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A
Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Wöchentliche illuſtrierte Beilage: „Die Gegenwart”, Tagesſpiegel in Bild und Wort
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſi. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 265
Dienstag, den 23. Geptember 1924. 187. Jahrgang
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Be
aufträge und Leiſfiung von Schadenerſatz.
Konkurs oder gerichtlicher Beitreibung fällt jeder
Rabait weg. Bankkonto: Deutſche Bank und
Darm=
ſtädter 8 Natzionalbank.
*Die Lage vor dem Kabinettsrat
Von unſerer Berliner Redaktion.
Die Kabinettsſitzung, die am Dienstag vormittag unter dem
Vorſitz des Reichspräſidenten beginnen ſoll, hält ſeit einigen
Wochen das übrige Europa mehr in Atem als Deutſchland ſelbſt.
Ein Beweis, daß man an dem Ergebnis außerordentlich ſtark
in=
tereſſiert iſt. Ob Deutſchland in den Völkerbund hineingehen ſoll,
iſt für uns keine Lebensfrage, für den Völkerbund ſelbſt aber
nachgerade eine Frage des Preſtiges geworden. Die
Rede=
wendung Macdonalds von dem leeren Stuhl Deutſchlands war
mehr als eine Liebenswürdigkeit in der Richtung nach Berlin.
Aber eben darum wie die Dinge liegen, kann es ſich für uns nicht
um Gefühlsmomente handeln, fondern nur um
Verſtandeserwä=
gungen, ſowohl nach der guten, wie nach der ſchlechten Seite.
Deutſchland hat lange genug ohne den Völkerbund exiſtiert und
würde es jetzt mit Faſſung tragen, wenn es dieſer erlauchten
Ge=
ſellſchaft auch fernerhin nicht angehört. Es kann ſich hier
ledig=
lich darum handeln, ob unſer Eintritt uns und der Politik, die
wir verfolgen, Vorteil bringt.
Um das Terrain zu ſondieren, ſind unſere Diplomaten mobil
gemacht worden, deren Antworten dem Kabinett am Dienstag
vorliegen; in greifbarſter Form in dem Brief der engliſchen
Re=
zierung an Lord d,Abernon, von deſſen Inhalt, dem deutſchen
Außenminiſter Dr. Streſemann Mitteilung gemacht worden iſt.
Fritjof Nanſen hat ein Uebriges getan und iſt zum Reichskanzler
gegangen. Was dabei geſprochen worden iſt, weiß man in Berlin
ioch nicht. Einzelne Anhaltspunkte gibt allerdings die Rede, die
der Reichskanzler in Radolfszell auf dem Parteitag des
Badi=
chen Zentrums gehalten hat. Die Formulierungen, die er dabei
vählte, ſind ſehr vorſichtig gehalten und enthalten feinerlei
Feſt=
egungen, wozu der Reichskanzler auch umſo weniger in der Lage
par, als die meiſten Kabinettsmitglieder zurzeit ſelbſt noch nicht
viſſen, wie ſie ihre Stimme abgeben ſollen. Herr Dr. Marx hat
ur von der Möglichkeit geſprochen, daß Deuiſchtand einen
An=
rag auf Aufnahme nur ſtellen könne in voller Wahrung ſeiner
Ehre und ſeiner Anerkennung als Großmacht, mit dem
Hinzu=
ügen, daß nach ſeiner Meinung eine große Anzahl von
Momen=
en für den Antrag ſprächen. Unſere Stellung als Großmacht
vird ohne weiteres gewährleiſtet werden, weil man bereit iſt, uns
inen ſtändigen Sitz im Völkerbundsrat zu überlaſſen.
Aber auch unſere Ehre? Das beurteilen zu können, müßte
nan wiſſen, was Nanſen dem Reichskanzler geſagt hat. Denn
8 handelt ſich für uns nicht allein um die Kriegsſchuldlüge. Es
andelt ſich für uns auch darum, daß nicht das Syſtem der
Mili=
ärkontrolle zu unſeren Ungunſten, verbogen wird. Und es iſt
ußerordentlich intereſſant, wenn heute ſelbſt das B. T. darauf
inweiſt, daß wir uns Sicherheiten verſchaffen müſſen, um nicht
deutſchland zum Durchmarſchland einer Völkerbundsexekutive zu
jachen. Die Dinge liegen alſo keineswegs ſo, daß das
Aufnahme=
eſuch ſo gut wie ſicher ſei. Im Gegenteil. Die Reichsregierung
dird bei ihrer endgültigen Entſchließung nicht überſehen dürfen,
aß der bayeriſche Miniſterpräſident Dr. Held, mit auffallender
intſchiedenheit Einſpruch gegen die Stellung eines Antrages
er=
oben hat. Es iſt aber auch nicht recht einzuſehen, weshalb die
5ache plötzlich ſo überſtürzt werden ſoll. Für die gegenwärtige
kagung iſt es ohnehin zu ſpät. Leute, die es wiſſen müſſen,
be=
aupten, daß der Antrag Deutſchlands demnächſt von der
Tages=
rdnungskommiſſion empfohlen werden müßte, um auf die
Ta=
esordnung geſetzt zu werden. Dann würde er einer Kommiſſion
berwieſen, die eine Unterkommiſſion zur Anhörung deutſcher
Fertreter einſetzen müßte. Darüber hinaus ſei noch ein
Gut=
chten der ſtändigen Militärkommiſſion des Völkerbundes über
en Zuſtand der deutſchen Abrüſtung erforderlich, was vermutlich
icht ganz leicht zu beſchaffen iſt, weil im Augenblick ja gerade die
tzte Militärkontrolle der Siegerſtaaten in Deutſchland erfolgt.
Fenn alſo ohnehin um die Aufnahme Deutſchlands, was man
tzt in Genf anzunehmen ſcheint, eine beſondere Sitzung um das
jahresende notwendig wäre, braucht ſich die Reichsregierung in
yrer Entſcheidung nicht zu beeilen. Es iſt deshalb auch
keines=
degs geſagt, daß man am Dienstag bereits zu einem Ergebnis
ummen wird.
Auf der Tagesordnung ſteht kediglich eine Ausſprache über
ie politiſche Lage. Vorgeſehen war aber in erſter Linie eine
usſprache darüber, wann und in welcher Form die Verwahrung
egen die Kriegsſchuldlüge notifiziert werden ſollte, was ja
hließlich auch mit der Frage des Eintrittes in den Völkerbund
innerem Zuſammenhange ſteht.
Man hatte auch daran gedacht, ſich über die innenpolitiſche
age zu unterhalten. Da aber die Verhandlungen über den
Ein=
itt der Deutſchnationalen in die Regierung keinen Schritt
wei=
rgekommen ſind, ſo iſt es möglich, daß dieſes Thema bis zu
An=
ing Oktober zurückgeſtellt wird. Alles in allem genommen
glau=
en wir deshalb nicht, daß die ſenſationellen Beſchlüſſe gefaßt
erden, die man im Auslande dem Kabinettsrats andichten
öchte.
Erörterung der politiſchen Lage.
Berlin, 22. Sept. Wie die Telegraphen=Union erfährt,
be=
nnt der morgige Kabinettsrat unter dem Vorſitz des
Reichs=
täſidenten vormittags 11 Uhr, und zwar in dem Gebäude des
eichspräſidenten. Auf der Tagesordnung des morgigen
Mini=
rrates ſteht lediglich ein Punkt: Erörterung der
poli=
ſchen Lage. Dieſe Beſprechung wird natürlich ſich auf alle
zwebenden Probleme der Innen= und Außenpolitik beziehen.
m Vordergrund, der innerpolitiſchen Erörterung dürfte die
rage der Umbildung des Reichskabinetts ſtehen, während in
ßenpolitiſcher Beziehung das Völkerbundsproblem eine
wich=
ge Rolle in der Miniſterbeſprechung bilden wird.
Nach der Sachlage iſt jedoch kaum anzunehmen, daß der
mor=
ge Miniſterrat von ſich aus den Beſchluß eines ſofortigen
An=
ags Deutſchlands in den Völkerbund faſſen wird, ſondern daß
elmehr eine Formel gefunden werden muß, die Frage des
Ein=
itts Deutſchlands, in die Völkerliga in Verbindung mit dem
eichstag zu löſen.
Deutſchland und der Völkerbund.
Die Antwort aus London eingetroffen.
Berlin, 22. Sept. Die Antwortnote aus London, die die
von der Reichsregierung erbetenen Informationen enthalten ſoll,
iſt, wie gemeldet wurde, heute vormittag in Berlin eingetroffen.
Ihr Inhalt iſt zur Stunde den amtlichen deutſchen Stellen noch
nicht bekannt. Man nimmt an, daß ſie ziemlich umfangreich iſt.
Heute abend gegen 6½ Uhr dürfte der Reichsaußenminiſter
Dr. Streſemann, der heute nach Berlin zurückgekehrt iſt,
eine Unterredung mit dem engliſchen Botſchafter Lord d’Abernon
haben, in der man natürlich die Informationen und den Eintritt
Deutſchlands in den Völkerbund erörtern wird.
Lord d’Abernoon bei Dr. Streſemann.
Berlin, 22. Sept. Kurz nach der Rückkehr Dr.
Streſe=
manns nach Berlin wurde der engliſche Botſchafter Lord
d’Aber=
non in der Dienſtwohnung des Außenminiſters empfangen. Der
engliſche Botſchafter teilte Dr. Streſemann den Inhalt des
um=
fangreichen Memorandums der engliſchen Regierung über die
Frage des Beitritts Deutſchlands zum Völkerbund mit.
Uebe=
die Unterredung und den Inhalt iſt nichts bekannt geworden.
5)
Me 20 ojge Augabe an grantreitg.
Der deutſche Standpunkt.
Berlin, 22. Sept. Wie die Telegraphen=Union von ſehr
gut unterrichteter Seite erfährt, wird die Wiedereinführung der
26prozentigen Abgabe durch Frankreich in deutſchen
Regierungs=
kreiſen als ein ſehr unfreundlicher Akt Frankreichs empfunden.
Es kann kein Zweifel darüber beſtehen, daß die Durchführung
des Dawesberichtes dadurch ſehr beeinträchtigt wird und daß
infolgedeſſen letzten Endes auch das Intereſſe Frankreichs ſehr
geſchädigt wird.
Formal juriſtiſch liegen die Verhältniſſe ſo, daß man im
Ungewiſſen ſein kann, ob das Londoner Ultimatum, auf das
dieſe Abgabe zurückgeht, noch in Kraft iſt. Im Londoner
Pro=
tokoll iſt lediglich vorgeſehen, daß nur für eine gewiſſe
Ueber=
gangszeit Reparationsmaßnahmen auf Grund des Recovery=
Aktes getroffen werden können. Die Reichsregierung wird
ver=
ſuchen, die von der franzöſiſchen Regierung getroffene Regelung
entweder rückgängig zu machen oder auf dem Wege über den
Transfer=Agenten und das Schiedsgerichtsverfahren zu einer
anderen Regelung zu kommen.
Nach dem Export von 1913 gerechnet, dürfte die Abgabe
Frankreich eine Mehreinnahme von 120 Millionen Fr. bringen.
Ueber die Gründe, die Frankreich zur Einführung der 26
prozen=
tigen Abgabe wieder bewogen haben können, iſt bis jetzt kein
ein=
heitliches Bild zu gewinnen. Wenn es mit Rückſicht auf die
be=
vorſtehenden Vertragsverhandlungen" geſchehen ſein ſollte, ſo
dürfte es bereits jetzt feſtſtehen, daß dieſe Einrichtung für
Deutſch=
land kein Kompenſationsobjekt ſein kann. Vielleicht waren
inner=
politiſche Maßnahmen hierfür maßgebend. Herriot ſteht und fällt
mit der Balanzierung des Budgets. Unter dieſen
Geſichts=
punkten iſt es für ihn augenblicklich vielleicht wichtiger,
Barzah=
lungen als Sachlieferungen zu erhalten. Schließlich handelt es
ſich vielleicht noch um einen Kampf gegen das Vorrecht Englands,
das bekanntlich die Reparationsabgabe ſeit einiger Zeit wieder
genießt.
Zuſammenfaſſend muß vom deutſchen Standpunkt aus
feſt=
geſtellt werden, daß dieſe franzöſiſche Maßnahme inhaltlich dem
Dawesgutachten widerſpricht, da es insbeſondere eine
Ausſchal=
tung des Transfer=Agenten bedeutet. Ob es auf längere Friſt
durchgeführt werden ſoll oder ob es mehr ein taktiſches Manöver
der franzöſiſchen Regierung bedeutet, wird die weitere
Entwick=
lung zeigen.
Widerlegungsverſuche des „Temps.”
Paris, 22. Sept. (Wolff.) Der „Temps” ſucht, offenbar
be=
einflußt, die Gründe, die die deutſche Preſſe gegen die
Einfüh=
rung des Recovery=Aktes in Frankreich geltend gemacht hat, zu
widerlegen. Nach dem Blatt widerſpricht die 26prozentige
Ab=
gabe von dem Wert der deutſchen Einfuhr nicht dem Geiſte des
Dawes=Planes. Im erſten Teil des Abſchnittes 2 ſei die
Berech=
tigung dadurch anerkannt, daß die Sachverſtändigen erklären:
Ueberall, wo wir in dieſem Bericht von Zahlungen und von
Sach=
lieferungen geſprochen haben, wollen wir darunter auch die
Zah=
lungen verſtanden wiſſen, die Deutſchland aus der Anwendung
der Recoverh=Akte erwachſen. Auch das Londoner Abkommen
präziſiert in Artikel 4 Anhang 3, daß die monatlichen Zahlungen
Deutſchlands während der Uebergangsperiode nach dem 1.
Ok=
tober durch den Zahlungsagenten unter Berückſichtigung der
Ein=
nahmen und Ausgaben des Recovery=Aktes (Plural) feſtgeſetzt
werden. Das ſoll nach der offiziöſen Auffaſſung beweiſen, daß
man im Augenblick der Unterzeichnung des Londoner Abkommens
für Frankreich eine ähnliche Exportabgabe ins Auge gefaßt und
zugelaſſen habe, wie ſie ſeit mehr als dreieinhalb Jahren in
Eng=
land funktionieren.
Abbau bei der Repfo.
Paris 22. Sept. (Wolff.) Das Mittagsblatt des „Paris
Midi” berichtet, die Repko beſchäftige ſich im Augenblick mit der
Verringerung ihrer Unterhaltskoſten. Es ſei davon die Rede,
das Hotel Aſtoria als requiriertes Hotel ehemalig deutſchen
Be=
ſitzes aufgegeben, und man berate darüber, ob die einzelnen
Delegationen in den Geſandtſchafts= und Botſchaftsgebäuden der
in der Repko vertretenen Länder untergebracht werden ſollen,
oder ob man für jede einzelne Delegation ein beſcheidenes
Appartement mieten ſolle. Im übrigen ſoll durch die
Herab=
ſetzung der Perſonalien eine jährliche Verminderung der Koſten
auf eine Million Goldmark erzielt werden. Die britiſche
Regie=
rung hat ſchon ihre Abſicht dahin kundgegeben die Arbeit der
Mitglieder ihrer Delegation bei der Repko ihrer diplomatiſchen
Vertretung in Frankreich anzuvertrauen.
* Dieinternationale Ngrarkriſis.
Schutzzoll oder Freihandel?
Von
Geh. Regierungsrat Dr. Sering, Profeſſor an der Univerſität
Berlin.
Der nachfolgene Aufſatz ſtellt, eine in knappſter
Form gehaltene Zuſammenfaſſung der Gedanken
dar, die der bekannte Berliner Nationalökonom in
einer längeren Vorleſung innerhalb des
Herbſtlehr=
ganges der Vereinigung für ſtaatswiſſenſchaftliche
Fortbildung in Saßnitz (Rügen) vor rund 400
höhe=
ren Beamten vortrug, und die er uns auf unſere
Die Schriftleitung.
Bittte zur Verfügung ſtellt.
Die internationale Agrarkriſe, die ſeit 1920, in Deutſchland
ſeit der Markſtabiliſierung gegen Ende 1923 zum Ausbruch
ge=
kommen iſt, hat ganz andere Urſachen, als die Preiskriſis der
Jahre 1876 bis 1896. Dieſe wurzelte, in einer Ueberfülle
ver=
brauchbarer Güter, war hervorgerufen durch die größte
Koloni=
ſation aller Zeiten, hatte alſo ihren Urſprung auf der Seite des
Angebots. Sobald ein gewiſſes Gleichgewicht auf dem
Welt=
markte eingetreten war, ſtellten ſich die Getreide= und Fleiſchpreiſe
auf die Produktionskoſten des „Grenzfarmers”, d. h. der
neube=
ſidelten Gebiete extenſiver Landwirtſchaft ein. Das Gleichgewicht
aber wurde bald erzielt, weil ſich auf der Grundlage des
erwei=
terten Nahrungsmittel= und Rohſtoffangebots der gewaltigſte
Aufſchwung der oſtamerikaniſchen und der europäiſchen, in erſter
Linie der deutſchen Induſtrie, vollzog. Aber ſelbſt in Zeiten der
überfüllten Märkte war die Kriſis weniger eine Gefahr für die
Landwirtſchaft als für hunderttauſende von europäiſchen
Land=
wirten, welche mit hohen Schulden, Pachtzinſen und Steuern
be=
laſtet waren. Die Landwirtſchaft konnte ihre Betriebsintenſität
aufrecht erhalten, weil die Preiſe für ihre Beriebsmittel noch
tie=
fer ſanken als diejenigen für ihre Erzeugniſſe.
Die jetzige Agrarkriſis hat ihren Urſprung nicht auf Seiten
des Angebots, ſondern auf Seiten der Nachfrage. Sie geht vom
Zentrum der Weltwirtſchaft aus und iſt in der Minderung des
Wohlſtandes der Käufer begründet. Für das Angebot von
Brot=
getreide und Fleiſch — obwohl gegenüber der Vorkriegszeit
in=
folge der Agrarrevolution in Rußland und den Donauländern
verringert — iſt nur ein verminderter Gegenwert zu erzielen. In
Gold ausgedrückt bedeutet dies, daß die Preiſe für die
landwirt=
ſchaftlichen Betriebsmittel und die Induſtriewaren überhaupt,
ebenſo wie die Löhne und Frachten auf 150 bis 200 Prozent der
Vorkriegszeit geſtiegen ſind, während die Preiſe für die
Maſſen=
erzeugniſſe des Bodens auf oder unter der Preisebene der
Vor=
kriegszeit ſtehen. Unter dieſer Preisbildung leiden nächſt den
mitteleuropäiſchen Landwirten, am ſtärkſten die in den letzten
beiden Menſchenaltern neubeſiedelten überſeeiſchen Gebiete, welche
die europäiſche Induſtriebevölkerung mit Nahrungsmitteln
ver=
ſorgen. Die einen wie die anderen ſind gezwungen, ihre
Erzeug=
niſſe unter den Produktionskoſten zu verſchleudern. Alſo nicht
mehr die Erzeugungskoſten des „Grenzfarmers” entſcheiden über
den Preisſtand von Getreide und Fleiſch, vielmehr hat ſich dieſer
Preis auf die Kaufkraft der ſchwächſten Käufergemeinſchaft, die
zur Unterbringung des Vorrats nicht zu entbehren iſt, eingeſtellt,
und das iſt Deutſchland. Die Kaufkraft der Weſtmächte iſt
eben=
falls, nämlich durch ihre hohen Kriegsſchulden, herabgedrückt;
Deutſchlands Kaufkraft aber dadurch, daß man dieſes nächſt
Eng=
land aufnahmefähigſte Produktionsgebiet feiner ergiebigſten
Pro=
duktionsſtätten erſatzlos beraubt und es mit unerſchwinglichen
Tributen belaſtet hat. Die Gegenwerte, welche wir aufbringen
können, ſind nur ettva halb ſo hoch wie vor dem Kriege, die
Pro=
duktionskoſten, der deutſchen Induſtrie, durch die ſchwere
Be=
laſtung mit Steuern und Schuldzinſen geſteigert und ihre
Kon=
kurrenzkraft geſchwächt. Dadurch iſt den Rohſtoff=Monopoliſten
und Unternehmerverbänden der ganzen übrigen Welt freie Hand
in der Preisbildung gegeben mit der Wirkung, daß über die ganze
gemäßigte Zone hin eine Ausbeutung des Landes, durch die
Stadt, der Farmer durch das induſtrielle Großkapital ſtattfindet.
Aber auch die Induſtrie der Kriegsgewinner kommt nicht zur
rechten Blüte, denn die durch den Zuſammenbruch Mitteleuropas
herbeigeführte ſehr bedrängte Lage und verringerte Kaufkraft
ihrer Landwirte hat jede aufſteigende Induſtriekonjunktur immer
wieder raſch zuſammenbrechen laſſen. Dauert die Verarmung
Mitteleuropas fort, ſo iſt zu erwarten, daß rieſenhafte, während
der letzten beiden Menſchenalter erſchloſſene Ackerbau= und
Weide=
flächen wieder zur Wildnis werden und in Europa überall die
Intenſität des Anbaus zurückgeht. Die Verarmung
Mitteleuro=
pas aber wird fortdauern, wenn das Dawesgutachten mit ſeinen
unerſchwinglichen Tributforderungen zur Durchführung gelangt.
Die augenblickliche Beſſerung der landwirtſchaftlichen Preiſe iſt
die Folge einer ungünſtigen Ernte in Kanada, bedeutet aber
kei=
neswegs eine Beendigung der Kriſis.
Ich bin in der erſten Agrarkriſe für die Agrarſchutzzölle
wie=
derholt öffentlich eingetreten. Damals fiel ihnen die Aufgabe zu,
unſeren Landwirten über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen,
welche aus einer mit Sicherheit bald vorübergehenden
Ueberfül=
lung der Märkte hervorgingen. Damals waren wir ein mächtig
emporſtrebendes Land, und es ſchien mir keine unbillige
Zu=
mutung, daß wir anderen für einige Zeit etwas mehr für unſer
Brot und Fleiſch ausgaben, um Zehntauſende von unſeren beſten
Familien vor dem Untergang zu retten. Jetzt iſt die Gefahr, die
unſerer Volkswirtſchaft von dem verringerten Tauſchwert der
Bodenerzeugniſſe droht, viel größer als damals. Aber die Laſt,
welche die Zölle, — wenn ſie wirklich helfen, d. h. die
landwirt=
ſchaftlichen Preiſe hochtreiben, — der Maſſe der Bevölkerung
auf=
erlegen, iſt auch viel ſchwerer zu tragen als zu jener Zeit. Der
Agent der Reparationskommiſſion wird nicht umhin können, durch
Anziehen der Diskontſchraube die deutſchen Induſtriepreiſe, die
Löhne und die Lebenshaltung der deutſchen Bevölkerung nach
Kräften herabzudrücken, nicht anders kann er die erforderlichen
Deviſen beſchaffen. Ein wirkſamer agrariſcher Schutzzoll muß
die Reallöhne noch tiefer ſenken.
Andererſeits iſt allerdings zu bezweifeln, daß die agrariſchen
Schutzzölle auf die Inlandspreiſe eine ſtarke Wirkung ausüben,
denn im Verhältnis zur geſenkten Nachfrage iſt der Weltmarkt für
Getreide und Fleiſch überfüllt. Deshalb werden die Schutzzölle
abgeſehen von Jahren beſonders ſchlechter Ernte — auf das
Ausland ganz oder größtenteils abgewälzt werden. Sie ſchädigen
Seite 2.
Dienstag, den 23. September 1924.
Rummer 265.
dann unſere Arbeiterſchaft ſo wenig wie ſie der Landwirtſchaft
nutzen. Das eigentliche Uebel ſind aber auch gar nicht die
abſolu=
niedrigen Agrarpreiſe, ſondern iſt die Diſparität zwiſchen
Indu=
ſtrie= und Agracpreiſen. Führen aber, wie es zu erwarten iſt, die
geplanten hohen Agrarzölle zu einer Stärkung der
Schutzzoll=
bewegung überhaupt und zu geſteigerten Induſtriezöllen, ſo
ver=
ſchärfen ſie dieſe Diſparität.
Als übervölkertes Induſtrieland brauchen wir, ganz
abge=
ſehen von den zu leiſtenden Tributen, einen großen
Induſtrie=
export, alſo niedrige Produktionskoſten und niedrige
Induſtrie=
preiſe. Nicht anders kommen wir in die Lage, die uns viel mehr
als vor dem Kriege unentbehrlichen Rohſtoffe von außen
heran=
zuziehen. Deshalb weiſt das überwiegende volkswirtſchaftliche
Intereſſe unſere Außenpolitik in der Richtung auf den
Freihan=
del. Unſer Intereſſe fällt hier ganz zuſammen mit demjenigen
der Farmer in den Exportgebieten, die jetzt alle Anſtrengungen
machen, um die unſinnig hohen Induſtriezölle, wie ſie die
Ver=
einigten Staaten oder Kanada erheben, zugunſten der europäiſchen
Importe zu erniedrigen.
Gegenüber allen Bedenken fallen freilich auch ſtarke Gründe
für die Agrarzölle ins Gewicht. Deutſchland kann nicht allein
zum Freihandel übergehen. Die Agrarzölle aber können uns zu
der Hinwegräumung der ausländiſchen Zollſchranken verhelfen.
wenn wir ſie lediglich als Kampfmittel betrachten und erklären,
daß wir bereit ſind, den Zollſchutz herabzuſetzen und aufzuheben
für Kompenſationen auf induſtriellem Gebiet. Alſo wir brauchen
die Agrarzölle als Rüſtzeug für die handelspolitiſchen
Verhand=
lungen.
Wir brauchen ſie auch als Ausgleichsmittel gegenüber der
be=
ſonderen Benachteiligung, welche unſere Landwirtſchaft durch die
bisherige Zoll= und Steuerpolitik erlitten hat.
Die deutſchen Agrarpreiſe, ſtehen tiefer als die
Weltmarkt=
preiſe, weil es bei einer relativen Ueberfüllung des Marktes dem
Handel gelingt, die Umſatzſteuer, die auf dem Wege vom
Land=
wirt zum Bäcker 5= oder 6mal erhoben wird, auf den Landwirt
als die ſchwächſte Partei abzuwälzen. Die induſtriellen
Groß=
handelspreiſe ſind bei uns größenteils höher als im Auslande,
weil bei der Knappheit der induſtriellen Verſorgung umgekehrt
die induſtriellen Umſatzſteuern auf den Käufer, d. h. wiederum
auf den Landwirt zur Abwälzung kommen. Außerdem hat die
Induſtrie in Deutſchland ihren alten Zollſchutz gewahrt, während
die Landwirtſchaft ihn ſeit 1914 eingebüßt hat. Solange die
Fi=
nanzverwaltung ſich weigert, die beſonderen Gründe für die Not
der deutſchen Landwirtſchaft durch Aufhebung oder Herabſetzung
der Induſtriezölle und durch Aufhebung der wirtſchaftsfeindlichen
Umſatzſteuern zu beſeitigen, müſſen die landwirtſchaftlichen
Schutzzölle als eine Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit
anerkannt werden.
Aber es gibt nur ein durchareifendes Mittel, um die deutſche
und die internationale Agrarkriſis, die in Wahrheit eine Kriſis
der Weltwirtſchaft iſt, zu beheben: Die Reviſion des Verſailler
Friedensdiktats, insbeſondere die endgültige Herabſetzung der
deutſchen Jahrestrihute auf ein unſerer Leiſtungsfähigkeit
ent=
ſprechendes Maß. Das Intereſſe Deutſchlands deckt ſich hier mit
dem der ganzen Kulturwelt.
A
LiberalerStarmlauf gegen den engliſch=ruſſiſchen Pertrag
London, 22. Sept. (Europapreß.) Das engliſche Kabinett
hat ſich heute zum erſtenmal ſeit der Vertagung des Parlamentes
im Auguſt verſammelt. Es fanden zwei Sitzungen ſtatt. Eine
am Vormittag, die andere am Nachmittag. Zuerſt ſpurde über
die Ulſterfrage, den engliſch=ruſſiſchen Vertrag und dann über den
Sudan und die Völkerbundsarbeiten verhandelt. Ueber letzteren
Punkt berichtete Lord Parmoor. Macdonald teilte ſeinen Kollegen
mit, welche Haltung er am nächſten Donnerstag bei ſeiner
Unter=
redung mit Zaglul Paſcha einnehmen werde.
London, 22. Sept. (Wolff.) In einer Zuſchrift an den
Berichterſtatter eines liberalen Blattes ſchließt ſich Aſquith
dem Standpunkt Lloyd Georges und der übrigen
libe=
ralen Führer betreffs des engliſch=ruſſiſchen
Vertra=
ges vorbehaltlos an. Er erklärt, der Vorſchlag, daß die
briti=
ſchen Steuerzahler der Sowjetregierung eine Anleihe von
unbe=
ſtimmter Höhe und zu nicht genau umſchriebenen Bedingungen
garantieren ſollen, ſei in der engliſchen Geſchichte ohne
Bei=
ſpiel. Aſquith lehnt den Vorwurf ab, als ſei die Haltung der
Liberalen von irgend einer Feindſchaft gegenüber der
gegenwär=
tigen ruſſiſchen Regierung diktiert. Er ſelbſt ſei ſeit faſt fünſ
Jahren als energiſcher Fürſprecher für die Wiederaufnahme der
diplomatiſchen und wirtſchaftlichen Beziehungen mit Rußland
eingetreten. Das rieſenhafte ruſſiſche Reich mit ſeinen
unbe=
rechenbaren natürlichen Hilfsquellen, könnte nicht aus der
Ge=
meinſchaft der Nationen ausgeſchloſſen werden, ohne daß dadurch
die Welt faſt mehr noch als Rußland ärmer werde.
Vom Tage.
Der Magiſtrak von Hannover hat geſtern beſchloſſen, gegen
Bürgermeiſter Leinert das förmliche Diſziplinarverfahren
einzuleiten.
Der. 5 Strafſenat des Reichsgerichts verurteilte den Sekretär der
). Paul Gneiner aus Braunſchweig wegen Vergehen gegen das
Republikſchutzgeſetz und Vorbereitung zum Hochverrat zu
3 Jahren 9 Monaten Gefängnis und 2000 Mark Geldſtrafe. 9 Monate
der Unterſuchungshaft werden auf die Strafe angerechnet.
Am Samstag wurde in dem mecklenburgiſchen Ort Grevenſtein der
Nationalſozialiſt und Führer des Frontbanns, der völkiſche Agitator
Juſt, als er mit einem Begleiter eine Feſtlichkeit zu ſtören verſuchte,
erſchofſen.
Seit acht Tagen hält ſich im Saargebiet wieder der berüchtigte
franzöſiſche Putſchmajor und politiſche Agent Richert auf. Wie wir
erfahren, iſt er ins Saargebiet gekommen, um die Schließung der
Röch=
lingſchen Eiſen= und Stahlwerke propagandiſtiſch auszuwerten. Richert
hat bei dem bekannten Saarbundführer Reinhardt Wohnung genommen.
Einer Havasmeldung aus Witten zufolge hat der Kaſſierev
der Regiewerkſtätte unter Mitnahme von 180 000
Franken die Flucht ergriffen.
Die franzöſiſch=belgiſche Eiſenbahnregie hat am
20. September auf das Konto des Generalagenten" für die
Repara=
tionszahlungen eine neue Zahlung von 8840000 Franken, d. h.
etwa 2 Millionen Goldmark geleiſtet.
Aus Wien wird gemeldet, daß Abgeſandte geheimer
mazedo=
niſcher Komitees eingetroffen ſeien, um an ihren in Wien
weilen=
den politiſchen Gegnern, die von den Komitees zum Tode verurteilt ſind
das Urteil zu vollſtrecken. Mehrere bedrohte bulgariſche Perſonen ſind
aus Wien abgereiſt. Die Kriminalpolizei hat eine ſcharfe Ueberwachung
aller zugereiſten Perſonen aus Bulgarien angeordnet
Der franzöſiſche Delegierte beim Völkerbund, der Senator
Sar=
raut, mußte geſtern plötzlich wegen eines Magenleidens in Genf
operiert werden.
Der „Eclair” beſtätigt die Nachricht, daß mit dem Abgang des
poli=
tiſchen Direktors im Außenminiſterium, Peretti della Rocca, zu
rechnen iſt, und nennt als Nachfolger den Miniſterialdirektor
Sey=
doux. Das Blatt übernimmt jedoch eine Meldung des Londoner „
Ob=
ſerber”, daß der Leiter der Außenpolitik des „Temps”, Schriftſteller
Jean Herbette, mehr Ausſicht habe, Nachfolger Perettis zu
werden.
Havas zufolge hat der Abgeordnete Kenworthy bei einer
An=
ſprache in Hull angegeben, er habe vom Geſundheitsminiſter erfahren,
daß die Anleihe, die infolge des engliſch=ruſſiſchen Vertrages Sow
jetrußland vergeſtreckt werden ſoll, auf 30 Millionen Pfund
feſt=
geſetzt ſei und ſich auf einen Zeitraum von 20 Jahren erſtrecke.
Der Föderaliſt Alexander Boujenow, ehemaliges Mitglied des
türkiſchen Parlaments und der bulgariſchen Sobranje, wurde ermordet
Nach einer Meldung aus Athen begibt ſich der griechiſche
Finanz=
miniſter nach London, um dort über eine griechiſche Anleihe
zu verhandeln.
Der Rat der britiſchen Schiffahrtskammer hat
ein=
ten, durch die das Parlament und
ſtimmig eine Entſchließung angenomn
die Regierung aufgefordert wird, den engliſch=ruſſiſchen
Vertrag nicht zu ratifizieren.
Wie aus Tanger gemeldet wird, ferdernd die Rebellen die
be=
dingungsloſe Uebergabe des von ihnen eingeſchloſſenen Tetuan mit
der geſamten Garniſon und Einwohnerſchaft.
Man meldet aus Rom, daß der Waſhingtoner italieniſche
Botſchafter Gaotani ſeinen Rücktritt erklärt habe. Auf die
dringende Bitte Muſſolinis babe ſich Gaotani bereit erklärt, noch bis
zum Ende des Jahres ſein Amt beizubehalten.
Aus Belgrad wird gemeldet, daß die Regierung den früheren
Juſtizminiſter Dr. Marcowitſch und den früheren Verkehrsminiſter
Dr. Janowitſch, die dem vorigen Kabinett Paſitſch angehörten
unter Anklage geſtellt hat. Marcowitſch ſoll ſich bei
Auf=
hebung der Sequeſtrierungen, Janowitſch beim Ankauf der Orientbahnen
Unkorrektheiten zuſchulden haben kommen laſſen.
Zum deutſch=engliſchen Handelsvertrag.
London, 22. Sept. (Wolff.) Der diplomatiſche
Bericht=
erſtatter des „Daily Telegraph” erfährt, daß die Vorbereitungen
für den deutſch=engliſchen Handelsvertrag ſoweit
gefördert ſind, daß der Entwurf, der von den Sachverſtändigen
des Handelsamtes ausgearbeitet worden ſei, bereits der
deut=
ſchen Regierung mitgeteilt wurde, und daß die Sachverſtändigen
gegenwärtig die Bedingungen und Vorſchläge einer genauen
Prüfung unterziehen. Die Ergebniſſe dieſer Prüfung würden
mit der britiſchen Sondermiſſion, welche dieſe Woche
nach Berlin abreiſt, erörtert werden. Den Mittelpunkt des
briti=
ſchen Entwurfes bildet faſt ausſchließlich die Forderung nach
Be=
handlung als meiſtbegünſtigre Nation, ohne daß
in=
deſſen detaillierte Angaben gemacht werden. Die Tatſache, daß
die britiſche Regierung einen ſolchen Entwurf herſtellte, ohne
zu=
vor den beratenden Ausſchuß zur Verteidigung der Intereſſen
der britiſchen Induſtrie einzuberufen und um Rat zu fragen, wird
in Geſchäftskreiſen ausführlich kritiſiert. Es werde ein ſolcher
Ausſchuß vielleicht erſt in Tätigkeit treten, wenn die Grundſätze
die den Vertrag beherrſchen, bereits zwiſchen den beiden
Regie=
rungen vereinbart worden ſind.
7
Die neichsbahn ein Muſterbetrieb.
Ausführungen des Reichsverkehrsminiſters.
Berlin, 22. Sept. (Wolff.) Die
eiſenbahntech=
niſche Tagung, veranſtaltet vom Verein Deutſcher
Ingenieure in Verbindung mit der deutſchen Reichsbahn,
wurde heute morgen im Theaterſaal des Kroll=Theaters eröffnet.
Geheimer Baurat Prof. Klingenberg begrüßte die
Teil=
nehmer. Reichsverkehrsminiſter Oeſer überbrachte Grüße des
Reichspräſidenten und der Reichsregierung. Er führte aus: Die
Umſchaltung der Reichseiſenbahn in einen
Ge=
ſellſchaftsbetrieb hat Befürchtungen
aufkom=
men laſſen. Das Verkehrsminiſterium bleibt
aber als ſpeziell techniſches Miniſterium
erhal=
ten, um durch Förderung der deutſchen Technik die deutſche
Wirtſchaft heben zu helfen. Das Monopol ſoll ein
Muſterbetrieb ſein, wobei der Koſtenpunkt keine Rolle
ſpielt. Die techniſche Ausbildung bis zur
Vollkommen=
heit wird jetzt allerdings durch die Uebernahme der
Reparations=
leiſtungen begrenzt. Die Befürchtung, daß nach der
Verge=
ſellſchaftung das Streben nach techniſcher Vollkommenheit
nach=
laſſen werde, iſt aber unbegründet. Es iſt der Wille des
Deut=
ſchen Reiches, daß die Reparationsforderungen geleiſtet werden
ſollen. Aber im Rahmen dieſer Begrenzung kann
auch der techniſche Zuſtand der Eiſenbahnen
ge=
fördert werden, nur müſſen die techniſcher
Neuerungen in abſehbarer Zeit amortiſiert
werden können. Viele techniſche Probleme, welche der
Ta=
gung ſelbſt und auch auf der Ausſtellung in Seddin vorliegen,
bieten in ihrer ſtrengen Sachlichkeit den Beweis, daß Deutſchland
nicht aus ſeiner führenden Rolle innerhalb der Welt ſich
heraus=
drängen laſſen wird. Deutſcher Geiſt und deutſche
Technik werden ſich als unüberwindlich erwei
ſen. Die gegenwärtige Tagung iſt der Auftakt dafür, daß wir
wieder in die Reihe der Kämpfenden auf dem Boden der
Wirt=
ſchaft eintraten.
Der Miniſter begrüßte, indem er den Verhandlungen einen
beſten Verlauf wünſchte, noch die Sachverſtändigen und
Prak=
tiker, die aus dem In= und Auslande zur Tagung
zuſammenge=
kommen ſind. Alsdann begannen die ſachlichen Berichte. Geſtern
abend ging in der Wandelhalle des Reichstages der Empfang der
Teilnehmer voraus. Die in Seddin geſtern eröffnete Ausſtellung
war bereits am erſten Tage von etwa 7000 Perſonen beſucht.
*
Paris, 22. Sept. (Wolff.) Nach dem „Temps” reiſt morgen der
franzöſiſche Eiſenbahningenieur de Verve, deſſen Ernennung zum
Kommiſſar für die Reichseiſenbahngeſellſchaft entſchieden ſei, nach Ber
lin. Ende dieſer Woche reiſe der Kommiſſar für die
Reichsemiſſions=
bank, Prof. Brujne, und der Treuhänder für die
Induſtrieobligatio=
nen, Nogara, nach Berlin. Mac Feadyean, Kommiſſar für die
zu Reparationszwecken zur Verfügung geſtellten Einnahmen, werde ſich
Ende des Monats nach Berlin begeben, um dort ſein Bureau
ein=
zurichten.
At
*
Die cineſſſchen Pifren.
Die Kämpfe in Schanghai.
Paris, 22. Sept. Havas meldet aus Schanghai: Die ſogenannte
unabhängige Flotte iſt heute von Schanghai
ausge=
laufen, um ſich mit der Nordflotte Wupeifus zu vereinigen. Die
Streitkräfte Tſchekiangs haben ihre Front vor Huang=Tu=Lino
verklei=
nert und eine neue Front in Kaſching längs der Eiſenbahnlinie
Schang=
hai-Hangſon in Verbindung mit der 16. Armee, welche ſich von
Schang=
hai zurückgezogen hat, errichtet. General Lu hat die ihm gemachter
Friedensvorſchläge zurückgewieſen. Nach einer
zeit=
weiligen Ruhe haben daher geſtern abend die Feindſeligkeiten wieder
begonnen.
Zweifelhafte Haltung Japans und Rußlands
„United Preß” meldet aus Schanghai, daß die japaniſche
Re=
gierung den Truppen Tſang=Tſo=Lins die Benutzung der Eiſenbahr
in der ſüdlichen Mandſchurei geſtattet habe.
Nach den neueſten Meldungen aus Peking rechnet man mit einer
Ausdehnung des Bürgerkrieges auch auf die
Mand=
ſchurei bis zum nächſten Frühjahr. Die Sowjetregierung
ſoll nunmehr entſchloſſen ſein, ſich in die Kämpfe einzumiſchen
Es ſtehen bereits in der Nähe von Wladiwoſtok ruſſiſche Truppen zun
Einfall in Korea und in die Mandſchurei bereit. Die Sowjetregierung
wäre entſchloſſen, ganz Ching zu bolſchewiſieren.
Der neue Par von Rußland.
Koburg, 22. Sept. (Wolff.) Ein Manifeſt des
Groß=
fürſten Kyrill von Rußland, in dem dieſer die Uebernahme des
Titels des Zaren von Rußland anzeigt, wurde in Koburg, wo
der Großfürft ſeinen Wohnſitz hat, ausgegeben. Mit Rückſich
auf die derzeitigen Verhältniſſe wird der Schritt des Großfürſten
den Mächten nicht notifiziert und er wird auch dem Ausland
gegenüber weiter den Titel eines Großfürſten führen.
* Konzert.
F. N. Die Freie Geſellſchaft für Muſik, deren
wertvolle, meiſt zeitgenöſſiſcher Muſikpflege gewidmete Tätigkeit
reges Intereſſe verdient, hat ihre Konzerte in dieſem Winter in
den Saal der Städtiſchen Akademie für Tonkunſt verlegt. Ihr
erſter Abend ſollte dem Gedächtnis Buſonis gewidmet ſein, aber
gerade das Hauptwerk der Vortragsfolge, die Fantaſia
Contra=
puntiſtica für zwei Klaviere, konnte nicht ausgeführt werden, da
die Pianiſtin Gabie Wendig aus Frankfurt nicht eintraf.
So hörten wir die zweite Sonate für Violine und Klavier,
die Buſoni als klangſchwelgenden Romantiker zeigt, und ein
ſpäteres Divertimento für Flöte und Klavier. Hier
inter=
eſſiert Buſoni weit ſtärker, da die kleinere überſichtliche Form ihm
größere Konzentration geſtattet, während die Violinſonate in
ihrem freien Fantaſieſtil mit dem ſtets ſchönen, ſonoren Klang
ſich nicht zu einem Ganzen zuſammenſchließt. Denn in dem
Komponiſten Buſoni, dem einen Teil des fabelhaft vielſeitigen
Künſtlers, treffen verſchiedenartige, zum Teil einander
wider=
ſtrebende Eigenſchaften zuſammen, die ſich ſelten zu voller
Ein=
heit verbinden. Romantiſcher Klanzauber auf der einen Seite,
alle Errungenſchaften von Schumann, Brahms und Liſzt in ſich
zuſammenfaſſend, Kontrapunktik im Sinne Bachs und nach
ſei=
nem Vorbild auf der anderen, italieniſche Sonnigkeit und
Sinnen=
freude neben nordiſcher Abſtraktheit. So fühlte man auch in der
Sonate den Eklektizismus des reproduzierenden Künſtlers
Bu=
ſoni, während im Divertimento die eigene Perſönlichkeit mehr
hervortrat.
Der Virtuoſe Buſoni lebte auf in der „Carmen”=Fantaſie,
die Herr Serkin in liebenswürdigſter Weiſe für die ausfallende
Fantaſia Contrapuntiſtica vortrug. Hier zeigt ſich der Meiſter
als bedeutender Bearbeiter, der frei die Gedanken eines anderen
aufgreift und in geiſtreichſter Weiſe ſie abwandelt, kontrapunktiert
und in freiem Ermeſſen.
Als künſtleriſche und virtuoſe Leiſtungen ſtanden die Soliſten
ebenbürtig nebeneinander. Göſta Andreaſſon, der
warm=
herzige, vornehme und techniſch hervorragende Geiger, Martin
Geißler, der auf der Flöte wahrhaft virtuos ſpielt und über
eine außergewöhnlich große Skala dynamiſcher Schattierungen
verfügt, und Rudolf Serkin, deſſen temperamentvolles, überaus
klares Spiel Schwierigkeiten nicht kennt. Auch Guſtav Beck hat
alle Fähigkeiten und das Können, um es ihnen gleich zu tun,
aber er überläßt ſich zu viel dem Glück des Augenblicks. So war
Vieles in der Violinſonate ſehr gut gelungen, beſonders die
mäch=
tige Steigerung dor dem Schluß, ſo war die mit Herrn Andreaſſon
zuletzt geſpielte C=Dur=Sonate von Mozart, die ohne beſondere
Vorbereitung vorgetragen wurde; aller Anerkennung wert; in
der langen Einleitung des Flötendivertimentos ließ ihn dagegen
das Glück im Stich, und ſie klang ſo gleichgültig und matt, wie
wir das Herrn Beck kaum zugetraut hätten. Das Konzert war
gut beſucht, und die Zuhörer ſpendeten reichen Beifall, der nach
den ex improriso vorgetragenen Werken beſonders lebhaft wurde.
*Porbedeutung an Beiſpielhoroſfopen.
Der Schluß=Vortrag von Dr. med. Freifrau von
Ungarn=Sternberg gab uns an vier Beiſpielhoroſkopen einen
Ueberblick über die praktiſchen Möglichkeiten der aſtrologiſchen
Deutung. Iſt es ſchon im Rahmen eines Vortrags in der Kürze
der gegebenen Zeit unmöglich, erſchöpfend alle gegebenen
Mög=
lichkeiten anzuführen, ſo würde eine kurze Rekapitulation nur
große Undeutlichkeiten bringen, zumal ein Verſtändnis ohne
Zu=
hilfenahme eines graphiſchen Horoſkops, auf dem ja die
Plane=
tenkonſtellation genau erkenntlich eingetragen iſt, nur äußerſt
ſchwierig iſt. An Hand einer ſolchen Darſtellung für jedes ein
zelne der zwei für weibliche und zwei für männliche Weſen
er=
läuterten Horofkope war es den Zuhörern möglich, die
Kräfteein=
wirkung auf das Individuum zu verſtehen. Wir erkennen, daß
der Sinn eines Daſeins Aufbau und Höherbau, eine
Entwick=
lung des Einzelweſens im organiſchen und pſychologiſchen Sinne
iſt, aber auch eine Steigerung der durch die Vererbung gegebenen
Tatſachen. Die Rednerin berückſichtigt insbeſondere bei den vier
gezeigten markanten Horoſkopen die analytiſchen Geſichtspunkte.
In dem erſten Horoſkop, einer Dame iſt bei der Beziehung zu
Vater und Mutter — die Mutter (der Mond) das vorherrſchende
Element, gegen den der Vater — die Sonne zurücktritt.
Beherr=
ſchend und das Weſen grundbeeinfluſſend ſind die Sternbilder
des Löwen und des Skorpion. Faſt alle Sternbilder
konzen=
trieren ſich um das „Ich”. (Haus I). Die Vortragende hatte
durch Befragen der Dame einen Zuſammenhang der höchſter
Erlebniſſe, der Beziehungen der natürlich auftauchenden
Vorſtel=
lungen, die im Menſchen ſchiummern, zu den biologiſchen
Vor=
gängen — alſo auch die Beziehungen der biologiſchen Vorgänge
zu den Planeten erkannt und bewieſen gefunden. Das zweite
Horoſkop einer Dame iſt dem erſten geradezu gegenübergeſtellt
die Sonne des Vaters dominiert, die durch die übrige
Planeten=
ſtellung bewirkte Beherrſchung der Weſenheit wird in feiner
Folge vorgetragen. Dieſes Horoſkop iſt zugleich ein Beiſpiel
das den analytiſchen Zuſammenhang der körperlichen Schmerzen
mit den aſtrologiſchen Regeln dokumentiert — daß die
Tierkreis=
zeichen die körperlichen Zuſtände beeinfluſſen und ein
Zuſammen=
hang zwiſchen geiſtiger Einſtellung, körperlicher Vorſtellung und
Himmelskörpern beſteht. Die beiden nun folgenden, für
männ=
liche Perſonen aufgeſtellten Horoſkope zeigen uns eine Neukon=
ſtellation — Neumöglichkeiten der Planetenwirkungen für das
menſchliche Sein. Immer beobachten wir den Haupteinfluß des
väterlichen Prinzips der Sonne, des mütterlichen Prinzips des
Mondes, die Auswirkung eines dieſer beiden Prinzipien in
hervorragendem Maße und dann als beeinflußend — beſtimment
für das Individuum die Kräfte der übrigen Planeten auf das
„Ich‟. Dieſe dem Individuum geſtellten Horoſkope auch für
deſſen Eltern zu verfolgen, geben intereſſante Aufklärung über/.
das Erbverhältnis und bieten, in weiterem Ausmaß betrieben
die Möglichkeit eines tieferen wiſſenſchaftlichen Eindringens ir Wche
die Vererbungstheorie. Zum Schluß betont die Rednerin
noch=
mals die ganz beſondere Bedeutung des Mondes für das Indi Hen
viduum, der ſeinen Zyklus in 28 Tagen beendet und in für ie
jedes Individuum verſchieden wiederkehrenden Zeitperioden Fügel
deſſen geiftige Einſtellung beſtimmt. Nach einer kurzen Pauſe /90
werden wir durch ein Beiſpiel mit der Technik der Horoſkopbe=Fnſ
rechnung bekannt gemacht. So haben wir durch dieſe
Vortrags=
reihe manche Anregung zum Verſtehen und tieferen Nachdenker
über das geheimnisvolle Wirlen der kosmiſchen Kräfte erhalten
ichr
7
Kunſt, 4diſſenſchaft und Leben.
*fm. Auguſta Bender geſtorben. Im Alter vor
73 Jahren iſt in Mosbach im Kreis=Altersheim die bekannt
Schriftſtellerin und Volksliederſammlerin Auguſta Bender ge
ſtorben. Die Verblichene hat ſich vom einfachen Dorfkind durd
eigene Kraft zur Schulleiterin und Schriftſtellerin emporgerun
B=
Ut;
*
gen. Sie machte verſchiedene Reiſen nach Amerika und iſt bekann /or m.
als Verfaſſerin zahlreicher Heimatbücher.
*fm Tagung fürchriſtliche Kunſt in Freiburg/ieie
Die Vorbereitungen zur vierten Tagung für chriſtliche Kunſt u ſam
Freiburg neigen ſich dem Ende zu und, nachdem bereits ein wür
diger und vielverſprechender Auftakt gegeben war, nimmt di ſhn
Tagung ſelbſt am kommenden Montag ihren Anfang.
— Zu Tee und Tanz! (Drei=Masken=Verlag, Berlin N. 24.
½
Wo moderne Tanzmuſik geſpielt wird, fehlen ſicherlich die Albums „,
Tee und Tanz” aus dem Drei=Masken=Verlage, Berlin, nicht. Nun
der ſechſte Band erſchienen und vereinigt wieder in ſeinem reichen Jt
halte 25 der beliebteſten Schlager auf dem Gebiete der
Unterhaltung=
urſik. An Operettenſchlagern finden ſich die populärſten Kompoſitione /.
aus Mädi” von Nobert Stolz vor; dann die großen Tanzſchlager unſe / her
ver Tage: „Tutankhamen”. „Wo haſt du nur die ſchönen blauen Auge
her”. Wenn ich dich ſeh, da muß ich weinen” „Andulka” „Bananen
„In Swinemünde träumt man im Sand” uſw. Lieder, Walzer, Fo.
trotts, ja ſelbſt die neueſten Modetänze, wie der Samba und
Blu=
find von den erſten Komponiſten beigeſteuert. Dieſes Schlageralbut
darf dort nicht fehlen, wo in fröhlichen Stunden Tanzmuſik gemad
wird. So bringt auch der ſechſte Band „Zu Tanz und Tee” wieder di
ſingende und klingende Fröhlichkeit in jedes Haus. Preis für Klabie
3,50 Mk. Der Bezug kann durch jede Muſikalienhandlung erfalgen.
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das
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War
Dienstag, den 23. September 1924,
Seite 3.
Genf, 22. Sept. (Wolff.) Der heutigen Vollſitzung des
dritten Verſammlungsausſchuſſes (Rüſtungsfragen) unterbreitete
der Präſident des Zwölferkomitees den nunmehr feſtgeſtellten
Protokollentwurf über das Schieds= und Sanktionsberfahren,
ſo wie es ſich aus den Beratungen der Unterausſchüſſe des
drit=
ten und erſten Ausſchuſſes (Rechtsfragen) ergab, und der ſich im
weſentlichen mit den von uns bereits gemeldeten Grundlinien
dect. Die Präambel zu dieſem Entwurf hat folgenden
Wort=
laut: „Um den dauerhaften Frieden in der Welt und die
Sicher=
heit der Völker aufrecht zu erhalten, deren Exiſtenzfreiheit oder
Gebiet bedroht werden könnte, und von dem Wunſche beſeelt,
die vollſtändige Durchführung dieſes Syſtems zu ſichern, die der
Völkerbundspakt für die friedliche Regelung von Streitfällen der
internationalen Verbrechen zu erleichtern, entſchloſſen
infolge=
deſſen, die in Artikel 8 des Völkerbundspaktes vorgeſehene
Be=
ſchränkung und Begrenzung der Rüſtungen zu verwirklichen
haben ſich die unterzeichneten Staaten über folgende
Beſtimmun=
gen geeinigt.”
Beneſch feierte in faſt einſtündigen Ausführungen den
Ent=
wurf als ein Syſtem, das die Ausrottung des Krieges zum Ziele
und zum Ergebnis haben würde und das ſich ſtreng auf die
Satzungen des Völkerbundspaktes aufbaut, deſſen Lücken es
reſt=
los ausfüllt. Die Kommiſſion trat hierauf in die Beratung des
Entwurfs ein.
In dem heute von Beneſch dem dritten Ausſchuß vorgelegten
Protokollentwurf für das Schieds= und Sanktionsverfahren
ver=
dient folgender Artikel Beachtung: Artikel 6: Da das Syſtem von
entmilitariſierten Zonen geeignet iſt, Angriffen vorzubeugen oder
die offizielle und einwandfreie Feſtſtellung der Angreifer, wie ſie
in Artikel 5 gefordert iſt, zu erleichtern, wird die Einrichtung
ſolcher Zonen zwiſchen den Staaten, die dazu einwilligen würden
als Mittel, um eine Verletzung des gegenwärtigen Protokolls zu
verhindern, vorgeſehen. Bereits auf Grund von Schiedsverträgen
oder Abkommen beſtehende entmilitariſierte Zonen oder Zonen,
die in Zukunft zwiſchen einwilligenden Staaten errichtet würden,
können Gegenſtand einer temporären oder ſtändigen, von dem
Völkerbund organiſierten Kontrolle auf Verlangen und auf
Koſten eines oder aller Nachbarſtaaten ſein.
U. Genf, 22. Sept. Heute nachmittag trat der Rat gegen
8 Uhr zuſammen, um die neueſte Formulierung des Projektes
der Zwölfer=Kemmiſſion über das Schiedsgericht und die
Ab=
rüſtungsfrage entgegen zu nehmen. Das Projekt, das in ſeinen
weſentlichen Teilen bereits bekannt iſt, bringt eine Reihe neuer
Formulierungen.
Die Mitglieder des, Völkerbundes gehen die Verpflichtung ein,
ſich unter keinen Umſtänden gegenſeitig zu bekriegen,
ausge=
nommen in Fällen der Selbſtperteidigung. Falls der
Völker=
bund in Streitfällen nicht entſcheiden kann, wird ein
Schieds=
gericht angerufen. Weigern ſich die Parteien, dann ruft der
Völkerbund ſelbſt ein Schiedsgericht an. Die Mitglieder des
Völ=
kerbundes verpflichten ſich, den Schiedsſpruch anzuerkennen. —
Es folgt dann eine eingehende Darlegung der Beſtimmungen,
wer als Angreifer zu betrachten iſt. Weiter eine genaue
Formu=
lierung wirtſchaftlicher, finanzieller und militäriſcher Sanktionen,
Die einzelnen Mitglieder haben dem Rat Mitteilungen über ihre
militäriſchen Streitkräfte zu machen, die ſie auf Verlangen des
Rates für Sanktionen zur Verfügung ſtellen können. Der
An=
greifer hat die Koſten für die Hilfeleiſtung der anderen Staaten
zu bezahlen. — Die Abrüſtungskonferenz wird jetzt
ſchon aufden 15. Juni 1925 feſtgeſetzt. Alle Staaten,
auch die Nichtmitglieder des Völkerbundes, werden eingeladen.
Die Ratifizierung des vorliegenden Protokolls, muß bis zum
1. Mai 1825 erfolgen. Es tritt nicht in Kraft, ehe nicht der
Ab=
rüſtungsplan von der Konferenz angenommen iſt.
Schwediſcher Antrag auf Ausbau des
internationglen Rechtes.
Genf, 22. Sept. (Wolff.) In der Vormittagsſitzung trat
die Völkerbundsverſammlung ſofort in die Tagesordnung ein,
die der Verabſchiedung folgender Punkte galt: 1. Schwediſcher
Antrag auf Ausbau des internationalen Rechts: 2.
Tätigkeits=
vericht der ſtändigen Mandatskommiſſion; 3. Sklaverei. Der
chwediſche Antrag, zu dem verſchiedene Redner zu Wort gemel=
G
det waren, wurde von der Verſammlung angenommen. Er
ver=
langt von dem Völkerbundsrat die Einberufung eines
Sachver=
ſtändigenausſchuſſes zwecks Aufſtellung einer Liſte von
Rechts=
materialien, die alsdann von dem Völkerbundsfekretariat allen
Staaten, auch den Nichtmitgliedsſtaaten, zugeſtellt und deren
Re=
gelung ebentiell durch internationale Konferenzen erſtrebt
wer=
den ſoll.
Der Berichterſtatter Roll (Belgien) betonte in
Begrün=
dung des ſchwediſchen Antrags, daß in dem Augenblick, in dem
die Konvention über die Sicherheit und das Schiedsverfahren
unterſtrichen und zur Sicherung der Schiedsſprüche Sanktionen
vorgeſehen würden, neben der Sicherheit des Friedens auch die
Sicherheit des Rechts, und zwar eines für alle gleich erweiterten
internationalen Rechts, notwendig ſei.
Burckhardt (Schweiz), der auf den hervorragenden
An=
teil der Schweiz bei der internationalen Regelung der
Eiſen=
bahn= und Poſtfragen hinwies, bezeichnete die mit dem
ſchwedi=
ſchen Antrag geſtellten Aufgaben dahin, daß gerechte, ſichere
Grundſätze ausgearbeitet werden müßten.
Der ſchwediſche Delegierte Bugge=Wickſell überbrachte
die Zuſicherung der ſchwediſchen Regierung zu dem von dem
erſten Ausſchuß (Rechtsfragen) vorgeſehenen Reſolutionstext,
wobei ſie die Notwendigkeit unterſtrich, daß auf allen Gebieten,
die in den Beziehungen der Staatsangehörigen der einzelnen
Länder von Belang ſind, klare und allgemeine Grundſätze
auf=
geſtellt werden müßten.
Politch (Jugoſlawien) wies auf die ſeit Beſtehen des
Völkerbundes von dieſem bereits erzielten Fortſchritte in der
Kodifizierung der internationalen Rechtsmaterialien hin.
Groom (Auſtralien), der Vorſitzende des erſten Ausſchuſſes
(Rechtsfragen), hob hervor, daß mit den in dem ſchwediſchen
An=
trag aufgeworfenen Fragen Wertvolles für die internationale
Zuſammenarbeit geleiſtet werden könne. Der Völkerbund ſei
jedoch keine geſetzgebende Körperſchaft. Man werde bei
Aufſtel=
lung feſter, gerechter Grundſätze auf dem Wege internationaler
Konventionen ſchrittweiſe vorgehen müſſen.
Eegerungen an Wilhelm Roux.
Der berühmte Hallenſer Anatom und Begründer
der Entwicklungsmechanik Geheimrat Profeſſor Dr.
Wilhelm Rouz iſt im 74. Lebensjahre geſtorben.
Zu den unvergeßlichen Eindrücken meines Lebens, ſo ſchreibt
r. 2i. Kronſeld im „Neuen Wiener Journal”, gehört der Beſuch
ſei Wilhelm Roux, der in den Jahren 1889 bis 1895 als
ordent=
icher Profeſſor der Anatomie in Innsbruck arbeitete. Er erzählte
ſon ſeinen großen Lehrern Ernſt Haeckel und Rudolf Vixchow,
on ſeiner Einjährigentätigkeit im deutſch=franzöſiſchen Krieg, von
ſen wiederholten Verſuchen, zu den philoſophiſchen Fächern
über=
ugehen, von ſeiner merkwürdigen Tätigkeit in Leipzig, wo er
zu=
leich Afſiſtent am Pathologiſch=Chemiſchen und am Hygieniſchen
Inſtitut war, von den Seitenſprüngen in andere Wiſſensgebiete.
Heine Doktordiſſertation über die Verzweigungen der Blutgefäße
richt den kühnen Satz aus, daß nicht das Blutgefäß die
Blut=
üſſigkeit in beſtimmte Bahnen zwingt, ſondern daß dieſe, der
Autſtrahl, das Blutgefäß zwingt, ſich zu verzweigen. So
ent=
and die in zahlreichen Arbeiten niedergelegte Lehre von
Wil=
elm Roux über die Anpaſſung der Organismen an veränderte
unktionen durch Ausübung der Funktion, das wichtige Buch
Der Kampf der Teile im Organismus”, die ganze
Entwicklungs=
lechanik und ſchließlich, als Wilhelm Roux Innsbruck verließ,
m die Lehrkanzel in Halle an der Saale zu übernehmen, das
Archiv für Entwicklungsmechanik‟. Das Ziel von Wilhelm
toux war, die Urſachen, reſpektive die geſtaltenden
Wirkungs=
ſeiſen des organiſchen Geſchehens, zu ermitteln und auf die im
ſereiche des Anorganiſchen vorkommenden phyſikaliſchen und
emiſchen Wirkungsweiſen zurückzuführen. Das Lebeweſen iſt
ach ſeiner Definition ein Naturkörper, welcher durch eine Reihe
on neun beſtimmten Leiſtungen, durch Bewegung, Vermehrung,
ereibung, Entwicklung und durch fünf Leiſtungen des
Stoff=
echſels ſich erhält. Die fünf Leiſtungen des Stoffwechſels ſind:
elbſtheränderung, Selbſtausſcheidung, Selbſtaufnahme,
Selbſt=
fimilation, Selbſtwachstum. Metaphyſiſches Eingreifen in das
eben der Zelle oder des Zellenſtaates lehnte er mit großer
untſchiedenheit ab. Er ſagte: „Die Vitaliſten, die Anhänger
ner ſogenannten Lebenskraft, denken ſich die phyſiſche
Organi=
tion der Lebeweſen derartig, daß zu den typiſchen und
regula=
riſchen Geſtaltungsleiſtungen derſelben noch ein metaphyſiſches
gens, eine Geſtaltungsſeele, nötig ſei. Ich habe den Lebeweſen
ne eyſiſche Organiſation zuerkannt, welche die
Geſtaltungslei=
tügen der Lebeiseien ohne Hilfe eines metaphyſiſchen Agens
wirkt.” Wilhelen Ronx gelangte zu dem kühnen Schluß: „Es
bt rein mechaniftiſche Erklärungsverſuche für das ſeeliſche
Ge=
gehen.” Aber E=fcheiden ſetzte er hinzu: „Nach meiner Meinung
Ueber den zweiten Punkt der Tagesordnung (
Mandats=
it
fragen) berichtete Nanſen (Norwegen), der auf die Wi=
I=
der Mandatsfragen im geſamten Aufgabenkreis des Vö
des hinwies und dem ausſcheidenden Direktor, der Ma. 2, dem ſchweizeriſchen Profeſſor Rappard, für ſeine dem
Völkerbund geleiſteten Dienſte dankte. Die von Nanſen
begrün=
dete und von der Verſammlung genehmigte Reſolution billigt
die Arbeiten der Ständigen Mandatskommiſſion und weiſt auf
das Kapitalbedürfnis der Mandatsgebiete hin, deren Entwicke
lung ernſtlich gefährdet ſei. Er forderte die Veröffentlichung der
Berichte der Mandatsmächte ſowie die Verhinderung des
Han=
dels mit geiſtigen Getränken.
In der Ausſprache wiederholte Buxton (England) ſeine
bereits im ſechſten Ausſchuß (politiſche Fragen) vorgebrachten
Darlegungen über die Notwendigkeit des Alkoholverbots in den
Kolonien, das nicht nur auf die Eingeborenen angewandt werden
dürfe. Ferner trat er für die Ausarbeitung einer allgemeinen
Satzung über die Rechtslage der eingeborenen Arbeiter und für
die geſetzliche Regelung des Ackerbaues und der
Waldbewirtſchaf=
tung ein. Die im Art. 22 des Völkerbundspaktes enthaltenen
allgemeinen Grundſätze über die Verwaltung der
Mandats=
gebiete ſollen in allen Kolonialgebieten angewandt werden. Die
britiſche Regierung ſei bereit, dieſen Weg zu beſchreiten.
Nachdem Buxton ſeine Rede geſchloſſen hatte, teilte der
Prä=
ſident der Völkerbundsverſammlung, Mota, mit, daß der dritte
Ausſchuß (Rüſtungsfragen), der das Schieds= und
Sanktions=
protokoll ausarbeitete, am Nachmittag eine Vollſitzung abhalten
werde. Sodann wurde die Ausſprache über die Mandatsfragen
fortgeſetzt.
Nach Buxton (England) ſprach D’Andrade (Portugal)
der als Mitglied der Mandatskommiſſion ebenfalls nachdrücklichſt
für die Verhinderung des Alkoholhandels und für die
Ausarbei=
tung einer allgemeinen Satzung über die Rechtslage der
eingebo=
renen Arbeiter eintrat.
Alsdann wurde der Bericht des ſechſten Ausſchuſſes über
die Sklaverei angenommen, den ebenfalls Nanſen
begrün=
dete. Vor faſt völlig leerem Hauſe teilte ſchließlich Präſident
Motta mit, daß, um den Dienstag=Nachmittag für die
Kommiſ=
ſionsarbeiten frei halten zu können, die Verſammlung ſelbſt
mor=
gen die Sitzung bereits um 10 Uhr vormittags beginnen wird.
Auf der Tagesordnung ſtehen u. a. der Tätigkeitsbericht der
Kom=
miſſion für geiſtige Zuſammenarbeit bzw. die Annahme des
An=
gebots der franzöſiſchen Regierung zur Begründung eines
inter=
nationalen Inſtituts in Paris, außerdem die Georgien
betref=
fende franzöſiſch=engliſch=belgiſche Reſolution.
würden die Anhänger einer metaphyſiſchen Lebenskraft und die
Gegner inkorrekt handeln, wenn ſie im gegenwärtigen Stadium
des Wiſſens, richtiger geſagt, des Nichtwiſſens, behaupten wollten,
daß ihre Auffaſſung die richtige ſei. Denn es handelt ſich hier
um noch Unbekanntes, Dunkles, das wir erſt aufzuhellen ſtreben.
Jede Partei muß daher verſuchen, dies dunkle Geſchehen auf ihre
Weiſe durch möglichſt exakte Forſchungen zu erklären, alſo
mög=
lichſt viel und möglichſt gutes Beweismaterial für ihre Auffaſſung
zu gewinnen.‟ Die Entwicklungsmechanik der Organismen iſt
nach der Definition von Wilhelm Roux die Lehre von den
Ur=
ſachen der organiſchen Geſtaltungen, ſomit die Lehre von den
Urſachen der Entſtehung, Erhaltung und Rückbildung dieſer
Ge=
ſtaltungen. Die allgemeine Aufgabe der Entwicklungsmechanik
beſteht darin, daß ſie die organiſchen Geſtaltungsvorgänge au
die wenigſten und einfachſten Wirkungsweiſen zurückführt. Wenn
es Wilhelm Roux gelungen iſt, aus halben Froſcheiern halbe
Lebeweſen entſtehen zu laſſen, das Froſchei moſaikartig nur an
einzelnen Stellen zu befruchten, und wenn er bei der Entwicklung
des Eies undifferenzierte Stellen nachgewieſen hat, aus welchen
vielleicht Krebſe oder andere Geſchwülfte werden, ſofern eine
dieſer Gegenden chroniſchen Reizen ausgeſetzt iſt, ſo iſt mit dieſen
wenigen Tatſachen klidp und klar bewieſen, daß der Gelehrte in
dunkles, bisher unbekanntes Gebiet des Lebens eingedrungen iſt.
Heute, da alle Aerzte und Naturforſcher um einen ihrer
be=
deutendſten Führer und Vorkämpfer trauern, iſt es nicht am
Platze, Kritik an dem großen Lehrgebäude von Wilhelm Roux zu
üben. Sein Geſamtwerk fußt auf der mechaniſtiſchen
Grund=
auffaſſung der Lebensvorgänge. Sein unſterbliches Verdienſt
be=
ſteht darin, daß er mit tunlichſter Vermeidung des Metaphyſiſchen
eine Theorie der Urzeigung gefunden, die Lehren über das
Weſen des Lekens vertieft und eine entwicklungsgeſchichtlich
wohlbegründete Lehre, von der Entſtehung des Krebſes und
anderer Neubildungen ausgearbeitet hat.
Renſchen ui 18.
Von D. Dr. Martin Schian.
„Menſchen um 18”: ſo der Titel eines bereits in 3. Auflage
vor=
liegenden Erziehungsromans von Franz Lüdtke. (Verlag des
Weſt=
deutſchen Jünglingsbundes in Barmen. 232
S.) Gemeint ſind nicht etwa
Menſchen um 1918, alſo um die Revolutions
it, ſondern junge Menſchen
am Ende des zweiten Jahrzehnts ihres Lebens. Nicht die Entwicklung
Menſchen (wie ſonſt
ein
n den ſogenannten Erziehungs= und Ent=
Sromanen) wird da
wickl:
ſtellt, ſondern eine ganze Gruppe von
Thpen tritt auf; junge Männer und junge Mädchen. Uebrigens fehlen
auch die älteren nicht.
Das Buch will weniger die Entwicklung eines oder einiger Menſchen
pſychologiſch entfalten, als vielmehr geradezu erziehen. Es gehört alſo
Einberufung einer internationalen Abrüſtungskonferenz.
London, 22. Sept. (Wolff.) Der Genfer Berichterſtatter
der „Daily Expreß” hatte eine Unterredung mit Lord
Par=
moor. Dieſer ſagte u. a.: Die Behauptung, daß die
britiſche Flotte dem Völkerbund übergeben
worden ſei, ſei lächerlich. Das Ziel der Genfer
Verhandlungen ſei ausſchließlich, zu verſuchen, ob
die allgemeinen Vorſchläge der Miniſter von
Großbritannien und Frankreich eine praktiſche
Form erhalten könnten. Die Erörterungen hätten jetzt
ein vorgeſchrittenes Stadium erreicht. Es beſtehe alle Hoffnung,
daß es möglich ſein werde, im Verlaufe der nächſten Woche der
Völkerbundsverſammlung Vorſchläge vorzulegen. Der erſte
Schritt würde alſo die Annahme der Vorſchläge durch die
Völker=
bundsverfammlung ſein. Dies würde aber in ſich ſelbſt noch nicht
irgendeine Regierung verpflichten. Etwas Derartiges werde
auch nicht vorgeſchlagen. Die bisherigen Verhandlungen
bedeute=
ten nur einen Schritt in der Einrichtung auf die
Einberu=
fung einer internationalen
Abrüſtungskonfe=
renz, zu der alle Staaten einſchließlich
Deutſch=
lands, der Vereinigten Staaten und Rußlands
eingeladen werden ſollen. Sollte dieſe internationale
Konferenz keinen Erfolg haben und fertig bringen, annehmbare
Vorſchläge betreffend der Entwaffnung zu entwickeln, ſo würden
alle vorausgegangenen Schritte null und nichtig ſein.
Selbſt=
verſtändlich werde das in Genf aufzuſtellende Protokoll dem
bri=
tiſchen Parlament zur Erörterung und Ratifizierung vorgelegt.
Lord Parmoor fügte noch hinzu: Es werde keine Verpflichtung
irgend welcher Art in Erwägung gezogen, wenn nicht die
inter=
nationale Konferenz ein erfolgreiches Ende nehme. Auch dann
würde ſich dieſe Verpflichtung nur darauf beziehen, die
Grund=
ſätze des Schiedsſpruches entſprechend den von dem britiſchen
Premierminiſter niedergelegten Gedanken zu unterſtützen.
Par=
moor beſtätigte nochmals ſeinen und der britiſchen
Dele=
gation dringenden Wunſch, daß Deutſchland dem
Völkerbund beitreten müſſe und erklärte, es ſei
ledig=
lich Sache derdeutſchen Regierung, ein formelles
Aufnahmegeſuch einzubringen. Er bemerkt noch, er
zweifle nicht daran, daß die Vereinigten Staaten ſich an der
Ab=
rüſtungskonferenz am 15. Juni 1925 beteiligen würden.
Genf, 22. Sept. (Wolff.) Das „Journal de Genéve‟
ſchreibt in der vom Völkerbundsrat behandelten Frage der
ört=
lichen Gendarmerie im Saargebiet: In jeder Tagung des
Völ=
kerbundsrates klagt die deutſche Regierung unermüdlich, daß im
Saargebiet franzöſiſche Gendarmerie, ſogar einige
Beſatzungs=
truppen weilen. Die juriſtiſche Beweisführung der
deutſchen Regierung iſt unanfechtbar. Nach dem
Vertrag muß die Ordnung durch die örtliche Gendarmerie
auf=
recht erhalten werden. Der Völkerbundsrat erklärte,
daß die franzöſiſchen Beſatzungstruppen
vor=
läufig zur Organiſation der örtlichen
Gendar=
merie gerechtfertigt ſeien. Aber die
Regierungskom=
miſſion iſt der Anſicht, daß neben der Polizei, die bereits 1500
Mann enthält, 3000 bis 400 Gendarmeriemannſchaften notwendig
ſind, was notoriſch eine ungeheuerliche Ziffer für ein derartiges
Gebiet iſt. Nun hat die Regierungskommiſſion in drei Jahren
50 Gendarmen eingeſtellt, dann auf Drängen des Rates 200;
in dieſem Jahre wird die Regierungskommiſſion, wenn alles gut
geht, bis auf 400 Mann gehen. Bei einem derartigen Verfahren
wird man noch zehn Jahre brauchen, bedor die franzöſiſchen
Truppen zurückkehren können. Das proviſoriſche
Re=
gime wird alſo 15 Jahre dauern, alſo genau ſo
lange, wie das endgültige Regime, das 1935
aufhören ſoll. Iſt dieſe Langſamkeit gerechtfertigt? Die
franzöſiſchen Truppen im Sargebiet ſind für
den Schutz der Bergwerke im Falle eines
Strei=
kes nicht ſo notwendig, wie man behauptet; aber ſie
ſind in den Augen des franzöſiſchen
General=
ſtabes für die Sicherung der franzöſiſchen
Trup=
pen auf dem linken Rheinufer nötig. Zwiſchen
Koblenz und Straßburg iſt keine andere Abzugslinie als die über
Saarbrücken. Nun iſt aber die gegenwärtige
fran=
zöſiſche Beſatzung im Saargebiet
vertrags=
widrig, daher iſt der Konflikt unlöslich.
London, 22. Sept. Wie der Londoner „Obſerver” wiſſen
will, habe Deutſchland eine offizielle Anfrage an die franzöſiſche
Völkerbundsdelegation in Genf gerichtet, ob ſie bereit ſei, wenn
Deutſchland den Antrag ſtelle, für die Wahl zum ſtändigen
Mit=
glied des Völkerbundsrats zu ſtimmen. Von franzöſiſcher Seite
ſei die gewünſchte Zuſicherung gegeben worden.
zu den Erzählungen, die ſchlecht und recht in den Dienſt einer beſtimmten
Abſicht treten. Das tritt ſo deutlich hervor, das beherrſcht die geſamte
Darſtellung ſo ſichtlich, daß man gut tun wird, es von vornherein gar
nicht als Roman zu behandeln. Es iſt nicht in erſter Linie Kunſtwerk, es
iſt moraliſche Erzählung. Aber eine ſehr geſchickte, vielfach ſehr feine
moraliſche Erzählung. Sie iſt nicht entfernt langweilig, ganz im
Gegen=
teil: ſpannend iſt ſie, aufregend bis zum Schluß. Wo alſo eine ſolche
Darſtellung angebracht iſt, da wird man dies Buch empfehlen können.
Wo iſt ſie angebracht? Das muß nach dem Inhalt des Buches
ent=
ſchieden werden. Sein Thema iſt die Kriſis des „gefährlichen Alters”
die Not der Jugend, die um ihre Unſchuld kämpft, das Problem des
Geſchlechtslebens. Seine Abſicht iſt nachdrücklichſte Warnung vor jedem
Geſchlechtsverkehr außerhalb der Ehe, zumal, aber nicht allein, von der
kräftig und eindrucksvoll dargeſtellten Gefahr der Geſchlechtskrankheiten
aus. Im Zuſammenhang damit kommt die ſexuelle Aufklärung zur
Spräche, ihre Methode zu anſchaulicher Schilderung. Wie mir ſcheint,
iſt die Gefahr aller dieſen Gegenſtand behandelnden Bücher — daß ſie
nämlich ſelbſt zu Reizungen werben — vermieden; die ſtarke Wirkung
der kräftig geſchilderten Folgen mangelnder Selbſtzucht überwiegt weit.
Mindeſtens iſt alſo das Buch dort am Platze, wo irgend die Gefahr
beſteht, der es vor allem entgegenwirken will. Da dieſe Gefahr beim
jungen Manne doch wohl erheblich ſtärker iſt als beim Mädchen, iſt
an junge Männer als Leſer vornehmlich zu denken.
Es mag fein, daß manche Eltern auch dieſem Buch gegenüber
Be=
denken haben mögen. Ich glaube doch, daß ſie falſch ſind. Man leſe
das Buch felbſt, und man gebe es denen, die es in erſter Linie angeht.
Wir dürfen uns ja doch den ernſten Zahlen nicht verſchließen, die uns
die Statiſtik vorführt. Der Krieg hat verheerend gewirkt und wirkt
noch weiter. Die Gefahr für unſer ganzes Volk iſt rieſengroß. Mag
dieſes Buch helfen, ſie zu bannen!
d. Das höchſtgelegene Hotel Europas, das „Berghaus” auf
dem Jungfraujoch, wurde jüngſt eingeweiht. Es enthält in vier
Stockwerken 18 modern eingerichtete Zimmer mit 32 Betten, einen
großen Saal und verſchiedene kleine Geſellſchaftsräume. Das
zum Teil in die Felſen eingebaute Haus ſteht auf Walliſer Gebiet
in 3600 Meter Höhe. Der Beſichtigung der Anlage folgte die
feierliche Einweihung durch den Biſchof von Sitten und hierauf
ein Bankett.
* Geiſeniazd mit Maſchinengewehren. Die Wilddiebe in
den öſtlichen Pyrenäen haben ein neues Mittel gefunden, um
Wild zur Strecie zu bringen. Sie machen mit Maſchinengewehren
Jasd auf Gemfen. Die Jägervereinigung dieſes Gebietes hat
dies bereits der Lehörde angezeigt. Sie verweiſt darauf, daß auf
dieſe Weiſe nicht allein das Wild ausgerottet wird, ſondern auch
das Vieh auf den Weiden Gefahr läuft. Die Kuhhirten mußten
bei einer dieſer Jagden Deckung ſuchen, um ſich gegen den
Kugel=
regen zu ſchüßen. Die Polizei hat eine Unterſuchung eingeleitet.
Wie kommen aber, ſo fragt der „Figaro”, die Wilderer zu
Ma=
ſchinengewehren? Kann man die jetzt vielleicht wie Revolver in
einem Waffenladen kaufen?
aſp
Ofen
Seite 4.
Die Koblenz=Düßfeldorfer
Perhandtungen.
Die Arbeiten der Ausſchüſſe.
Koblenz, 21. Sept. Der Vorſitzende der deutſchen Abordnung zur
Durchführung des Londoner Abkommens im beſetzten Gebiet, der
Landes=
hauptmann Dr. Herion, hatte Gelegenheit, ſich vor Vertretern der Preſſe
über die Koblenz=Düffeldorfer Verhandlungen zu äußern und teilte dabei
u. a. folgendes mit: Die deutſche Abordnung zur Durchführung des
Londoner Abkommens arbeitet unter dem Reichsminiſter für die
beſetz=
ten Gebiete in ihren beiden Abteilungen Koblenz und Düſſeldorf in
engſtem Zuſammenhang mit den beteiligten Reichsminiſterien und den
Miniſterien der Länder, deren Vertreter ſtändig in Koblenz bzw.
Düſſeldorf anweſend ſind. — Es handelt ſich zunächſt um Durchführung
der in Artikel 6 des Londoner Abkommens erwähnten techniſchen
Konfe=
renzen, die die Durchführungs= und Uebergangsmaßnahmen der
betref=
fenden Beſtimmungen des Londoner Protokolls zu beraten haben. Dieſe
Beratungen ſind umſo wichtiger, als durch das Londoner Protokoll auf
den hier in Betracht kommenden Gebieten nicht alle Fragen reſtlos
ge=
löſt werden konnten. — In Koblenz ſind Ausſchüſſe eingeſetzt für
Zoll=
fragen für Aus= und Einfuhrfragen und für die Uebergabe der Forſten,
in Düſſeldorf für Micum und Kohle, für Schiffahrt und Häfen, für
Tabak= und Weinſteuer. Infolge des Umfanges und der Schwierigkeit
der zu behandelnden Einzelfragen liegen endgültig abſchließende
Er=
gebniſſe noch nicht vor, jedoch iſt ſchon über zahlreiche Punkte eine
Eini=
gung erzielt, ſo über die wichtige Frage der Dauer der Gültigkeit der
vom Emſer Ausfuhramt erteilten Lizenzen. Das Amt ſelbſt wird
ent=
ſprechend den Londoner Abmachungen ſeine Tätigkeit ſpäteſtens am
21. Oktober einſtellen, es wird aber von jetzt ab nur noch Lizenzen auf
einen Monat erteilen, ſodaß dieſe Lizenzen ſpäteſtens am 21. November
ablaufen.
Die Durchführung der in Artikel 7 feſtgelegten Amneſtie für alle
politiſchen Taten aus der Zeit des Ruhrkampfes iſt im Gange, eine
größere Beſchleunigung wäre aber hier dringend zu wünſchen.
Be=
ſchwerden ſind hier zu erheben wegen der Verzögerung der
Amneſtie=
rung der in Abweſenheit Verurteilten und der hie und da noch jetzt
er=
folgenden Einziehung von Geldſtrafen. Auch am Schluß, nachdem die
ziemlich klaren Fälle alle erledigt ſind, eine Reihe von Zweifelsfällen
übrig bleiben, die zunächſt durch Verhandlungen mit den zuſtändigen
franzöſiſchen Stellen und evtl. durch eine vorgeſehene gemiſchte
Kom=
miſſion zu entſcheiden ſind.
Mit der Amneſtiefrage hängt die Rückgängigmachung der noch aus
der Zeit des paſſiven Widerſtandes beſtehenden Zeitungsverbote
zu=
ſammen, über die eine baldige Entſcheidung erſtrebt wird.
Sehr ſchwierig geſtalten ſich zum Teil die Verhandlungen wegen der
Nückehr der Ausgewieſenen und der Wiedereinſetzung der Beamten.
Hier iſt außer dem Londoner Protokoll noch ein diplomatiſcher
Brief=
wechſel maßgebend zwiſchen der franzöſiſch=belgiſchen Regierung und
der Reichsregierung. Darnach ſollen grundſätzlich alle Ausweiſungen
und Amtsentſetzungen aufgehoben werden, abgeſehen von „cas part!
guliens‟. Die Anwendung dieſer Beſtimmungen iſt in den einzelnen
Gebieten franzöſiſch beſetztes Einbruchsgebiet, belgiſch beſetztes
Ein=
bruchsgebiet, franzöſiſch altbeſetztes und belgiſch altbeſetztes Gebiet,
ziemlich verſchieden.
Verhältnismäßig befriedigend ſind die Ergebnifſe im Einbri. gebiet.
Im franzöſiſch altbeſetzten Gebiet iſt aber noch die Entſcheidung über
mehrere hundert Ausweiſungen und mehr als tauſend Amtsentſetzungen
rückſtändig. Die Verhandlungen hierüber ſind in vollem Gange und
vor=
ausſichtlich wird ſchon in den nächſten Tagen eine weitere größere
An=
zahl von Ausweiſungen und Amtsentſetzungen zurückgenommen.
Zum Schluß ſei noch hingewieſen auf die bedeutungsvolle Zuſage in
dem Londoner Abkommen, wonach die Arbeit aller Verwaltungen in
jeder Beziehung in Uebereinſtimmung mit dem Rheinlandabkommen vor
ſich gehen ſoll und wonach ganz allgemein die alliierten Regierungen,
um in den beſetzten Gebieten die fiskaliſche und wirtſchaftliche Einheit
Deutſchlands zu ſichern, die Hohe Interalliierte Rheinlandkommiſſion
Dienstag, den 23. September 1924.
Rummer 265.
Vertagung der deutſch=belgiſchen Wirtſchafts=
Ueberraſchungen aus Thüringen
verhandlungen.
Berlin, 22. Sebt. Halbamtlich wird mitgeteilt: Bei den deutſch= Der Staatsbankpräſident legt ſein Amt nieder.
belgiſchen Wirtſchaftsverhandlungen ſind die Arbeiten der beiderſeitigen
Weimar, 22. Sept. Der bisherige Staatsbankpräſident Loeb
Delegationen inzwiſchen ſoweit gediehen, daß die weſentlichen richete an den thüringiſchen Finanzmiiſter ein Schreiben, in dem
Grundlagen geklärt werden konnten. Es iſt nunmehr für die er ſeine Klagen über die Haltung des Miniſters nochmals
zuſammen=
belgiſche Delegation erforderlich, vor Eintritt in die Einzelerörterungen faßt, Er erinnert zunächſt an deſſen antiſemitiſche Aeußerungen und
Fühlung mit ihrer Regierung zu nehmen. Daher iſt die Fort= Raſſenvorbehalte und ſtellt dann folgende Tatſachen zuſammen: Sie
ſetzung der Beratungen zunächſt verſchoben worden legten, während ich mich im Sanatorium befand, hinter dem Rücken
und gleichzeitig iſt die Wiederaufnahme ſchon jetzt für den des Direktoriums und des Verwaltungsrates und ohne Anhören der
15. Oktober feſtgeſetzt.
geſetzlich beſtimmten Wirtſchaftskörper, dem Landtag einen Entwurf zu
Die Rheinlandkommiſſion ſielit die Erbebung
der Kohlenſieuer ein.
Koblenz, 22. Sept. Die Rheinlandkommiſſion erläßt folgende
Sonderverordnung Nr. 269, betreffend die Aufhebung der
Kohlenſteuer im beſetzten Gebiet:
Art. 1. Die interallierte Kontrollkommiſſion für
Hütten= und Bergwerke ſtellt die Erhebung der
Kohlen=
ſte uer von den Kohlenbergwerken der beſetzten Gebiete für die vom
1. September 1924 ab verkaufte Tonnenzahl ein.
Art. 2. Die Beſtimmungen der Sonderverordnung
und alle zu deren Vollzug erlaſſenen Beſchlüſſe, Verfügungen oder
An=
weiſungen, die dem Art. 1 gegenwärtiger Verordnung zuwiderlaufen,
und namentlich die Sonderverordnung 132 werden hiermit
aufge=
hoben.
Art. 3. Die Aufhebung der im vorſtehenden Art. 2
bezeichne=
ten Erlaſſe bleibt ohne Wirkung auf die Gültigkeit der
vollzogenen Handlungen, die erworbenen Rechte und
Ver=
antwortlichkeiten, ſowie die in Ausführung oder während der Zeit der
Rechtsgültigkeit erlaſſenen Verordnungen, Beſchlüſſe, Verfügungen oder
durch Anweiſungen entſtandenen Verpflichtungen. Insbeſondere iſt die
Kohlenſteuer für die Zeit vor dem 1. September 1924 zu entrichten, d. h.
ſowohl die rückſtändige Kohlenſteuer, die ſich auf die Erzeugung vor dem
23. September 1923 bezieht, als auch die laufende Kohlenſteuer,
die auf die während des Zeitabſchnitts vom 23. November 1923
bis 1. September 1924 ausgeführten Verkäufe fällig iſt. Ihre Eintreibung
wird auch fernerhin von der interallierten Kontrollkommiſſion für
Hüt=
ten= und Bergwerke bewerkſtelligt werden.
Die Rheinlandkommiſſion erläßt ferner folgende
Sonder=
verordnung Nr. 270, betreffend die Verkaufsſteuer der durch
Kohlendeſtillation gewonnenen Nebenprodukte:
Art. 1. Die interalliierte Kontrollkommiſſion für Hutten= und
Berg=
werke ſtellt Erhebungen der auf den aus der Kohlendeſtillation
gewonnenen Nebenprodukten beruhenden Steuer bei den Bergwerken der
beſetzten Gebiete und den an dieſe letzteren angeſchloſſenen Werke für
die Zeit vom 1. September 1924 ab verkauften Mengen ein.
Art 2. Die Beſtimmungen der Sonderverordnung
und aller zu deren Vollzug erlaſſenen Beſchlüſſe, Verfügungen oder
An=
weiſungen, die dem Art. 1 gegenwärtiger Verordnung zuwiderlaufen,
und namentlich der Abſ. 4 des Art. 1 der Sonderverordnung 252
wer=
den hiermit aufgehoben.
Art. 3. Art. 2 gegenwärtiger Verordnung bleibt ohne Wirkung auf
die Gültigkeit der vollzogenen Handlungen, die
er=
worbenen Rechte, die übernommenen Verantwortlichkeiten und die in
Ausführung oder während der Zeit der Rechtsgültigkeit dieſer
Verord=
nungen, Beſchlüſſe, Verfügungen oder Anweiſungen entſtandener
Ver=
pflichtungen. Insbeſondere müſſen die für alle vor dem 1. September
1924 ausgeführten Verkäufe von Nebenprodukten fälligen Steuern
be=
zahlt werden. Ihre Eintreibung wird auch fernerhin von der
inter=
alliierten Kontrollkommiſſion für Hütten= und Bergwerke bewerkſtelligt
werden.
Weitere Entlaſſungen aus franzöſiſchen
Militärgefängniſſen.
Koblenz, 22. Sept. Bei der deutſchen Abordnung in Koblenz
iſt die Mitteilung eingegangen, daß inzwiſchen der Schupoleutnant Hans
Koelner aus Allenſtein in Ausführung der Amneſtiebeſtimmungen aus
dem franzöſiſchen Militärgefängnis in Bonn endgültig entlaſſen wurde.
Ferner ſind infolge der Amneſtierungen aus ſämtlichen Gefängniſſen
des beſetzten Gebiets zahlreiche weitere Entlaſſungen erfolgt, ſo daß ſich
die Zahl von 145 freigelaſſenen Gefangenen, die nach dem Stande vom
12. September 1924 angegeben worden iſt, beträchtlich erhöht hat.
einer eingreifenden Aenderung des Staatsbankgeſetzes vor. Nach den
Angaben Ihres Referenten wurde dieſer für das thüringiſche
Wirtſchafts=
leben ſchwerwiegende Entwurf in drei Stunden formuliert. Sie haben
mich mit Abſicht in einer Kette von Umſtänden, die mit jener
diskreditie=
renden und beleidigenden Maßnahme einer Ueberfallsreviſion während
meiner Ihnen dienſtlich bekannten Abweſenheit ſchloß, in einer Art und
Weiſe behandelt, die Ihre deutliche Mißachtung beweiſen ſollte. Sie
beſtellten zwei Reviſoren, deren einer den Zuſammenhang dieſer Reviſion
mit den Dinterſchen Angriffen beſtätigte und deren anderer an dritter
Stelle bezeugte, daß es ſich darum handele, mich, den politiſch
Anders=
gerichteten, zu beſeitigen und an derſelben Stelle feſtſtellte, daß mir eine
Pflichtverletzung in keiner Weiſe nachgeſagt werden könne. Sie haben
die von mir bei dem Verwaltungsrat als dem einzig hierzu berechtigten
geſetzmäßigen Organ beantragte und von dieſem genehmigte obiektive
Feſtſtellung der Geſchäftsführung durch die Deutſche Treuhandgeſellſchaft
in Berlin aus Gründen, die mit dem Geſetz nicht im Einklang ſtehen,
verboten. Sie haben ſich nicht geſcheut, die Objektivität dieſer Geſellſchaft,
die durch nichts beinflußt war, in Zweifel zu ziehen. Die von ihnen
angeordnete und durchgeführte Reviſion enthüllt ſich ganz klar als eine
Reviſion gegen den Präſidenten. Sie glaubten fürchten zu müſſen, daß
die von dem Verwaltungsrat beſchloſſene Feſtſtellung eine völlig
einwand=
freie Geſchäftsführung erweiſen würde. Sie wollten die
Ueberfall=
reviſion als letzten Eindruck über meine Tätigkeit beſtehen laſſen. Sie
haben mir damit die Möglichkeit genommen, die Oeffentlichkeit über die
Unhaltbarkeit aller Verleumdungen aufzuklären und mir zugleich damit
einen wichtigen Grund gegeben, unter Darlegung der Umſtände und
Gründe, unter Berufung auf die 88 623 und 157 des B. G. B., die
Kün=
digung des zwiſchen dem Lande Thüringen und mir beſtehenden
Ver=
trages mit ſofortiger Wirkung unter Wahrung meiner Rechte mit dem
heutigen Tage auszuſprechen. Ich ſcheide mit dem vollen Bewußtſein
von dem Lande Thüringen und ſeinen Wirtſchaftskreiſen, das, was ich
ihnen bei Eröffnung der Staatsbank verſprochen habe, in meiner
ein=
dreivierteljährigen Tätigkeit voll und ganz gehalten zu haben.
A
Nächtliches Treiben in der Staatsbank. — Die
Polizei greift ein.
Zu der überraſchenden Wendung in der Angelegenheit der
Thüringi=
ſchen Staatsbank wird mitgeteilt, daß ſeitens des Finanzminiſteriums
am Freitag dem Staatskommiſſar Märcker mitgeteilt wurde, daß der
Reviſionsbeſchluß des Verwaltungsrates ungeſetzlich ſei und die Reviſion
deshalb vom Finanzminiſterium verboten worden ſei. Außerdem wurde
ihm eröffnet, daß am Montag in der Sitzung des Staatsminiſteriums
auch die Staatsbankfrage behandelt werde und daß das Miniſterium
zu dem Ergebnis der Reviſion Stellung nehmen würde. Inzwiſchen hat
auch die Leitung des thüringiſchen Landeskriminalamtes eingegriffen.
Letzterem wurde in der Nacht vom Sonntag zum Montag von der
Polizeibehörde mitgeteilt, daß in der Staatsbank ein auffälliges Leben
herrſche und daß auch beobatchet worden ſei, daß Pakete weggeſchafft
würden. Hierauf begab ſich Regierungsrat Nitſch, der Leiter des
Kriminalamtes nach dem Staatsbankgebäude. Hier fand er den
Präſiden=
ten Loeb ſowie den Staatskommiſſar Märcker und den zum
Verwaltungs=
rat gehörenden ſozialdemokratiſchen Abgeordneten Dr. Kieß vor. Auf
Befragen erklärten die Herren, daß ſie am Sonntag abend einer Sitzung
des Verwaltungsrates beigewohnt und deshalb noch in der Bank ſeien,
Die Fortſchaffung von zwei Koffern und zwei Körben wurde zugegeben.
Drei von dieſen ſollen Akten enthalten haben, zu deren Fortſchaffung
Loeb ſich angeblich berechtigt glaubte. Am nächſten Morgen erklärte
Loeb, daß er ſeine Tätigkeit um 7 Uhr früh für beendet anſehe. Die
be=
teiligten Herren haben ſich zur Verfügung der Behörden zu halten und
die Staatsanwaltſchaft wird vorausſichtlich ein Verfahrens wegen
Ver=
gehens gegen 8 133 des Strafgeſetzbuches einleiten. In der heute
ſtatt=
findenden Sitzung des Staatsminiſteriums ſollen die Vorgänge einer
eingehenden Erörterung unterzogen werden.
Ve
Familiennachrichten
S
O0
(Die Verlobung ihrer Tochter
2
2 Marianne mit dem Maler
Gerhard Pfaff geben hiermit
bekannt
Architekt B. O. A.
Eduard Gildemeiſter u. Frau
Agnes, geb. Habenicht
Bremen
Kohlhökerſfr. 38
Meine Verlobung mit Fräulein
a Marianne Gildemeiſter
be=
ehre ich mich hiermit ergebenſi
anzuzeigen
Gerhard Pfaff
Darmſiadt
Wilhelmſtr. 30
im September 1924
2 Die Geburt ihres
C Töchterchens zeigen hoch= an Ort und Stelle?
erfreut an
Erich Fiſcher
Elſi Fiſcher, geb. Bierheller
Darmſtadt, 22. Sept. 1924
(*27513
Rer 4
Zerſchneiden
alter Keſſel
Apparate werden ev.
z. Verfüg, geſt. Ang.
U42 Geſchſt. (*27457
(B12111
O
Entfettungs=
Tabletten
Coronova
mit Marienbader
Salz (JotssK
in allen Apothesen. bes
Merck ſche Apotheke.
Todes=Anzeige.
Am 18. September ſtarb in Apfeldorf in Oberbagern
nach kurzem ſchweren Leiden mein innigſtgeliebter, guter
Mann, mein treuſorgender Vater, mein lieber
Schwieger=
ſohn, unſer lieber Schwager
onn
Heit Ingemenr Pnheinn Bahmann
im 49. Lebensjahre.
Apfeldorf a. Lech, Nieder=Klingen,
Groß=Zimmern, Darmſtadt.
Im Namen der Hinterbliebenen:
Marie Haymann, geb. Wechsler
und Sohn Willy.
*27432)
kühle
werd. aus echt. Rohr
dauerhaft u. billigſt
geflocht. Korbmöbel,
Körbe ſowie Schirme
werden prompt und
billigſt repariert.
Pfleger
Fuhrmannſtraße 10,
Hths., I., Iks. Arbeit
w. abgeholt. Karte
(*27482
genügt.
Von der Reiſe
zurück (*27442is
Elſchättor
DI. Roheatter
Facharzt für Orthopädie,
Ortkopädiſches Inſtitut,
Kirchſtraße 19.
Sprechſtunden
11.12 außerMittwoch,
3.-5 außer Samstag.
Dr. Heuer
Facharzt für Orthopädie
von der Neiſe zurück.
Sprechſt, 3—4 Uhr
nachm. G27440idol
Siermarkt
2 ſchöne hornloſe
me
genl
Ziegetlämhter
und zirka 100 Zentn.
Ziegenmiſt
zu verk. od. geg. Stroh
zu tauſchen (*27440
Marienplatz 1
Zimmer Nr. 9
2
Läufer=
ſchweine
abzugeben (B12112
Orangerieſtraße 2.
Doppel=Ponh
Stute, prima
Zug=
u. Laufpferd mit
Ge=
ſchirr u. 1. Federrolle,
3 ml., zum Preiſev.
600 Mk. zu verkaufen.
Soderſtr. 60. (*27480
Junge trächtige
la Milchkuh
Januar kalbend, zu
verkaufen (57393
Nieder=Ramſtadt
Lirchſtraße 41.
Todes=Anzeige.
Hiermit die ſchmerzliche Nach= 6
richt, daß mein lieber Mann,
unſer guter Vater,
Schwieger=
vater, Großvater, Bruder,
Schwa=
ger und Onkel
Herr
Anton Ettling
Gaſtwirt
nach kurzem Krankſein im Alter
von 58 Jahren ſanft
entſchla=
fen iſt.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Frau Anna Ettling Wwe.
geb. Müller
Familie Wilhelm Wegerich
Franz Heiner
„ Friedrich Debus
Auguſt Ettling
Emil Ettling.
Darmſtadt, Alzey, 21. Sept. 1924.
Die Beerdigung findet Mittwoch,
den 24. Septbr., nachm. 3½ Uhr,
vom Portale des Waldfriedhofes
(*27458
aus ſtatt.
Todes=Anzeige.
Am Freitag, den 19. September, entſchlief ſanft nach
ſchwerem Leiden unſer lieber Vater, Großvater,
Schwiegervater, Bruder, Schwager und Onkel
helm iße
KorM
Heii Anheim ssifmän
Ober=Telegrapheninſpekior i. R.
Auf Wunſch des Entſchlafenen fand die Einäſcherung
in aller Stille ſtatt.
(*27395
Darmſtadt, Leipzig.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Friedrich Wißmann
Elſe Wißmann
Dora Wißmann, geb. Wild
und 1 Enkelkind.
Von Beileidsbeſuchen bitten wir abſehen zu wollen.
wie O- und K-Beine
gleicht elegant aus, auch bei Damen
D. G. R. M. 520, 922.
Proſpekt mit Dankſchreiben frei, (*27345
Näheres unter T 146 an die Geſchäftsſt.
Honig
Honig
garant. rein, 10 Pfd..
Büchſe franko ℳ 10.50.
halbe ℳ 6.—. Nachn,
50 Pfg. mehr. Fiſcher=
Lehrer, em., Imkerei,
Honigverſ.,
Oberneu-
nlad 81, Kr. Bremen
(I. Bln. 4760)
HünterrichtK
Re
nur beſte Marken,
kau=
fen Sie auf bequeme Laute=, Mandolin
Ratenzahlung zu
kon=
kurrenzlos billigen u. Zityer=Unterr.
Preiſ. i. Fahrradhaus ert. Gerbig,
Neckar=
ſtraße 24, Stb., 1. St.
B. Orio
Karlſtr. 14. (12117a/ Daſ. Inſtrumente und
Saiten billigſt, (8483a
Wer lehrt in kurzer
Zeit Holländiſch?
Angeb. unter U 53
27494
Beſchſt.
Frl. empfiehlt ſich im
Nähen
in u. auß. dem Hauſe.
Näh. Geſchſt, (*27461
Anzüge
werden unt. Garantie
für guten Sitz für
25 ℳK angefertigt.
Re=
paraturen.
Aende=
rnngen,
Umfaſſonie=
ren ſämtlich,
Herren=
garderoben zu billig.
Preiſen. Auf Wunſch
ſofort. Angebote u.
U 32 Geſchſt. (zzust
Geſchſt.
Ka
DerliefertKole
nialwaren uſw.
auch in Kommiſſion?
Ang.u. U 40 Geſchſt./*
Uh
Witwer, 71 J., jüng.,
ſaubere Erſcheinung,
ev., etwas
Landwirt=
ſchaft, Haus m. groß.
Obſtgarten, ſucht ſich
eine ſaubere,
ehren=
hafte Frau im Alter
von 45-50 Jahr., die
Haus= u.
Landwirt=
ſchaft verſteht, wenn
auch ohne Vermögen
und Möbel, ſofortige
erwünſcht.
Heirat Angeb. u.
U 33 Geſchſt. (12090
Heftpflasterband 4 Hiefipflasterband
Alleinſt Dame, mit
ſchöner Wohnung
ſympath. Erſcheinung,
w. freundſchftl. Brief=
Heimarbeiterin /wechſel mit vornehm
Wer ſtopft Filet, 1000 d. Herrn in ſich. Poſ.
Maſchen zu welchem bis 50 J. z. ſp. Heirat.
Preis? Ang. u. U 41/Angebote unt. U 49
(*27448 Geſchäftsſt. (*27473
Pflasterkern
Filzring
V
muß ein Hühneraugenpfaster aussehen
4 wenn es schnell und sicher wirken soll
Das Heftpflasterband verhütet Verrutschen des
Pflasters sowie Festkleben am Strumpf.
Der Filzring beseitigt den schmerzhaften Druch
und schaftt sofortige Linderung.
Der Pflasterkern zerstört unbedingt das Huhner
auge mit Wurzel.
Dies sind die Hanptvorzüge des seit 20 Jahrer
(11385‟
bewährten
Hühneraugen-kebewohl
Hühneraugenleidende sollten daher beim Ein
kauf unbedingt auf den Namen „Lebewohl” achte
und andere Mittel, welche nicht aus den oben ab
gebildeten Zehenbinden bestehen, bestimmt zi
rückweisen, denn es gibt nichts Besseres al
„Lebewohl”.
Gegen Hornhaut anf der Fußsohle verwende ma
Lebewohl-Ballen-
NMe
Scheiben
diese helten in den hartnäcki
16
sten Fallen. Durch die Dec
Hifte
scheibe ist ein Verrutschen ur
I1WDPRae das lästige Festkleben 2
Adddd gechsect. Strumpf ausgeschlossen.
Bei empündlichen Füße
Fnatürl. Gröde.
Schweibgeruch und Wundlauten verwende mi
Lebewoll-Eußbade-Pulver
ein ideales Mittel für die Fußpflege.
Erhältlich in Dragerien und Apotheken.
Nummer 265.
Dienstag, den 23. September 1924,
Seite 5.
it
Oie
ringi=
daß de
d die
ebiſion
um
Aus der Landeshauptſiadt.
Darmſtadt, 23. September,
* Straßenbenennungen.
Man ſchreibt uns: Wenn unſere Stadtverordneten daran
gehen, Straßen zu benennen, ſo pflegt das nicht ſo einfach
abzu=
gehen; meiſt ſind dazu, wie der Herr Oberbürgermeiſter jüngſt
ſagte, zwei Sitzungen nötig, und nach der Zahl der Anträge, die
jüngſt wieder eingebracht wurden, zu ſchließen, wird ja bald
wie=
der Gelegenheit genommen werden, ſogar wichtige Straßentaufen
vorzunehmen.
Da darf ſich denn wohl auch einmal eine Stimme aus der
unpolitiſchen Bürgerſchaft melden und ihr Sprüchlein dazu ſagen.
Wie ſtellt man ſich denn außerhalb der Herren Parteipolitiker auf
dem Rathauſe zu der Frage der Straßennamen? Die Frage iſt
gar keine politiſche, ſie wird dort oben nur zu einer ſolchen
ge=
macht! Die Frage iſt eine Verkehrs=, iſt eine
Zweckmäßigkeits=
frage. Der Verkehr ſoll ſich in den gewohnten ruhigen Bahnen
bewegen, was bedingt, daß man hier ſo wenig wie möglich ändern
ſoll, jedenfalls die Benennung nicht deshalb ändern, weil dem
Hinz oder Kunz der oder der Straßennamen nicht gefällt.
Von einem Stadtverordneten muß im allgemeinen erwartet
werden, daß er ſich ernſthaft mit kommunalpolitiſchen Dingen
befaßt, daß er die auf dieſem Gebiete erſcheinenden Zeitſchriften
perfolgt, ſeine Kenntniſſe daraus bereichert. Nur ſo wird er in
den Stand geſetzt ſein, das ihm von der Wählerſchaft anvertraute
Ehrenamt auch entſprechend auszuüben. (Ob allerdings die
Verhältniswahl das dazu taugliche Mittel iſt, das möchte
doch ſehr zu bezweifeln ſein!)
In der letzten Sitzung lag nun ein Antrag vor, den Platz
am alten Bahnhof „Platz der Republik” zu taufen.
Merkwür=
digerweiſe hat ſich auch die Bürgermeiſterei dafür eingeſetzt. Ich
frage: Exiſtiert denn ein ſolcher Platz? Ich ſchlage im
Adreß=
buch nach und finde, daß ein ſolcher gar nicht verzeichnet iſt, die
dort ſtehenden Häuſer gehören zur Landgraf=Philipp=Anlage,
die noch vor gar nicht ſo langer Zeit ſo genannt wurde, denn
früher war das die Kaſernenſtraße. Welche Häuſer ſollen zum
alten Bahnhofsplatz gehören und welche zur Landgraf=Philipp=
Anlage? Darüber müßte doch erſt einmal Klarheit geſchaffen
werden, ehe ſolche übereilten und ungründlichen Anträge zur
Abſtimmung gebracht werden. Denn auch dieſe Dinge ſind
wich=
tig genug, um gehörig vorbereitet zu werden.
Es iſt ein guter, alter kommunalpolitiſcher Grundſatz, daß in
den Straßennamen ein Stück Ortsgeſchichte geſchrieben werden
ſoll. Deshalb haben von allen Stadtverordneten allein die
Herren Herbert und Kleinert den richtigen Standpunkt
einge=
nommen, indem ſie den Namen „Hertling” und „Wilhelm
Schwab” das Wort redeten. Ortsgeſchichte muß hier
ge=
trieben werden und nur Ortsgeſchichte, beileibe aber keine
Partei=
politik!
Evangeliſche Woche.
Ernannt wurden: Am 15. September 1924 die Polizeiwachtmeiſter
auf Probe Wilhelm Heutzenröder aus Leidhecken, Otto
Schild=
wächter aus Homberg a. Ohm beide mit Wirkung vom 1. Oktober
1924, und Ernſt Eifert aus Nieder=Wöllſtadt mit Wirkung vom 1.
No=
vember 1924 zu Polizeiwach meiſtern. — Am 17. September 1924 wurde
der Oberlandmeſſer Heinrich Enders bei dem Waſſerbauamt Worms
vom 1. Juli d. J. ab zum Vermeſſungsrat beim Miniſterium der
Finan=
zen im Baudienſt ernannt.
— Ernannt wurden die Pfandmeiſter Axer ab 1. Auguſt 1924 und
Dann ab 1. September 1924 zu Gerichtsvollziehern.
Bom Landeslehrerverein. Der Entwurf einer
Dienſt=
anweiſung für Schulleiter und Rek oren beſchäftigt
gegenwärtig die Lehrer Heſſens ſehr lebhaft. Dadurch iſt die kollegiale
Schulleitung, wie ſie in Sachſen, Hamburg, Bremen und vielen
rheini=
ſchen Städten eingeführt iſt, in Gefahr, denn der Entwurf des
Landes=
amtes für das Bildungsweſen macht den Schulleiter zum
Aufſichts=
beamten. Eine große Anzahl von Schulleitern und Rektoren lehnt es
ab, ſich zum Aufſeher für die Lehrer machen zu laſſen, und die einzelnen
Bezirkslehrervereine Heſſens beginnen in Verſammlungen und
Entſchlie=
ßungen ganz entſchieden gegen den Entwurf Stellung zu nehmen. Es
ſird eine außerordentliche Vertreterverſammlung
des Landeslehrervereins geſordert. Der Hauptvorſtand
des Vereins wird nächſten Samstag in Darmſtadt über den Entwurf
veiter beraten und dazu Stellung nehmen. Auch die Neuordnung der
Beaufſichtigung des Religionsunterrichts durch die Geiſtlichen beſchäftigt
die Lehrerkreiſe lebhaft und iſt auf faſt allſeitigen Winderſtand geſtoßen.
— Heſſiſches Landestheater. In der Erſtaufführung von Forſter=
Larrinages Schickſals=Groteske „Der Floh im Panzerhaus”, die
heute Dienstag den 23. September, in der Inſzenierung des neu
ver=
oflichteten Spielleiters Kurt Barre aufgeführt wird, ſind beſchäftigt
die Demen Gothe, Lahn, Meißner, Vihrog, und die Heren Jürgas, Klix,
Maletzki und Schüler. Bühnenbild und Koſtüme ſind nach Entwürfen
von Lothar Schenck von Trapp neu angefertigt. Anfang 7½ Uhr.
— Landesbibliothek. Wegen baulicher Veränderungen muß die
Landesbibliothek von Donnerstag, 25. September, bis Dienstag, 30.
Sep=
eember einſchließlich, für das Publikum geſchloſſen bleiben. Im
Zuſammenhang mit den Umbauarbeiten für den künftigen großen
Leſe=
aal iſt vom 1. Oktober an die Ausleihe einſtweilen in dem
Vorraum des ehemaligen Muſeums untergebracht (Eingang neben dem
etzigen Leſeſaal). Damit iſt die äußerſt ſtörende räumliche Vereinigung
von Ausleihe= und Leſeſaal endlich beſeitigt. Die Ausleihe iſt von
die=
em Tage an, wie es auch bei den anderen deutſchen Bibliotheken der
Fall iſt, für die Ausgabe und Rückgabe von Büchern nur zu beſtimmten
Tagesſtunden geöffnet, und zwar vorläufig an den Wochenragen von
1—1 Uhr vormittags und außer Samstags, von 3—4 Uhr
tachmittags. Für die rechtzeitige Erledigung der
Bücherbeſtellun=
gen hat es ſich als notwendig erwieſen, die Beſtelltermine zu
indern. Fortan ſind Beſtelltermine 9 Uhr und 11 Uhr
vor=
nittags. Es können die bis 9 Uhr beſtellten Bücher von 11 Uhr an,
die bis 11 Uhr beſtellten von 3 Uhr nachmittags an abgeholt werden.
Die Oeffnungszeiten des Leſeſaals bleiben unverändert.
— Der Verein für das Deutſchtum im Auslande nimmt jetzt ſeine
Wintertätigkeit wieder auf. Seine Aufgaben ſind ſeit dem Weltkriege
gewachſen, insbeſondere gilt es in den abgetrennten Gebieten den
Ge=
danken an das Deutſchtum nicht untergehen zu laſſen und dafür zu
ſor=
gen, daß die deutſche Sprache als koſtöarſter Schatz des Deutſchtums in
dieſen Gebieten nicht verſchwindet. Dieſe bedeutſamen Ziele kann der
Verein aber nur erreichen, wenn ihm genügend Geldmittel zur
Ver=
ügung ſtehen. Um dieſe aufzubringen, iſt eine größere Veranſtaltung
ür den 15. November geplant. Sie wird in ähnlichem Rahmen wie die
rüheren Vereinsfeſte (Schulvereinsfeſte) abgehalten. In Ausſicht
ge=
iommen iſt ein Rokoko=Feſt, über deſſen Einzelheiten demnächſt Näheres
vekanntgegeben wird.
— Kriegerverein 1874. Nach Rücktritt des ſeitherigen Vorſtandes
and am 18. d. M. im Reſtaurant Fürſtenſaal, Grafenſtraße, eine
außer=
rdentliche Hauptverſammlung mit der Tagesordnung „
Vorſtands=
hl” ſtatt. Als 1. Vorſitzender wurde Kamerad Lotheißen, Dieburger
Straße 52, einſtimmig gewählt. Außer der Pflege echter und treuer
Kameradſchaft wird es ſich der neugewählt Vorſtand zur heiligſten Pflicht
nachen, unſeren Kriegsbeſchäftigten und Kriegshinterbliebenen hilfreich
fur Seite zu ſtehen. Wiederanmeldungen ſowie Neuanmeldungen ſind
in den 2. Vorſitzenden, Kameraden Hummel, Paradeplatz 3, zu richten.
Desgleichen ſind etwaige rückſtändige Forderungen bis ſpäteſtens 1.
Okto=
der d. J. dortſelbſt einzureichen. Nach dieſem Termin eingegangene
Forderungen werden nicht mehr berückſichtigt. Die Bibliothek bleibt
vorläufig geſchloſſen. Die baldmöglichſte Wiedereröffnung wird bekannt
gegeben.
— Orpheum. Der dreiaktige Schwank „Der Mann mit dem
Fim=
nel” gelangt nur noch heute und morgen zur Aufführung. (Näheres
iehe Anzeige.)
Am Freitag abend fand die Evang. Woche ihren Abſchluß mit einem
Vortrag des Herrn Prof. D. Dr. v. Schubert, des bekannten
Kirchen=
hiſtorikers der Heidelberger Univerſität, über das Thema: „ Deutſcher
Glaube.” Herr Prof. D. Matthes, der Leiter der Woche, ging, bevor
er dem Redner das Wort erteilte, kurz auf die geiſtige Lage der
Gegen=
wart ein, wie ſie vor allem auch in der Tagung der Geſellſchaft für freie
Philoſophie ihren Ausdruck gefunden hat. Alles drängt auf die beiden
großen Führer hin: Chriſtus oder Buddha, Buddha, der zur
Lebens=
verneinung führt, und Chriſtus, der zur Lebensgeſtaltung hilft. —
Prof. v. Schubert knüpfte an die bekannten Beſtrebungen an, die auf
Schaffung einer Deutſchen Religion hinzielen. Eine Auseinanderſetzung
mit ihnen wird nur dann fruchtbar ſein, wenn ſie feſtzuſtellen ſucht,
was überhaupt als Inhalt deutſchen Glaubens anzuſprechen iſt. Der
Vortragende verſtand es, dieſe Unterſuchung in einen großzügigen,
feſ=
ſelnden und durch viele neue Beleuchtungen anregenden Ueberblick über
die Entwicklung germaniſchen Glaubens, germaniſcher Religionsgeſchichte
zu kleiden. Drei große Entwicklungsſtufen wies er auf. Die erſte bringt
die Auseinanderſetzung der deutſch=heidniſchen Seele mit dem
eindrin=
genden Chriſtentum, die zweite iſt ausgefüllt durch die
Auseinander=
ſetzung der deutſch=chriſtlichen Seele mit dem römiſchen Katholizismus
die dritte durch die Auseinanderſetzung der deutſch=evangeliſchen Seele
mit den ihr und dem Chriſtentum weſensfremden Elementen der
Neu=
zeit. Es iſt hier unmöglich, auf die Fülle von Einzelheiten einzugehen
mit denen die Entwicklung belegt und veranſchaulicht wurde. Beſonders
wertvoll war für uns alle die erſchöpfende Darſtellung deſſen, was wir
von der vorchriſtlichen Religion unſerer germaniſchen Vorfahren wiſſen.
Der Vortrag mußte zu dem Ergebnis kommen: Das Beſte und
Wiſſens=
werteſte vom germaniſchen Glauben iſt uns verſchleiert. In den Quellen
iſt chriſtlicher Einfluß zumeiſt ſo ſtark mit Urgut gemiſcht, daß eine klare
Scheidung unmöglich iſt. Doch leuchtet durch alle Bruchſtücke hindurch
daß Treue ein Weſenszug germaniſcher Art war. Trotzdem war die
ger=
maniſche Religion dem Chriſtentum in religiöſer wie ſittlicher Hinſicht
weit unterlegen, ſodaß ſie ihm keinen ernſthaften Widerſtand
entgegen=
ſetzen konnte. Dagegen ſehen wir, wie nun germaniſche Art dem
Chri=
ſtentum eine beſondere Farbe verleiht, die immer gegen die fremde
welſche Art ſich auflehnt. Durch das ganze Mittelalter geht dieſer
Kampf hindurch, ſpielt ſich auf allen Gebieten: Kultus, Verfaſſung,
Kunſt, Wiſſenſchaft, ab und bringt die tiefſte Frucht dieſer Zeit, die
deutſche Myſtik, hervor. In Luther findet dieſe Entwicklung ihre
Er=
füllung; in ihm iſt das Chriſtentum zu der deutſchen Religion geworden.
Für die ganze Folgezeit hat er die Aufgabe geſtellt, immer ſchärfer die
Eigenart des Chriſtentums zu erfaſſen und ſie mit deutſchem Weſen zu
vermählen, eine Aufgabe, an der auch wir noch mitzuarbeiten haben.
Unſer Ziel muß ſein die deutſche evangeliſche Kirche.
— Oeffentlicher Vortrag im Bayernverein, Darmſtadt. „Der
Großſchiffahrtsweg Rhein=Main=Donau” und ſeine
volkswirtſchaftliche Bedeutung, am Donnerstag, den 25. d. M., abends
im Konkordiaſaale, von Kulturbauinſpektor Ritter, 1. Vorſ. des B.V.D.
Neben der landsmannſchaftlichen Pflege, hat ſich der Verein die ſchöne
Aufgabe geſtellt, im Verein auch volksbildlich, durch wiſſenſchaftliche
Vor=
träge, zu wirken. Da jedoch dieſes Thema von allgemein größtem
In=
tereſſe iſt, findet der Vortrag öffentlich ſtatt und jedermann hat
Gelegen=
heit, über die Entſtehung, den Bau und die volkswirtſchaftliche
Bedeu=
tung dieſes großen Werkes zu hören. Der im Bau begriffene Rhein=
Main=Donau=Großſchiffahrtsweg iſt für die Zukunft Deutſchlands von
der allergrößten Bedeutung. Iſt er doch berufen, die Wunden, die der
verlorene Krieg und der Verſailler Frieden dem Weltverkehr und
ins=
beſondere unſerer deutſchen Binnenſchiffahrt geſchlagen hat, zu heilen.
Er verſinnbildet gewiſſermaßen die Miſſion, die trotz des verlorenen
Krieges das Deutſche Reich, ſchon wegen ſeiner geographiſchen Lage,
beim Wiederaufbau Mitteleuropas zu erfüllen hat. Der neue
Großſchiff=
fahrtsweg verbindet das weſtliche mit dem öſtlichen Europa und bildet
ſo letzten Endes eine der wirtſchaftlichen Brücken auch zwiſchen Europa
und Aſien. Die von aller Welt ſo ſehnſüchtig herbeigewünſchte
Sanie=
rung des europäiſchen Wirtſchaftsorganismus wird mit dem Anſchluß
der im nahen und fernen Oſten brachliegenden Nationalwirtſchaften an
Deutſchland, als der wichtigſten Vorbedingung für den in Angriff zu
nehmenden Heilungsprozeß, herbeigeführt werden können. Beſonders
die von der Waſſerſtraße berührten Länder am Rlein, Main und Donau
werden großen Nutzen ziehen und wirtſchaftlich gewinnen. Es iſt daher
ſehr zu begrüßen, daß der Bayerny rein, dem die amtlichen Unterlagen
zur Verfügung geſtellt ſind, dieſen Vortrag der Allgemeinheit zugänglich
macht. Allen, insbeſondere Handel, Induſtrie, Landwirtſchaft und
Ge=
werbe, ſowie der Technik dürfte dieſer Vortrag von größtem Intereſſe
ſein.
— Muſik vom Schloßwall. Eine zahlreiche Zuhörerſchaft hatte ſich
am Sonntag im Schloßhof, auf dem Paradeplatz und den angrenzenden
Straßen und Plätzen eingefunden, um den machtvollen, weithin
hör=
baren Klängen der vereinigten Poſaunenchöre dankbar zu lauſchen.
An=
dächtig wurde den wirklich guten Leiſtungen der zum Teil noch recht
jugendlichen Bläſern aufmerkſam gelauſcht, und es wurden viele
Stim=
men laut, es möchte öfters etwas Derartiges geboten werden. In der
Tat eine vornehme Aufgabe, durch das geiſtliche Lied zu den Herzen der
Menſchen zu reden und die „musica sacra” volkstümlich zu machen.
Po=
ſaunen= und Trompetenklänge haben etwas Feierliches und Erhebendes
an ſich. Beſonders zu werten iſt die Freude der Mitglieder an ihrer
Muſik und das Bewußtſein, anderen damit eine Freude zu bereiten zur
Verherrlichung der Ehre Gottes.
— Frankfurter Herbſtmeſſe. Am Sonntag eröffnete das Meſſeamt
in Frankfurt in den Räumen des Kunſtgewerbemuſeums die vom
Werk=
bund veranſtaltete Sonderausſtellung „Die Form”. Die Ausſtellung
bleibt ſechs Wochen in Frankfurt und wird dann andere deutſche Städte
beſuchen. Ihre Uebernahme nach Darmſtadt erſcheint bei der
Nachbar=
ſchaft der beiden Städte unzweckmäßig. Die Direktion des heſſiſchen
Gewerbemuſeums wird aber einige Führungen für beſſiſche Beſucher
der Ausſtellung veranſtalten. Die erſte Führung findet am Montag,
den 29. d. M., nachmittags um 3 Uhr, ſtatt und iſt ausſchließlich für
Ge=
ſchäftsleute (Wiederverkäufer) beſtimmt. Die Tatſache, daß in dem
weit=
läufigen Getriebe unſerer Meſſen ruhige und gehaltvolle Arbeiten
unter=
gehen hat in den letzten Jahren dazu geführt, künſtleriſch bevorzugte
Erzeugniſſe an beſonderer Stelle zu vereinigen. Nach dem Vorgang
von Leipzig hat auch in Frankfurt das Kunſtgeſverbemuſeum ſeine
Räume für eine ſolche Sonderausſtellung ausgewählter Arbeiten im
Zuſammenhang mit der Meſſe zur Verfügung geſtellt. Dem
kaufmänni=
ſchen Beſucher bietet ſich damit die Möglichkeit, nicht nur den Markt
kennen zu lernen, ſondern auch über die künſtleriſchen Anforderungen
des beſſeren Publikums ſeinen Kalkül zu machen. Dieſe Aufgabe erfüllt
die Frankfurter Ausſtellung in erfreulichem Maße. In engem Rahmen
bietet ſich ein anſchauliches Bild, wie das Bedürfnis heute auf Einfachheit
und Ruhe gerichtet iſt und wie ein gutes Formempfinden auch die
ein=
fachſten Geräte für Küche und Wirtſchaft unter Vermeidung allen
Orna=
ments reich und wertvoll zu geſtalten weiß. Für jeden ernſthaften
Ge=
ſchäftsmann iſt es einleuchtend, was ſolche Gelegenheit für ihn bedeutet.
Je mehr ſich gerade hier in Darmſtadt herausſtellt, daß die Stadt einen
eigentlichen Kunſtſalon, ein Geſchäft, das nur das geſchmacklich
anſpruchs=
vollere Publikum berückſichtigt, nicht zu tragen vermag, deſt wichtiger
wird für alle unſere Haushaltungsgeſchäfte die Aufgabe, ſich auch für
die Bedürfniſſe dieſer beſſeren Käufer einzurichten. Ohne eigene Freude
an guter Arbeit iſt das aber nicht möglich. Der Direktor des
Gewerbe=
muſeums wird verſuchen, in einer Führung die weſentlichen Züge der
Ausſtellung verſtändlich zu machen und zu freier Ausſprache Gelegenheit
geben Preiſe und Bezugsquellen der ausgeſtellten Arbeiten ſind für
Wiederverkäufer in dem Bureau des Kunſtgewerbemuſeums (Neue
Main=
zer Straße 49) erhältlich. Anmeldungen zur Beteiligung an der
Füh=
rung werden ſchriftlich oder telephoniſch (Tel. Nr. 771) an das
Gewerbe=
muſeum in Darmſtadt erbeten. Der Eintrittspreis in die Ausſtellung
beträgt 1 Mark.
Haupt.
— Guſtav=Adolf=Verein. Der Zweigverein Darmſtadt wird in
die=
ſem Jahre ſowohl auf dem Lande wie in der Stadt ein Guſtav=Adolfs=
Feſt veranſtalten, um alle Kreiſe aufs neue für die ſo hochwichtige
Ar=
beit zu erwärmen. Am Nachmittag des 12. Oktober findet auf
Ein=
ladung des Kirchenvorſtandes ein Feſt in Erzhauſen ſtatt, bei dem
Pfarrer Vogel aus Darmſtadt, der Vorſitzende des Zweigvereins, die
Feſtpredigt halten wird. Den Jahresbericht wird Studienrat Dr.
Zimmermann erſtatten und zugleich im Namen des Hauptvereins zur
Gemeinde ſprechen. Das Schlußwort hat Pfarrer Zimmermann
über=
nommen. Die Nachbargemeinden werden zu dieſem Feſt herzlich
ein=
geladen.
— Zum Tode des Geh. Rats Pitz. Mit dem verſtorbenen Geh. Rat,
Oberſtudiendirektor Dr. Pitz hat auch die Gabelsbergerſche
Steno=
graphiebewegung einen herben Verluſt erlitten. Dr. Pitz ſtand ſeit
lan=
gen Jahren zuſammen mit ſeinen Freunden Prof. Pfaff und Reg.=Rat
Schaible in vorderſter Linie der Einheitsſtenographiebewegung. Als
Mitglied des Bundesausſchuſſes des Deutſchen Stenographenbundes
Gabelsberger” (Sitz Braunſchweig) hat er ſich große Verdienſte um die
Gabelsbergerſche Stenographie erworben. Im Heſſen=Naſſauiſchen
Ver=
band war er Ehrenvorſitzender. Auch der Pflege der Stenographie in
den Schulen hatte er ſeine beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet.
— Abänderung der Marktordnung für die Märkte im Darmſtädter
Schlachtviehhofe vom 2. Januar 1913. Das Füttern und Tränken der
zum Markt zu bringenden Tiere muß 12 Stunden vor Marktbeginn
beendet ſein. Nach Schluß der Fütterungszeit bis 6 Stunden vor
Be=
ginn des Marktes eintreffende Tiere dürfen nur mit der halben Ration
gefüttert und getränkt werden. Innerhalb 6 Stunden vor Marktbeginn
eintreffende Tiere ſind weder zu füttern noch zu tränken. Im
Zuwider=
handlungsfalle kann Auftrieb zum Markte verboten oder das geſonderte
Feilhalten der betreffenden Tiere durch die Verwaltung angeordnet
wer=
den. Bei Zuwiderhandlung iſt Geldſtrafe bis zu 150 Goldmark verwirkt,
im Unvermögensfalle Haft bis zu 8 Tagen.
Eine für den Vogelkenner und vielleicht auch für den
Witterungs=
kundigen intereſſante Beobachtung machte ein Leſer unſeres Blattes auf
einer Wanderung in Oberheſſen. In der Nähe von Grünberg (Heſſ.),
bei dem Dorfe Lauter, ſah er am 17. d. Mts. auf einem Apfelbaum
ein Diſtelfinkneſt mit vier halbflüggen, munter
zwitſchern=
den Jungen. Vermutlich hat das Diſtelfinkenpaar infolge der
an=
dauernd regneriſchen Witterung das zweite Brutgeſchäft bis zu dieſem
ungewöhnlich ſpäten Zeitpunkte verſchoben. Möge es nun mit ſeiner
„Vorausſage” einer fortdauernd guten Witterung recht behalten!
D.4. I. Vorſicht bei Stellenangeboten aus dem Ausland. In den
letzten Jahren iſt es wiederholt vorgekommen, daß im Ausland anſäſſige
Arbeiter bei der Beſchaffung und Einſtellung von Hilfkräften aus
Deutſchland Anſtellungsrechte bekannt gaben, die ſie ſpäterhin nicht
ge=
währten. Erſt kürzlich wurde in einem der oſteuropäiſchen Staaten ein
Deutſcher, entgegen der allerdings nur mündlich getroffenen
Ueberein=
kunft bei ſeiner Verpflichtung, friſtlos entlaſſen und dadurch in die
größte Notlage verſetzt. Auf Grund derartiger Vorfälle ſollte ſich jeder
ehe er auf ein Stellungsangebot aus dem Ausland eingeht, vorher bei
einer vertrauenswürdigen Stelle, z. B. dem Deutſchen Ausland=
IInſtitut in Stuttgart, über die Zuverläſſigkeit des in Frage
kommenten Arbeitgebers erkundigen. Abmachungen zwiſchen
Arbeit=
geber und Arbeitnehmer ſollten in allen Fällen; ſchon um
Mißverſtänd=
niſſen vorzubeugen, ſchriftlich in Form eines Anſtellungsvertrages
niedergelegt werden.
— Bezirksſchöffengericht. Es ſteht unter Anklage des ſchweren
Dieb=
ſtahls Hans Wefers aus Rheydt, Katharina
Engel=
hardt, geb. Reis, geboren zu Obernburg am Main, unter
ſol=
cher der Hehlerei, Artiſt Karl Reiß von Obernburg, wohnhaft
in Aſchaffenburg Anna Reis, ſeine Ehefrau, geboren in
Obernburg, Marie Zöller, Küchenmädchen, geboren zu
Aſchaf=
enburg, zur Zeit in Bad Homburg im „Hotel Minerva” und
Georg Gaßner von Lindenfels ſind der Hehlerei und
der Begünſtigung angeklagt. Dem Hans Wefers werden im Maf
1923 in Lindenfels in der Villa Luginsland bei Dr. Nik. Schmidt
ver=
übte Diebſtähle zur Laſt gelegt, es handelt ſich um einen Geſamtwert
von etwa 100 Goldmark. Die Angeſchuldigte Kath. Engelhardt ſoll
fort=
geſetzt gewerbs= und gewohnheitsmäßig Diebesgut an ſich gebracht haben,
ſo dem Dr. Nik. Schmidt entwendete 2 Perlenketten mit Brillanten,
2 Armbänder aus Gold, 1 goldene Damenuhr, 3 Brillantringe, 1
gol=
denen Bleiſtift, 1 Armeerevolver, ausländiſche Geldſorten uſw., des
weiteren hat ſie dem Adam Koch 4. zu König entwendete Gegenſtände
abzuſetzen geſucht, auch wird ihr zur Laſt gelegt, im Mai 1923 zu
Frank=
furt a. M. eine goldene Armbanduhr weggenommen zu haben. Karl
Reis ſoll zum Abſatz der in König geſtohlenen Sachen mitgewirkt haben.
Anna Reis iſt gleichfalls der Hehlerei angeklagt bezüglich der in König
von Wefers verübten Diebſtähle. Maria Zöller ſteht unter der Anklage
der fortgeſetzten Hehlerei bezüglich bei Dr. Schmidt in Lindenfels von
Wefers geſtohlenen Sachen (Mandolinenband, Stück Seide), ſie ſoll auch
Wefers zu den Diebſtählen Hilfe geleiſtet haben, indem ſie ein Fenſter
zum Untergeſchoß im Hauſe des Dr. Schmidt zur Vornahme des
Ein=
bruchsdiebſtahls offen ließ, Wefers auch die Oertlichkeiten des Magazins
bei Dr. Schmidt zum Diebſtahl von Wäſcheſtücken zeigte und bei
Vor=
nahme des Diebſtahls acht gab, daß er nicht überraſcht wurde, Georg
Gaßner endlich iſt der Hehlerei von bei Dr. Schmidt entwendetem
Bett=
zeug, anderer Wäſcheſtücke und einer Iſolierzange beſchuldigt. Die
Haupt=
diebſtähle, die Wefers ſeinerzeit zum Nachteile von Dr. Schmidt in
Lindenfels verübt hat, ſind bereits in Dortmund zur Aburteilung
ge=
langt. Es ſind die Angeklagten im Weſentlichen geſtändig, ſodaß ſich
eine große Beweisaufnahme erübrigt. Der Staatsanwalt beantragt,
indem er das heutige Geſtändnis des Wefers als mildernden Umſtand
betrachtet, eine Geſamtgefängnisſtrafe von 2 Jahren gegen ihn gegen
die Kath. Engelhardt wegen fortgeſetzter Hehlerei bezüglich des
Koch=
ſchen Diebſtahls eine Gefängnisſtrafe von 3 Monaten unter Anrechnung
von Unterſuchungshaft, im übrigen Freiſprechung, gegen Karl Reis
3 Monate, gegen Anna Reis 4 Wochen Gefängnis, gegen Gaßner
eben=
falls 4 Wochen Gefängnis. Verteidiger R.=A. Neuſchäffer bittet, gegen
Gaßner nur auf eine Geldſtrafe zu erkennen. Die Marie Zöller iſt
trotz Ladung nicht erſchienen, weshalb gegen ſie Erlaß eines Haftbefehls
beantragt wird. Das Urteil lautet: Wefers erhält eine
Geſamtgefängnisſtrafe von 2 Jahren unter Zubilligung
mildernder Umſtände, Kath. Engelhardt erhält wegen
Hehle=
rei 2 Monate 4 Wochen Gefängnis, die durch die
Un=
terſuchungshaft verbüßt ſind, im übrigen ergeht gegen
ſie Freiſprechung, Karl Reis erhält wegen Hehlerei 3 Wochen
Gefängnis, Anna Reis eine Geldſtrafe von 20
Gold=
mark Georg Gaßner eine ſolche von 80 Goldmark. Die
An=
geklagten erkennen das Urteil an.
Schreibmafchinendiebſtahl. In der Zeit vom 19. September,
nachmittags 3 Uhr, bis 20. September 1924, vormittags 8 Uhr, wurde
aus einem hieſigen Ladengeſchäft eine fabrikneue Schreibmaſchine
„Stoewer Rekord” Nr. 97 573 entwendet. Dieſelbe hat deutſche
Univer=
ſal=Taſtatur, 44 Taſthebel, 88 Schriftzeichen, kleine deutſche Druckſchrift
und violett=rotes Farbband. Für die Wiederbeſchaffung iſt eine hohe
Be=
lohnung ausgeſetzt. Perſonen, die zweckdienliche Angaben machen
kön=
nen, werden gebeten, dem Polizeiamt, Kriminalabteilung, Zimmer
Nr. 4, Mitteilung zu machen.
Kunſtnotizen.
Ueber Werke, Künffler und künſtleriſche Veranſtaltungen, deren im Na.-f./d. rwähnung
geſchieht. behält ſich die Redakiion ihr Urteil vor.
— Palaſt=Lichtſpiele. „Gertys Leiden”, die Geſchichte
und Leidensweg eines Pflegekindes. Was Mary Pickford auf dem
Ge=
biete der ausgelaſſenen grotesken Kinderrollen leiſtet, findet eine
voll=
wertige Parallele in den Kinderdarſtellungen der amerikaniſchen
Schau=
ſpielerin Shirley Maſon. Nur iſt es bei dieſer weniger der wilde,
aus=
gelaſſene Typ, den ſie zum Ausdruck bringt, ſondern vielmehr die zarten
Kinderfiguren, die von unverſchuldetem Unglück verfolgt werden, und
unter der Laſt zuſammenzubrechen drohen. In „Gertys Leiden” ſchildert
uns die Künſtlerin in meiſterhafter Vollendung den Schmerzensweg eines
kleinen Mädchens, das von fremden Menſchen aufgezogen wird und in
ihrer traurigen Kindheit Prügel und Hunger erleiden muß. Durch eine
wunderbare Schickſalsfügung findet das Mädchen zu ihrer wirklichen
Mutter zurück und findet ſchließlich, zur Jungfrau herangereift, ihr
Le=
bensglück an der Seite ihres Jugendfreundes, der all ihre Leiden mit ihr
geteilt hat. Shirley Maſon, der verwöhnte Liebling der Amerikaner,
wird ſich mit dieſem Film auch die Herzen des deutſchen Publikums
erobern.
Aus den Parteien.
— Frauen=Mitglieder=Verſammlung der
Deut=
ſchen Volkspartei am Mittwoch, den 24. September, abends 8 Uhr
pünktlich, im Hotel „Prinz Carl”, Ecke Schul= und Karlſtraße. Es wird
eine Beſprechung der Winterarbeiter, der Vorbereitung zur
Landtags=
wahl, beſonders aber der ſozialen Hilfsarbeit ſtattfinden. Das einleitende
Referat hat Frl. E. Pfnor übernommen. Da dieſer Winter
voraus=
ſichtlich ein ſehr ſchwerer ſein wird, iſt es notwendig, daß die Frauen die
Not der Zeit nach beſten Kräften zu lindern ſuchen. Wie das geſchehen
kann, ſoll die Ausſprache ergeben. Alle die Mitglieder, die zu tätiger
Mitarbeit bereit ſind, ſowie die, die der Hilfe bedürfen, und die, die aus
dem reichen Born ihrer Erfahrung Nat erteilen können, werden gebeten,
ſich an der Beſprechung zu beteiligen.
Seite 6.
Dienstag, den 23. September 1924.
Rummer 265.
* Schwurgericht.
Unter dem Vorſitze des Landgerichtsdirektors Reuß tagte geſtern
zum zweiten Male in der neuen Organiſatiensform das Shwurgericht.
Die ſechs Geſchworenen nahmen am Gerichtstiſch, wie bei der erſten
Ta=
gung im Auguſt d. J., Platz. Jetzt hat man die Geſchworenenbank der
früheren Zeit völlig beſeitigt und auf der Weſtſeite des Saales, dort,
wo früher die Geſchworenen ſaßen, den Sitz des Staatsanwalts
an=
gebracht.
Nach Beeidigung der Geſchworenen wird die Strafſache gegen Karl
Knauf von Rüſſelsheim, jetzt in Boppard, wegen
verſuch=
ten Totſchlags aufgerufen. Die Staatsbehörde vertritt Staatsanwalt
Orth, die Verteidigung führen die Rechtsanwälte Dr. Löb und Kern.
Die vorliegende Strafſache hat ihre Geſchichte. Sie gelangte zuerſt
als Anklage der Staatsanwaltſchaft wegen Körpervesletzung an das
Ge=
richt in Groß=Gerau. Dieſes hielt verſuchten Totſchlag für vorliegend
und verwies die Sache an das Bezirksſchöffengericht in Darmſtadt. Vor
dieſem ſtand Verhandlungstermin am 10. Juli an. Unter Vorſitz des
Landgerich=sdirektors Neuroth erklärte ſich das Gericht für unzuſtändig
und verwies die Sache ans Schwurgericht. Knauf ſoll am 12. Oktober
1923 gegen die Daniel Scheer Ehefrau, in der Abſicht, ſie zu töten, eine
Reihe von Schüſſen abgegeben und ſie hierdurch am Arm und ſonſt
ver=
letzt haben, Verbrechen gegen 88 212, 43 R.=St.=G.
Es haben bereits längere Zeit vor dem 12. Oktober 1923 zahlreiche
Mißhelligkeiten zwiſchen Knauf und den Daniel Scheer Ehleuten, mit
denen Familie Knauf zuſammen wohnte, beſtanden. Knauf hatte gegen
Scheer eine Anzeige wegen Forſtfrevels bei der Staatsanwaltſchaft
er=
ſtattet, die zu deſſen Vernehmung führte. Am 11. Oktober 1923 fand
nun eine Verſammlung von Separatiſten und Erwerbsloſen in
Rüſſels=
heim ſtatt, zu der man Knauf aus einer nahen Wirtſchaft herbeiholte.
Nach Schilderung des Angeklagten habe man unter Ausſtoßung von
Drohungen dort darüber ebgeſtimmt, ob man ihn hängen ſolle;
ſchließ=
lich ſei der Separatiſtenhäuptling Kreuter aufgeſtanden und habe zu
ihm geſagt: Du wirſt nun wiſſen, wie du mit deinem Hauswirt
um=
zugehen haſt.” Nach Hauſe zurückgekehrt, habe ihn die Familie Scheer
am folgenden Tage ſchwer bedrängt, Frau und Tochter Scheer hätten
zwei Scheiben und dann die Türe ſeiner Wohnung eingeſchlagen. In der
Bedrängnis, da die beiden Eindringenden mit einem Holzknüppel
be=
waffnet geweſen, habe er dann mit einer kleinkalibrigen Piſtole wahllos
geſchoſſen. Er ſei dabei in großer Erregung geweſen und habe, um die
Angreifer abzuwehren, geſchoſſen. Aus der Piſtole, in die ſieben Schüſſe
hineingingen, will er nur vier abgefeuert haben, während der Zeuge
Otto Hodira fünf Schüſſe gehört haben will.
Knauf war fünf Tage in Groß=Gerau in Unterſuchungshaft, nach
welcher Zeit er entlaſſen wurde.
Die ganze Sachlage kann nur richtig gewürdigt und beurteilt
wer=
den, wenn man ſich ins beſetzte Gebiet der damaligen Zeit verſetzt und
ſich vergegenwärtigt, welche Zuſtände des Terrorismus damals in den
Orten herrſchten. Jede heſſiſche Autorität der eingeſetzten Behörden
wurde von Leuten verachtet und untergraben, die ungeſtraft für ein
freies Rheinland Propaganda machen durften unter Vorſchubleiſtung
fremder Eindringlinge.
Der Gendarmeriewachtmeiſter Schneider vertritt die Anſchauung,
daß beide Teile an den Mißhelligkeiten Schuld trugen. Knauf habe
ſeinerſeits gegen die Familie Scheer Anzeige bei der Behörde erhoben,
die zum Teil nicht zu beweiſen, zum Teil aufgebauſcht waren.
Nach der Darſtellung, die Frau Scheer gibt, habe Knauf ohne
jeden Grund auf ſie geſchoſſen. Er habe fünf Schüſſe auf ſie abgegeben,
einer habe den Arm, zwei Streifſchüſſe Bruſtkorb und linke Hüfte, einer
das Oberbein und das rechte Geſäß getroffen. Die Verletzte iſt längere
Zeit in Hoſpitalbehandlung geweſen, hat auch eine Operation infolge der
Schußverletzungen im Hoſpital überſtehen müſſen.
Die Tochter Philippine Scheer, die wegen Gewerbsunzucht eben
Strafe verbüßt, erklärt, am Morgen des 12. Oktober von Knauf durch
das Wort „Schneppe” beleidigt worden zu ſein. Sie habe darauf
er=
widert: „Das Wort langt mir; heute brauchſt du nicht mehr
heraus=
zukommen.” Sie gibt zu, das Fenſter mit dem Prügel eingeſchlagen zu
haben. In der Verſammlung der Erwerbsloſen in der „Schillereiche
iſt die Zeugin auch geweſen. Sie habe nicht ſchießen hören. Als ſie aus
einem Lebensmittelgeſchäft nach Hauſe gekommen, habe die Mutter
ſchon nach Empfang der Schüſſe im Hausgang gelegen. Mit dem Vater
ſei ſie zuſammen ins Haus getreten.
Auf Vorhalt erklärt die Zeugin weiter, ſie ſei im Savoyhotel in
Frankfurt a. M. als Küchenmädchen kurze Zeit bedienſtet geweſen;
nach=
dem ſie aus dieſem Dienſtverhältnis ausgeſchieden, gibt ſie zu, der
Ge=
werbsunzucht nachgegangen zu ſein und deshalb Haftſtrafe, zu
ver=
büßen, in Wiesbaden habe ſie deshalb Bewährungsfriſt erhalten.
Ein von der Verteidigung vorgelegtes Zeitungsblatt aus dem
Ja=
nuar 1923 ergibt, daß der Vater Scheer damals warnte, ſeiner Tochter
Philippine Geld zu leihen, da er für nichts hafte.
Zeuge Daniel Peter Scheer hat ſeine Wirtſchaft und Anweſen an
Knauf, der von Bingen zuzog, verkauft. Scheer ſollte zunächſt noch
woh=
nen bleiben; ſpäter wurde er zur Näumung verurteilt, konnte aber dem
hauſeweg hat Zeuge Scheer drei Schüſſe fallen hören, nachdem er zu
Hauſe angekommen, noch zwei ſolcher. Auf die Frage des Verteidigers
Kern, ob Zeuge Scheer beim Sturm auf das Kreisamt Groß=Gerau be= Wirte mit dem Fußballklub 07 Bensheim; der Wagen der Kegler
teiligt geweſen, verweigert der Zeuge die Auskunft.
Vorfälle vom 11. und 12. Oktober, die ſich im Weſentlichen mit ihres
Ehemannes Darſtellung deckt. Sie hat die Schüſſe gehört, wie viele
ab=
gegeben wurden, weiß ſie nicht; ſie hat dem Ehemann nachher die Waffe
abgenommen. Nachträglich erklärt ſie, daß die Schüſſe ſehr raſch hinter= Siegfried und Krimhilde nebſt Rittern zu Pferd, die Büſten Kolpings
einander gefallen ſeien.
Der Beweisantrag, die Schußwaffe, die ſich im Beſitze der
franzöſi=
ſchen Behörde befindet, am Gerichtstiſche zur Vorlage zu bringen, wird,
weil techniſch nicht ausführbar, abgelehnt; nach Anſicht des Gerichts er= direktor Ledroit in einer Feſtrede auf die Bedeutung des
Stiftungs=
ſcheint der Antrag aber auch für die Beurteilung der Schuldfrage be= feſtes, des Handwerks und Gewerbes hinwies und die Geſangsabteilung
langlos. Auf die Vernehmung des ſachverſtändigen Zeugen Dr. Kolb,
der im Hoſpital in Mainz die Ehefrau Scheer behandelte und zurzeit im Deckert Geſänge in muſtergiltiger Weiſe vortrug.
Urlaub weilt, wird verzichtet.
liegen von Notwehr und Putativnotwehr; wenn man objektiv im Tat=
beſtand ſowohl vorſätzliche Körperverletzung als Totſchlagsverſuch als
vorliegend erachten könne, ſo laſſe doch in ſubjektiver Beziehung nach
ſeiner Auffaſſung die Beurteilung der Tat nach allem als eine ſolche
einer vorſätzlichen Körperverletzung erſcheinen. Mildernde Umſtände für
die Tathandlung des Angeklagten erachtet auch der Staatsanwalt
ge=
geben. Zum Strafmaß übergehend, glaubt er, daß angeſichts der
ſchwe=
ren Verletzungen der Frau Scheer 2 Jahre Gefängnis eine entſprechende
Sühne darſtellen; die Höhe ſolcher Strafe rechtfertige den weiter
geſtell=
ten Antrag auf ſofortige Inhaftnahme.
Die Verteidigung erläutert die Momente, die eine Notwehrhandlung
als durchaus glaubhaft erſcheinen laſſen müſſen. Sollte ſolche verneint
werden, ſo ſei bei dem geiſtigen Zuſtand, in den der Angeklagte zudem
nach der „Prozedur”, die man ihm in der Verſammlung „zur
Schiller=
eiche” am Vortage habe angedeihen laſſen, verſetzt geweſen ſei, nur auf
die Mindeſtſtrafe zu erkennen.
Der Angeklagte verweiſt im Schlußwort darauf, wie hoch er den
Wert des Lebens ſchätze: am 2. Mai 1924 habe er — Familienoberhaupt
und Vater von Kindern — unter Einſetzung des eigenen Lebens ein
Kind aus den Fluten des Rheins gerettet.
Urteil: Das Gericht verneint eine
Notwehrhand=
lung verneint auch einen Totſchlagsverſuch, nimmt
viel=
mehr Körperverletzung nach 88 223, 223a R.=St.=G. an und
er=
kennt auf 1 Jahr Gefängnis. Der Antrag auf Erlaß eines
Haft=
befehls wird abgelehnt, da der Angeklagte einen feſten Wohnſitz hat und
Fluchtverdacht nicht beſteht.
Aus Heſſen.
Die Feier des 60jährigen Stiftungsfeſies
des Kath. Geſellenvereins Bensheim.
Bei günſtiger Witterung fand am Sopntag, den 21. September d. J.,
die Feier des 60jährigen Stiftungsfeſtes des Katholiſchen Geſellenvereins
Bensheim ſtatt. Schon früh morgens fand ſich eine große Anzahl
aus=
wärtiger Vereine mit Fahnen und Muſik in Bensheim ein. Die Häuſer
trugen reichen Flaggenſchmuck in den heſſiſchen Landesfarben, und
Trimuphbogen aus Tannenreiſern ſchmückten die Straßen. Bensheim
ſtand in nie dageweſenem Glanze.
Jeder Zug, der am Bahnhof Bensheim einfuhr, brachte immer
wie=
der neue Vereine, ſo daß, nur annähernd geſchätzt, mehrere tauſend
Teilnehmer ſich am Stiftungsfeſte beteiligt haben dürften.
Einen impoſanten Eindruck machte der Feſtzug, der ſich nachmittags
durch die Straßen Bensheims bewegte. Er wird auf Grund ſeiner
Aus=
dehnung und ſeiner hiſtoriſchen Unterlagen bleibendee Erinnerung
er=
zielen. Es verdient feſtgehalten zu werden die Sorgfalt, die auf die
Zuſammenſtellung und die Ausrüſtung der einzelnen Gildewagen
ver=
wandt wurde. Sämtliche Gewerbe waren vertreten, und es muß erneut
feſtgeſtellt werden, daß Handwerk und Gewerbe in Deutſchland wohl
eine der größten Rollen ſpielen und auch nach dem unglücklichen
Kriegs=
ausgange mit als Rückgrat des deutſchen Staates zu gelten haben.
Um das ſehr intereſſante Bild dieſes Stiftungsfeſtes zu
vervollſtän=
digen, ſei die Reihenfolge des Feſtzuges wie folgt gezeichnet: Die Spitze
des Zuges bildeten Feſtreiter, Radfahrer, Feuerwehrkapelle, freiwillige
Feuerwehr Bensheim, Eulers Fabrikfeuerwehr. Es folgte der
Kolpings=
wagen, begleitet von einer Kindergruppe, dem Feſt= und Ehrenausſchuß
und dem Ehrenwagen. Hieran ſchloß ſich die Feſtmuſik der katholiſchen
Kirchenkapelle mit dem „Kolpingsdenkmal” und der Katholiſche
Geſellen=
verein Darmſtadt. Das eigentliche Gepräge des Feſtzuges gaben dann
der Wagen der Bauhandwerker, gefolgt von den Kath.
Geſellen=
vereinen Bingen und Cronberg; der Wagen der Schreiner mit den
Kath. Geſellenvereinen Frankfurt a. M. und Bockenheim; der Wagen
der Schloſſer begleitet von den Kath. Geſellenvereinen Hanau und
Flörsheim; der Wagen der Autoinduſtrie mit dem Kath.
Geſellen=
verein und dem Männerverein Worms; der Wagen der Spengler
und Schornſteinfeger mit den Kath. Geſellenvereinen Mainz und
Gießen; der Wagen des Gaswerks mit den Kath. Geſellenvereinen
Dieburg und Offenbach a. M.; der Wagen der Maler mit den Kath.
Geſellenvereinen Frankenthal, Ludwigshafen und Heidelberg; der
Wagen der Schneider mit dem Jünglingsverein Weinheim; der
Wagen der Schuhmacher mit dem Jünglingsverein Lampertheim;
der Wagen der Kammacher mit dem Jünglingsverein Darmſtadt;
der Wagen der Sattler und Tapezierer mit dem Kath.
Ge=
ſellenverein Weinheim und der Kindergruppe 2; ferner der Wagen der
Gärtner mit dem Kath. Geſellenverein Heppenheim; der Wagen der
Landwirte, gefolgt vom Geſangverein „Liederkranz”, Bensheim;
der Wagen der Schmiede mit dem Bensheimer
Kriegsteilnehmer=
verein und dem Kriegerverein; der Wagen der Bäcker mit der
Metzger=
innung Bensheim; der Wagen der Wagner mit der Bäckerinnung
Bensheim; der Wagen der Metzger mit dem Jünglingsverein Fürth
i. O.; der Wagen der Winzer mit dem Geſangverein „Harmonie‟
Bensheim; der Wagen der Holzküfer mit dem Jünglingsverein
Urteil nicht Folge leiſten, weil er keine Wohnung fand. Auf dem Nach= Lorſch; der Wagen der Kellerküfer mit dem Jünglingsverein
Zwingenberg; der Wagen des Turnvereins Bensheim; der Wagen
der Friſeure mit dem Jünglingsverein Gernsheim; der Wagen der
mit der „Deutſchen Jugendkraft” Bensheim und dem Jünglingsverein
Die Zeugin Ehefrau Knauf gibt eine eingehende Schilderung der Bensheim; der Wagen der „Cheruskia” mit dem Kath. Kaufm.
Verein Bensheim und zum Schluß das „Hanſaſchiff” mit der
Kin=
dergruppe 3, dem Kath. Geſellen= und dem Kath. Männerverein
Bens=
heim. Hervorzuheben wären noch die Nibelungenſage, verkörpert durch
und des Turnvaters Jahn, letztere auf beſonderen Wagen reich
ge=
ſchmückt.
Nachmittags 4 Uhr fand ein Feſtakt ſtatt, bei dem Herr
Oberſtudien=
des Kath. Geſellenvereins unter Leitung des Dirigenten Herrn Lehrer
Alles in allem kann dem Feſtkomitee, der Stadt Bensheim und den
In längeren Ausführungen verneint der Staatsanwalt das Vor= Mitwirkenden nur einmütiges Lob über die Veranſtaltung ausgeſprochen
werden. Die Organiſation, die Exaktheit der Vorführung und die Ord=
nung, die das Stiftungsfeſt des Kath. Geſellenvereins Bensheim
auf=
wies, zeugt von einer feſtgefügten, diſziplinierten Zuſammengehörigkeit
der Katholiſchen Geſellenvereine, die auch anderwärts zum Vorbilde
ge=
nommen werden ſollten.
E. B.
— Aus dem Modautal, 21. Sept. Um den Bewohnern des
Modau=
tales den Verkehr mit ihrer Bezirksſparkaſſe zu erleichtern, hat die
Be=
zirksſparkaſſe Groß=Bieberau in Ernſthofen und in Brandau
Zweig=
ſtellen eröffnet. Die Bevölkerung kann in dieſen Zweigſtellen alle
Spar=
kaſſengeſchäfte erledigen, ohne den Weg nach Groß=Bieberau machen zu
müſſen. Wer an der Sparprämienverloſung teilnehmen will, kann die
bis zum 1. Oktober fällige erſte Einzahlung von mindeſtens 50 Mark
bei den neu errichteten Zweigſtellen machen.
Viernheim, 22. Sept. Raubüberfall auf ein Laſtauto,
Kurz nach dem Ortseingang von Lorſch, auf der Straße Lorſch—
Hütten=
feld, wurde am Freitag abend das Laſtauto einer Mannheimer Firma
von einer 6—8köpfigen Bande überfallen. Da es ihnen nicht gelang,
den Wagen zum Stehen zu bringen, holten ſie ſich zwei Kiſten
Marga=
rine herunter und ſuchten damit das Weite.
8 Groß=Gerau, 21. Sept. Vereinszuſammenſchluß. Der
ſeitherige Kriegerverein und der Militärverein haben ſich unter der
Be=
zeichnung „Krieger= und Militärverein Groß=Gerau”,
zuſammen=
geſchloſſen. Erſter Vorſitzender iſt Oberſteuerſekretär Allers.
— Mörfelden, 22. Sept. Wohnungsbau. Gegenwärtig find
hier ſechs Wohnhäuſer im Bau begriffen, die von der Gemeinnützigen
Baugeſellſchaft errichtet werden.
*Walldorf, 22. Sept. Tödlicher Unfall. Der 9jährige Sohn
der Familie Kiſſel hatte in einem unbewachten Augenblick die elektriſche
Leitung zum Kochapparat angedreht und wollte dann die Verbindung
herſtellen. Kaum berührte er die Leitung, als er unter lautem
Auf=
ſchrei tot zuſammenbrach.
S Guſtavsburg, 22. Sept. Betriebseinſchränkung. Die
Augsburg=Nürnberger Maſchinenfabrik hat ungefähr 71 Arbeiter wegen
Abſatzmangels entlaſſen.
* Gießen, 21. Sept. Der Deutſche Pfarrertag, in dem
alle evangeliſchen Pfarrvereine Deutſchlands zuſammengeſchloſſen ſind,
hält im Laufe dieſer Woche hier ſeine Jahresverſammlung ab. In dem
Eröffnungsgottesdienſt wird der Prälat der Heſſiſchen Landeskirche Dr.
Diehl die Feſtpredigt halten. Bedeutende Größen auf dem Gebiete der
evangeliſchen Kirche werden Vorträge über wichtige Tagesfragen auf
dem Gebiete Wohlfahrtspflege, Pfarrhaus und Gemeinde, Seelſorge,
praktiſche Vorbildung der Geiſtlichen uſw. halten, darunter
General=
ſuperintendent Zöllner=Münſter, Steinweg=Berlin, Superintendent
Hoppe, Prof. Niebergall=Heidelberg, Prof. Zänker=Soeſt u. a. Der
Heſ=
ſiſche Pfarrverein wird gleichzeitig ſeine Hauptverſammlung abhalten.
* Schiffenberg (bei Gießen), 21. Sept. Zur heutigen
Banner=
weihe der Bruderſchaft Gießen vom Deutſch=Orden
hatte die Kommende Gießen ſämtliche nationalen Verbände eingeladen,
Sehr zahlreich waren die Brüder und Kameraden dem Rufe gefolgt,
ſo daß der Feſtplatz in der Kirche und im Hofe der Kirche die Gäſte nicht
alle faſſen konnte. Man darf wohl von 8000 Menſchen ſprechen, die aus
nah und fern herbeigeeilt waren, darunter ſogar Bruderſchaften aus
Hagen in Weſtfalen, Kaſſel, Marburg, ferner Einzelmitglieder und
Gruppen aus Darmſtadt, Büdingen, Wetzlar, der ſüdlichen Wetterau,
überhaupt aus allen Teilen Oberheſſens. Unter den hohen Gäſten befand
ſich auch der Großherzog von Heſſen. Von 12 bis 2 Uhr wurde
Feld=
küchenkoſt ausgegeben. Vor Beginn der Feier fand die Aufſtellung
ſämtlicher Verbände im Hofe ſtatt, den rechten Flügel bildeten die
Kriegsvetergnen von 1870/71 und die Kriegervereine der Umgegend,
daran ſchloß ſich der Bannertrupp des Deutſch=Ordens, anſchließend
folgten die Ordensverbände aus Heſſen: Wickingbund, Volksbund,
Stahl=
helm, Oberland, Jungdeutſcher Orden, Pfadfinder, ferner Marineverein,
Regimentsvereine, Landjugendbund, Bismarckbund uſw. Die Ehrengäſte,
darunter der Großherzog, ſchritten die Front ab. Unter den Klängen
der Muſik „Der Einzug der Gäſte auf der Wartburg” marſchierten die
Verbände in die Kirche. Nach der Quvertüre zu „Egmont” begrüßte
Komtur Hellborn=Gießen die Gäſte und Bruderſchaften. Ordensbruder
Frhr. v. Stein=Darmſtadt hielt die Erinnerungsrede an die Heldenzeit
von zehn Jahren, er forderte zur Einigkeit aller Deutſchen auf und ſchloß
mit dem Rütliſchwur. Komtur Hellborn trug das Gedicht von R.
Her=
zog „Vom Stürmen, Sterben und Auferſtehen” vor, zum Gedächtnis
der Gefallenen ſpielte die Muſik „Ich hatt” einen Kameraden‟. Die
Vannerweihe wurde eingeleitet durch das Niederländiſche Dankgebet.
Ordensbruder Pfarrer Berck=Roßdorf ſprach in der Weiherede vom
deutſchen Glauben, deutſchen Gedenken und deutſchen Geloben,
Pflicht=
teue und Vaterlandsliebe. Mit dem Hoch auf das deutſche Vaterland
und dem Abſingen des Deutſchlandliedes ſchloß der Weiheakt. Die
zahl=
reichen Banner und Fahnen hatten im Viereck um den Altar Aufſtellung
genommen. An der Nagelung des Banners beteiligte, ſich auch der
Großherzog. Der Großkomtur Appun=Darmſtadt überreichte das Banner
und ermahnte den Komtur von Oberheſſen, in Treue feſt zu dem
ſchwar=
zen Kreuz auf weißem Grunde zu ſtehen, eingedenk der Taten der
Vor=
fahren. Den Abſchluß bildete das Deutſchordenslied „Pflicht, Ehre,
Vaterland”. Im Hofe fand dann der Vorbeimarſch der Verbände vor
dem Großherzog ſtatt. Als dieſer abfuhr, wurden ihm von der
gewal=
tigen Menſchenmenge lebhafte Hoch= und Heileufe dargebracht. Mit
fünf Ruhrgefangenen, die dieſer Tage aus St. Martin de Né entlaſſem
worden waren, hatte ſich der hohe Herr einige Minuten unterhalten.
Allen Teilnehmern wird die Bannerweihe unvergeßlich bleiben, brachte
ſie doch jedem eine Stärkung im Bewußtſein an ein wiedererwachendes
ſtarkes Deutſchland.
* Königsberg (bei Gießen), 21. Sept. Goldene Hochzeit
konnte in voller Rüſtigkeit des Ehepaar Landwirt Adreas Zeller
feiern.
* Alsfelb, 20. Sept. Da die Zahl der Schüler der Gewerbeſchule und
der gewerblichen Fortbildungsſchule dauernd ſteigt, ſo hat die Stadt
be=
ſchloſſen, einen Erweiterungsbau der Gewerbeſchule
vor=
zunehmen, zu deſſen Koſten — insgeſamt 18 000 Mark — der
Gewerbe=
verein und die Stadt je die Hälfte beitragen. Der Neubau ſoll auch für
Abhaltung beſonderer Kurſe, z. B. Maſchinenbau= und Zuſchneidekurſe,
eingerichtet werden. Das Gelände, welches zur Erweiterung des
Schul=
hofes erforderlich iſt, will die Stadt koſtenlos ſtellen.
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M.
[ ← ][ ][ → ]Nummer 265.
Dienstag, den 23. September 1924.
Seite 7.
Deutſche Fottenmanover.
Von Kapitänleutnant I
Eine ftiſche, dem engen Binnenlande entfliehende Briſe
be=
gleitet an einem Septembertage unſere Flotte, welche ſeit einigen
Wochen die Gewäſſer der Oſtſee durchkreuzt, um in mannigfachen
Uebungen Zeugnis abzulegen, was ſie in der harten,
entſagungs=
vollen Arbeit, der letzten Jahre gelernt hat. Vom Glanz der
Nachmittagsſonne umflutet, zieht eine lange Reihe grauer Schiffe
durch die leicht gekräuſelte See gen Weſten, wo der Feind ſteht.
Wohlbekannte Namen tragen ſie alle. Sie verkörpern die
ſtolze Geſchichte unſerer Marine von der Zeit an, als noch der
breußiſche ſchwarze Aar, auf weißem Felde wehte, bis zum
Ruhmestage vom Skagerrak. Auf den Gefechtsſtationen herrſcht
reges Treiben. Den Beſatzungen ſieht man die Anſtrengungen
der letzten Wochen nicht an. Friſch geröteten Antlitzes tun ſie
unbekümmert ihren ſchweren Dienſt. Sie wiſſen, daß man Großes
nur mit großen Mitteln erreichen kann.
Kommandos erſchallen und übertönen die ſurrende Weiſe
von Hunderten von Maſchinen und Motoren. Klingend ſchließen
ſich, einſtweilen noch zur Uebung, die ſtählernen Verſchlüſſe der
Geſchütze. Unaufhörlich läßt der Munitionstransport in
ſauſen=
der Fahrt die Granaten in Türme und Batterien gelangen. Das
Schrillen der Glocken miſcht ſich mit dem Schnarren der
Tele=
graphen und Telephone. Läufer kommen und gehen und
über=
bringen im Geſchwindſchritt treppauf, treppab durch ein
Laby=
rinth zahlloſer Räume und Gänge wichtige Meldungen. Bunte
Signale fliegen zur luftigen Höhe der Maſten empor. Sie ſind
ein Teil des Nervenſyſtems der Flotte. Durch ſie kann der
Ober=
befehlshaber ſeine Schiffe gedankenſchnell formieren und
herum=
werfen, wie es die Lage erfordert.
Während ſo auf den Gefechtsſtationen Hochbetrieb herrſcht
und das taufendfältige Räderwerk einer gewaltigen Maſchinerie
feden Mann, ſeine Willenskraft ſtählend, in Atem hält, ſind in
der ſchwärzlichen Unterwelt der Heizräume Hunderte von Armen
nicht minder tätig, in kraftvollem Schwung der weißen Glut
un=
aufhörlich neue Nahrung zuuführen und damit die Energien zu
erzeugen, welche unſeren Schiffen ihre Höchſtgeſchwindigkeit
ver=
ſeihen.
Weißſchäumend zerpflügen die ſtählernen Schiffsleiber die
See. Fern im Süden taucht Land auf. Pommerſche
Buchen=
välder, deutſche Heimaterde grüßen die Flotte, die in den letzten
Jahren aus rauchenden Trümmern heraus in ſtiller Arbeit einen
gewaltigen Schritt getan hat empor zur alten Höhe, und die
da=
zu berufen iſt, das Vaterland in der weiten Feld zu vertreten
und, wenn es ruft, ſich in altem Offenſivgeiſt der bei Falkland
und vor dem Skagerrak gebliebenen Kameraden ebenbürtig zu
ſeigen.
Auf den Kommandobrücken und in den gepanzerten
Kom=
nandotürmen, dem Gehirn der Schiffe, erteilen die
Komman=
danten und Waffenoffiziere ihre Befehle. Mit den entlegenſten
ſtäumen ſtehen ſie in dauernder Verbindung. Fortgeſetzt läuten
Glocken und ſummen Befehlsübermittlungsapparate, durch welche
eſchütze und Maſchinen ihre Weiſungen erhalten. Dort oben
teht auch der das Steuerruder bedienende Rudergänger, der
inter blitzſchnellem Erfaſſen der erhaltenen Befehle mit kundiger
Hand das Schiff in der Poſition hält, die es in der Schlacht
ein=
unehmen hat, um ſeine geſamten Waffen voll in Tätigkeit zu
ringen.
Auf dem Flaggenſchiff herrſcht erhöhte Tätigkeit. Dort nutzt
ſer Oberbefehlshaber die während des Manövers bis zum
Sichten des Feindes noch übrig bleibende Zeit, ſeine Schiffe in
nannigfachen, für die Taktik der Schlacht wichtigen
Formations=
inderungen weiterhin zu ſchulen. Das Signalperſonal hat keinen
eichten Dienſt. In ſtets wechſelnder Folge gehen die Signale
ſoch und übermitteln den Schiffen die entſprechenden Befehle.
kurz darauf iſt in tadelloſer Richtung die neue Linie hergeſtellt.
für einen Laien ein bunt wechſelndes, ungemein ſpannendes
Schauſpiel.
Weit voraus ſtehen die leichten Streitkräfte. Sie ſollen den
Feind aufſtüöbern, um ihn dann nicht mehr los zu laſſen. Lange
wird es nicht mehr dauern, dann muß von ihm die erſte
Mel=
ung kommen, und drauf geht’s, ihn zur Schlacht zu ſtellen.
Unweit der Flotte ſtampfen zwei Flottillen Torpedoboote
jegen die leicht bewegte See an. Sie haben eine beſonders harte
Zeit hinter ſich. Doch hat ſie bei ihren Beſatzungen ebenſowenig
Spuren hinterlaſſen wie bei den Kameraden der größeren Schiffe.
Sie ſind die Kavallerie der Flotte, die Huſaren der See, und ſie
lle, vom Kommandanten bis zum jüngſten Heizer, wiſſen, daß
hnen in der Schlacht eine gewichtige, vielleicht ausſchlaggebende
ſtolle vorbehalten iſt.
Elektriſche Wellen kniſtern durch die Luft, nur dem geübten
hr des in den Funkenräumen emſig beſchäftigten Perſonals
vernehmbar. Der Feind iſt geſichtet! Unſere Kreuzer ſtehen
m Gefecht mit ſeinen Aufklärungsſtreitkräften, das feindliche
Bros kommt von Südweſten heran!
oachim Lietzmann.
In ſchäumender Fahrt gehts ihm entgegen. Der Wind friſcht
auf und pfeift heulend durch Stagen und Wanten. Brecher
über=
fluten die Back der Torpedoboote. Durch die raſende Fahrt
zer=
ſtäubter Giſcht ſprüht auf die Brücken und durchnäßt
Komman=
danten und Offiziere, welche in angeſtrengter Aufmerkſamkeit
den Horizent abſuchen. Jetzt kommen Rauchwolken in Sicht. Es
ſind die eigenen Kreuzer, welche ſich zur Schlacht mit unſerem
Gros vereinigen. Dann — nach einer halben Stunde — iſt der
Gegner deutlich ſichtbar. Mit Höchſtgeſchwindigkeit dreht unſere
Linie zum laufenden Gefecht auf, ein kurzes Signal, und
ver=
derbenbringend blitzt es aus allen Geſchützen zugleich unter
bräunlichem Rauch grell auf. Die Schlacht hat begonnen.
Gleichmäßig und ruhig kommen die Kommandos an die
Ge=
ſchütze. Die Geſchützführer halten ihr Ziel eiſern feſt. Auch das
Torpedoperſonal iſt auf ſeinem Poſten und harrt in geſpannter
Erwartung des Augenblicks, da der Torpedooffizier, günſtige
Schußgelegenheit ergreifend, ſeine ſilberglänzenden „Aale”, auf
die gegneriſche Meute losläßt. Heute allerdings wird dieſer
Schuß nur markiert. Wenn es aber gilt, vom feindlichen
Granat=
hagel umtoſt, ſeinen Mann zu ſtehen, werden ſie ſchon beweiſen,
was ſie in jahrelanger ſorgfältiger Ausbildung gelernt haben.
Im Gedanken daran fahren ſie liebkoſend über die ihnen
anver=
trauten Rieſenzigarren, deren jede eine Seele hat wie ein
leben=
des Weſen.
Salve auf Salve blitzt hinüber und herüber, heute nur
dar=
geſtellt durch das Donnern der Exerzierkartuſchen. Langſam ſinkt
der Sonnenball tiefer. Wie um das Bild zu einem
unvergeß=
lich eindrucksvollen zu geſtalten, übergießt er die Stätte mit
leuchtendem Purpur, und auch der Wind läßt nach. Es iſt, als
ob er ob des längſt entwöhnten Schauſpiels den Atem ausſetzt.
Signale flattern hoch. Die Entfernung zum Gegner
nimm=
ſchnell ab. Die zurzeit günſtige Lage muß ausgenutzt werden,
eine raſche Entſcheidung herbeizuführen. In Feuerlee der Linie,
das heißt auf der dem Feinde abgewandten Seite, halten die
Flottillen gleichen Schritt mit ihren in heißem Kampf
befind=
lichen großen Brüdern. Da — ein Signal: Flottillen zum
Angriff!
Eine kurze Wendung, ein haarſcharfer Durchbruch durch die
Lücken der eigenen Linie, dann brauſen die ſchwarzen Geſellen
mit äußerſter Kraft gegen den Gegner vor. Wie ein Pfeil
durch=
ſchneidet der ſcharfe Bug die See. Heranrollende Wellen
durch=
näſſen das Brückenperſonal und die an den ausgeſchwenkten
Torpedorohren bereit ſtehenden Rohrmeifter bis auf die Haut.
Doch unverwandt ſpähen ſie nach dem Feind. Die
Komman=
danten wiſſen, daß ſie unter Umſtänden den Ausgang der Schlacht
in der Hand haben. Was tut’s, daß im Ernſtfall das eine oder
andere Boot dem Untergang geweiht auf der Walſtatt bleibt!
Hier gibt es nur ein Ziel, einen Willen: dem Feinde Tod
und Verderben bringen! Der alte, ſchlachterprobte
Torpedoboot=
geiſt, er lebt noch, er zeigt ſich heute in höchſter Blüte, und er
wird nimmermehr untergehen.
Kurzes Abdrehen mit hart Ruder, Signalſterne, die heute,
beim Manöver, dem Führer zeigen, daß die Torpedos laufen,
dann jagen die Boote zur eigenen Flotte zurück. Dort verſtummt
das Geſchützfeuer. An den Maſten weht ein Signal:
„Dieſe Uebung iſt beendet.
Leichter Dunſt lagerte auf der ſpiegelglatten Fläche der
Pommerſchen Bucht, als die Mehrzahl der Schiffe nach
Beendi=
gung der dreiwöchigen Manöver langſam ſüdwärts ſteuerte. In
Kiellinie kamen an die fünfzig Fahrzeuge heran, um durch eine
Flottenparade, die erſte ſeit dem Wiedererſtehen unſerer Marine,
dem ſcheidenden Chef der Marineleitung, Admiral Behncke,
ihre Verehrung darzubringen.
An der Spitze ſtand das Flaggſchiff „Braunſchweig”, gefolgt
von den Linienſchiffen „Elſaß” und „Hannover” dann kamen die
Kreuzer „Hamburg” „Berlin”, „Amazone‟, „Meduſa” und „
The=
tis” und die 24 Zerſtörer und Torpedoboote zwveier Flottillen.
Den Schluß bildete die lange Reihe der Minenſuchboote und
Tender, geführt von dem aus Vorkriegszeiten nicht unbekannten
Kanonenboot, jetzt Vermeſſungsſchiff „Panther”
Hoch aufgerichtet, allen Beſatzungen weithin ſichtbar, ſtand
der Admiral auf dem Scheinwerferſtand eines Minenſuchbootes,
welches mit geringer Fahrt die lange Front der Schiffe entlang
fuhr. Mit ſtolzer Befriedigung konnte er das gewaltige Werk
überblicken, welches in den vier Jahren ſeiner Stellung an der
Spitze der Reichsmarine neu erſtanden iſt. Aus Schutt und Aſche,
aus einem Chaos völliger Auflöſung und troſtloſer Zerriſſenheit,
die uns kein Kriegsſchiff auf das Meer hinauszuſchicken erlaubte,
iſt die Flotte mit ſelbſtloſer Hingabe in entſagungsvoller, ſtiller
Arbeit wieder aufgeblüht zu einem achtunggebietenden Werkzeug
in der Hand ihrer Führer. Sie iſt noch ſtetig im Wachſen
be=
griffen, wenn ihr auch heute der Verſailler Vertrag Schranken
auferlegt. Und daß die Schiffe, die jetzt in tadelloſer Kiellinie
an ihm vorüberziehen, nicht nur zahlenmäßig neu in Dienſt
ge=
ſtellt ſind, daß ſie auch würdig ihrer Vorfahren dreinzuſchlagen
verſtehen mit friſchem Wagemut und jenem echten
Draufgänger=
tum, welches unſere Seemacht im Weltkriege ſo ſtolz kennzeichnete,
das haben ihm die letzten Tage genugſam bewieſen.
Nicht die Zahl und Art der Mittel iſt ausſchlaggebend für
den Erfolg. Der Geiſt iſt es, der die damit kämpfenden Männer
beſeelt, der Feuergeiſt, der einſt unſere Ahnen zu unerhört kühnen
Taten beflügelte und den das weite Meer mit ſeinen Stürmen
und Gefahren ſtets neu hervorbringt. Auf dem Boden müder
Reſignation in der Atmoſphäre neuzeitlichen
Vergnügungstau=
mels iſt er freilich nicht gewachſen.
Donnernde Hurras brauſen unſerem Führer aus tauſend
Kehlen entgegen. Sie ſind der Ausdruck einer tieſen
Dankbar=
keit der Beſatzungen, denen die Größe des Augenblicks zum
Be=
wußtſein kommt. Und ſie laſſen im Gedanken daran, daß der
Admiral nun von ihnen ſcheidet, eine leiſe Wehmut mit
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zittern.
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kaſten. 8,30 Uhr: Die Glocke von Romberg, Choraufführung. 9,30 Uhr:
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— 12.55 Nhr: Übermittlung des Zeitzeichens. — 1.5 Nhr: Zweite Bekanntgabe der
neueſten Tagesnachrichten, Wetterdienſt. — 2.15 Uhr: Kurzer Tendenzbericht der
Zerliner Börſe. — 3 Uhr: Funkbörſe (die amtlichen Notierungen der Berliner und
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g; Berliner Kolonialwaren=Großhandelspreiſe). — 4.30— 0.30
treide eif. Hambr
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8 der Op
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Unterhaltung
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Oper „Hänſel und Grete
umperdinck
ramors”, Rubinſtein. 2. Vorſpiel z.
„.
Tſchaikowsky. 4.a) Berceuſe, Sibellu
3. Walzer aus der Oper „Eugen On
b) Intermezzo, Brahms. 5. Grieg=Erinnerungen, Fantaſie, Urbach, 6. Lockende
Er=
inſikaliſche Täuſchungen, Potpourri, Schreiner. 8. Worried
nerungen, Leuſchner. 7
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bis 10 Nhr: Konzert. 1. Variationen, Corelli, Franz Veit, Konzertmeiſter des Verliner
Philharmoniſchen Orcheſter (Violine). 2. Arie der Micaela aus der Oper „Carmen”
b)
Bizet. Sonja Jergin, von der Großen Volksoper. 3a) Romanze, Campagnol
ondo, Boccherini. Walter Schulz, Solocelliſt des Berliner Philharmoniſchen
Or=
ſeſters. 4a) Serenata aus der Oper „Der Barbier von Sevilla”, Roſſini, b) Sieilian
aus der Oper „Cavalleria ruſticana”, Leoncavollo. Kammerſänger Eugen Transk
von der Berliner Staatsoper (mit Harfenbegleitung). 5a) Im Herbſt, Thomo
b)Barcarole, Pariſh=Alvars. Otto Müller, Mitglied des Berliner Philharmoniſche
Orcheſters (Harfe). 6a) Gilda=Arie aus der Oper „Rigoletto”. Verdi; b) Vogellied
Leoncavallo. Sonja Jergin, von der Großen Volksoper.
a. d. Oper „Bajazzo
7a) Lied aus „Die Perlfiſcher”, Bizet; b) Arie aus „König für einen Tag”, Abam;
Traumſzene aus „König für einen Tag‟. Kammerſänger Eugen Transky, von der
erliner Staatsoper. 8. Trio für Violine, Cello und Harfe. Oehlſchlägel Franz Veit
Violine), Walter Schulz (Cello), Otto Müller (Harfe). Am Steinwayſlügel:
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meiſter Otto Urack. Anſchließend: Dritte Bekanntgabe der neueſten Tagesnachrichten,
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eiden Geſchäftsführer gemeinſchaftlich.
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(12080
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Der Herr Reichsminiſter der Finanzen
hat mit meinem Einverſtändnis das auf
Goldmark und Dollar lautende wertbeſtän
dige Notgeld der Deutſchen Reichsbahn
mit=
den Ausgabedaten 23. Oktober 1923 und
vom 7. November 1923 mit Wirkung vom
15. September 1924 und einer
Einlöſungs=
friſt bis einſchließlich 15. Oktober 1924
aufgerufen.
Der Umtauſch gegen andere Zahlmittel
erfolgt innerhalb dieſer Zeit bei allen
Eiſenbahnkaſſen.
Hach dem 15. Oktober 1924 eingehende
Einlöſungsanträge müſſen grundſätzlich
ab=
gelehnt werden.
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Berlin, den 9. September 1924.
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Seite 8.
Dienstag, den 23. September 1924.
Rummer 265.
*Der Alemaniſch=pfälziſch=fränkiſche Sonntag.
Karlsruhe. Seitens des Verkehrsvereins wurde geſtern im
Rahmen der Karlsruher Herbſtwoche der Alemanniſch=pfälziſch=fränkiſche
Sonntag veranſtaltet. Bereits im Laufe des Samstag waren
Zehn=
tauſende von Gäſten aus allen badiſchen Landesteilen angekommen.
Die badiſche Landshauptſtadt prangte im Fahnenſchmuck wie ſelten
fonſt. Die ankommenden Gäſte wurden am Bahnhof von der
Bevölke=
rung auf das herzlichſte bewillkommt. Die Veranſtaltung wurde am
Samstag abend mit einem Heimat= und Begrüßungsabend an der
Feſt=
halle eröffnet. Die zahlreichen Teilnehmer, meiſt in der Tracht ihrer
engeren Heimat, boten ein buntbewegtes Bild. Nach der „Freiſchütz”=
Ouvertüre, vom Orcheſter des badiſchen Landestheaters geſpielt, nahm
der badiſche Staatspräſident Dr. Köhler das Wort zu einer Be
grüßungsanſprache, in der er u. a. ausführte: Seit knapp hundert Jahren
weht über uns Badnern das gleiche Banner. Und doch ſind wir einig
in der Verſchiedenheit unſerer Stämme und ſtolz darauf, uns Badner
nennen zu dürfen. Die gemeinſame Verbundenheit, gemeinſames Leid
und gemeinſame Freud, gemeinſame wiſſenſchaftliche und ideelle Ziele
haben bei uns ein gemeinſames vaterländiſches Denken geſchaffen. Es
iſt das große, das ſtolze Bekenntnis, das dieſes Feſt hinausruft: Wir
lehnen ab den zerſtückelnnden Geiſt grenzenloſer Ichſucht; wir bekennen
uns zu dem einigenden Gedanken des gemeinſamen Verbundenſeins der
Zuſammengehörigkeit von Volk und Heimat. Welch gewaltiges Erleben!
Die Vertreter der badiſchen Stämme hier vereinigt zu ſehen in dem
einzigen Gedanken) der alle anderen überragt, die Heimat zu feiern und
ihr zu dienen. Ganz beſonders bewillkommne ich die deutſchen Männer
und Frauen aus dem Lande der Saar, die uns mit den anderen
Volks=
genoſſen in den beſetzten deutſchen Gebieten durch die Tat zeigen, daß
Deutſchlands gequalteſten Söhne und Töchter auch ſeine getreueſten
ſind. Feſt und markig treten wir vom Lande Baden, Hand in Hand mit
euch Pfälzern und Saarländern zuſammen, mit dem lauten Bekenntnis:
Immer und ſtets zum Reiche! Denn das wiſſen wir: Ohne Reich ſind
wir weſenslos, ſeelenlos und heimatlos. Und ſo ſtelle ich dieſe Feier
der Heimat unter den Mantel des Reiches und grüße Sie alle mit den
Worten: Deutſchland, an dich glaube ich, Deutſchland auf dich hoffe ich,
Deutſchland, dich liebe ich! — Hierauf begrüßte der Bürgermeiſter der
Stadt Karlsruhe die Gäſte in herzlichen Worten. Mitglieder des
Badi=
ſchen Landestheaters brachten ſodann ein Heimatſpiel „Badiſche
Lands=
leut” aus der Feder von Prof. Oeftering zur Aufführung. In dem
Stück vereinigten ſich alle badiſchen Stämme mit denen aus der Pfalz
und dem Saargebiet zu einem Treugelöbnis an die Heimat. Hierauf
ſtimmten 4000 Männer und Frauen das Deutſchlandlied an. Der
weitere Verlauf war mit den Anſprachen der Vertreter der Pfalz, des
Alemannen=, Franken= und Saarlandes ausgefüllt. Von allen wurde die
Treue zur Heimat und zum Reiche betont. Die Feier machte durch ihr
überparteiliches, nationales Gepräge und ihren würdigen Verlauf einen
erhebenden Eindruck. Der zweite Teil des Abends trug unterhaltenden
Charakter.
Am geſtrigen Sonntag durchzog ein prächtiger Feſtzug, der über
150 verſchiedene Gruppen aufwies, die Straßen der Stadt. Alle Trachten
waren in ihm vertreten, ferner die einzelnen Gewerbeſtände. Zahlreiche
Muſik= und Trachtenkapellen waren eingeſchaltet. Unter dem herzlichen
Jubel der Bevölkerung begab ſich der Zug nach dem Stadtgarten, wo
Volksbeluſtigungen aller Art veranſtaltet wurden.
Einem weiteren Kreis, beſonders auch der Lehrerſchaft, trug
Herr H. K. E. Krueger zu Bensheim, der Führer der Expedition,
am 17. September ſeine Pläne vor. Herr Oberbergrat Prof. Dr.
Steuer von der Techniſchen Hochſchule zu Darmſtadt, der als
Vorſitzender des Ausſchuſſes die Verſammlung leitete, ſprach in
der Einführung von dem großen Werte des Unternehmens für
die Wiſſenſchaft im allgemeinen und von der hervorragenden
Bedeutung einer ſolchen Tat für die deutſche Wiſſenſchaft und
den deutſchen Namen.
Herr Krueger legte dann ausführlich ſein Programm dar.
Als Arbeitsfeld hat er das unerforſchte Gebiet nördlich der
Behringſtraße ausgeſucht, den größten noch vorhandenen weißen
Flecken der Erdkarte, ſo groß wie das europäiſche Rußland.
Zahlreiche Gebiete der Wiſſenſchaft erwarten Aufſchlüſſe gerade
aus dieſer Gegend, ſo die Geographie, Anthropogeographie,
Geo=
logie, Ozeanographie, Meteorologie, um nur die wichtigſten zu
nennen. Eine Fülle von Fragen werden der Expedition geſtellt,
ein reicher Ertrag iſt daher auch zu erwarten. Die Darlegung
der Ziele überzeugte die Zuhörer unbedingt von der hohen
Wichtigkeit der Sache. Erſt recht feſſelten die Wege, auf denen die
Expedition ihre Ziele erreichen will. Ein geſchichtlicher Rückblick
zeigte die frühere Art und Weiſe der Polarforſchung, deckte aber
auch ihre methodiſchen Fehler auf. Erſt mit Nanſen beginnt eine
Entwicklung in der Methode der Forſchung, die ſich auf dem
Lande ſelbſt aufbaut: Der Polarforſcher wird zum Eskimo, paßt
ſich Land und Leuten an, lebt „von dem Lande‟. Der
Ameri=
kaner Stefanſſon hat dieſe Methode ausgebaut und erprobt, mit
ſolchem Erfolg, daß er ſein Buch über ſeine letzte große Expedition
betiteln kann: The kriendly Aretie, die freundliche Polarwelt.
Auf dieſer Methode des „Lebens vom Lande” baut ſich auch
die Deutſche Arktiſche Expedition auf. Drei Teilnehmer zählt ſie
die Eskimos, die nach örtlichen Verhältniſſen noch dazu kommer
können, nicht gerechnet. Herr K. übernimmt Führung, Geographie
und Vermeſſung. Ein hervorragender Jäger, iſt bereits
ver=
pflichtet, ein Biologe noch auszuſuchen. Fünf Jahre werden
zunächſt für die Dauer angeſetzt, doch erlaubt die Eigenart der
Ausführung eine Verlängerung, ſollte ſich dies als notwendig
oder vorteilhaft erweiſen.
Man merkte deutlich, daß die Zuhörer ſichtlich gepackt waren
von den Ausführungen. Und der Beifall ließ die allſeitige
Zu=
ſtimmung erkennen, brachte aber auch wirkſam die Achtung zum
Ausdruck vor den Männern, die aus reiner Begeiſterung ihr
Leben einſetzen für den Dienſt an der Wiſſenſchaft. Dies brachten
Die deutſchen Auslandshandelskammern auf der Frankfurter Herbſtmeſſe.
Der Deutſche Induſtrie= und Handelstag hat die deutſchen „
Aus=
landshandelskammern auf den 21. bis 23. September zu einer Tagung
nach Berlin eingeladen. Es iſt die erſte deutſche Veranſtaltung dieſer
Art. Den Beſchluß der Tagung wird ein gemeinſamer Beſuch der
Frankfurter Herbſtmeſſe, welche vom 21. bis 27. September ſtattfindet,
bilden, um den Vertretern der Auslandshandelskammern Gelegenheit
zu geben, ſich ein Bild von der wachſenden Bedeutung zu machen, welche
die Frankfurter Meſſen für den internationalen Güteraustauſch beſitzen
Gleichzeitig wird dieſer Beſuch dazu beitragen, die bisher durch die
deut=
ſchen Auslandshandelskammern mit dem Ausland gepflegten Beziehungen
zu befeſtigen und zu erweitern. Während ihres Aufenthaltes in
Frank=
furt ſind die Vertreter der deutſchen Auslandshandelskammern Gäſte
des Mitteldeutſchen Induſtriellen=Verbandes. Auskunft Meßamt
Frank=
furt a. M., Haus Offenbach.
Zum Jubiläum im Verlag Waldkirch.
Ludwigshafen. Das Unternehmen Waldkirch u. Cie., deſſen
Zeitungen kürzlich, wie gemeldet, ihr 50= bzw. 25jähriges Jubiläum
feiern konnten, geht auf eine Buchdruckerei zurück, die im Jahre 1870
von Julius Waldkirch in der Wredeſtraße gegründet wurde. Julius
Waldkirch gab den Ludwighafener Generalanzeiger heraus, der zunächſt
als Inſertionsorgan im beſchränkten Umfang erſchien, aber mit dem
Aufſtieg der Stadt Ludwigshafen nach und nach ſeinen Umfang
erwei=
tern konnte. Die vorhandenen Betriebsräume genügten bald nicht mehr.
ſodaß der Betrieb 1877 nach Kaiſer Wilhelmſtraße 19 verlegt we den
mußte. 1896 verwandelte Julius Waldkirch ſein Geſchäft in eine
Gefell=
ſchaft mit beſchränkter Haftung und übertrug, da vorger icktes Alter eine
Entlaſtung notwendig machte, die Leitung der Geſchäfte ſeinem Sohn
Wilhelm Waldkirch. Im Jahre 1899 gab Wilhelm Waldkirch in ſeinem
Verlag noch eine zweite Zeitung, die „Pfälziſche Rundſchau”, heraus
Am 1. September 1899 erſchien zum erſten Male die „Pfälziſche
Rund=
ſchau” als Abendblatt. Auch die Geſchäftsräume in der Kaiſer=
Wilhelm=
ſtraße erwieſen ſich mit der Zeit als zu klein, und ſo faßte W. Waldkirch
den Entſchluß, ein neues Gebäude zu errichten, deſſen Einrichtung allen
Erforderniſſen moderner Zeitungstechnik entſprechen konnt:. So wurde
1911 mit dem Bau in der Amtsſtraße begonnen, der nach kurzer Zeit
vollendet werden konnte. Die Preſſe aller Richtungen hat dem Verlag
ihre Glückwünſche ausgeſprochen.
Die Exploſionskataſtrophe von Oppau.
Ludwigshafen. Zum dritten Male jährt ſich der Tag, an dem
durch die furchtbare Exploſionskataſtrophe, in dem Oppauer Werk der
Badiſchen Anilin= und Sodafabrik Ludwigshafen am Rhein binnen
weniger Sekunden ein ſtolzes Induſtriewerk in ſich zuſammenſank,
blü=
hende Ortſchaften zum größten Teil in einen Trümmerhaufen
verwan=
delt wurden und durch den Tod vieler arbeitsfreudiger Menſchen ſchwerſte
Trauer und Leid in viele Häuſer der näheren und weiteren Umgebung
getragen wurde. Wie der „Generalanzeiger” meldet, hat das
damal=
organiſierte Hilfswerk Oppau ſeine Hilfstätigkeit nunmehr beendet und
wird demnächſt auch zu einem formellen Abſchluß gelangen, bei welchem
der Oeffentlichkeit dargelegt werden wird, in welcher Weiſe die von der
Allgemeinheit eingegangenen Mittel verwendet wurden und was das
Hilfswerk im ganzen geleiſtet hat. Der Wiederaufbau des hauptſächlich
zerſtörten Ortes Oppau und der bis auf 50 Km. im Umkreis und mehr
in Mitleidenſchaft gezogenen Ortſchaften iſt beendet. Im ganzen wurden
in Oppau und Edigheim von Grund aus neu errichtet: 457 Wohnhäuſer,
583 Stallungen, Nebengebäude und Scheunen, die Anzahl der
Stockauf=
bauten und größeren Wiederherſtellungsarbeiten beträgt 3730. Neben
vollſtändigen Neubauten, wurden auch eine Reihe von teilweiſen
Neu=
bauten, insbeſondere Stochwerkaufbauten, Hausumbauten oder
gründ=
liche Hausreparaturen vorgenommen, ſodaß allein in den Gemeinden
Oppau und Edigheim rund 500 000 ebm umbauter Raum neu erſtellt
wurde. In der Stadt Ludwigshafen einſchließlich ſeiner Vororte
wur=
den 4376 Bauſchadenfälle behandelt und erledigt, in Frankenthal 1928
und in 58 weiteren pfälziſchen Gemeinden rund 3000 Fälle, außerdem in
den angrenzenden Teilen in Baden und Heſſen etwa 5000 Fälle.
In den Rhein geſtürzt und ertrunken.
Ludwigshafen. Am Samstag vormittag 9 Uhr ſtürzte der
ledige, 24 Jahre alte Fabrikarbeiter Friedrich Stein von hier beim
Ver=
laden auf einem Schiffe in den Rhein in der Nähe der Anilinfabrik und
ertrank. Die Leiche iſt noch nicht geländet.
Ein Knabenheim.
Das von Ihrer verſtorbenen Königlichen Hoheit, der Großherzogin
Luiſe von Baden begründete Viktoria=Penſionat in Baden=Baden, ſchloß
ſeine Tore. Ein Lebenswerk der Großherzogin Luiſe hat hiermit ſeinen
Abſchluß gefunden=, das weit über Deutſchlands Grenzen höchſte
An=
erkennung gefunden hat. Faſt ein halbes Jahrhundert beſteht dieſe
Er=
ziehungsſtätte, die von Jahr zu Jahr an Bedeutung und Anſehen
zu=
nahm. Das in erhöhter Lage von Baden=Baden mit weitläufigen
Teraſ=
ſen gelegene Anſtaltsgebäude wurde im Mai d. J. durch das ſeit
Jahr=
zehnten bekannte Inſtitut Dr. Büchler=Raſtatt, käuflich erworben, um
nach gründlicher Renovation in ein Knabenheim umgewandelt zu werden.
Das Viktoria=Penſionat Baden=Baden, das ſeinen alten ehrwürdigen
Namen beibehält, wird als Knabenheim in dem gleichen Rahmen
weiter=
geführt werden, wie es vordem als Großherzögliches Töchterheim der
Fall war.
Das Inſtitut Dr. Büchler in Raſtatt, das ebenfalls vollſtändig neu
eingerichtet und renoviert wurde, bleibt als ſolches beſtehen und wird
weiter geführt. Beſonders erholungsbedürftige Knaben werden dem
Baden=Badener Heim übergeben. Die Leitung beider Inſtitute wird ihre
Aufgabe darin erblicken, die ihr übergebene Jugend zum Menſchen
heran=
zubilden, wie wir ſie heute ſo dringend brauchen — zu Perſönlichkeiten —.
Die Unterbringung und Verpflegung der Schüler iſt eine erſtklaſſige.
Beide Anſtalten können nach vorheriger Anmeldung jederzeit beſichtigt
werden. Wir ſind überzeugt, daß das ſtolze Viktoria=Penſionat in
Baden=Baden auch als Knabenheim eine rühmliche Stellung einnehmen
wird.:
noch deutlicher zum Ausdruck die Worte des Herrn Profeſſor
Klute von der Landesuniverſität. Er hat das Vorhaben
durch=
geprüft und brachte ſeine volle Zuſtimmung zu den Zielen und
Wegen zum Ausdruck. Er verſprach, ſein Beſtes für ein Gelingen
des Werkes zu tun. Er ſtand dabei in Uebereinſtimmung mit
den hervorragendſten Vertretern der Wiſſenſchaft, beſonders auch
Geheimrat v. Drygalſki, dem berühmten Polarforſcher, der den
Plan gleichfalls warm empfiehlt.
Ueber die Koſtenfrage, die ſicherlich jedem Zuhörer als der
heikelſte Punkt erſchien, ließ ſich dann Herr Studienrat Heinſtadt
zu Bensheim aus. Man mußte ſich aufrichtig freuen, zu hören,
daß dieſer ſchöne Plan trotz der ſchlimmen Zeit ausgeführt
wer=
den kann. Als geſamtes erforderliches Kapital ſetzt Herr K. die
Summe von 30000 Mark an. Jedem der Zuhörer erſchien die
Summe zunächſt zu niedrig. Aber tatſächlich können die Koſten
im Verhältnis zu früheren Expeditionen ſehr gering ſein, da
Schiff und Proviant fortfallen, da die Mitglieder ohne jede
Ver=
gütung hinausgehen. Auch Herr Staatspräſident Ulrich, dem der
Plan unterbreitet wurde und der in freundlichſter Weiſe ſeine
Unterſtützung zuſagte, warnte vor einem allzu niedrigen Anſetzen
der Summe. Aber zunächſt gilt es, die nach der Meinung
wohl=
wollender Perſönlichkeiten als Minimum aufzufaſſende Summe
aufzubringen. Wie Herr Studienrat H. ausführte, iſt geplant,
die Koſten im weſentlichen aufbringen zu laſſen durch die in den
einzelnen Verbänden zuſammengeſchloſſene Lehrerſchaft des
Deutſchen Reiches. Wenn jeder Lehrer und jede Lehrerin nur
eine halbe Mark ſpendet, iſt die Sache ſichergeſtellt. Das iſt das
nächſte Ziel des Ausſchuſſes: Die Lehrerverbände für die Sache
zu gewinnen. Die heſſiſchen Lehrerverbände ſind, wie wir hören,
ſchon bereit. Mit Baden und Württemberg zuſammen, von der
ſüdweſtdeutſchen Ecke aus, ſoll der Vorſtoß gegen die
Reichs=
verbände erfolgen.
So wird das Geld ſicherlich zuſammenkommen. Denn daß
ein Lehrer oder eine Lehrerin, die doch durch Amt und Neigung
mit all den Gebieten dieſer Unternehmung in Verbindung ſtehen,
ſich dieſer kleinen Ehrengabe entziehen könnte, mag man nicht
annehmen. Und jeder, der von der Sache hört, wird gerne auch
ein Scherflein beitragen.
Die Anweſenden, im beſonderen die Vertreter der
Geogra=
phie, verſprachen den Plan zu verbreiten, die Anteilnahme zu
wecken, Freunde und Förderer des Unternehmens zu gewinnen.
Herr Prof. Dr. Steuer durfte dieſe Geſinnung und dieſen Willen
in ſeinem Schlußwort bei allen feſtſtellen.
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Landesausſtellung für Landwirtſchaft in Karlsruhe.
Karlsruhe. Der Samstag brachte die Eröffnung der großen,
von der badiſchen Landwirtſchaftskammer veranſtalteten Ausſtellung für
landwirtſchaftliche Maſchinen uſw., im Beiſein des ſtellvertretenden
Staatspräſidenten Dr. Hellpach, des Innenminiſters Remmele
und des Arbeitsminiſters Dr. Engler, des Oberbürgermeiſters der
Stadt Karlsruhe Dr. Finter und einer Reihe von Vertretern der
Staats= und Gemeindebehörden ſowie der Wirtſchaftsorganiſationen.
Der Präſident der Landwirtſchaftskammer, Landtagsabgeordneter
Geb=
hard erklärte die Ausſtellung für eröffnet und betonte, daß die
Aus=
ſtellung den Charakter ernſter volkswirtſchaftlicher Arbeit trägt und dazu
beſtimmt ſei, mitzuhelfen am Aufbau des ſchwer daniederliegenden
Wirtſchaftslebens. Mit einem Hoch auf das deutſche Vaterland ſchloß
die Begrüßungsanſprache, worauf die Verſammlung das Deutſchlandlied
ſang. Der ſtellvertretende Staatspräſident, Miniſter Dr. Hellpach,
dankte namens der Staatsregierung für die Einladung und drückte die
Bereitwilligkeit der badiſchen Regierung aus, alles zu tun, was mit der
allgemeinen Staatsintereſſen im Einklang ſtehe, um auch im badiſchen
Lande für eine ſtarke, kräftige und leiſtungsfähige Landwirtſchaft Sorge
zu tragen. Auch die badiſche Landwirtſchaft müſſe Verſtändnis für den
Wert der Bildung haben, die den Bauer frei und ſtark mache,
Es folgte ein Rundgang durch die Ausſtellung unter Führung des
Landwirtſchaftskammerpräſidenten und ſeiner Mitarbeiter. Die
außer=
ordentlich reich beſchickte Ausſtellung, die in ſämtlichen Räumen des
ſtädtiſchen Ausſtellungsgebäudes und dem davorliegenden Feſthallenplatz
untergebracht iſt, umfaßt nicht nur das engere Gebiet der
landwirtſchaft=
lichen Erzeugniſſe, Maſchinen, Düngemittel uſw. ſondern iſt offenbar
auch beſtrebt, die Kultur auf dem Lande durch Ausfſtellung gediegener
Haushaltungsgegenſtände, die Errichtung moderner Wohn= und
Sied=
lungsbauten zu fördern. Ein durch Neden des
Landwirtſchaftskammer=
präſidenten Gebhard, ,des Oberbürgermeiſters Dr. Finter und des
Direktors der Landwirtſchaftskammer Oekonomierat Müller
gewürz=
tes Feſteſſen bildete den Abſchluß des Eröffnungsaktes.
Hiſtoriſche Ausgrabungen in Baden.
fm. Karlsruhe. (Eigenbericht.) Aus Hüfingen bei
Donaueſchin=
gen wird berichtet: Auf dem Anſtaltsfeld von Mariahof, auf den ſogen.
Galgenäckern, werden zurzeit von Profeſſor Leonhardt und Profeſſor
Revellion Ausgrabungen vorgenommen, um das Alter und den
Umfan=
des ehemaligen hieſigen Römerkaſtells zu erſorſchen. Es dreht ſich dabei
vor allem um die Frage, ob das Kaſtell hier das Standquartier einer
Kohorte oder einer Legion römiſcher Soldaten war und wann es erbaut
worden iſt, ob unter Clandius (41—54 n. Chr.) oder unter Vespaſian
(70—79 n. Chr.). Bis jetzt wurden nur ſpärliche Funde gemacht, jedoch
läßt ſich die ganze Anlage des Kaſtells bereits bedeutend beſſer
über=
ſehen.
Brand.
Kaiſerslautern. In der Möbelfabrik Graf brach am
Sonn=
tag Großfeuer aus, das die geſamten Holzvorräte in Aſche verwandelte.
Den angeſtrengten Bemühungen der Kaiſerslauterer und
Ludwigshafe=
ner Motorſpritze, welch letztere anläßlich des Kreisfeuerwehrtages in
Kaiſerslautern war, gelang es, gemeinſchaftlich mit den übrigen
Feuer=
wehren die Gefahr des Abbrennens der Gebäude zu beſeitigen.
Der erſte Nachtflug Berlin-Koxenhagen.
Berlin. Nach Ueberwindung zahlreicher Schwierigkeiten iſt am
19. d. M. abends der erſte Nachtflug zw’ſchen Verlin und Kopenhagen
durchgeführt worden. Das Flugzeug landete um 3 Uhr. Der Flieger
wvurde lebhaft begrüßt.
Eine amerikaniſche Woche in Hamburg.
Hamburg. Vom 6—12. Oktober wird in Hamburg die
amerikaniſche Woche veranſtaltet, die dazu dienen wird, den Gedanken
des Zuſammenwirkens der Völker auf der Grundlage freundſchaftlicher
zwiſchenſtaatlicher Beziehungen zum Wohle der geſamten Menſchheit
wieder Geltung zu verſchaffen. Dem Ehrenausſchuß gehören Vertreter
des Handels, der Schiffahrt,, der Wiſſenſchaft und der Preſſe an. Der
Vorſtand ſetzt ſich aus Mitgliedern des Konſularkorps der
läteinameri=
kaniſchen Staaten zuſammen.
Warnung vor der Zeppelinüberfahrt.
Zürich. In den Züricher Zeitungen erhebt der Direklor der
meteorologiſchen Station, Dr. Maurer, ernſte Bedenken gegen die
Ab=
ſicht, in dieſem Jahre, das an meteorslogiſchen Störungen ſo reich iſt,
den Zeppelin nach Amerika zu bringen. In einer ausgedehnten
Ueber=
ſicht weiſt er auf die bereits durch Sturm zerſtörten Zeppeline hin und
gibt zu erwägen, daß dieſes Jahr beſonders bedenklich fei für, einen
Zeppelin von dieſen Dimenſionen.
Fliegerunglücke.
Mailand. Beim Landen auf dem Flugfeld Lonate hat ſich nad
einem nächtlichen Uebunsflug ein großes Bombardierungsflugzeug mehr
mals überſchlagen. Der freiwillig mitfahrende Arzt des Flugfeldes ſowie
zwei Militärflieger wurden auf der Stelle getötet und der Mechaniker
verletzt. — Auf dem Flugfeld Malpenda iſt ein Flieger abgeſtürzt und
ſchwer verletzt worden.
Ein Bombenattentat.
Paris. Die Liberté teilt mit, daß auf der franzöſiſchen Inſe
Guadeloupe (Kleine Antillen) anläßlich einer Gemeinderatswahl ein
Bombenattentat verübt worden iſt. 6 Perſonen ſeien getötet und ein
größere Anzahl verletzt worden, darunter der frühere Abgeordnete
Boisneux.
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Hausfrauen! Pflegt den Fußboden! Daß er,
gleich=
viel, ob Linoleum, Parkett oder geſtrichene Dielen, glänzt und immer
wie neu ausſieht, erreichen Sie mühelos mit „Wichsmädel”=Bohnerwachs.
Es iſt hergeſtellt mit amerikaniſchem Terpentinöl, daher von angenehmem,
erfriſchendem Geruch, aus beſten Edelwachſen, daher konſerviert es den
Fußboden aufs beſte. Verlangen Sie aber ausdrücklich eine Doſe
„Wichsmädel”, es iſt das Beſte und Sparſamſte! Wir verweiſen
auf das Inſerat in der heutigen Nummer unſerer Zeitung.
Jede ſelbſtſchneidernde Hausfrau braucht
unbe=
dingt eine Modenzeitſchrift! Dieſe ſoll nicht nur
reichhal=
tig und vielſeitig ſein, ſondern vor allen Dngen auch wirklich praktiſch
verwertbare Modelle bringen, die leicht nachzuarbeiten ſind. Dieſe
Vor=
züge vereinigt die weltbekannte und beli bte „Praktiſche Damen= und
Kinder=Mode” des Verlags W. Vobach u. Co. Neben vielen Modellen
zu allen erdenklichen Bekleidungsgegenſtänden, zu denen ſämtliche Schnitte
auf den beiden Schnittmuſterbogen enthalten ſind, fehlen auch nicht die
wertvollen Anregungen für die ſparſame Hausfrau zum Umarbeiten und
Aendern älterer Sachen. Während ein Handarbeitsbogen ſowie
prak=
tiſche Winke für Küche, Keller und Haus den wirtſchaftlichen Teil
vervoll=
ſtändigen, tragen Romane und Novellen, ſowie die wichtigſten
Tages=
ereigniſſe in Bild und Wort zur Unterhaltung und Belehrung bei. Der
äußerſt niedrige Heftpreis dieſer vierzehntäglich erſcheinenden Zeitſchrift
beträgt 35 Pfennig (zuzüglich Beſtellgebühr). Infolge ihrer
Vielſeitig=
keit wird die „Praktiſche Damen= und Kinder=Mode” ſicher von großem
Wert und Nutzen für jede Hausfrau ſein, die wir auf den Proſpekt, der
heute unſerer Zeitung beiliegt, beſonders aufmerkſam machen. (12088
Der heutigen Stadtauflage unſeres Blattes liegt eine Beilage der
Darmſtädter Autodroſchken=Vereinigung bei, worauf wir beſonders
auf=
merkſam machen.
Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus: Keine Vorſtellung. — Kleines
Haus, Anfang 7½ Uhr, Ende 9½ Uhr (Zuſatzmiete VII:): „Der Floh
im Panzerhaus”. — Orpheum, abends 8 Uhr: „Der Mann mit dem
Fimmel.” — Union=, Reſidenz=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
Kinovorſtel=
lungen.
Verſteigerungskalender — Mittwoch, 24. September.
Faſelochs= und Faſeleber=Verſteigerung, vormittags
10 Uhr, im Faſelſtall zu Groß=Umſtadt. — Obſtverſteigerung,
vormittags 8 Uhr, auf der Straße Kühler Grund-Nieder=—Ober=
Beerbach, beginnend am Kühlen Grund; vormittags 8½ Uhr auf der
Straße Eſchollbrücken—Crumſtadt, beginnend bei Eſchollbrücken.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Mittwoch, 24. September.
Erneut bewölkt, bei ſüdlichem Winde etwas wärmer, ſtellenweiſe
Niederſchläge.
Hauptſchriftleitung: Rudolf Mauve
Verantwortlich für Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve
Verantwortlid
ür Feuilleton und Heſſiſche Nachrichten: Max Streeſe
Verantwortlich für Sport: Dr. Eugen Buhlmann
Verantwortlich für Schlußdienſt: Andreas Bauer
Verantwortlich für den Inſeratenteil: Willy Kuhle
Druck und Verlag: L. C. Wittich — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Nummer hat 12 Seiten
[ ← ][ ][ → ]Rummer 265.
Dienstag, den 23. September 1924.
*
S
zport, Spiel und Turnen.
Motorſport.
Zubiläumsfahrt des Automobilklubs von Deutſchland.
Nürnberg, 20. September.
Die auf den Bierabend im Künſtlerhaus geſetzten Erwartungen
wur=
den nicht enttäuſcht: Mehrere Säue hatten ſich der Jubiläumsfahrt
zu=
liebe in die Delikateſſen zerlegen laſſen müſſen, aus denen ſie nun mal
berufsmäßig zuſammengeſetzt ſind, und nachdem jedem Beſucher durch
Damen des Bayeriſchen Automobilklubs Nord am Saaleingang einige
nützliche, von der Nürnberger Induſtrie geſtiftete Gaben überreicht
waren, letzte ſich alles am Wellfleiſch, leider vielfach ohne
klardurch=
dachte vorherige räumliche Dispoſitionen, ſo daß die nachfolgenden
Leber=, Blut= und Bratwürſte ſich hart im Raume ſtießen, in den ſie
be=
fördert wurden, und die entſtehenden Reibungen nur durch entſprechende
Gaben vom Tucherbräu, die die Brauerei freundlichſt ſtiftete, hatten
ge=
mildert werden können.
Nach dem Eſſen ergriff der Vizepräſident des Bayeriſchen
Automobil=
flubs, Herr Sanitätsrat Sparer, das Wort zu einer markigen Anſprache,
in der er die guten Beziehungen zwiſchen Nord und Süd hervorhob und
betonte, daß Bayern nie an eine Trennung von Deutſchland gedacht
hätte, ſondern die Einheit des Reiches über alles ſtelle. Ein Band des
gegenſeitigen Zuſammenſchluſſes bilde auch der Bayeriſche
Automobil=
klub. Staatsſekretär von Radowitz dankte für die herzlichen Worte und
forderte die A.V.D.=Mitglieder auf, ihr Glas auf das Wohl des
Bahe=
riſchen B.A. C. zu leeren, worauf ganz ſpontan das Deutſchlandlied
an=
geſtimmt wurde. Dann begrüßte Herr Krafft=Nürnberg in der Maske
des Hans Sachs die Gäſte in Form einer Parodie des Kraftwagens auf
die alte Zeit. Nach ſeinen mit Beifall aufgenommenen Worten ſetzte
wieder die bayeriſche Landlermuſik ein und unter ihren Klängen
wur=
den den Wagenbeſitzern beſondere Nürnberger Andenken im
Gaben=
tempel überreicht. Das Auftreten der Loiſachtaler Schuhplattler
lei=
teitete zum Tanz über, der die Teilnehmer dieſes gelungenen Abends
noch lange zuſammenhielt.
München, 21. September.
Die nur 169 Kilometer lange Strecke des heutigen Fahrtages
ge=
tattete es, mit dem Start erſt bei vollem Sonenſchein um 7 Uhr 30 zu
beginnen. In dem ſchönen Lorenzer Wald, am Anfang einer
ſchnur=
feraden Chauſſee, lag der Ausgangspunkt, der dicht von Zuſchauern
um=
ſäumt war. Der Preſſe=Dinos der Dobi ſtartete heute am Schluß der
tärkſten Klaſſe, ſo daß er mit ſeinen 8=Steuer=PS allerhand aufdrehen
nußte, um ſeinen Platz hinter den durchweg mindeſtens doppelt ſo
ſtar=
en Wagen behaupten zu können, welche die erſten 100 Kilometer mit
einem Durchſchnitt von 55 Kilometer fuhren, um ſich eine gewiſſe
Zeit=
reſerve zu ſchaffen. Allerdings wurde dadurch infolge des herrſchenden
Staubes der Naturgenuß etwas beeinträchtigt
Neu hinzugekommen war noch Dr. v. Billerbeck auf Adler, aber noch
der heutige Tag ließ ihn meteorgleich — wie er erſchienen war —
wie=
r verſchwinden. Sein Wagen erlitt beim Ueberfahren eines Steines,
jachdem er kaum mehr als 100 Kilometer der heutigen Strecke abſolviert
hatte, leider einen Hinterachſenbruch und mußte endgültig ausſcheiden.
Dagegen hatte ſich der Oberleitungswagen des Herrn Trutz nach 12
ſtün=
digem Bauen an der Kuppelung, deren Belag geſtern weggebrannt war,
wieder am Start eingefunden.
Auf der genußreichen Waldſtrecke überaſchte uns bald die erſte
S=Kurve; ganz überflüſſigerweiſe, da wir vor kaum einer Stunde erſt
gefrühſtückt hatten. Im allgemeinen aber waren heute die Straßen
weniger kurvenreich und wieſen nicht ſo perfide, plötzliche und ſtarke
Steigungen auf wie geſtern; dabei war bis Ingolſtadt die Oberfläche
eben und löcherfrei.
Nach Paſſieren des ſchönen gotiſchen Pfarrhauſes vor Neumarkt
urchfuhren wir die breiten Straßen der Stadt ſelbſt, die auch bei ihren
Neubauten treu an dem alten Stil feſthält und ſo einen anheimelnden
indruck macht. Hinter Neumarkt ſah man links ſich ſcharf vom Himmel
bheben die Silhouette eines vorſpringenden Höhenzuges, deſſen Spitze
ie Ruine Wolfſtein trägt.
Por Berching erblickten wir die erſte Kirche mit dem charakteriſtiſchen
Zwiebelturm. Die Stadt bildet einen Markſtein für das gegenüber dem
ächſiſchen Induſtriegebiet ſteigende Intereſſe der Bevölkerung an der
ubiläumsfahrt: die erſten Blumen werden uns hier zugeworfen, als
vir das alte Tor durchfuhren und die altertümliche Kapelle paſſierten,
ſelche in ihrer Bauart an das Tabakskollegium auf dem Baſſinplatz
Potsdam erinnert. Bis Beilngries folgten wir dem Ludwigs=Kanal,
n deſſen Ufer auf bewaldetem Abhang ein großer grauer Häuſerkomplex
ein Kloſter — feſtungsartig aufragte. Dann führte eine lange
Stei=
ung aus dem Tal hinauf; es ging weiter durch eine abwechſelungsreiche
andſchaft nach Ingolſtadt.
Auch heute hielten, wenn auch nicht ſo zahlreich, wie in dem enger
eſiedelten Sachſen, vielfach Kraftwagen an den Straßen, deren Inſaſſen
en Fahrtteilnehmern zuwinkten. Als eine — wenn auch unerwünſchte —
(bwechſelung im Straßenbild tauchten einige der ſeit Jahrzehnten,
inn man faſt ſagen, bekämpften, aber noch nicht völlig ausgerotteten
Iflaſterzollſtellen auf. Durch Ingolſtadt ging es, an den alten
Befe=
igungsanlagen vorbei und über die Donau; dann war großes Halt,
dammeln der ganzen Kolonne und geſchloſſene Weiterfahrt — wenn
och dabei manches unnötige Ueberholen unterblieben wäre! — quer
ber das hier viele Kilometer breite Tal der Donau und durch das
male=
iſche, am Ufer der Paar gelegene Reichertshofen nach Pfaffenhofen.
Die Straßen waren von Ingolſtadt ab recht ſchlecht, ſtellenweiſe
iußte durch tiefen Schotter gefahren werden, wobei ſich übrigens die
onti=Ballenreifen inſofern recht gut bewährten, als ſie auch nach der
ſchotterſtrecke keine Abnutzung oder Beſchädigung aufwieſen und nach
ingaben eines Herrn der Oberleitung auch das Steuern nicht erſchwer=
ten, wohl aber ihren bekannten Vorzug befonders guter Federung
zeigten.
Bald nach der Kirchzeit — es war ja Sonntag heute — war das
Ziel Neuherberg, 9 Kilometer von München gelegen, erreicht, wo wir
durch Mitglieder des B.A.C. begrüßt wurden. Bei den Klängen einer
Reichswehrkapelle entwickelte ſich unter den alten Bäumen einer
Garten=
wirtſchaft ein lebhaftes Treiben: alte Bekannte begrüßten ſich,
Quartier=
zettel wurden ausgegeben, Pläne von München mit Einzeichnung der
Hotels verteilt u. a. m. Als alles beieinander war, ergriff Major
Czer=
mak, der Präſident des Bayeriſchen Automobilklubs, das Wort, um die
Fahrtteilnehmer zu bewillkommnen und dann — ja dann hätte man
eigentlich in die Hotels fahren können, wenn nicht der Münchener
Po=
lizeigewaltige und ſein Schutzmann geweſen wären! Das heißt, von
letz=
terem ſah man eigentlich gerade nichts, und deswegen mußten wir auf
der Straße liegen. Die Wagen ſollten nämlich gruppenweiſe durch
kraft=
radelnde Schutzleute zu den verſchiedenen Hotels geführt werden,
da=
mit nicht ganz München in Unordnung geriete. Ich richte die kleine
An=
frage an den verehrlichen Polizeipräſidenten: „Mußte das ſein? Warum
iſt es in der Ordnungszelle München des Ordnungsſtaates Bahern nicht
möglich, daß 8 Automobiliſten einzeln vor das Hotel fahren, in dem
ſie ihren müden Leib betten wollen? Und wenn es ſchon nicht geht,
warum wird man mit einſtündigem Warten auf den Leitmann beſtraft?
Bauen Sie Verkehrs=Inſeln, Herr Polizeipräſident!“
Der heutige Abend wird eine Begrüßungsfeier im Preyſing=Palais
dem Heim des Bayeriſchen Automboilklubs bringen, auf die noch zurück=
Kurt Bernhard.
zukommen ſein wird.
Fußball.
Sportvereinig. 04 Arheilgen 1a Jgb.—1. Jgd. Sp.=V. Lengfeld 2:0 (1:0).
Am Sonntag nachmittag 2 Uhr ſtanden ſich in Lengfeld die 1a
Jugendmannſchaften des Sp.=V. Lengfeld und der Sportvereinigung
Ar=
heilgen im Gaumeiſterſchaftsſpiel gegenüber. Für Arheilgen galt es,
dieſes Spiel ſiegreich zu geſtalten, um ſeinen Punktvorſprung
beizube=
halten. Die Mannſchaft war ſich auch des Ernſtes der Lage bewußt und
zeigte ein aufopferndes Spiel. Gleich nach Anpfiff entwickelte ſich ein
flinkes Feldſpiel. Lengfeld, durch den Rückenwind begünſtigt, leitete
ſofort ſchöne Angriffe ein. Einen toten Ball meiſterte der Arheilger
Erſatztorleiter ganz vorzüglich. Auch Arheilgen kommt öfters vor des
Gegners Tor, ohne aber vorerſt gefährlich zu werden. Endlich, in der
23. Minute, krönt der Halblinke ein ſchönes Vorſpiel mit einem
erfolg=
reichen Schuß. Gleich darauf Halbzeit. Nach Wiederbeginn gelingt es
demſelben Spieler Arheilgens, in der 8. Minute auf genaue Vorlage
des Rechtsaußen das 2. Tor für ſeine Farben einzudrücken. Arheilgen
läßt jetzt etwas nach. Lengfeld kommt einige Male ſchön durch und ſein
Mittelſtürmer gibt dem Arheilger Torwart einen ſcharfen Ball zu
hal=
ten. Auf der Gegenſeite verdirbt der Halbrechte, der den Rechtsaußen
am Schuß hindert, ein ſicheres Tor. Bis zum Schluß bleiben die
beider=
ſeitigen Anſtrengungen ergebnislos und Arheilgen konnte mit einem
W.
2:0=Sieg den Platz verlaſſen.
Seeheim—Rimbach.
Im Gau Ried nahmen auch in der C=Klaſſe die Meiſterſchaftsſpiele
ihren Anfang. Seeheim (Fußball=Sportverein 1923) empfing Rimbach 96
und konnte es mit dem hohen Reſultat 9:0 abfertigen. Halbzeit 7:0.
Rimbach ſpielte nicht ſchlecht, hatte aber keine Ausdauer, da es ihm an
einem Sportplatz und daher am Training fehlt. Das Spiel verlief
vor=
bildlich fair und faſt ohne Strafſtöße unter der Leitung des Herrn Freh=
Bensheim.
Schönberg—Jugenheim.
Schönberg empfingt den Sportverein Jugenheim und ſiegte verdient
4:2 (Halbzeit 1:1). Schönberg flink und auf dem kleinen Sportplatz
gut eingeſpielt, Jugenheim etwas maſſiv. Das Reſultat hat überraſcht,
da Jugenheim der älteſte C=Verein und Schönberg Neuling iſt. Vorher
ſiegte die 2. Mannſchaft Schönbergs gegen die 2. von Jugenheim 5:2.
Hüttenfeld—Wickſtadt.
Das letzte Spiel der C=Klaſſe Hüttenfeld—Wickſtadt iſt uns noch nicht
bekannt. Die 2. Mannſchaften dieſer Vereine ſpielten 3:3 unentſchieden.
Boxen.
Deutſchland ſchlägt. Oeſterreich im Box=Länderkampf.
Die Begegnung zwiſchen den repräſentativen Mannſchaften
der Amateur=Boxverbände von Oeſterreich und Deutſchland, die
am Freitag in Wien ſtattfand, endete mit einem durchſchlagenden
Erfolge der Vertreter des Deutſchen Reichsverbandes für
Ama=
teurboxen. Von den ſieben Kämpfen gewannen die Deutſchen fünf,
verloren einen und einer endete unentſchieden. Mit 11:3 Punkten
konnte der D.R.f.A.B. einen ſchönen Sieg buchen.
Breitenſträter ſchlägt Ahaus.
Der Magdeburger Kampfabend am Freitag brachte als
Haupt=
nummer den Schwergewichtskampf zwiſchen Exmeiſter Hans
Brei=
tenſträter und dem Holländer Ahaus. Erſt in der 9. Runde konnte
Breitenſträter ſeinen Gegner, zur Aufgabe zwingen. Volkmer=
Bremen gewann nach Punkten gegen Verſteg=Holland, während
die Treffen zwiſchen Saſſe=Berlin und Hochbaum=Magdeburg
ſo=
wie Arndt=Magdeburg und Sjouverman=Holland unentſchieden
endeten.
De
Mdid
e
A. 6
Eitlltebieie
En dustäute ail Heäte!
HrAIlS LLI
Eines „Pflegekindes”
Qualen und Erlösung
in dem großen Fox-Film
*
den
Drama in 5 Akten
mit
Shirlev Mason
in der Titelrolle.
Faschingsliebe !
Sode
Drama in 5 Akten mit
als Chauffeur
Erna Morena
Fox-Komödie in 2 Akten.
(12083
Seite 9.
Tennis.
Der 4. Tag des Wiesbadener Tennis=Turniers.
Nicht ohne ein Ereignis, das zu verzeichnen nach Lage der
diesjähri=
gen Tennis=Saiſon des Chroniſten Pflicht iſt, geht dieſes Turnier den
Entſcheidungen und dem Abſchluß entgegen: Der vierte Tag
brachte wiederum lachenden Sonnenſchein; der Spielbetrieb war damit
auf eine Höhe gelangt, daß es dem Berichterſtatter unmöglich wird, alle
die Kämpfe zu ſchauen, die zu würdigen nötig wären. Kreutzer und
Froitzheim und Frau Eulau aus Mannheim ſind eingetroffen. Dadurch
konnten die Spiele gefördert werden, ſo daß am letzten Tag noch rund
fünfzig Spiele zu bewältigen ſein werden.
Im Herren=Einzel um den Goldpokal von Wiesbaden konnte in der
unteren Hälfte Kreutzer mit ſeinem glänzenden Angriffsſpiel den
Wies=
badener Halberſtadt, der ſeine heimiſche Meiſterwürde hervorragend
ver=
teidigte, 6:1, 6:0 ſchlagen, um dann nach „Walk over” über Haeffner
den Juniorenmeiſter Hildebrandt, Mannheim mit 6:1, 6:4 zu meiſtern.
Wie das Ergebnis zeigt, leiſtete der Juniorenmeiſter recht gutes und
ſeine gutplazierten Rückhandſchläge ſollen beſonders erwähnt ſein. Im
oberen Viertel werden die weiteren Spiele am letzten Tage mit
Froitz=
heim und Oppenheimers Eingreifen gefördert werden, ſo daß hier der
Partner für Buß ermittelt wird, wodurch die Gegner für die
Schluß=
runde bekannt werden,
Im Damen=Einzel um die Meiſterſchaft von Wiesbaden ſind, die
Spiele bis zur Entſcheidung gefördert. Frau Eulau kommt durch Sieg
über Frau Ney 6:3, 6:1 und Frl. Pröbſting 6:4, 6:3, die zuvor Frl.
Meintzinger 6:3, 8:6 geſchlagen hat, in der oberen Hälfte, Frau Dr.
Friedleben, die in dem beſten der Kämpfe dieſer Abteilung Frau Hemp
2, 6:3 beſiegte, nachdem Frl. H. Kunz ihr 6:2, 7:5 unterlegen war,
in der unteren Hälfte zu Meiſterehren.
Im Herren=Doppel ſind. Fuchs=v. Ende über Crevenna=Kirchholter
4:6, 6:1, 6:2 zur 3. Runde vorgekommen, während Buß=Oppenheimer
nach einem Siege über C. A. Scholz=H. Fuchs 6:2, 6:0 dann Daniel
Friedleben in einem ſehr hartnäckigen Spiele, wobei die Entſcheidung aus
fortwährenden Einſtanden, dem routinierenden Paare 6:2, 6:2 zufiel,
ſchlugen. Dr. Scholz=Floda erledigten das geſtern abgebrochene Spiel
gegen Halberſtadt=Majer 6:4, 6:*
Im Damen= und Herren=Doppel gewannen Frau Dr. Friedleben=
Kreutzer 6:1, 6:2 über Frl. Meintzinger= Dr. v. Ende; in der unteren
Hälfte ſiegten Frau v. König=Daniel über Frl. H. Kunz=Scholz 6:1, 6:1;
ſie kommen dann durch „ohne Spiel” von Frl. Bender=Dr. Euler weiter,
wo ſie aber Frau Eulau=Dr. Buß, die zuvor Frl. R. Kunz=Piecg 6:0, 6:1.
ausgeſchieden haben, mit 6:6, 6:1 für die Schlußrunde vorrücken laſſen
mußten.
Im Herren=Einzel Klaſſe A warter Dr. Buß durch ſeine Siege über
Hildebrandt 6:0, 6:1 und der „ohne” auf den Partner, während
Kirch=
holtes über Anker 6:1, 6:3 ſiegte. In Klaſſe B iſt das erſte Viertel noch
ſtark zurück, im zweiten ſiegte Fleiſchhauer über Schovelin 6:3, 5:7, 6:2,
in der unteren Hälfte iſt Eckſtröm durch Sieg über Heymann 7:5, 6:1
der Partner für den Schlußkampf. Im Damen=Einzel Klaſſe A hat ſich
Frl. Meintzinger durch ihren beachtenswerten Erfolg über Frl. v. Türcke
7:5, 6:1 zur Entſcheidung durchgeſetzt. Das Damen=Einzel Klaſſe B ſieht=
Frl. A. Kunz durch den Gewinn über Frl. Fusbahn 6:1, 6:3 mit Fr.
v. König, die Fr. Ney 7:5, 6:4 ſchlug, in der Entſcheidung. Die beiden
Doppel mit Vorgabe ſind noch ſtark im Rückſtande
Die Ergebniſſe:
Herren=Einzel um den Goldpokal von Wiesbaden: Kreutzer=
Halberſtadt 6:1, 6:0, Kreutzer=Hgeffner o. Sp., Kreutzer=Hildebrandt
6:1, 6:4.
Damen=Einzel um die Meiſterſchaft von Wiesbaden: Frau
Eulau=Frau Ney 6:3, 6:1, Frl. Pröbſting=Frl. Meintzinger 6:3, 8:6,
Frau Hemp=Frl. R. Kunz 6:0, 6:2, Frau Eulau=Frl. Pröbſting 6:4, 6:3,
Frau Dr. Fiedleben=Frau Hemp 6:2. 6:3.
Herren=Doppel offen Fuchs”=v. Ende: Hildebrandt=Pieeg
4:6, 6:1, 6:2, Buß=Oppenheimer: C. A. Scholz=H. Fuchs 6:2, 6:0, Dr.
Scholz=Floda:Halberſtadt=Majer 6:4, 6:2, Buß=Oppenheimer:Heymann=
Brahm 6:2, 6:2.,
Damen und Herren=Doppel offen: Fr. Hemp=Fuchs”:
Frl. Pröbſting=FlodaF 11:9, 6:0, Fr. v. König=Daniel:Frl. H. Kunz=
Scholz 6:1, 6:1, Fr. Dr. Friedleben=Kreutzer: Frl. Meintzinger=Dr.
v. Ende 6:1, 6:2. Fr. v. König=Daniel: Frl. Bender=Dr. Euler o. Sp.,
Fr. Eulau=Dr. Bußz: Frl. R. Kunz=Piecg 6:0, 6:1, Fr. Bulau=Buß: Fr.
v. König=Daniel 6:0, 6:1.
Herren=Einzel offen, Klaſſe 4: Kirchholtes=v. Dinklage 6:2,
6:0, Anker=Dr.Haeder v. Sp., Kirchholtes=Anker 6:1, 6:3, Dr. Buß=
Fuchs” o. Sp., Dr. Buß=Hildebrandt 6:0, 6:1.
Herren=Einzel offen Klaſſe B: Mertens=Wagner 7:5, 9:7,
Fleiſchhauer=Schovelin 6:3, 5:7, 6:2, Eckſtöm=C. A. Scholtz 6:1, 6:2,
Eck=
ſtröm=Heymann 7:5, 6:1.
Damen=Einzel offen Klaſſe A: Frl. Meintzinger=Frl. von
Türcke 7:5, 6:1.
Damen=Einzel offen Klaſſe B: Frl. Straßweg=Frl. Bender
v. Sp., Frl. A. Kunz=Frl. Straßweg 4:6, 6:3, 6:4, Frl. A. Kunz=
Frl. Fusbahn 6:1, 6:4, Fr. v. Hönig=Fr. Ney 7:5, 6:4,
Herren=Doppel mit Vorgabe: Fleiſchhauer=Becker:Hammer=
Dantz o. Sp., Noerrenberg=Eckſtröm:Braun=Chriſtmann o. Sp.,
Cre=
venna=Kirchholtes: Kampe,Keßler v. Sp., Flodas=Majer: von Dinklage=
Henckell 6:4, 6:1, Dr. v. Ende=Dr. Scholz: Keßler=Hammer 6:3, 6:2,
Friedleben=Erwen: Fleiſchhauer=Becker 2:6, 6:5, 6:3.
Damen und Herren=Doppel mit Vorgabe: Frl.
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23. September 1924
Die Entwicklung der amerikaniſchen Farbſtoff=
Induſirie.
B. R. Die Federal Tariff Commiſſion in Waſhington gibt in ihrem
7. Jahresbericht, der in Kürze veröffentlicht wird, einen detaillierten
Ueberblick über die Entwicklung der amerikaniſchen Farbſtoff=Induſtrie.
Nach dem für die Preſſe beſtimmten Auszug haben in 1923 in den
Vereinigten Staaten 88 Firmen 93 667 524 Pfund Farben hergeſtellt, treidebörſe vom 22. September. Preis je 100 Kilogramm in
Gold=
beteiligt waren. In 1923 wurden aus der heimiſchen Produktion
1914 wurden von 7 Firmen nur 6 619 729 Pfund Farbſtoffe im Wert von
2 470 096 Dollars hergeſtellt. Die Verkaufspreiſe ſind in den letzten
Jahren ſtändig zurückgegangen. In 1923 wurden für das Pfund Farb= markt beſtand aus 484 Ochfen, 86 Bullen, 1256 Färſen und Kühen,
ſtoffe im Durchſchnitt nur 0.55 Dollars erzielt gegen 0.60 Dollars in 1922,
083 in 1921 und 1.26 Dollars in 1917. In dem Bericht wird geſagt, daß
1923 insgeſamt 96 Prozent des heimiſchen Konſums von der amerika= 38—50, Färſen und Kühe 15—58, Kälber 35—72, Schafe 38—5), Schweine
niſchen Farbſtoff=Induſtrie gedeckt wurden. Der Ausfuhrüberſchuß für
Kohlenteerfarben bezifferte ſich auf 18 Millionen Pfund. Im vergangenen ſamer Handel, bei Großvieh und Schweinen Ueberſtand. Der nächſte
Jahr wurden annähernd 100 Farben erzeugt, deren Herſtellung 1922
noch nicht möglich geweſen war. Der Aufſchwung, den die Farbſtoff=
Induſtrie der Unien in 1923 genommen hat, wird in erſter Linie auf forderungen für Weizen aus Amerika veranlaſſen die Käufer am hieſigen
die Ruhrbeſetzung zurückgeführt, da dieſe die Produktion der deutſchen ſtand, bwohl aus zweiter Hand Angebot in aus= und inländiſcher Ware
Farbſtoffwerke empfindlich lähmte und deren Export unterband.
W
zBirtſchaftliche Rundſchau.
w. Der Deutſche Induſtrie= und Handelstag hat die artikeln war der Handel gering.
deutſchen Auslands=Handelskammern auf den A. bis 23. September zu
einer Tagung nach Berlin eingeladen. Es iſt die erſte deutſche
Veranſtal=
tung dieſer Art. Den Beſchluß der Tagung wird ein gemeinſamer
Be=
ſuch der Frankfurter Herbſtmeſſe, welche vom 22. bis 27. September
ſtatt=
findet, bilden, um den Vertretern der Auslands=Handelskammern
Ge=
legenheit zu geben, ſich ein Bild von der wachſenden Bedeutung zu
machen, welche die Frankfurter Meſſen für den internationalen Güter= Notierungen von 11 Uhr vormittags. Tendenz; ruhig.
austauſch beſitzen. Gleichzeitig wird dieſer Beſuch dazu beitragen, die
bisher durch die deutſchen Auslands=Handelskammern mit dem Ausland
gepflegten Beziehungen zu befeſtigen und zu erweitern. Wähkend ihres
Aufenthaltes in Frankfurt ſind die Vertreter der deutſchen Auslands=
Handelskammern Gäſte des Mitteldeutſchen Induſtriellenverbandes,
Auskunft Meſſeamt Frankfurt a. M., Haus Offenbach.
Banken.
w. Der Ausweis der Reichsbank vom 15. d. Mts. zeigt
eine Steigerung der Kapitalanlage um 6,2 auf 2024,4 Trillionen Mark,
wobei zu bemerken iſt, daß während der Berichtswoche von neuem 25
Trillionen Mark an Wechſeln aus dem Portefeuillebeſtande außerhalb
der Bank diskontiert wurden. Im einzelnen nahmen die Beſtände an
Markwechſeln und Lomkardforderungen um 22,9 auf 851,2 Trillionen
Mark zu, während ſich die Rentenmarkkredite um 17,3 auf 1096,5 Mil=
Wechſel erhöhte ſich von 171,7 auf 196,7 Trillionen Mark. Die Rückflüſſe
Banknotenumlauf nahm um 69,9 auf 1305,7 Trillionen Mark, der
Ren=
tenmarkumlauf um 63 auf etwa 1765 Millionen Rentenmark ab. Dem= Einkaufspreiſen entſprechen, die man jetzt auf oſtdeutſchen Sägewerken
Zahlungsmittelrückflüſſe vermehrten ſich die fremden Gelder der Bank
im ganzen um 93,9 auf 749,7 Trillionen Mark. Der Goldbeſtand wurde
um 15,7 auf 543,8 Millionen Goldmark erhöht; von der Zunahme ent= markt einſetzte, einnahmen. Wir haben für einzelne Sortimente bereits
fielen zwei Millionen auf den Kaſſenbeſtand im Inlande, 13,7
Millio=
nen auf das unbelaſtete Golddepot bei ausländiſchen
Zentralnoten=
banken. Die Beſtände an Scheidemünzen wuchſen um 7,6 auf 28,5
Tril=
lionen Mark.
Meſſen.
Sitzung des Aufſichtsrates der Danziger Internationale Meſſe A.G.
vom 5, bis 8. Februar und die 4. Danziger Internationale Meſſe in den
ſterium hat allen ihm unterſtellten Auslandsvertretungen Anweiſung
gegeben, allen Reiſenden zur 2. Danziger Internationalen Mefſe, die
am 2. Oktober beginnt, die Viſa=Gebühren um 50 Prozent zu ermäßigen.
Dieſer Beſchluß iſt ſpeziell für die aus Deutſchland zur Danziger Meſſe
polniſchen Konſulaten das Durchreiſeviſum, das für das Paſſieren des
polniſchen Korridors bei der Fahrt nach Danzig erforderlich iſt, für den
halben Preis.
Neuen Welt (Haſenheide) in Gegenwart von Vertretern der Staats= und
Sandelstiatt
ſtädtiſchen Behörden eröffnet. An der Meſſe ſind etwa 300 Ausſteller
beteiligt. Namens des Reichswirtſchaftsminiſteriums betonte
Ober=
regierungsrat Dr. Feldbauſch, daß die Aufgabe der Meſſe ſei, den
Blut=
kreisumlauf der Wirtſchaft zu beſchleunigen.
Warenmärkte.
w. Amtliche Notierungen der Frankfurte
Ge=
gegen eine Erzeugung von 64 632 187 Pfund in 1922, an der 87 Firmen mark. Wetterauer Weizen 24—25, Roggen 22—23, Sommergerſte für
Brauzwecke 25½—27, inländ. Hafer 22—23¾, ausländ. Hafer —, Wei=
86 567 446 Pfd. Farbſtoffe im Werte von 47 223 161 Doll. abgeſetzt. In zenmehl (ſüdd. Spezial 0) 36½—36¾, Roggenmehl 31—31½,
Weizen=
kleie 12½—12¾, Roggenkleie 12½—12½. Tendenz: ſtetig.
* Frankfurter Viehmarkt. Der Auftrieb zum Haupt=
Freſſer, ferner aus 433 Kälbern, 188 Schafen und 3134 Schweinen.
Notiert wurden per Zentner Lebendgewicht: Ochſen 40—60, Bullen
70—86 und Sauen und Eber 70—78 Goldmark. Marktverlauf: Lang=
Großviehmarkt findet Mittwoch, den 1. Oktober, ſtatt.
w. Berliner Produktenbericht. Die nachgebenden
Preis=
die Hochkonjunktur in der amerikaniſchen Textilinduſtrie und weiter auf Produktenmarkte zur Vorſicht. Roggen behauptete aber ſeinen
Preis=
ſich zeigte. Aus der Provinz lagen aber nur wenig Offerten vor. Gerſte
war bei ſtillem Geſchäft wenig verändert. Hafer ſchwächte ſich infolge
vermehrten Angebots aus dem Inlande etwas ab. Mais war aus
zwei=
ter Hand billiger käuflich. Mehl hatte ruhiges Geſchäft. In
Futter=
fm. Süddeutſche Edelmetallkurſe. Am Montag
wur=
den am Pforzheimer Platze folgende Großhandelspreiſe für Edelme
AS.
notiert: Barrengold das Gramm 2,81½ Mk. (Geld), 2,82½ Mk. (B
Platin, handelsübliche Ware, das Gramm 14,50 Mk. (Geld), 14,75 Mk.
(Brief), Feinſilber das Kilogramm 96,50 Mk. (Geld), 97 Mk. (Brief).
t. Nürnberger Hopfenmarkt. 300 Ballen Zufuhr. Bis
Mittag waren 200 Ballen umgeſetzt. Die Preiſe ſind unverändert.
Ge=
birgshopfen wurde mit 225—280 Mk. verkauft, Hallertauer zum Preiſe
von 230—240 Mk.
—r. Vom Holzmarkt. Unſer fachmänniſcher Mitarbeiter
ſchreibt uns: Die erwartete Belebung, die von einem Aufſchwung des
Holzgeſchäftes in den beſetzten Gebieten ausgehen ſollte, iſt bisher nur
zu einem geringen Teil eingetreten. Die Geldnot iſt im Holzgewerbe
des Weſtens noch größer als in Mittel= und Oſtdeutſchland. Die Lager
bedürfen dringend der Auffüllung, aber es entwickelt ſich keine Kaufluſt
nennenswerten Umfanges, weil die Möbelfabriken erſt langſam wieder
zu einem geregelten Betrieb kommen müſſen. Vorläufig liegen viele
Nachfragen vor, aber die tatſächlichen Abſchlüſſe entſprechen nicht dem
Umfang dieſer Nachfragen, aus denen man auf ein befriedigendes
Ge=
ſchäft ſchließen möchte. Etwas belebter war das Geſchäft in Leipzig
und Dresden. In Sachſen iſt nach Beendigung der Lohnſtreitigkeiten
lionen Rentenmark verminderten. Die Summer, der weiterbegebenen manche Arbeit in Angriff genommen worden, der Holzbedarf wuchs und
dementſprechend konnten auch größere Umſätze erzielt werden.
Aller=
von Zahlungsmitteln in die Kaſſen der Bank, ſetzten ſich fort. Der dings wird, vornehmlich am Leipziger Markt, darüber geklagt, daß die
Preiſe für gute Stammware, die der Konſum zahlen will, nicht den
entſprechend wuchſen die Beſtände der Reichsbank an Rentenbankſcheinen für unſortierte, tadelfreie Stammware zahlen foll. In den Kreiſen
von 275,3 auf 338,3 Millionen Rentenmark. Unter dem Einfluß dieſer vieler Schneidemühlenbeſitzer iſt das Beſtreben bemerkbar und teilweiſe
auch erfolgreich geweſen, die Preiſe langſam auf jenen ganz ungeſunden
Stand zu bringen, die ſie im Frühjahr, al3 die Scheinhauſſe am
Holz=
die Weltmarktpreiſe überſchritten, und dieſen Zuſtand muß man als
ebenſo ungeſund wie für die weitere Entwicklung des Holzmarktes als
gefahrdrohend bezeichnen. Während man auf Grund des jetzt in
Hol=
land für allerbeſte Stammbretter zu erzielenden Preiſes von etwa 65
Gulden frei Bentheim den Weltmarktpreis auf nicht mehr als 4 Pfund
5 Schilling je Kubikmeter beziffern kann, werden von vommerelliſchen
— 3. Danziger Internationale Meſſe. In der letzten maßgebenden Großfirmen bereits 4 Pfund 10 Schilling und mehr für
nach Deutſchland zu exportierende Ware gefordert. Die bayeriſchen
wurde beſchloſſen, die 3. Danziger Internationale Meſſe in den Tagen kleineren Sägemüller, die noch vor wenigen Wochen zu jedem Preis
ihre Ware oft genug fortſchleuderten, ſind jetzt zur Beſinnung gekommen
Tagen vom 20. Eis 23. Auguſt abzuhalten. Das polniſche Außenmini= und fordern teilweife um 10 Mark je Kubikmeter höhere Preiſe,
*
Borſen.
* Frankfurter Börſenbericht vom 22. September
reiſenden Kaufleute von großer Bedeutung. Sie erhalten alſo auf den 1924. (Eigener Bericht.) Die Börſe eröffnete die Woche auf allen
Gebieten in ruhiger und abwartender Haltung. Die politiſchen E=
örte=
rungen und das Für und Wider des Eintritts Deutſchlands in den
Völkerbund, beſonders auch die in Bayern in dieer Hinſicht ſich geltend
w. Die Groß=Berliner Tabakmeſſe wurde in der machende Oppoſition haben etwas verſtimmt. Daneben hält die
Nach=
wirkung des ſtarken Kurseinbruchs der 24er K.=Schatzanweiſungen ohne
e
NGe Vef Brie
Gelt Geld
Brief ert
Nr. 265
Zweifel noch an. Trotzdem waren die erſten Kurſe gut behauptet,
hei=
miſche Renten ſogar leicht befeſtigt. Im Verlaufe der Börſe ſtellte ſich
aber Abgabeneigung ein, und die Kurſe bröckelten bis zur Einheitsnotig
durchweg ab, ohne daß eine beſondere Bewegung zu verzeichnen wäre.
An der Nachbörſe waren 24er K.=Schatzanweiſungen erholt 760 Geld,
800 Brief; ſonſt handelte man Kleinigkeiten etwa auf der Baſis der
Einheitskurſe.
w. Berliner Börſenſtimmungsbericht. Am heutigen
Effektenmarkte wurde das Intereſſe zunächſt von der Bewegung der
K.=Schätze in Anſpruch genommen infolge der Bekanntgabe der
Um=
tauſchmöglichkeit der E.=Schätze. Für vorausgeſehen wurde, ſtellten ſich
die Kurſe für 1923er und 1924er K.=Schätze erheblich niedriger, und zwar
auf 480 bis 440 Millionen bzw. 750 000 bis 675 000. Die übrigen
deut=
ſchen Anleihen blieken dagegen gut behauptet. Kriegsanleihe ſtellte ſich
ſogar mit 1135 gegen den Freiverkehr etwas höher. Für Aktien ſchien
zunächſt gute Meinung zu beſtehen. Die Kurſe zeigten infolge
Ueber=
wiegens der Nachfrage zum Teil kleine Beſſerungen, beſonders für
Montanwerte und Kaliaktien. Auch chemiſche Werte wurden meiſt etwas
höher bezahlt. Bald jedoch ſtellte ſich nach Befriedigung der erſten
Kaufluſt heraus, daß wegen der ungeklärten politiſchen Lage und der
Ungewißheit über die Wirkung der Umſtellung auf Goldmarkbilinzen
die Spekulation neuen Engagements abgeneigt war; bei äußerſt regem
Geſchäft bröckelten die Induſtriewerte vielfach etwas ab. Bankaktien, für
die von vornherein gute Meinung beſtand, konnten ſich beſſer behaupten,
und auch Schiffahrtsaktien erwieſen ſich widerſtandsfähig. Ausländiſche
Renten waren vernachläſſigt und wenig verändert.
Oeviſenmarkt.
Amſterdam=Rotterdam..
Brüſſel=Antwerpen .....
riſtiania. . . . . . . . . . . .
openhagen .........."
ſockholm . . . . . . . . . . . . ."
Helſingfors annnnnnnn
Italien ...............
London .............
New=York.............
Paris. . ... .. . . .... . . ..
chweiz .............."
Spanien..............
Wien (i. D.=Oſterr. abg.).
Prag ...... .... .......
Budapeſt. . .. . ..... ...
Buenos=Aires. . . . ......
Bulgarien. ... . . .......
Japan .......... ....."
Rio de Janeiro .. .. .. .."
Belgrad.. . . . . . . . . . .. . ."
Liſſabon ........... ...
Danzig ............."
Konſtantinopel .... .. ..."
12 18.79 22.19- 55.79 5.94 12.56- 6 5.44- 39. 5.46- 165 305 3.0 3.0. 30 10 5.81. 5. 83- 5.88— 5.9 voll * volle 74.70 75 08 74.71 .09 voll 2.27 2.29— 2.27— 2.29— voll
Berliner Kurſe. (Eigene telegr. Meldung.)
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich mit 1000 000 000,
Aktiengeſ. für Anilinf
AſchaffenburgerZe
B
Augsb.=Nürnb. Ma
Berl.=Anhalt=Maſchinen
Berl. f.Elektr. W. vorzug
Bismarckhütte ......"
Braunkohlen=Briketts .
Bremer Vulkan ......
Wolle. ......
Chem. Hehden .......
Veiler .......
Deutſch=Atlant. Tel. ..
Deutſche Maſchinen. .
Deutſch=Niedld. Tel. ..
Deutſche Erdöl .......
Petroleum ..
Deutſche 2
Dt.
erke .......
Dt. Waffen u. Munition
Donnersmarchütte ...
Dynamit Nobel ......
Elberfelder Farben:...
Elektr. Lieferung .....
R. Friſter ..........."
Gaggenau Vorz. .. . . .
Gelſenk. Gußſtahl ....
Geſ. f. elektr. Untern..
Halle Maſchinen .....
Han. Maſch.=Egeſt.. . . .
1.
382,
400
80
16400
1000
*
2.
5i50
36:0
8
3360
48000
65500
*
14300
6
14750
9375
19. 9.
Hanſa Dampfſch. . . . ..
vemoor Zement .....
Hirſch Kupfer ........"
Höſch Eiſen .........."
M
vohenlohe Werke. ...
Lahla Porzellan .....
indes Eismaſch. . . . .
Lingel Schuh L.....
30
Linke u. Hofmann ....
L. Loewe u. Co. ..../ 605
Lorenz ...........
Neguin . . ."
.:.
Liederländiſck
le:
ſtordd. Gummi ......
Orenſtein. . . . . . . . . . . .
Rathgeber Waggon..
Rombacher Hütten. .„
Roſitzer Zucker .......! 440
Rütgerswerke ......."
Sachſenwerk ......."
Sächſiſche Gußſtahl . ..
Siemens Glas ......"
20000
hale Eiſenhütte . . . . .
Ver. Lauſitzer Glas ...1 19750
Volkſtedter Porzellan.
Weſtf. Eiſ. Langendreer
Wittener Gußſtahl .. ../ 20250
Wanderer=Werke .....! 7600
Frankenkurs in London:
Markkurs „ „
84.23
18.75
DTRt
Darmſtadter und Nationaloank, Kommandit=Geſeuſchaft auf undien.
Die Notierungen ſind in Billionen
Frankfurter Kursbericht vom 22. September 1924
Prozent ausgedrückt.
Europäiſche Staatspapiere.
a) Deutſche.
6% Reichsanleihe ..........."
8½7
,
500
P
Dollar=Goldanleihe per
1932
Dollar=Schatzanweiſungen „iſe
4)
4138 u= J Schazann
VI.—IK.
4¾Dt. Schutzgebiet v.0,8-11u. 13
v.14
Sparprämienanleihe .. . . ....."
wangsanleihe .............."
125 Preuß. Konſols „.....
½%
.......
J
4% Bad. Anl. unk. 1935 ......
„ v. 1907 .......
½2
1896 ......"
4% Bahern Anleihe ........."
8½%
Heſſ. Dollar Goldmk.=Schatzanwv.
rckz. 26 .. .. . ... . ... . ......"
16% Heſſen Reihe XXXYI.
untilgb. b. 28 . . . . . . . . . .. . . ."
9 Heſſen unk. 1924.. . . . . . . . .
3½% „................
38
.......... .......
48 Württemberger alte .....
b) Ausländiſche.
6% Bosnien L.=E.=B. v. 1914..
L.=Inveſt.=Anl. v. 1914
v. 1902 ..........."
„ . ..
2 Bulgar. Tabak 1902.......
Griech. Monopol ......"
4½% Oeſt. Staatsrente v. 191:
ab 1918 ............"
Oeſt. Schatzanweiſ., ſtfr.
v. 1914 ..................
% Oeſt. Goldrente ........."
4% „ einheitl. Nente .....
5% Num. am. Rente v. 03....
Goldrente v. 13 ....
½3%
„ am. Goldrente konv.
*
am. v. 05 ..... ....
4%
Türk. (Admin.) v. 1903....
(Bagdad) Ser. I..
„II..
v. 1911, Zollanl. ...
4½2% Ung. Staatör. v. 14 ...
Goldrente ........"
Staatsr. v. 10 ....
42
Kronenrente ......
Außereuropäiſche.
5% Mexik. amort. innere .. . . ..
konſ. äußf. v. 99... ..
Golb v. 04, ſtfr. . . . .
konſ. inner. ......
½%a
Frrigationsanleihe .
52 Tamaulipas, Serie T......
Oblig. v. Transportanſt.
4½ Cliſabethbahn ſtfr. . . . . . . .
½ Gal. Carl Ludw.=Bahn.. . .
5% Oeſt. Südb. (Lomb.) ſtfr. . .
Mo 1. 2,25 2.175 4,2 4,2 11,75 10Fie M 1 3 Ss= 185 1,9 2 z Pie —
D — 13,25 Gie 6,25 8.7 2. — 20 20.— 2.4 2.* 2.95 6,25 6.4
Alte Oeſt. Südb. (Lomb.
% Oeſt. Staatsb. v. 1883 ....
20 Oeſt. „ 1. b. 8. En..
9. Em. ....
„
v. 1885 ....
32 Oeſt. Staatsb. b. Erg. Netz
Nudolfb. (Salzkammerg.) ..
Anatolier I............"
330 Salon. Conſt. Joneion ...
Salonique Monaſtir ......"
5% Tehuantepee. . . . . . . . . . . .."
41
„
Nach Sachwert verzinsl.
Schuldverſchreibungen.
½ Badenw. Kohlenwrtanl. v. 23
5% Ffter. Pfandbr.=Bk. Goldobl.
Em. . . . . . . . . . . . . . . . . . .."
br.=Bk. Goldobl.
58 Fſter. Pfa=
II. Em....
...
Mannhein
6% Großkraftt
Kohlenwertanl. b. 23 1533
80 Heſſ.Braunk.=Rogg.Anl
Neckar A.=G. Stuttgart Gold
89
anl. b. 23........ . ........
d.
5%0 Pfälzer Hyp.=Bank. Ge
fdbr. v. 24........ ......."
5%½ Preuß. Kaliwert=Anleihe ..
58
Roggenwert=A
2.
5% Rhein. Hypot.=Bank
Gold=
br. v. 24 .........."
hein=Main=Donau Go
5%
anl. v. 23 ........... ...."
5% Sächſ. Braunk.=Anl. v. 23
er. T u. II...."
..
Se
Sächſ. Roggent
anl. b. 2
5% Südd. Feſtwertbk. Goldobl,
Bank=Aktien.
g. Dentſche Creditanſtalt. . . .
ank für Brauinduſtrie ......
darmer Bankoerein. .......
jaher Hypoiheken= u. Wechſelb.
Berliner Handelsgeſellſchaft . . .
Commerz= und Privatbank ...
armſtädter u. Nationalbank ..
tiſche T
ime u.W
jan:
Deutſche Hypot=Bank Mein..
Deutſche Vereinsbank ........
Disconto=Geſellſchaft . . . . ....."
dresdner Bank. . .........
Frankfurter Bank ..........."
Hypotheken=Bank.
Metallbank.
„
Eredit
Mitteldeutſch
mk. . . ..
Leſterreichiſche Creditanſtalt . ..
Reichsbank=Ant. .. ... ... ...
Ahein. Creditban ..........."
Hypothekenbe
......
Süddeutſche Disconto=Geſellſch.
Weſtbank ................ . . ."
Wiener Bankverein .........."
Bergwerkö=Aktien.
Berzelius .. . .. .. ...........
Bochsmer Bergb. ..........
Buderus. . . . . . . . . . . . .. ......
Dt. Luxemburger .. . . . . . . . . .."
Eſchweiler Bergwverks=Akt. . . ..
Gelſenkirchen Beraw. ........
Harpener Bergbau..... ....
19. 9.
Söio
10,2
94.
26.
12,75
9.375
2.1
0.300
0.250
5,5
11.5
50,9
68½
ETauſend M— Millionen M4— Tilliarden 0U— ohne Umſatz
rationiert.
22 9. 19. 22. — Kaliwerke Aſchersleben .... ..." 16 Salzdetfurth . . . . . . .„ Weſteregeln ......."
glöcknerwerke (abg. Lothr. Hüttel 195 19,25 1. Nannesmann Nöhren ........" 39,5 40.2 Mansfelder ................ 4.125 10 Oberbedarf ................. ½ Oberſchleſ. Eiſen Caro) ......" tavi Minen u. Eb.=Ant. ... 7 Bhönix Bergbau .........." 41 tahlwerke ...........
Nhe Riebe
* Montan.. . . ....... Rombacher Hütte .. . .. . . . . . .." 7.25 Tellus Bergb.= u. Hütten=Akt. . . 1,9 9.5
172 Ver, Lanrahütte .. .. .... . . ..."
Aktien indnſtr. Unternehmung.
Brauereien 6.45 Henninger Kempf=Stern. . . . . . 38,5 60,75 Löwenbrän München ........" Schöfferhof (Binding)........" 23. 10½g Werger ...................."
D 17 — Akkumulat. Berlin ..........." dler & Oppenheimer .. . . . .." Adlerwerke (v. Kleher) ......." A. E. G. Stamm. . . . . . . . . 6% „ „ Vorzug Lit.A ... 17 Vorzug
Lit. B..." Amme Gieſecke & Kon
gen .... — Anglo=Continental=Guano .... nilin Bln.=Treptow. . . . . .. 1 1,6 Aſchaffenburger Zellſtoff ...." Badenia (Beinheim)..... — Badiſche Anilin=n. Sodafabrik. Bad. Maſchf. Durlach ........" Bad. Uhrenfabr. Furtwangen..
Baldur Piano.. ............. 2.2
2,1 * ſt Nürnberg .............. 19 Bahriſch. Spiegel....... .. Be
eck & Henkel CCaſſel) .. D * Bergmann El. Werke .... D 9.
Ting. Metallwerke ... .. . . .. . ." 23 75 Brockhues, Nieder=Walluf. .... Eementwerk Heidelberg.. ..... 3 15,5 10 Karlſtadt . . . . . . ."
„ 6,25 3.9 ingen (Metz).
Chem. Werke Alb
t.........." 0,2501 10.25 Griesheim Elektron .... 12,5 fabrik Milch) ......... 11 6.75 Weiler=ter=mer ....... 14,75 1.75 De
imler Motoren.......
ſeutſch. Eiſenhandel Berlin". 6.25 12,6 deutſche Erdöl.
..... Lo 2."
Dt.
IId= u. E 14,6 149 ingle
ücken .. . . . . . .
er, Zweil 487 Dresdener Schnellpreſſen .... 21 Di
verk (Stamm) ... ..." Düſſeld. Ratinger (Dürr)....." 25 25 Dhyckerhof & Widm. Stamm ... 3.05 0.300 Eiſenwerk Laiſerslautern ..... 155 4245 2. Meyer fr. ...... Elberfelder Farbw. v. Baher .. 1o 16,45 Kupfer=u. Meſſingw. 5,1 Elektr. Lieferungs.=Geſ. ...... 1 14,2 Licht und Kraft . . . . . . . 8,2 11.1 Elſäfſ. Bad. Wolle.. .. . . .... .." ſ 6,25 9,25 mag, Frankfurt a. M.. . . . . .. 0,330 2.330 74.75 Email.= & Stanzw. Ullrich .... 4,4 SA nzinger Werke ....... . ... .." 68,5 Eßlinger Maſchinen .. ........ 5,25 ttlingen Spinnerei ........ 76 Faber, Joh. Bleiſtiſt ........ — 42,75
Faber & Schleicher .........."
Fahr, Gebr., Pirmaſens ....
Felten & Guilleaume, Carlsw..
Feinmechank (Jetter). . .. ..
Feiſt Sektkellerei Frankf. a. M
Frankfurter Gas.. . . . . .. .. . . .
Frankfurter Hof............"
Fkf. Maſch. Pokorny & Witte
Fuchs, Waggon Stamm .....
Ganz. Ludwig, Mainz .......
ing & Cie. ..............
ania Linoleum ........."
Gelenkirchen Gußſtahl .......
Goldſchmidt, Th. ..........
Gotha
Laggon ..........
Gre‟
nius, Maſchinen Stami
Gritzner Maſchinenf. Durlach.
Grün & Bilfinger ...........
Hammerſen (Osnabrüch) ......
Hanfwerke Füſſe
„.
v."
Heddernheimer K
pfer ......."
eyligenſtaedt, Gießen ......
ülpert Armaturenf. ........
Hindrichs=Auffermann. „..n..
Hirſch Kupfer u. Meſſ........
Hoch= und Tieſbau ..........
Höchſter Farben .............
Holzmann, Phil. ....... .....
Holzverk.=Induſtr. .........
Hydrometer Breslau „.....
Inag ...
................
Funghans
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Karlsruher Maſchinen ........"
urſtadt N............
Klein, Schanzlin & Becker ...
Knorr, Heilbronn............
Schüle Spinn. . ......
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enfabrik Braun ......
Co., Lokom. . . . . . . . .
Lahr
er & Co. ............
Augsburg .............
Lederw. Rothe „uusnasssssass
Lederwerke Spicharz .......
Lingel, Schuhw. Erfurt .....
Löhnberger A
hle .........."
Lüdenſcheid Metallw. . ......
Luthe
Maſch.=u Müh enbau.
induſtrie ..........."
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verke Höchſt ......."
Reguin, Butzbach ........
tallgeſ. Frkft. .........
Meyer, Dr. Paul ...........
Miag, Mühlenb., Frankf. a. M..
1s Stamm .. . . . . . . . . . .
Loenn
enfabrik Deutz ........."
...
Notorenſahri Oberur ſerie
ckarſulmer Fahrzeugw
Neckarwerke Eßl. Stamm .. . . .
Oleawerke Fra
furt a. M.....
Beters Union Frankfurt a. M.
fälz. Nähm., Kayſer ........"
Philipps A.=G. ............
Porzellan Weſſel ............
Reiniger, Gebbert & Schall...
Rhein. Elektr. Stamm .. . . . . . .
„ Metall Vorzüge.......
Rhenania, Aachen ..........."
Riedinger, Maſchinen ........."
Rückf
Stettin ...........
Rütger.
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hleußner (Frankfurt a. M.) ..
Schneider E Hanau... . . . . . . .
chnellpreſſen Franke
hal. . . .
Schramm Lackfabrik. . . . . . . . . .
hriftgießerei Stempel, Ffm.
Schuckert Eleltr. (Nürnberg) ..
19,2 z. 14 1,6 3. .05 2. 5is 43 3,06 1,1 9,5 15,3 28 35 7,6 dag 875 16.85 16.4 49 G 1. 9- 5.25 9,25 8,75 8 875 41 6
4. vol 2.98 3.25 3i,5 —
Schuhfabrik Berneis=Weſſel ...
Schuhfabrik Herz ............
Schuhf. Leander Offenbach ...
Schulz, Grünlack, RdZh.. ...
Seilinduſtrie Wolf .........
Sichel & Co. Mainz .........
Siemens Elektr. Betrie
e...
jiemens Glasinduſtrie .......
mens & Halske.. . ........
töckicht=Offenbach=G
mi..."
üddeutſche Immobilien ...
*
Thüring. elektr. Lief.=Geſ., Goth
uhrenfabrik Furtwängler .....
chwerke in Sandbach ..
erein f.Chem. Induſtr. Frkſt,
Verein deutſch. Olfabr. Me
.Faßfabriken Caſſel ...."
ummifabr. Bln.=Frkf..
Pinſelfabr. Rürnberg ..
Ultramarin ... .. .... ..
Zellſtoff, Berlin .......
Vogtländ. Maſch. Vorzüge ....
S.
stämme „.
Voigt & Haeffner Stämme ..7
Voltohm, Seil.............."
Bahß & Frehtag. . . . . . . . . . . . .
Begelin Rußfabrik.
........
Zellſtoff Walohof
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Zuckerfabr. Waghäuſel ... .. .."
Frankenthal ......"
Heilbronn. . :.77.3
Offtein ..........
Rheingau .........
Stuttgart . . . . . . . . .
Tranzport=Aktien.
Deutſche Eiſenb.=Geſ. Fftm. ..
Schantung E. B............."
Süddeutſche Eiſenbahn=Geſ...
Hapag (Paketfahrt) ........"
Nordd. Llohd. . . . . . . . . . .. ...."
Darmſtädter Werte.
Bahnbedarf .. . . . . . . .. ...
Dampfkeſſel Rodberg......
elvetia Konſervenfabrik..
br. Lu
Jor
Darmſtadt .
Gebr. Roeder L.usnnsssss.
Venuleth & Ellenberger ..
Unnotierte Aktien.
Abf .. . . .. ..... .............
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Beckerſtahl ................."
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lonwerke .
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Großkraftw. Wi
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Unterfranken (Ufra) ........
anſa Aohd . . . .. .........."
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Krügershall Kali.........."
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Otto & Quanz.. . . . . . . . . . . . ..
Raſtatter Waggon ..........."
Textil=Ind. Barmen (Tjag)....
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3.
40.5
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35
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Karlſtr. 4
Telephon
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[ ← ][ ][ → ]9
Nummer 265.
Dienstag, den 23. September 1924.
Seite 11
4)
Das deutſche Herz.
Roman von Adolf Schmitthenner.
(Nachdruck verboten.)
In ſolcher Stimmung dachte er mehr als ſonſt an ſein Ende
ind beſchäftigte ſich viele Winternächte hindurch mit ſeinem
Teſta=
nent. Stellte er ſich den heilloſen Wirrwarr vor, worinnen ſein
Zeſitztum zerbröckelt und zerfafert würde, ſo lachte er bitter auf
ind er ſah zu den Sternen hinauf und ſagte zum alten Herrgott:
Du willſt es ja ſo haben; du haſt mir meine Knaben getötet und
nein fruchtbares Weib haſt du mir genommen.‟ Der
Zerſplitte=
ung konnte er durch ſeinen letzten Willen nicht wehren. Die
auptteile fielen an das Reich, an Mainz und an die Pfalz zurück.
frei verfügen konnte er nur über die Gebiete, die Eigenſitz ſeines
dauſes waren. Er verteilte ſie in ſtrenger Gerechtigkeit unter ſeine
ahlreichen Verwandten und verknüpfte damit die Verpflichtung,
ür Kirchen und Schulen und für die Armen zu ſorgen und die
aſten des gemeinen Mannes nicht ſchwerer zu machen. Alsdann
ing er mit liebevoller Umſicht an die Verteilung der fahrenden
dabe. Seine Diener und Knechte, ſeine Pfarrherren und
Schul=
neiſter ſeine Schultheiße und Vögte wurden bedacht und all ſeinen
Freunden und den Freundinnen ſeiner Frau Angebinde und
An=
ſenken zugewendet.
Lange überlegte er, wem er ſein Lieblingsroß, den ſchwarzen
Zerberhengſt, verehren ſolle. In ſeinen wachen Traumen, wenn er
ſem Kaiſer Barbaroſſa die Schlacht bei Legnano rettete, ritt er
ieſen Gaul, und wenn ihm der Rotbart zur Belohnung zwei
wei=
ere Geweihzacken in den Wappen ſchenkte, wieherte das kluge Roß
n zitterndem Stolz. Wem ſollte er ſeinen Berber ſchenken?
Da fiel ihm jener junge Enzberg ein, den ſein Sohn zum
Zweikampf gefordert hatte, weil er die Hirſchhorn tückiſch
geſchol=
en. Die Haltung des jungen Mannes, hatte ihm wohlgefallen.
Wenn er noch lebt, ſoll er meinen Hengſt haben,, ſagte er zu ſich
ind ſchrieb alſo; iſt er tot oder verdorben, ſo gehört der Hengſt
Philipps von Helmſtatt Sohn, dem jungen Albert, dem Bruder
neiner Margarete.,
Friedrich ſtutzte. Er beſah das Papier. Richtig; er hatte
ge=
chrieben: meiner Margarete. Er ſtrich das wunderliche
Wört=
hen aus, ſo lange, bis kein Buchſtabe mehr zu erkennen war; dann
ging er an die Verteilung ſeiner Wertſtücke und ſeiner Kleinodien.
Es bot ihm ein wehmütiges Vergnügen, den Schmuck, den
eine Gattin getragen hatte, vor ſich auszubreiten und aus jedem
Ring, aus jeder Kette, aus jeder Spange die Erinnerung heraus=
Junge Frau geht
flicken und nähen.
Näh. Geſchſt. (*27460
zuſpinnen. Einen ganzen Abend ſaß er ſo, nahm ein Stück ums
andere in die Hand, hielt es ins Licht, lächelte, ließ die Hand
ſin=
ken und ſah ins kniſternde Kaminfeuer. Weiter kam er diesmal
nicht.
Am folgenden Abende holte er die funkelnden Dinger von
neuem herbei und verteilte ſie auf dem großen eichenen Tiſch in
elf Häuflein für die elf Mumen, Baſen, Nifteln und Freundinnen,
die er bedenken wollte. Zehne von dieſen Häuflein waren unter
ſich gleich, das elfte aber war größer als die halbe Zahl aller
üb=
rigen zuſammengenommen. Als er Ueberſchau hielt, lächelte er
und dachte: Margarete von Helmſtatt wird von mir behandelt wie
Benjamin von Joſeph; ſteht doch geſchrieben: dem Benjamin
ward fünfmal mehr gegeben als den anderen.
Er bedeckte die andern Häuflein mit Tüchlein, ſodaß er nur
die Kleinodien ſah, die er für die Tochter ſeines liebſten Freundes
beſtimmt hatte. Es waren all die Sachen dabei, die ſeine Frau
zu tragen pflegte. Er ging ſie noch einmal durch und ſagte dann
laut:
„Nun, Urſula, was ſagſt denn du dazu?”
Er ſah ſich im leeren Zimmer um, als müſſe irgendwo ſeine
Frau ſtehen oder ſitzen.
Die andern Kleinodien ließ er im verſchloſſenen Zimmer auf
dem Tiſche liegen. Was für Margarete beſtimmt war, nahm er
mit ins Schlafgemach, legte es oben auf das Bett ſeiner Frau, und
vor dem Einſchlafen hob er halb den Kopf vom Kiſſen und
wie=
derholte: „Urſula, was ſagſt du dazu?”
In dieſer Nacht träumte ihm, er ſtünde auf dem unteren Hof
und ſchelte einen Knecht aus; da komme Urſula nach ihrer Weiſe
eilfertig an ihm vorüber und ſagte zu ihm: „Du, vergiß nicht, ihr
zu ſagen, daß ſie den Ring mit dem Onyx, nicht an die Lippen
führe, es iſt Gift unter dem Stein verborgen.‟ Damit verſchwand
ſie, und ſein Traum ging ins Geſtaltenloſe.
Am andern Morgen nahm er das Papier in die Hand, auf
dem er über die Juwelen verfügt hatte. Hinter die Worte „item
einen Ring mit ſchwarzem Stein, ſo Onyx genennet wird” wollte
er ſchreiben: merke, iſt ein Giftring; er hatte ſchon die Feder
ein=
getaucht, aber er legte ſie wieder hin und dachte: ſie hat geſprochen:
vergiß es nicht, ihr zu ſagen, mündlich ſolle ſie’ erfahren. Das
Teſtament erhielt keinen Zuſatz.
Es kam Weihnachten heran. Es war ein ſtilles,
erinnerungs=
reiches Feſt für den Schloßherrn zu Hirſchhorn.
Am zweiten Feiertag war der Junker vortrefflich aufgelegt,
denn er erwartete die Weihnachtsgabe vom Stift Odenheim. Die
beſtand nach uralter Satzung aus zwei gleichgroßen Kuchen von
feinſtem Weizenmehl und vorgeſchriebenem Gewicht. Zu
beſtimm=
ter Stunde mußte der Bote eintreffen. Er ritt denn auch
nachmit=
tags um drei Uhr den Schloßberg hinan. Friedrich ſtand unter
dem Tor. Der Gaul war ein Schimmel, wie es Rechtens war. Der
Schimmel war einäugig; hätte er ſein ander Auge noch gehabt,
owäre die Spende zuruckgeſchickt worden. Friedrich gingen neben
dem ſchweigenden Boten einher bis in den inneren Hof. Das
ge=
ſamte Burggeſinde war hier verſammelt. Die Schaffnerin
emp=
ing den Sack mit den beiden Kuchen, um ſie zu wägen und den
Gehalt zu prüfen. Der Schultheiß von Hirſchhorn empfing eine
Urkunde vom Ortsgericht zu Eſchelbach, das auf Pflicht und
Ge=
wiſſen bezeugte, daß die beiden Kuchen beſchaffen ſeien, wie die
Schrift gebiete. Der Junker aber führte den abgeſtiegenen Knecht
aus dem Schatten in das helle Licht und ſah ihm ins Geſicht. „Er
iſt einäugig!” ſagte er, „er wird angenommen.
Nachdem nun alles, der Gaul, der Knecht, die beiden Kuchen
und die Urkunde in Ordnung befunden worden, wurde der
ein=
äugige Schimmel in den Stall geſtellt, und es wurde goldgelber
Hafer über ihn geſchüttet, Malterſack um Malterſack, bis der Gaul
über die Sattelgurt, in den köſtlichen Körnern ſtand. Der
ein=
äugige Bote ſchaute zu, bis dem Schimmel ſein Recht widerfahren
war. Dann wurde er in die Geſindeſtube geführt, allwo für ihn
allein der Tiſch gedeckt war. Auf zinnernem Geſchirr wurde ihm
aufgetragen und vorgelegt alles, was die Herrſchaft an dieſem
Tage ſpeiſte, und zwar Frühſtück, Mittagsmahl und
Abend=
eſſen hintereinander in einem Zug. Dazu bekam er drei Maß
Wein, wie ihn die Herrſchaft trank.
Das Geſinde ſtand herum, ſah ihn ſpeiſen und zechen und
ge=
leitete ihn ſchließlich in die Kammer, wo ihm ein Federnbett
auf=
gebaut war, wie es die Satzung verlangte.
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Eichberg
Übelshäußer’s Nachf., Inh.: Louis Lebach
Obere Elisabethenstraße
27411)
nur Ernst-Ludwigstr. 6.
V Zur Messe sind die echten AufPElsrPeEn aus Mürnberg wieder eingetroffen Man achte genau auf die Firma Andreag Pemsl (*27141sidaus Mürnberg