

Schöne Arme mäften
TAAISIERT
Werden
erklärt Fräulein Marcelle Praincre
Marcelle Prainere besitzt die schönsten Arme der Welt und
sagt uns:
Um vollkommen schön zu erscheinen, darf eine Dame nicht
das geringste Härchen auf den Armen haben; da man sich unmögllch
des Rasiermessers bedienen kann, welches die Haut reizt, Pickel ver=
ursacht
, dunklen Schimmer hinterläßt, oder die üblen schlecht
riechenden Depilatorien, die kompliziert in der Anwendung sind, so
kann man nur noch TAKV gebrauchen: diese parkamierte Creme
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Somenwendſeler der Buſchenſchaſe.
auf dem Hoberodskopf.
Auf Veranlaſſung der V. A.B. Alsfeld=Lauterbach waren Burſchen=
ſchafter
Oberheſſens und der angrenzeuden Gebiete am 25. Juni zu
einer Sonnenwendfeier auf Heſſens höchſtem Berge, dem Hoherodskopf,
zuſammengekommen. Der Vorſitzende der V.A.B. Alsfeld=Lauterbach,
Herr Studienrat Scheerer, hatte keine Mühe geſcheut, einen Abend von
nachhaltigſter Wirkung zu erzielen. Es war ein wunderbares Bild, als
ſich die Nacht herniederſenkte, und der Schein des inzwiſchen angefachten
Holzſtoßes weithin leuchtete über die benachbarzen Höhen und das
ſchlafende Tal, wo ferne Lichter traulich herauf grüßten. Markige und
ſcharf durchdachte Worte fand jetzt Herr Dr. Bruchhäuſer über Zweck
und Sinn der Sonnenwendfeier mit ihrer großen Wirkung auf das
deutſche Gemüt. Anſchließend daran ſangen die Anweſenden ſichtlich
ergriffen das Deutſchlandlied. Im weiteren Verlauf des Abends ſprach
dann in packender Weiſe im Anſchluß an die Worte des Vorredners
Herr Studienpat Braunewell über Burſchenſchaft und Politik, insbe=
ſondere
über die Stellung der Bupſchenſchaft von heute zur großdeut=
ſchen
Frage. Nach Abſingen des Burſchenſchafterliedes dankte Herr
Amtsgerichtsrat Heußner Voyſitzender der V.A. B. Hersfeld der
V. A.B. Alsfeld=Lauterbach als Veranſtalterin des Abends in trefflichen
Worten im Namen der Anweſenden für die wohlgelungene Feier. Bis
zu den erſten Morgenzügen blieben die Teilnehmer zuſammen und
ſchieden dann mit dem Verſprechen, jeder an ſeinem Teil dafür ſorgen
zu wollen, daß dieſer zweiten burſchenſchaftlichen Feier auf dem Hohe=
rodskopf
das nächſte Jahr eine dritte in größerem Rahmen folgen ſolle,

* Hofheim, 30. Juni. Jubiläumsfeier. Die Feier ſeines
50jährigen Beſtehens begeht am kommenden Sonntag das hieſige Gaſt=
haus
Zum Löwen‟. Die 82 Jahre alte erſte Beſitzerin ſowie der noch
einzige lebende Handwerker, der vor 50 Jahren bei der Erbauung des
Gaſthauuſes tätig war, ſehen voll freudigen Stolzes der Jubelfeier ent=
gegen
. Anläßlich derſelben findet am Samstag abend Konzert und am
Sonntag Tanzmuſik ſtatt.
* Crumſtdt, 30. Juni. Zum Blumentag am 3. Juli rüſten der
Frauen= und der Jungmädchewverein, ſie wollen liebe Gäſte empfangen
und ihmen viel für Geiſt und Seele, Herz und Gemüt, freilich auch für
den Leib bieten. Zu der Jugend redet Herr Pfarrvikar Schäfer= Darm=
ſtadt
, zu den Frauen und Müttern Herr Studienrat Dr. Zimmermann=
Darmſtadt. Laßt uns das weite Gebiet der Arbeit und Sorge unſerer
Mütter und Frauen überdenken, dann gönnen wir ihmen gerne ſo ein
Feſt, das ſie hinführt zur Quelle der Kraft alles Dienens, zu dem
Evangelium. Darum laßt die Frauen und Mädchen ihre Feſte feiern
nach ihrer Art, kommt und feiert mit, da wird der Kopf nicht ſchwer
und der Geldbeutel nicht leer, aber der Geiſt wird friſch und die Seele
ſtark, um einander weiter zu dienen. So feiert man Feſte; mittags
beginnt unſer Feſt, bis zum Abend iſt man wieder bei ſeiner Familie.
Eine Aufführung, Reigen und Geſänge ſollen das Feſt ſchön machen,
Blumen und Karten ſollen für unſer geplantes Sälchen mit Kranken=
ſchweſterwohnung
verkauſt werden. Unſere Krankenſchweſter, Marie
Göbel, iſt nun zwanzig Jahre mit kurzer Unterbrechung durch den
Krieg bei uns und hat unſeve Kranken gepflegt, es ſoll der Blumentag
auch für ſie ein Ehrentag ſein. Nun ſchicke uns Gott ſchönes Wetter
und liebe Gäſte.
* Groß=Gerau, 30. Jumi. Unfall. In einer hieſigen Fabrik geriet
ein Arbeiter mit der Hand in eine Stanzmaſchine. Ihm wurden vier
Finger der rechten Hand abgedrückt
* Oreieichenhain, 29. Juni. Während ſeines Frankfurter Aufent=
halts
beſuchte der ruſſiſche Außenminiſter das hieſige Hei=
mat
=Muſeum. Er teilte einem Frankfurter Herrn mit, daß er da
eine ſchöne Stube geſehen habe. Hätte er ſich zu erkennen gegeben, dann
wäre ihm eine Bibel gezeigt worden, die ein auſſiſcher Offizier 1813 dem
damaligen Pfarrer mit Widmung geſtiftet hat, die ihn ſicher ſehr
intereſſiert hätte.
* Ober=Roden, 29. Juni. Am Sonntag machte der Muſibverein
Ober=Roden einen Spaziergang nach Eppertshauſen. Der Gderſche Saal
war bald bis auf den letzten Platz beſetzt. Gin flottgeſpielter Marſch
brachte ſofort die paſſiven Mitglieder ſamt ihren Angehörigen in die
rechte Stimmung und ließ einen großen Kunſtgenuß erwarten. Was die
25 Herren unter der bewährten Leitung ihres Kapellmeiſters Michael
Heck boten, überraſchte die Zuhörer. Dem Dank und der Anerkennung
gab Lehrer Weber am Schluſſe des Konzerts in beredten Worten Aus=
druck
. Begeiſtert ſtimmten alle Anweſenden in das Hoch ein, das er am
Schluſſe ſeiner Ausführungen auf den Verein ausbrachte.

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Freitag, den 1. Juli 1922

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[ ][  ][ ]

Nummer 180

Freitag den 1 Jul 1927

Geite 11

Der diine Trungogeanfralng.

Von links nach rechts: Kommandant Byrd, Leutnant Georg Noville und der bekannte Flieger
Bert Acoſta.

Reich und Ausland.
Reichstagung der Bankbeamten.
Unter ſehr zahlreicher Beteiligung wurde in Köln
die diesjährige ordentliche Hauptverſammlung des
Deutſchen Bankbeamten=Vereins ab=
gehalten
. Als Vertreter des Reichsarbeits=
miniſteriums
war Oberlandesgerichtsrat Dr.
Siller, für den Bund Deutſcher Bodenre=
former
Dr. Damaſchke, und für den Gewerkſchafts=
ring
Deutſcher Arbeiter=, Angeſtellten= und Beamten=
Verbände deſſen Generalſekretär, Reichs=
tagsabgeordneter
Lemmer, erſchienen.
Den Bericht über die verfloſſene Geſchäftsperiode er=
ſtattete
der Vorſitzende Fürſtenberg, der u. a.,
geſtützt auf ein reiches Zahlenmaterial, die innere
Kraft des Bankgewerbes und ſeine durchaus günſtige
Entwicklung in den letzten beiden Jahren ſchilderte
und davon ausgehend die Tätigkeit des D.B.V. in
der Tarifbewegung beleuchtete; er erörterte auch eine
Anzahl anderer ſozialer Fragen, mit denen ſich die
Organiſation beſchäftigt hat. Trotzdem in der Be=
richtsperiode
ein weiterer Abbau von faſt 25 000
(meiſt kaufmänniſchen) Angeſtellten erfolgte, blieb der
Verein infolge ſehr erheblichen Zuwachſes mit rund
32000 Mitgliedern die weitaus ſtärkſte Arbeitnehmer=
Organiſation im Bankgewerbe. Aus dem Kaſſen=
bericht
geht hervor, daß das Vereinsvermögen ſeit
Anfang 1924 beträchtlich geſteigert werden konnte, der
diesmalige Abſchluß zeigt einen Ueberſchuß von rund
195 000 Reichsmark. Unter lebhaften Beifallsbezeu=
gungen
wurde dem Vorſtand einſtimmig Entlaſtung
erteilt. Nach einem Vortrag von Dr. Damaſchke über
das Heimſtättenweſen und deſſen Bedeutung für die
geſamte Volkswirtſchaft und nach Erledigung der
Regularien wurden verſchiedene Entſchließungen an=
genommen
. In dieſen wurde u. a. eine beſſere Aus=
geſtaltung
des Reichstarifes in arbeitsrechtlicher und
gehaltlicher Beziehung, eine erhöhte Sicherung der
älteren Angeſtellten, die Einbringung des Geſetzes
über die Bildung von Heimſtätten und ein ſtärkerer
Schutz für Betriebsrats=Mitglieder gefordert. Gegen
jede Lockerung der Mieterſchutz=Geſetzgebung wurde
lebhaft proteſtiert. Die nächſte Hauptverſammlung
wird 1929 in Hamburg ſtattfinden.
Ein früherer Hauptmann als Hochſtapler.
Berlin. Der wegen Betrugs vorbeſtrafte frühere
Artilleriehauptmann Horſt Auguſt Meyer=Mülhens
aus Wiesbaden, ein in Süddeutſchland nicht unbe=
kannter
Herrenreiter, iſt unter Hinterlaſſung großer
Schuldenlaſten aus Potsdam, wo er als Untermieter
bei der Tochter des Geh. Kabinettsrates des früheren
Kaiſers, v. Lucanus, wohnte, geflüchtet. Gegen
Meyer=Mülhens iſt von der Potsdamer Polizei Haft=
befehl
beantragt worden, zumal gegen den Flüchtigen
bereits Vorführungsbefehle wegen anderer Straf=
taten
vorliegen. Meher=Mülhens iſt zuletzt im Ka=
ſino
in Zoppot geſehen worden. Bisher liegen gegen
den früheren Hauptmann nicht weniger als 20 An=
zeigen
vor.
Berlins größten Einbruch aufgeklärt.
Wohl der größte Einbruch, der jemals in Berlin
verübt worden iſt, die Plünderung des Juwelen=
geſchäfts
von Roſenthal u. Sohn in der Friedrich=
ſtraße
am 22. Juli 1923 iſt jetzt von der Kriminal=
polizei
aufgeklärt worden. Einer der Täter, der nach
einem Einbruch in den Räumen der Diamanten=
regie
in der Friedrichſtraße verhaftet werden konnte,
der Pole Moſzak Meſz, hat das Geſtändnis abgelegt,
gemeinſam mit zwei Komplizen, die ſich augenblick=
lich
in Nordafrika aufhalten ſollen, den Einbruch
begangen zu haben. Der Hehler und Anſtifter des
Raubzuges, der Berliner Juwelier Schaffer, geriet
in Erpreſſerhände und hat durch Selbſtmord oder
Verbrechen geendet.
Aufruf gegen die Berliner Räuberbande.
Berlin. Auf die Ergreifung der Bande, die
in den letzten Wochen in den nördlichen und öſtlichen
Vororten Berlins zur Nachtzeit und in früher Mor=
genſtunde
Wohnungen in alleinſtehenden Landhäuſern
heimſuchte, hat das Polizeipräſidium jetzt eine Be=
lohnung
von 3000 RM. ausgeſetzt. Die Belohnung
wurde durch Säulenanſchlag bekannt gemacht. Bei
der Ergreifung der Täter, die ſtets unter Be=
drohung
mit der Schußwaffe vorgehen, iſt gegebenen=
falls
von der Waffe Gebrauch zu machen.

Ein deutſches Kulturdenkmal
in Gefahr.

Der Schweriner Dom.
Starke Beſchädigungen des Turmgebälks durch
Schwamm haben eine Unterſuchung des Dombaus
erforderlich gemacht. Es iſt feſtgeſtellt worden, daß
die Balkenlagen ſtark vermorſcht ſind, ſo daß mit den
Renovierungsarbeiten zur Erhaltung des hiſtoriſchen
Bauwerkes ſchnellſtens begonnen werden muß.

Byrds Paſſagier= und
Poſtflug.
Bhrds Flug mit 1 Million Mark Unkoſten
der koſiſpieligſte Flug.
inf. Byrd, der bekannte amerikaniſche Flieger, iſt
jetzt zu einem Ozeanflug aufgeſtiegen, um dem bisher
zweimal von Fliegern zurückgelegten Weg nach
Europa aufs neue zu vollenden. Aber dieſer Ozean=
flug
unterſcheidet ſich weſentlich von den bisher aus=
geführten
, denn es iſt der erſte Flug, der mit Sicher=
heitsvorrichtungen
unternommen wird, die auf einer
Flugzeugfahrt überhaupt möglich ſind. Der Ozean=
flug
Byrds wird dadurch gleichſam die Grundlage
für alle künftigen Paſſagierflüge über den Ozean
werden. Sowohl Lindbergh als auch Chamberlin
haben bei ihren Ozeanflügen mehr den ſportlichen
Charakter gewahrt und von Maßnahmen der Sicher=
heit
im Großen und Ganzen abgeſehen. Es war
klar, daß in Zukunft derartige Ozeanflüge nur von
kühnen Piloten unternommen werden können, daß
ſie aber für die Entwicklung des Ozeanverkehrsflugs
keine Bedeutung haben. Der Flug Byrds iſt nun
aber der erſte, bei dem tatſächlich alle Grundlagen ge=
ſchaffen
ſind, die für den Ozeanflug in Betracht kom=
men
. In erſter Reihe iſt zu erwähnen, daß fein
Flugzeug ein dreimotoriger Apparat iſt, der ſchon
dadurch die Gewähr gibt, daß bei Verſagen eines
Motors der Flug trotzdem nicht gefährdet iſt. Das
Weſentlichſte iſt aber die Ausſtattung des Flug=
zeuges
mit den ausgezeichneten Rundfunkapparaten.
Bei 150 Watt Energie beſitzt der Hauptfunkſender
eine Reichweite von 4600 engliſchen Meilen bei
Tage; bei Nacht iſt die Reichweite bekanntlich be=
deutend
größer. Außerdem aber hat der Apparat die
Möglichkeit, das bekannte SOS=Zeichen regelmäßig
zu geben, daß im Falle eines Unglücks die Schiffe,
die ſich in der Nähe des Flugweges befinden, ſchnell
zu Hilfe herbeieilen können. Dadurch iſt für die
Sicherheit der Fluggäſte alles getan, was nach dem
heutigen Stande der Funkeinrichtungen getan wer=
den
kann. Aßerdem iſt das Flugzeug von Byrd durch
ſeinen Bau in beſonderer Weiſe für den Ozeanflug=
verkehr
geeignet. Der Veranlaſſer dieſes Fluges iſt
der bekannte Warenhausbeſitzer Wanemaker, einer
der größten Kaufleute Amerikas. Er hat für dieſen
Flug bereits die ungeheure Summe von 1 Million
Mark bereitgeſtellt, ſo daß es mit ſeiner Hilfe möglich
geweſen iſt, den Flug in jeder Beziehung ſo auszu=
rüſten
, daß er eine neue Erweiterung, der Ozeanflüge
wird. Man darf ſich aber auch trotz dieſer Sicherheits=
vorrichtungen
nicht darüber täuſchen, daß das Flug=
zeug
Byrds nicht das Ideal eines Paſſagierflugzeuges
für den Ozeanverkehr iſt. Alle Sicherheitsmaßnahmen
für den Flug ſind zwar in ſachlicher Weiſe getroffen
worden, aber immer noch handelt es ſich um den
alten Flugzeugtyp, der von Wind und Wetter ab=
hängig
iſt. Byrd hat mit ſämtlichen Wetterſtationen
Europas und Amerikas Verbindung angeknüpft, um
die günſtigſte Wetterlage für ſeinen Flug feſtzuſtellen.
Schon dieſe Tatſache allein iſt bezeichnend dafür, daß
das Flugzeug Byrds noch zu ſehr von den Launen
der Witterung abhängig iſt, als daß es geeignet wäre,
einen regelmäßigen ununterbrochenen und ſicheren
Verkehr über den Ozean zu gewährleiſten. Nur das
Flugzeug wird tatſächlich für den Ozeanflug in Be=
tracht
kommen, das ohne Rückſicht auf die augenblick=
liche
Wetterlage fahrplanmäßig Flüge durchzuführen
in der Lage iſt. Es wird ſich alſo um ein Flugzeug
handeln, das durch ſeine Bauart den Angriffen der
Atlantik=Stürme nicht ſo ſchnell erliegt, wie die jetzt
benutzten Flugzeugtypen. Es dürfte vielleicht in erſter
Reihe der deutſchen Flugzeuginduſtrie vorbehalten
ſein, ein ſolches Flugzeug zu ſchaffen und man darf
ſich nicht im Unklaren darüber ſein, daß auch der
Byrd’ſche Flug im höheren Sinne ein Sportflug iſt,
wenn auch allerdings das Flugzeug Vorkehrungen
aufweiſt, die es für einen Ozeanverkehr geeigneter
machen, als es die Flugzeuge ſeiner beiden Vorgänger
waren. Der Flug Byrds, wenn er gelingt, iſt eine
weitere Etappe auf dem Wege des Ozeanpaſſagier=
verkehrs
, aber noch nicht der Beginn eines ſolchen.
Techniſches von der America‟
Der Flug Byrds wird der erſte offizielle
Poſt= und Paſſagierflug über den At=
lantic
ſein. An Bord befinden ſich außer Byrd
noch drei Fluggäſte. Als Flugziel hat Byrd end=
gültig
Paris feſtgeſetzt. Den Rückflug beab=
ſichtigt
er jedoch von der iriſchen Küſte aus
anzutreten, um ſo vier bis fünf Flugſtunden auszu=
gleichen
, die infolge des Gegenwindes auf dem Rück=
flug
mehr beanſprucht werden. Byrd benutzt ebenſo
wie bei ſeinem berühmten Nordpolflug einen Fokker=
Aeroplan. Sein Flugzeug trägt den Namen Ame=

rica und die Lizenznummer N. K. 206 und beſitzt drei
luftgekühlte je 200 PS. ſtarke Wright=Motoren, die
Henderſſon=Propeller treiben. Die Flügel haben eine
Spannweite von 71 Fuß. Das Gewicht des Appa=
rates
beträgt 145 000 engliſche Pfund. Der Haupt=
tank
hat über 3600 Liter Gas. Ueberdies ſind vier
Reſervetanks vorhanden, von denen jeder 95 Gal=
lonen
Betriebsſtoff enthält. Mit der geſamten mit=
geführten
Betriebsſtoffmenge läßt ſich ein Flug von
50 Stunden Dauer erzielen. Byrd ſchätzt die Durch=
ſchnittsgeſchwindigkeit
ſeiner Maſchine auf 140 Kilo=
meter
die Stunde und rechnet mit einem Flugradius
von 6800 Kilometer bei ſtiller Luft. Der Pilot will
während des ganzen Fluges alle drei Motoren laufen
laſſen, da ein ſtillſtehender Motor die Geſchwindigkeit
um 15 Meilen die Stunde herabdrücken würde. Die
America iſt mit einem ſeetüchtigen Faltboot aus=
gerüſtet
; reichliche Nahrungsmittel befinden ſich an
Bord. Während des ganzen Fluges wird das Flug=
zeug
jede 6. Min. automatiſch auf Welle 690 ein eige=
nes
Rufzeichen WTW ausſenden, das lediglich
dann unterbrochen werden ſoll, wenn der Radio=
offizier
Walcon, der Byrd begleitet, das ſtündliche
Flug=Bulletin ausſendet. Dieſe offiziellen Mittei=
lungen
werden gleichfalls auf Welle 690 geſandt.
Die drei Paſſagiere ſind der frühere norwegiſche
Marineleutnant Bernt Balchen, der amerikaniſche
Fliegerleutnant Noville und der Amerikaner Acoſta.
Byrd im Nebel:
EP. Paris. Nach einer Meldung aus New
York wurde von den amerikaniſchen Funkſtationen
um 11,39 Uhr W.E.Z. ein Funktelegramm Byrds
aufgefangen, wonach ſtarker Nebel über Neufund=
land
herrſche, der es ihm nicht einmal ermöglichte,
das Ende der Flügel des eigenen Flugzeuges zu
ſehen. Das Fliegen werde durch entgegengeſetzte
Winde behindert. Byrd ſcheint außerdem funken=
telegraphiſch
erfahren zu haben, daß Maitland und
Hegenberger in Honolulu angekommen ſind, denn
er erſuchte in einem weiteren Telegramm, ſeinen
Kollegen ſeine Glückwünſche zu übermitteln. Byrd
hat ſeinen Mechaniker angewieſen, ſofort an Bord
des Präſident Rooſevelt nach Europa zu fahren,
um in Paris das Flugzeug zu prüfen. Er beabſich=
tige
, wieder auf dem Flugweg nach Amerika zurück=
zukehren
.
Byrd über Irland.
EP. Paris, 30. Juni.
Nach hier eingetroffenen Meldungen iſt das Flug=
zeug
Byrds um 3 Uhr nachmittags beim Kap Clear
ſüdweſtlich von Irland geſichtet worden. Von dem
vorhergegangenen Flug liegen folgende Meldungen
vor: Der Flug Byrds über den Atlantiſchen Ozean
nimmt unter ungünſtigen Witterungsverhältniſſen,
d. h. bei dichtem Nebel und ſtarken Regenfällen
ſeinen Verlauf. Um 2 Uhr 21 morgens fing der
Dampfer Doric bei 492 26: nördlicher Breite und
442 10: weſtlicher Länge einen Funkſpruch auf, daß
die America 50 Meilen von dieſem Punkt ent=
fernt
war. Der Dampfer Berlin (480 15 nörd=
licher
Breite und 252 15 weſtlicher Länge) meldete
das Flugzeug um 9 Uhr 20. Das Motorengeräuſch
ſei deutlich vernehmbar geweſen, jedoch habe man
das Flugzeug ſelbſt nicht geſichtet. Dieſe Meldung
wurde durch einen Funkſpruch des Dampfers Paris
beſtätigt, der das Flugzeug um 9 Uhr 15 wahrnahm.
Belfaſt teilte um 12 Uhr 30 mit, daß der Radiopoſten
Valentia ſtets deutlicher werdende Signale des Flug=
zeuges
auffange. Nach der Stärke dieſer Snagnale
ſchätzte man die Entfernung bis zur America auf
etwa 300 Meilen. Wenn dieſe Rechnung zutrifft,
hätte Byrd zu dieſer Zeit etwa 4500 Kilometer
von der 6000 Kilometer betragenden Flugſtrecke
zurückgelegt, was einer mittleren Stundengeſchwin=
digkeit
von 173 Kilometer entſpräche. Er würde
demnach noch vor Mitternacht in Le Bourget erwartet
werden können.
Byrd über dem Aermelkanal.
Die Funkſtation Rougeterre bei Cherbourg fing
um 18 Uhr einen Funkſpruch Byrds auf, in dem
dieſer ſeine Poſition mit 50 43 nördlicher Breite
und 52 54: weſtlicher Länge angibt. Dieſer Punkt
liegt im Aermelkanal in Höhe der engliſchen Küſte.
Es hat alſo den Anſchein, als ob Byrd den Kanal
in Richtung auf Cherbourg überquert.
Byrd nähert ſich der franzöſiſchen Küſſe.
Wie aus Lorient gemeldet wird, find die Radio=
Station von Queſſant an der Nordweſt=Spitze Frank=
reichs
um 16,05 Uhr einen Funkſpruch Byrds auf,
in dem er mitteilte, daß er vor Ablauf einer Stunde
in Sicht des Feſtlandes kommene werde. An Bord
gehe alles gut. Um 16,30 Uhr meldete Queſſant, die
Abſtänden
Radio=Station erhalte in regelmäßi
das Gebezeichen der America: WTW.

Karte zu Byrds Transozeanflug.

Byrds Endziel nicht Paris?
Gewiſſe Anzeichen deuten darauſ hin, daß das
Endziel von Byrds Ozeanflug nicht, wie zuerſt all=
gemein
angenommen wurde, Paris iſt, ſondern, daß
der Bezwinger des Nordpols mit ſeinem Atlantik=
fluge
gleichzeitig den Verſuch machen wird, den
Streckenweltrekord Chamberlins zu brechen, alſo
über dem europäiſchen Feſtland ſoweit als möglich
nach Oſten vorzudringen. Unter dieſen Umſtänden
hat die Deutſche Lufthanſa am Donnerstag für alle
deutſchen Flughäfen, beſonders in Weſtdeutſchland,
größte Bereitſchaft angeordnet. Im Flughafen
Tempelhofer Feld wurde geſtern ein beſonderer Nacht=
dienſt
eingerichtet. Allerdings bleibt auch die Mög=
lichkeit
, daß Byrd, wenn er nicht Paris als Ziel
wählt, auf einem weiter ſüdlich gelegenen Kurs den
Streckenrekord brechen will und daß er, wie bereits
vor längerer Zeit einmal aus Amerika gemeldet
wurde, eventuell über Spanien oder noch weiter ſüd=
öſtlich
fliegen will. Auf dieſe Abſicht könnten die
letzten Poſitionsmeldungen Byrds hindeuten, die
einen erſtaunlich weit nach Süden gerichteten Kurs
über dem Ozean erkennen laſſen, und zwar genau
auf der Kurslinie, den der Z. R. III auf ſeinem
Amerikaflug genommen hatte, während es geſtern
nacht noch den Anſchein hatte, als ob Byrd dem von
Lindbergh und Chamberlin eingeſchlagenen nördlichen
Kurs auf Island folgen würde. Die deutſchen Funk=
ſtationen
, insbeſondere die Funkſtelle Norddeich,
hatten auch bis geſtern vormittag noch keine direkte
Verbindung mit dem Ozeanflugzeug.
Ein ſchwerer Motorradunfall.
Erfurt. Auf dem Erfurter Steiger fuhr ein
Automobil einem Motorradfahrer in die Flanke.
Dieſer wurde ſofort getötet. Sein Sohn wurde ſchwer
verletzt.
*
Die Diebe des roſaroten Diamanten
verurteilt.
EP. Paris. Die Diebe des roſaroten Diaman=
ten
von Chantilly Kaufer und Suter wurden am
Mittwoch vom Gericht von Beauvais zu 10 und 8
Jahren Gefängnis verurteilt. Die Hehlerin Schill,
die verſchiedene gleichzeitig entwendete Juwelen zu
einem lächerlichen Preis erſtanden hatte, erhielt eine
Strafe von fünf Jahren Gefängnis und 5000 Fran=
ken
. Ein Sachverſtändiger gab vor Gericht den Wert
des roſaroten Diamanten mit 10 Millionen Fran=
ken
an.
Streik der franzöſiſchen Sardinenfiſcher.
Paris. Vor etwa 1 Woche brach in Penmarch
ein örtlicher Streik der Sardinenfiſcher aus, die eine
beſſere Bezahlung für ihren Fang verlungten. Dieſe
Streikbewegung hat ſich ſo ausgedehnt, daß die am
Sardinenfang intereſſierten Häfen momentan man=
gels
Arbeitsmaterial lahmgelegt ſind. Im ganzen
ſollen nach der Humanité 18000 Fiſcher und 7000
Arbeiter und Arbeiterinnen in den Sardinenver=
arbeitungsfabriken
ſtreiken.
Auffindung eines verunglückten ſpaniſchen
Flugzeuges.
Madrid. Ein Poſtdampfer, der den Dienſt
zwiſchen Spanien und der ſpaniſchen Marokkozone
verſieht, hat auf hoher See ein ſpaniſches Flugzeug
aufgefunden, das ſeit drei Tagen vermißt wurde und
zu deſſen Auffindung mehrere Flugzeuge und einige
Kriegsſchiffe ausgeſandt worden waren. Das in See=
not
befindliche Flugzeug hatte einen Defekt an der
Schwanzſteuerung erlitten. Der Steuerraum war
bereits voll Waſſer und die Beſatzung am Ende ihrer
Kräfte.
Ueberſchwemmungen in Norwegen.
Oslo. Aus dem Oſten und Süden des Landes
werden außerordentlich große Ueberſchwemmungen
gemeldet. In Skien mußte das Elektrizitätswerk
die Arbeit einſtellen. Eine Reihe induſtrieller Unter=
nehmungen
wurde durch die Waſſermaſſen ſtillgelegt.
An vielen Orten mußten die Einwohner aus ihren
Häuſern flüchten. Die Telephonverbindungen ſind
ſtellenweiſe unterbrochen, Brücken wurden fortge=
riſſen
. Am Rjuka ereigneten ſich mehrere Erdrutſche,
wobei vier Arbeiter unter den herabſtürzenden Erd=
maſſen
begraben und getötet wurden. Sieben Häu=
ſer
wurden umgeriſſen.
Die geheimnisvolle Schatulle.

Eine merkwürdige Teſtamentsvollſtreckung
nach 150 Jahren.

Vor nunmehr 150 Jahren verſtarb in London Miß
Johanna Southcott, eine vermögende Dame der
engliſchen Geſellſchaft (im Kreis), die in ihrem Teſta=
ment
beſtimmte, daß eine an einem geheimnisvollen
Ort verborgene Truhe nach 150 Jahren geöffnet
werden ſollte. Die Oeffnung dieſes merkwürdigen
Reliquiems darf, dem Wunſch von Miß Southcott
entſprechend, nur in Anweſenheit des Erzbiſchofs von
Canterbury und 24 engliſchen Biſchöfen erfolgen.
Ganz England wartet mit größter Spannung auf
dieſes eigenartige Ereignis, da dieſer Tage die Oeff=
nung
der geheimnisvollen Truhe erfolgt.

[ ][  ][ ]

Seite 12

Freitag, den 1. Juli 1927

Eine Wanderung in denAlpen.
Von Walter Schweter.
Wenn ich heute wieder daran denke, mit welcher jugendlichen
Keckheit und kindlichen Sorgloſigkeit wir einſt ohne Führer, ohne
geeignete Kleidung und Ausrüſtung, in unſeren dünnen Wander=
kitteln
, mit dem Wanderſtecken und in ſchwachen Stiefeln, mit
noch ſchwächerem Geldbeutel und magerem Nuckſack tagelang im
Eis und Schnee der ſchweizeriſchen Bergrieſen umhergewandert,
geklettert und gerutſcht ſind, dann will neben der alten Wander=
luſt
doch immer auch ein leiſes Unbehagen in mir emporkommen.
Wir waren, um unſere Sprachlücken wieder zu ſtopfen und
um Italieniſch dazuzulernen, in der franzöſiſchen Schweiz, in
einem kleinen freundlichen Neſt an der oft ſehr unfreundlichen
Broye zwiſchen dem Neuenburger und dem Genfer See. und
da wir in den kurzen Ferien nicht zum Rhein und Odenwald
zurückonnten und unſeren Studien nicht zu ſchaden glaubten,
wenn wir möglichſt weit und allein und ſelbſtändig in der ſchönen
Schweiz umherwanderten, ſo machten wir uns an einem hellen
Ferientage, mein Freund von der heſſiſchen Bergſtraße und der
Waldläufer vom heſſen=naſſauiſchen Bergland, ſo wie wir ſchon
oft daheim und in dem friedlichen Landſtrich um die Broye berg=
auf
und bergab gegangen waren, auf den Weg zu den höchſten
Berggipfeln.
Zur Uebung für unſere kecken Pläne ſtiegen wir zum dritten=
mal
auf den etwas mehr als zweitauſeud Meter hohen Moleſon
und hatten zum erſtenmal Glück mit ihm, denn er nahm endlich
einmal ſeine Wolkenhaube herunter und zeigte uns die gewal=
tigen
, in blendender Weiſe ſtrahlenden Berggipfel um den Genfer
See und dieſen ſelbſt in ihrer ganzen berückenden Schönheit, zu=
gleich
aher auch die Rieſen Montblane und Dent du Midi und
die im Süden, denen wir unſeren Beſuch zugedacht, in ſolch
hoheitsvoller Unnahbarkeit, daß wir unſer Ziel im Stillen ein
wenig niedriger ſetzten.
Von Bulle, dem Städtchen am Fuße des Moleſons, zogen
wir ohne eine andere Karte als die aus der Schulzeit in ein
Seitentaal der Saane und liefen nun neben dem neuen Flüß=
chen
her, ohne ſeinen Namen zu wiſſen und ohne nach ihm auch
nur zu fragen. Wir kamen nach Charmey und ſeine kühne Brücke,
übernachteten im Gaſthof der Paßhöhe, mußten ein Swizer=
dütſch
anhören, das wir noch weniger verſtanden als das erbärm=
lichſte
Franzöſiſch, und wanderten ſingend und pfeifend auf
Zweiſimmen los. Hier waren wir ja ſo gut wie daheim, denn die
ſchönen Simmenthaler Kühe, denen wir auf Schritt und Tritt
begegneten, waren ja auch auf unſeren Bergen heimiſch. Da wir
ſo gut wie kein Geld mehr übrig hatten, denn die paar Franes
in unſeren Taſchen würden nicht einmal zur Heimfahrt gereicht
haben, wenn wir wirklich noch ins Rhonetal gekommen wären,
wie wir es wollten, ſo ſuchten wir uns, wenn’s dem Abend zu=
ging
, immer eine verlaſſene Senuhütte, alſo eine, aus der die
Senner und ihre Schutzbefohlenen vom Schnee ſchon in die tiefer
gelegene getrieben waren. Dort richteten wir uns für die Nacht
häuslich ein, ſtärkten uns am Ruckſackinhalt es war immer
nur ein Stück trockenes Brot, einige Suppenwürfel und Schoko=
lade
für den nächſten Tag, an dem wir uns wieder nur mit
dem Brot, ein raar Rippen Schokolade und Quellwaſſer auf den
Beinen hielten, und zogen in der Morgendämmerung auf unbe=
kannten
, verſchneiten und vereiſten Wegen weiter und immer der
Naſe nach. und ich muß ſagen, wir entwickelten einen Spürſinn,
an dem gewiß ein alter Indiaverhäuptling ſeine Freude gehabt
hätte. Was war das auch für ſo junge Füße und für alles Schöne
und Gewaltige begeiſterte Burſchen für eine Luſt, ſo ohne Sorgen
wochenlang abenteuerlich durchs fremde Land zu ziehen, über
blumige Matten, ſteinige Hänge, ſtundenlang dann wieder durch
hohen Schnee über weite Eisfelder, nun wieder durch ein freund=
liches
Dorf oder durch große Rinderherden zu bewohnten Senn=
hütten
, in denen wir auch ein paarmal zu Gaſt waren. Wie be=
glückt
ſind wir dann auch mit unſeren großen Holzlöffeln in die
gemeinſame Milchſchüſſel gefahren, die nicht viel kleiner war als
daheim unſere Kinderbadewanne. Dankend und ſatt ſind wir
weitergezogen, lange noch begleitet von den fröhlichen Zurufen
der Senner. Als wir ſie zum erſtenmal au uns vorbeigehen ſahen
von der Weide zur Hütte im Gänſemarſch, da mußten wir lachen,
daß uns die Tränen kamen und wir nachher Mühe hatten, die

ergrimmten Burſchen von der Harmloſigkeit unſerer Heiterkeit zu
überzeugen. Die ſechs Senner, die an uns vorübermarſchierten,
hatten ihre einbeinigen Melkſtühlchen ans Hinterteil geſchnallt,
und die hölzernen Stützen hüpften ſo poſſierlich wie Lämmer=
ſchwänzchen
auf und nieder, daß wan unmöglich ernſt bleiben
konnte. Sie ſahen das auch ein und wären ſogar noch ein Stück
mit uns gegangen, um uns den rechten Weg zu zeigen, wenn wir
ihnen hätten ſagen können, wohin wir wollten. Wir konnten doch
bei Zweiſimmen nicht ſchon verraten, daß wir ins Rhonetal
möchten. Und was für Menſchenſiedlungen dazwiſchen lagen,
wußte unſere Karte auch nicht.
Schließlich kamen wir nach Lenk und jubelten, weil wir uns
ſchon im Leukerbad glaubten, das uns in der Erinnerung an Sonſt nix?
Goethes Briefe aus der Schweiz beſonders verlockend vor Augen
ſtand. Daran, daß zwiſchen Lenk und Leuk das Wildhorn liegt
mit ſeinen dreitauſendzweihundertachtundſechzig Metern, und
daß der Gemmipaß auch nicht viel niedriger iſt, konnten wir
nicht denken, weil wir es nicht gewußt haben und unſere Karte
auch nicht.
Es war im Herbſt und wurde früh dunkel. Als wir uns in
dem ſo ſchön zwiſchen grünen Matten und eisgekrönten Berg=
rieſen
gelegenen Lenk ein wenig umgeſehen hatten und unſeren
Ruckſackinhalt durch Zuſammenlegen einiger Centimeſtücke aus
unſeren Taſchen wieder notdürftig ergänzt, ſtiegen wir zu den
Simefällen hinauf, die uns, weil wir ihnen in der Dunkelheit
zu nahe gekommen waren, ums Haar verſchlungen hätten, und
ſtanden bald wieder in Schnee und Eis und ſuchten nach der
Herbergshütte.
Diesmal ſchien uns unſer Spürſinn verlaſſen zu haben. Wir
ſtiegen hinauf und hinab, kreuz und quer, und nirgends ließ ſich
eine menſchliche Behauſung entdecken. Wir wurden müder und
müder und wären umgekehrt und nach Bad Lenk hinunter=
gerutſcht
, wenn wir noch Geld genug gehabt hätten, um im Gaſt=
hof
zu übernachten. Und Jugendherbergen gab’s damals noch
nicht. Der lockere Schnee rieſelte uns zum Halskragen hinein, ſaß
eingeklemmt zwiſchen Strumpf und Schuh und ſteckte im Rock=
ärmel
. Mehr als einmal blieb mein müder Gefährte, wenn er
wenig ſchlafen müſſe; er könne nicht mehr. Durch mein ernſtes
Zureden aber und noch ernſteres Kitzeln mit der Stockſpitze
wittert hätte raſcher als ſonſt vorausgeſtampft und ſtand plötzlich,
zugekehrten zwei Seiten lagen mitſamt dem Dache ganz im
Schnee begraben, ſo dicht vor ihm, daß ich mit der Naſe dran
gekomnten wäre, wenn das die Schneewälle, zugelaſſen hätten.
Freunde zu, daß wir am Ziel ſeien. Und der packte ſeine gauze
ihm noch gebliebene Kraft zuſammen, jauchzte, daß es faſt ſchauer=
lich
anzuhören war, ſtürzte dann auf mich zu, umarmte mich,
daß mir der Schneeſtaub um die Ohren ſprühte, und tanzte vor
der Hütte herum wie ein Zulukaffer voll Palmwein. Aber jetzt
kam um ſo größer und ſchmerzlicher die Enttäuſchung. Wir konn=
ten
nicht hinein. Die Tür und das Fenſterchen waren verriegelt
oder verſchloſſen, und ſonſt war kein Loch zu entdecken als die
kleine Dachluke, deren Laden wohl nur angelehnt ſchien, die aber
ſo hoch droben ſaß, daß wir nicht zu ihr gelangen konnten. Wir
verſuchten, auf der verwehten Seite das Dach zu erreichen, ſanken
aber überall tief zurück in die lockere Hülle. Als ich ſo hin und
her überlege und gerade dem Schickſalsgefährten zurufen will,
auf dieſe Weiſe unters Dach kriechen könne, ſind nur noch ſeine
langen Beine ſichtbar. Das andere ſteckte ſchon in der Hütte,
geſchlagenen Nägeln gehalten wuude. Ein feſter Druck, und das
kleine Fenſter war in ſeiner Hand und damit die große Hütte.
Im Handrumdrehen praſſelte unter dem eiſernen Dreifuß ein
luſtiges Feuer, die Erbsſuppe brozzelte, der Duft ſtieg verlockend
in und um die noch immer kalten Naſen, und dann ſaßen wir vorher ſchon ausgerechnet hatten, daß wir vom Leukerbad aus
vor dem dreibeinigen, freundlichen Ungeheuer und löffelten die
heiße Brühe mit einem Wohlbehegen, als hätten wir das feinſte
Hotelmahl in dem rußigen Keſſel. Zum Nachtiſch gabs noch ein
Stück Schokolade und ein paar Scheiben Weißbrot, und dann
krochen wir, angenehm erwärmt, recht ſatt und müde unter das
aus dem Strick an der Decke gezogene Federbett und unſere rern wieder zu und ließen uns bewundern.

Nummer 180
Lodemmäntel in die unterſte Bettlade der beiden übereinander=
ſtehenden
Lagerſtätten der in grüne Gefilde hinabgewanderten
Zwei= und Vierfüßler.
Ich war ſchnell eingeſchlafen, wurde aber bald wieder wach,
weil mein Freund ſich unruhig hin= und herwälzte, als ob ihn
etwas quäle. Ich dachte erſt an Ungeziefer, an ganz kleines, nicht
etwa an Mäuſe, die uns, wenn ſie auch dann und wann über uns
wegſprangen, nicht weiter ſtören konnten. Aber dann kam mir
doch Größeres in den Sinn, denn er ſtöhnte entſetzlich und rich=
tete
ſich alle Augenblicke vom Kiſſen auf.
Hörſt du nix?
Doch, den Sturm und dich!
Und den Fenſterladen.
Fenſterladen? Du, da iſt einer über uns!
O ja! Wir ſäßen ſonſt längſt eingefroten in einer Eisſpalte
oder Schneegrube.
Eine Weile war’s wieder ruhig neben mir. Ich duſelte ein,
wurde aber ſchnell von neuem aus dem Schlaf geriſſen, weil mein
Nachbar wiederum wie beſeſſen auffuhr. Die ſchwere Federdecke
flog auf den Fußboden, und indem ich ſie ärgerlich heraufzerrte,
kam wieder das ängſtliche Fragen, ob ich denn nichts gehört habe,
Als ich das zum zweitenmal beſtätigte und ihm klar gemacht
zu haben glaubte, daß in dieſer Einöde und Schneeverwehtheit
doch unmöglich noch einer außer uns Abenteurern ſein könne, zu=
mal
der Raum über uns zwiſchen der Kammerdecke und dem
Dache in keinem Falle geſtatte, daß jemand drinnen auf und ab
ſpaziere, legte er ſich wieder hin. Diesmal aber kam ich nicht wie=
der
zum Einſchlafen, denn kaum hatte ich mich auf die andere
Seite geworfen, da drang durch das Toben des Sturmes, das
Klappern des Fenſterladens und Raſcheln des Strohes ein ſo
entſetzlicher Schrei und Schlag, daß ich ſie noch heute höre, wenn
ich an dieſe Winternacht denke.
Jetzt kommt er die Treppe runter! gellte es mir in die
Ohren, und ein Krach folgte, als ob der gefürchtete Räuber und
Mörder aus der Dachkammer in die oberſte Bettlade geſprungen
wäre. Gleich darauf praſſelten auch Stroh und Bretter unſeres
umfiel, einfach liegen, ſo lang wie er war, und ſagte, daß er ein Betthimmels auf uns hernieder, und der arme Freund ſank mit
einem Wehlaut in ſich zuſammen. Er hatte beim Aufſpringen
nicht an das obere Bett gedacht und war mit dem Schädel an den
brachte ich ihn immer wieder hoch und auf einmal in ſeinem harten Bretterboden geſtoßen. Trotz aller Schmerzen ſtand er
Schneeloch gar zu hellem Jauchzen. Ich war, als wenn ichs ge= aber gleich danach vor dem Bett und war dann mit einem ein=
zigen
Satz an der Küchentür. Wie ein Geſpenſt ſtand er da in
ehe ich das Hüttchen auch nur hatte ahnen können, denn die mir der kalten Zugluft, denn es wehte ſtark von draußen herein, und
ſein Hemd flatterte. Ich wußte nicht, was er eigentlich vorhabe
und ſpähte angeſtrengt durch die Schneedämmerung zu ihm hin.
Da höre ich, wie er leiſe die Tür öffnete und ſah ihn dann lange
Nun ſchrie ich, was ich konnte, meinem mühſam nachkeuchenden horchend und ſchnatternd ſtehen. Da auf einmal atmete er tief
auf, ſchlich zurück, ſank fröſtelnd, aber doch wie es ſchien ſehr be=
friedigt
mit ſeiner Entdeckung, neben mich und ſprach aus dem
tiefſten Innerſten heraus:
Du, 18 war doch der Fenſterladen!
Na ja, ſagte ich ärgerlich. Wüßt’ auch wahrhaftig nicht,
wie einer ohne Treppe die Treppe runtergehen ſollte.
Wie meinſt du das?"
Haſt du hier irgendwo draußen oder in unſeren zwei kleinen
Kammern eine Treppe geſehen?
Wie zum Hohn klang jetzt wieder das Schlagen des Fenſter=
ladens
wie das Tappen ſchwerer Männerfüße auf einer Holz=
treppe
. Es focht jetzt aber meinen lieben Kameraden nicht mehr
mir auf den Buckel zu ſteigen, um zu ſehen, ob er nicht vielleicht an. Er ſteckte den Kopf unter die Decke und war dann ſchneller
eingeſchlafen als ich.
In der dämmernden Morgenfrühe brachten wir das Hütten=
Er hatte herausgefunden, daß der Fenſterrahmen nur von krumm= innere wieder in den alten Zuſtand, wuſchen uns mit Schnee,
kochten unſere Suppe, aßen trockenes Brot dazu und wollten
dann weiter dem Rhonetal zuſtreben. Da ſetzte ein Schneetreiben
ein, das uns jeden Ausblick nahm und damit die Luſt, unſere
Wanderung ins Ungewiſſe fortzuſetzen, zumal wir am Abend
ſchwerlich mit unſerem Geldreſt noch heimfahren könnten, alſo
wiederum weiter durch Schnee und Eis müßten.
Mehr auf den Hoſenboden rutſchend als gehend kamen wir
nach Lenk zurück und dampften dann, behaglich zu den Fenſtern
hinausſehend, froh der Broye und unſeren Mitſchülern und Leh=

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Freitag, den 1. Juli 1927

Seite 13

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Seite 14

Freitag, den 1. Juli 1927

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[ ][  ][ ]

Nummer 180

Freitag, den 1. Juli 192

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Ausdem Main=Rheinturngauder O.T.

Ausſcheidungsſchwimmen, Stromſchwimmen,
Gauſchwimmfeſt, Gauturnfeſt der Frauen und
Männer in Darmſiadt.

Im Juli iſt die Wettkampftätigkeit innerhalb des Main= Rheinturn=
gaues
ſo mannigfaltig, wie kaum zu einer anderen Jahreszeit, denn er
wird eine Fülle turneriſcher Arbeit zu bringen wiſſen, in denen alle
Zweige des Turnens zur Geltung kommen werden. Von den bevor=
ſtehenden
Wettkämpfen eröffnen zunächſt die Turnerſchwimmer den Rei=
gen
mit den Ausſcheidungskämpfen für die Kreis= und D.T.= Meiſterſchaf=
ten
am Sonntag, den 3. Juli, in dem neu erſtandenen Schwimmbad in
Ober=Ramſtadt, woran ebenfalls die Gaue Odenwald, Odemwald=Jahn
und Main=Speſſart beteiligt ſein werden. Der zweite Juliſonntag führt
die Turnerſchwimmer zu einer beſonderen Leiſtungsprüfung zuſammen.
Es iſt dies bei dem 3. Gauſtromſchwimmen im Rheinſtrom bei Gerns=
heim
. Der Main=Rheinturngau iſt mit der Einrichtung von Strom=
ſchwimmen
mit einer der erſten Gaue in der D.T. geweſen, welcher den
Gedanken der Veranſtaltung von Stromſchwimmen nähergetreten iſt, und
kann hiermit als führend in der D.T. bezeichnet werden. Auch der 17.
Juli iſt dem Schwimmen im Gau vorbehalten, und werden die Gau=
Schwimmannſchaften ſich wiederum zum Gauſchwimmfeſt in Ober= Nam=
ſtadt
ein Stelldichein geben. Die Turnerinnen und Turner rüſten zum
46. Gauturnfeſt, welches am 23. und 24. Juli in Darmſtadt ſtattfindet.
Dieſes Feſt hebt ſich beſonders aus dem Rahmen der Gauturnfeſte ſchon
dadurch ab, als man mit dieſem die Vorfeier zum 33. Mittelrheiniſchen
Kreisturnfeſt in den Tagen des 28. Juli bis 2. Auguſt in Darmſtadt
verbindet. Das Feſtgelände befindet ſich auf dem ehemaligen Infanterie=
Exerzierplatz, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes, mit ſeiner
monumental wirkenden neu errichteten Darmſtädter Feſthalle, die Raum
für weit über 6000 Perſonen bietet. Dem Gauturnfeſt geht am Sams=
tag
, den 23. Juli, nachmittags, eine Gau=Ausſchußſitzung ſowie die üb=
liche
Kampfrichterſitzung voraus. Die offizielle Eröffnug des Feſtes
geſchieht durch einen Zug der Hampfrichter und Darmſtädter Turner=
ſchaft
, der ſich von der Turnhalle am Woogsplatz nach dem Feſtgelände
bewegen wird. Als erſte öffentliche Veranſtaltung in der neu errichteten
Darmſtädter Feſthalle wird der
Feſtabend des Main=Rheingaues,

der aus turneriſchen und geſanglichen Darbietungen der Gauvereine ſo=
wie
der Darmſtädter Turnerſchaft beſteht, abgehalten werden. Den
Höbepunkt dieſes Abends dürfte das Geräteturnen der beſten Turner des
Gaues bilden. Sonntag, 24. Juli, vormittags 8 Uhr, Beginn der

Wettkämpfe für Frauen und Männer
in den verſchiedenen Stufen und Klaſſen. Ein einheitliches Bild, wie es
bei den Gauturnfeſten bisher nicht der Fall geweſen, ſoll durch die ein=
heitliche
Kleidung der Teilnehmer am
Feſtzug
in den Vodergrund treten. Die Kleidung der Durner ſoll aus kurzen
ſchwarzen Hoſen und weißem Turnhemd (Trikot) beſtehen. Die Alters=
turner
tragen wie üblich lange, weiße Hoſen und Turnhemd (weißer Tri=
kot
). Ein ſelten ſchönes Bild werden die Turnerinnen des Gaues in
ihrem einheitlichen blauen Turnfeſtkleid abgeben. Für Schüler gilt der
vorgeſchriebene Anzug der Turner, während Schülerinnen Turnbluſe
oder Trikot tragen. Eine reichhaltige Turnfolge wird am Feſtſonntag
nachmittag in den
Sondervorführungen
aller Gebiete des Turnens geboten werden, die mit einem Kinderturnen
eröffnet werden, welches einen Einblick, in das Tun und Treiben der
Jugend während einer Turnſtunde gewähren ſoll. Dem Turnen der
Jugend werden ſich die Freiübungen ſowie Sonderübungen der Turne=
rinnen
anreihen. Die einzelnen Gaubezirke werden zu gemeinſchaftlichem
Geräteturnen antreten, dem ſich das Geräteturnen an mehreven Barren
aller Turnerinnen anſchließt. Daß Turnen bis in das höchſte Alter ge=
trieben
und ausgeführt werden kann, zeigen die alten und älteſten Tur=
ner
des Gaues in den Stabübungen als Vorprobe zum Kreisturnfeſt.
Volkstänze der Turnerinnen ſowie Jugendgruppen und Turnſpiele der
Alten vervollſtändigen das Turnprogramm des Gauturnfeſtes und leiten
zu dem Höhepunkt aller Turnfeſte, den
Freiübungen
der Maſſen über. Den Ausklang der turneriſchen Arbeit bildet die feier=
liche
Siegerverkündung, die unter Mitwirkung der Geſangsabteilung der
Gauvereine beſonders weihevoll geſtaltet werden ſoll und mit dieſer das
Feſt einen würdigen Abſchluß findet.

Der Sport des Sonntags.
Im Sport des erſten Juli=Sonntags nimmt die Leichtathletik eine
überragende Stellung ein. Eine Auswahl unſerer Beſten ſteht bei den
engliſchen Mannſchaften in Stamford=Bridge im Kampf mit der Elite
Europas, und was ſonſt in den ſieben Landesverbänden der Deutſchen
Sportbehörde noch Namen und Klang hat, kämpft in den Landesver=
bänden
um den Titel eines Meiſters. Neben dieſen Ereigniſſen ver=
blaſſen
die auf den anderen Sportgebieten, wenngleich ſich auch unter
ihnen ſolche von Rang befinden. Im
Fußball
hat die allgemein ſehr notwendige Zwangs=Ruhepauſe eingeſetzt. Leider
muß ſie aber in Süddeurſchland noch einmal von den
Pokalſpielen
1. F.C. NürnbergKarlsruher F.V. in Karlsruhe und
Sp.Vg. Fürth-Bayern München in Fürth
unterbrochen werden. Sind dieſe Treffen erledigt, dann bleiben nur
noch zwei Spiele, um den diesjährigen ſüddeutſchen Pokalmeiſter zu er=
mitteln
. Der Sieger des Treffens in Karlsruhe qualifiziert ſich ſofort
für den im Auguſt ſtattfindenden Endkampf, dagegen muß der Gewin=
ner
des Shieles in Fürth erſt noch zu einem Spiele gegen den F. S.V.
Frankfurt antreten, ehe er ins Endſpiel kommen kann. Die Frage nach
den Siegern der beiden Pokaltreffen dürfte nicht allzu ſchwer zu beant=
worten
ſein. Trotzdem wir die Elf des Karlsruher F.V. ihrer mannig=
fachen
Vorzüge wegen ſehr ſchätzen, dürfte es ihr doch wohl kaum mög=
lich
ſein, auch auf eigenem Gelände nicht, den Deutſchen Meiſter 1. F. C.
Nürnberg niederzuringen. Der K.F.V. wird den Bayern gewiß tapferen
Widerſtand leiſten, aber an einer Niederlage kaum vorbeikommen.
Der Ausgang des Spieles in Fürth iſt ſchwerer vorauszubeſtimmen, je=
doch
glauben wir, daß die Fürther nach hartem Kampf, vielleicht ſogar
erſt nach einer Spielverlängerung, die Bayern niederringen werden.
Tennis.
Das Münchener Tennis=Turnier, das am 3. Juli abge=
ſchloſſen
werden ſoll, ſieht eine Anzahl unſerer beſten deutſchen Spieler
mit guten Kräften aus dem Auslande im Wettbewerb. In Dresden
findet ein Tcnis=Länderkampf DeutſchlandOeſterreich
ſtatt. Der im Vorjahre in Wien ausgetragene Länderkampf wurde von
den Reichsdeutſchen 9:0 gewonnen, und auch diesmal, iſt kaum an einem
Siege unſerer Vertretung zu zweifeln.

Sportliche Tagesſchan.
Der Reichspräſident hat das Ehrenprotektorat für die Deutſchen
Leichtathletik=Meiſterſchaften übernommen.
Die deutſche Mannſchaft für die engliſchen Leichtathletik= Meiſter=
ſchaften
iſt in London mit dem Flugzeug angekommen. Sie wurde u. a.
von dem Olympiaſieger Abrahams herzlich begrüßt.
Franz Diener boxt am 6. Juli in Stuttgart gegen den Engländer
Jack Stanlev.
Ein Radländerkampf DeutſchlandHolland kam am Mittwoch abend
in Köln zum Austrag und wurde von den holländiſchen Amateuren, die
in den beiden Vorjahren verloren hatten, knapp nach Punkten gewonnen.
700 Meldungen ſind für das Münchener Tennis=Turnier abgegeben
worden.

Leichtatbletik.
Die Süddeutſchen Meiſterſchaften werden am 2. und
3. Juli auf dem S. C.=Platz in Stuttgart=Gaisburg ausgetragen. Mit
Ausnahme von Söllinger, Brechenmacher und Schauffele, die an dieſen
Tagen Deutſchlands Intereſſen in London wahrnehmen, iſt in Stuttgart
die geſamte ſüddeutſche Leichtathletik=Elite vertreten. 44 Vereine gaben
für insgeſamt 186 Teilnehmer 210 Nennungen ab. Sowohl bei den
Frauen wie auch bei den Männern wird es in allen Diſziplinen zu har=
ten
Kämpfen um die Titel kommen. Auch in den anderen
Landesverbänden finden am 2. und 3. Juli die Meiſterſchafts=
kämpfe
ſtatt.
Ein der ſtarben deutſchen Beteiligung wegen beſonders intereſſieren=
des
Ereignis ſind die engliſchen Meiſterſchaften, die am 1.,
2. und 4. Juli in Stamford=Bridge bei London durchgeführt werden.
Deutſchland, das im Vorfahre bereits in zwei Wettbewerben, im 100=
und 880=Yards=Laufen, durch Corts und Peltzer ſiegreich bleiben konnte,
entſendet in dieſem Jahre: Corts, Houben, Schüller, Körnig, Büchner
(Kurzſtrecken), Dr. Peltzer, Böcher (Mittelſtrechen), Dobermann, Köcher=
mann
(Weitſprung), Hoffmeiſter, Schauffele (Diskus= und Speerwerfen),
Brechenmacher, Söllinger, Schauffele (Kugelſtoßen), Mang ( Hammer=
werfen
), Preußen Krefeld und S. C. Charlottenburg (4 mal 110 Yards=
ſtaffel
). Dieſe deutſche Vertvetung trifft auf eine Auswahl der Beſten
aus England, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen. Ungarn,
Tſchechoſlowakei, Italien, Rumänien, Griechenland und Holland. Die
deutſchen Vertreter werden harte Kämpfe zu beſtehen haben, dennoch
rechnen wir nicht nur mit einer Wiederholung der vorjährigen Leiſtung,
ſondern mit einer höheren Anzahl von Siegen und guuten Plätzen. U. E.
nach haben wir die beſten Changen, über 100, 220 und 1500 Yards, in
der 4 mal 110 Yardſtaffel, in Weitzſprung und Diskuswerſen zu Siegen
zu kommen, evtl. auch im Kugelſtoßen, und ſollte Dr. Peltzer tatſächlich
wieder ſeine alte Form erreicht haben, ſo ſteht uns evtl. auch noch ein
weiterer Erfolg in Ausſicht.
Zur gleichen Zeit kommen in New Orleans auch die amerika=
niſchen
Leichtathletik=Meiſterſchaften zum Austrag.
Sie werden uns zeigen, wie ſtark die USA. für die nächſtjährigen Olym=
piſchen
Spiele ſind.
Rudern.
Die Gießener Jubiläums=Regatta bringt auf einer
2000 Meter langen Strecke 26 Vereine mit 124 Booten und 632 Ruderern
aus Gießen, Kaſſel, Frankfurt, Offenbach, Marburg, Wetzlar, Limburg,
Weilburg, Bad=Ems, Niederlahnſtein, Koblenz, Vonn, Köln, Dortmund,
Trier, Hanau, Eiſenach uſw. an den Start. Sehr gut ſind die zwei=
klaſſigen
, ſchwächer dagegen die Hauptwettbewerbe beſetzt, was mit dem
zeitlichen Zuſammenfallen mit der Mannheimer Regatta zu er=
klären
iſt. 30 Vereine mit 123 Booten und 46 Ruderern war das Melde=
ergebnis
für Mannheim, das damit größer als das der Regatta in Frank=
furt
und Mainz iſt. Auch an Qualität läßt die Beſetzung der im
Mühlauhafen zu Mannheim ſtattfindenden Regatta nichts zu wünſchen
übrig. Aus Mannheim, Frankfurt, Mainz, Heidelberg, Kaſtel, Offen=
bach
uſw. ſind die beſten Mannſchaften am Start. Die 7. Donau=
Strom=Regatta bei Regensburg ſieht in 23 Rennen Mann=
ſchaften
aus Regensburg, Bamberg, Gmünden, Paſſau, Ulm, Würzburg,
Nürnberg und Deggendorf im Wettbewerb. Auf der Hügel=
regatta
in Eſſen, geben ſich die beſten weſtdeutſchen Mannſchaften
ein Stelldichein. Die Leipziger Ruderregatta wird von 31
Vereinen aus Berlin, Breslau, Leipzig, Dresden, Deſſau, Meißen uſw.
mit 145 Booten und 814 Ruderern beſucht. An der Regatta in
Zürich nehmen deutſcherſeits Kölner R. G. 91, Heidelberger R.K. 72
und Neptun Konſtanz teil. Der deutſche Einermeiſter Walter Flinſch
weilt in Amſterdam, um ſich dort im Kampfe gegen ſehr gute
Konkurrenz um den Amſtel=Pokal zu bewerben.
Fechten.
Die Deurſche Turnerſchaft bringt in der Zeit vom 1. bis 3 Juli
unter ſtarker Beteiligung in Leipzig ihre Fechtmeiſterſchaften zur Durch=
führung
. Eine Reihe von deutſchen Fechtern, ſo Casmir und Schön,
beteiligt ſich an dem großen internationalen Turnier in Cremona
(Italien).
Tagungen.
Der Deutſche Reichsausſchuß hält am Samstag und Sonntag in
Karlsruhe ſeine Hauptverſammlung ab.
Motorſport.
Das motorſportliche Ereignis des Sonntags iſt der Motorrad=
Preis von Europa auf dem Nürburg=Ring. Insgeſamt wurden
151 Meldungen abgegeben, die ſich wie folgt auf die einzelnen Länder
verteilen: Deutſchland 116, England 15, Belgien 6. Oeſterreich 7, Un=
garn
2, Holland, Frankreich und Italien je 1. Die Veranſtaltung wurde
von der Deutſchen Motorſportgemeinſchaft im Auftrage des Internatio=
nalen
Verbandes (F. J. C.M.) organiſiert. Die ſehr gute Beſetzung läßt
fpannende Kämpfe erwarten. Von den weiteren motorſportlichen Ver=
anſtaltungen
iſt das vom Gau Chemnitz des A. D.A. C. vorbereitete
Fichtelberg=Rennen für Wagen und Räder zu erwähnen. Im
Ausland verdient der Große Preis von Frankreich für Renn=
wagen
Beachtung.
Radſport.
Bahnrennen: Nürnberg (Goldenes Rad mit Sniek, Bauer,
Chriſtmann, Catudal, Herbſt), Chemnitz (Goldenes Rad mit Krewer,
Brunier, Dichentmann, Junghanns und van Ruyſſeveldt), Elberfeld
(Dederichs, Leddy, Miquel, Pariſot, Weiß), Berlin= Olympia=
bahn
(Stehermeiſterſchaft von Preußen mit Sawall,
Saldow, Möller, Lewanow, Roſellen, Feia und Fliegerdreikampf Fricke
OſzmellaHahn), Krefeld (Vierſtunden=Mannſchaftsfahren für Be=
rufsfahrer
), Zürich (u. a. mit Rommel und Suter), Paris (Grand
Prix de Paris) mit Engels= und Steffes=Köln).
Straßenrennen: Großer Straßenpreis von Plauen (170 Km.
BDR.), BerlinBreslau (309 Km. DRU.), Großer Opelpreis von
Sachſen (260 Km. DRU.), Großer Preis vom Niederrhein (125 Km.
BDR.), Durch die Thüringer Lande (205 Km. BDR.).
Pferdeſport.
Galoppvennen gibt es am Sonntag in Hoppegarten, Halle, Breslau,
München=Riem und Saint Cloud.
Schwimmen.
Der Deutſche Schwimmverband hält am Sonntag in ſeinen einzelnen
Landesverbänden Werbe=Schwimmfeſte ab. Magdeburg 96 ſetzt ſeine
Reiſe durch Ungarn fort.

Geſchäft

Die Ziehung der Eiſenacher Gelblottcrie zum Beſten des Thüringer
Muſeums zu Eiſenach findet beſtimmt am 14. und 15. Juli d. J. ſtatt.
Die Lotterie bietet eine ausſichtsreiche Gelegenheit, für eine kleine
Ausgabe bei der jetzigen Geldknappheit einen hoch willkommenen Geld=
gewinn
zu erreichen. Das Los koſtet nur 1 Mark und ſind ſolche in den
Verkaufsſtellen zu haben, die in der Annonce angegeben ſind. Die
Hauptgewinne ſind 10 000, und 2000,. Mark. Alle Gewinne wevden
bar ohne jeden Abzug ausgezahlt. Gleichzeitig unterſtützt jeder Losab=
nehmer
mit der Ausſicht auf einen Gewinn das Thüringer Muſeum.

Weiße Woche bei der Fa. J. Rehfeld, Ludwigsſtraße 15.
Mit vollem Recht ſieht ganz Darmſtadt dieſen längſt volkstümlich
gewordenen Verkauf als die beſte Gelegenheit des ganzen Jahres zur
Beſchaffung weißer Waren an.
Leſen Sie bitte heute die Preisangebote der obigen Firma. Das
Gebotene mit der prachtvollen Dekoration muß Sie veranlaſſen, Ihren
Bedarf auf längere Zeit hinaus zu becken. Speziell für Bvautleute,
Hotels und Penſionen iſt dieſer Verlauf eine ganz beſonders günſtige
Gelegenheit.

Die Zeil in Frankfurt a. M. im Zeichen des Umbaues und der
Vergrößerung.
Wenn heute von Frankfurter Großfirmen der Detailgeſchäfte die
Rede iſt, wird die Firma Lindemann u. Co. A.=G. mit in erſter
Stelle genannt. Dieſe Firma iſt in der kurzen Zeit ihres bisherigen
Beſtehens eines der bekannteſten und beſuchteſten Geſchäfte der Kon=
fektions
= und Textilbranche geworden. Sie hat es verſtanden, ihle große
Leiſtungsfähigkeit durch preiswerten Verkauf guter Warzz dem
Publikum zu beweiſen.
Der ungeahnt große Erfolg hat die Firma vor die Aufgabe geſkellt.
die ſeitherigen Geſchäftsräume durch umfangreichen Umbau und voll=
ſtändige
Hinzunahme des Nachbarhauſes erheblich zu vergrößern. Wäh=
rend
dieſes Umbaues iſt die Firma in ihren Räumlichkeiten ſehr be=
hindert
, und veranſtaltet deshalb einen großzügigen Sonder=Verkauf zu
bedeutend herabgeſetzten Preiſen. Näheres beſagen das heutige und die
folgenden Inſerate in dieſem Blatt.

Rund=Funk=Programme.
Frankfurt.
Freitag, 1. Juli. 12: Uebertr. des Glockenſpiels a. Darmſtadt.
13: Neue Schallplatten. O 16.30: Gartenbauinſpektor Lange: Obſt
und Gemüſe im Haushalt. 6 17.45: Margarethe Wolf: Aus dem
Buch Ueber Deutſchlands, von Frau von Stael. O 18.15: Kam=
merdir
. Kurandt: Was man von der Milch wiſſen muß‟. O 18.45:
Chriſtian Leden: Drei Jahre unter kanadiſchen Eskimos. o 19.20:
Italieniſch. O 19.45: Ing. R. Randewig: Ueber den Transozean
mit dem Luftſchiff oder Flugzeug? O 20.05: Filmwochenſchau.
6 20.15: Uebertr. von Kaſſet: Solo=Inſtrumental=Muſik des Lauten=
und Gitarrenvirtusſen Heino Klein. Darbietungen alter Meiſter.
S 21.15: Uebertr. aus Kaſſel: Operettenabend. Mitw.: Paul Kluge
vom Staatstheater =Ziesbaden. Anſchl.: Uebertr. von Kaſſel: Unter=
haltungsmuſik
.
Stutigart.
Freitag, 1. Jnli. 13.15: Stu’tgart und Freiburg: Konzert.
16: Frau Sauker=Kindler: Aus dem Reiche der Frau. O 18.15:
Konzert. Bondy: In großer Form. Fall: Walzer aus Brüderlein
fein. Künſtner: Serenade. Balfe: Ouv. Mädchen von Artois.
d’Albert: Fant. Liebesketten. Wagner: Steuermannslied
aus Flieg. Holländer. Schütt: Canzonetta. Rokoko=Intermezzo.
Bondy: Stafettenläufe. O 18.15: Dr. Brönner: Eine Fahrt
durch die Wunderwelt der norwegiſchen Fjorde bis zum Nordiap.
S 18.45: Margot Amdurski=Schubert: Der heutige ruſſiſche Humor.
S 19.15: Baſtelſtunde. O 20: Uebertr. aus dem Schillerſaal des
Muſeums in Tübingen: Sinfonie=Konzert des Philh. Orcheſters.
Soliſt: Prof. Kempff (Klavier). Beelhoven: Ouv. Leonore Nr. 3.
Konzert G=dur op. 53. Weber: Ouv. Euryanthe. Strauß:
Tod und Verklärung. Anſchl.: Funkſtille für Fernempfang.

Berlin.
Freitag, 1. Juli. 9.15: Begrüßungsanſprachen anläßl. der im
Stadtth. in Kiel ſtattfind. Jahresverſammlung des Verbandes
Deutſcher Elektrotechniker. O 15.30: Adele Schreiber: Frauen von
heute. O 16: Dr. Mosbacher: Aerztliche Reiſeplauderei. O 16.30:
Sprachheillehrer Geißler: Weſen und Aufgabe der Berliner Sprach=
heilſchulen
. 8 17: K. W. Goldſchmidt. Zu ſeinem 50. Geburtstage.
Einl.: Johannes Nacht. Vorleſung aus ſeinen Werken: Ferd.
Gregori. O 17.30: Dominator=Orcheſter Fritz Wenneis. 7 Dar=
bietungen
. O 18.45: L. Spitzer: Das Kinderhotel in der
Scharnhorſtſtraße zu Berlin. O 19.05: Dr. Apel: Galilei. O 19.30:
E. Fromholz: Der Techniker in der modernen Wirtſchaft. S 19.55:
Prof. Baſchin: Erdbebenkataſtrophen. O 20.30: Albert Ehrenſtein.
Einl. Worte: Dr. Kerſten. Der Dichter lieſt aus ſeinen Werken.
O 21.15: Sinf. Blasorcheſter Groß=Berlin. Fucik: Florentiner
Marſch. Auber: Ouv. Maurer und Schloſſer. Waldteufel:
Immer oder nimmer. Schubert=Berte: Potp. Dreimäderlhaus.
Rathke: Aus Stahl und Eiſen. O 22.30: Konzert, 12
Darbietungen.
Stettin. Uebertr. aus Berlin bis 20.30. O 20.30: Slaviſche
Märchen und Weiſen. Mitw.: Oskar Seligmann (Violine), Edda
Ottershauſen (Rezit.), Milly Petrikowsky (Alt), Oreſt Rusnak
(Tenor). 25 Darbietungen. Ab 22.30: Uebertr, des Berliner
Programms.
Königswuſterhauſen. Freitag, 1. Juli. 9.15: Uebertr. aus
Kiel: Jahresverſammlung des Verb. Deutſcher Elektrotechniker.
6 15: Prof. Stern=Hamburg: Von der jugendlichen Seele. 0 16:
Prof. Rot: Mutterſchutz vor und nach der Geburt. O 16.30: Prof.
Dr. Stern: Von der jugendlichen Seele. 6 17: Rudolph Paulſen:
Die Symbole der Religionen. 0 17.30: Prof. Dr. Rawitz: Die
Entwicklung des Lebens und der Urſache des Todes. O 18: Dipl.=
Ing. Gröck: Die Entwicklung d. Leichtmetalle und ihre zukünftige
Bedeutung. O 18.30: Engliſch f. Fortgeſchrittene. O 18.55: Staats=
ſekretär
Auguſt Müller: Aus d. Geſchichte u. Praxis des Parlam=
tarismus
. O 19.20: Wiſſenſchaftl. Vortr. f. Aerzte. O 20.15: Ueber=
tragung
aus Leipzig: Vortragsabend Ludwig Wüllner unt. Mitw.
des Leipz. Sinfonieorch.

Wetterbericht.
Witterungsausſichten für Samstag, den 2. Juli,
(nach der Wetterlage vom 30. Juni).
Zeitweiſe wolkig, Temperaturen wenig geändert und noch ſtrich=
weiſe
Niederſchläge.
Die Heſſiſche Wetterdienſtſtelle.

Hauptſchriftleitung: Rudol/ Mauve
Verantwortlich ſür Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleion, Reich und
Ausland und Heſſiſche Nachrichten: Max Streeſe; für Sport: Dr. Eugen Buhlmanr;
ſür den Handel: Dr. C. H. Quetſch: für den Schlußdtenſt: Andreas Bauer; für
Die Gegenwart: Dr. Herbert Nette; für den Inſeratenteil: Willy Kuhle.
Druck und Verlag. Z. C. W o jdmilich in Darmſitadi.
Für unverlangte Mannſtripte wird Garantie der Rückſendung n ich / Übernommen,

Die heutige Nummer hat 20 Geiten.

[ ][  ][ ]

Tagung der beſſiſchen und heſſen=naſſauiſchen
Induſirie= und Handelskammern in Hanau.
Am Dienstag, 28. Juni, trafen ſich Vertreter der heſſ. und heſſen=
naſſ
. Induſtrie= und Handelstammern in Hanau zu einer gemeinſamen Ver=
ſammlung
. Nach einer Beſichtigung der Werke Brown, Boverie u. Co.
A.=G. und Deutſche Dunlop Cummi=Kompagnie A.=G. ſowie der Aus=
ſtellung
von Erzcugniſſen der Hanauer Edelmetall= und Schmuckwaren=
induſtrie
in der Haudelstammer, fanden die gemeinſamen Beratungen
ſtatt. Nach einem Reſerat des Herrn Syndikus Dr. Chariſſe=
Mainz nahm die Verſammlung folgende
Entſchließung.
an: Die in Hanau verſammelten Vertreter der Induſtrie= und Han=
delstammern
des Gebietes am Mittelrhein und Main halten ſich für ver=
pflichtet
, mit Nachdruck auf das ſchwere, immer fortwirkende Hemmnis
hinzuweiſen, das die Beſetzung eines großen Gebietes des Rheinlandes
durch fremde Mächte für eine freie Entwicklung der Wirtſchaft in den
beſetzten Gebieten ſelbſt und den angrenzenden Bezirken darſtellt. Allein
die Tatſache der Beſetzung ſchafft eine unſichtbare, aber ſtark trennende
Grenze auch in wirtſchaftlicher Beziehung. Das Vertrauen der Wirt=
ſchaftstreife
des unbeſetzten Deutſchlands zu einer ruhigen und unge=
ſtörten
Entſwicklung der Csſchäftsbeziehungen mit dem beſetzten Gebiete
iſt nach den Ercigniſſen der letzten Jahre noch nicht zurückgekehrt, beſon=
ders
uch da die Auswirkungen der Verträge von Locarno im beſetzten
G=biet noch immer auf ſich warten laſſen. Die Wirtſchaft des beſetzten
Gebietes ſelbſt, die ihrer Struktur nach mit der des unbeſetzten Gebietes
in inniger Wechſelbeziehung ſtehen muß, wird hierdurch aufs ſchwerſte
geſchädigt. Dazu kommt noch die lähmende Wirkung, die die Anweſen=
heit
von fremden Truppen auf den einheimiſchen Unternehmungsgeiſt
und die freie Entwicklung der anſäſſigen Unternehmungen ausüben muß.
Noch heute iſt z. B. durch die Beſetzung der freie, für die Wirtſchaft
immer bedeutungsvoller werdende Luftverkehr unterbunden und das be=
ſetzte
Gebiet in oinen Ausnahmezuſtand verſetzt, unter dem kein anderes
Gebiet der Welt ſteht. Wertvolles Induſtriegelände iſt für militäriſche
Zwecke beſchlagnahmt.
Die obengenannten Handelskammern erſuchen daher die Reichsregie=
rung
dringend, mit Nachdruck auf eine baldige Beſeitigung der Beſetzung
kin uwirken im Intereſſe einer freien wirtſchaftlichen Entfaltung der für
die geſamte deutſche Volkswirtſchaft ſo wichtigen, von der Beſetzung
mittelbar oder unmittelbar betroffenen Gebiete.
Zur Frage der Binnenumſchlagstarife berichtete das
Mitglied der Induſtrie= und Handelskammer Mainz, Herr Philipp
Schmitt. Hierzu gab die Verſammlung einſtimmig folgende
Erklärung
ab: Schon ſeit Jahren muß die Rhein= und Mainſchiffahrt
mit Befremden feſtſtellen, daß die Tarifpolitik der Deutſchen
Neichsbahn immer wieder darauf gerichtet iſt, Transporte, die ſeit=
her
auf dem Waſſerweg zur Verfrachtung gelangten, durch Ausnahme=
tarife
der Eiſenbahn zuzuführen. Mit großer Sorge beobachten die Wirt=
ſchaftsvertretungen
, dieſen immer ſtärker werdenden Kampf gegen die
Binnenſchiffahrt. Die am 28. Juni d. J. in Hanau verſammelten
Vertreter der Handelskammern des Rhein== Maingebie=
tes
ſtehen daher auf dem Standpunkt, daß die Deutſche Reichs=
bahngeſellſchaft
die einſeitige Bevorzugung der Seehafenplätze
beſeitigen und der Binnenſchiffahrt die ihr zukommenden Umſchlags=
tarife
gewähren muß. Es muß insbeſondere erwartet werden, daß die
von den rhein=mainiſchen Handelskammern bereits ſeit langem geſtellten
Forderungen auf Wiedereinführung einzelner Waſſerumſchlags=
tarife
endlich erfüllt werden.
Ueber die kommende Reichsrahmenregelung für die
Gewerbeſteuer ſprach Herr Syndikus Dr. Cratz=Offenbach.
Eine baldige reichsgeſetzliche Regelung der geſamten Gewerbeſteuern
wurde von der Verſammlung als dringend erwünſcht bezeichnet. Wei=
terhin
ſtanden noch zur Beratung gemeinſame Vorſchriften
für Bücherreviſoren ſowie für Sachverſtändige im
allgemeinen. Nach einem gemeinſamen Abendeſſen im Kurhaus
Wilhelmsbad ſchloß die intereſſant verlaufene Tagung.
Frankfurter Effektenbörſe.
Frankfurt a. M., 30. Juni.
Trotzdem heute Prämienerklärung war und der Ultimo eine ſtarke
Anſpanuung des Geldmarktes gebracht hat, zeigt ſich an der Börſe doch
das Beſtreben, eine Hauſſebewegung zu inſzenieren. Die Hauptſtütze
ſür die Tendenz war das lebhafte ſpekulative Geſchäft in Rheinſtahl,
die 3 Prozent höher eröffnen konnten und Harpener mit plus 2 Proz.
Stärker verlangt waren noch die Autowerte, die bis 3 Prozent an=
zogen
, und die Banken, vor allem Danatbank. Ueberwiegend feſter
waren auch die Elektrowerte. Trotz aller Lebhaftigkeit des Geſchäftes
verhindert die Tatſache, daß das private Publikum dem Markte noch
faſt völlig fern bleibt, eine allgemeine Feſtigkeit. Etwas ſchwächer eröff=
neten
Schiffahrtswerte auf den verſchärften Konkurrenzkampf zwiſchen
Hapag und Llohd. Deutſche und ausländiſche Renten liegen weiterhin
ſtiu und eher etwas ſchwächer.
Im weiteren Verlaufe ſteigerte ſich die Umſatztätigkeit in den Mon=
tanwerken
mit Rheinſtahl an der Spitze, wobei die Kurſe noch etwas
heraufgeſetzt wurden. In Rheinſtahl wurde jetzt vor allem per Medio
gehandelt. Alle übrigen Marktgebiete blieben aber ſtark vernachläſſigt.
Ueberhaupt wurde die Tendenz allgemein ſchwankend, doch blieb der
Grundton feſt. Am Deviſenmarkt liegt Mailand ſchwächer. London
Mailand 88, Madrid 28,55, Paris 124,02, Mark gegen Pfunde 20,492,
gegen Dollar 4,2183. Tägliches Geld geſucht mit 7 Prozent.
Im Verlaufe der Abendbörſe wurde die Beivegung lebhafter,
wobei wieder einige Montanwerte, wie Rheinſtahl, Gelſenkirchen, Phö=

nix und Mannesmann, vorgeſchoben wurden. Daneben Nordd. Llond
und Siemens u. Halske geſucht. Am Anleihemarkt Schutzgebiete bei
größeren Umſätzen befeſtigt. Im einzelnen nannte man: Commerzbank
185,5, Danat 243,5, Diskonto 1647/s, Merallbauk 147,75, Buderus 127,
Gelſenkirchen 177,75, Harpener 212, Aſchersleben 184, Mannesmann
199,5, Phönix 129,5, Rheinbraun 280, Rheiuſtahl 210,5, Stahlverein
144, Hapag 143. Nordö. Lloyd 146, Adlerwverte 133,5, A E. G. 188,25,
Bergmann 197, Zomeut Heidelberg 1524, Daiuler 129 /g, Erdöl 104,
Sheideanſtalt 214,5, Licht u. Kraft 201,5, Farben 292, Goldſchmidt 145,
Holzmann 205, N. S.17. 23, Nütgers 110,5, Schuckert 195, Siemens u.
Halske B7, Wahß u. Fretztag 173, Zellſtoff Waldhof 213.
Im Abenddeviſenverkehr nannte man: London gegen
Paris 124,01, gegen Mailand 87,75, gegen Holland 12,12, gegen Madrid
28,45, gegen Zürich 25,22, gegen Oslo 18,77 gegen New York 485 ug.
Pfunde gegen Mark 20,40, Dollar gegen Mark 4,2195.
Berliner Effektenbörſe.
Berlin, 30. Juni.
Bei Beginn der heutigen Börſe war die Kurslage ziemlich un=
einheitlich
. Während einige Märkte ſich behaupten konnten, war auf
anderen eine Bewegung von 12 Prozent nach beiden Seiten zu be=
obachten
. Die Zurückhaltung auf die ſchon das Abbröckeln der Kurſe
an der geſtrigen Nachbörſe zuuickzuführen war, iſt noch größer ge=
worden
. Maßgebend hierfür dürfte ſein, daß die Anſpannung am
Geldmarkt eine erhebliche Verſchärfung erfahren hat. Auch dis An=
nahme
, daß infolge des erhöhten Geldbedarfs die Wechſeleinreichungen
bei der Reichsbank eine Höhe erreicht haben, die kaum je zuvor eintrat,
mahnte zur Vorſicht. Auf der anderen Seite war nicht zu verkennen,
daß die Widerſtandsfähigkeit der Börſe ſich weiter erhält. Sie hofft, in
Verbindung mit der gebeſſerten Wirtſchaftslage im allgemeinen auf eine
Erholung der Börſenlage, wenn durch das Hereinfließen neuen aus=
ländiſchen
Kapitals der Geldmarkt eine Entſpannung zeigen wird. In
den letzten Tagen diente ferner zur Anregung, daß das Publikum ſich
wieder mehr dem Effektengeſchäft zuwendet. Der Satz für Tagesgeld
beträgt heute 89½ Prozent. Am Deviſenmarkt war ein ziemlich
ruhiges Geſchäft, das keine bemerkenswerten Veränderungen in der
Kursgeſtaltung brachte. Die Mark iſt in New York unverändert. Am
Anleihemarkt konnte der Neubeſitz, der geſtern mit 18½ notierte, ſich
unweſentlich auf 18,6 erholen.
Im einzelnen war der Bankenmarkt behauptet. Die Kurſe hielten
ſich faſt durchweg auf Vortagshöhe. Berliner Handelsgeſellſchaft plus
2 Prozent, Danat pl. 2. Auch der Schiffahrtsmarkt zeigte kaum Ver=
änderungen
. Hapag minus 1, Hanſa Dampf minus 1 Prozent. Am
Montanmarkt gaben Ilſe Bergbau 1 Prozent, Laurahütte ½ Prozent,
Riebeck=Montan ½ Prozent nach, während Rheinſtahl V)., Rheinbraun
1½, Mannesmann 2lg, Mansfeld Berg 1½, Köln=Neueſſen ½ Prozent
gewinnen konnten.
Im weiteren Verlauf war die Haltung der Börſe kaum verändert.
Privatdiskont lange Sicht 6, kurze Sicht 6 Prozent. Das Geſchäft blieb
bis gegen Schluß der Börſe weiter ruhig. Als bekannt wurde, daß der
Privatdiskont für beide Sichten auf 6 Prozent erhöht worden iſt, machte
ſich vorübergehend eine geringe Abſchwächung geltend, doch trat bald
darauf eine Erhöhung der Kurſe ein, die auch zum größten Teil an der
Nuchbörſe anhielt. Gegen 2,30 Uhr hörte man: Danatbank 249,75,
Hapag 142, Hamburg=Süd 236, Nordd. Lloyd 144, A.E.G. 187,5, Gef.
f. El. 238,5, Shuckert 190,25, Siemens 285, Harpener 211, Klöcknerwerke
180,25 Mannesmann 175,5, Phönix 125, Rheinſtahl 209, Goldſchmidt
144, Oſtwerke 490, Schultheiß 435, Tietz 174, Daimler 130,75, Deſſauer
Gas 209,5, Erdöl 164,5, Ver. Glanzſtoff e77, J. G. Farhen 291, Alt=
beſitzanleihe
I , II 305, Neubeſitz 18½/s Prozent.
29. 6. 1 30, 6. 1
29. 6. 1 30. 6.
247. 1247.25
210.25 209.5 Hemoor=Zement:
Aſcha ifb Zellſtoft..
128. 1117.
Augsb. Nürnb. Maſch. /150. 11455 Hirſch Kupfer ..
46.5 46 75 Höſch Eiſen ..
194.75 1191.25
Pamag=Meguin..
177. ohenlohe Werke
Berlin el. W. ..
24.5 24.7
Berlin. KarlsruheFnd 113. 1113. Kahla Porzellan:
110.125/416.
Araunkohl.=Briketts. / 200. 199.5 (Lindes Eismaſch.
160,5 162.75
Bremer Vulkan. . .. /141. 1140. Lingel Schuh.
87.75 88.
211. Linke u. Hofmann.
Bremer Wolle. .....
288. 287.
Teutſch.Atlant. Tel. 111.5 1 1 1.87512. Loewe u. Co..
Deutſche Maſchinen
104.875/C. Lorenz..
123. 1124.
Deutſch.=Nied. Tel.. / 12.75
Niederlauſitzer gohle 185. 185.
Deutſche Erdöl . .... / 165. 164.5 MNordd. Gummi. . .
Deutſche Petroleum.
75. Orenſtein. . .. .. . . . 138. 137.
Dt. Kaliwerke . . .... 154 155. Rathgeber Waggon . 1 99

Tonnersmarckhütte : 124. 1121.5 Rombacher Hütten..
Lynamit Nobel. ... /143. 142.25 ſRoſitzer Zucker. ...
91. 93.
Elektr. Lieferung.. .. / 188. 1188. ſRütgerswverke..
102. 1106.125
J. 0. Farben ...... / 291. 289.75 Sachſenwerk ...
122. 1121.75
R. Friſter. ...
95. 96. Sächſ. Gußſtahl.
Gaggenau Vorz ...
63. 63.625/Siemens Glas.
170. 1169.875
Gelſenk. Berg
173.5 173.5 Ver. Lauſitzer Glas
139 75 141.
G. f. elektr. Untern. 239. 1239,75 Volkſtedter Porzell.. / 59.25 59.25
Salle Maſchinen .... /179.
(Weſtf. C. Langendreer
92.
Han.Maſch. Egeſt. . . 125.875/125. Wittener Gußſtahl. . / 60.
Eanſa=Lampfſchf.. . .

220. (Wanderer=Werke.
272.
Deviſenmarkt.

Amſterdam=R.
Luenos=Aires
Brüſſel=Antw.
Lslo ........
Kopenhagen..
Stockholm. ..
Helſingfors ...
Italien......
London. ....
New=York. . ..
Paris ......."
Schweiz .....
Spanien...

29.6. 30. ( 6. 29. 6. 30. 6 . Geld Brief Geld Brief !. Geid Brie Geld Brie 16s.89 169.22 168.85 169.194 Wien D..Oſt. abg.) 59.32 59.44 59.32 59.44 1.784 1.782 1.788/ 1.7921 Prag.. .. 12.493/12.5131 2.498 12.508 sa.5 3 59.56 53.56 58,68 Budapeſt, Pengö 73.45 3 72.59 73.43 73.57 108.96/109.18 108.95 109.17 Japan .... 1.998 1.992 1.988 1.992 112 6612.861 112.68 112.88/ Nio de Janeiro:! b. 495 0.497 0.495 0.497 112.391 113.21 112.98 13.20 Sofia .. 3.049 3.055 3.047 3.053 io. 614 10.634 1.809 1o. 628l. Jugoſlavien: 7.417 7.431 7.417 7.431 22.69 23.86 23.30 23.34 Konſtantinopel 2.180 2. 184 2.179 2.182 20.471 g0.511 20.469)t 20.509 Liſſabon, 20.78 20.82 20 79 20.62 4.2155 4.2235 1.21550 4.2235/anzig : 81.67 81.331 gi. 65 81.85 1s.505 16.545 16.50 16.54/Athen 5. 7441 5.75e 5.744 5.766 81.15 81.31 81. 7450 g1.305/Kanada . 4.210 4.2ig 4.210 4.218 71.87 72,011 71.88 72.021 Uruguah 4. 178 4.1801 4.168 3 .171

Amerikaniſche Kabelnachrichten.
* Neiw York, 30. Juni. (Priv.=Tel.)
Weizen: Im Anfangsverkehr war die Stimmung ſehr feſt, da
Baiſſedeckungen vorgenommen wurden und ſpekulative Käufe erfolgten.
Später trat jedoch eine leichte Abſchwächung ein auf niedrigere Kabel=
meldungen
, ſowie auf günſtigere Berichte aus dem Winterweizengürtel,
Die Termine ſchließen etiva 3½ C. höher.
Mais: Bei Eröffnung herrſchte eine abgeſchwächte Tendenz vor auf
die ſchleppende heimiſche Lokonachfrage. Dann wurde die Haltung in=
deſſen
feſter, da angeſichts der Anfangsfeſtigkeit am Weizenmarkt die
Deckungstäufe der der Banſſe beobachtet wurden. In der gleichen preis=
ſteigernden
Richtung wirkten jetzt auch ungünſtige Witterungsberihte
aus den Maisgebieten und ſchließlich ungünſtige Ernteberichte. Die Ter=
mine
ſchließen mit leichten Avancen.
Hafer: Der Markt verlief in ziemlich ſtetiger Haltung bei leichten
Kursſteigerungen.
Baumwolle: Verkäufe der Wallſtreetſpekulation, ſowie erneutes Be=
ſtreiten
ernſtlicher Baumwvollſchäden durch den Baumwollwurm im zen=
tralen
Weſten führten zunächſt einen abgeſchwächten Marktverlauf her=
bei
. Dann konnte jedoch eine Befeſtigung eintreten auf Baiſſedeckungen,
ſowie auf Meldungen von für die Erntebewegung ungünſtiger Witts
rung. Die Termine konnten etwa 10 Punkte anziehen.
Kaffee: Niedrigere braſilianiſche Notierungen, ferner weitere Kauf=
reſerven
des hieſigen Handels hatten bei Eröffnung eine abgeſchwächte
Tendenz zur Folge. Später trat eine Erholung ein auf Deckungen, ſo=
wie
auf größere europäiſche Kaufaufträge.
Zucker: Der Markt zeigte im größten Teil ſeines Verlaufes eine
ſchwache Haltung. Niedrigere ausländiſche Notierungen, lowie die an=
haltend
ſchleppende Nachfrage ſeitens Europas, und ſchließlich günſtige
enropäiſche Wetterberichte trugen zu der abwärts gerichteten Tendenz
bei. Im Schlußverkehr konnte eine leichte Erholung eintreten auf Käufe
der Raffinerien. Die Termine haben etwa 7 Punkte nachgegeben.
Kakau: Im Anfangsberkehr war die Tendenz feſt, da die auslän=
diſchen
Käufer anregten und auch die Fabriken eine gebeſſerte Kaufluſt
an den Tag legten. Kleine Ankünfte, ſowie die Feſtigkeit der Loko=
preiſe
trugen ebenfalls zur preisſteigernden Tendenz bei. Die Termine
ſchließen mit Avanern von etwa 20 Punkten.
Es notierten nach Meldungen aus Chicago am 30. Juniz
Getreide: Weizen, Juli 144½, Weizen, September 144½, Mais,
Juli 99½, Mais, September 107/s, Hafer, Juli 46½e, Hafer, Sep=
tember
48, Roggen, Juli 121½, Roggen, September 102½.
Schmalz: Schmalz, Juli 12,18, Schmalz, September 13.
Fleiſch: Rippen, Juli 12, Rippen, September 12,40, Speck 13.
Schweine, ſchwer 8,509,15, Schweine, leicht 8,859,53,
Schweinezufuhr Chicago 31 000, Schweinezufuhr Weſten 106 000
Talg Ohio 72/s.
Es notierten nach Meldungen aus NewYork am 30. Juniz
Getreide: Weizen Nr. 2 rot 155½, Weizen Nr. 2 hart 1637/g
Mais Nr. 2 112½, Hafer Nr. 3 56F/e, Roggen exp. 130½, Mehl
Spring Patent 7.15, Getreidefracht nach England 1,6 sh, Ge=
treidefracht
nach Kont. 7 d.
Schmalz: Schmalz Mittel, Weſten 13,52.
Schweinefleiſch: Schweinefleiſch Family 33.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
Die Reichsindexziffern für die Lebenshaltungskoſten im Juni 1927.
Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskoſten (Ernährung, Woh=
nung
, Heizung, Beleuchtung, Kleidung und ſonſtiger Bedarf) beläuft
ſich nach den Feſtſtellungen des Statiſtiſchen Reſichsamtes für den Durch=
ſchnitt
des Monats Juni 1937 auf 147,7 gegen 146,5 im Vormonat; ſie
iſt demnach um 0,8 b. H. geſtiegen. Die Steigerung iſt im weſentlichen
auf eine Erhöhung der Ernährungsausgaben zurückzuführen, da bis
auf Milch und Milcherzeugniſſe dieſe eine aufwärtsgerichtete Tendenz
aufwieſen.
Kapitalserhöhung der Reichskreditgeſellſchaft. Die Kapitalserhöhung
der Reichskreditgeſellſchaft iſt in der Weife durchgeführt worden, daß
10 Millionen RMM. junge Abtien zu 150 Prozent mit Dividendeberech=
tigung
ab 1. Januar 1977 ausgegeben werden. Das Aktienkapital er=
höht
ſich danach auf 40 Millionen RM. Die neuem Aktien werden von
der Viag übernommen, welche nach wie vor Alleinaktionärin der Reichs=
kreditgeſellſchaft
bleibt.
Konkursnachrichten aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Darmſtadt.
Offenbach a. M.: Friedrich Tiſcher, Lederwaren. KVerf. aufgehoben.
Darmſtadt: Carl Birkeneder u. Frieda Birkeneder. Af. 15. 8. Wt. und
GlV. 11. 7. Prft. 24. 8. Marie und Elfriede Steinbach. KVerf. auf=
gehoben
. Fa. Frehberger u. Volz GmbH. KVerf. aufgehoben. Bens=
heim
: Fa. Süddeutſches Eiſen= und Blechwarenwerk GmbH. Schluß=
termin
19. 7. Höchſt i. O.: Georg Ludwig Eckhardt. KVerf. aufgehoben.
Lorſch i. Heſſen: Fa. Georg Tuger A.=G., Eierteigwarenfabrik. KVerf.
mangels Maſſe eingeſtellt. Nidda: Adolf Falk u. Co. KVerf. mangels
Maſſe eingeſtellt. Richard Wildhack Eheleute. KVerf. aufgehoben.
Worms: Wilhelm Wailand, Zigarrenhandlung. KVerf. aufgehoben.
Verſteigerung der Anlagen der Porzellanfabrik Fraureuth A. G. Im
Konkursverfahren der Porzellanfabrik Fraureuth A.G. iſt im Verſteige=
rungstermin
die geſamte Fabrik nebſt Vorräten für 710 000 RM. von
der Gruppe Maliniak in Berlin erſteigert worden. Dieſe Gruppe war
bekanntlich Mehrheitsbeſitzer und Hauptgläubiger der Geſellſchaft. Es iſt
beabſüchtigt, eine neue Aktiengeſellſchaft zur Fortführung zu gründen.
An der Verſteigerung beteiligte ſich auch die Porzellanfabrik Kahla, die
aber in ihrem Gebote zurückblieb.

Frankfurter Kursbericht vom 30. Zuni 1921.
Surmſtädter u. Mallonatbant, Nominnnontgeſeaſchäfeanf Arben, Burmftksr

Staatzpapiere
) Deutſche
2. Reichsanl. Ablöſ=
Schuld einſchl.
Ausloſ.=Sch. 1. Teill304
II. Zeil/304.5
D. Reichsanl. Ablöſ=
Schuldohne Aus=
loſungsſcheine
.. . 18.5
6½% Reichsp. Sch.
h. 1. 10. 30. .../ 86.75
72Baher. Staats=
Sch. v. 1. 4. 29/ 96.5
6½½ H. V. Sch.
b. 1. 4. 29 ...../ 96
6½% Pr. St.=Sch.
v. 1. 8. 29 ..../ 97
6½% Pr. St.=Sch.
v. 1. 10. 80 ..../ 97
7% Sächſ. Freiſtaat
Schatz, v. 1. 7. 29/ 98.25
7% Sächſ. Freiſtaat
Schatz. o. 1. 7. 301 98.25
6½%Württ. Freiſt.
Schatz. v. 1. 3. 29/ 95.5

b) Ausländ iche
5% Bos. E. B. 1914
5% L. Inv. 1914
4½% 1898 ...
4½% 1902 ...
4% ....."

4%Türk. Adm.)03
(Bagd.) I
(Bagd,)II 17.5
unif. 1903
42 1911 Zol. 13.75

52 Bulg. Taba: 02/
4½%Oſt. Staatsr.
v. 1913, Kdb. 1918
4½%Oſt. Schatz. 141
4½% Oſt. Silberr.
4% Goldr. .
4% einh. R. (kon)
3% Port. /Spz.) I
59 Rum.am.R.03.
4½% Gold. 18.
42 amkonv.,
42 am. 05...

3.25

23

3.35

4½% Ung. St. 1913
41,% St. 19141
47 Goldr..
42 St. 10
42o Kronr. ..
3% Eiſ. Tor.. 20.1
Außereuro=
päiſche

5%Mex.am. in abg. 21.25
5% äuß. 99 ,
47 Gold 04ſtf.,
3½ konſ. inn. ., 12
4½%0 Irrigat.,
5% Tamaulivas I .
Sachwert= Schuld=
verſchreibungen

Mit Zinsberech=
nung

10%Berl. H.=Bi. G./105
89
6% Berl. St.=Gold
8% Darmſt. St.=G.
8% D. Hyp.=Bank
Meining. Goldpf. 101.75
822 Frk.=byp.=B.
Goldpfdbr. . . . 102.5
% Frkf. 6.=B.=Gld.
8% Frkf. Pfbr.=Bk.
Goldpfbr. . .. 100.30
7% Pfbr.=Bk.=Gold
5%0Frli. Pfdbr.=Bk.)
Goldpfbr.
8% H. Lds.=Bk. Gld
7%
10% L. Glektr. Mark
(Hagen) Goldobl.
8o K. Landesbank
Darmſt., Reihe
Neihe II

24.15
28
22.75
1.75

40
28
35

102.5
95
98
160.5
400
109.5

104.5
100.75
102.,6
200
100

725 M. KraftHöchſt! 92.1

Mannh. St.=G. 99.5
Naſſi. Ldb. Golb/205.9
/a Nbg. St. Glbal. 100.5
82 Pfälz. Hyp.Bl.!
Gold=Pfdbr. 1100.5
8%0 Pforzh. St.=G./ 99
80 Pr. Centr.=Bd.=
Gr.=Bk. Gldpfbr.)
82 Pr.Gentr.=St.=Goldpipr/102
100
82 Rh. Hyp.=Bani!
Gold. Pfdbr..
100
LRh. St.=W. 25/154
10% Rh.=Weſtf.=B.
Cr.=Bk. Goldpf.
99
82 Süod. B. Cr.B.
Goldpfdbr.
99.5
720 B. Stahlw. Düſ=
ſeldorfHhp
.=Gld.
obl. mit Option/10411,
72 V. Stahlw. Düſ=
ſeldorfsHyp
.=Gd.. ohne Option! 98
1 8% VoigtcHäffner
Goldobl. ..... 99
82 Wüirttbg. Hyp.=
Bank Goldpfbr.
79

Ohne Zins=
berechnung

5% Bdw. Kohl 231 12.75
82 Großkr. Mannh.
Kohl. 23
6%0 Geſ.Brk.=Rg.28
Noggen 23/ 9
5% Pr. Kaliw. .! 6.35
5% Pr. Roggenw.
5% Südd. Feſt=V. 6l
Borkriegs=Hyp.=B.
Pfandbriefe
Bahr. Vereinsb.
Bahr. Handelsb.:

Bahr. Hhp.u. Wechſ.
Berliner Hyp.=Bk.
Frkf. Hyp.=Bk.
Frkf. Pfandbr.=Bk.
Hamb. Hyp.=Bk. / 131/,
Mecklb. Hyp.=u. Wb.
Meining. Hhp. Bk. 12.1
Nordd. Gr.=Fr.=Bk.
Pfälz. Hhp.=Bk. ..
Preuß.Bod.=Cr.=B.
Pr. Cent.=B.=Cr. B.
Preuß. Pfdbr.=Bk.
Rhein. Kyp.=B..
Rh.=Wſtf. B.=Cr.=B.
Südd, Bodenkr. ..
Württ. Hyp.=Bk...
Staatl. od. prov.
garantiert
Heſſ. L.=Hyp.=B..
Landeskr. Caſſel ..
Naſſau. Ldsb. . ..
Obligationen v.
Transportanſt.
420 Eliſ.=Bahn ſtfr.
4% Galiz. Carl=
Lud.=B.
425
abg.
5%0Oſt. Sb. (L.)ſtfr.
2,6% Alte .."
2,6% Neue .
5% Oſt.=Ung.73/74
4%Oſt. Staatsb. 83
3%Oſt. 1.b.8.E.
82Oſt. 9. E.
3%Oſt. 1885
320Dſt. Erg. Netz
3% Raab Oedbg.83
39
93
4% Rud. Silber.
4%Rud. (Salzkg.)
4½% Anat., S. I
41%Angt. S. II
2% Anat. S. III
% Salon.Monaſt.
Tehuantepec.
2

18.4
16.5

13.7
13.6
14
12.8
15.2

11.9
12.4
9.4

14
14

21
20.75
20.75
21
24.75
20
19.5
9.05
4.1

Bank=Aktien
Allg. D.=Kredit.. . . /151
Bad. Bk. . . . . . . . . 160.5
Bk. f. Brauind. . . .
Barmer Banko. . .154.5
Bah. Hyp.=Wchſ.. 178
Berl. Handelsgeſ.
Comm.u. Privatb. 1184.25
Darmſtu. Nat.=Bk. 241
Deutſche Bank ... /165.25
D. Eff.u. Wchſ.=Bk. 140
D. Hhp.=Bk. Mein. /143
D. Vereins=Bk. ../167
Disk.Geſellſch. . . /164.5
Dresdener Bk. ... /169½,
Frankf. Bk.
137
Frkf. Hyp.=Bk. . .. /153
Frkf. Pfdbr.=Bk. .1157
Gotha. Grundkr. Bk
Lur. Intern. Bank. 8.75
Metallbank.
147
Mitteld. Creditb.
236
Pfälz. Hyp.=Bk. /218.25
Pr. Bd.=Credikbank 143
Hyp.=Akt.=Bank
Reichsbank=Ant.
Rhein.Creditbk. . /136
Rhein=Hyp.=Bk. /180
Südd. B.=Creditbk.
Südd. Disc.=Geſ.. 1143
Oſterr. Creditanſt. 8.5
Wiener Bankverein! 6.70
Bergwerks=Akt.
Bochum. Bergb..
Buderus.... . . . . . 124
Dt. Luxemburg ...
Eſchw. Bergw.....
Gelſenkirch. Bgwv. /173.5
Harp. Bergb. . . . 209
Ilſe Bergb. St...
Genußſchein. 132.75
Kali. Aſchersleb.
Kali. Salzdetfurth.
Kali. Weſterregln. 188
Klöcknerwerke ... 178.5
Mannesm.=Röhr. 198.25
Mansfelder ...... 1367/,

Oberbedarf ....:/107.5
Otavi=Min.=Ant.. 35
Phönix=Bergb. .. /126.1
Rhein,Braunk. . /277.5
Rhein. Stahlw.. . 1208.5
A. Niebeck Montan!
Rombach. Hütte
SalzwerkHeilbronn
Tellus Bgb.. . .. . . /118
Ver. Laurahütte . 101.75
Ver. Stahlwerke. 142.9

Induſtrie=Akt.
Brauereien

Eichbaum(Mannh. //271
Henninger ....... /195
Hereules, Heſſiſche. /150.5
Löwenbr.=München/370
Mainz Aktienbr. /237
Schöfferhuf(Bind. //375
Schwarz=Storchen 180
Tucher, Nürnberg.
Verger ....:..../183

Akkum. Berlin. .
Adler & Oppenh..
Adlerw. (v. Kleher)!1
6SE. A. G. Bzg.A.
5% A. E. G. Vzg. B.
A. E. G. Stamm...
Anglo=Cont. Guano
Bad. Maſch. Durl.
Bad. Uhren, Furtw.
Bamag=Meguin ..
Baſt Nürnberg ...
Bahr. Spiegel ...
Beck e Henkel ....
Bergmann El. ...
Bing. Metall. ...
Brem.=Beſigh=Ol.
Bürſtenfor. Erlang.
Cement. Heidelb...
Cement. Karlſtadt
Cement. Lothr..
Chem. Albert. ....
Chem. Brockh. ...
Ehem. Milch .....!

17
132
88.5
80.9
188

140
25.5
a8
245
58
81
193
25.5
70 5
153
491
148
87.75
70

Daimler=Benz A. G.
Dt. Eiſenhandel. .
Deutſche Erdöl ...
D. G. u. Silb. Scheid
Dingler, Bweibrück.
Dresd. Schnellpr..
Dürrkopp. . . . . .
Dürr. Rattingen.
Ohckerhof E V.
Eiſenw. Kaiſersl.
Gl. Licht u. Kraft
El. Lieferung ..."
Elſ. Bad. Wolle ..
Email. Ullrich ....
Enzinger Werke..
Eßlinger. Maſch.
Ettlinger Spinn..
Faber Bleiſtiſt ...
Faber & Schleicher
Fahr, Pirmaſens.
Farbenind. J. G.
Felten & Guilleau.
Feinmech. (Jetter)
Feiſt, Sekt. .....
Frankfurter Gas.
Frankfurter Hof ..
Frkf.=M. Pok. u.W.
Geiling & Cie. ....
Germania Linol..
Gelſenk. Gußſt. . .
Goldſchmidt, Th..
Gotha Waggon ...
Gritzner, Maſch....
Grün & Bilfinger
Hafenmühle Frkft.
Hammerſen
Hanfw. Füſſen ..
Hanſa=Lloyd, Br..
Hartm. & Braun.
Heyligenſtaedt. ...
Hilpert, Armatur.
Hindrichs=Aufferm.
Hirſch Lupfer ...
Hoch=Tief Eſſen.
Holzmann.
Holzverk. Ind..
Hydrom. Breslau
Jnag ...........

Jaae
95
165
214.5
151
3.
46
185
4
62

g0
167
58
280
100
49
170
120
n8

140
122
138
136.5
136
23
78
115
1119
2o3.75
72I.
35
100

Junghans St....I.
Kammg. Kaiſersl.
Karlruher Maſch.
Karſtadt, R. .....!.
Klein Sch. & Becker
Knorr, Heilbronn.
Konſerv. Braun ..
Krw. Alt=Württbg.
Krauß, Lokom.
Lahmeyer .......!"
Lech, Augsburg... 1
Lederw. Rothe ...
Spicharz..
Lingel Schuhw. ..
Löhnberg. Mühle
Ludwigsh. Walzm.
Lüdenſcheid Metall
Lux, Induſtrie ...
Mainkraft Höchſt.11
Mars=W. Nürnberg!:
Metallgeſ. Frkf.
Miag, Mühlenb. .
Moenus, Stamm
Motorenf. Deutz..
Motorenf. Oberurſ.
Münch. Lichtſpielk.
Reckarſ. Fahrz. ..
Neckarw. Eßlingen
Peters Union".
Pfälz. Näh. Kayſer
Philipps...
Porzellan Weſſel.
198 Rein. Gebb.&Scha
Rhein.Elektr. ...
Rhenania, Kunheim!.
Rütgerswerke ..
Schneid. & Hanau.
Schnellpr. Frank. .
Schramm Lackf.
Schriftg. Stemp..
Schuckert, Elektr.
Schuhf. Weſſel
Schuhf. Herz
Schultz, Grünlack.
Seilind. Wolff ..
Siemens Glas
Siemens & Halske

Mae
192
32
155
141
186.5
68"

183.5
124.5
36

*
129.75
107
131.1
145.5

79.5

124
123
145
118
68
63.5
46
138
183
106.5
69
104
99.75
131

Südd. Immob. ..
Südd. Zucker=A.=G.
Thür. elektr. Lief. . /1
Uhren Furtwängl.
Unterfr. Kr.=El.=V.
Beithwerke ..
Ver. f. Chem. Ind.
Ver. d. Olfbr. Mann
Ver. Faßf. Caſſel.
Gummi. Bln.=Frkf.
Pinſel=Nürnberg..
Ultramarin ......!.
Zellſtoff Berl. ....
Vogtl. Maſch. ..
Voigt & Haeffner
Volthom, Seil...
Wahß & Frehtag.
Begelin Rußfbr..
Zellſt. Aſchaffenbg..
Zellſt. Waldhof ..."
Zuckerf. Rheingau=
Transport= und
Verſicherungs=Akt.
Dt. Reichsb.=Vorzg.
A. Dt. Eiſenbahn.
A. Lokalb. u. Kraftw.)
Dt. Eiſenb.=Geſ. . .
Schantung E. B.
Südd. Eiſenb.=Geſ.
Hapag .........."
Nordd. Llohyd.. . .

Frrft. Allg. Ver).
Frankona Rück.
Tarmſt. Werte

191.75 Bahnbedarf..
Dampfk. Rodberg
Helvetia Konſ. ...
40.5 Gebr. Lutz ....
92.5 Motorf. Darmſt.
Gebr. Roeder ...
283. 25 BenulethckEllenb.,

98.25
142
118.5
106.25
11
10.
151.25
16.
ö=
172.75
149
209.5
313

181
125

139.5
143.5

148.25
170

41.5
*.

[ ][  ][ ]

Rummer 180

Freiftag, den 1. Juſi 1927

Franzöſiſche Konverſionsabſichten. Da jenem Ländern, welche bis jetzt
ihre Schulden gegenüber den Vereinigten Staaten nicht geregelt haben,
hinſichtlich neuer Anleihen nicht entgegengekommen werden ſoll, hält man
die Pariſer Meldung von einer Konverſion der 8prozentigen 100 Mil=
lionen
Dollar=Anleihe des franzöſiſchen Staates, wenn nicht für unrichtig,
ſo für alle Fälle verfrüht.

Seite 12

Metallnotierungen.

Die Berliner Metallnotierungen vom 30. Jui ſtellten ſich wie
folgt: Elektrolytkupfer 122, Remelted Plattenzink 52½53½, Original
Hütten=Aluminium 210, dto. in Walzen 214, Rein=Nickel 340350, An=
timon
Regulus 95100, Silber in Barren 7879.
Die amtlichen Preisfeſtſtellungen im Metallterminhandel vom
30. Juni ſtellten ſich für Kupfer: Januar 111¼ (11134), Februar
1113 (112), März 11134 (112½), April 112½ (112½), Mai 112½ (112¾),
Jun: 11234 (113), Juli 111½ (112), Auguſt 109½ (110), September 110
(110½), Oktober 110½ (110½), November 110¾ (111½), Dezember 111½
(111½). Tendenz: ruhig. Für Blei: Januar 48½ (48¾), Februar
48½ (4334), März 48½ (49), April 48¾ (49), Mai 48¾ (49), Juni
48½4 (49), Juli 47½ (47½4), Auguſt 47¾ (48), September 48 (48), Oktober
48½ (48½), November 48½ (48½), Dezember 48½ (48½). Tendenz:
ruhig. Für Zink: Januar 55¾ (56), Februar 5534 (56), März
5534 (55¾), April 55¾ (5534), Mai 55¾ (56), Juni 5534 (56), Juli
56½ (56½), Auguſt 56 (56½), September 55¾ (56), Oktober 55¾4 (56),
November 55¾ (56), Dezember 55¾ (56). Tendenz: ruhig. Die erſten
Zahlen bedeuten Geld, die in Klammern beigefügten Brief.
Produktenberichte
Mannheimer Produktenbericht vom 30. Juni. Die Produktenbörſe
derkehrte in luſtloſer Haltung. Umſätze fanden nur in geringem Ung
fange ſtatt. Man notierte für die 100 Kg. waggonfrei Mannheim obne
Sack: Weizen inl. geſtrichen, ausl. 30,7533, Noggen ausl. 27, Brau=
gerſte
ausl. 3134, Futtergerſte 24,5025.50, Hafer ausl. 23,5024,50,
eMais mit Sack 19,2519,50, ſüddeutſches Weizenmehl Speziall Null
41,2541,50, ſüddeutſches Brotmehl 33,2533,50, ſüddeutſches Reggen=
mehl
37,7540, Kleie 13.
Frankfurter Produktenbericht vom 30. Juni. Die Stimmung iſt im
allgemeinen ruhig. Da die Mühlen auf Lieferung auf ſpätere Termine
in Weizenmehl die Preiſe ermäßigt haben, liegt das Geſchäft für prompte
Lieferung ſehr ſtill, da die Händler im Kaufe ſtark zurückhalten.

Roggenmehl iſt dagegen geſucht. Weizenkleie iſt für prompte Lieferung
recht gut gefragt, Julilieferung aber unter den notierten Preiſen zu
haben Roggenkleie iſt ziemlich angeboten, aber im Preis ſehr hoch,
ſo daß nur wenig Geſchäfte zuſtandekommen. Weizen 31,25, Roggen
28,5033,75, inländiſcher Hafer 26, ausländiſcher Hafer 23,5026, Mais
19, Weizenmehl 4141,25, Roggenmehl 39,2540, Weizenkleie 13,25 und
Roggenkleie 15,2515,50.
Berliner Produktenbericht vom 80. Junf. Die anhaltende Beſſe=
rung
der Wetterlage und das Fehlen größerer Konſumgeſchäfte ſowie
die Erwartung größerer Andienungen per Juli veranlaßtem einen
ſtärkeren Kurseinbruch für Juli=Weizen und =Roggen, Juli=Weizen iſt
5½ Mk., Roggen 3½ Mk. rückgängig. Für Herbſtſichten ſtellten ſich auf
Grund des guten Wetters und der günſtigen Prognoſen die Preiſe leicht
niedriger. Der kanadiſche Farmerpool war mit unveränderten Weizen=
offerten
im Markte, die Plataablader haben ihre Forderungen um etwa
10 Guldencents ermäßigt. Die zweite Hand zeigte ſowohl ſür Weizen
als auch für Roggen ſtärkeres Entgegenkommen, Abſchlüſſe wurden
jedoch bis zur Berichtabfaſſung auch auf niedrigerem Niveau nicht be=
kannt
. Der Markt für inländiſches Brotgetreide blieb unverändert, das
Geſchäft geſtaltete ſich infolge der wenig nachgiebigen Forderungen
fchwierig. Mehl hatte weiter ruhiges Geſchäft. Hafer blieb wenig
offeriert, aber die Kaufluſt läßt wieder ſtärker zu wünſchen übrig. In
Gerſte fanden nur wenig Umſätze ſtatt.

Viehmärkte.

Darmſtädter Schlachtviehmarkt vom 30. Juni. Dem heutigen
Schlachtviehmarkt waren zugeführt: 6 Ochſen, 1 Kuh. keine Notierung,
145 Kälber a) 6570, b) 6164, c) 5060, 10 Schafe 4550. Schlep=
pend
geräumt.
Mannheimer Viehmarkt vom 30. Juni. Zum Kleinviehmarkt waren
aufgetrieben und wurden die 50 Kg. Lebendgevicht je nach Klaſſe gehan=
delt
: 105 Kälber (080, 24 Schafe 3846, 119 Scheine 60c4, 642 Fer=
kel
und Läufer, Ferkel bis 4 Wochen 713, über 4 Wochen 1418, Läu=
fer
1924. Marktverlauf: Kälber ruhig, langſam geräumt, Schweine
mitelmäßig, Markt geräumt, Ferkel und Läufer ruhig.
Fronkfurter Viehmarkt vom 80. Juni. Der Auftrieb beſtand aus
728 Kälbern, 161 Schafen und 1212 Schweinen. Bezahlt wurde pro Zent=
ner
Lebendgewicht: Kälber b) 7883, c) 7077 und d) 6069, Schafe
a) 5055 und d) 4049, Schweine a) geſtrichen, b) 6062, c) 6163,
1) 6364, e) 6062. Marktverlauf: Kälber und Schafe werden bei

anfangs regem zum Schluß abflauendem Handel ausverkauft. In
Schweinen verbleibt bei ruhigem Geſchäft geringer Ueberſtand. Die
Fleiſchgroßhandelspreiſe wurden wie folgt feſtgeſetzt: Ochſenfleiſch
1 100110, 2. 95100, Bullenfleiſch 95100, Kuhfleiſch 1. 7585, 2. 60
bis 75 und 3. 4555, Kalbfleiſch 2. 100110, Schweinefleiſch 1. 7582,
Gefrierfleiſch, Rindfleiſch Vorderviertel 4650 und Hinterviertel 5458.
Kleine Wirtſchafts=Nachrichten.
Im Monat Juni d. J. hat ſich gegenüber Mai die Zahl der gericht=
lichen
Ausgleichke und Konkurſe um 20 Prozent vermindert. Es wurden
201 gerichtliche Ausgleiche und 42 Konkurſe verhängt gegen 255 bzuu.
49 im Mai d. J. und 197 bzw. 54 im Juni 1926.
Die Anleihe des Freiſtaates Sachſen in Höhe von 750 000 Pfund
Sterling zum Kurſe von 98 Prozent mit 6prozentiger Verzinſung wurde
am Donnerstag am Londoner Geldmarkt zur Zeichmnug aufgelegt.
Die Zulaſſungsſtelle für auswärtige Anleihen hat geſtern nach Prü=
fung
der Unterlagen und der Zwecke, für die die deutſche Anleihe Ee=
ſtimmt
iſt, eine ſtädtiſche Berliner Anleihe in Höhe von 70 Mill. Mark,
gleich 3½ Mill. Pfund, genehmigt. Die Anleihe iſt für den Bau von
Verkehrsanlagen uſw. beſtimmt.
Die franzöſiſchen Vertreter ſind bereits im Laufe des 28. Juni in
Eſſen a d. Ruhr eingetroffen. Auf Grund der Verhandlungen mit dem
Rheiniſch=Weſtfäliſchen Kohlenſyndikat hofft man, einen günſtigen Ab=
ſchluß
für alle bekannten ſchwebenden Fragen zu erzielen.
Die vierte Serie der diesjährigen Londoner Kolonialwollverſteige=
rungen
beginnt am 5. Juli; vorausſichtliche Dauer bis 20. Juli.
Der Londoner Golzpreis beträgt gemäß § 2 der Verordnung zur
Durchführung des Geſetzes über wertbeſtändige Hypotheken vom 29.
Juni 1923 ab 29. Juni bis auf weiteres für eine Unze Feingold 84 zu
11 d, für ein Gramm Feingold demnach 32,716 penc.
Nach Berichten aus Kairo hat Polen den Wunſch ausgeſprochen,
zum Zwecke der Entwickelung der kommerziellen und wirtſchaftlichen
Beziehungen zwiſchen beiden Ländern mit Aegypten einen Vertrag ab=
zuſchließen
. Auf polniſcher Seite beſteht der Wunſch, ägyptiſche Baum=
wolle
direkt nach Polen zu importieren.
In Brisbane (Auſtralien) gelangton 20 000 Ballen, hauptſächlich
mittlere Waren, zur Verſteigerung. Die Konkurenz zwiſchen deutſchen,
franzöſiſchen und japaniſchen Käufern war gut. Insbeſondere hatten
erſtklaſſige Waren ſteigende Tendenz.

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[ ][  ][ ]

Seite 18

Freitag; den 1. Zuſt4927

Nummer 480

Chriſtine Berthold.
Roman von Emma Nuß.
(Nachdruck verboten)
26
Ich will mich Ihrer Freundſchaft gewiß erinnern, wenn
ich je einer Fürſprache für mein Vorwärtstommen bedürfte.
Sie ſagte ihm letzteres mehr zur Beruhigung. Dann ſtand
ſie plötzlich auf der Straße ganz frei und Herrin, ihres Tuns
und Wollens. Sie hatte den reichen Kaufherrn wie einen ab=
gewieſenen
Bittſteller zurückgelaſſen. Als er ihr ein glänzendes
Zeugnis überreichte und die Reſtiumme ihres Gehaltes, trug
ſein Geſicht den Ausdruck tiefen Kummers. Und er eilte auch
gleich nach ihrem Weggehen, ohne, wie ſonſt um dieſe Zeit, nach
der Börſe zu gehen, in das nahegelegene Weinlokal von Pfordte,
wo er ſtill und allein in einer Ecke ſeine Flaſche Rotſpon trank,
in tiefe Betrachtungen über die Nichtigkeit des Lebens verſun=
ken
. Er hätte viel darum gegeben, wenn jener Brief von dem
Detektivbüro heute und auch ſonſt niemals zu ihm gelangt wäre.
Er hätte es um ſeiner Ruhe willen und um dieſes prächtigen
Mädels willen gewünſcht. Und als er das letzte Glas hinunter=
goß
, bekannte er ſich, daß er keine liebere Schwiegertochter hätte
finden lönnen als dieſe Chriſtine Berthold.
Noch am ſpäten Nachmittag war Chriſtine dann nach dem
eine Stunde entfernt liegenden Waijenhaus gefahren, um dort
noch einmal die ihr liebgewordenen Menſchen und Stätten ihrer
Jugend zu ſehen. Sie wvollte von allen Abſchied nehmen, ehe ſie
die Reiſe antrat, von der ſie wohl doch erſt nach Jahren, viel=
leicht
aber überhaupt nicht wieder zurückkehren würde. Paſtor
Heim, Schweſter Marianne und die alte Thereſe, Weißhaupts
treue Dienerin, waren noch die Einzigen, die an ihrem Leben
innigen Anteil nahmen. Frau Paſtor Heim war vor etwa
Jahresfriſt geſtorhen, ſonſt würde ſie wohl mit in dieſem Bunde
geweſen ſein. Der alte Herr lebte nun in der Familie ſeines
Sohnes, der zugleich ſein Amtsnachfolger war, auch fernerhin
in der ihm lieben und vertrauten Umgebung weiter. Er ver=
körperte
durch ſeine Perſönlichkeit allein ſhon die Heimat für
alle ſeine einſtigen Schüler, ſo auch ſür Chriſtine, die ihm mit
großer Liebe anhing.
Freudig und erſtaunt zugleich wurde ſie von dem Greiſe
wie der raſch herbeigerufenen Schweſter Marianne begrüßt.
Doch alle Fragen und Vermutungen über ihr überraſchendes
Kommen löſte ſie mit den wenigen Worten: Ich bin auf der
Durchreiſe zu meiner Mutter.
Chriſtine! ſchrie da die Schweſter entſetzt auf: Was
weißt du von jener Frau und was willſt du bei ihr?
Ich weiß, daß ſie lebt, und will ſie ſehen."
Das, darfſt du nicht, Kind, nein, das nicht! wehrte
Schweſter Marianne leidenſchaftlich ab.
Da ſchüttelte das junge Mädchen traurig das Haupt. Es
hilft nichts, ich muß ſie ſehen, und nach einem kurzen Stocken:
Ich würde ja doch ſonſt keine Ruhe mehr finden.

Ohne noch etwas zu fragen, ſchloß Schweſter Marianne ſie
jetzt in die Arme und ſtreichelte ſie mit mütterlicher Zärtlichkeit.
Paſtor Heim ſtand daneben, ſtill und mit tiefbekümmerter
Miene. Mit Worten war da nicht zu tröſten nur durch die
Kraft ihrer Jugend konnte ſie an dieſem Leid geneſen. Und
er kannte ſie zur Genüge, um zu wiſſen, daß ſie das alles über=
winden
und jetzt erſt ein ganzer Menſch aus ihr werden würde.
Sie war dann die Nacht im Waiſenhaus geblieben, hatte
am Abend noch die alte Thereſe im Städtchen aufgeſucht und
war nach ſchmerzlichem Abſchied von den wenigen ihr ſo lieben
Menſchen am andern Morgen die paar Stationen weitergefah=
ren
, dem Ziel, ihrer Reiſe zu. Schweſter Marianne in ihrer
friſchen heiteren Art hatte keinen Schmerz aufkommen laſſen
tvollen das Kind hatte noch genug Schweres vor ſich, warum
ſollte man da nun unbedingt fortwährend die Trauermiene
aufſtecken und ſo meinte ſie beim Frühſtück ſcherzend: Höre.
Chriſtine, ob du nun zu Yankees oder Zulukaffern gehſt und
ihnen beine Talente auf der Schreibmaſchine oder im Kopfrech=
nen
vorführſt eins rate ich dir: Laß dir’s gut bezahlen!
Und wenn du dann als Millionärin wiederkommſt, kannſt du
dem Waijenhaus auch eine ſchöne Stiftung machen, nicht wahr,
Herr Paſtor?
Ja, ja, meinte der lachend, zu ſtiften gäb’s ſchon aller=
hand
bei uns für eine Millionärin.
Dann wird mir wohl nichts andres übrig bleiben, ging
Chriſtine auf den Scherz ein, als mit den gewünſchten Millio=
nen
zurückzukommen. Sie mußte jetzt auf der kurzen Fahrt
daran denken, wie beſchränkt doch ihre Mittel immerhin waren,
und wie wohl die Verdienſtmöglichkeiten in einem fremden
Land für ſie werden follten. Noch hatte ſie ſich nicht entſchieden.
wohin ſie gehen wollte, wo ſie ein neues Leben beginnen könnte.
Aber das würde ſich ja alles finden jetzt erſt mal das Nächſte
das Schwerſte hinter ſich haben!
Der Zug hielt an einer kleinen Bahnſtation, und es ſtiegen
außer ihr nur ein paar Menſchen noch aus. Doch als ſie eben
den Bahnſteig überſchritt, ſah ſie, wie in einiger Entfernung
von ihr ein Trupp barhäuptiger Frauen und junger Mädchen,
alle in einer uniformartigen Kleidung, ſtand, während zwei
Polizeibeamte die etwa zehn Weibsperſonen ſcharf im Auge be=
hielten
. Erſt als die Sperre von Zivilperſonen frei war, ſetzte
ſich der Zug der Frauen in Bewegung und verließ durch einen
beſonderen Ausgang den Bahnhof. Dann ſah Chriſtine ſie nicht
mehr. Sie hatte erſt gar nicht bemerkt, daß es weibliche Gefan=
gene
waren, die da einem der Sammelzüge entſtiegen waren.
Es war hier eine der größten Strafanſtalten des Landes, und
ſo brachten beſondere Züge, die ſtets auf der Rundfahrt durch
die Provinz gingen und an allen kleineren Stationen die Ge=
fangenen
ſammelten, täglich ſolche Trupps männlicher wie weib=
licher
Gfangener an.
So alſo wurde damals auch meine Mutter hier angebracht,
grübelte Chriſtine, als ſie ſich auf dem Weg zu ihr befand. Mit
einem Gefühl des Grauens wie auch faſt unerträglicher Span=
nung
ſchritt ſie dahin, bis ſie vor dem Tore des hohen roten
Gebäudes mit den unzähligen vergitterten Fenſterchen Halt
machte. Im ſelben Augenblick fuhr auch ein dichtverſchloſſener

grüner Wagen in raſchem Tempo Chriſtine entgegen und hielt
gleich darauf neben ihr. Kaum ſtand der Wagen ſtill, erſcholl
auch ſchon aus dem Innern desſelben ein lärmiender wüſter
Geſang von woeiblichen Stimmen. Das breite Tor öffnete ſich,
und ſogleich war der Wagen dahinter verſchwunden. Chriſtine
erhielt durch eine Seitenpforte Einlaß, doch ſie hörte auch hier
noch das laute Johlen und Schreien der eben eingebrachten
weiblichen Gefangenen, die ſie bereits auf dem Bahnſteig ge=
ſehen
hatte. Auf Chriſtinens ſchon erſchüttertes Gemut machte
dies einen geradezu widerlichen Eindruck. Sie wußte noch
nichts von der wahren Natur dieſer zum Teil doch ſchon ein=
gefleiſchten
Verbrecherinnen, die ſchamloſer und frecher ſich ge=
bärdeten
als der größte Teil ihrer männlichen Schickſals=
genoſſen
.
Am ganzen Körper zitternd vor Erregung und Anſpannung
all ihrer Kräfte ſtand das junge Mädchen jetzt vor dem Anſtalts=
direktor
. Doch erſt nach ausführlicher Rückſprache mit dieſem
trar es ihr geſtattet worden, die Mutter zu beſuchen.
Das Herz ſchlug Chriſtine bis zum Halſe hinauf, als ſie in
Begleitung der Oberaufſeherin, einer älteren, freundlichen
Dame, die vielen düſteren Gänge durchſchritt, unzählige ver=
ſchloſſene
Türen vor ihr geöffnet und ſogleich wieder geſchloſſen
wurden, bis ſie dann endlich in das Beſuchszimmer eintraten,
wo ſie die Gefangene zu erwarten hatten. Chriſtine bemerkte
an der einen Längswand in der Mitte eine Türe, die zu einem
Nebenraume zu führen ſchien. Dieſe Türe war von oben bis
unten vergittert mit Längs= und Querſtäben. Dych es blieb ihr
nicht lange Zeit zu Betrachtungen, denn draußen auf dem Gang
hörte man Schlüſſel klirren, und eine Türe dicht neben dem
Beſuchszimmer wurde aufgeſchloſſen. Die vielerfahrene Ober=
aufſeherin
hatte ſofort erkannt, wie das junge Mädchen an ihrer
Seite zu bewerten war; ſie drehte ſich jetzt raſch um und fragte
mit faſt zarter Rückſicht:
Wollen Sie Ihre Mutter nur ſehen oder auch ſprechen?
Auch ſprechen, brachte Chxiſtine heiſer und faſt lallend
hervor.
In dieſem Augenblick kam ein Wärter herein und meldete
kurz: Nummer ſiebenundachzig, und verſchwand ſogleich
wieder.
Die Oberaufſeherin nickte nur und öffnete ſodann mit
einem der vielen Schlüſſel, die ſie am Arme trug, die vergitterte
Türe. Es geht zwar gegen die Regel, daß ich Ihre Mutter
hier in das Zimmer führe und ſie während Ihrer Unterredung
nicht hinter dieſem Gitter laſſe. Aber wir können ſchon auch
mal Ausnahmen machen. Ich bringe ſie jetzt, ſagte ſie ſreund=
lich
zu Chriſtine. Dann hörte das gequälte Mädchen wieder
einen Schlüſſel ſich im Schloſſe drehen, die Worte: Hier herein,
und ein paar ſchlürfende Schritte nahe an ihrem Ohr. Sehen
konnte ſie nichts mehr, ſie war einer Ohnmacht nahe und nicht
fähig, ſich von dem Stuhle zu erheben. Sie hatte das Gefühl,
als ſei ſie plötzlich gelähmt; die Augen hielt ſie zu Boden ge=
ſenkt
, die Hände lagen geſpreizt auf ihrem Schoß ſie rührie
ſich nicht und hob auch nicht den Blick, als die Oberaufſeherin
ſagte: So, Fräulein, Sie haben fünſzehn Minuten Zeit zum
ſprechen."
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Nummer 180

Freitag, den 1. Juli 1927

Seite 19

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[ ][  ]

Sete 20

Freitag;den 1. Julſi 1927

Nummer 180

Palast-Lichtspiele

Das Aufsehen erregende Filmwerk. Die Skandal-
Tragödie eines Fürstenhauses:
Luise von Coburg
(Von der reichsten Prinzessin der Welt
zur ärmsten Bettelgreisin)

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Geſchäftseröffnung und Empfehlung!
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werten Nachbarſchaft zur gefl. Kenntnis, daß ich am Sams.
tag, 2. Juli, die renovierten Wirtſchaftsräume der ehem
Böttingers Brauerei
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eröffne. Durch eigene Schlächterei bin ich in der Lage,
einen guten, billigen Mittag= und Abendtiſch zu verabreichen,
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Hochachtungsvoll
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Samstag Schlachtfeſt
KRR0

Union- Theater
Der große Erfolg im U. T.
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Du schönste aller Rosen ..
nach dem berühmten Tanzschlager von: Löhner Beda
In den Hauptr.: Dorothea Wieck, Oscar Marion, Johannes Riemann
Das Schaf Im Wolfspelz, Groteske in 2 Akten
Was viele nicht wissen, Naturaufnahme in vielen Bildern
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Neueste Wochenschau
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Das Fürstendrama einer Königstochter nach dem
gleichnamigen Roman von Adolt Sommerfeld
in 7 Akten-
Darsteller: Erna Morena, Rudolf Bastil,
Eugen Neufeld

Residenz-Theater
Das reizende Lustspiel nach der bekannten Wiener Operette‟
EDas süße Mädel
Aus der lebenstrohen Kaiserstadt Wien. Lolo Winter, der
6 Akte!
Liebling Wiens.
6 Akte!
Ferner die große deutsche Besetzung:
Paul Heidemann, Mils Asther, Imogene Robertson,
Mary Parker Wiener Walzer-Wiener Lieder-Wiener Musik
Um hohen Preis
Tom Tyler, der beste amerikanische Cowboy-Darsteller in dem
(*17333
Gaktigen Sensations- und Wildwestfilm:

SCHNELLDIENST FUR
PASSAGIEREUNDERACHT

Liebe

Anfang 3½ Uhr
Jugendliche haben zu diesem Film Zutritt

(10485

Horet Krone Auerbach
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Sommerſpielzeit
im Kleinen Haus
des Heſſiſchen
Tandestheaters
Leitung Direktor Adalbert Steffter.
Heute Freitag, abends 8 Uhr
Letztes Gaſtſpiel ErikWir!
Die Rose von Stambul
Morgen Samstag, abends 7½ Uhr
Gaſtſpiel Mizi Marx-Freiberg
vom Stadttheater Leipzig
Zum erſten Male!
Neuheit!
Die Teresina
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In Szene geſetzt v. Direkt. Steffter
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Die Rose von Stambul
Abends 8 Uhr und täglich
Gaſtſpiel Mizzi Marx=Freiberg:
Die Teresina.

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nebst Ensemble
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Eine sehr heitere Angelegenheit
in 3 Akten von Franz Arnold
und Ernst Bach (10514
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Rheinstraße 14.

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Festlichkeiten anläßlich der Enthüllung
unseres Artillerie-Denkmales
Samstag, den 2. Jull, abends 8 Uhr u. Sonntag, den 3. Jull,
ab 4 Uhr nachmittags und abends 8 Uhr
im Orangeriegarten
Arobes Miiindt Boßrer Heinel!
ausgeführt von der Kapelle des 5. Artillerie-Regiments Fulda in Uniform,
unter Leitung des Herrn Musikmeisters Hewers, sowie vom Reichs-
bund
ehem. Militärmusiker (Ortsgruppe Darmstadt) unter Leitung des
Herrn Obermusikmeisters a. D. M. Weber
Zusammen eiwa 100 Musiker
Es gelangen zum Vortrag u. a.: Großes Schlachtentongemälde,
altbistorische Fanfaren-Märsche f. lange Fanfarentrompeten und
Kesselpauken, gr. Zapfenstreich mit Gebet durch beide Kapellen
gemeinsam
(10437dfs
Große farbenprächtlge Gartenbeleuchtung
ausgeführt durch Feuerwerkfirma Günther, hier
Turnerische Aufführungen
Turngemeinde Bessungen 1865 und Darmstadt 1846
Männer-Chöre Liedertafel e. V. Darmstadt 1842
Alles Nähere siehe Festschrift
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Bessunger-Herrngarten am 2., 3. und 4. Juli R.-Mk. 1.50.
Einzelkarten: Samstag abend R.-Mk. 1.00 (Vorverkanf 0.70),
Sonntag mittag und abend R.-Mk. 1.00, nur Sonntag abend 0.70,
Montag R.-Mk. 0.50, Festschrift mit Programm R.-Mk. 0.30.
Ververkauf: nur Festabzeichen für alle 3 Tage und Karten für
Samstag abend. Alle anderen Karten an der Kasse.
Vorverkauf nur bis Samstag, 2 Uhr nachmittag bei:
Verkehrsbüro, Zigarrengeschäfte: J. Feitler an der Hochschule,
D. Nummerich, Mühlstr., 76 und Wendelstadtstr. 2. J. MFlius,
Ecke Herdweg-Karlstr., Schwinn, Alexanderstr. 16, Haas, Luisen-
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Klaus, Grafenstr. 30, Boos, Brandgasse 1 und Friseur Welter,
Elisabethenstr. 53.
Der Denkmalausschuß.

Der Geſangverein
Liederhalle‟
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. Rummel, Gra=
fenſtr
., Götz, Pankra=
tiusſtr
., Fuchs, Arheil=
gerſtr
., Echert, Schu=
knechtſtr
., Zigarren=
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Wilhelm, Ar=
heilgerſtraße
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Hehnert, Karlſtr., Hart=
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als wenn Sie das Leinen mutwillig zerreißen.
Maschen Sie aber mit der milden fettreichen
Naumann’s Kernseife, dann schonen Sie Ihre kost-
bare
Wäsche so, daß Sie viele
Jahre länger Ihre Freude daran
haben werden. Maumann’s Kern-
seife
trägt stets diesen Stempel:
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zu Lengfeld im Odenwald
am 2., 3. und 4. Juli 1927
Mungianohind Tag
Feſtfolge:
Samstag, den 2. Juli:
Begrüßungs=Abend auf dem Feſiplatz (Anſprachen, Konzert,
Geſangsvorträge, turn. Vorführungen u. Brillantfeuerwerk). (17292
Sonntag, den 3. Juli:
6 Uhr: Weckruf; ab 2 Uhr: Kleinkaliber=Schießen; 10 Uhr:
Gottesdienſt; 1 Uhr: Feſtzug. Anſchließend auf dem Feſtplatz:
Fahnenweihe des Provinzial= Junglandbundes und Banner=
weihe
der Junglandbund=Ortsgruppe Tengfeld durch den Landes=
vorfitzenden
des Heſſiſchen Landbundes, Landtagsabgeordneter Dr.
von Helmolt=Nieder=Wöllſiadt Anſprachen der Reichstagsab=
geordneten
Ohler=Marienau und Dorſch=Wölfersheim und der
Landtagsabgeord. Glaſer, Nordheim u. Dr. Müller=Darmſtadt.
Reitervorführungen. Nationaltänze, Konzert u. ſonſt Unterhaltungen.
Moniag, den 4. Zuli:
1/a1 Uhr nachm: Großes landwirtſchattl. Reit= und Fahrturnier.
Der Feſt=Ausſchuß.
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O

Woog, 30. Juni 1927.
Waſſerhöhe . 3,65 m
Waſſerwärme vorm.
7 Uhr 190 C.
Woogs=Polizei=Wache.

Ous Heit
Von unſ
Der Reichstag h
igen Frage zu beſcht
diener ihren Titel bei
beamte und Gericht
bewilligte dieſe Neure
gonnene Aufwvertungs
parteien hielten ſtramt
der Oppoſition das 7
hielten und den Auft
ſprachen, ohne allerd
ihrer Pläne anzug
kratiſche Antäge in
heit von etwa 205:16
ſo, wie es von der
und driter Leſung
Udemokraten
Weg zum Volksen
gung beittägt, kann e
alles nichts, das Kap=
werden
, ſo bedauer
iſt. Aber das Schie
über den

Ner Ve.
Leſt
ſcha
in

M
ſcharfe
bittere
träge
ſteiger