Darmstädter Tagblatt 1923


19. November 1923

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Numier 320 Montag, den 19. Rovember 1923 186. Sahrgang

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Zentralvorſtand der Deutſchen Volkspartei
hinzer Streſemann.
Berlin, 19. Nob. (Priv.=Tel.) Die Ausſprache des Zen=
rſtandes
der Deutſchen Volkspartei, an der ſich Vertreter
Wahlkreiſe, wie auch zahlreiche Miiglieder der Fraktion be=
en
, geſtaltete ſich zu einer überwältigenden Vertrauens=
ebung
für den Parteiführer und Reichskanzler Dr. Streſe=
Das Ergebnis der Ausſprache fand ſeinen Ausdruck in
ider Entſchließung:
Der Zentralvorſtand der Deutſchen Volkspartei gedenkt
t Trauer und Stolz der tapferen Volksgenoſſen an Rhein
d Ruhr in tiefſter Not und iſt mit der Reichsregierung einig,
ß der ſtaatsrerechtliche Zuſammenhang des beſetzten Ge=
ts
mit Reich und Ländern unverändert bleibt. Deutſch iſt
s beſetzte Gebiet, und deutſch ſoll es bleiben immerdar.
Der Zentralvorſtand ſpricht dem Parteiführer Dr. Streſe=
inn
ſein vollſter Vertrauen aus. Er iſt der Auffaſſung, daß
on mit Rückſicht auf die außenpolitiſchen Beziehungen jede
nderung in der Führung der politiſchen Geſchäfte völlig
sgeſchloſſen iſt, ſolange nicht die Möglichleit beſteht, eine
ößere Baſis für das Kabinett zuſtande zu bringen. Er ſieht
her in der Zuſammenfaſſung der zurzeit das Kabinett
tzenden Parteien unter Führung des Reichskanzler Dr.
reſemann die einzige parlamentariſche Möglichkeit für eine
deihilche politiſche Weiterarbeit. Der Zentralvorſtand nimmt
n der Erklärung des Franktionsvorſitzenden Kenntnis, daß
n Mitglied der Reichstagsfraltion gewillt iſt, die Perſon
s bewährten Kanzlers irgendwelchen Forderungen anderer
rrteien zum Opfer zu bringen. Er erwartet von der Reichs=
18 fraktion und iſt davon überzeugt, daß ſie ihren Führer
ſeiner Politik reſtlos unterſtützen wird.
die Entſchließung wurde mit der überwältigenden Mehrheit
96 gegen 11 Stimmen angenommen. Der Vorſitzende, Exz.
hter, ſchloß die Tagung mit einem Dankeswort an alle Be=
en
, inſonderheit an den Parteiführer Dr. Streſemann.
Von unſerer Berliner Redaktion.
die kommende Woche ſoll über unſer innerpolitiſches Schick=
Aitſcheiden. Der Kanzler wird ſich am Dienstag dem Reichs=
tellen
und ein Vertrauensvotum verlangen. Am Montag
im Auswärtigen Ausſchuß in vertraulicher Ausſprache ſchon
zerlei geſagt werden, wvas ſich für die öffentliche Wieder=
nicht
eignet. Dr. Streſemann wird hier Gelegenheit haben,
Hinweis auf verſchiedene finanzielle Abſchlüſſe, die im
en ſind, das Verantwortungsgefühl der Parteien zu ſchär=
Die Trümpfe, die er in der Hand hat, ſind ſo ſtark, daß er
wärtig noch beſtimmt auf eine Mehrheit rechnet, ſo ſehr auch
ahlen gegen ihn ſprechen mögen.
Zorausſetzung aber für ſeine Weiterarbeit war und iſt, daß
teinmal ſich in ſeiner eigenen Partei ſicherte, wo ſeit Wochen
den gehäſſigſten Mitteln ein Feldzug gegen ihn geführt
e, ein Feldzug, der nach außen hin, zwar um prinzipielle
renzen zu gehen ſchien, im Grunde jedoch nichts weiter war,
der Ausfluß perſönlicher Verärgerung und unbefriedigten
eizes. Um dieſem Unſug ein Ende zu machen, war am
itag der Zeutralvorſtand der Deutſchen Volkspartei zuſam=
erufen
worden, der in einer feſt 11ſtündigen Sitzung in aus=
zſter
Ausſprache eine gründliche Reinigung der Atmoſphäre
ahm und dem Parteiführer ein hieb= und ſtichſeſtes Ver=
nsvotum
ausſprach. Eine Mehrheit von über 200 gegen
11 Stimmen ſtellten ſich hinter Dr. Streſemann und ver=
ſten
auf das Entſchiedenſte die Quertreibereien, die gegen
ns Werk geſetzt waren. Die Entſchließung, die zur Annahme
gte, iſt noch verhältnismäßig milde gefaßt. Die ganze Aus=
de
war faſt eine moraliſche Hinrichtung der kleinen Gruppe,
ich um die Abgeordneten Quaartz und Maretzky gruppiert.
varen zuletzt ſo klein, daß ſie nicht einmal dagegen Einſpruch
ſen, als der Fraktionsvorſitzende feſtſtellte, daß in der Frak=
niemand
daran denke, Dr. Streſemann den deutſchnatio=
: Forderungen zu opfern. Wenigſtens nach der Richtung iſt
die Lage jetzt geklärt. Der Kanzler hat Ruhe vor den An=
en
aus den eigenen Reihen. Sollte der Kampf von neuem
hen, dann wird hoffentlich die Reichstagsfraktion von ſich
das Erforderliche tun. Dabei iſt grundſätzlich feſtzuſtellen,
in der Einſtellung der Deutſchen Volkspartei Gegenſätze
tlich nicht vorhanden ſind. Die große Koalition iſt durch
Verhalten der Sozialdemokraten erledigt. Wünſchenswert
t alſo der bürgerliche Block unter Einbeziehung der Deutſch=
mnalen
und der Baheriſchen Volkspartei. Der Unterſchied in
Auffaſſung beſteht materiell nur darin, daß nach der Auffaſ=
der
überwiegenden Mehrheit der Partei die Deutſchnatio=
n
durch ihr ganzen Verhalten zu erkennen gegeben haben,
ſie dieſe bürgerliche Mehrheit nicht wollen, oder jedenfalls
wollen, wenn ſie unter ihrem Kommando ſteht, und daß es
alb würdelos wäre, wenn die Deutſche Volkspartei auf das
at der Deutſchnationalen hin daran Bedingungen einſchließ=
der
Opferung des Reichskanzler annehme, wvährend die Min=
eitsclique
, um Dr. Streſemann zu ſtürzen, noch einmal an
Deutſchnationalen herantreten will. Dem iſt jetzt vorgebaut.
in die Deutſchnationalen bereit ſind, die Verantwortung mit
bernehmen, dann iſt es ihre Aufgabe, an die Deutſche Volks=
ei
heranzutreten. Ob ſie das tun, bleibt abzuwarten. In=
chen
wird die Sitzung des Reichstags am Dienstag auf die
en Zweifel über die Stellung der Deutſchnationalen und der
ialdemokraten beſeitigen. Beide Parteien vereint, können
neue Kriſis heraufbeſchwören, aber nur, wenn ſie ſich dar=
klar
ſind, daß ſie die verfaſſungsmäßige Vorausſetzung der
en parlamentariſchen Regierung zerſchlagen wollen,

Berlin, 19. Nov. In der geſtrigen Sitzung des Zentral=
vorſtands
der Deutſchen Volkspartei ſprach der Reichskanz=
ler
über die politiſche Lage. Daß die Aufgabe des paſſiven
Widerſtandes eine Notwendigkeit war, beſtreite niemand. Es
werde vorgeworfen, die Aufgabe des paſſiven Widerſtandes ſei
bedingungslos erfolgt und habe den vollkommenen Zuſammen=
bruch
unſerer Außenpolitik dokumentiert. Demgegenüber ſei
zweierlei feſtzuſtellen: 1. Machtmittel, um die Bedingungen durch=
zuſetzen
, gebe es nicht, und die ideelle Widerſtandskraft, auf der
der paſſive Widerſtand zunächſt aufgebaut wurde, war nicht von
unbegrenzter Dauer, und je ſchwerer die Ausgaben auf unſeren
Finanzen laſteten, umſomehr wußten wir uns entſchließen, den
Widerſtand auch ohne Durchſetzung unſerer Bedingungen auf=
zugeben
. 2. Es mußte verſucht werden, ob ſich mit Frankreich
zu einer Löſung kommen ließ oder nicht. Die diplomatiſche Ent=
wicklung
, auch wenn ſie ſich praktiſch erſt in letzter Zeit auswirken
konnte, gab doch wohl kein Recht, von einem außenpolitiſchen
Mißerfolg zu ſprechen, ſoweit das Kabinett überhaupt imſtande
war, auf dieſe Entwicklung unmittelbar einzuwirken.
Alle Maßnahmen politiſcher und diplomatiſcher Natur haben
dazu beigetragen, daß in dem zielbeivußten Zuſammenwirken der
beiden angelſächſiſchen Mächte eine Lage für Frankreich eingetre=
ten
iſt, die dieſes Land auf die Dauer nicht ſo wird ertragen kön=
nen
wie bisher. Er wolle gar nicht behaupten, daß die Wirkun=
gen
dieſer Politik für uns zunächſt unter allen Umſtänden glück=
lich
ſein werden. Die Bedeutung der Entwicklung liege für uns
darin, daß ſie vielleicht einen neuen europäiſchen Geſchichts=
abſchnitt
einleiteten. Dieſe Bedeutung bleibt beſtehen, auch wenn
die nächſten Folgen in weiteren Gewalttaten Frankreichs be=
ſtehen
. Er könne keine Hoffnung machen, daß es in Deutſchland
in der nächſten Zeit beſſer werde. Wir könnten unſerer Wirtſchaft
nicht ſofort aufhelfen und ein weiteres Wachſen der Arbeitsloſig=
keit
nicht verhindern.
Der Etat ſei auf dem Papier ins Gleichgewicht gebracht, ob
er ſich aber werde durchführen laſſen, das müſſe erſt die Praxis
ergeben. Wir ſtehen vor der Tatfache, daß wir Rhein und Nuhr
nicht mehr finanzieren können, ohne daß das ganze Reich zu=
ſammenbricht
. Man macht ſich in der Oeffentlichkeit noch nicht die
richtige Vorſtellung davon, daß wir unter einer inländiſchen
Finanzkontrolle ſtehen, nämlich der Rentenbank. Mit den Kre=
diten
, die wir von dieſer Seite bekommen, müſſen wir unbedingt
auskommen. Die beſetzten Gebiete brauchen für zehn bis vier=
zehn
Tage etwa 100 Millionen Goldmark. Unſer Kredit würde
alſo, wenn wir auch nur noch wenige Wochen weiterzahlen woll=
ten
, bald erſchöpft ſein, und damit wäre alles verloren, was wir
mit der Rentenmark erreichen wollen. Zu dem Vorwurf, daß die
Einführung einer wertbeſtändigen Währung ſo lange gedauert
habe, erklärte der Kanzler: Bei den Ausgaben, die wir während
der Zeit des paſſiven Widerſtandes hatten, wäre das wertbeſtän=
dige
Geld in kurzer Zeit verbraucht worden. Damals brauchten
wir noch das Papiergeld.
Zur Kabinettsfrage ſagte der Kanzler, das gegenwärtige
Kabinett müſſe ſich die Mehrheit ſuchen, und wenn es die Mohr=
heit
nicht finde, ſo werde die Frage akut werden: ſoll nun der
Reichstag aufgelöſt werden oder ſoll das Direktorium kommen,
das ſich unter Ausſchaltung der Parteien auf die wirtſchaftlichen
Verbände ſtützt? Vor dieſem zweiten Wage warne er. Käme die
Diktatur, ſo würden wir die außenpolitiſche Gegenbelaſtung, die
daraus ermächſt, nicht mehr ertragen können.
Zur Rückkehr des Kronprinzen bemerkte er unter ſtürmiſchem
Beifall, man werde uns vorausſichtlich die Forderung ſtellen,
den Kronprinzen auszuliefern. Wir werden dieſe Forderung
ſelbſtverftändlich ablehnen.
Wir ſtehen in Verhandlungen über ausländiſche Kredite, die
nur dann zum Erfolg führen können, wenn Deutſchland ſich von
inneren Kriſen freihält.
Für die Mehrleiſtungen und Mehrproduktion wird die Re=
gierung
die Vorausſetzungen ſchaffen. Die Regelung der Arbeits=
zeit
wird ungefähr in de Sinne erfolgen, wie ſie durch das Ar=
beitszeitgeſetz
vorgeſehen iſt. Die Verminderung des Beamten=
apparates
, die Aufhebung der Ausfuhrkontrolle, die Führung
von Kreditverhandlungen und alles, was die Regierungstätig=
keit
ſonſt umfaßt, wird zeigen, daß das Kabinett es an Arbeits=
aftivität
und Verantwortungsfreudigkeit nicht hat fehlen laſſen.

General v. Seeckt gegen das Hochtreiben der
Goldgeundpreiſe.
Berlin 18. Nob. (Wolff.) Der Inhaber der vollziehen=
den
Gewalt, General der Infanterie v. Seeckt, richtete am 15.
November an die Wehrkreiskommandos folgendes Schreiben:
Die Währungswirren haben beſonders in den letzten Tagen
zu einem Hochtreiben der Goldmarkpreiſe geführt, das weite
Kreiſe aufs tiefſte beunruhigt. Auf dem Wege der Ware bis zum
Kleinhandel haben die Zwiſchenſtellen zum Ausgleich der Geld=
entwertung
Riſikoprämien eingeſchaltet, die ſchließlich den End=
preis
weit über die Friedenshöhe geſteigert haben. Die Kauf=
kraft
der Verbraucher dagegen iſt erheblich zurückgeblieben.
Heute beginnt die Rentenmark in den Verkehr zu treten.
Das Volk hofft aus ſeiner Not heraus ſehnlichſt auf ihre Heil=
kraft
. Sie ſoll das feſte Verhältnis zwiſchen Sachwert und Zah=
lungsmittel
wieder herſtellen, die Entwertungsprämien aus der
Preisſtellung ausſchalten und damit zur Senkung der Preiſe
beitragen. Die Durchführung dieſer Reinigung wird auf harte
Widerſtände ſtoßen bei zahlreichen Schädlingen, die an den Wäh=
rungswirren
ſich bereicherten. Die Reichsregierung hat an die
Länder ein Rundſchreiben erlaſſen, worin die Durchführung der
Wucherbekämpfung und die Uebernahme der Preisbildung
von Beginn der Ausgabe der Rentenmark ab beſonders nachdrück=
lich
gefordert wird. Ich bitte die Militärbefehlshaber, dieſer
Angelegenheit beſondere Aufmerkſamkeit, zu widmen und die
Beſtrebungen der Landesregierungen und Verwaltungsbehörden
tatkräftig zu fördern ſowie für die Beſtrafung der Schuldigen die
ganze Vollmacht der vollziehenden Gewalt einzuſetzen.

* Britiſche Wandlangen.
Von
Geſandten a. D. L. Naſchdau.
Es gewinnt immer mehr den Anſchein, daß die engliſche
Politik vor großen und ſchwierigen Entſcheidungen ſteht, die in
gleichem Maße ſeine auswärtige und innere Lage beſtimmen
werden.
Zunächſt darf auf die Beſchlüſſe hingewvieſen werben, die auf
der Konferenz der Dominions getroffen worden ſind. Die Ver=
treter
der großen Kolonien ſind jetzt nach mehrtöchiger Sitzung
auseinandergegangen, nicht aber ohne Verwährung eingelegt zu
haben gegen die bisherige Uebung, vermöge deren England über
fremde Intereſſen verfügte, ohne ſich der Zuſtimmung der Betei=
ligten
vorher vergewiſſert zu haben. Die Form, unter der dieſer
Beſchluß geſaßt wurde, iſt, da die Verhandlungen unter Ausſchluß
der Oeffentlichkeit erfolgten, nicht vollſtändig bekannt. Nach einer
kurzen, und wie es ſcheint amtlichen Mitteilung aber haben jetzt
die Dominions ausdrücklich verlangt, daß ihre Sonderintereſſen
genügend berückſichtigt werden. Damit tritt die Wahrſcheinlich=
keit
ein, daß bei einer größeren engliſchen Unternehmung das
Londoner Kabinett kaum mehr ſelbſtändig verfahren kann. Man
hat vor einem Jahre beobachten können, wie die Abſicht der bri=
diſchen
Regierung, gegen das Osmaniſche Reich mit Gewalt vor=
zugehen
, dadurch verhindert worden iſt, daß die Dominions die
Einladung, ſich an dieſer Politik zu beteiligen, ſehr kühl aufnah=
men
und damit der engliſchen Politik eine vollſtändige Wendung
gaben. Daß auf dieſe Weiſe die Beweglichkeit der Londoner
Politik und die Raſchheit ihrer Entſchließungen ſtark behindert
wird, liegt auf der Hand.
Daneben iſt durch den Leiter der britiſchen Politik für die
kommenden Wahlen, die jetzt überraſchend ſchnell ins Weik geſetzt
werden, eine neute Parole ausgegeben worden, die große wirt=
ſchaftliche
Intereſſen in Bewegung ſetzt. Es handelt ſich bekannt=
lich
um die Veränderung des Syſtems, das ſeit vielen Jahren in
England die Herrſchaft hat, und zwar im Sinne einer erheblich

Frantreſch mehr in den Schaten zu ſtelln. Denn tatächlich ſind
es die Beziehungen zu dieſer Macht, die trotz aſler Verhüllung
heute im Vordergrunde der engliſchen Sorgen ſtehen. Auf die=
ſem
Gebiete dürften ſich trotz der Wichtigleit der wirtſchaftlichen
Intereſſen die nächſten parlamentariſchen Nämpfe vollziehen, und
ſie haben gerade für uns Deutſche beſondere Bebeutung.
Wie man keiß, hat die amerikaniſche Regierung infolge der
franzöſiſchen Einwände und unter auffallender Mißbilligung des
Verfahrens der franzöſiſchen Siaatsmänner ihre Beteil gung an
der Konferenz für die Feſtſtellung der Leiſtungsfähigkeit Deutſch=
lands
abgelehnt. Damit iſt wohl die Frage entſchieden, daß
Amerika ſich von einer näheren Mitwirkung an den europäiſchen
Vorgängen ebenſo zurückhalten will, wie es bisher jede Bereit=
ſchaft
, ſeinen europäiſchen Schuldnern ihre Verpflichtungen zu
erlaſſen, verneint hat. Aber damit hat es doch nicht das letzte
Wort geſprochen, und die Reden der britiſchen Staatsmänner
beſonders bei dem Lord Mahors=Feſtmahl laſſen erkennen,
daß die Möglichkeit eines Zuſammengehens der beiden angel=
ſächſiſchen
Mächte noch immer nicht ausgeſchloſſen iſt. Tatſuch=
lich
liegen die Dinge doch ſo, daß auch ohne eine unmittelbare
Beteiligung Amerilas an den europäiſchen Konferenzen ſeine
Haltung von entſcheidender Wichtigkeit für die franzöſiſche Politik
werden kann. Die wirtſchaftliche Macht der Vereinigten Staaten
iſt zur Zeit ſo ſtark, daß keiner der großen Kulturſtaaten ſich in
offenen Gegenſatz zur der Haltung des Waſhingtoner Kabinetts
wird ſtellen wollen. Inzwiſchen hat ſich ein merkwürdiger Vor=
gang
jenſeits des Ozeans zugetragen. Nach allen von Amerika
hergelangten Berichten iſt Lloyd George dort auf ſeiner Propa=
gandareiſe
gefeiert worden wie kein Staatsmann vor ihm. Ein
großes amerikaniſches Blatt hat von den wichtigſten engliſchen
Blättern telegraphiſche Aeußerungen über die ganz ungewöhn=
liche
Aufnahme erbeten, die der frühere Leiter des britiſchen
Staatsweſens jetzt in Nordamerika gefunden habe. Die darauf=
hin
erfolgten Antworten von etwa 20 engliſchen Bläittern ſpre=
chen
ſich mit merkwürdiger Uebereinſtimmung dahin aus, daß ihr
früherer Miniſter, der in der letzten Zeit in England ziemlich
abgewirtſchaftet hatte, durch ſeinen Erfolg in Amerika ſich in der
heimiſchen Schätzung wiederhergeſtellt habe, und wir werden mit
Sicherheit darauf rechnen können, daß die Nolle Lloyd Georges
durchaus nicht ausgeſpielt iſt. Sie wird ſich wahrſcheinlich ſchon
bei den nächſten Wahlen wieder recht fühlbar machen. Es heißt
neuerdings ſogar, daß dieſer vielſeitige Staatsmann es nicht
derſchmähen würde, ſich ſeinem bisherigen perſönlichen Gegner
Asquith unterzuordnen, ſo daß die beiden, vereinzelt ziemlich
ſchwachen Parteien bei den Wahlen gemeinſchaftlich arbeiten
würden. Gelingt es aber dann noch, mit der erheblich über=
legenen
Arbeiterpartei ein Verſtändigung herzuſtellen, ſo iſt die

Gunde der ogeraunen Siechands beſint utd, ſo erunacſen.
aus dieſer Umgeſtaltung bedeutungsvolle Möglichkeiten. Denn
darüber iſt kein Zweifel, daß alle dieſe genannten Gruppen die
Arbeiterpartei, Asquith und Lloyd George, in den ſtärkſten
Tönen die Haltung verurteilen, die das gegenwärtige Kabinett
in den feſtländiſchen Fragen beobachtet. Schlappheit, Feigheit,
Wortbruch,, das ſind die Bezeichnungen, die die ſonſt in aus=
wärtigen
Fragen zurückhaltenden engliſchen Politiker heute dem
leitenden Staatsmann ohne Scheu ins Geſicht werfen. Ja, ſie
dürfen den eigenen Sohn Baldwins als Kronzeugen anführen,
daß die gegenwärtige Regierung Englands die ungeeignetſte ſei,
die ſich denken laſſe. Zu dem allen kommt nun, daß die eben
beendete Reichskonferenz ſich ſehr ſcharf über die Duldung der
franzöſiſchen Gewaltmaßnahmen und der Rüſtungspolitikk aus=
geſprochen
hat. Dieſe Vereinigung hat zuletzt noch erklärt, daß
jede Politik, die dapauf hinauslaufe, die deutſche Einheit zu zer=
ſtören
, mit dem von fämtlichen Verbündeten und von Deutſch=
land
unterzeichneten Vertrage nicht vereinbar ſei. Die engliſchen
Mühlen mahlen ſeit dem Kriege beſonders langſam, und wir
haben nach den gemachten Erfahrungen allen Grund, in die eng=
liſche
Haltung kein Vertrauen zu ſetzen. Aber mehr und mehr
Wre
Zr
Anſere heutige Nummer enthält den Sport des Sonntags

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geſtaltet ſich die franzöſiſche Politik für die engliſchen Intereſſen
ſo ungünſtig, daß nicht etwa irgend ein beſonderes Intereſſe für
Deutſchland angenommen zu werden braucht, um an eine Er=
ſchütterung
der Entente zu glauben. Die eigenſte Not wird das
Inſelreich zwingen, den Charakter dieſes Verhältniſſes zu
ändern.
Kürzlich hat der bekannte Sachverſtändige in Wirtſchafts=
fragen
Keynes mit Bezug auf Baldwins Haltung öffentlich die
Frage geſtellt, ob dieſer etwa den früheren Präſidenten der Ver=
einigten
Staaten Wilſon in ſeiner unehrenhaften Handlungs=
weiſe
nachahmen wolle. Jetzt hat der Letztere bei ſeinem erſten
Wiederauftreten in der Oeffentlichkeit eine ſchwere Anklage
gegen die franzöſiſche Politik gerichtet, die allgemeine Aufmerk=
ſamkeit
erregt hat. So wachſen die Stimmen der öffentlichen
Meinung immer ſtärker gegen das franzöſiſche Treiben, das ſich
in wachſender Vereinſamung ſieht. Unſtreitig arbeitet ſo die
Zeit für uns, nur laſtet die ſchwere Frage auf unſrer Seele, ob
dieſe günſtige Entwicklung unter der inneren Zerriſfenheit unſe=
res
Volkes nicht ſchließlich doch zu ſpät kommt.
Die Botſchafterkonferenz.
Paris, 17. Nov. (Wolff.) Die Botſchafterkonferenz wird
am Montag vormittag eine Sitzung abhalten, um eine Entſchei=
dung
in der Angelegenheit der Rückkehr des Exkronprinzen und
der Wiederaufnahme der alliierten Militärkontrolle zu reffen. Am
Nachmittag des gleichen Tages wird der Miniſterrat im Elyſée
zuſammentreten, um die Vorſchläge der Botſchafterkonferenz zu
prüfen.
Griechenland.
Paris, 18. Nov. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Athen beſtätigen die Blätter, daß die griechiſchen Wah=
len
wahrſcheinlich um 14 Tage verſchoben werden müſſen.
Oberſt Zaimis, die Mitglieder der verſchiedenen politi=
ſchen
Parteien, die Vereine und Körperſchaften, die Preſſe und die
öffentliche Meinung appellieren an die Regierung, damit die vom
Militärgericht zum Tode Verurteilten nicht hinge=
richtet
werden, an denen das Urteil binnen 24 Stunden voll=
ſtreckt
werden ſollte. Der Kriegsminiſter hat Befehl erteilt, daß
die Hinrichtung aufgeſchoben wird.
Sozialdemokratiſcher Parieitag in Oeſterreich.
Wien, 18. Nob. (Wolff.) Der ſozialdemokratiſche Partei=
tag
nahm in ſeiner heutigen Schlußſitzung einen Antrag an, wo=
nach
die Beſchlüſſe des Internationalen Arbeiterkongreſſes in
Hamburg gebilligt werden; weiter wird verlangt, daß die ſozial=
demokratiſche
Arbeiterpartei Deutſch=Oeſterreichs der ſozialiſti=
ſchen
Arbeiterinternationale beitritt. Im Verlauf der Debatte
erklärte Dr. Bauer, der Parteitag ſei einſtimmig der Meinung,
daß an eine Koalition mit den bürgerlichen Parteien gegenwär=
tig
nicht gedacht werden könne. Der Parteitag ſprach alsdann
der ſozialdemokratiſchen Fraktion im Nationalrat ſein Vertrauen
aus. In ſeinem Schlußwort betonte der Vorſitzende, Bürger=
meiſter
Seitz, die dringende Notwendigkeit der Hilfeleiſtung für
das deutſche Proletariat. Hierauf wurde der Parteitag geſchloſſen.

Zum Perhot der ſozialiſtiſthen Preſſe in Bihern.
München, 18. Nob. (Wolff.) Zum Verbot der ſozialiſti=
ſchen
Preſſe in Bayern übermittelten die vereinigten Ausſchüſſe
des Landesverbandes der bayeriſchen Preſſe und des Münchener
Ortstereins dem Generalkommiſſariat einen einſtimmigen Be=
ſchlaiß
zur Würdigung, worin u. a. erklärt wird, ein Verbot von
Zeitungen ſei unter den heutigen Verhältniſſen faſt gleichbeden=
tend
mit wirtſchaftlicher Vernichtung. Ohne ſpezielle Vergehen
ſoüte daher dieſe Strafe nicht ausgeſprochen werden. Die Be=
handlung
ſtaatsverneinender Publikatioven ſei ſelbſtverſtändlich
der Verwaltungsdifziplin zu überlaſſen; durch das allgemeine
Verbot von Zeitungen einer beſtimmten Richtung aber, die als
politiſche Partei nicht verboten ſei, drohe ſich ein Zuſtand der
Rechtsunſicherheit einzuſchleichen, deſſen ſchnelle Beſeitigung er=
beten
werde. In einem einmütig gefaßten Beſchluß wiro beſon=
ders
auf die wirtſchaftlichen Verhältniſſe bei der Münchener Poſt
hingewieſen, die ohne eigenes Verſchulden dem Erliegen nahe=
gebracht
ſei und deren ganzes Per’onal bereits habe entlaſſen
werden müſſen. Das Generalkommiſſarigt wird gebeten, das
ergangene Verbot ſo ſchnell wie möglich aufzuheben.
Goldlöhne für die Bankbeamten.
Berlin 18. Nov. Der vom Reichsarbeitsminiſterium ein=
geſetzte
Schlichtungsausſchuß hat geſtern abend einen Schieds=
ſpruch
gefällt, der Goldlöhne vorſieht. Die Parteien haben ſich
bis zum 22. November über Annahme oder Ablehnung zu erklä=
ren
. Der Schiedsſpruch iſt von den Arbeirgeberbeiſitzern abge=
lehnt
, von den Arbeitnehmerbeiſitzern angenommen worden. Der
Reichsverband der Bankleitungen dürfte dieſem Schiedsſpruche
vorausſichtlich ſeine Zuſtimmung verſagen, weil für die Arbeit=
geber
der Uebergang zu Goldgehältern ohne gleichzeitige Löſung
des Arbeitszeitproblems und ohne Fortfall der Ueberſpannung
des Tarifgedankens nicht tragbar ſei. Die Organiſationen der
Bankangeſtellten haben ſich ihre Stellungnahme zu dem Spruch
noch vorbehalten.

Aufruf des Gewerkſchaftsbundes.
Gegen den äußeren Feind, für den Frieden
im Innern.
Die Hoffnung, daß durch die Aufgabe des paſſiven Widerſtandes
im beſetzten Gebiete erträglichere Lebensbedingungen für die Bevölke=
rung
geſchaffen würden, iſt ſeither zu ſchanden geworden. Frauk=
reich
hat, trotzdem alle ſeine Verbündeten die Vorſchläge der deut=
ſchen
Unterhändler für annehmbar anerkannt haben, eine Verſtän=
digung
hintertrieben. Frankreich hat darch ſeinen widerrecht=
lichen
Einbruch in das Ruhrgebiet, durch ſeine brutalen und un=
menſchlichen
Maßnahmen Hunger, Elend, Verban=
nung
, Kerker und Tod in ein wehrloſes, friedliches
und arbeitſames Land hineingebracht. Es hindert die Arbeit,
es vertveigert das Brot, das es nach allen Gründen des Böl=
kerrechts
zu geben verpflichtet wäre. Frankreich beweiſt wieder einmal,
daß es ihm nicht ſo ſehr auf Reparationsleiſtungen
als vielmehr auf die Vernichtung des entwaffneten
Deutſchlands ankommt. Ungeheuer ſchwierig wird dadurch
die Lage des Reiches. Der unter dem Zwang der Nor gefaßte Beſchluß
der Reichscegierung, die weiteren Leiſtungen des Reiches für das be=
ſetzte
Gebiet auf 100 Millionen/Goldmark zu beſchränken, trifft die Be=
völkerung
hart und ſchwer. Die Reichsregierung hat aber
Schritte unternommen, um mit Hilfe ausländiſcher
und inländiſcher Organiſationen die Ernährung im beſetzten
Gebiet ſicherzuſtellen. Was noch irgendwie an ſteuerlicher Be=
laſtung
im unbeſetzten Gebiet möglich iſt, muß durchgeführt werden.
Alle Volkskreiſe müßten die größte Opferfreudigkeit bekun=
den
, um zu helfen, wo zu helfen iſt. Deshalb müſſen wir ſchärfſten
Proteſt dagegen erheben, daß ein großer Teil der Unternehmer es an
dieſer Opferwilligkeit und am Verſtändnis fürd die Not der Arbeit=
nehmer
fehlen läßt und durch rigoroſe Kündigungen und die Verſchleich=
terung
der Arbeitsbedingungen große Maſſen zu Verzweiflung treibt.
Gleichfalls müſſen wir das Verhalten der Kreiſe verurteilen, die jetzt
aus parteipolitiſchen und diktatoriſchen Rückſichten, ſtatt ſich gegen den
gemeinſamen äußeren Feind zu kehren, der Führung des Reiches
Schwier; keiten machen, die den Beſtand des Reiches gefährden. Nur
wenn das deutſche Volk ſtändig darauf ſich beſinnt, daß jeder an ſeiner
Stelle ein Opfer bringen muß und jeder das Seinige dazu beizutragen
hat, die Gegenſätze und den Zwieſpalt im Innern zu
mildern, wird Deutſchland die furchtbarſte Kriſe ſeiner Geſchichte
überwinden.
Bildung einer Hilfspolizei in Sachſen.
Dresden, 18. Nov. (Wolff.) Wie das Wehrkreiskommando
bekanntgibt, hat General v. Seeckt den Militärbefehlshaber im
Wehrkreiskommando IV (Freiſiaat Sachſen) beauftragt, die Bil=
dung
einer über den Parteien ſtehenden Hilfspolizei umgehend
in die Wege zu leiten. Die Hilfspolizei ſoll ſolange beſtehen
bleiben, bis es gelingt, die Staatspolizei durch die Einſtellung
geeigneter Anwärter auf die vorgeſchriebene Stärke zu bringen.
Gleichzeitig mit der Aufſtellung der Hilfspolizei wird nach den
von Seeckt gegebenen Weiſungen die ſächſiſche Staatspolizei auf
eine überparteiliche Grundlage geſtellt. Die Staatspolizeiverwal=
tung
reröffentlicht einen Aufruf zum Eintritt in die Hilfspolizei
auf Erund der Weiſungen des Militärbefehlshabers.
Ein Perfahren gegen Dr. Zeigner wegen
Beſtechlichkeit.
Die Staatsanwaltſchaft Leipzig hat gegen den früheren ſäch=
ſiſchen
Minifterpräſidenten Dr. Zeigner ein Verfahren wegen
Beſtechlichkeit im Sinne des § 332 des Strafgeſetzbuches eingelei=
tet
. Zeigner ſoll ſeine Stellung als Juizminiſter ſeinerzeit
dazu mißbraucht haben, Leuten, die rechtskräftig zu Freiheits=
ſtrafen
verurteilt waren, unter dem Deckmantel der Begnadigung
dieſe Strafen zu erlaſſen und zwar gegen Bar und viele Ge=
ſchenke
. Zeigner habe die Geſchenke zum Teil in ſeiner Woh=
nung
, zum Teil im Kaffeehaus, ja auf der Straße in Leipzig
entgegen geuommen. Insbeſondere habe er ſeine amtlichen
Reiſen zur Erledigung dieſer Geſchäfte benutzt. Wie dazu er=
gänzend
aus Dresden gemeldet wird, haben ſowohl der Juſtiz=
miniſter
wie die Sozialdemokratiſche Partei es abgelehnt, in das
Verfahren gegen Zeigner einzugreifen.

Gewerbeſteuernotverordnung in Preußen.
Berlin, 18. Nob. (Wolff.) Der ſtändige Ausſchuß des
Preußiſchen Landtags erledigte geſtern die Gewerbeſteuernotver=
orönung
. Die ſozialdemokratiſchen Anträge, den Gemeinden die
Befugnis zu geben, beſondere Steuerverordnungen zu erlaſſen
oder wenigſtens die Zuſchläge nach dem Umfang und Leiſtungs=
fähigkeit
zu ſtaffeln, wurden abgelehnt. In der Schlußabſtim=
mung
wurde die Verordnung gegen die Stimmen der Deutſch=
nationalen
, der Demokraten und der Kommuniſten angenommen.
Das Geſetz ſoll bereits 1924 in Kraft treten. Weiter wurden an=
genommen
die Notverordnung über die Umſtellung der Wander=
lager
= und Wandergewerbeſteuer auf Goldmark. Die Notver=
ordnung
über den Beamtenabbau wurde einem Unterausſchuß
überwieſen.

* Berlin, 19. Nov. (Priv.=Tel.) Schon ſeit längerer
iſt bekannt, daß die Reichsregierung mit verſchiedenen ausl
ſchen Kapitaliſtengruppen über Kredite größeren Umfangs
nur für die Verſorgung mit Lebensmitteln und Rohſtoffen,
dern auch für die Gründung der Goldnotenbank unterhan
Wie jetzt in Kreiſen ausländiſcher Preſſevertreter mitgeteilt
ſind dieſe Verhandlungen, wenigſtens zum Teil, ſoweit gedi bie
daß ihr Abſchluß unmittelbar bevorſteht. Man berichtet, de
den nächſten Tagen der Abſchluß eines Abkomens in Amſte ſut
erfolgen ſoll, das der deutſchen Regierung Mittel in Höhe
über einer Goldmilliarde gewährt. Es handelt ſich dabei
anderem um einen Kredit, den die deutſche Eiſenbahn in Lo
erhalten hat. Der Abſchluß des Abkommens wird davor
hängig ſein, daß die betreffenden Kapitaliſtengruppen die U
zeugung von einer ruhigen Entwicklung unſerer inneren P
gewinnen.
Engliſcher Kredit von 4 Millionen Pfund
die Reichsbahn.
Berlin, 18. Nov. (Wolff.) Der Abbruch der Verh
lung mit den deutſchen Kohlenzechen durch die Micum he
weiten Kreiſen lebhafte Enttäuſchung und Beſorgnis he=
gerufen
, wurden damit doch die Erwartungen auf ſtärkere
lieferung des unbeſetzten Deutſchland mit Ruhrkohlen für
nächſte Zeit wieder hinfällig. Beſonders ſchwer iſt die
täuſchung bei der Reichsbahn, die gehofft hatte, durch B
lungen von Ruhrkohlen endlich eine Erleichterung in ihrem
zuge an ausländiſchen Kohlen zu erhalten und demit Dei
zu erſparen. Wenn die Reichsbahn nunmehr für die nächſte
mit einem weiteren Bezuge von engliſcher Kohle, ſolveit
ihre Betriebsführung erfordert, rechnen muß, ſo iſt ihr d.
Vorgehen im Augenblick dadurch weſentlich erleichtert, daß es
nach ſchwierigen Verhandlungen in London in den letzten T
gelungen iſt, zu den üblichen Bedingungen von führenden V
firmen der City einen Kredit von vier Millionen Pfund
Kohlenbeſchaffungen zu erhalten., den ſie aber nur im Umf
ihres Bedarfes in Anſpruch zu nehmen braucht.
Daß für einen ſolchen offenen Kredit unter den heut
politiſchen und wirtſchaftlichen Verhältniſſen des Deut
Reiches von den ausländiſchen Geldgebern Garantien verl W
werden, wird jeder Kenner unſeres Wirtſchaftslebens wiſt
Wenn es der Reichsbahn gelungen iſt, dieſe Garantien be Eie
bringen, ſo dankt ſie dies in erſter Linie der verſtändnisv,
Unterſtützung der deutſchen Induſtrie unter Mitwirkung
Reichsverbandes der Deutſchen Induſtrie und der Bürgſ ſo=
ven
führenden deutſchen Banken. Für die Finanzierung
Kredits kamen von dem eigenen Beſitz der Reichsbahn nur
unaufgeſchloſſenen Braunkohlenfelder bei Bitterfeld und
benau in Betracht. Wenn in einer Berliner Zeitung die
nung ausgeſprochen iſt, daß hierdurch die Elektrifizierung
Berliner Stadt= und Vorortbahnen, die aus dringenden fin
politiſchen Gründen vorübergehend zurückgeſtellt werden
beeinträchtigt wurde, ſo zeigt dies wenig wirtſchaftliches
ſtändnis, da es doch wohl bekannt ſein dürfte, daß durch
Erſchließung der Felder das Pfandrecht des Gläubigers
wertvoller werden könnte.
TU. Berlin, 19. Nod. Die Verhandlungen zwiſchen
Deutſchen Reichsbahn und gewiſſen engliſchen Kohlenintereſ hd
ten über die Gewährung eines Kredits in Höhe von 4 Millio mi
Pfund Sterling ſind zum Abſchluß gekommien. Die Sicherhei ſ=
unter
denen die Kredite gewährt werden, beſtehen, wie der D
ſche Handelsdienſt erklärt, in folgendem: 1. Die eigene Zahlur
verpflichtung der Reichsbahn. 2. Eine erſte Hypothek auf ſ
Braunkohlenfelder und etentuell andere Kohlenfelder der Rei ſt
bahn. 3. Die Garantie des Kohlenſyndikats. 4. Die Zuſage
Beſchaffung eines Betrages von 300 000 Pfund monatlich.
Garantie führender induſtrieller Reedereien. 6. Die Gara in
verſchiedener Berliuer Großbanken für die unter 4. genanr
Verpflichtungen. Die Zinshöhe beträgt 1 Prozent über Beke
ſatz, mindeſtens aber 5 Prozent. Die vermittelnde Gruppe erl
eine Proviſion von 1 Prozent nach Vollziehung des Kontre
uf die ganze Kreditſumme, gleichgültig, ob der Kredit in vo
Höhe in Anſpruch genommen werden wird oder nicht.
Amerikaniſche Lebensmittelkredite für Deutſchland
* Waſhington, 19. Nov. (Priv.=Tel.) Trotz der un
klärten Lage in Deutſchland werden die Vereinigten Staat
wie jetzt von zuſtändiger Seite beſtätigt wird, für die Nahrun

mittelverſorgung an Deutſchland Kredite in Höhe von 100
150 Millionen Dollar gewähren, die für den Ankauf von Wei,
und Gefrierfleiſch verwandt werden ſollen. Die Kredite werl
entweder von einem Unterſtützungskomitee oder direkt von ein
amerikaniſchen Miniſterium verwaltet werden.
V

k

Heſſiſches Landestheater.
Kleines Haus. Sonntag, den 18. November.
Die beiden Schützen.
Koniſche Oper von A. Lortzing.
Dieſes kleine reizende Stück Lortzings erſte Oper war
lange Zeit von den ſpäteren zugkräftigeren Werken des vielge=
wandten
Meiſters Wildſchütz Zar und Zimmermann
Waffenſchmied zurückgedrängt worden. Man holte es im
vorigen Jahre hervor, weil es jetzt wieder eine gewiſſe Aktualität
beſitt und wir für die Spieloper mit beſonders guten Kräften
verſehen ſind. Da es einſchlug, hört man es in dieſem Winter
als ein luſtiges Unterhaltungsſtück gern wieder. Es iſt erſtaun=
lich
, wie dieſe erſte Oper in Stoffwahl, Drama und Muſik ſchon
den ſertigen Meiſter zeigt, der mit allen Merkmalen ſeiner Eigen=
art
faſt höllig ausgereift auf den Plan tritt. Eins fehlt jedoch:
die komiſche Bufſo=Figur, von der ich kürzlich ſagte, daß ſie
jeder Lortingſchen Oper das Gepräge gibt, iſt hier noch nicht
breit herausgeholt, vielmehr in der Nolle des Schwarzbart erſt
nur angedeutet. Das Volkstümliche, Liedartige, die Enſembles,
die Couplets alles ſitzt ſchon, in Singſpielform gegeben,
bühnenſicher feſt. In manchen Sätzen fehlt noch das richtige Maß
des ſpäter ſharſamer arbeitenden Muſikers. Enſembles ſind über=
mok
elliert, Rollen ſind unnötig ſchwer geſchrieben. Wirkungsvoll
aber iſt ſchon alles.
Die Aufführung war flott, aber nicht ſo gut wie die vor=
jährige
, die ich hörte. Karoline und Suschen Hilde Baßens
und Herta Greeffs iſt ein nettes Geſpann. Bei Herta Greeff
erfreut immer die Friſche und Keckheit des Spiels, das Ausſchöp=
ſen
und Maßhalten ihrer Geftaltungen. Ihre heutige Leiſtung
indes war matt und von ihrer ſchönen Srimme hörte ich ſo gut
wie gar nichts. Ich muß annehmen, daß ſie ſtark behindert war.
Hilde Baß darf die Karoline als ihre ſeither beſte Rolle anſehen.
Reizend, in ihrer ſchmiegſamen, eleganten Erſcheinung, muſi=
kaliſch
ſicher, in Spiel und Mimik lebhaft und ausdrucksvoll, hatte
ſie einen ſchönen Erfolg. Daß an ihrer Stimmbehandlung, Tech=
nik
und Kultur noch vieles unfertig iſt, daß zur Entwicklung bis
zu ausgeprägter Perſönlichkeit ein langer Weg führt, weiß die
ftrebſame junge Dame ſelbſt am beſten. Gerta Doepner iſt
eine ſicher gezeichnete und tüchtig geſungene Jungfer Lieblich, der
es nur an derber Komik gebricht. Die beiden Schützen ſind durch
die Herren Hoefflin und Peterſen unterſchiedlich vertreten.

Frei und glänzend entfaltet ſich des erſteren heller, warmer
Tenor, während die gefangliche Leiſtung des letzteren, deſſen Auf=
treten
und Spiel von großer Friſche iſt, nicht immer ausreicht.
Meiſterhaſt ſang und ſpielte Herr Hölzlin den Gaſtwirt. Herr
Vogt gab in der dankbaren Rolle des Peter eine glänzende
Probe ſeiner bis ins Kleinſte ausgefeilten Charakteriſierungs=
kunſt
. Sein Couplet erntete hellen Jubel des Hauſes. Das Cou=
plet
des Schwarzbart hatte man leider geſtrichen. Herr Kuhn
bedurſte ſeiner nicht, um dieſe Rolle in ſeiner unübertrefflichen
Draſtik irkſam zu machen. Der Unteroffizier Varſch erfordert,
um zu zünden, einen ausgereiften Komiker. Herr Hagner war
fehl am Ort und fühlte ſich in dieſer Sprechrolle auch nicht wohl.
Herr Welcker iſt ein guter Amtmann. Die Chöre klappten.
Die Spielleitung des Herrn Nabenalt erwies ſich in der
netten Inſzenierung zweckmäßig. Herr Roſenſtock dirigierte
das erfolgreiche Werk in ſeiner ſicheren, anmutigen Art. v. II.

V. Das Darmſtädter Streichquartett, das in dieſem Winter
auf ſein 25 jähriges Beſtehen zurückblickt, wurde in ſeinem erſten
Konzert von einer ſehr zahlreich erſchienenen Kanunermuſik=
Gemeinde lebhaft gefeiert und mit zahlreichen Blumenſpenden
bedacht. Die Herren Mehmel, Volk, Brückmann und
Andrä ſind ſtets darauf bedacht, ihre Zuhörer durch Gaben
ſchönſten und edelſten Gutes zu erfreuen. Sie bevorzugen dabei
Klaſſiker und Romantiker und habeen darum ihre beſonderen
Freunde unter denen, die ähnliche Muſik zu Hauſe muſiziereen.
So hat ſich in Darmſtadt und andererorts das Darmſtädter
Streichquartett viele Freunde zu erwerben gewußt, und dieſe
Zuneigung klang aus dem reichen Beifall als herzlicher Glück=
wunſch
zum Jubiläum heraus.
Schubert begann die Vortragsfolge mit dem herrlichen Es=
Dur=Quartett. Es wurde mit beſonderer Liebe und Sorgfalt
vorgetragen, klar und deutlich phraſiert und bis auf kleine Un=
gleichheiten
im Zuſammenſpiel mit beſtem Gelingen vorgetragen.
Von beſonderem Intereſſe war dann die von Beethoben her=
rührende
Umarbeitung ſeiner E=Dur=Klavierſonate op. 14 Nr. 1
in ein Streichquartett. Mit größter Genialität iſt dieſe Wand=
lung
vollzogen, ja der letzte Satz wirkt im Streichquartett un=
gleich
ſtärker als im Original. Jedenfalls ſteht an Unſprüng=
lichkeit
des Eindrucks dieſe Bearbeitung den anderen Streich=
quartetten
in wichts nach und verdient es, öfter zu erklingen.

Der Vortrag dieſes Werkes ſtand dem des erſteren nach, es kla
zu akademiſch, Haupt= und Nebenſatz des erſten Satzes wurt
im Charakter kaum unterſchieden. Hier ſcheint ſich uns H
Mehmel als Führer zu wenig mit moderner, von Riemaun al
gehender Phraſierungs= und Vortragskunſt befreunden
können, an die wir durch Weingartner, Balling und durch and
Kammermuſik=Vereinigungen nun völlig gewöhnt ſind. Dageg
war das lebensdolle Es=Dur=Quartett von Dvorge von grof
Friſche und Mannigfaltigkeit in ſeiner Wirkung. Der faſt orcht
rale. Satz überrafcht immer wieder, der ſlabiſche Charalter 2
Muſik prägt ſich beſonders ſtark im zweiten und im lexten
aus. Das Zuſammenſpiel der Künſtſer legte Zeugnis ab v
ſorgfältiger Durcharbeitung, und die Andaſſung an den Führ
ſeitens der übrigenn Heiren war ausgezeihnst.
D. Der Darmſtädter Pianiſt Guſtav Beck veranſtalte
am Sonntag, den 18. d. M., im Vertragsraum der Kunſt u.
Keramik eine Bach=Morgenmuſik. Das äußerſt gut beſuch
Konzert, deſſen Reinertrag einem wohltätigen Zweck beſtim
ift, vermittelte hohe künſtleriſche Genüſſe, zumal die zum Vo
trag gelangten Werke hier bis jetzt ſehr wenig oder gar ni
zu Gehör kamen. Ausgezeichnete Soliſten (Fräulein Thil
Walther, die Herren Kammermuſiker Geißler ur ſ=
Jäger) waren zur Mitwirkung gewonnen.
Die Vortragsfolge begann mit der Trio=Sonate für Klavieſ
Flöte und Violine. Das Werk wurde von den Herren Be
(Klavier), Geißler (Flöte) und Jäger (Violine) ausgezeichn
vorgetragen. Herr Jäger ſpielte ſpäter die A=Dur=Violinſonck
und Herr Geißler die H=Moll=Flötenſonate mit dem herrliche
Andante=Einleitungsſatz. Beide Künſtler, hier ſchon beſtens al
Kammermuſikſpieler bekannt, vereinten ſich mit dem Pianiſte
zu miſtergültigem Zuſammenſpiel. Frl. Walther ſang zwei geil
liche und zwei weltliche Arien, mit obligater Violine und Flol
Sie zeigte, daß ſie eine Sängerin von hohem künſtleriſchen Ge
ſchmack und Stilgefühl iſt, wenn auch zuweilen die Stimm
in der Höhe immer noch etwas gepreßt und forciert klingt. Seh
erfreulich war die Bekanntſchaft mit den beiden weltlichen Ariel
Zum Schluß ſpielte Herr Beck das italieniſche Konzert in klang
lich und pianiſtiſch ausge eichneter Wiedergabe, wenngleich auß
einige Steigerungsmöglichkeiten im zweiten Satz unausgenuß
lieben.
Reicher Beifall belohnte fämtliche Mitwirkende, denen wi.
Dank wiſſen für die Veranſtaljung der Noraei!
hoffent
lich auch finanziell ihren wohltätigen Zweck erfüllt hat.


Nie
fto.
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Echt

15
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31

Rummer 320.
2
eutſche Note gegen die Anterſtützung
rSeparatiſten durch die Franzoſen.
Berlin, 18. Nov. Die dor kurzem der franzöſiſchen Regie=
durch
den deutſchen Geſchäftsträger in Paris wegen der
erſtützung der Separatiſten durch die franzöſiſchen Beſatzungs=
irden
übergebene Note lautet in ihree weſentlichen Teilen
folgt:
Die deutſche Regierung hat wiederholt ſowohl durch den
rzeichneten Geſchäftsträger gegenüber dem Miniſterium der
värtigen Angelegenheiten wie durch den Leiter des deutſchen
wärtigen Amtes gegenüber dem franzöſiſchen Herrn Bot=
ter
in Berlin die Aufmerkſamkeit der franzöſiſchen Regie=
z
auf die Art und Weiſe gelenkt, in der die
ranzöſiſchen Beſatzungstruppen und =behörden im Rhein=
and
das Vorgehen der ſogenannten Sonderbündler ermu=
igen
und begünſtigen, während die deutſchen Behörden
bei der Abwehr von ihnen behindert werden.
ydem nunmehr die deutſche Regierung in den Beſitz umfaſ=
eren
Materials gelangt iſt, ſieht ſie ſich genötigt, auf die An=
genheit
zurückzukommen und die ganzen Vorgänge in
hem zeitlichen und urſächlichen Zuſammen=
ige
zu erörtern.
Die ſich gegenwärtig im Rheinland abſpielenden Ereigniſſe
überhaupt nur erklärbar, wenn man berückſichtigt, wie hier=
durch
die ſeit dem Januar d. J. von der Interalliierten
inlandkommiſſion getroffenen Maßnahmen der Boden vor=
itet
worden iſt. Die Putſchverſuche der Sonderbündler ſtießen
eine bereits völlig geſchwächte Abwehrfront. Infolge der
ſſenausweiſungen der Beamten, insbeſondere
tlicher leitenden Beamten, iſt der Behördenapparat faſt völlig
hlagen. Faſt an allen Orten iſt aber auch die Bevölke=
ig
, da die Ausweiſung die Leiter der politiſchen Parteien
der Gewerkſchaften nicht verſchont hat, ihrer Führer
aubt. Jede Aufklärung der Bevölkerung iſt ſeit Monaten
löglich infolge Lahmlegung der geſamten nichtſeparatiſtiſchen
ſſe, durch ſtrengſte Handhabung der Preſſeüberwachung,
erverbote vieler Zeitungen, Nichtgenehmigung aller nicht von
Sonderbündlern einberufenen Verſammlungen. Schließlich
eit langem jede Verbindung der politiſchen, wirtſchaftlichen
gewerkſchaftlichen Organiſationen des Rheinlandes mit den
prechenden Verbänden des übrigen Deutſchlands durch eine
rfe Abſperrung des geſamten beſetzten Gebietes erſchwert
vielmehr geradezu unmöglich gemacht. Selbſt die Immuni=
rechte
der im Rheinland gewählten und anſäſſigen Reichs=
Landtagsabgeordneten ſind nicht geachtet worden.
An dieſem Regime hat auch die Einſtellung des paſſiven
erſtandes nichts geändert, vielmehr ſind noch gerade in den
en Tagen in erhöhtem Maße Maſſenausweiſungen vorge=
imen
worden.
Des ferneren ſind die ganzen Ereigniſſe nur dadurch mög=
geworden
, daß die Sonderbündler unter den Augen
mit Duldung der franzöſiſchen Beſatzungs=
ppen
Banden gebildet haben, die unter den ver=
denſten
Bezeichnungen als Selbſtſchutz Stoßtrupps
einwehr, ja ſelbſt rheiniſche Truppen, mit beſonderen Ab=
ſen
durch die Lande ziehen. Dieſe Trupps ſetzen ſich im
entlichen aus minderwertigem Geſindel zuſammen, zum Teil
ider Nationalität. Nicht nur unter diefen Trupps, ſondern
rhaupt in der ganzen Organiſation der Sonderbündler be=
et
ſich keine Perſon von irgendwelchem Anſehen im Rhein=
d
). Selbſt franzöſiſche Offiziere und Beamte haben ſich nicht
heut, wenn es galt, Perſönlichkeiten von Anſehen und Ein=
für
ſeparatiſtiſche Zwecle zu gewinnen, von den Machern
gegenwärtigen Bewegung und ihrem Anhang mit tiefſter
achtung zu ſprechen, z. B. der Oberſt Gelin, der Kreisdele=
te
in Neuwied u. a. Dieſe Banden ſind, obgleich ſie in keiner=
Beziehung irgendeine Gewähr zu bieten vermögen, mit
ligung der franzöſiſchen Beſatzungsbehör=
imit
Waffenverſehen worden, und zwar zum Teil
ir mit militäriſchen Schußwaffen. Allein hierdurch bilden ſie
ſtändige Gefahr und Bedrohung für die Sicherheit im Lande,
die Polizei im beſetzten Gebiet nur mit Revolvern und Piſto=
ausgerüſtet
iſt, während die Bevölkerung ſämtliche Wafſen
abliefern müſſen und nur in Ausnahmefällen und in ſehr
hränkter Zahl von den Beſatzungsbehörden die Erlaubnis
Beſitz eines Jagdgewehres oder ähnlicher Waffen erhält.
Den Auftakt der Ereigniſſe bildeten die Demonſtrationen, die
Düſſeldorf am Sonntag, den 30. September, von den Sonder=
dlern
veranſtaltet worden ſind.
Nach eingehender Darſtellung der Düſſeldorfer Vorgänge
it die Note fort:
Die Düſſeldorfer Polizei iſt demnach in einem für
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beſonders kriti=
n
Augenblicke mitten in der rechtmäßigen Ausübung ihrer
ugniſſe von dem franzöſiſchen Militär durch Verhaf=

tung und Entwaffnung völlig außer Tätig=
keit
geſetzt worden. Die grüne Polizei iſt in=
zwiſchen
ausgewieſen, über 50 Poliziſten befinden ſich
aber noch in franzöſiſcher Haft, obgleich ſie ſich keinerlei Vergehen
gegen die Sicherheit der Beſatzungstruppen haben zu Schulden
kommen laſſen, fo daß es an jeder Rechtsgrundlage zu einem
Strafverfahren gegen ſie vor der franzöſiſchen Militärgerichtsbar=
keit
fehlt.
Es folgen dann Erörterungen über die tatſächlichen Vorgänge
in Bonn, Koblenz, Trier, Wiesbaden und einer Reihe weiterer
rheiniſcher Städte.
Als beſonders charakteriſtiſches Beiſpiel, wie ſich die Vor=
gänge
in kleineren Städten abgeſpielt haben, wird in der Note
auf Diez verwieſen, wo von dem Vertreter des fran=
zöſiſchen
Kreisdelegierten unter Anwendung
militäriſcher Machtmittel und unter Berufung auf die
Anerkennung der Rheiniſchen Republik durch die Rheinlandkom=
miſſion
ein angeblich von den Separatiſten zum Landrat be=
ſtellter
Dr. Kalthoff in das Landratsamt eingewieſen worden
iſt. Unter dem Schutz einer hierfür herangezogenen franzöſiſchen
Wache wunde auf dem Gebäude von den Separatiſten eine grün=
weiß
=rote Flagge gehißt.
In der Note heißt es dann wörtlich:
Die bewaffneten Separatiſten üben gegen die wehrloſe Be=
völkerung
einen Terrorismus ſondergleichen aus. Sie
ziehen plündernd im Lande umher, requirieren Automobile,
Geſchäftslokale, Bekleidungsgegenſtände uſw. Sie nehmen Ver=
haftung
unter den Augen der Beſatzungsbehör=
den
und Ausweiſungen vor. Zum Beiſpiel haben ſie den
Reichstagsabgeordneten Prälaten Dr. Kaas und den Stadtver=
ordneten
Kommerzienrat Rautenſtrauch in Trier mittels Kraft=
wagens
zwangsweiſe in das unbeſetzte Gebiet geſchafft, den
Landtagsabgeordneten Landgerichtspräſidenten Dr. Oppenhoff in
Aachen als Geiſel feſtgenommen.
Auch bei der Beſchaffung von Geldmitteln ſind ihnen
ebenfalls die franzöſiſchen Behörden behilflich.
wie der Vorfall in Höhr zeigt. Dort hatte die franzöſiſche Be=
ſatzungsbehörde
bei der Reichsbanknebenſtelle einen Betrag von
3900 Billionen Mark beſchtagnahmt. Auf die Vorſtellungen des
Bankvorſtehers wurde am 31. Oktober die Freigabe von der
Rheinlandkommiſſion verfügt. Indeſſen wurde das Geld von
den franzöſiſchen Militärbehörden nicht der Reichsbank zurück=
gegeben
, ſondern der Regierung der Rheiniſchen Republik aus=
geantwortet
.
Das Geſamtbild, das ſich hieraus für das Rheinland ergibt,
iſt dasjenige, der
Rechtloſigkeit und der Anarchie ſowie das ungehemmten
Terrorismus von bewaffneten Banden,
während die franzöſiſche Regierung in ihrer Verbalnote vom
29. Oktober erklärt, daß die franzöſiſchen Beſatzungstruppen, wie
es ihre Pflicht nach dem Völkerrecht ſei und wie ſie es ſchon
früher getan hätten, die Aufrechterhaltung der Ordnung ſichern
würden. Die deutſche Regierung macht hierzu folgende grund=
ſätzlichen
Bemerkungen: Es wird der franzöſiſchen Regierung
darin vollkommen beigetreten, daß die Beſatzungstruppen im
äußerſten Fall mit den ihnen zu Gebote ſtehenden Machtmitteln
die öffentliche Ordnung im beſetzten Gebiet ſicherzuſtellen haben.
Die Tatſache der fremden Beſetzung hat nichts an dem bisherigen
Zuſtand geändert, wonach die Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung der Zivilverwaltung obliegt, die nach Artikel 5 des
Rheinlandabkommens in den Händen der deutſchen Behörden
verblieben iſt und der nach Artikel 1, Abſatz 2 desſelben Abkom=
mens
hierfür die erforderlichen Polizeikräfte zu belaſſen waren.
Falls im beſetzten Gebiet Ruheſtörungen größeren Umfanges
eintreten, zu deren Niederhaltung die polizeilichen Kräfte der Zi=
vilverwaltung
nicht ausreichen, ſo trägt das Rheinlandabkommen
der Tatſache, daß Deutſchland in dem von den alliierten Truppen
beſetzten Gebiet keine eigenen Truppen unterhalten darf, und daß
daher dort eine Inanſpruchnahme deutſcher Militärkräfte nich
daher dort eine Inanſpruchnahme deutſcher Militärkräfte nicht
möglich iſt, inſofern Rechnung, als es im Artikel 13 für derartige
Fälle die Uebertragung der Exekutide auf die alliierten Militär=
befehlshaber
in Form der Verhängung des Belagerungszuſtands
vorſieht, und dieſen Befehlshabern in dringenden Fällen das
Recht zu einſtweiligen Maßnahmen auf Grund eigener Verant=
wortung
überträgt. Zur Aufrechterhaltung der öf=
fentlichen
Ordnung gehört aber in erſter Linie
der Schutz der geltenden Rechtsordnung und der
legitimen Staatsgewalt. Inhaber der legitimen Staats=
gewalt
ſind im beſetzten Rheinland lediglich die nach deutſchem
Recht von den deutſchen Zentralſtellen eingeſetzten Behörden. Wie
die oben aufgeführten Tatſachen und die in den Anlagen enthal=
jenen
Angaben beweiſen, ſind die deutſchen Polizeikräſte faſt an
allen Orten, wo ſich bewaffnete Haufen der öffen4ichen Gebäude
zu bemächtigen ſuchten, verhindert worden, von ihren Waffen
zum Schutz ihrer rechtmäßigen Behörden, und ihrer Dienſtge=
bäude
Gebrauch zu machen, geſchweige denn, daß ſie von den
franzöſiſchen Militärbehörden die erforderliche Unterſtützung er=
halten
hätten. Es ſei aber in dieſem Zuſammenhang ausdrücklich
wiederholt und feſtgeſtellt, daß ſchon

die geringen deutſchen Polizeikräfte, wenn man ſie nicht in
ihrer Wirkſamkeit lahmgelegt hätte, vollkommen ausgereicht
haben würden, alle Putſchverſuche niederzuhalten.
Zahlreich ſind die Aeußerungen franzöſiſcher Beſatzungsſtel=
len
, aus denen hervorgeht, daß ſie die von den bewaffneten Ban=
den
geſchaffenen Zuſtände nach Maßgabe des Selbſtbeſtim=
mungsrechts
der Völker oder des Rechts der Revolution als
eine vollzogene Tatſache anerkennen wollen. Am charakteriſtiſch=
ſten
ſind in dieſer Beziehung die Aeußerungen des Generals
de Metz gegenüber dem Vertreter der Bayeriſchen Staatsregie=
rung
, der ſogar ſoweit ging ohne Scheu vorder Ein=
miſchung
in rein innerdeutſche Angelegenhei=
ten
unter Anſpielung auf gewiſſe Meinungs=
verſchiedenheiten
zwiſchen der Regierung des
Reichs und Bayerns den bayeriſchen Staats=
beamten
die Ausübung von Hoheitsrechten zu
verbieten. Aber auch der Präſident der Interalliierten Rhein=
landkommiſſion
, Herr Tirard, hat in iederholten Geſprächen mit
angeſehenen Perſönlichkeiten des Rheinlandes zum Ausdruck ge=
bracht
, daß für ihn ein faktiſcher Zuſtand vorläge, den er aner=
kennen
müſſe, da es ſich um das Reſultat einer politiſchen Revo=
lution
handele und die Separatiſten die Gewalt tatſächlich in
Händen hätten.
Die deutſche Regierung will in dieſem Zuſammenhang nicht
auf die Frage grundſätzlicher Natur bezüglich des Selbſtbe=
ſtimmungsrechts
der Völker eingehen. Es genügt, dar=
auf
hinzuweiſen, daß es ſich hier nicht um Aeußerungen des
Volkswillens, ſondern um das Auftreten einzelner bewaffneter
Haufen von minderwertigen Elementen handelt, deren teilweiſer
Erfolg nur darauf zurückzuführen iſt, daß
die Beſatzungsbehörden ihre vertraglichen und völkerrecht=
lichen
Verpflichtungen gröblich verletzt haben.
Der wahre Wille der rheiniſchen Bevölkerung
geht vielmehr, trotz ſchärfſter Unterdrückung, wie für jeden unpar=
teiiſchen
Beobachter offen zu Tage tritt, dahin, unerſchütter=
lich
an der ſtaatlichen Gemeinſchaft mit ihren
Stammesbrüdern feſtzuhalten.
Die deutſche Regierung erwartet daher von der franzöſiſchen
Regierung, daß den franzöſiſchen Truppen alsbald Befehl ge=
geben
wird, die rechtmäßigen und vertragsmäßigen Verpflich=
tungen
zu erfüllen, insbeſondere den aufrühreriſchen Elemen=
ten
die Waffen wieder abzunehmen und die deutſche Polizei
künftig nicht mehr in der Ausübung ihrer rechtmäßigen Be=
fugniſſe
, namentlich im Gebrauch der ihnen zuſtehenden Waf=
fen
zu behindern.

Poincarés Sonntagsrede.
Paris 19. Nov. Poincaré ſprach geſtern bei der Ein=
tveihung
des Kriegerdenkmals in Neuilly bei Paris. Unter Wie=
derholung
aller ſeiner bekannten Argumente erklärte er unter
anderem, die Reparationskommiſſion werde die Deutſchen an=
hören
, die Sachverſtändigen ernennen, die ſie zu ernennen Luſt
habe, ſie werde die Zahlungsfähigkeit Deutſchlands jedesmal
dann abſchätzen, wenn ſie es für notwendig halte, und ſie werde
die Ziffern feſtſetzen, wie ſie es für recht und billig halte, unter
Beibehaltung der Pfänder, die Frankreich in der Hand habe, und
die es nur gegen endgültige Bezahlung freigeben werde.
Vor den engliſchen Wahlen.
Das Wahlprogramm der Arbeiterpartei.
London, 18. Nov. (Wolff.) Die Arbeiterpartei veröffent=
licht
ein Manifeſt über ihr Wahlprogramm. Darin wird feſt=
geſtellt
, daß der Schutzzoll kein Mittel zur Bekämpfung der
Arbeitsloſigkeit ſei. Weiter wird für eine Politik internatio=
naler
Zuſammenarbeit durch einen ſtärkeren und größeren
Völkerbund eingetreten. Die Regelung der Streitfragen müſſe
durch eine verſöhnliche internationale Konferenz erfolgen, an
der auch Deutſchland auf der Grundlage der Gleichberechtigung
teilnehmen würde. Ferner müßte über eine Reviſion des Ver=
ſailler
Vertrages und die Wiederaufnahme freier wirtſchaftlicher
und diplomatiſcher Beziehungen zu Rußland verhandelt werden.
London, 18. Nov. (Wolff.) Heute hielten Lloyd George,
Churchill, Amery und Sir John Simon Wahlreden. Lloyd
George ſagte in Southampton, wo er begeiſtert empfangen
wurde, das Land habe ſeit den letzten Wahlen nicht begriffen,
welche große Gefahr von den Extremiſten der Rechten drohe, die
faſt alle tüchtigen Leute aus der konſervativen Partei gejagt
hätten, um der politiſcher Reaktion zum Siege zu verhelfen. Die
ganze kenſervaibe Partei verwendete ihre Aufmerkſamkeit darauf,
die Oeffentlichkeit von dem ſchweren Mißerfolg der Regierung
abzulenken.

*Aus Richard Dehmels Leben.
Zur Erinerung an ſeinen 60. Geburtstag, 18. November.
Am 18. November wäre Richard Dehmel 60 Jahre geworden,
1)nun iſt der geniale Lyriker, der uns eine Anzahl der ſchönſten
A)ichte des deutſchen Schrifttums geſchenkt hat, ſchon beinahe
horiſch geworden. Die beiden dicken Briefbände, die im letzten

r veröffentlicht wurden, werfen ein vielleicht allzu grelles
Aſt in die leidenſchaftliche Gefühlswelt dieſes dämoniſchen

opfers, der das große Wort Selbſtzucht auf ſein Panier ge=
ieben
hatte und in einem heldenhaften Ringen ſeine gewaltige
ſönlichreit und ſeine Kunſt zu harmoniſcher Reife formte. Das
cheinen des Briefwechſels hat mannigfachen Widerſpruch her=
bgerufen
und die Frage nahegelegt, ob es richtig iſt, Menſchen
Verhältniſſe, die der Gegenwart noch ſo nahe ſtehen, bereits
Lichte der Ewigkeit erſcheinen zu laſſen. Mag aber auch
ſich Unnötiges und Unerquickliches dabei geſtreift woiden ſein,
erſcheint Entwicklung und Weſen des Dichters in dieſer weit
gebreiteten Fülle des Stoffes doch in jener wundervollen Le=
dgikeit
der Empfindung, die uns aus ſeinen beſten Schöpſun=
ſo
leuchtend entgegentrat. Der Krieg hat in Dehmel nicht
Poeten, der in ſeiner erſten Schaffensperiode ſein Größies
wohl aber den Menſchen noch einmal auf der Höhe ſeines
ebens gezeigt, und ſeine Aufzeichnungen wie ſeine Verſe aus
ſer Epoche atmen den ſtarken Opfermut, den heiligen Ernſt, mit
In er ſich ſtets für ſeine Ideen eingeſetzt. Dehmel war Märker
) fühlte als ſolcher. Ich bin ſchrieb er einmal, Zeborever
irker, nicht Verliner; wir echten Kinder der Mark emipfinden
rlin als eine Art fremden Ungetüms inmitten unſerer Jeimat.
dem Kinde entſaltete ſich bereits ein geheimes inneres Leben;
war bald in ſich gekehrt, dann wieder unbändig luſtig, und
Kamera en nannten ihn Kladderadatſch, weil er ſo viel
yte. Auf der Schule erfolgte der erſte Zuſammenprall dieſes
henden Geiſtes mit der Wirklichkeit. Ich gehörte immer zu
i beſten Schülern, erzählt er ſelbſt, war aber den meiſten
yrern wegen meines ungebundenen und manchmal auch wohl
bändigen Geiſtes verhaßt. Dies führte in der Prima zu einem
heftigen Zuſammenſtoß mit dem orthodoxen Direktor, daß mei=
3 Bleibens im Bannkreiſe der Berliner Schulhieraichie nicht
iger war; ich ging nach Danzig und machte dort in einem hal=
Jahr mein Abiturientenexamen, trotzdem man mih in Ber=
hatte
1½ Jahr zurückſtellen wollen wegen Unreife. Tie
ten Anzeichen ſeiner Schöpferkraft, die ſich in ihm regten, walen
diſionäres Schauen gewaltiger Symbole: Mit 18 Jahren
n ich zum erſtenmal aus der Fläche der Mark nach dem ber=
gen
Süden. Da ſah ich auf dem Kamme Wolken lagern. Lus

wer mir neu, ich dachte: hier ſind ja ſo viele Kohlenmeiler. Aber
als die Wolken zu wandern begannen auf dem Kamm, da fiel
mir ein, wie Gott vor dem Volke Israel in einer Wolke einher=
309. Davon war ich erſchüttert.
Dehmel war dann eine Zeitlang Sekretär des Verbandes
Deutſcher Verſicherungsgeſellſchaften, und in der Schule des
nüchternen Bürodienſtes lernte er Selbſtbeherrſchung und fand in
ſeinem Schaffen die Form, ſeine Viſionen zu bändigen und zu
geſtalten. Damals gab er ſeine erſten drei Gedichtsbücher heraus,
die ihn in die erſte Reihe der Dichter jeder Generation ſtellten
und auf denen noch heut ein gut Teil ſeines bleibenden Ruhmies
beruht. Es war mir wie den Singvögeln ergangen, die erſt
im Käfig ihre volle Stimme entwickeln, ſagte er von dieſer
Zeit. Mit ſeinem Schaffen hat er die deutſche Dichtung aus d
Naturalismus zu einem Stil der Romantik und des Symbolis=
mus
herausgeführt. Julius Hart erzählt darüber in ſeinen Er=
innerungen
einen bezeichnenden Zug: Als eines Tages Richard
Dehinel zu meinem Bruder und mir ins Zimmer trät und mit
iiehenden Händen ſorgfältig ein in vielfältig Seidenpapier ge=
hüüles
Paketchen auseinander faltete und einen in zarteſten Far=
hei
ſchillernden Schlips unter ſtammelnden Worten der Bewun=
derung
enthüllte: Iſt das nicht auch ein echtes, abſolutes Ku. ſt=
wirk
?, Köſtlich wie ein Glas von Salviati? Er hat 18 Mark ge=
koftet
. Aber ich mußte in kaufen da drückte ich ihm die Haud:
7er Naturalismus iſt tot, eine neue Kunſt geboren! Wie jede
große Kunſt wurde auch die ſeine aus dem unbewußten Rauich
geboten und erſt dann von dem Verſtande geformt. Ein großer
Teil ſeines gewaltigen Lebensgedichtes in Romanzen Zwei Men=
ſchen
entſtand in wenigen Wochen auf einer Nordſeeinfel; ſ in
Drama Der Mitmenſch ſchrieb er in 31 Tagen. Jubrünſtig
raug er um Leichtigkeit und Grazie des Ausdrucks, und er hat ſich
ſelbſt einmal mit jenen Raubvögeln verglichen, die ſich nur
ſchver emporheben, aber dann um ſo leichter und ſicherer fliegen.
Wenn ich noch eine gewiſſe Leichtigkeit des Ausdruks hätte‟,
mei te er wohl ſcherzhaft, wäre ich ein Genie erſten Ranges.
Eo bin ich eigentlich nur ein geniales Monſtrum. Aber er hat
dieſen Mangel überwunden und in ſeinen beſten Werken die
dumpfe dunkle Schwere ſeiner Natur zu einer leuchtenden Anmut
und ſchwebenden Kraft geläutert.
Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben
* Ein Heilmittel gegen Arterienverkalkung
will Profeſſor Wladowsky=Prag gefunden haben; es
handelt ſich um ein aus Kieſelſäure und einem Extrakt aus der
Pflanze Sonnentau beſtehendes Präparat, mit dem die Symp=
tome
der Arterioſkleroſe mit Erfolg bekämpft und in kurzer Zeit

geheilt werden. Die Patienten fühlen bereits nach mehrmaliger
Einnahme des Heilmittels eine bedeutende Erleichterung
der Herzbeſchwerden, die Schlafloſigkeit verſchwindet und
nach einiger Zeit fühlen ſich die Patienten ſubjektiv geſund.
C.K. Eine Zeppelin=Werft in den Vereinig=
ten
Staaten. Die Verhandlungen zwiſchen den deutſchen
Zeppelin=Werken und der amerikaniſchen Goodjear=Geſellſchaft
haben, wie der Times aus Neu=York berichtet wird, zur Begrün=
dung
einer beſonderen Geſellſchaft für die Herſtellung von Zep=
pelin
=Luftſchiffen geführt. Die deutſchen Zeppelin=Werke erhalten
einen Anteil an dem Aktienkapital der neuen Geſellſchaft für die
Patentrechte und die Dienſte ihrer Techniker, die ſie zur Ver=
fügung
ſtellen. In einer Zuſchrift an die Times wird mitgeteilt,
daß die Möglichkeit beſtand, dieſe ſo überaus wichtige Induſtrie
für England zu gewinnen, und es wird beklagt, daß die Ver=
einigten
Staaten gegenüber England den Vorrang erlangt und
ſich damit den Bau der beſten Luftſchiffe geſichert haben.
C. K. Ein kanadiſches Kälte=Laboratorium. Fünfzehn Jahre,
nachdem es dem holländiſchen Phyſiker Kamerlingh Onnes in
Leyden zum erſten Male gelang, das gasförmige Helium in den
flüſſigen Zuſtand zu überführen, iſt eine zweite Stelle auf Erden
geſchaffen worden, wo ebenfalls die Verflüſſigung des Heliums
durchgeführt wird. Ueber dieſes neue Kälte=Laboratorium, das
zu Anfang dieſes Jahres an der Univerſität Toranto in Kanada
eröffnet wurde, berichtete Henning in den Naturwiſſenſchaften.
Das Inſtitut, das unter der Leitung von Prof. Mac Lennan
ſteht, iſt dadurch von beſonders großer Bedeutung, weil es die
bisher einzig daſtehenden Verſuche von Onnes im Bereich der
tiefſten Temperaturen unter veränderten Bedingungen vor=
nehmen
und auf ihre Richtigkeit prüfen kann. Der Anſtoß zur
Begründung des Kälte=Laboratoriums wurde durch die Auf=
findung
der amerikaniſchen Heliumquellen zu Dal ary in Alberta
gegeben, die jährlich etwa 400 000 Kubikmeter Heliumgas liefern.
Größere Heliummengen wurden der Gaszuelle entnommien, in
Stahlflaſchen aufbewahrt und unterſucht. Die Ana yſe des roh=
gereinigten
Gaſes ergab nur 5 bis 10 Prozent Verun einigun en,
hauptſächlich Stickſtoff und Methan. Um dieſes Heli m wiſſen=
ſchaftlichen
Zwecken, dienſtbar zu machen, wurde ah dem
Leydener Vorbild das Inſtitut geſchaffen, das eine Luſ. Waſſer=
ſtoff
= und Heliumverflüſſigungsanlage enthält. Zurzeir können
täglich 300 Kilogramm flüſſige Luft gewonnen werden; man
erzeugt ſtündlich 10 bis 15 Liter flüſſigen Waſſerſtoff und kann
uch große Mengen Helium dem Verflüſſigungsprozetz uuter
werfen,

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 19. November 1923.

Nummer 32

Stadt und Land.
Darmſtadt, 19. November.

der Städtiſchen Akademie für Tonkunſt im Kleinen Hauſe des
Heſſiſchen Landestheaters.
* Durch die grenzenloſe Not unſerer Zeit iſt es weiten Krei=
ſen
unſerer Bebölkerung aus allen Berufszweigen nicht mehr
vergönnt, ſich an den Werken unſerer großen Meiſter zu erbauen
und ſo für Stunden Vergeſſen zu ſinden all des Elends, das uns
umgibt, und aus dieſem Vergeſſen Mut zu ſchöpfen für die Zu=
kunft
. Dieſe Tatſache hat die Leitung der Städtiſchen Akademie
für Tonkunſt veranlaßt, einen Plan auszuarbeiten, der es den
beteiligten Kreiſen ermöglicht, wenigſtens von Zeit zu Zeit ſich
die erſehnten= Kunſtgenüſſe zu verſchaffen. Sie ging dabei von
dem Gedanken aus, daß ſie ſich beſonders in der heutigen Zeit
nicht nur zur Aufgabe ſtellen darf, die Jugend in all die Geheim=
niſſe
der Tonkunſt einzuführen, ſondern auch denjenigen all das
Große und Schöne der Kunſt näher bringen muß, die keinen
direkten Nutzen aus der Anſtalt ziehen können, und denen die
Kunſt Bedürfnis iſt. Nur ſo kann ſie ihre hohe kulturelle und
volksbildneriſche Aufgabe erfüllen.
Nachdem die finanziellen, Schwierigkeiten, die dem Plane im
Wege ſtanden, überwunden wurden, ſteht das erſte Konzert für
den 28. November, abends 8 Uhr, in Ausſicht. In entgegenkom=
mender
Weiſe haben Frau Alice Orff=Solſcher (Geſang) und
Herr Profeſſor Karl Beines als Begleiter ihre hohe Kunſt in den
Dienſt der guten Sache geſtellt. Orcheſtral wirkt der Inſtrumen=
talverein
und das Orcheſter der Städtiſchen Akademie. Das Pro=
gramm
ſetzt ſich zuſammen aus: Ouvertüre zur Entführung aus
dem Serail für Orcheſter von Mozart, zwei geiſtlichen Liedern
mit Klavier von Schubert, 12 Kontertänzen für Orcheſter von
Beethoben, vier Liedern mit Klavier und Sinfonie D=Dur Nr. 38
für Orcheſter von Mozart. Ein öffentlicher Kartenverkauf findet
nicht ſtatt. Karten ſtehen nur den Mitgliedern folgender Organi=
ſationen
durch die Vorſtände dieſer Verbände zur Verfügung:
1. Alicefrauenverein, 2. Arbeiterwohlfahrtsausſchuß und freie
Gewerkſchaften, 3. Chriſtliche Gewerkſchaften, 4. Verband der
Frauenvereine, 5. Arbeiter=Frauenvereine, 6. Rentnerbund,
2. Reichsbund der Kriegsbeſchädigten, 8. Bund der Kinderreichen,
9. Bund der Arbeitsinvaliden. Auf dieſe Weiſe iſt die Gewähr
dafür gegeben, daß ein Mißbrauch mit Karten ausgeſchloſſen iſt.
Durch die Vorſtände der Organiſationen ſind die Preiſe der
Plätze zu erfahren. Veſtellungen von Karten nehmen bis Mitt=
woch
, den 21. November, die betreffenden Vorſtände entgegen.
Die Ausgabe der Karten erfolgt ab Freitag, den 23. d. Mts.,
ebenfalls durch die Vorſtände. Für Ende Dezember iſt ein zwei=
tes
Konzert: Weihnachten in der Muſik in Ausſicht genommen.
Was Du ins Volk tragen willſt, das trage in die Schule!
Dieſes Wort Humbolds gab Veranlaſſung, den Plan der Volks=
konzerte
noch zu erſeitern. Dasſelbe Programm, das abends
den Mitgliedern der Organiſationen geboten wird, kommt vor=
her
um 6 Uhr für die Schüler und Schülerinnen, der hieſigen
Schulen zu Gehör. Jede Schule erhält eine Anzahl Karten, die
ſie zu mäßigem Eintrittsgeld den Schülern von 12 Jahren auf=
wärts
zur Verfügung ſtellt. Die Leitung der Städtiſchen Aka=
demie
gibt dabei der Hoffnung Ausdruck, daß ſich in jeder Schule
Damen und Herren finden laſſen werden, die die Schüler in die
Werke des Programms vorher einführen. Am geeignetſten und
dazu am berufenſten wären wohl die Geſangslehrer. Sie müß=
ten
auch bei der Verteilung der Karten vorher gehört werden, da=
mit
diejenigen Schüler in den Genuß des Konzertes kommen,
die, muſikaliſch veranlagt, bis jetzt ſelten oder noch gar nicht
Konzerte beſuchen konnten. Man mag noch ſo ſchön ſingen und
ſpielen können, noch ſo ſchön theoretiſch geſchult ſein, ohne daß
man von Muſik als Kunſt und Kunſtwerk etwas zu verſtehen
braucht. Das muſikaliſche Verſtändnis beruht auf ganz anderen
Vorausſetzungen: vor allem der Kenntnis der Perſönlichkeit und
der Werke unſerer großen Meiſter. Dieſer aber iſt nur durch eine
ſtufenweiſe, ſyſtematiſche Schulung und Einführung möglich!
Dieſer Gedanke des Generalmuſikdirektors Profeſſor Dr. Fritz
Volbach in Münſter i. W. foll hier in die Tat umgeſetzt werden.
Volbach, der in Münſter bereits mit derartigen Konzerten große
Erfolge erzielt hat und auf dieſem Gebiet bahnbrechend genannt
werden kann, verdankt die Leitung der Akademie die Anregung
zu dieſem Plane. Die Programme der Konzerte können in den
Geſangsſtunden Gegenſtand eingehender Beſprechungen ſein; in
jeder Schule finden ſich Schüler, die am Klavier die Werke vor=
führen
können (am beſten macht dies anfangs der Lehrer ſelbſt),
dann werden auch diejenigen Nutzen haben, die aus irgend einem
Grunde dem Konzert fernbleiben müſſen. Mit Freuden würde es
die Städtiſche Akademie begrußen, wenn ihr die Schüler nach
dem Konzert kleine ſchriftliche Berichte über den Eindruck der
einzelnen Werke zugehen laſſen wollten. Die Schüler ſollen auf
dieſe Art ſelbſt mitarbeiten, ſie ſollen uns ſagen, was ſie bedür=
fen
. Auch durch Rundfragen in den Schulen nach dem Eindruck
der verſchiedenen Werke iſt viel zu lernen. Es iſt ſicher, daß da=
durch
das Intereſſe an den Muſikſtunden in der Schule ungemein
geweckt wird; es wäre deshalb ſehr dankenswert, wenn ſich die
betreffenden Damen und Herren dieſer kleinen Mühe unterziehen
wollten, die Schüler hierzu anzuregen. Ohne eine ſolche Statiftik
überſchätzen zu wollen, gibt ſie uns doch eine Reihe von Finger=
zeigen
für die Ausgeſtaltung unſeres Werkes, die man ſcharf be=
obachten
ſoll. Um Erfahrungen zu erhalten, haben wir friſch ge=
wagt
, die Sache praktiſch zu erproben. Sie auszubauen und für
die Jugend immer nutzbringender zu geſtalten, iſt Aufgabe einer
hoffentlich im Dienſte dieſer Sache immer enger ſich geſtaltenden
Zuſammenarbeit zwiſchen Schule und der Städtiſchen Akademie
für Tonkunſt.
Dankbar zu gedenken iſt zum Schluſſe noch derer, die ſich der
Städtiſchen Akademie zur Verfügung geſtellt haben: der Stadt=
verwaltung
, der Generaldirektion des Heſſiſchen Landestheaters,
dem Städtiſchen Wohlfahrtsamt, den Vorſtänden der verſchiede=
nen
Wohlfahrtsorganifatoinen, der Zentrale für Volksbildung
und Jugendpflege in Heſſen, und für die Konzerte unſerer Ju=
gend
nicht zuletzt dem Heſſiſchen Landesamt für das Bildungs=
weſen
, dem Stadtſchulamt und ſämtlichen Leitern unſerer Schu=
len
. Sie alle helfen mit, den Bau zu errichten, ſie arbeiten mit
an einer Aufgabe, die des Schweißes der Edelſten wert iſt. Da=
durch
werden wir alle mitarbeiten an der neuen, ſchönen Zukunft
des Vaterlandes, dadurch, daß wir den Samen des Schönen in
die Herzen der Jugend ſäen und denjenigen einige genußreiche
Stunden bereiten, die unter der Schwere der Zeit beſonders zu
Schmitt, Städtiſcher Muſikdirektor.
leiden haben.

Volfstämlicher muſikaliſcher Vortrag.
Die im allerbeſten Sinne des Wortes volkstümlichen Sonntags=
morgenmuſiken
von Oberregierungsrat Grospietſch, die längſt zum
unverlierbaren Beſtande des Darmſtädter Muſiklebens geworden ſind,
zeigen eine unbeirrbar aufwärts weiſende Entwicklung, dank der glück=
lichen
Hand, die ihr Veranſtalter bei der Wahl der Themen und der
ausübenden Kräfte beſitzt. Während bisher ausſchlieflich ſoliſtiſche
Darbietungen die kurzen Einführungen des Leiters erläuterten, hörten
wir am geſtrigen Sonntag erſtmalig Chormuſik, ausgeführt durch die
von Dr. F. Noack begründete und geleitete Madrigal= Ver=
einigung
. Da dieſe bisher nur in anderen Orten aufgetreren war
und ſich geſtern erſtmalig der Darmſtädter Oeffentlichkeit vorſtellte (die
Jahresfeier der Muſik=Akademie war immerhin eine geſchloſſene Ver=
anſtaltung
), ſo mag einiges über Sinn und Ziel des Unternehmiens
vorangeſchickt werden. Die Vereinigung trägt die ganz individuellen
Züge ihres Begründers: ſo wie Noack hohe muſikaliſche Begabung mit
ungewöhnlichen pädagogiſchen Fähigkeiten verbindet, ſo will ſeine Ma=
drigalvereinigung
nicht nur die Muſik an ſich pflegen, ſondern ſie müg=
lichiſt
weiten Kreiſen unſeres Volkes zugänglich mach n. Jedem Vor=
tragsſtück
ſchickt der Leiter deshalb eine kurze Einfüyrung doraus, die
lediglich der Einfühlung dienen ſoll und alles ſchulmeiſterlih Lehrhafte
geſchickt vermeidet. Dieſe Art der Populariſierung ſteigt nicht hinab,
ſoudern zieht herauf, zumal Noack in befondecem Maße die Kunſt
beherrſcht, ſch dem jeweiligen Hörerkreis und ſeiner Auffaſſungsfähig=
keit
anzupaſſen, ob es kunſtgewohnte Großſtädter ſind oder muſikaliſch
ungeſchulte Landleute. Wenn Kammermuſik in weit höherem Maße
letzte Feinheiten des muſikaliſchen Empfindens erſchließt, als der ſchwere
Prunk des großen Orcheſters, ſo gilt das gleiche auch von der Vokal=
muſik
, denn Madrigal iſt Chormuſik in Kammerform.
Der kleine (geſtern 18 Köpfe ſtarke) gemiſcht=vierſrimmige Chor iſt
ein leicht und ſicher anſprechendes Inſtrument in der Hand ſeines Diri=
genten
; die Stimmen ſind durchweg vortrefflich geſchult und klangſchön
und fügen ſich in der Farbtönung wundervoll zuſammen. Vielleicht
wünſchte man nur den tiefen Bäſſen eine etwas paſtoſere Farbgebung,
doch ſcheint es in der pſhchifchen Entwicklung der Zeit begründet zu
liegen, daß die vollen Alt= und Vaßſtimmen ſeltener werden. Der große
und tiefe Erfolg dieſes Chores beruht außer in der klanglichen Schön=
heit
und ſeiner tonalen und rhythmiſchen Sicherheit aber vor allem
darin, daß alles eingeſtellt iſt auf Nachempfinden des Kunſtwerkes unter
Ausſchaltung alles Mechaniſchen. Man hat das Gefühl, daß derſelbe
Chor dasſelbe Lied an anderem Orte und zu anderer Zeit auch anders
nuancieren würde, und eben in dieſem immer wieder neuem Erleben
liegt die Stärke ſeiner künſtleriſchen Leiſtung. Beſonderes Lob gebührt
der guten Textausſprache, während das Mienenſpiel bei einigen der
Mitwirkenden noch zu wünſchen übrig läßt.
Das feinſinnig ausgewählte Programm gliederte ſich in 3 Gruppen
von je 4 Liedern und brachte in bunter Folge Altes und Neues, Ernſtes
und Heiteres, Kirchliches und Weltliches. Die Folge begann mit dem
tiefernſten Gebet in Tobesnot von T. Gallus, das in ſeinem ſtreng
akkordiſchen Aufbau dem feierlichen Stile Paleſtrinas noch ſehr naheſteht,
und einem Paſſionsgeſang Dank ſei unſerem Herrn, das H. Schütz
zugeſchrieben wird. Als Probe katholiſcher Kirchenmuſik folgte ſpäter
Mozarts herrliches Ave verum‟. Die ſchlichte, volksliedhafte Art war
ausgezeichnet vertreten durch das Herbſtlied von H. Albert aus dem
Königsberger Kreiſe von Simon Dach, und V. Rathgebers Lob der
Muſika, aus dem bekannten Liederbuche des 18. Jahrhunderts, dem
Augsburger Tafelkonfekt; die Romantik durch einen friſchen Jäger=
chor
aus der Oper Calypſo von P. Winter, einem Zeitgenoſſen Mo=
zart
, die herbe Waldesnacht von Johs. Brahms und Felix Mendels=
ſohns
bekanntes Lied O Täler weit, o Höhen, das eigentliche Madri=
gal
durch Die Macht der Phyllis, eine feine Arbeit von J. H. Schein,
der 100 Jahre vor Joh. Seb. Bach Thomaskantor war, und vor allem
D. Fridericis Cupido und das Bienlein mit ſeinen eigenartigen Vers=
ſchlüſſen
. Daneben kam die heitere Muſik zu ihrem guten Recht durch
eine Reihe ganz köſtlicher Kabinettſtücke: Die Henne von Scandellus
und das St. Martinsfeſt von Arnold Mendelsſohn mit der luſtigen
Verarbeitung der Tierſtimmen, und ſchließlich das zugegebene ent=
zückende
Kinderlied von Grell.
Bei einer volkstümlichen Veranſtaltung hat die Vox populi ein
verbrieftes Recht, gehört zu werden; ſie gab, ſo weit wir feſtſtellen
konnten, ſo gut wie einſtimmig dem Abe verum den Preis. Die
Kritik iſt in der angnehmen Lage, ſich dieſem Votum zeſtlos anzu=
ſchließen
; das Lied wurde in der Tat zum ſeeliſchen Erlebnis. Da bei
jeder öffentlichen Veranſtaltung nicht nur die Ausübenden, ſondern
ebenſo die Empfangenden der Kritik unterliegen, ſei nicht verſäumt,
auch der Hörerſchaft ein warmes Lob zu ſpenden, daß ſie die ernſten
Lieder in ſchweigender Ergriffenheit aufnahm, ohne die Weiheſtimmung
durch brutales Klatſchen zu zerſtören, um bei den heiteren Stücken
um ſo deutlicher zu zeigen, daß ſie nicht auf den Händen ſaß. Der
Veranſtalter dieſer muſikaliſchen Morgenandachten trak diesmal ſtill
hinter ſeinem Werke zurück und empfing den tiefen Dank für ſein wahr=
haft
ideales Wirken in dem zu Herzen gehenden Eindruck auch dieſer
Veranſtaltung.
Das Konzert fand diesmal in der Aula der Baugewerkſchule ſtatt,
die raumkünſtleriſch und vor allem akkuſtiſch der bisher benutzten Aula
des Realgymnaſiums ſo unvergleichbar überlegen iſt, daß eine dauernde
Ueberſiedlung ernſthaft zu erwägen wäre, Prof. Dr. F. Behn.

Wie uns das Deutſche Rote Kreuz mitteilt, beabſichtigt das ſchwe=
diſche
Rote Kreuz, auch in dieſem Jahre den ſchwediſchen Deutſchland=
freunden
Gelegenheit zu bieten, für das bevorſtehende Weihnachtsfeſt
Liebesgaben nach Deutſchland zu ſenden. Zu dieſem Zweck iſt eine
Sammelzentrale in Trelleborg errichtet worden, woſelbſt Pakete mit
Kleidern und haltbaren Lebensmitteln für beſtimmte Adreſſaten ange=
nommen
werden. Ferner hat die vor allem durch Arbeitsloſigkeit und
Lebensmittelmangel hevorgerufene und ſtändig wachſende Not in
Deutſchland das ſchwediſche Rote Kreuz veranlaßt, ſchon jetzt den Be=
trieb
eines Teiles der im vorigen Winter in verſchiedenen deutſchen
Städten errichteten Kinderküchen wieder aufzunehmen. Bei der ſtarken
Inanſpruchnahme der Mittel, die dem ſchwediſchen Roten Kreuz von
der hilfsbereiten Bevölkerung für die Deutſchlandhilfe zur Verfügung
geſtellt worden waren, ſollte die Wiederaufnahme der Speiſungen erſt
ab Januar erfolgen. In anbetracht der großen Not, und nachdem
das deutſche Rote Kreuz unter Hervorhebung der jetzt herrſchenden
Schwierigkeiten um raſche Hilfe gebeten hat, wurde beſchloſſen, den
Notleidenden ſchnellſtens zu Hilfe zu kommen. Der wärmſte Dank des
deutſchen Volkes iſt den ſchwediſchen Spendern und dem ſchwediſchen
Roten Kreuz für ſeinen hochherzigen Beſchluß gewiß.
Das Ende der Dienſtmarke. Die vor wenigen Jahren eingeführte
Verwendung beſonderer Dienſtmarken zur Freimachung von dienſtlichen
Briefſendungen der Reichsbehörden iſt im Fern= und Ortsverkehr beſei=
tigt
worden. Die Bureaukratie hat eingeſehen, daß hier unproduktive
Arbeit geleiſtet wurde mit all ihren Folgen und Nachteilen, an denen wir
in ſo reichem Maße kranken. Es geht auch anders. Die Poſt erhält
von der Finanz jeweils am 15. des Monats ein den Gebührenerhöhun=
gen
ſich jeweils anpaſſendes Pauſchale, und der Staat iſt gerettet.

Aus den Parteien.

Deutſche Demokratiſche Partei ( Frauen=
gruppe
). In der letzten Zuſammenkunft am Mittwoch ſprach unſere

verehrte Stadtverordnete Frau Karoline Balſer, über Kommunal=
fragen
und Fürſorgeeinrichtungen in Darmſtadt. Da Frau Balſer an
der Arbeit aller der Einrichtungen für das gemeine Wohl ſchon ſeit
langem regſten Anteil nimmmt, waren ihre Ausführungen ſehr anſchau=
lich
und belehrend für den erfreulich großen Kreis der Zuhörerinnen.
Freilich ſind die Ausſichten auf den meiſten dieſer Gebiete außerordent=
lich
trübe für den kommenden ſchweren Winter. Trotz aller Mühe und

Opferwilligkeit wird es den in Frage kommenden Behörden
fahrtsamt uſw. kaum möglich ſein, der ärgſten Not zu ſteuer,
über dürfen wir uns wohl keinerlei Illuſionen hingeben; die fri
ſegensreiche Tätigkeit der privaten Hilfsbereitſchaft (wir denken
erſter Linie an die verſchiedenen Frauenvereine) aber, die ſtets
in die Breſche trat, wird vielfach aus Mangel an Geldmittelr
menſchlichen Hilfskräften, die in beſſeren Zeiten zur Verfügung ſt
leider oft da verſagen müſſen, wo man ſie früher als beinahe
verſtändlich hinnahm. In der ſehr lebhaften Ausſprache über
Nöte der Familien, den ſchuldlos armen und der Fürſorge bedü
Alten und Kranken, ſowie über die Fragen, die beſonders die
frauen beſchäftigen, wie in erſter Linie die viel erörterte und noch
nicht zum erträglichen Abſchluß gebrachte Gasangelegenheit, kam
mannigfachſten Anregungen zum Ausdruck. Dieſe an die zuſtä
ausführenden Organe weiterzugeben, verſprach die Frau Stadt
nete bereitwilligſt. Hoffentlich ſehen wir nun auch in Bälde fi
freuliche Reſultate daraus entwickeln! Denn ſicher nur, wenn jede
zelne an ſeinem Fleck ſich bemüht, helfend und fördernd mit R
Tat mitzuarbeiten, zum Wohle aller, wird es für die Allgem
möglich ſein, die nächſten ſchweren Wochen und Monate zu
dauern.

r. Babenhaufen, 16. Nod. Die geſtrige öffentliche Geme
ratsſitzung brachte wieder eine reiche Tagesordnung. Ei
Sprung untauglich gewerdener Faſelochs ſoll auf dem Submiſſir
kommende Woche verkauft werden. Die näheren Bedingungen ſi
der Bürgermeiſterei bis zum Dienstag, den 20. Nov., erſichtlich
Bürgermeiſter erſtattet dann Bericht über die 1900er Stadtanlei
bis 1946 noch laufe. Eine Kündigung dieſer Anleihe wird vor
meinderat in Erwägung gezogen, aber wegen der mißlichen
währungsverhältniſſe vorerſt noch zurückgeſtellt. Nach dem Vora=
der
Finanz= und Pachtkommifſion wird den Pachtſätzen für Ger
und Hoſpitalgrundſtücke ein Durchſchnittspreis von 8 Goldmark f1
Zentner Roggen zugrunde gelegt. Bei Bezahlung mit nicht wert
digem Geld, ſondern in Papiermark, erfolgt Umrechnung nac
Kurſe der Reichsſteuermark des der Zahlung vorausgehenden
Die Neufeſtſetzung des Einkaufsgeldes für neu aufzunehmende
bürger bewirkt eine lebhafte Ausſprache über dieſen Punkt.
bürgerrechtsfragen werden vom Bürgermeiſter auf Anfragen
dener Gemeinderäte allgemein=geſetzlich erörtert. Alle Anweſende
der Anſicht, daß das Einkaufs= reſp. Einzugs= und Feuereimergeld
beſtändig feſtgeſetzt werden muß, zumal die Gemeinde auch wert
dige Werte (ſeither 6 Rm. Holz und 100 Wellen) an ihre Oxts
abgibt. Voriges Jahr betrug das Einkaufsgeld 90 000 Mk.
Jahr einigte man ſich auf etwa zwei Drittel der Friedensſätze. Es
betragen: das Einzugsgeld für Inländer 12 Goldmark, für Aus
22 Goldmirk; das Einkaufsgeld für den Bezug des Ortsbürgerr
300 Goldmark, das Feuereimergeld 4 Goldmark. Neueinrretende
bürger haben dieſe Bträge bis zum 31. Dezember d. J. an die
kafſe zu entrichten. Da der Staat aus Landesmitteln einen ge
Betrag von heſſiſchen Dollarſchatzanweiſungen zur Verbilligun
Brotes an Bedürftige als Darlehen zur Verfügung ſtellen will,
die Gemeinde den gleichen Betrag dafür aufwenden will, ſo bei
der Gemeinderat, dieſes ſtaatliche Darlehen anzunehmen und au
meindemitteln die gleiche Summe zugunſten unſerer Armen zu
Mit der Durchführung wird die Finanzkommiſſion betraut.
anſchließenden nichtöffentlichen Sitzung werden u. a. Herrn J.
für das Straßenreinigen vor Gemeindegebäuden ab 1. Novembe
Goldmark monatlich zugebilligt. Das Geſuch des Herrn H. Dur
ſtändig hier im Gaſthaus zum Löwen ein Kino einrichten zu
wird nach regem Austauſch von Für und Wider genehmigt. Me
wartet von dem Kinobeſitzer, daß er nur künſtleriſch wertvolle
bringt, Schund und Kitſch in dieſer nervenaufpeitſchenden Zei=
meidet
. Zum Schluſſe der bis Mitternacht ſich ausdehnenden E
werden noch die vom Bürgermeiſter getätigten Holzverkäufe gene

tollte
Arbeiter! Angeſtenne. Ram
Heift den Notleidenden.
Furchtbarſte Not in allen Winkeln, Hunger und Frof
tauſenden Familien, ſo gehen wir in den Winter. Weſſen
iſt nicht hilfsbereit, wenn es gilt das Brot zu teilen, mit
die kein Brot, keine warme Stube, kein Einkommen haben?
Beamte, Angeſtellte, Arbeiter!
Denkt an die verzweifelten Mütter, an die hungernden
der, an die gebrochenen Alten.
Seidfreudig zur Tat!
Für die Linderung der bitterſten Not wird den in Verſ
Stehenden kein Opfer zu groß ſein: Opfer dargebracht aus
und Menſchlichkeit zu unſern armen unglücklichen Mitburger.
Arbeiter= und Angeſtelltenräte, Beamte
ausſchüſſe!
Sammelt ſchnell und liefert beſchleunigt im Stadthauſe,
mer 26, ab. Die Art der Sammlung bleibt jedem Betriebe,
Amte ſelbſt überlaſſen.
Gewerkſchaftskartell Darmſtadt, i. A.: Leuſchner.
Deutſcher Gewerkſchaftsbund, Darmſtadt, i. A.: Frl. M
Joh. Weſp.
Gewerkſchaftsring der Arbeiter=, Angeſtellten= und Beumte
verbände, Darmſtadt, i. A.: Weinberg.
Afa=Bund, Darmſtadt, i. A.: Lange.
Deutſcher Beamtenbund, Darmſtadt, i. A.: Zinſer.
Heſſiſcher Beamtenbund, Darmſtadt, i. A.: Dr. Klaß.
Allgemeiner deutſcher Beamtenbund, Darmſtadt,
i. A.: Neumann.

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus geſchloſſen. Kleines Haus,
fang 7 Uhr (Sonderm. 20½): Aleſſandro Stradella‟. Orphe
Anfang 734 Uhr: Die Frau im Hermelin Union=, Reſid
Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Hauptſchriftleitung: Rur
Mauve. Verantwortlich für Politik und Wirtſchaft: Ru
Mauve für Feuilleton: Max Streeſe Heſſiſche Nachridk
Max Streeſe Sport: Dr. Eugen Buhlmann,
dienſt: Andreas Bauer;
den Inſeratenteil:
Kuhle, ſämtlich in Darmſtadt.

Die hettige Rummer hat 6 Seiten

Geſtern abend 11½ Uhr verſchied plötzlich und
unerwartet infolge eines Herzſchlages mein innigſt=
geliebter
, treuer Mann, unſer herzensguter, treuſpr=
gender
Vater, Schwiegervater, Großvater, Schwage
und Oukel

Baſtwirt

im nahezu vollendeten 54, Lebensjahre,
Im Ramen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Frau Emilie Preuſch.
Darmſtadt (Karlſtr. 104), den 18. Nov. 1923.
Die Beerdigung findet Dienstag, den 20. Nov., vor=
mittags
111 Uhr, vom Portale des Darmſtädter
Friedhofs (Ni der=Ramſtädterſtraße) aus ſtatt
Von Beileidsbeſuchen bittet man abzufehen. (B8139

Bekanntmachung.
Nach § 201 Abſ. 2 der Ausführungs=
beſtimmungen
zum Umſatzſteuergeſetz vom
24. Dezember 1919 in der Faſſung vom
8. 4. 1922 verlieren alle für das Jahr
1923 ausgeſtellten Beſcheinigungen über
die gewerbliche Weiterveräußerung von
den im 821 vorgenannten Geſetzes näher
bezeichneten Luxusgegenſtänden ihre
Gültigkeit. Anträge auf Erneuerung
ſind bis ſpäteſtens 1. Dezember 1923 bei
den unterzeichneten Umſatzſteuerämtern
einzureichen. Die Beſcheinigungen werden
ſtempel= und gebührenfrei ausgefertigt
und bis ſpäteſtens 1. 1. 1924 den Antrag=
ſtellern
zugeſtellt. Alle bisherigen Be
ſcheinigungen ſind alsdann unverzüglich
den Umſatzſteuerämtern zurückzugeben.
Darmſtadt, 14 November 1423 (8140
Die Finanzämter (Umſatzſteuerämter):
Darmſtadt=Stadt. Darmſtadt=Land. Langen.

Lanzestheater.
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die Rachzahlungen auf
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[ ][  ][ ]

mftädter Tagblatt

Fußball.

Okympia=Lorſch V.f. R.=Darmſtadt 2:1 (2:1).
. Einen prächtigen Fußballkampf lieferten ſich obige Kreis=
Nannſchaften in Lorſch, der wohl in jeder Beziehung als
Kampf bewertet werden kann, der je zwiſchen beiden Ver=
ſtattgefunden
hat. Prachtvolles Zuſammenſpiel beider
nexreihen mit faftigen Torſchüſſen krönen das Spiel. Ueder=
O Leiſtungen beider Läuferreihen, denen ſich die Verteidi=
en
gut anſchloſſen, ſeien genannt. Ebenſo beide Tolwächter,
r Seiligtum in hervorragender Weiſe zu verteidigen wußten.
der Spielverlauf: Lorſch geht durch Prachtſchuß ſeines Mit=
ifers
in Führung. Meyer vom V. f. R. gleicht prompt nach
iſchem Durchſpiel aus. Zwei Elfmeter für V. ſ. R., durch
verwirkt, bringen demſelben keine Erfolge. Kurz vor Hulb=
jeht
Lorſch durch ſeinen Halbrechten erneut in Führung.
Halbzeit kämpft V.f. R. auf Ausgleich. Bergeis ſcharfe
ſe meiſtert der Lorſcher Toxhüter. Auf der Gegenſeite
et ſich Friedmann durch entſchiedenes Eingreifen aus
weiteren Elfmeter für, V. f. R. ſchießt Müller drüßer,
vor Schluß iſt es Vechtel=Lorſch, der einen Elſmeter Fried=
in
die Hand ſchießt. Der Schiedsrichter war niht einge=
. Herr Feh von Bensheim übernahm die Leitung und
zur Zuſriedenheit beider Parteien.

19. Nov. 1923 Nr. 320

Averein Darmſtadt 1898 Spielvereinigung 1904 Arheilgen,
2:1.
Zahlreiche Zuſchauer, echtes Fußballwetter und zwei gute
rgaben dem heutigen Syfel im Darmſtädter Stadion einen
gen Auftakt. Arheilgens Mannſchaft hat die auf ſie ge=
Erwartungen in ſpieleriſcher Hinſicht erfüllt. Ohne
el bildet ſie gegenwärtig die beſte und auch diſziplinierteſte
iſchaft aus Darmſtadts näherer Umgebung. Sie zeigt ſich
und gibt für jeden anderen Verein ein Hindernis, das bei
ferneren Spielen in der Odenwald=Kreisliga ohne Kampf
nicht genommen iſt. Auch heute hat ſie der Ligaelf des
vereins bewieſen, daß ihr Reſultat von vergangenem Sonn=
ein
Zufallserfolg geweſen iſt. Die Darmſtädter lieferten
das Spiel, das an ihre früheren gezeigten heranreichte. Der
n war zu zaghaft und unentſchloſſen. Zur Ueberwindung
uhepunktes mußte Stephan wieder eingreifen. Wäre Becker
zu Hilfe geiommen, ſo hätte die Mannſchaft ſicher das Nach=
gehabt
. Als dieſer Spieler für die Einheimiſchen das ſieg=
ende
Tor erzielte, kannte der Jubel der Zuſchauer keine
en, der weniger der Sache, als dem Torſchützen ſelbſt zu=
t
war. Seine Leiſtung war eine ſelten geſehene Ballbe=
ung
. Im großen und ganzen war es für Darmſtadt ein
der verpaßten Gelegenheiten, das ſich in der weitaus mei=
zeit
in Arheilgens Hälfte abſpielte. Nur ein einziges Mal
3 mit dem Tor Ellenbecks recht gefährlich aus. Vor lauter
u konnten Arheilgens flinke Stürmer nicht zum Schuß kom=
ſo
daß der Ball zu guterletzt außerhalb des Spielfeldes
edie vorteilhafteſte. Durch Umſtellung wird die Läuferreihe
efentlich ſtärker ſtellen laſſen, ohne daß die Mannſchaft im
n an Leiſtungsfähigkeit einbüßen würde. Arheilgen hielt
ährend des ganzen Spieles außerordentlich tapfer, war viel
* als ihr Gegner und hatte keinen Verſager. Das Zu=
enſpiel
litt jedoch unter dem glatten Raſenboden. Daß die
iſchaft durch einen Elfmeterball vorüßergehend aufholen
e, war ein gerechter Ausgleich. Ihr Spiel im ganzen ſtand
auf der gleichen Höhe wie am vergangenen Sonntag gegen
hofen. Herr Chriſte vom V.f.R. Frankſurt war der Schieds=
, wie man ihn bei ſolchen Spielen ſich nur wünſchen kann.
Entſcheidungen maren gerecht, wenn auch einzelne aus=
ge
Schreier ſich nicht damit abzufinden verſtanden. Er hatte
piel in ſeiner Hand und die Spieler fügten ſich gerne und
ſeinen Entſcheidungen.

Eintracht A. S. C. 5:2 (2:1).
Bs. Am Finanzamt traſen ſich am Sonntaz vormittag obige
Mannſchaften im Priratſpiel und lieferten ein wirkliches
allſpiel, d. h. ein Spiel, wie es ſein ſoll. Mit dem Anſtoß
ichkelt ſich ſoſort ein ſehr raſches Tempo und beide Torhüter
: Gelegenheit, ihr Können zu beſeiſen. In der 20. Minute
der A.S.C.=Torhüter einen leichten, aber ſcheinbar unver=
ten
Schuß von Mihllach I. ins Tor rollen. Eintracht führt
Aker nicht lange währt die Freude. Der gegneriſche Mittel=
ier
nimmit die Gelegenheit wahr, aus einem Gedränge vor
E.=Tor heraus durch ſaftigen Schuß auszugleichen. 1:1.
die Turner laſſen ſich heute nicht entmutigen und im An=
8 an eine Ecke Lucſt E. den zueiten Treffer durch He=ſe.
zeit. Die zweite Hälſte ſieht die Turner, die nunmehr
ettras Rückeniind ſpielen, größtenteils im Angriff. Sie
en durch Frey noch 2 und Cünther einen weiteren Erſolg
(en, dem A.S.C. nur noch einen Trefſer entgegenzuſetzen
Dem Schiedsrichter, einem Herrn von Union‟= Darm=
wurde
inſolge der lobenswert fairen Spielweiſe beider
Faften ſein Amt recht leicht gemaht.
Eintracht II AS.C. II. 1:2.
Aus der Meinzenliale.
Der geſtrige Sonntag brachte fämtliche Bezirksli;abereine
den P an. In Franiſurt ar nur ein Spiel, und zwar tra=
ich
am Riedert ald die Cintracht mit der Viltoria=Aſchaffen=
(rſterer Verein ſiegte verdient, aber zahlenmäßig etwas
och, miit 4:1. Tas Spiel ſelkſt war auſſallenderweiſe ſehr
und wurce von beilen Gegnern mit größter Cnergie und
hauer bis zum Schlußpſiff durchgeführt. Eintracht errang in
30. Minute durch Weber, der an den herauslauſengen Velz
in te, den erſten Erfolg. In der zweiten Hälfte wurde der
pf womöglich noch ſchärfer. Cintracht wollte ihren Vorſprung
rößern, während die Pahern bedacht waren aufzuholen. Be=
einige
Minuten nach Lesinn erhält Oeſterling den Ball an
Mittellinie gut zugeſpielt, geht kurz entſchloſſen ganz allein
) und plaziert wunderbar den zweiten Erfolg. Auf dieſen
iann Cintracht einige Minuten beängſtigend drücken. Aſchaf=
urg
macht ſich frei. Es entſteht wieder ausgeglichenes Spiel
bei einem Angriff der Bayern fällt Klemm bei der Abwehr
den Vall. Die harte Entſcheidung lautet Elſmeter, der von
afſenburg unhaltlar verwandelt wird. Wiederum wird
gekämpſt. Jedoch nach 2 Minuten iſt es Pfeiffer, der nach
ti em energiſchem Cinzelſpiel das Ergelnis auf 3.1 ſtellt.
reſtlichen Minuten ſtehen immer noch im härteſten Kanpf um
Peſitz des Valles beider Gegner. Belz wird leichtſinnig und
zu weit aus dem Tor. Schönfeld erhält den Ball nach vorn.
iſt über ſeiner Strafraummarke und kann den Ball mit den
en nicht mehr erreichen. Der ſchnelle Schönfeld hat blitzſchnell
Gelegenheit ausgenutzt und an Belz vorbei ins leere Tor ein=
hoſſen
. Vorher hatte noch Kirchheim Gelegenheit, das Ergeb=
für
Cintracht zu erhi hen, trat aber den Elfmeter Telz in die
de. Beim Schlußpfiff wurden beiden Gegnern lebhaſte Bei=
3kundgebungen zuteil, die bei der lobenswerten Spielweiſe
chtigt waren. Auch der Stuttgarter Schiedsrichter, der das
el gut leitete, erntete Beifall. Durch dieſes Spiel iſt der hier
ver letzten Zeit ſtark in Mißkredit geratene Fußball wieder in
eres Anſehen geraten. Es iſt im Intereſſe des Fiß allſports
wünſchen, daß ſämtliche weiteren Spiele einen deiactig ſchönen

einſpandfreien Verlauf nehmen.

Hanau 93 Kickers=Offenbach, 4:3 (4:1).
* Die letzten Siege der Hanauer, die überraſchend waren,
haben ihre Urſache in der immer beſſer werdenden Mannſchaft.
So mußten heute wieder die Offenbacher Kickers die zwei Punkte
in Hanau laſſen. Allerdings iſt der Hanauer Platz etwas klein
für größere Spiele und die Kickers konnten ſich ſehr ſchlecht mit
ihrer weitmaſchigen Kombination zurechtfinden. Die Hanauer
Mannſchaft ſpielte mit ſeltenem Elan und die Folge des durch=
dachten
Stürmerſpiels war, daß ſie bereits bei der Pauſe mit
4:1 in Führung lagen. Die Mannſchaft wurde nach der Pauſe
etwas ſüſſig, während Offenbach Dampf aufſetzte. Durch zwei
Strafſtöße wurde das Reſultat auf 4:3 geſtelit. Eine Minute
vor Echluß bekam Offenbach einen Elfmeier zug ſprochen, jedoch
hielt Hoiſt im Hanauer Tor den ſcharf geſchoſſenen Ball glän=
zend
. Herr Lehliert=Karlsruhe amtierte einWald ei
Sportklub Bürgel Sportverein Frankſurt, 2:4 (1:3) abgebr.
* Sporttzerein Frankfurt, der Tabellenerſte und vorausſicht=
liche
Meiſter, weilte in Bürgel und ſchlug dort nach eindrucks=
vollem
Spiel in größter Ueberlegenheit den Sportklub mit 2:4.
Die Mannſchaft des Sportvereins war verſtärkt durch Strehlke II.,
den man von Berlin hatte kommen laſſen. Dieſer führte auch
mit Klumpp und ſeinem Bruder den Sturm und gab ihm die
nötige Durchſchlagskraft. Leider wurde das Spiel 20 Minuten
vor Schluß abgebrochen, da der Platz durch den anhaltenden
Regen ſtark glitſchig und unſpielbar wurde. Der Unparteiiſche,
Bühler aus Stuttgart, leitete einwandfrei.
Sportverein Offenbach Helvetia=Frankfurt, 4:1.
te. Die gegenwärtige Aufſiellung der Darmſtädter iſt nicht * An dieſes Reſultat hätte wohl niemand geglaubt. Wenn
auch Helvetia gezwungen war, mit mehreren Erſatzleuten anzu=
treten
, ſo durfte eine Elf, wie ſie eine derartige Packung nicht
aufkommen laſſen. Die geſamte Mannſchaft ſpielte mit Unluſt
und mißmutig, während ihr Gegner ſehr eifrig ſpielte und vor=
teilhaft
abſtach. So kam es, daß der Tabellenletzte einen ein=
drucksvollen
Sieg erringen konnte, der durchaus in dieſer Höhe
den gezeigten Leiſtungen nach verdient iſt. Helvetig kommt durch
dieſe Niederlage ſtark ins Hintertreffen.
Bagern.
Fußballverein Nürnberg F.C. Nürnberg, 1:0 (!!!).
* (Pribattelegramm). Der Nürnberger Fußballklub trat in
ſtärlſter Aufftellung auf dem Platz des Fußballvereins an und
bereits in der 25. Sekunde erzielte der Fußballverein ein wunder=
bares
Tor. Der Ball wurde von keinem Gegner berührt. Nach
dieſem Erfolg zog ſich die geſamte Maunſchaft zurück und ver=
teidigte
die geſamte reſtliche Spielzeit ſo, zwei wichtige Punkte
einheimſend. Wenn auch die Art und Weiſe der Verteidigung
nicht die von Gentlemans iſt, ſo muß nian doch die Ausdauer und
die Methode bewundern, die es dem Verein möglich machten,
gegen einen ſolchen Gegner torlos wegzukommen.
Bahern=MünchenWacker=München, 4:0.
Spielvereinigung FürthM. 2.V. Fürth, 4:1.
Württemberg=Baden:
F.f.B. StuttgartSp. V. Darmſtadt, 8:0.
GaisbergNormania=Gemünd, 2:0.
Eintracht=StuttgartF. V. Zuffhauſen, 0:0.
F. V. KarlsruheFrankonia=Karlsruhe, 0:0.
Feudenheimd3=Ludwigshafen, 3:1.
MühlburgSeilbronn, 0:0.
Feuerbach-Pforzheim, 1:2.
Mainbezirk.
RöSelheimV.f.R. 01=Frankfurt, 1:3.
Sportfreunde=Fran ſurtOkerurſel, 10:2.
FechenheimEckenheim, 5:1.
Germania 94=FrankfurtSeckbach, 1:0, abgebrochen
Vi toria=KahlKanau 1860, 1:2.
Kickers=AſchaffenburgKanau 94, 3:3.

V.f.B. Groß=Auheim-Damm 1863, 4:0.

Odenwald:

F. V. Pirmaſens- Phönix=Mannheim. 1:0.

V.f. R. Mannheim-Phönix=Ludwigshafen, 1:1.
Pfalz=LudwigshafenMannheim=Waldhof, 1:0.
Freudenheim03=Ludwigshafen, 3:1.
Lindenhof 08Sp. Cl. Käfertal, 7:0.
V.f.L. NeckarauMannheim 07, 1:0.
Germania=LudwigshafenS.f.B. Frieſenheim, 1:0.

Union=LudwigshafenOckersheim, 1:0.
Sp. V. DarmſtadtSp. Vg. Arheilgen, 2:1.

Sp. V. Blan ſtadtSchwetzingen, 4:0.
V.f.B. HeidelbergHertha=Mannheim, 4:1.
Germania=Friedrichsfeld98 Schwetzingen, 3:2.

Arminia=RheingönheimSp. V. Mundenheim, 2:0.


Saar=Heſſen.

Sp.V. WieskachF. V. Saarbrücken, 0:1.

Alemannia=VormsOlympia=Worms, 1:0.

Spie vereinigung Wiesba enF V. Biebrich, 1:1.

F. V. Bingen02 Kreuznach, 4:1.


Hocket.

Sportklub 1880=Frankfurt Heidelberger Hockeyklub 3:5.
Auf dem Sportplatz an der Adickesallee in Frankſurt a. M.
geſpann geſtern der Heidelberger Hodeyklub gegen den Frankfur=
ter
Sportklub mit 5:3. Die Entſcheidungen des Schiedsrichters
löſten öfters laute Wiberſprüche aus, eine Erſcheinung, die man
übrigens noch nie auf dem Platz der 80er, wo das Publikum wird anläßlich des 6. Deutſchen Verbandstages Anfangs Auguſt 1924
ſportlich diſzipliniert iſt, wahrnehmen konnte. Vor Hauhzeit war, in Hamburg vor ſich gehen. Während die Kajak=, Kanadier= und Fall=
das
Spiel ziemlich gleichmäßig verteilt, jedoch trat durch die Ent= bootmeiſterſchaften über 1000 und 1500 Meter auf der Alſter vor ſich
Depreſſion bei den 80ern ein. Dadurch konnten die Heidelberger, Strecken über 10 Kilometer auf der Elbe zu veranſtalten. Mit dem
furter die 2 Tore auf. Zwei neue Tore für Heidelberg folgten, ſtellung verbunden, wozu ſchwvediſche Kanuſportler ihr Erſcheinen zu=
worauf
die Gäſte, die eine ſehr gute Mannſchaft ſtellten, durch geſagt haben,
eine Straſecke ein 5. Tor, und damit die ſichere Führung und den
Sieg errangen.
Sportilub Frankfurt II R.=G. Heidelberg II 3:2.
V. f. R.=Mannheim Turnverein 68=Mannheim 4:4.
B. f. R., Damen, Mannheim 46, Damen, Mannheim 9:1. iſt eine zentrale Arbeitsſtelle, die ſich in uneigennütziger Weiſe in den
Boxen.
Die Box=Affaire CarpentiersBatthing Siki.
Box=Union den ehemaligen franzöſiſchen Weltmeiſter Carpentiers, der auslandsdeutſchen Sportler im Reich das ſind Dienſte für das
ausgeſchloſſen und den Senegalneger Batthing Siki wegen il= Deutſchtum im Ausland, deren Tragweits zur Zeit noch nicht zu über=
titels
verluſtig erklärt.

Ragkg.
Verbandstag des Süddeutſchen Rugby=Verbandes.
Am Samstag fand in Heidelberg ein außerordentlicher Ver=
bandstag
des Süddeutſchen Rugbyverbandes ſtatt. Mit Aus=
nahme
des Frankfurter Turnvereins und des Heidelberger Ru=
derklubs
waren ſämtliche Vereine vertreten. Anſtelle des erſten
zurückgetretenen Vorſitzenden Aſinelli wurde Dr. Ulrich, V. f. R.=
Stuttgart gewählt. Gegen die Beſchlüſſe des Deutſchen Rugby=
verbands
nahm der Südd. Rugbyverband Stellung, und erklärte,
daß der letzte deutſche Rugbytag verfaſſungswidrig geweſen ſei,
und daß die Geſchäftsführung des Deutſchen Rugbyverbands in
kraſſem Widerſpruch zu den Satzungen ſtehe. Da der Deutſche
Rugbyverband auf die Vorſchläge des Südd. Rugbyverbands
nicht eingetreten iſt, hat dieſer ſeinen Austritt aus dem Deutſchen
Rugbyverband erklärt und beſchloſſen, den ſüddeutſchen Rugbh=
ſport
unter Meiſter, deſſen Disqualiſikation von Süddeutſchland
nicht anerkannt wurde, weiter zu proklamieren. Die Beſchlüſſe
werden wahrſcheinlich weiter zur Folge haben, daß der Süddeut=
ſche
Verband aus dem Deutſchen Rugbyverband, ausgeſchloſſen
wird, doch werden vermutlich nicht alle norddeutſchen Vereine da=
mit
einverſtanden ſein,
Frankfurter Sportklub 80 Heidelberger R.=C. 16:0.
Am Sonntag trug Sportklub 80 und Heidelberger R.=C. ein
Wettſpiel aus, das die Heidelberger mit 16:0 ſiegreich beſtanden.
Frankfurt erſchien anfänglich nur mit 13 Mann. Es fehlten
Schwager, Oskar Kreuzer, Treuſch und Theo Haag, die zwei letz=
teren
infolge eines Autounfalls. Erſt nach Halbzeit ſprang Erſatz
aus der zweiten Mannſchaft ein und dann geſtaltete ſich das
Spiel ziemlich offen.
Sportverein Jung=Siemens Sportverein 21=Hannover 22:3
13:0.
In Berlin abſolvierte die Spielvereinigung Siemens ihr er=
ſtes
öfentliches Rugbyſpiel gegen eine kombinierte Mannſchaft
von Sportverein Alexandria und Sportverein 21=Hannover. Sie
konnte es ſiegreich mit 22:3, Halbzeit 13:0, geſtalten.
Sportklub 80=Frankfurt II Heidelberger R.=C. II 12:5.
Turnveein 46=Mannheim Mannheimer Turngefellſch. 3:0.
Phönix=Manheim Mannheim=Waldhof 4:2.
Tarnen.
Turngemeinde Darmſtadt 1846.
H.M.- Für Samstag, den 1. Dezember rüſtet die Woogsplatz=
Turngemeinde zu einer großzügigen Veranſtaltung, welche im Großen
Haus des Landestheaters abgehalten wird. Dieſe Pranſtaltung bringt
in ihrem erſten Teile ein Bühnen=Schauturnen. Geräteurnen und Frei=
übungen
in kurzer, eindrucksvoller Art werden Jahnſches Turnen in
hoher Vollendung zeigen. Beſonderen Reiz wird das Turnen an den
Schaukelringen, wie auch die Volkstanze der Turnerinnen auf die Be=
ſchauer
ausüben. Der zweite Teil des Abends bringt die Aufführung
des Feſtſpiels Friſch auf mein Volk‟. Dieſes Feſtſpiel wurde auf dem
Hauptfeſtabend des 13. Deutſchen Turnfeſtes zu München mit gröſzem
Erfolg aufgeführt. Die hieſige Einſtudierung hat ein bekanntes Mit=
glied
unſeres Landestheaters übernommen. Die Aufführung des Feſt=
ſpiels
ſtellt eine Neuerung im Rahmen eines Schauturnens dar. Sie
ſoll der Geiſtes= und Geſchichtspflege, welche in den Vereinen der D.T.
eifrig gebflegt wird, auch vor der Oeffentlichkeit die ihr gebührende
Beachtung verſchaffen. Das Feſtſpiel dürfte in weiteſten Kreiſen großes
Intereſſe hervorrufen. Die Handlung des Feſiſpiels, wie auch über die
ganze Veranſtaltung wird Näheres an dieſer Stelle, durch Plakate und
Anzeigen in dieſer Zeitung noch veröffentlicht.

eichtatkietif.

Schnitzeljagd.
Als zweite Winterveranſtaltung der L.A. des Sportvereins
findet am nüchſten Sonntag, den 25. Nov., 3 Uihr, eine Schnitzel=
jagd
ſtatt. Die diesjährige Veranſtaltung hat einige Abänderun=
gen
gegenüber der vorjährigen erfahren. Diesmal laufen drei
Füchſe (Harres, Kriechbaum, Hornſchuch). Außerdem iſt das Ge=
biet
begrenzt gegen früher. Nach Süden der Waldrand, weſtlich
die Straße nach Niederramſtadt, nach Oſten Odenwaldbahn, nach
Norden Waldrand, Golfplätze. Die Jagd dauert eine Stunde.

Kegeln.

=Sch= Der Darmſtädter Keglerverband veranſtaltete
am 10., 11. und 18. Nov. eine 100 Kugel=Preiskegeln, an dem ſich faſt
alle Verbandsmitglieder beteiligten und das einen äußerſt ſpannenden
Verlauf nahm. Auf dier verſchiedenen Bahnen: Bürgerverein, Kon=
kurdiaſaal
, Kaiſerſaal und Turngemeinde am Woogsplatz, waren je 25
Kugeln in die Vollen zu werfen. Dadurch ſollte eine Begünſtigung
des auf der betreffenden Bahn eingeworfenen Keglers vermieden wer=
den
. Es ſind recht beachtenswerte Reſultate erzielt worden, ein Beweis,
daß man dem Sportkegeln erhöhtes Intereſſe entgegenbringt und dieſe
Leibesübung immer mehr Anhänger findet. Als Sieger gingen nach=
ſtehende
Kegelbrüder hervor: 1. Delkers (Klub Nix verdorwe‟)
560 Holz, 2. Sallwey (Lokälche‟) 528 Holz, 3. Sadelsberg ( Neun=
töter
) 526 Holz, 4. Lautenſchläger (Um ihr Buwe‟) 526 Holz.
5. Harres I (Waiſenpumpe‟) 525 Holz, 6. Grün (Sportklub 08) 521
Holz, 7. Olf (Nis verdorwe‟) 516 Holz, 8. Glock (Nix verdorw.)
515 Holz, 9. Thümmel (,D. K. H. 19117) 513 Holz, 10. Hönnicke (Rauh,
aber herzlich) 513 Holz. Die fünf erſten erhielten je eine Medaille,
die nächſten fünf je eine Ehrenurkunde.

Waſſerſport.

Die Austragung der Deutſchen Kanumeiſterſchaften
ſchei ungen des Schiedsrichters, die ſehr anzufechten waren, eine gehen werden, beabſichtigt man, die Meiſterſchaften über die langen
mit 2 Toren in Führung gehen. Nach Halbzeit holten die Frank= Verbandstage werden internationale Kanuſpiele und eine Kanu=Aus=
Amt für deutiche Leibesübungenim Ausſande.
Das Amt für deutſche Leibesübungen im Auslande in Berlin
Dienſt der deutſchen Turn= und Sportvereine im Auslande ſtellt. Das
In Berlin ſiegte der Verliner Meiſter, Berliner Sportklub, ge= Amt will alle körperkulturellen Intereſſen des Sport treibenden Aus=
gen
Ulenhorſter Hockeyklub, der nur mit 10 Mann antrat, mit 5:2, landsdeutſchtums fördern und erweitern. Durch weitgehende Propa=
gandaarbeit
ſoll den fernen Stammesbrüdern der Weg zum gemein=
ſamen
Ziel gewieſen werden, auch will man ihnen dadurch die Errun=
genſchaften
der deutſchen Sportwiſſenſchaft und =literatur zukommen
laſſen. In der Durchführung der deutſchen Kampfſpiele ſteht dem Amt
eine große Aufgabe bevor. Einreiſe=Erleichterungen, Unterkünfte, För=
Wie man uns aus Paris telegraphiert, lat die International, derung gegenſeitiger Beziehungen, ſowie die Intereſfenvertretungen
lohalen Benehmens des Rechtes zum Führer des Weltmeiſter= ſchauen iſt. Auch der deutſchen Sportinduſtrie kann auf dieſem Wege
wieder zu ihrer Stellung auf dem Weltmarkt verholfen werden.

[ ][  ]

Seits 6.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, deu 19. Rovember 1923.

Nummer 3

Dilze, Bakterien und Flugmaſchinen in der
Schädlingsbekämpfung.
In der wirtſchaftlichen Geſtaltung der modernen Schäd=
lingsbekämpfung
geht man mehr und mehr dazu über, die natür=
lichen
Feinde der ſchädlichen Inſekten auszunutzen. Namentlich
in Amerika hat man auf dieſem Wege ſchon bedeutende Erfolge
erzielt. So hat man eine Käferart aus Auſtralien in die Ver=
einigten
Staaten eingeführr, nachdem man beobachtet hatte, daß
dieſe das Ueberhandnehmen einer an Aepfeln, Feigen, Quitten,
Apfelſinen und Zitronen auftretenden Schildlaus verhindert.
Ein Beiſpiel, wie diel man durch die Kultur von Krankheits=
erregern
erreicht, denen die ſchädlichen Inſekten zum Opfer fallen,
wird aus Florida berichtet. Florida hat ausgedehnte Zitronen=
plantagen
, die unter einer Anzahl ſchädlicher Inſekten leiden.
Glücklicherweiſe gibt es aber auch einige Pilzkrankheiten, die
jene Inſekten befallen. Die Bedeutung der Pilze kann man ſehr
leicht vorführen, wenn man die Bäume, die von Krankheiten be=
fallen
ſind, mit Bordeauxbrühe beſpritzt. Dieſe vernichtet viele
Krankheitserreger der Inſekten. Man kann dann nach einiger
Zeit beobachten, daß mauche Schildläuſe wieder kräftig auftreten.
Allgemein gedeihen die Pilze nicht ſo gut in ſchlecht gehaltenen
Apfelſinenplantagen, wo dieſe ſowieſo zu wenig Blätter ent=
wickeln
und die Umgebung für die Pilze zu trocken iſt. Die beſte
Zeit zum Spritzen mit Krankheitserregern der Schädlinge iſt der
Sommerregen. Die Pilze können ſehr leicht mit gewöhnlichen
Spritzapparaten, wie ſie im Obſtbau üblich ſind, verbreitet wer=
den
. Ganz neu in der Bekämpfung von Schädlingen iſt die
Benutzung von Flugmaſchinen in den Vereinigten Staaten. An
der Flugmaſchine wurde ein Behälter neben dem Sitzplatz des
Beobachters angebracht. Er beſteht aus einer ziemlich flachen
Büchſe aus Metall, die ungefähr 50 Kilogramm trockenes Blei=
arſenat
in Pulyerform enthalten kann. Auf dem Boden befindet
ſich eine Oeffuung, an der Seite der Büchſe eine Kette, die
rotierend auf das Innere der Büchſe einwirkt, ſo daß die Menge
von Bleiarſenat naü Bedarf entweichen kann. Der erſte Verſuch
wurde am Catalpa ſpecioſa gemacht, die ſchwer von einer ſehr
ſchädlichen Raupe, die in Ohio in drei Generationen erſcheint,
befallen war. Der Verſuch wurde bei der zweiten Generation
durchgeführt. Das Catalpafeld war flaches Gelände, 240:100
Meter beſtanden mit 4815 Bäumen in einer Höhe von acht bis
zehn Metern. Die Flugmaſchine flog in einer Schnelligkeit von
120 Kilometern je Stunde in einer Höhe von ſechs bis zehn
Metern über den Bäumen gegen Wind mit dem Verſuchsfeld,
parallel, und zwar ſechsmal. Es wurden 85 Kilogramm Blei=
arſenat
verbraucht, und dieſe Arbeit dauerte 45 Sekunden.
46 Stunden nach dem Verſuch konnte man feſtſtellen, wie das
Gift unter den Raupen gewirkt hatte. Kaum ein Prozent der
Tiere blieb am Leben. Millionen toter Raupen lagen auf dem
Boden im Gras und auf den Zweigen.
Der Osſbaumkrebs.
Unter Krebs verſteht der Obſtzüchter jede um ſich freſſende
Wunde am Baum, mag ſie von Blutlaus= oder Froſtſchaden her=
rühren
. Hauptſächlich handelt es ſich dabei um eine Kranlheit,
deren Erreger ein mikroſkopiſch kleiner Pilz, der ſogenannte
Nectria=Pilz, iſt.
Unter der Krebskrankheit leiden einige Obſtſorten mehr,
einige weniger. Als beſonders krebsempfänglich gelten z. B.:
Goldparmäne, große Kaſſeler Reinette, Stettiner Apfel (roter,
weißer, grüner); als ziemlich krebsfrei: Charlamowsky, Roter
Ciſerapfel, Boikenapfel. Die Krebsempfänglichkeit der verſchie=
denen
Sorten iſt jedoch auch je nach der Gegend verſchieden. Fer=
ner
leiden Obſtbäume in ſchweren feuchten Böden mehr unter
Krebs als ſolche in gut entwäſſertem, mildem Boden.
Die Krankheit verbreitet ſich durch die Sporen des Erreger=
pilzes
. Gelangt eine reife Spore auf die weiche Rinde eines
Jungtriebes und findet ſie günſtige Vorbedingungen dort, um zu
keimen Feuchtigkeit und Wärme ſind dazu erforderlich dann
dringt der Keim durch die Rinde in das Innere des Sproſſes,
und ſchreitet mit dem Wachstum des Triebes fort, bis der Krebs,
Rinde und Baſt zerſtörend, die Nährſtoffzufuhr unterbindet und
Krone oder Zweig abtötet.
Der Baum wehrt ſich, indem er die Wunden mit Rindenzell=
gewebe
zu überwallen ſucht. Aber auch dieſes junge Gewebe
kann dem Zerſtörer nicht widerſtehen.
Eine andere Form der Krankheit iſt der geſchloſſene Krebs,
der ſich durch knollige, innen mit rifſigen Spalten verſehene Aus=
wüchſe
kenntlich macht.
Es fragt ſich, wie man den Krebs am beſten heilt. Ein altes
Wort ſagt, daß Krebs, an einer Stelle weggeſchnitten, an anderer
neu auftauche. Das trifft jedoch nicht zu. Man kann vielmehr
mit ſicherer Wirkung kranke Zweige ruhig fortſchneiden. Sind die
Aeſte ſtärker oder handelt es ſich um den Stamm ſelbſt, dann
muß man wenigſtens die kranken Stellen beſeitigen. Das führt
man mit ſcharfem Stemmeiſen oder Meſſer aus und zwar nimmt
man nicht nur das kranke Gewebe weg, ſondern noch etwa einen
Zentimeter breit oder tief das ſcheinbar geſunde, in Wirklichkeit
auch ſchon angeſteckte Gewebe, glättet die Schnitte recht gut, da
ſie leichter vernarben, und beſtreicht ſie mit konzentrierter Kupfer=
bitriollöfung
oder Obſtbaumkarbolineum in einer Verdünnung
von eins zu vier. Je früher man dieſe Operation vornimmt,
deſto beſſer für den Baum.
Buſchbaum oder Pyramide?
Die Grundlage erfolgreichen Obſtbaues muß die Wahl des
richtigen Pflanzenmaterials bilden. Nur geſunde, wüchſige Pflan=
zen
ſind die Ausgabe und die Arbeit des Setzens wert. Neben
der Sortenfrage ſpielt die Formfrage eine große Rolle. Eine
der am meiſten verwendeten Baumformen, iſt der Buſchbaum.
Die einen verwerfen ihn, andere preiſen ihn. Wer hat recht?
Verſtehen wir unter einer Buſchform einen ungepflegten,
ſchlecht gewachſenen Baum, dann Hände davon! Er wird ſeinem
Beſitzer nie Freude bereiten. Das Obſtbaumgeſchäft krankt leider
daran, daß der Ausdruck Buſchbaum als Deckmantel für alles
dienen muß.
Buſchbaum und Pyramide ſollten das eine gemeinſam haben
die Grundlage zum Aufbau. Dieſer iſt ſo wichtig und aus=
ſchlaggebend
, daß gar nicht genug dafür geſprochen werden kann.
Buſchbäume ſollen ebenſo wie Pyramiden über dem Boden einen
Stamm von etwa bierzig Zentimeter und dann einen Aſtquirl
von fünf Aeſten haben. Der Unterſchied ergibt ſich ſpäter, je
nachdem der Baumzweiter ſtrengem Schnitt unterworfen wird
oder nicht.
Die Erwerbsobſtzüchter haben ſich längſt für die einfache,
natürliche Buſchform entſchieden, und in zahlreichen großen und
guten deutſchen Erwerbsobſtplantagen feiert ſeit Jahren der
Buſchobſtbaum glänzende Triumphe.
Die Pyramide als gewiß brauchbare Baumform gehört nicht
in die Plantage, ſondern in den Garten. Sie macht, wenn auf die
Erhaltung der korrekten Form beſonderes Gewicht gelegt wird,
biel mehr Arbeit als der Buſch.
Die Serienform der Pyramide iſt im Grunde genommen
nichts weiter als ein Schönheitsproblem, das lange nicht immer
und überall glücklich gelöſt werden kann. Da ſpricht auch der
Boden, auf dem gepflanzt wird, mit, und wenn dieſer leicht und
von geringer Triebkraft iſt, kann ſelbſt der beſte Baumbildner
nicht immer auf Serien ſchneiden, weil einfach der Trieb, der

Wuchs fehlt. Und wenn es dem Meiſter der Baumſchnittkunſt
wirklich geglückt und gelungen iſt, tadelloſe Serienpyramiden
heranzuziehen, was macht er und wo bleibt die Form, wenn der
fünfte Aſt der Serie nach wenigen Jahren krebskrank wird und
der Säge zum Opfer fällt?
Mit der ſchönen Form iſt’s dann zu Ende! Im Obſtbau
kommt es jedoch weniger auf die Form des Baumes an als auf
ſeinen Ertrag.
In zahlreichen Buſchobſtplantagen liefert der Buſch den
ſicherſten Beweis für ſeine erprobte und bewärte Nützlichkeit,
und er gewinnt im Anbau Jahr für Jahr, mehr Boden und
Freunde.
Sparſame Futterwirtſchaft auf dem Geflügelhofe.
Fort mit den unnützen Freſſern! So lautet das erſte Gebot,
wenn das vorhandene Futter am beſten ausgenutzt werden ſoll.
Als überzählig ſind da zuerſt männliche Tiere anzuſehen, die nicht
zur Zucht gebraucht werden. Mit männlichem Junggeflügel muß
jetzt unerbittlich aufgeräumt werden; denn alle die Tiere, welche
jetzt ndch nicht ſoweit herangewachſen ſind, daß ſie eine kräftige
Suppe oder einen feiſten Braten abgeben, werden für die Folge
körperlich nur wenig zunehmen. Auf keinen Fall fteht die Ge=
wichtszunahme
, im richtigen Verhältnis zu dem aufgewendeten
Futter. Auch die Zahl der zur Zucht beſtimmten männlichen
Tiere läßt ſich noch vermindern, ohne daß dadurch im nächſten
Jahre die Befruchtung der Bruteier leidet. Es genügt dollſtän=
dig
, ne auf zehn bis zwölf Hennen ein Hahn gerechnet wird,
und au. größeren landwirtſchaftlichen Gehöften re;, ein Huhn
ſogar für zwanzig bis fünfundzwanzig Hennen a. Bei Gän=
ſen
, Enten, Puten Perlhühnern zählen wir einem männlichen
Tiere fünf bis ſech= weibliche zu. Wer von ſeinem Geflügel keine
Eier zu Brutzwecken nehmen will, braucht überhaupt kein männ=
liches
Tier zu halten.
Unnütze Freſſer ſind auch die zu alten Tiere, die nur noch
wenig Eier legen. Hierhin rechnen wir ferner alle ſchwächlichen
oder ſonſt it Krankheiten behafteten Tiere. Noch beſſer wären
dieſe Tiere ſchon vor der Mauſer geſchlachtet worden.
Futtererſparnis wird ferner dadurch erreicht, daß wir zweck=
mäßige
Futtergefäße, benutzen und dieſe ſo aufſtellen, daß ſie nicht
von fremdem Geflügel, beſonders von Tauben, Beſuch erhalten.
Wir werden auch danach trachten, daß wir Sperlinge, Mäuſe und
andere Tiere davon fernhalten. Dies erreichen wir am beſten da=
durch
, daß wir die Gefäße mit dem Futter in den Stall, in den
Scharraum oder auf den Schlag ſtellen. Wir werden unſerem
Geflügel ſtets nur ſo viel Futter reichen, als es ſchnell hinter=
einander
wegfrißt. Nie darf das Futter einfach auf den Hof ge=
worfen
werden, da ſonſt, namentlich beim Weichfutter, viel ver=
ſcharrt
und vertreten wird. Vorteilhaft ſind die bekannten Futter=
krippen
zu benutzen.
Futter kann auch dadurch geſpart werden, daß wir uns die
Frage vorlegen: Habe ich in dieſer Zeit nur Erhaltungs= oder
auch Erzeugungsſutter zu geben? Die Gänſe, diee zur Zucht be=
ſtimmt
ſind, können bis Mitte Januar recht knapp im Futter ge=
halten
werden. Erſt von da ab bekommen ſie reichlicheres Futter,
da dieſes dann mit auf die bevorſtehende Legetätigkeit einwirken
ſoll. Bei den Enten und Truthühnern kann aus demſelben
Grunde bis Ende Februar mit dem Futter geſpart werden, bei
den Perlhühnern ſogar noch einen Monat länger. Nur bei den
Haushühnern iſt mit dem Futter niemals zu geizen; denn wenn
ſie aufgehört haben zu legen, brauchen ſie zur Erzeugung des
neuen Federkleides eine ganze Menge Futterſtoffe, und ſpäterhin
ſind ihnen dieſe zur Ciererzeugung nötig. Selbſtverſtändlich
ſollen auch ſie bei den innezuhaltenden Futterzeiten niemals mehr
Futter bekommen, als ſie ſchnellſtens aufnehmen. Der Tauben=
beſitzer
, dem nichts an frühzeitigen Jungen gelegen iſt, d. h. an
Jungen, die im Winter ſchlüpfen und nicht gut zu Zuchtzwecken
zu verwenden ſind, ſondern nur als Schlachttauben dienen, wird
ſeinen Lieblingen den Futterkorb bis Mitte Februar etwas höher
hängen.
Futtererſparnis wird endlich noch dadurch erzielt, daß das
Körnerfutter auch angequellt oder ſogar angekeimt verfüttert wird.
Das Ankeimen des Futters macht ja in den rauhen Herbſt= und
Wintermonaten mehr Umſtände, aber das Quellen des Futters
wird ganz einfach dadurch erreicht, daß man die Körner vor dem
Verfüttern 24 Stunden im Waſſer ſtehen läßt. Es wäre aber
durchaus nicht angebracht, wollten wir dem Geflügel der Futter=
erſparnis
halber ausſchließlich angequellte Körner reichen; denn
das würde die Verdauung ungünſtig beeinfluſſen. Jeden dritten
Tag aber kann es angequellte oder angekeimte Körner geben.
Bienenweide im Staudengarten.
Wer Bienen hält, darf ſich nicht darauf verlaſſen, daß ſeine
Honigſammlerinnen in der Nähe ausreichend Nahrung finden, er
muß ſelber ſoviel blühende Pflanzen wie irgend möglich herbei=
ſchaffen
. Viele Bienenzüchter wiſſen noch gar nicht, daß ſie bei
dieſem Streben zugleich alljährlich wiederkehrende Schönheit in
ihrem Garten erſtehen laſſen können. Es gibt nämlich im Reiche
der blühenden Stauden eine Menge Arten, die gute Bienen=
weide
liefern. Man kann ſie ſogar derart auswählen, daß die
Blüten einander regelrecht ablöſen und ſomit eine ununter=
brochene
Folge von Honigquellen vom erſten Frühjahrsſonnen=
ſchein
bis zum Spätherbſt entſteht. In der Deutſchen Obſt= und
Gemüſebau=Zeitung gibt Direktor Pilz hierfür wertvolle Winke. Kartoffeln ſind alſo getrennt zu dämpfen. Miſche den N
Als erſte Frühjahrsblüher kommen unſere Heleborusarten Drittel Fiſchmehl, Kadavermehl oder Trockenhefe, zu
wie atrorubens, niger, multiflorus purpurrescenſens uſw. in Be=
tracht
, fernerhin die farbenprächtigen Krokus, alle Arten Schnee=
glöckchen
, Kaiſerkronen, Fritillaria imperialis. Auch die Ane=
monen
, die im Frühjahr blühen, bieten gute Bienenweide, es
kommen hiervon in Frage: Anemone pratenſis, vernalis, alpina, Dieſe Grünfutterarten ſind zu ſchroten, zu verhäckſeln ode
pulſatilla, narciſſisflora, penfylvanica, appenina, blanda, nemo=
roſa
, ſylveſtris. Von den Aconitumarten ſind beſonders die=
jenigen
zu nennen, die, wie Fiſcheri, bis in die Herbſtfröſte hinein
blühen.
Außerordentlich dankbare Blüher vom Mai bis in den Herbſt 12 Kilogramm zu erzielen ſind, beginnt man mit der Be=
ſind
alle Arten Anchuſa: Barrelieri italica, Dropmore var., Ita=
lica
liſeadell, Italica opal und ſempervivum, ebenſo alle Althaea= lichen Vollmaſt werden 1½ Kilogramm Beifutter aus Getr
Arten. Von anderen Arten ſind Betonie grandiflora und
Bocconia cordata gute Nährpflanzen. Von den vielen Glocken=
blumenarten
iſt Campanula medum, die es in allen Farben. Futterpflanzen gewonnen, ſind ein vollwertiger Erſatz für
gibt, und Campanula pyramidalis hervorzuheben. Schön wirken
auch und dabei viel Bienennahrung geben die ausdauernden
Kornblumen, beſonders Centaurea montana, montang alba,
montana grandifloia und montana roſea. Prachtvolle Früh=
jahrsſtauden
und ausgezeichnete Trachtpflanzen ſind ferner:
Dictamnus cauſaſica, Fraxinelle und alba, ebenſo Echinops bana=
tieus
, eraltatus, Gmelinii, humilla, niveus, Nitro, ruthenieus, Dr. Adler=Paretz durch genaue Meſſungen ermittelt hat.
die Edeldiſteln Eryngium alpinum, Bourgati, eretium, gigan=
teum
uſw. In keinem Bienengarten ſollten die Helianthus, von
denen es an zwanzig Arten gibt, fehlen. Von großem Wert und
wunderbarer Schönheit der Blumen ſind die Tritoma, von denen
es ebenfalls über ein Dutzend verſchiedener Arten und Formen iſt nämlich erſt durch planmäßige Zucht entſtanden, denn
gibt, die allerdings im Winter durch etwas Tannenreisdeckung
geſchützt werden müſſen. Für empfindlichere Stauden iſt die Umgebung. Ebenſo iſt es mit den Hörnern. Das wildlebe
Zeit zu pflanzen allerdings ſchon vorüber, dafür hat man aber. Tier braucht ſie als Waffe. Will man hornloſe Ziegen zück
an den langen Abenden Muße, Pflanzpläne für das Frühjahr
auszuarbeiten. Die Preisliſten unſerer großen Staudengärtne=
reien
geben meiſt, ſo genaue Beſchreibungen, der angebotenen
Pflanzen, daß man mit ihrer Hilfe leicht herausfindet, was an
die verſchiedenen Gartenplätze paßt.

Derndi Een derlchier ige. Wurchengreicher dleterickt.
als Nebenbeſchäftigung für Eiſenbahner, Landwirte,
Lehrer, Pfarrer und andere Beamte, ſelbſtverſtändlich
alle Kleinſiedler. Der Winter iſt die geeignete Zeit,
meuen Anwärter des Imkerberufes am Platze.
Alle Anfänger müſſen zuerſt gewarnt werden, zu bi
in die äußere Anlage zu ſtecken. Für drei Strohkörbel oder
bauten, die fürs erſte vollauf genügen, bedarf es keines b
ren Bienenhauſes, es genügt das Aufſtellen auf einer
Unterlage aus Holz oder Stein vollkommen. Hinzu komm
noch ein Dach, das aus rechtwinklig übereinander geſchl.
Brettern beſteht und einfach den Körben aufgeſetzt wird.
kann der Anfänger arbeiten, frei und unbehelligt. De
und wvichtigſte Augenmerk ſoll er auf das Studium des
volkes wenden, erſt in zweiter Linie kommt für ihn, wer
im erſten Jahre, der Schwarm und das Honigſchleude=
den
langen Winterabenden ſtudiere der Imker ein gutes
buch, damit er ſchon mit einiger Kenntnis des Bienenl
die Praxis tritt. Vieles wird er erſt durch ſie lernen, vie
von ſeinem Nachbarimker. Dieſer kennt die Tracht= und
rungsverhältniſſe, die für einzelne Orte innerhalb eine
Kreiſes oft recht verſchieden ſind. Kein Lehrbuch hilft
Ratloſen und Unerfahrenen. Was nun den Ertrag der
zucht betrifft, ſo läßt ſich darüber folgendes ſagen: Se
ein Pfund Honig als Grundwert an, dann hat ein
Schwarmbienen den Preis von zwei Pfund Honig, ein=
beſetzte
Ganzwabe mit Brut und Futter im Frühjahr den
von drei Pfund Honig, eine gute Königin gilt im Herb
Pfund, im Frühjahr fünf Pfund Honig, ein Kilogramm
wände koſtet ſo viel wie vier Pfund Honig. Nun kann n
einigermaßen günſtigen Jahren und bei paſſender Gegen
Durchſchnittshonigertrag auf das Volk fünfzehn Pfund
und auf jedes zweite Volk einen Bienenſchwarm von vier
Wachs wird heutzutage bei Kaſſenbetrieb nicht mehr ve
ſondern in der eigenen Imkerei verwendet. Bei kleinem T
ſtand kann es demnach außer Berechnung bleiben. Nehme
alſo an, es habe jemand zwei Bienenvölker, die er verſ
pflegt, ſo würde er auf dreißig Pfund Honig mit vier
Schwarmbienen rechnen können.

Das Umpaaren der Tauben.
Schon vom November an muß der Taubenzüchter die
auseinanderhalten, die nicht weiter zuſammenbleiben ſoller
dürfen wohl mit anderen Tauben zuſammenkommen, ab
mit denjenigen, mit denen ſie früher vereint waren. Die
Taubenbeſitzer kümmern ſich leider nicht darum, wie ihre T
ſich paaren. Infolgedeſſen ſtehen bei ihnen die Tiere in
ſo engen Verwandtſchaftsverhältnis, daß die ganze Te
haltung nichts einbringt. Der Raſſetaubenzüchter dagege
ſchon von Anfang an ein Auge darauf, daß ſeine Taube
erſtmalig ſo verpaaren, wie er es haben will. In den
Fällen nun, wo das nicht von vornherein ſo geſchieht, h.
alsbald nach, ehe die betreffenden Tauben dazu kommen,
anderen Bund zu ſchließen. Dieſes Verpaaren der Taube
ſchieht zur Brutzeit mit Hilfe des bekannten Taubenpaar
käfigs ziemlich leicht und ſchnell. In der Regel wird dan
Taubenliebhaber in bezug auf Menge und Güte der J.
auch den gewünſchten Erfolg haben. Freilich kommt es
auch darauf an, daß die körperlich gut entwickelten Jungt
bezüglich der Raſſe hohen Anforderungen entſprechen.
läßt ſich vorher nicht beſtimmen, ſondern nur vermuten, in
cher Weiſe die Raſſeeigentümlichkeiten der Eltern ſich in
jungen Tauben forterben werden. Das Umpaaren ſtößt in
bei der Mehrzahl der Züchter auf Schwierigkeiten, als ſie
einen Schlag beſitzen, den ihre Tauben bevölkern. Hat je
jedoch zwei Schläge, erfreuen ſich ſeine Tauben auch nich
freien Fluges, ſo ſind Umpaarungen ebenſo leicht zu ben
wie erſtmalige Verpaarungen, da ſich die Tauben, welche
ein Paar bildeten, doch nicht wieder zu ſehen bekommen.
muß man damit rechnen, daß die getrennten Paare ſich
wieder vereinigen. Ende Dezember oder im Januar ſetzt
dann diejenigen Tauben in den Paarungskäfig, die fern
ein Paar bilden ſollen. Sind ſie hier vierzehn Tage oder
Wochen geweſen, beobachten wir, daß ſie ſich eng zuſam
geſchloſſen haben, ſo können ſie auf den gemeinſamen Schla
bracht werden.

Futterrüben ſtatt Kartoffeln bei der Schweinem
Die ſchlechte Kartoffelernte verweiſt den Tierhalter
wieder auf andere Nährmittel, die an Stelle der Karte
treten müſſen. Durch eingehende Verſuche in der Kriegszei
man feſtgeſtellt, daß 70 Prozent des Nährſtoffbedarfs durch R
gedeckt werden können, ohne auf höchſte Gewichtszunahm
verzichten. Dabei iſt folgendes zu beachten: Koche oder
die Rüben und gib das nährſtoffreiche Dämpfwaſſer in
Futter! Dämpfwaſſer von Kartoffeln iſt ſchädlich, Rüben
pro Schwein und Tag 74 bis 1 Kilogramm Beifutter zu
Drittel Schrot oder Kleie ermöglichen 500 bis 700 Gramm
liche Zunahme. Stehen nur Schrot oder Kleie zur Verfüt
ſo werden wenigſtens vier bis fünf Monate lang Rüben
Komfren, Klee, Luzerne oder Wieſenheu gefüttert (Vorn
mahlen. Sie werden in gekochtem Zuſtand weſentlich beſſer
genutzt und vermögen dann was noch viel zu wenig be=
wird
einen nicht unerheblichen Teil der Eiweißration de
ſtellen. Erſt wenn monatlich nicht mehr Zunahmen von 1
von Schrot oder Kleie. In der nun folgenden, etwa dreim=
ſchrot
und Kleie dargereicht, wozu Rüben bis zur Sättie
treten. Klee= und Luzerneblätter oder =blüten, durch Dreſchen
Hornloſe oder gehörnte Zieget?
Hornloſe Ziegen werden mehr verlangt als gehörnte,
man die Hörner bei der Stallhaltung für hinderlich hält.
die Milchleiſtung haben die Hörner gar keinen Einfluß,
die gehörnte Landziege weiſt bei guter gleichartiger Fütter
wie ſie hochgezlichtete Ziegen erhalten, eine hohe Miſchab
auf. Gegen Krankheiten und Seuchen ſollen die Landzi
widerſtandsfähiger ſein als die weiße Ziege. Die weiße
ſprünglich hatten unſere Ziegen die glaubraune Schutzfarbe i
ſo darf man zur Nachzucht nur hornloſe Tiere beiderlei
ſchlechts verwenden und muß etwa gehörnte Zicklein rückhal
ausmerzen. Wirft eine ungehörnte Ziege, die von einem e
falls ungehörnten Bock gedeckt iſt, gehörnte Lämmer, ſo iſt
ein Rückſchlag, der nicht gerade ſelten eintritt.