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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitang der Landeshauptſtadt
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Nummer 307
Dienstag, den 6. November 1923 186. Jahrgang
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gültigen Schlüſſelzahl zu multiplizieren. — Im
Falſe höherer Gewali, wie Krieg, Alufruhr, Streit
uſw., erliſcht jede Verpſichtung auf Erfüllung der
Anzeigenaufträge und Leiſtung von Schadenerſatz
Bei Konkurs oder gerſchtlicher Beſtreibung fällt
jeder Nabatt weg. Banſtonto: Deutſche Bank und
Darmſtädter 8 Nationalbank.
Plünderungen in Berlin.
* Berlin, 5. Nov. (Priv.=Tel.) An verſchiedenen Stellen
Stadt hat ſich heute vormittag die Erregung der
Bevölke=
r über die enorme Brotpreiserhöhung in Krawallen Luft
acht, und zu außerordentlich ernſten Szenen kam es um 12
mittags in dem ehemaligen Scheunenvieitel, tvo
jugend=
e Arbeitsloſe zunächſt vor dem Arbeitsnachweis
onſtrierten, d. h. ganz iyſtematiſch anfingen, die in der Münz=
Grenadierſtraße befindlichen jüdiſchen Geſchäfte zu
ndern. Man riß die Firmenſchilder ab, ſchlug die
Fenſter=
ben ein und bedrohte die Geſchäftsinhaber, falls ſie nicht
Waren unter die Menge verteilten. Ein Privatauto, das
h die Grenadierſtraße fuhr, wurde angehalten, der Beſitzer
Wagens herausgeholt und verprügelt und das Auto demo=
Während diefer Vorgänge waren weitaus keine
Polizei=
nten zu ſehen. Zu Plünderungen von
Bäcker=
en kam es faſt in allen Stadtgegenden. So
igen in eine Bäckerei in der neuen Königſtraße mehrere
verbsloſe ein, bedrohten die Inhaber mit Meſſern und
ver=
ſten die unentgeltliche Abgabe von Backwaren, die ihnen
gewvährt wurden. Beim Eintreffen der Polizei waren die
er verſchwunden. Die Polizei war den erregten Menſchen
nüber völlig wehrlos. Eine Rotte von 40 bis 50 jungen
ten drang in eine Konditorei in Charlottenburg ein, nahm
Kuchen und Backwaren fort und verſchwand, ehe die Polizei
greifen konnte.
In der Gegend des ſogenannten Scheunenviertels wurde
enders Jagd auf Deviſenſchieber und Aufkäufer
n Schatzanweiſungen gemacht. Der Tumult war
zeit=
lig ſo groß, daß die Straßenzüge von mit Karabinern
bewaff=
n Schutzpoliziſten geſperrt werden mußten. Ein Mann, der
ſarſchatzanweifungen für weniges Geld aufzukaufen verſuchte,
de von der Menge mißhandelt. Als er auf einen
Straßen=
nwagen flüchten wollte, wies ihn der Schaffner vom Wagen
inter, da er die Zerſtörung des Wagens befürchtete.
Vom Tage.
Der Staatsſekretär Schröder vom Reichsfinanzminiſterium iſt
unter Befreiung von allen ſeinen Amtsgeſchäften mit der ausſchließlichen
Bearbeitung der Währungsfrage von der Reichsregierung
beauftragt worden.
Der geſamte Thyſſenkonzern hat zum 10. November
allen Aubeitern und Angeſtellten, weil keine
Betriebs=
mittel zur Auszahlung der Gehälter und Löhne mehr vorhanden ſeien,
gekündigt. Vom 11. November ab fallen die Betroffenen der ſtaatlichen
Erwerbsloſenfürſorge zur Laſt.
Auch für den 9. November ſind in Sachſen alle
Ver=
ſammlungen und Umzüge unter freiem Himmel
grundſätzlich derboten. Ebenſo dürfen politiſche Verſammlungen,
die in geſchloſſenen Räumen abgehalten werden, nnz nach beſonderer
Genehmigung ſtattfinden.
Der Rhein=Herne=Kanal iſt wieder freigegeben.
Das deutſche Perſonal der Hafenaulage iſt in ſeine alten Stellungen
wieder eingerückt.
Der Goldumrechnungskuus der Reichsſteueun am
6. November beträgt 100 Milliarden.
Der Verein Deutſcher Zeitungsverkeger ſetzte die Schlüſſelzahl
für die Anzeigen ab 6. November auf 130 Millionen feſt.
5. Prozent wird vom 5. November auch auf Arbeiter= und
Schü=
lerrückfahrkarten ausgedehnt.
Der Ankauf von Reichsſilbermünzen durch die
Reichs=
bank erfolgt vom 5. November ab bis auf weiteres zum 35milliar= ſtaaten und wie iſt ſie möglich geſyorden?
denfachen Betrage des Nennwertes.
Amtlicher Oollarkurs 421030000 000
Aafruf der Reichsregierung.
das deutſche Volk! — Für Ordnung und Freiheit des Deutſchen Reiches. — Gegen Unruhen.
Berlin, 5. Nob. An das deutſche Volk! In
Awerſter Lage drohen dem Reich innere Er= Hegen Beſchimpfungen der Reichswehr.
Aütterungen. Gewiſſe, wenn auch nicht zahlenmäßig
e Kreiſe, verſuchen, geſtützt auf die Notlage unſeres Volkes,
n ungcſetzlichen Druck auf die Staatsgewalt auszuüben,
eicht ſogar
Mdie Brandfackel des Kampfes Deutſcher gegen Deutſche
ias deutſche Haus zu werfen. Die Reichsregierung iſt
ent=
ſſen, ſolchen Beſtrebungen mit äußerſter Energie und mit
. Kraft entgegenzutreten. Sie wird alle hierzu notwendigen
znahmen ergreifen. Wenn wir über die Zeit des Uebergangs
fer neuen wertbeſtändigen Währung, wenn wir über die Zeit
erer Arbeits= und Erwerbsloſigkeit, ſchwierigſter Wirtſchafts=
Alältniſſe und eines unerhörten außenpolitiſchen Druckes
hin=
kommen ſollen, dann iſt Vorausſetzung dafür
Erhaltung der Reichseinheit und der Ordnung und
Sicher=
heit im Innern.
e Erleichierung unſerer außenpolitiſchen Lage iſt, wie wir
en, davon abhängig, daß diejenigen Völker und führenden
ſönlichkeiten, die Deutſchlands unerträgliche Notlage erkannt
in und Deutſchland helfen wollen, nicht am deutſchen Volke
wveifeln, wenn ſie ſehen, das es ſich in einer ſolchen Zeit
ge=
eitig zerfleiſcht.
Bedenkt auch, wie
eine Zerfleiſchung im Innern
unſere Brüder an Rhein und Ruhr wirken müßte, die im
Wierſten Kampfe gegen bezahlte und bewaffnete ſeparatiſtiſche
den ihr Deutſchtum verteidigen. Sie haben das Recht, zu er=
Aten, daß das ganze Volk ihren Kampf mitführt, und daß nicht
Innern des Reiches Deutſche gegen Deutſche kämpfen ohne
Ziel, das irgend eine Ausſicht auf Beſſerung gibt.
Sei man ſich darüber klar, daß jede Möglichkeit,
Fenpolitiſch etwas zu erreichen, mit dem
Augen=
endgültig geſchwunden iſt, in dem an Stelle einer
1 faſſungsmäßige Regierung irgend eine
un=
etzliche Macht Deutſchland nach außen hin zu
ver=
en ſuchen wird.
dentſche Regierung beſitzt die Machtmittel, um jedem
ſch mit Erfolg zu begegnen und die Verfaſſung
Reiches zu ſchützen. Die Reichswehr und die
utzpolizei werden getreu ihrem Eide ihre Pflicht tun.
Die Reichsregierung vertraut feſt darauf,
96. teenn ihr der Kampf gegen ihren Wunſch
d ihren Willen aufgezwungen werden ſollte,
s geſamte deutſche Volk geſchloſſen für die
dnung und Freiheit des Deutſchen Reiches/ Kraft. Als Verkündigung gilt die Veröffentlichung in der Preſſe.
treten wird.
Berlin, den 5. November 1923.
Die Reichsregierung
ler Reichsträſident
gez. Dr. Streſemann.
Ebert.
Fraktionsbeſprechungen.
Berlin, 5. Nov. Wie wir hören, begaben ſich die Frak= nahmt. Das Mehl wird ſofort von den zuſtändigen Regierungs=
Sborſitzenden der Demokraten, der
Zentrums=
rtei und der Sozialdemokraten mittags zum Reichs=
Tdenten. Auch das Reichskabinett iſt mittags zu einer Be=
Dung über die politiſche Lage zuſawmengetreten,
Berlin, 5. Nov. Der Reichswehrminiſter hat
fol=
geide Verordnung erlaſſen:
Durch die Verordnung des Reichspräſidenten vom 26.
Sep=
temiber ſind der Reichswehr Aufgaben übertragen worden, die
mehr als bisher das Intereſſe der Oeffentlichkeit auf ſie gelenkt
haben. Ju ſachlicher Form Kritik an dem Verhalten der
Reichswehr zu üben, ſoll niemanden verwehrt werden. Es kann
aber nicht geſtattet werden, daß das letzte Machtmittel des
Staates durch Beſchimpfungen oder falſche, irreführende
Dar=
ſtellungen ſeines Verhaltens in der Oeffentlichkeit
herabgewür=
digt wird. Auf Grund des Paragraphen 1 der Verordnung des
Reichspräſidenten vom 26. September verbiete ich daher alle
öffentlichen Beſchimpfungen der Reichswehr
ſowie die öffentliche Verbreitung unwahrer
Nach=
richten, die geeignet ſind, ihr Anſehen in der öffentlichen
Meinung herabzuwürdigen. Zuwiderhandlungen werden nach
§ 4 der Vexordnung vom 26. September beſtraft. Zeitungen,
die ſolche Beſchimpfungen oder Nachrichten enthalten, ſind von
dem zuſtändigen Inhaber der vollziehenden Gewalt auf
min=
deſtens drei Tage zu verbieten. Die Verordnung tritt mit ihrer
Verkündigung in Kraft.
gez. Dr. Geßler.
Feſies Pertrauen des Kanzlers in die Reichswehr.
Berlin, 5. Nov. (Wolff.) In der heute nachmittag im
Reichstag abgehaltenen Fraktionsſitzung der Deutſchen
Volks=
partei war auch der Reichskanzler anweſend. In ſeinen
ein=
gehenden Darlegungen über die politiſche Lage wies der
Reichs=
kanzler, wie aus parlamentariſchen Kreiſen verlautet, auch
beſon=
ders auf den Aufruf der Reichsregierung an die Bevölkerung
hin. In bezug auf die von den einzelnen Parteien im Anſchluß
daran beabſichtigten Aufrufe ſoll ſich der Reichskanzler dagegen
erklärt haben, daß auch freiwillige Hilfskräfte zum Schutze der
Republik aufgerufen werden, da die Reichsregierung ſich auf die
Reichswehr vollkommen verlaſſen könne, und dieſe allein
etwai=
ger Unruhen Herr werden würde. Die Fraktion beſchäftigte ſich
ſodann mit der Währungsfrage und ſetzte einen kleinen Ausſchuß
ein, der ſofort nach der Fraktionsſitzung zuſammentrat, um über
dieſe Angelegenheit zu beraten.
Perordnung über Zahlung in Mark.
* Berlin, 6. Nov. (Priv.=Tel.) Der Reichspräſident hat
am 5. November auf Grund der Reichsverfaſſung folgende
Ver=
ordnung erlaſſen;
8 1. Bei vertraglichen Verpflichtungen, die nach dem
Aus=
landskurs der Mark bemeſſen ſind, kann die Erfüllung während
der Geltungsdauer dieſer Verordnung verweigert werden,
ſo=
fern der Forderungsberechigte die Annahme der Leiſtung auf
der Grundlage des Berliner Kurſes der Mark ablehnt.
8 2. Die Reichsregierung beſtimmt den Zeitpunkt des
Außer=
krafttretens dieſer Verordnung.
8 3. Die Verordnung tritt mit ihrer Verkündigung in
Maßnahmen gegen den Brotwucher.
Berlin, 5. Nov. (Wolff.) Die Reichsregierung und die
preußiſche Regierung haben Maßnahmen in die Wege geleitet,
um jede ungerechtfertigte und übertriebene Brotverteuerung zu
underbinden. Die Mehlvorräte, die ſich in den Speichern der
Mehlhändler in Berlin befinden, werden noch heute
beſchlag=
ſtellen den Bäckern zu ordnungsmäßigen Preiſen zugeführt.
Gleichzeitig werden die Verhältniſſe auf dem Mehl= und
Brot=
markt behördlich auf das ſtrengſte nachgeprüft. Etaige
Wucher=
vergehen werden ſofort unnachſichtlich geahndet.
* Die Politik des Grafen Beihlen.
Von
Prof. Dr. Melchior Palägyi.
Seit der erſten Auslandsfahrt des Grafen Bethlen nach
Paris, London und Rom hat ſich eigentümlicher Weiſe die
poli=
tiſche Lage in Ungarn allmählich immer ſchwieriger geſtaltet
infolge leidenſchaftlicher Agitationen links= und rechtsradikaler
parlamentariſcher Gruppen. Faſt ſchien es, als ob die
Konſoli=
dierungst
in dede arigsaoli er un den Külden guefſan deldertgielt
Nun hat die zweite Auslandsfahrt des führenden ungariſchen
Staatsmannas nach Genf zu entſcheidenden Verhandlungen mit
Dr. Beneſch geführt, die auch den praktiſchen Erfolg der
unga=
riſchen Konſolidierung endgültig zu ſichern geeignet ſind.
Be=
kanntlich hat ſeinerzeit gerade Dr. Beneſch als Führer der kleinen
Endente die Bemühungen Ungarns, durch Erlangung einer
Aus=
landsanleihe ſeinen finanziellen Wiederaufbau zu bewerkſtelligen,
in geſchickter Weiſe hintertrieben und dadurch auch in der inneren
ungariſchen Politik manchen Wirrwarr verurſccht. Nun führte
endlich die perſönliche Ausſprache zwiſchen dem ungariſchen und
Die vorübergehende Ermäßigung der Zeitkartenpreiſe um dem tſchechiſchen Staatsmann zu einer glücklichen Ueberwindung
ziemlich überflüſſiger, aber trotzdem ſehr bedeutſamer
Hemmun=
gen, die in dem Zuſammenleben der Donauſtaaten einen
Wende=
punkt anzukündigen ſcheinen. Welcher Art iſt dieſe relative
Beſſerung in der Geſtaltung der politiſchen Lage der Donau=
Seit faſt einem Jahr hat ſich in den Kreiſen der Entente
ein merkwürdiger Umſchtung der politiſchen Anſichten bezüglich
des ſo wichtigen Donauprohlems vollzogen. Man iſt allmählich
zur Einſicht gelangt, daß ein leidliches Zuſammenleben der
Donauſtaaten — wir ſprechen nicht von einer „
Donaukonfödera=
tion”, ſondern bloß von einer auf den Frieden abgeſtimmten
politiſchen Verſtändigung der Donauvölker — zur reinen
Un=
möglichkeit werden muß, wenn die Politik der kleinen Entente
ihre gegen das eingekreiſte Ungarn gerichtete ſeindſelige Spitze
weiterhin beibehält. Man begann in London und beſonders
auch in Rom die auf die völlige Lahmlegung Ungarns
aus=
gehende, rein negative Politik der kleinen Entente zu mißbilligen,
denn man erkannte die äußerſt ſchäblichen Folgen derſelben nicht
nur für den Zuſtand der zahlreichen mitteleuropäiſchen
National=
minderheiten, ſondern auch für das wirtſchaftliche
Wiederauf=
leben des ganzen Kontinents. Jene Hoffnungen, die die
Nach=
folgeſtaaten auf ihr wirtſchaftliches Zuſammenarbeiten geſetzt
hatten, erwieſen ſich als trügeriſch und die durch den Krieg
voll=
brachte Zertrümmerung des wirtſchaftlichen Syſtems, das einſt
in Wien und Budageſt ſeinen Mittelpunkt hatte, macht ihre
un=
günſtigen Wirkungen gerade auch für die Staaten der kleinen
Entente und insbeſondere der Tſchecho=Slowakei empfindlich
fühlbar. In. dem verarmten Ungarn verlor z. B. die tſchechiſche
Induſtrie ihren einſtigen beſten Kunden, auch geht das an die
Tſchecho=Slowakei angegliederte oberungariſche Gebiet induſtriell
und wirtſchaftlich zugrunde, weil es von ſeimem natürlichen
Verkehr mit Ungarn, wo es ſein Getreidebedürfnis deckte,
künſt=
lich abgeſchnitten wurde. Ein Blick auf die Zentrale
Ungarns und ſeines Stromgebietes im Umkreis der
Nachfolge=
ſtaaten zeigt jedem Denkenden, daß hier zwiſchen den
obwalten=
den Gegenſätzen ein lebensfähiger Ausgleich geſchaffen werden
muß. Das iſt ja eben das große Verdienſt des Grafen Bethlen,
daß er gelegentlich ſeiner erſten Auslandsfahrt das ganze durch
den Untergang der habsburgiſchen Monarchie geſchaffene
neu=
artige Donauproblem in ein durchaus ſachliches, dem Frieden
des Weltteils dienendes Licht rückte und dadurch bei den
Groß=
mächten einen Umſchwung in der Auffaſſung der ungariſchen
Frage anzubahnen verſtand.
Von den ungariſchen Nationalpolitikern kleineren Stils
unterſcheidet ſich nämlich Graf Bethlen in ſehr vorteilhafter
Weiſe dadurch, daß er bei aller Hingabe an den nationalen
Ge=
danken keine ſogenannte „Irredentapolitik” betreibt, d. h. nicht
in der feindlichen Verhetzung der Nachbarvölker und =Staaten
die Aufgabe eines berufenen Staatsmanes erblickt, da eine ſolche
negative Politik nur die Balkaniſierung der Donauſtaaten und
Mitteleuropas überhaupt zur Folge haben und die Grundlagen
der abendländiſchen Kultur ſyſtematiſch unterwühlen müßte. Im
Gegenteil iſt Graf Bethlen durchaus darauf bedacht, die
Gegen=
mittel herbeizuſchaffen, die den verhängnisvollen Charakter der
zur Balkaniſierung der Donauſtaaten hindrängenden
Friedens=
verträge nach Kräften zu mildern und das friedliche
Zuſammen=
leben der Donauvölker recht eigentlich ermöglichen ſollen. Man
weiß, daß Ungarn durch die Friedensverträge am furchtbarſten
getroffen wurde, denn mehrere Millionen ſeiner einſtigen
Ein=
wohnerſchaft ſind auf ſämtliche Nachfolgeſtaaten verteilt zu
ent=
rechteten, bedrückten Minderheiten geworden, die alle Bitterniſſe
der Heimatloſigkeit in der eigenen Heimat erdulden müſſen. So
kommt es, daß Ungarn — nicht durch eigene Schuld, ſondern
durch den Willen der großen und noch mehr der kleinen Entente
— zum empfindſamen Zentrum aller Minoritätenprobleme der
Donauſtaaten geworden iſt. Nur noch Deutſchland iſt an all
dieſen Minderheitsfragen mehr intereſſiert als Ungarn,, denn
die Weisheit der Entente hat in reichlicher Weiſe dafür geſorgt,
daß nirgends ungariſche Minderheiten zu finden ſeien, wo nicht
auch deutſche das ähnliche Los in vielleicht noch drückenderen
Formen ertragen müßten.
Was aber dieſen im Herzen Europas geſchafſenen „
maze=
doniſchen Verhältniſſen” einen unerhört neuartigen Charakter
gibt, iſt der Umſtand, daß auch ſlawiſche Volksſtämme von ihren
eigenen, ſie angeblich „befreienden” Brüdern unterjocht,
ausge=
beutet und entnationaliſiert werden, wie dies die Beiſpiele der
Kroaten im Weſten, der Slowaken im Norden, der Ukrainer
im Oſten und in analogem Sinne der Weſtrumänen in
Sieben=
bürgen uſw. mit beklagenswerter Uebereinſtimmung zeigen.
Eine Welt von Minderheitsfragen iſt erſtanden, von der in der
Vorkriegszeit kein Sterblicher eine Ahnung hatte, und ſie drohen
ſich zu einem gewaltigen Problem zuſammenzuballen, das man
wohl als die neue ſoziale Frage (im nationaliſtiſchen Sinne) des
zukünftigen Europa bezeichnen darf. Noch kann ihrer
fortſchrei=
tenden Verwilderung Einhalt geboten werden und Graf Bethlen
zeigte mit einer ſehr einfachen Verordnung, wie dies geſchehen
müſſe. Ohne davon viel Aufhebens zu machen, hat er mit ein
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den G. November 1923.
Rummer 30
paar Dutzend Paragraphen die Nationalitätenfrage in Ungarn
in vorbildlicher Weiſe geordnet. Wir halten es für ſeine
be=
deutendſte Tat, Uingarn zu einem Lande der liberalſten Duldung
einer jeden nationalen Minderheit nicht nur auf dem Papier,
ſondern in den kulturellen Einrichtungen gemacht zu haben,
wo=
durch auch jener Vorwurf der nationalen Unduldſaunkei, der den
Magyaren in der Vorkriegszeit gemacht wurde, endgültig
gegen=
ſtandslos geworden iſt. Aber noch größer als die innerpolitiſche
iſt die außenpolitiſche Bedeutung der Bethlen=Rakowskyſchen
Verordnung des Minoritätenſchutzes in Ungarn, denn ſie übt
einen ſteuig wachſenden moraliſchen Druck auf die Staaten der
kleinen Entente, dem ſich mit der Zeit ſelbſt Rumänien, dies
klaſſiſche Land der Minderheitsverfolgungen, nicht wird entziehen
können. In dieſem Sinne ſind auch die Verhandlungen Bethlens
mit Dr. Beneſch in Genf zu bewerten.
Die kleine Entente fühlt ſich gedrängt, ihre negative Politik
Ungarn gegenüber aufzugeben, und es iſt keine ungeſchickte
Taktik, daß Dr. Beneſch dem Zuſtandekommen der ungariſchen
Auslandsanleihe nunmehr keinen Widerſtand entgegenſetzt. Die
Vertreter der Tſchecho=Slowakei, Jugoſlawviens und Numäniens
befürworten prinzipiell die Ermöglichung des Zuſtandekommens
einer langfriſtigen ungariſchen Auslandsanleihe, und, was die
Hauptſache iſt, ſie geben ihre Forderung auf, daß ein Teil der
Anleihe zu Reparationszwecken verwendet werden ſoll. Die
ganze Angelegenheit kann ſchon im Dezember im Völkerbund
ihre Erledigung finden. All dies bedeutet zweifellos einen
großen Erfolg der Politik des Grafen Bethlen, wird aber jetzt
nach Eröffnung des Parlaments in Ungarn von den
Rechts=
radikalen wie eine Einſchränkung der ungariſchen Soutzeräni=ät=
und eine Niederlage des ungariſchen Gedankens hingeſtellt und
bekämpft werden. Die Rechtsradikalen verkennen leider Kälig
Bethlenſchen Konzeption in der Löſung des Donauprsblems.
Ihr Anſturm gegen die Poſition des Miniſterpräſidenten ird
deſſen Stellung nur noch mehr befeſtigen. Das Land weiß,
es in Bethlen wieder einmal einen Staatsmann beſitzt, der auf
wirkliche Erfolge hinweiſen kann und derzeit durch keine
ehen=
bürtige Perſönlichkeit von europäiſchem Ansmaß erſetzt werden
kann.
Die Mittwochſitzung des Reichstags abgeſagt.
U. Berlin, 5. Nov. Der Aelteſtenratdes
Reichs=
tags beſchloß heute, die für Mittwoch angeſagte Vollſitzung des
Reichstags abzuſagen und es der Vereinbarung zwiſihen
dem Reichskanzler und dem
Reichstagspräſi=
denten zu überlaſſen, wann die Sitzung abgehalten werden
ſoll. Der Termin hängt davon ab, wann der Reichskanzler
nach der Rekonſtruktion des Kabinetts in der Lage iſt,
Erklä=
rungen als Grundlage für die allgemeine politiſche
Aus=
ſprache abzugeben. Es iſt möglich, daß die Sitzung noch in
die=
ſer Woche zuſtande konmt. Jedenfalls hat der Aelteſtenrat den
Wunſch ausgeſprochen, daß der Reichstag ſpäteſtens im Laufe der
nächſten Woche wieder zuſammentritt.
Die für Dienstag nachmittag anberaumte Sitzung des
Auswärtigen Ausſchuſſes des Reichstags iſt
aufge=
hoben worden. Der Auswärtige Ausſchuß wird erſt
unmit=
telbar vor der Vollſitzung des Reichstags
zuſam=
mentreten, alſo vorausſichtlich erſt in der nächſten Woche.
Sozialdemokratiſcher Parteitag für Heſſen.
Fraukfurt a. M., 5. Nob. (WB.). Der hier tagende
ſozialdemokratiſche Landesparteitag für Heſſen nahm, nach Refe=
raten der Reichstagsabgeordneten Dr. David und Beckmann,
Anträge an, worin ſchärfſter Proteſt gegen das Vorgehen der
Reichstegierung in Sachſen erhoben und ein Einſchreiten mit
al=
len Miteln gegen Bayern gefordert wird. Die Zuſtimmung der
ſoztaldemokratiſchen Reichstagsfraktion zum
Ermächtigungsge=
ſetz wurde entſchieden verurteilt. Die heſſiſche Regierung ſoll
er=
ſucht werken, bei der Reichsregierung wegen der Einführung
der ſogenannten Bedarfswirtſchaft vorſtellig zu werden.
Dage=
gen fand ein Autrag, den Reichspräſidenten Ebert aus der
Par=
tei auszuſchließen, nicht die genügende Unterſtützung.
Ergänzung des Kabinetts.
Berlin, 5. Nov. (Wolff.) Zur Ergänzung des Kabinetts
erfahren wir von zuſtändiger Seite, daß bei der Beſetzung des
Reichsminiſteriums des Innern an den bekannten ehemaligen
Duisburger Oberbürgermeiſter Jarres gedacht iſt. Von der
Beſetzung des Wiederaufbauminiſteriums ſoll aus
Sparſam=
keitsgründen Abſtand genommen werden. Ueber das
Reichs=
juſtizminiſterium iſt eine Entſcheidung noch nicht getroffen.
* Die innerpolitiſche Lage
iſt nach dem Rücktritt der ſozialdemolratiſchen Miniſter noch
vollkommen ungeklärt. Der Kanzler hat die Abſicht, die
frei=
gewordenen Miniſterien zu beſetzen und ein Kabinett
Streſe=
mann, das ohne ausgeſprochene parteipolitiſche Bindungen
han=
delt, das ein Mißtrauensvotum des Reichstags nicht fürchtet
und in dieſem Falle den Reichstag kurzerhand nach Hauſe ſchickt,
auf die Beine zu ſtellen. Er hatte auch bereits beſtimmte
Per=
ſönlichkeiten in Ausſicht genommen. Die Gegenwirkung der
Partcien iſt aber recht ſtark. Man kommt eben aus der
Partei=
ſchablone nicht heraus, traut einem Minderheitskabinett nicht die
nöüge Feſtigkeit zu und ſchwankt je nach der politiſchen
Einſtel=
lung zwiſchen rechts und links hin und her. Es geht ein großer
Riß durch ſämtliche Parteien hindurch. Eine einmütige
An=
ſchauung iſt wohl in keiner Partei vorhanden. Von den
ver=
ſchiedenſten Seiten wird zudem verſucht, auf den
Reichspräſi=
denten einen Druck auszuüben. Bis zur Stunde kann noch nicht
überſehen werden, wie bei dem Parteidurcheinander ſich die
Löſung der Kriſe geſtalten wird. Viel Zeit iſt nicht mehr zu
verlieren, wenn von anderer Seite nicht über den Reichstag
hin=
weggegangen werden ſoll. Die Stimmung in Berlin iſt
über=
nervös. Was an der bayeriſch=thüringiſchen Grenze vorgeht, iſt
ſo undurchſichtig, daß es ſchwer iſt, ein Urteil darüber zu
ge=
winnen. Nichtig iſt ſo viel, daß tauſend irreguläre Truppen
hort ſtehen, die vielleicht von der bayeriſchen Regierung
dort=
hin geſchoben worden ſind, weil ſie der Regierung unbequem
wurden und nicht recht wiſſen, was ſie mit ſich anfangen ſollen,
die außenpolitſche Lage lingarns und die Großzügigkeit der alſo auch plötzlich losbrechen können. Die Reichswehr hat
um=
fangreiche Gegenmaßnahmen getroffen. Ein ſtarkes
Spannungs=
nicment ift hier zweifellos gegeben. Es liegen ernſt zu nehmende
Nachrichten vor, daß ähnliche Erſcheinungen wie in Nordbayern
auch in Mecklenburg und Pommern ſich zeigen, daß auch da die
rechtsradikalen Verbände die Stunde gekommen glauben und an
ihre Anhänger Einberufungsbefehle erlaſſen haben. Sie
tele=
graphierten auch bereits dem Reichskanzler und verlangten von
ihm die Durchführung einer Rechtsdiktatur. Man darf die
Ge=
fahr nicht unterſchätzen. Ein Funke kann genügen, um das
Pulverfaß zur Exploſion zu bringen. Freilich find die rechts=
„adikalen Verbände keine in ſich geſchloſſene Einheit. Man kann
hoffen, daß die vernünftigen Elemente die Oberhand behalten
und größeres Unheil verhüten, was um ſo eher möglich ſein wird,
je raſcher der Reichskanzler von Berlin aus eine klare Situation
ſchafft, wenn er heute beweiſt, daß er den Mut hat, die Lage zu
beherrſchen.
„Streſemann und Bagern”.
Mänchen, 5. Nov. (Wolff.) In einem Artikel „
Streſe=
mann und Bayern”, ſchreibt der Reichstagsabgeordnete
Prof. Dr. Beyerle (Bahr. Volkspartei) im der Augsburger
Poſtzeitung u. a.:
Dem Kanzler Streſemann verſagten ſeine ſozialiſtiſchen
Miniſterkollegen die Gefolgſchaft, weil er es ablehnte, nach der
Vorſchrift und dem Zeitmaß der Sozialdemokratie das Verhalten
der bayeriſchen Machthaber als Verfaſſungsbruch zu behandeln
und ſofort die gebotenen Schritte gegen Bayern zu unternehmen.
Streſemann wollte alſo innenpolitiſch zur Entſpannung
der bayeriſchen Kriſe völlig freie Hand behalten. Man
ſollte in Bayern anerkennen, daß er ein
Partei=
diktat von links ablehne. Er handelte damit als
über=
parteilicher Lenker, der deutſchen Politik. Die Fraktion der
Bayeriſchen Volkspartei, ſo ſchreibt der Verfaſſer
weiter, habe in Uebereinſtimmung mit der überwiegenden
Mei=
nung ihrer Wählerſchaft Streſemann bisher ihr Vertrauen
vor=
enthalten. Das Ausſcheiden der ſozialiſtiſchen
Kabinettsmitglie=
der bringe einen Hauptanlaß dazu in Wegfall. Die Bayeriſche
Volkspartei verwerfe nicht nur den Bürgerkrieg,
ſondern auch alle unnötige Zuſpitzung der inneren Gegenſätze.
Ein bürgerliches Kabinett Streſemann werde uns
eher durch all die unermeßlichen Schwierigkeiten dieſer Wochen
hindurchſteuern können, wenn dem Fernbleiben der Linken das
Fernbleiben der extremen Rechtspartei entſpreche.
Sozialdemokraten und Deutſchnationale würden ſo Gewehr bei
Fuß die politiſchen Taten des Kanzlers abwarten. Er ſelbſt aber
habe die Hände um ſo freier zu verantwortungserfüllter eigener
Arbeit. Schließlich hänge aber die Einſtellung zum
Reichskanzler Streſemann und dem
bürger=
lichen Kabinett desſelben von der Bedeutung ab, welche
dem Außenpolitiker Streſemann für die in der Ferne winkende
Anbahnung eines erträglichen Verhältniſſes zu unſeren Feinden
aus dem Weltkriege zukomme. Hier liege aber doch ein großes
entſcheidendes Aktivun zu ſeinen Gunſten. Denn daß
Streſe=
mann zu den wenigen deutſchen Politikern gehöre, die über eine
entſprechende außenpolitiſche Erfahrung verfügen, um überhaupt
Außenpolitik treiben zu können, ſtehe feſt, weshalb es
Verhäng=
nis wäre, ihn jetzt aus Gründen einer innerpolitiſchen
Partei=
kriſis fallen zu laſſen.
Was geſchieht in Bahern?
Die Preſſefehde des Herrn v. Kahr.
München, 5. Nov. (Wolff.) Durch eine Anordnung
3. November hat der bayeriſche Generalſtaatskommiſſar ver
daß der Berliner Börſen=Curier, das Berliner Tageblatt,
Berliner Zeitung am Mittag, die Frankfurter Zeitung, der
wärts, die Voſſiſche Zeitung im rechtsrheiniſchen Bayern
in ſolchen Orten, die dem Publikum zugänglich ſind, weder
gehalten, verkauft, verteilt, ausgeſtellt, angeſchlagen oder
verbreitet, noch zum Zweck der Verbreitung vorrätig geha
angekündigt oder angeprieſen werden dürfen. Zuwiderh
lungen werden mit Gefängnis bezw. Geldſtrafe geahndet.
Generalſtaatskommiſſar behält ſich vor, das Verzeichnis der
genannten Blätter zu erweitern. Wie die Staatszeitun,
dieſer Maßnahme berichtet, iſt die Anordnung des Generalſte
kommiſſars veranlaßt durch die Art und Weiſe, wie in gem
norddeutſchen Blättern gegen Bayern Stimmung gemacht
und wie man die unglaublichſten Lügennachrichten erfindet
an der Perſon des Staatskommiſſars über alles Maß hie
Kritik übt. Die Hetze gegen Bahern habe in letzter Zeit
Fo=
angenommen, die zu öffentlichem Aergernis Anlaß zu gebei
eignet ſind und die allgemeine Ruhe und Ordnung gefäh
Die offiziöſe Bayeriſche Staatszeitung knüpft heute a
an das Verbot einer Reihe norddeutſcher Zeitu
im rechtsrheiniſchen Bayern die Bemerkung an,
in gewiſſen norodeutſchen Blättern durch die
glaublichſten Nachrichten aus Bayern gehetzt werde.
Hetze habe in der letzten Zeit Formen angenommen, die geei
ſeien, die allgemeine Ruhe und Ordnung zu gefährden.
daher lediglich ein Akt der Notwehr gegenüber
erlogenen Berichterſtattung mit dem Verbot der
treffenden Zeitungen geübt worden.
Starker Terror in Thüringen.
TU. München, 5. Nov. Von der bayeriſchen Nordg
wird hierher berichtet, daß beſonders bei der ländlichen Bet
rung ſtarke Beſorgnis wegen der Uebergriffe gewalttätiger
fen aus Sachſen und Thüringen beſteht. Es ſeien dort be
bayeriſche Staatsbürger überfallen und ausgeplündert wo
Aus Thüringen, beſonders aus dem Koburger Gebiet, ſeien
Flüchtlinge eingetroffen, weil in Thüringen ein ſtarker
T=
gegen alle einer nationalen Geſinnung verdächtigen Elen
ausgeübt würde. Es fänden Hausſuchungen und Verhaftu
ſtatt. Man werfe mit Handgranaten nach Perſonen, die
politiſche Gegner den Kommuniſten und Sozialiſten bekannt
Die bayeriſche Bevölkerung an der Grenze rufe deshalb
Sicherheit durch die bayeriſchen Behörden.
Die Lage an der baheriſch=thüringiſchen Grenze
Berlin, 5. Nov. (Wolff.) Wie wir erfahren, gib=
Lage an der bayeriſch=thüringiſchen Grenze zur Beunruhi
keinen Anlaß. Von zuverläſſiger Seite verlautet, man k
ſich darauf verlaſſen, daß etwaigen Verſuchen bewaffneter
bände, die Grenze zu überſchreiten, mit ausreichenden Abte
gen der Reichswehr entgegengetreten würde. Die an der bay
thüringiſchen Grenze angeſammelten irregulären Verbände
ten jedenfalls genau, daß ſie auf ſtark überlegene Reichs
ſtoßen würden. Es ſei daraum nicht zu erwarten, daß ſie
ſtöße verſuchen werden. Im übrigen ſei auch die baher
Landespolizei offenbar dahin inſtruiert, daß ſie ſich mit
genannten Banden möglichſt wenig einlaſſen ſolle, abe: Gt
übertritte zu verhindern habe.
Die Stimmung in Bayern.
* München, 6. Nov. (Priv.=Tel.) Die Stimmung
nationalen Kreiſe Bayerns und beſonders im Hitlerſchen
ſchen Kampfbund und bei den vaterländiſchen Verbänden g
in gewiſſem Sinne der Aufaſſung, die in den kritiſchen T
des November 1918 vorherrſchte. Damals fühlte ſich die
lutionäre Bewegung beengt und unterdrückt. Heute verſtärk
in der nationalen Bewegung die Auffaſſung, daß jetzt der p
logiſche Moment für eine nationale Diktatur gekommen ſei,
ſie allein imſtande wäre, die nationale Bewegung von den
ſeln zu befreien, die ihr das parlamentariſche Syſtem bisher
legte, und weil beſonders vor allem die völlige Ausſchaltune
Parteien aus der Staatsmaſchine zu erwarten ſei, die mit
Sozialdemokratie nach der Revolution zuſammengearbeitet he
In führenden Kreiſen der Bewegung vertritt man die Ar
ſung, daß jede Regierung, die irgendwelchen Zuſammenhalt
der Sozialdemokratie habe und ſich irgendwie auf den Ma
mus ſtütze, jetzt unmöglich ſein müſſe. Sollte das Schiff
Reichszegierung nach der Ausſchiffung der ſozialdemokrati
Miniſter nicht entſcheidend nach rechts geworfen werden, ſo
nen angeſichts der zur Aktivität drängenden Stimmu
Komplikationen nicht außer dem Bereich der Möglichkeit zu li
* Freie Literariſch=Künſtileriſche Geſellſſchaft.
Trudi Moos Tänze.
Der zweite Vereinsabend der Freien Literariſch=
Künſtleri=
ſchen Geſellſchaft, die es — dankenswert — unternommen hat,
der Schwere der Zeit zu trotzen und ihr künſtleriſches Programm
nach Möglichkeit durchzuführen, vermittelte die Bekanntſchaft mit
der jungen Tanzkünſtlerin Trudi Moos, deren Kunſt bisher
bei Kritik und Publikum umſtritten iſt.
Trudi Moos ſcheint noch jung, ſteht wohl noch in des Lebens
Maienblüte. Da iſt eine vollendete Kraft nicht zu erwarten. Sie
verfügt in ihrem ſchlanken ſchönen Körper über ein
ausdrucks=
volles und modulationsfähiges Inſtrument ihrer Kraft. Das
ſchönſte und koſtbarſte Inſtrument aber tönt nicht von ſelbſt. Erſt
ſeine reſtloſe und individuell ausgeprägte Beherrſchung gebiert
die Kunſt, ſtempelt den Spieler zum Künſtler. Fehlt dieſer
Künſt=
ler, bleibt das ſchöne Inſtrument beſten Falles eine Augenweide.
Will man nur dieſe, bedarfs nicht der Kunſt. Es will uns
dün=
ken, als ſei die junge Künſtlerin noch ſtark im Werden. Wohl
ſind die Vorbedingungen gegeben, Muſikalität, Weichheit,
Rhythmus, Anmut und, wie geſagt, Schönheit des Körpers, aber
Kunſt iſt das noch nicht. Für Bach, Chopin, Schütt,
Schar=
wenka reicht das noch nicht aus. Wo natürliche Anlagen ſich
entfalten durften, wo kindliches Spiel Kunſt erſetzen konnte, wo
der reinen Augenweide die Freude am Humor, an der feinen
Groteske, am Spiel der Glieder ſich geſellte, durfte Trudi Moos
Triumphe feiern: in Brahms Capricio, Tſchaikowskis
Mario=
netta, auch in Schumanns Einſame Blumen. Dem Uebrigen
fehlte die Seele, das Vibrieren und Mitſchwingen inneren
An=
klingens, es ließ kalt.
Immerhin war es ein intereſſanter Abend, der auch für
Darmſtadt, wo die Tanzkunſt ſich ſeit langem beſonderer Pfleie
erfreut, eine Bereicherung war, wenn auch eine beſcheidene. M. St.
Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
— Bühnenchronik. Herr Eugen Lipſchitz, welcher den
Darm=
ſtädteen und Heſſenlandbewohnern wohl noch von ſeinem Wirken an der
Heſſiſchen Landeswanderbühne, bekannt ſein dürfte, feiert am 8.
No=
vember d. J. am Stadttheater Schweidnitz als Schweinezüchter Zſupan
in der Straußſchen Operette „Der Zigennerbgron” ſein 25jähriges
Künſt=
lerjubiläum.
Die Aufgabe der deutſchen Univerſalität.
Von Oskar A. H. Schmitz.
Nicht nur politiſch war Deutſchland, bedingt durch ſeine
zen=
trale Lage, das Schlachtfeld Europas, ſondern auch geiſtig,
be=
dingt durch die problematiſche Veranlagung ſeines Volkes. Die
deutſche Problematik iſt die Urſache aller unſerer Vorzüge und
Fehler; an uns allein liegt es, ob wir ſie als Tatſache hinnehmen
und zur Quelle des inneren Reichtums oder zur Urſache
tragi=
ſchen äußeren Unterganges werden laſſen wollen. Tatſache iſt,
daß uns, die wir die Welt umfaſſen wollen, jede noch ſo
bewun=
derte fremde Nation im Grunde einſeitig vorkommt; fernere
Tat=
ſache iſt, daß es gerade ſolche Einſeitigkeit iſt, die uns ſo leicht
zur Bewunderung hinreißt, iſt doch weiſe Selbſtbeſchränkung ſtets
Vorbedingung formaler Vollendung. Zu dieſer aber hat es
un=
ſere Vielſeitigkeit nur ſelten gebracht. „Die Zeiten ſind erfüllet.”
Nicht länger kann es ſich nun darum handeln, wie wir neben
eng=
liſche u. franzöſiſche Kulturformen bewußt ähnliche deutſche ſtellen.
Solche Beſtrebungen ſind politiſch, geſellſchaftlich, künſtleriſch als
geſcheitert zu betrachten. Die Epoche der Experimente iſt vorbei.
Unſere Problematik iſt dialektiſch nicht lösbar, der zeitweilige
Verzicht auf Teile unſeres Weſens im Sinne eines einſeitigen
Entſcheidens macht uns weder politiſch zu Angelſachſen, noch
äſthetiſch=geſellſchaftlich zu Romanen. Wie aber, wenn es gelänge,
dieſe Problematik gerade als unſere, freilich zwieſpältig=tragiſche
Seinsart zu erkennen, nicht als irgendwann einmal zu löſende
Aufgabe, ſondern als reſolut zu lebenden Inhalt, wozu freilich
gehören würde, daß unſer Selbſt als bewußtes Subjekt aus
ſol=
cher Problematik herausträte und ſie objektivierte. Dazu iſt nur
ein ganz kleiner innerer Ruck nötig, und was Wüſte war, wird
monumentale Fülle; ſchwer iſt freilich, den günſtigen Augenblick
und den ſeeliſchen Punkt zu finden, wo ein ſolcher Ruck gelingen
kann.
Nirgends haben ſich die europäiſchen Kämpfe ſo heftig und
zugleich äußerlich ſo ergebnislos abgeſpielt wie in Deutſchland.
Der mittelalterliche Kampf zwiſchen demokratiſch=ſtändiſchem und
abſolutiſtiſch=kaiſerlichem Prinzip: weder eine rechte Demokratie,
noch ein unbeſtrittenes, unerſchütterliches Kaiſertum war der
Er=
folg. Der proteſtantiſch=katholiſche Streit der Reformationszeit:
weder ein katholiſcher Proteſtantismus, wie in der
anglikani=
ſchen, noch ein gleichſam proteſtantiſcher Katholizismus, wie in
der gallikaniſchen Kirche, wurde daraus, ſondern eine Spaltung
in zwei Lager, die dann wohl für ſich allein, ohne voneinander
zu wiſſen, Blüten ermöglichten: den klaſſiſchen Humanismus
Weimar und die bayeriſch=öſterreichiſche Barockkultur. Und ſ.
auch der Kampf zwiſchen den modernen Wirtſchaftsformen
dem konſervativen Staatsprinzip keine Löſung gefunden, ſon
nur jenes wilhelminiſche feudal=moderne Kompromiß, das
zugrunde gegangen iſt. Kurzum, von außen geſehen: ein 7
ſchlag nach dem anderen bei geradezu übermenſchlichem Kr
verbrauch. Aber betmchten wir dieſelben Vorgänge einmal
innen: Warum konnten wir die Probleme Demokratie=Abſol
mus, Proteſtantismus=Katholizität, Wirtſchaftsindividualist
Staatskollektivismus nicht löſen? Nun, weil ſie überhaupt
lösbar ſind, weil jeder dieſer Pole eine gleichberechtigte
lichkeit der Lebensform bietet und uns die glückliche Blin.
der Angelſachſen und Romanen fehlt, die ernſtlich glauben
nen, mit der Entſcheidung der öffentlichen Meinung oder
Mehrheit für irgend eine Form ſei deren „Richtigkeit” erwi
Wir ſind nun ſo veranlagt, daß wir, wo ſich eine Form bi
will, ſofort darin alles das vermiſſen, was von dieſer Form
geſchloſſen wird, und da jede Form alles das ausſchließen
was ihr entgegen iſt, laſſen wir es in unſerer Univerſalität 1
haupt nicht leicht zu einer Form kommen. Daß ſich dies in
edlen Seelen oft mit hämiſchem Neid paart, der nichts auf
men laſſen will, iſt bekannt genug. Nun hat Kritik theore
faſt immer recht: dem ſtädtiſchen Ständeſyſtem des Mittela
in ſeiner bürgerlichen Enge fehlt der Glanz und die Fülle
großen Höfe, dieſen wieder die innige Menſchlichkeit und We
der bürgerlichen Kultur, der Proteſtantismus iſt zu dürr,
Katholizismus zu fett, das moderne Wirtſchaftsprinzip u.
lich=egoiſtiſch, die alte Staatsauffaſſuneg lebenlähmend.
ſolche Kritik beruht auf Wahrheit, aber ohne ſolche dur
Kehrſeiten iſt keine Form möglich. Beſitzt man nun nicht
glückliche Blindheit, die Kehrſeiten einfach überſehen kann,
will man dennoch leben, ſo muß man einen Schritt weiter ge
als wir bisher taten, nämlich von der negativ=kritiſchen Erke
nis zur poſitiven Weisheit, von dem unerbittlichen Entwed
Oder und Alles oder Nichts, das ſtets im Nichts endigt,
lächelnden, liebenden Sowohl—Als auch, das die Extreme
faßt. Ständiſche Demokratie als Baſis und Geſtalt mit
repräſentativen Spitze der Pyramide, ſtatt ſtumpfer Kleinbür
lichkeit der Menge und frevelhafter Ueberhebung der Obe
Neubelebung der objektiv gültigen Wahrheiten durch ein u.
läſſiges Proteſtieren ſubjektiv lebendiger Kräfte gegen deren
ſtarrung in zeitbedingten Formen, ſtatt geiſtigen Sansculo!
tums von unten und geiſtigen Drucks von oben, Zuſammen
ummer 302.
Darmſtädter Tagblait, Dieustag, den 6. Nobember 1923.
Seite 3.
je Perhandlungen über das
Sachverſtändigenkomitee.
Finzöſiſche Vorbehalte und Einwendungen.
n Studien der Belgier eigenen. Poincaré hätte ſich ſeine
„iltige Antwort an England vorbehalten, um ſie in die Form
1 vollgültigen ſchriftlichen Note zu kleiden. Dieſe ſei noch
n nachmittag der engliſchen Botſchaft überreicht worden.
ehe außer Zweifel, daß der franzöſiſche Standpunkt auch in
ington in aller Kürze dargelegt werde. Nach der
franzöſi=
cAuffaſſung dürfte das Sachverſtändigenkomitee keine
aus=
genteren Kompetenzen erhalten als die
Reparationskommiſ=
in deren Enanation es darſtelle.
der Friedensbertrag beſtimmte aber in ſeinen Artikeln 233
234 die Vollmachten der Reparationskommiſſion in ſehr
ſer Form; es könne Deutſchland kein Zahlungserlaß ohne
inmütige Zuftimmung der in der Kommiſſion vertretenen
te gewährt werden. Unter dieſen Umſtänden werde
Frank=
für ſeinen Teil einfach dadurch, daß es von ſeinem Veto=
Gebrauch mache, es in der Kommiſſion ablehnen, eine
öſetzung des Geſamtbetrags der deutſchen Verpflichtungen
aſſen, die die Neparationskommiſſion am 1. Mai 1921 auf
Nilliarden Goldmark feſtgeſetzt habe. Uebrigens würde, um
verabſetzung zu ermöglichen, die Annahme des Geſetzes im
bſiſchen Parlament unerläßlich ſein. Dagegen würde
Frank=
gegebenenfalls mit Abänderungen des Londoner
Zahlungs=
s in der Form eines Zahlungsaufſchubs einverſtanden ſein.
Londoner Zahlungsplan ſei übrigens niemals durchgeführt
en, da Deutſchland ſeine Verpflichtungen nie erfüllt habe.
Der Sachverſtändigenausſchuß könne in ernſt zu nehmender
* die deutſchen Zahlungen nur für einen ſehr beſchränkten
aum, jedoch nicht endgültig, feitſetzen. Es laſſe ſich unmög=
1ſchon jetzt vorausſehen über welche Wirtſchaftskraft
tſchland in einem Jahr verfügen werde, während
rdings heute ganz ſicher ſei, daß ſeine finanzielle
ungsfähigkeit tatſächlich ruiniert worden ſei. Frankreich
1 ſich andererſeits mit keiner Herabſetzung ſeiner
Forderun=
an Deutſchland ohne eine Gegenleiſtung einderſtanden
er=
n. Die Vereinigten Staaten hätten nun erklärt,
keine Rede von einer Erörterung der interalliierten
Schul=
urch das Komitee ſein könne. Es ſei alſo folgerichtig, daß
kreich ſeinerſeits keinen Teilerlaß der deutſchen Schuld
zu=
hen könne, wenn nicht ſeine eigene Schuld an England und
Prika im gleichen Verhältnis herabgeſetzt würde.
Vom franzöſiſchen und belgiſchen Standpunkt aus ſei es
be=
ſ ers wichtig, daß es als ſelbſtverſtändlich zu gelten habe, daß
bBeſetzung des Ruhrgebiets und ihre wirtſchaft=
: Folgen nicht wieder zur Debatie geſtellt eiden dürften,
entlich was die Sonderabmachungen zwiſchen den deutſchen
iſtriellen und den Beſatzungsmächten über die Wiederauf=
Hie der Sachlieferungen anbeträfe, da die Beſetzung des
Atgebiets von Frankreich und Belgien im Anſchluß an die
der Reparationskommiſſion feſtgeſtellte Verfehlung
Deutſch=
s im Einklang mit dem Friedensvertrage vollzogen
wor=
ſei.
Das Sachverſtändigenkomitee würde nach franzöſiſcher
Auf=
ng zweckentſprechend vorgehen, wenn es die Gründe feſtſtellen
e, die Deutſchland zum Bankerott getrieben hätten (Kapital=
Htuſw.), und wenn es ſich mit geeigneten Mitteln der
Wie=
erſtellung ſeiner finanziellen Leiſtungsfähigkeit (Einſtellung
Papiergeldausgabe, Wiederherſtellung des
Haushaltsgleich=
chts, Kontrolle der öffentlichen Ausgaben uſw.) widmen
de. Schrittweiſe würde ſo das Reich wieder zu finanzieller
ſoniblität gelangen und ſeinen Reparationsverpflichtungen
1ht werden können.
z der individualiſtiſchen Wirtſchaftskräfte in einem modernen
ideparlament zu einer politiſchen Form, ſtatt parteipolitiſcher
uklappen der Wähler und Lebensfremdheit der Regierenden.
5 das wirklich ſo utopiſche Forderungen? Gehört dazu mehr,
die ſelbſtloſe Einſicht, daß jede Form berechtigt iſt, ſolange
elbſt nur eine Seite darzuſtellen beanſprucht, und daß die
ſche Univerſalität erſt dann produktiv wird, wenn ſie in dieſem
ne vielſeitig wird, ſtatt keine Seite ſo recht aufkommen zu
n?
Man wirft uns vor, daß wir trotz allem krampfhaften
Mo=
iſieren noch halb im Mittelalter ſtehen, und unſere
Links=
eien möchten dies „Gotiſche” nun ſchnell ganz zerſtören.
ch ein Reichtum wäre es vielmehr, zugleich das Volk modern=
1 Arbeitsmethoden und ſozialer Einrichtungen zu ſein und ein
c Mittelalter gerettet zu haben, wenn es gelänge, mit dieſem
wohl—Als auch”, ſtatt es zur Urſache vernichtender Kämpfe
nachen, eine moderne berufsſtändiſche, ſtatt einer
parteipoli=
en Demokratie zu errichten. Ferner: Welches Volk hat zwei
tarbe Kulturzentren aufzuweiſen, wie das humaniſtiſch=
bür=
iche, auf dem Proteſtantismus fußende Weimar und das
ock=ariſtokratiſche katholiſche Wien? Aber gab es nur ein
zend Deutſcher, die dieſes „Sowohl—Als auch” ſtolz erlebten?
hörten ſelbſt die Beſten nicht meiſt entweder dem einen oder
anderen Kreiſe an, und zwar mit Verkleinerungstendenzen
en den „Feind”?
Das Warenhaus der wilden Tiere.
K. „Der ſeltſamſte Händler der Welt” dürfte zu Hoboken ſei=
Laden haben. Es iſt dies John T. Benſon, der amerikaniſche
treter der weltberühmten hamburgiſchen Firma
Hagen=
c, und er verkauft Tiger und Elefanten, Giraffen und Affen,
ſſierte Pferde und Schlangengift. Einen Beſuch in dieſem
renhaus der wilden Tiere ſchildert M. K. Wiſchart im
Ame=
in Magacine und erzählt auch von den merhwürdigen
Ge=
chten, die Benſon aus ſeiner Praxis mitzuteilen weiß. An
Tür des Ladens ſteht in großen Lettern angeſchrieben:
*der, der durch dieſe Tür geht, tut es auf ſeine eigene Gefahr”
2 des weiteren lieſt man: „Alles, was ſich hier findet, iſt
ver=
iflich. Finden Sie nicht, was Sie brauchen, ſo beſtellen Sie.”
ht man durch den Laden hindurch, ſo kommt man in einen
chtigen Raum, der wie eine große Automobil=Garage aus=
9r. Rings herum an den Wänden ſind einzelne Käfige und
2Bere Verſchläge, in denen ſich Elefanten, Zebras, Giraffen,
mele und Büffel befinden. Ueber dieſen Käfigen laufen dann
Die Ausſichten einer deutſchen Anleihe Die Separatiſten=Aktion in der Pfalz.
Taris, 4. Nov. (Wolff.) Der diplomatiſche Mitarbeiter
avasagentur erfährt über den Stand der
Verhand=
en betreffend die Einſetzungeines
Sachverſtän=
ihren Botſchafter zur Kenntnis gebracht, daß es
unzweck=
igwäre, in der Kollektiveinladung, die an die
nigten Staaten ergehen ſoll, die von Poincaré
for=
ierten Veränderungen aufzunehmen, die
beſtehen ſollen, den Umfang der geplanten Unterſuchung
ie gegenwärtige Zahlungsfähigkeit Deutſchlands zu
be=
ken und ſämtliche Rechte der Reparationskommiſſion aus
Zerſailler Vertrag vorzubehalten. Nach der engliſchen
Auf=
g würde dieſe Einſchränkung dazu angetan ſein,
ereinigten Staaten von der Teilnahme an
Konferenz abzuhalten. Die Brüſſeler
Re=
ung ſoll dem Gedanken der engliſchen Auffaſſung
ſtehen. Nach Anſicht der Belgier müſſe die Enquete die
ift in dem Sinne in Betracht ziehen, daß ſie die Stabiliſi= Währung, das Gleichgewicht des Haushalts, die
Kon=
der deutſchen Finanzen anzuſtreben und vor allem die
nittel und das Kapital feſtzuſtellen habe, deren Betrag
chland für die Bezahlung ſeiner Schuld verwenden könnte.
As Grundlage für dieſe Arbeiten würden ſich die zurzeit
Früfung der Reparationskommiſſion unterliegenden tech=
Das Urteil amerikaniſcher Bankiers.
* Netpyork, 5. Nob. (Priv.=Tel.) Rach einer
Informa=
tion der „Aſſoziated Preß” über die Verhandlungen zur
Bildung eines Sachverſtändigenausſchuſſes machen die
ameri=
kaniſchen Bankiers, ſich darauf gefaßt, daß ſie wahr= geräumt werden mußte. Nach einigen Minuten kamen zwei
ſcheinlich um Unterbringung einer deutſchen
An=
leihe in den Vereinigten Staaten gebeten werden
nausſchuſſes folgendes: Die engliſche Regierung hat ſollen. Obwohl die amerikaniſchen Bankiers im großen und
ganzen die Löſung des Reparationsproblems zu erleichtern
wünſchen, ſind zahlreiche von ihnen der Anſicht, daß die
ge=
plaute Konferenz ergebnislos verlaufen würde,
wenn Frankreich es nicht erlaube, eine Herabſetzung
der deutſchen Schulden in Erwägung zu ziehen. Einige Gebäudes erſchien Dorten und hielt eine „Proklama=
Bankiers ſtehen auf dem Standpunkt, daß eine Ausgabe einer
deutſchen Anleihe auf dem amerikaniſchen Markt mit geradezu
unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft ſei. Ihrer
Auffaſ=
ratorium einräumen, ſowie eine neue deutſche
De=
viſe ſchaffen und außerdem den amerikaniſchen Finanzleuten der Poſt und der übrigen öffentlichen Gebände.
das Recht einer erſtſtelligen Hypothek auf den
deut=
ſchen Grundbeſitz zugeſtehen. Außerdem müßten ſie die
Gewißheit haben, daß ſämtliche verbündeten Nationen, die die
fragliche Anleihe wünſchen, ſich an ihrem Schutz beteiligen. Die
amerikaniſchen Bankiers glauben aber nicht, daß Frankreich auf
dieſe Bedingungen eingehen werde; trotz der Weigerung des
Staa=sdepartements, die Reparationsfrage mit dem
in=
teralliierten Schuldenproblem zu verknüpfen,
erach=
ten hervorragende Perſönlichkeiten der Wallſtreet, daß dieſe
bei=
den Fragen in einer engen Beziehung zueinander
ſtehen und möglicherweiſe an Amerika die Bitte gerichtet
werde, einige ſeiner Kriegsforderungen zu ſtreichen oder
minde=
ſtens eine beträchtliche Herabſetzung vorzunehmen. Man neige
immterhin in finanziellen Kreiſen der Auffaſſung zu, daß, wenn
nicht in Bälde für die durch die Reparationen geſchaffene Lage
Abhilſe geſchaffen werde, der völlige wirtſchaftliche
Züſammenbruch Deutſchlands nicht mehr
län=
ger aufzuhalten ſei.
Engliſch=belgiſch=italieniſches Uebereinkommen.
London, 5. Nov. (Wolff.) Reuter berichtet aus
Waſhing=
ton: Die beim Staatsdepartement eingegangenen Mitteilungen
beſagen, daß Großbritannien, Italien und Belgien
ein Uebereinkommen zugunſten einer völlig
freien Unterſuchung der Reparationsfrage durch
den Sachverſtändigenausſchuß erzielt haben.
Wie Reuter weiter meldet, verlautet, daß Großbritannien,
Italien und Belgien ſich bezüglich der Inſtruktionen, die dem
geplanten Sachverſtändigenausſchuß zur Prüfung der
Repara=
tiensfrage erteilt werden ſollen, geeinigt haben. Man glaubt
auch, daß ihr Vorſchlag den Ausſchuß ermächtigen ſoll, die
Lei=
ſtungsfähigkeit Deutſchlands im allgemeinen zu prüfen, und daß
auch Amerika nunmehr zuſtinmen werde.
Wie verlautet, iſt Poincaré von dieſem geplanten
Schritt unterrichtet worden. Man hat aber keine
Hoff=
nung, daß dieſer Umſtand ihn bewegen wird, ſeine
Halsſtarrig=
keit aufzugeben und eine vernünftige Haltung einzunehmen. Es
verlautet weiter mit ziemlicher Beſtimmtheit, daß die
eng=
liſche Regierung, wenn wieder ihr letzter Verſuch,
Frank=
reich zur Zuſamenarbeit in der Frage der deutſchen
Repara=
tionsverpflichtungen zu bewegen, fehlſchlagen werde, nunmehr
mit aller Energie von Frankreich die
Bezah=
lung ſeiner Kriegsſchulden fordern werde. Wenn
in dieſem Augenblick die Vereinigten Staaden von ſich aus dieſen
engliſchen Druck auf Frankreich unterſtützen würden,
ſo glaubt man, daß dann die franzöſiſche Regierung
ange=
ſichts der Finanzlage Frankreichs ihre Politik
ändern würde.
Die Note Poincarés in London.
* London, 5. Nov. (Priv.=Tel.) Heute abend iſt in
London die Note Poincares eingetroffen, in der er die
Voraus=
ſetzungen erläutert, unter denen er der Einladung der
amerika=
niſchen Regierung zu einer neuen Reparationsprüfung
zu=
ſtimmen will.
Die Kluft zwiſchen Frankreich und England.
London, 5. Nov. (Wolff) Daily Chronicle ſchreibt in
einem Leitartikel, die geſtrige Rede Poincarés laſſe erkennen,
daß er immer noch keine Neigung habe, die Kluft zwiſchen ſeiner
und der engliſchen Politik zu überbrücken. Durch das, was
Poincaré geſtern ſagte, ſetzte er die Welt von der fortdauernden
Entſchloſſenheit in Kenntnis, erſtens, es für Deutſchland un= lien gegen Schweizer gedacht habe. Die von Schopfer
ange=
möglich zu marhen, zu zahlen, zweitens, die deutſchen Gebiete
auseinanderzureißen und Frankreich dieſelbe Art von Kontrolle
zu geben, wie ſie Napoleon nach Jena über das Rheinland und
das Ruhrgebiet hatte.
in mehreren Stockwerken kleinere Käfige an den Wänden
ent=
lang, und hier ſind ſchwarze und braune Bären, Löwen und
Tiger, Affen in großer Zahl eingeſperrt. Polizeihunde
begrü=
ßen den Eintretenden mit wütendem Gebell, zahme Affen
ſprin=
gen an ihm empor; es herrſcht wilder Lärm und Bewegung, und
ruhig iſt in dieſem Gewirr nur der Eigentümer dieſer rieſigen
Menagerie, der in jahrzehntelangem Verkehr mit den Tieren
ſich eine philoſophiſche Weltanſchauung und die nötige
Gemüts=
ruhe erworben hat. Das Telephon klingelt. Benſon geht heran
und ſpricht mit einer großen Neu=Yorker Filmfabrik, die
inner=
halb zweier Monate 100 Kamele haben möchte, 10 zum Reiten
und die übrigen als Laſttiere. Benſon erklärt ruhig, daß er ſie
erſt in vier Monaten liefern könne, und zwar koſten die
Reit=
kamele 800 Dollar das Stück, die anderen Kamele 600 Dollar.
Das Geſchäft iſt abgeſchloſſen. Die 100 Kamele werden von den
Hagenbeck=Farmen in Indien und Südafrika verſchifft werden,
paradieren dann ein paar Wochen bei den Aufnahmen eines
Monſtre=Filmes in Los Angeles und können dann ſehr viel
billiger an Zoologiſche Gärten oder Zirkuſſe abgegeben werden.
Nicht alle Orders in dieſem merkwürdigen Geſchäft ſind ſo leicht
auszuführen. Da beſtellen z. B. der Zoo in St. Louis und der
in Cincinatti jeder ein Rhinozeros in vorzüglichem Zuſtande.
Der Auftrag wird nach dem Hamburger Hauptgeſchäft
weiter=
gegeben, und von dort geht dann die Order nach Indien. So
viele Tiere man auch in den Farmen der Firma hat,
Rhinoze=
roſſe ſind ein ſo ſeltener Artikel, daß ſie erſt geſucht werden
müſſen. Nach fieben Monaten kommt die Mitteilung, daß zwei
wbeibliche Rhinozeroſſe von vortrefflicher Qualität gefangen
wor=
den ſind. Nun beginnt aber erſt die Schwierigkeit der
Verſchif=
fung, denn dieſe rieſigen Dickhäuter ſind recht anfällige Tiere,
und man muß ſie mit größter Vorſicht behandeln. Wirklich holt
ſich denn auch das eine Rhino eine Erkältung, ſtirbt in Neu=York den Strauch in einen ſolchen Zuſtand verſetzt wurden, daß ſie
an einer Lungenentzündung, und während es im lebendigen
Zuſtande 10000 Dollar wert war, kann nun nur die Haut für
300 Dollar an ein naturgeſchichtliches Muſeum verkauft
wer=
den. Nicht minder ſchwierig ſind Aufträge zu erfüllen, bei denen
es ſich um dreſſierte Tiere handelt. Da verlangt ein
Löwenbän=
diger einen beſonders ſchönen Löwen, der darauf dreſſiert ſein des Amazonenſtromes verwenden und bei religiöſen
Veranſtal=
ſoll, am Schluß der Vorführung würdevoll aus der Zahl der
übrigen herauszuſchreiten und ſich auf ein Lager neben dem
Bändiger zu legen. Es muß ein ganz beſonders ſchönes und
zugleich ſehr zahmes Tier ausgeſucht werden; dieſes wird dann Wirkung des Giftes an ſich ſelbſt erproben. Auf dem
pharma=
daran gewöhnt, ſich auf ein Lager zu legen, auf der es immer
eine Fleiſchmahlzeit findet; man legt ſchließlich eine angezogene
Puppe auf das Lager, neben der ſich der Löwe niederläßt, und
zuletzt tritt der Bändiger an die Stelle der Pupp:. Ein anderer auf einen Wilden,
Kaiſerslautern, 5. Nov. (Wolff.) Heute haben die
Separatiſten das Rathaus beſetzt. Ein
Laſtkraft=
wagen mit ungefähr 40 Mann, ſämtlich bis an die Zähne
be=
waffnet, fuhr vor dem Rathauſe vor, das auf Anordnung der
Beſatzungsbehörde im Laufe des Vormittags von den Poliziſten
weitere Autos mit Separatiſten, die ebenfalls ſchtver bewaffnet
waren. Die Türe zum Rathaus war verſchloſſen und wurde
mit Gewehrkolben eingeſchlagen. Nach der Beſetzung des
Rat=
hauſes folgte den Separatiſten franzöſiſche
Gendar=
merie auf dem Fuße, die die Leute mit Gummiknüppeln
aus=
einandertrieb. Ferner wurden, im Laufe des Vormittags das
Landgerichtsgebäude beſetzt. Auf dem Balkon des
tionsrede‟. Die Separatiſten ſtimmten nach Schluß der
Rede in ein dreimaliges Hoch auf das freie Rheinland und die
ſung nach müſſe man Deutſchland ein langfriſtiges Mo= freie Pfalz ein, das unter der angeſammelten Menge lebhafte
Pfuirufe hervorrief. Man erwartet ſtündlich die Beſetzung
2 Polizeibeamte überfallen.
Berlin, 5. Nov. In der Nacht zum Sonntag wurden in
Ludwigshafen, zwei Polizeibeamte, die in der
Nähe der Eiſenbahnwerkſtätte Poſten ſtanden, rücklings
über=
fallen und beſchoſſen. Der eine Beamte iſt tot, der
an=
dere erlitt eine ſchwere Bauchverletzung. Man vermutet, daß die
Täter Separatiſten ſind.
* Heidelberg, 6. Nov. (Priv.=Tel.) Ebenſo wie in
Kaiſerslautern wurde auch in Kirchheim=Bolanden ein Vorſtoß
der Separatiſten unternommen. Das Bezirksamt wurde von
etwa 50—60 Separatiſten beſetzt, die anſcheinend der Gruppe
Heinz Orchis angehören. Heinz Orchis iſt der bekannte Führer
der freien Bauernſchaft der Pfalz, der ſchon bei den
Autonomie=
beſtrebungen des ſozialdemokratiſchen Abg. Hoffmann in
Kaiſers=
lautern eine Rolle ſpielte und der damals in der Beſprechung
mit General de Metz erklärte, er ſei für die autnome
Pfalzrepu=
blik auch außerhalb des Deutſchen Reiches. In Kuſel wurde die
deutſche Gendarmerie unter franzöſiſchen Befehl geſtellt,
Amerikaniſcher Peſſimismus.
* Waſhington, 5. Nov. (Priv.=Tel.) Die
hochfliegen=
den Hoffnungen, denen man ſich in Waſhington betreffs der
Sachverſtändigen=Konferenz vor ungefähr einer Woche
hinge=
geben hat, ſind hier ſeit den letzten Bedingungen Poincarés
einer ziemlich gedrückten Stimmung gewichen. Die franzöſiſche
Note, die heute hier überreicht werden ſoll, wird daher mit der
Befürchtung aufgenommen, daß die von dem franzöſiſchen
Premierminiſter aufgeſtellten Vorbehalte Amerika die Möglichkeit
verſchließen, an einem politiſchen Ausgleich zwiſchen Frankreich
und Deutſchland mitarbeiten zu können. Der Umſchwung zum
Peſſimismus in den politiſchen Kreiſen kommt daher, daß die
franzöſiſche Note die Anregung enthält, daß die amerikaniſche
Schuldenfrage in einer Ausſprache über die Reparationen mit
einbezogen werde. Staatsſekretär Hughes ſtehe auf dem
Standpunkt, daß zwiſchen den
Schuldenforderun=
gen Amerikas und den Schuldverpflichtungen
Deutſchlands gegenüber den Verbündeten
kei=
nerlei Zuſammenhang beſtehe. — Mit dieſer Auffaſſung
bringe er übrigens nur die Meinung des Präſidenten Coolidge
zum Ausdruck. Das Staatsdepartement erwartet ferner heute
einen offiziellen Bericht ſeines Pariſer Geſandten über ſein
Geſpräch mit Peincaré am vergangenen Samstag.
Prozeß gegen den Mörder Worowſkis.
Lauſanne, 5. Nov. (Wolff) Der Prozeß gegen den
Mörder Worowſkis begann heute vormittag 9 Uhr. Es kam zu
zahlreichen heftigen Zuſammenſtößen zwiſchen dem Verteidiger
des Angeklagten, Schopfer, und dem Analt der Zivilpartei,
Dicher. Schopfer forderte u. a., daß die Vertreter Worowſkis
den Nachweis erbringen, daß die beiden Damen wirklich die
legi=
time Gattin bzw. die legitime Tochter des Ermordeten ſeien.
Der Staatsanwalt wies ihre Zulaſſung zurück, die auch nach
län=
gerer geheimer Beratung vom Gerichtshof abgelehnt wurde.
Darauf warf Schopfer dem Advokaten der Zivilpartei, einem
naturaliſierten Ruſſen, in heftigen Ausdrücken vor, daß er eine
Erpreſſung gegen die Geſchworenen ausüben wollte und die
Ver=
tretung der Zivilpartei unter der Bedingung angenommen
habe, daß die Sowjetregierung bis zum Ende des Prozeſſes
keine Repreſſalien gegen die Schweizer in Rußland ausübe.
Dicker entgegnete, daß er keinen Druck auf die Geſchworenen,
ſendern auf die Sowjetregierung im Intereſſe der Juſtiz
aus=
geübt hätte. Der ruſſiſche Advokat der Zivilpartei, Tſchelnoff,
erklärte hierzu, daß die Sowjetregierung niemals an
Repreſſa=
wandte Taktik der Zwiſchenfälle und perſönlichen Angriffe gegen
die Zivilpartei läßt eine längere Verhandlungsdauer befürchten.
Schopfer mußte vom Präſidenten des Gerichtshofs zur Ordnung
gerufen und verwarnt werden.
E
Dreſſeur verlangte ein Pferd, das ſich nach Menſchenart ins Bett
legt. Auch das mußte man einem geeigneten Tiere beibringen.
„Der merkwürdigſte Auftrag, den wir erhielten,” ſagte Benſon,
„war der nach einem Liter Schlangengift; er kam von einer
ſüd=
amerikaniſchen Univerſität, um Serum herzuſtellen, und wir
mußten das Gift über ein halbes Jahr von indiſchen
Giftſchlan=
gen ſammeln laſſen. Der größte Auftrag war der eines Zirkus;
er belief ſich auf 12 Elefanten, 35 dreſſierte Pferde, 9 Eisbären,
11 Löwen und 7 Tiger. Im Jahre verkaufe ich etwa 3000 Affen
und 60000 Vögel, 130—150 dreſſierte Löwen, 30 Tiger, 35
aus=
gewachſene und etwa 15 kleine Elefanten und dazu eine ganze
Anzahl Leoparden, Zebras, Gnus, Büffel uſw. Am höchſten
werden gegenwärtig Giraffen bezahlt, weil ſie am ſchwerſten zu
bekommen und zu befördern ſind. Eine Giraffe koſtet etwa
12000 Dollar, ein Rhinozeros, die teuerſte Ware danach, koſtet
10 000 Dollar das Stück, ein voll ausgewachſener ſibiriſcher Tiger
2—3000 Dollar.”
* Eine Pflanze, die verrückt macht. Unter den merkwürdigen
Gewächſen von Queensland iſt wohl die merkwürdigſte der ſog.
„Stechbaum”, ein üppig blühender Strauch, der dem Auge
wohl=
gefällig, beim Berühren aber ſehr gefährlich iſt. Er wächſt von
2 bis 3 Zoll zu einer Höhe von 1 bis 15 Fuß und ſtrömt einen
ſehr unangenehmen Geruch aus. Ein Naturforſcher ſagt von den
Wirkungen, die eine Berührung des Baumes hervorbringt: „Man
vergißt oft die Gefahren dieſer Pflanze, bis man durch ihren
Geruch gewarnt wird. Die Wirkung iſt ſehr merkwürdig. Die
Berührung hinterläßt keine Zeichen, aber der Schmerz iſt ſo
groß, daß man davon ganz verrückt wird. Nach Monaten iſt
der verletzte Teil noch ſo empfindlich, daß die leiſeſte Berührung
Schmerzen verurſacht. Ich habe Menſchen geſehen, die durch
ſich in Qualen auf dem Boden wanden und wie beſeſſen
davon=
raſten. Ein Pferd wurde dadurch ſo vollſtändig toll, daß es
wild um ſich biß und erſchoſſen werden mußte.
T. Das „Kaapi”=Gift, das die Indianer im Quellengebiet
tungen benutzen, ſoll die Wirkung haben, daß es den Menſchen
unempfindlich gegen Schmerzen mache. Der Profeſſor an der
Univerſität in Berkeley Dr. Albert Schneider will nun die
zeutiſchen Kongreß in Afherville (Nordkarolina) hielt er einen
Vortrag über das Gift und erklärte, daß er feſtſtellen wolle, ob
das Gift auf kultivierte Menſchen dieſelbe Wirkung ausübe wis
Seite 4.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den G. Rocember 1923,
Rummer 30;
Stadt und Land.
Darmſtadt, 6. November.
Die ſprunghafte Steigerung des Brotpreiſes hat in der
Bevöl=
kerung eine nur zu begreifliche Aufregung verurſacht, wenn auch
ange=
ſichts unſerer troſtloſen wirtſchaftlichen Verhältniſſe dieſe Entwicklung
niemand eigentlich überraſchen konnte. Die Aufhebung der
Zwangs=
wirtſchaft am 15. Oktober ds. Js. hatte zunächſt nur die eine
gün=
ſtige Folge, daß der damit verbundene Wegfall der Vorſchrift über die
Ausmahlung des Getreides mit einem Schlage die Qualität des
Brotes weſentlich verbeſſerte. Auch der Preis wäre nicht ſo
außeror=
dentlich in die Höhe gegangen, wenn nicht gerade ſeit dieſem Tage eine
neue ſcharfe Abwärtsbewegung des Markkurſes eingeſetzt hätte, die ſich
in den letzten Tagen noch unheilvoll verſchärft hat. Von der
Kauf=
kraft unſerer Mark hängt aber der Brotpreis ganz weſentlich ab.
Sinkt die Mark, dann braucht der Bäcker höheren Lohn, der
Bäckermei=
ſter höheren Verdienſt, der Mehlhändler, der Brikettlieferant, der Ver=
käufer von Salz und Streumehl einen höheren Preis, da ſteigen, die
Ladenmiete, die Verſicherungsbeiträge, die Koſten für Kraft, Waſſer
und Licht und die allgemeinen Unkoſten aller Art. Dazu kommt, daß
im Inlande nicht genügend Getreide vorhanden iſt, um den Bedarf zu
decken, es muß alſo in erheblichen Mengen gegen Deviſen beſchafft
werden.
Eine reichsſeitige Fortführung der Markenbrotverſorgung hätte
daran nichts geändert, wenn nicht mit ihr eine weitere
Mehlverbilli=
gung durch das Reich Hand in Hand gegangen wäre. Hierzu war und
iſt aber das Reich bekanntlich nicht mehr in der Lage. Nun hat die
heſſiſche Regierung von ſich aus die Wiedereinführung der
Markenbrot=
verſorgung zugelaſſen. Eine eingehende Prüfung dieſer Frage im
Ausſchuß des Getreidekommunalverbandes hat aber als einſtimmige
Auffaſſung ergeben, daß dieſer Weg nicht gangbar iſt, weil er der heute
wahrlich genug geplagten Bevölkerung nur neue unerträgliche
Beläſti=
gungen auferlegen würde, ohne als Ausgleich wenigſtens eine Verbilli=
gung des Brotes zu bringen. Im Gegenteil, die Koſten für
Marken=
papier und =Druck, für die Markenausgabe und alles, was damit
zu=
ſammenhängt, würden den Brotpreis nur noch weiter ſtark in die Höhe
treiben. Durch die Marken allein würde auch die Verſorgung an ſich
keineswegs ſichergeſtellt werden. Alſo in der Marke liegt das Heil
nicht. Viel wichtiger iſt es, daß die Verſorgung überhaupt
gewähr=
leiſtet iſt. Und das iſt der Fall. Die Reichsgetreideſtelle ihrerſeits
ge=
währt eine Belieferung von bis zu 150 Gramm für den Kopf und Tag,
der Handel, mit dem eingehende Verhandlungen gepflogen wurden,
ſorgt für den darüber hinausgehenden Bedarf; er iſt reichlich eingedeckt.
Für Notfälle ſteht dem Kommunalverband eine angemeſſene Reſerve
zur Verfügung.
Das Unerträgliche iſt nur der exorbitante Preis. Die durch die
ſogenannte Brotverbilligungsabgabe erzielte Preisſenkung kann nur
den Allerbedürftigſten zu Gute kommen. Das Wohlfahrtsamt, das ja
heute kein Armenamt mehr iſt, ſondern eine den weiteſten Kreiſen
die=
nende ſoziale Einrichtung, iſt auch ſonſt bemüht und ermächtigt, im
Rahmen des Möglichen alle Maßnahmen zu treffen, die auf eine
tun=
lichſte Erleichterung der Verſorgung der Bedürftigen abzielen. Im
übrigen iſt es die ſtändige Sorge der Preisprüfungsſtelle den
jeweili=
gen Brotpreis ſcharf zu überwachen und gegen Uebervorteilungen
jeg=
licher Art mit unnachſichtlicher Strenge einzuſchreiten. Eine ſtändige
Kommiſſion iſt dafür eingeſetzt worden, deren Aufgabe es auch iſt, den
Brotpreis jeweils wenigſtens für kurze Zeit, wenn nur irgend möglich,
zu ſtabiliſieren, um der durch die oft täglichen Preisſprünge
verurſach=
ten Beunruhigung der Bevölkerung zu begegnen. Dabei ſei übrigens
bemerkt, daß ſeit der Aufhebung der Zwangswirtſchaft durch das Reich
die Preisfeſtſetzung ſelbſt nicht mehr durch die Preisprüfungsſtelle
ge=
ſchehen darf, dieſe hiernach nur mehr in der Lage iſt, gegebenenfalls
auf Grund der Verordnung über Wucher und Preistreiberei Anzeige
zu erſtatten. Dieſer Umſtand hat der Stadtverwaltung aber Anlaß
ge=
geben, an die Regierung den dringenden Antrag zu richten, daß ſie für
die Kalkulierung des Brotpreiſes durch die Bäckerinnungen für das
ganze Land mit größter Beſchleunigung Richtlinien herausgibt, zu
deren Einhaltung die Beteiligten durch Strafbeſtimmungen gemäß der
Reichsverordnung über Notſtandsverſorgung verpflichtet werden.
Aus weichen Poſitionen ſich der Brotpreis zuſammenſetzt, iſt ſchon
oben angedeutet worden. Hierzu kommen noch Gewerbe= und
Umſatz=
ſteuer, Abſchreibung und Unterhaltung der Maſchinen und Geräte,
Verzinſung des Anlage= und Betriebskapitals und einige kleinere
Punkte. Alle Einzelpoſitionen werden genau geprüft. Der
Hauptfak=
tor iſt das Mehl. Dem Samstagsbrotpreis lag noch ein Mehlpreis zu
Grunde, der bereits weit überholt war. Hauptfaktoren im übrigen
ſind der Brikettpreis und der Arbeitslohn. Der Reinverdienſt des
Bäckermeiſters ſpielt gegenüber der Geſamtkalkulation kaum eine Rolle.
Was in der Macht der Stadtverwaltung ſteht, um der Bevölkerung
ihr ſchweres Los tragen zu helfen, wird ſie tun, das iſt heute ihre wich=
Mueller.
tigſte Sorge.
— Ernannt wurden: Regierungsrat Fritz Dölp, z. Zt. in Nidda,
zum Oberregierungsrat; Zollaſſiſtent Karl Hechler beim
Hauptzoll=
amt Darmſtadt zum Zollſekretär.
— Aus dem Reichsdienſt entlafſen wurde auf ſein Nachſuchen der
Regierungsrat Dr. Theodor Beiſer in Offenbach a. M.
— In den Ruheſtand verſetzt wurde am 30. Oktober 1923 die
Ge=
fangenenaufſeherin am Landeszuchthaus Marienſchloß Eliſabeth Peter
auf Nachſuchen bis zur Wiederherſtellung ihrer Geſundheit mit Wirkung
vom 1. November 1923 unter Anerkennung ihrer dem Staate geleiſteten
Dienſte.
— Erledigt ſind eine mit einer katholiſchen Lehrerin zu beſetzende
Schulſtelle an der Volksſchule zu Walldorf, Kreis Groß=Gerau.
Dienſt=
wohnung iſt nicht vorhanden. Wohnung für eine Lehrerin ohne eigenen
Hausſtand kann beſchafft werden; eine Lehrerſtelle für einen evangeliſchen
Lehrer an der Volksſchule in Klein=Gerau, Kreis Groß=Gerau.
Dienſt=
wohnung für eine unverheiratete Lehrkraft iſt vorhanden. Für einen
verheirateten Lehrer iſt Wohnung in abſehbarer Zeit nicht vorhanden;
eine Lehrerſtelle für einen evangeliſchen Lehrer an der Volksſchule in
Schneppenhauſen, Kreis Darmſtadt. Dienſtwohnung iſt vorhanden; je
eine Schulſtelle für einen katholiſchen Lehrer und eine katholiſche
Leh=
verin an der Volksſchule in Jügesheim, Kreis Offenbach.
Dienſtwoh=
nungen ſind vorhanden, zurzeit aber noch nicht frei.
— Heſſiſches Landestheater. Am Donnerstag, den 8. November
findet im Kleinen Haus ein Kammerkonzert ſtatt, das Richard
Strauß gewidmet iſt und als Auftakt einer Reihe ähnlicher
zeitgenöſ=
ſiſcher Abende gelten kann. Die Leitung des Abends hat Kapellmeiſter
Roſenſtock. Es wirken mit: Margarete Albrecht, Alexis af Enehjelm
ſowie die Kammermuſiker Andrege und Jaudt.
Sondermieten. Die Mietpreiſe für die dritte und vierte
Vorſtellung der Sondermieten müſſen auf Grund der
Mietbedingun=
gen erhöht werden. Die Erhebung der Nachzahlung erfolgt nicht, wie
ſonſt, durch die Organiſationen, ſondern durch das Landestheater, an
der Hauptkaſſe und den Tageskaſſen des
Gro=
ßen und Kleinen Hauſes am Freitag den 9.
No=
vember, Samstag, den 10. November, und Montag, den
12. November. Näheres über die Preiſe, denen der Lebenshaltungsinden
vom Donnerstag, den 8. November, zu Grunde gelegt wird, wird durch
Anſchläge und die Organiſationen bekannt gegeben.
Theater=Ausſtellung im Landesmuſeum. Die Ausſtellung, zu
der die Vorbereitungen in vollem Gange ſind, wird ſich vornehmlich mit
der Darmſtädter Bühnenausſtattung von 1780 bis zum heutigen Tage
befaſſen und deshalb etwa den Namen „150 Jahre Darmſtädter
Bühne” tragen. Neben ihren hiſtoriſchen Teil, der mit barockem
Vorſchlag einſetzt, treten die Inſzenierungen der neuen Zeit mit einem
Ueberblick über die Tätigkeit Kurt Kempins 1897—1920 und der
Hartung—Pilartzſchen Aera für welche letztere in den
Ateliers des Landestheaters eine Reihe von Szenen=Modellen
angefer=
tigt worden ſind. Es iſt beabſichtigt, die Ausſtellung Mitte des Monats
zu eröffnen. Schmerzlich vermißt werden Arbeiten des Darmſtädter
Malers und Aquarelliſten Hermann Schlegel für die hieſige
Bühne, an der er 1889—1893 tätig war. Beſitzer von Schlegels
Sze=
nenſkizzen ſind herzlich gebeten, ſolche dem Kuſtos am Landesmuſeum
Dr. Freund anzumelden.
— Erwerbsloſenfürſorge und Krankenverſicherung. Wir verweiſen
auch an dieſer Stelle auf die Bekanntmachung des öffentlichen
Arbeits=
nachweiſes für Stadt und Kreis Darmſtadt, aus der erſichtlich iſt, daß
mit einer anderen Finanzierung der Erwerbsloſenfürſorge Anfang
ge=
macht werden ſoll. Die Aufforderung an Arbeitgeber und an
pflicht=
verſicherte Arbeitnehmer zur Entrichtung eines Zuſchlags von 20
Pro=
zent zu den jeweiligen Krankenverſicherungsbeiträgen ſtützt ſich auf eine
Verordnung der Reichsregierung vom 15. Oktober 1923. Den
Arbeit=
gebern wird empfohlen, beſonders darauf zu achten, daß der Zuſchlag
für Zwecke der Erwerbsloſenfürſorge als ſolcher beſonders von ihnen
bezeichnet wird, ſonſt tragen ſie aus der Unterlaſſung etwa entſtehende
Nachteile.
Brotgetreide= und Mehlbeſtände, die ſich im Beſitz oder
Gewahr=
ſam von Getreide= und Mehlhändlern, Mühlen, Bäckern uſw. befinden.
ſind bis zum 5. jeden Monats der Landesverſorgungsſtelle zu melden.
(Siehe Anzeige.)
— Zeugen geſucht. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag gegen
12½ Uhr wurde in der Eliſabethenſtraße, gegenüber Reſtauration
Ben=
der, ein auf ſeinem Nachhauſeweg begriffener Kellner durch einen
Meſſer=
ſtich ſchwer verletzt. Der Täter wurde inzwiſchen feſtgenommen.
Wäh=
rend die Tat ausgeführt wurde, kam ein bis jetzt noch nicht ermittelter
Herr hinzu, welcher als Zeuge dringend benötigt wird. Es ergeht
da=
her an dieſen Herrn das Erſuchen, ſich umgehend bei der
Kriminglgbtei=
lung Darmſtadt, Zimmer Nr. 1, melden zu wollen,
* Der Evangeliſche Bund bot am Reformationsſonntag mit ſeiner
Lutherfeier in der Stadtkirche einen dankenswerten Abend. (wie
auch die Veranſtaltung nächſten Freitag, um 6 Uhr, im Gemeindehauſe,
Kiesſtraße 17 wo Profeſſor D. Matthes die geiſtige Not der Gegenwart
und ihre religiöſe Ueberwindung behandeln will, einem Bedürfnis der
Gebildeten entgegenkommen möchte). Herrn Lehrer Webers Vor=
und Nachſpiel ſowie Choralbegleitung führten die Pracht der Orgel
vor; von den Vereinen der Martins= und Johanneskirche wurden unter
Kammermuſiker Adams Leitung zwei Werke klangvoll und wuchtig
geſungen, darunter das von unſerem Mitbürger Mendelsſohn vertonte
Lied „Friſch auf in Gottes Namen, du werte deutſche Nation”; einen
ebenſo tiefen Eindruck hinterließen die Anſprache des hieſigen
Bundes=
obmannes D. Matthes und des Pfarrers Stork aus Langen. Es
ward klau, daß auch in der jetzigen Drangſal des Vaterlandes, bei
un=
ſeren aufreibenden Nahrungsſorgen, inmitten ſittlicher Verwilderung
und geiſtlicher Armut Luther eine Kraftquelle iſt; er hat in raſtloſer
uneigennütziger Tätigkeit, die auch von ſeinen heutigen Gegnern
ange=
ſtaunt wird, für ſeine lieben Deutſchen gelebt; er hat bei allen
Stür=
men den inneren Halt nicht verloren; er hat in Peſtjahren auf ſeinem
Poſten ausgeharrt, ein Fels wie Dürers Ritter trotz Tod und Teufel;
er hat uns zum Troſte bewahrheitet, daß ein einziger feſtgegründeter
und willenſtarker Menſch alle Verhältniſſe umgeſtalten kann. So
ge=
währte der Abend den weit über 1000 Beſuchern erquickenden Zuſpruch,
dazu dielen die Gelegenheit, läſtiges Scheingeld los zu werden, ſo daß
ein Dutzend. Zähler, die ſich noch eine geſchlagene Stunde mit den
Ga=
ben, auch gebündelten, befaſſen durften, etliche Körbe mit Altpapier
fül=
len konnten, was früher in einer Kirche wahrſcheinlich nie möglich war.
— Darmſtädter Radſport=Club 1919. Am 26. v. M. hatte der
D. R. C. die Mitglieder zu ſeiner 4. ordentlichen Generalverſammlung
im Klublokal eingeladen. Der 1. Vorſitzende berichtete über das
ver=
floſſene Vereinsjahr und knüpfte an ſeine Worte den Wunſch, daß im
nächſten Jahre der D. R. C. weiterhin vorwärts ſchreiten möge. Der
Kaſſenbericht wurde von der Verſammlung als geſund und befriedigend
befunden, ebenſo auch die Berichte der Fahrwarte. Hervorzuheben iſt
der Bericht des Rennfahrwartes, der in erſter Linie auch der
vortreff=
lichen Rennmannſchaft zu verdanken war. Die Klub=Meiſterſchaft hatte
ſich für 1923 der Rennfahrer Ganß geſichert. Der Bericht über die erſt
im Februar d. J. gegründete Geſangsabteilung wurde mit Befriedigung
aufgenommen. Es folgte Neuwahl des Vorſtandes. Herr S. Levi
wurde einſtimmig wieder zum 1. Vorſitzenden gewählt. Die übrigen
Vorſtandsmitglieder verblieben ebenfalls meiſt in ihrem Amte, nur das
Amt des Kaſſierers wurde neu beſetzt. In Anbetracht der
Mitglieder=
zahl — nahezu 400 — entſchloß man ſich, einen ſtändigen Sportausſchuß
zu wählen. Der Rennmannſchaft wurde dahin Rechnang getragen, daß
ein weiterer Beiſitzer ausſchließlich für die Intereſſen der Rennfahrer
in den Vorſtand berufen wurde. Auch ein Vergnügungsausſchuß,
be=
ſtehend aus Damen und Herren des Klubs, wurde aufgeſtellt. Die
Ge=
ſangsabteilung bleibt nach wie vor durch einen Beiſitzer im Vorſtand
vertreten. Der neugegründete Sportausſchuß fand es ſogleich für ſeine
vornehmſte Aufgabe, das klaſſiſche Rennen des D. R. C. „Rund um die
Ludwigshöhe” wieder, wie im Vorjahre, auf den zweiten Pfingſtfeiertag
feſtzulegen. Nachdem der 1. Vorſitzende noch kurz Bericht über die bis
jetzt gehabten Verhandlungen bezüglich der Rennbahnfrage erſtattete,
wurde der Beſchluß gefaßt, doch kein Mittel unverſucht zu laſſen, um die
Stadtverwaltung für den gerechten Wunſch der Rennfahrer auf
Wieder=
erlangung der Rennbahn zu intereſſieren, damit nach Möglichkeit ſchon
im nächſten Jahre die erſten Bahnrennen beſtritten werden können.
— Unterſtützung ſchweizeriſcher Staatsangehöriger in Hefſen. Das
Beginn der Weinleſearbeit. Vorher darf niemand hinaus. Regne
ſtark, ſo fordern wieder die Glocken die Leſer zum Heimgehen auf.
abends, bei anbrechender Dunkelheit, beſtimmen ſie die Rückkehr
Dorf. Welch eine Enttäuſchung ſteht bevor! Wohin iſt der Be
gekommen, den man noch vor mehreren Wochen hier ſch? Die Ant
geben die Tauſende von Mäuſen, die beim Betreten des Weink
flüchtig gehen. Wahrlich, ſo viel Mäuſe ſah ich noch nicht. Und
dieſe auch Appetit auf ſüße Träubchen hätten, deſſen konnten ſich
alte Weinbauern nicht entſinnen. Neugierig ſchauten dieſe ar
Diebe mit ihren luſtigen Aeuglein aus den Löchern uns bei der
beit zu. Dieſe geht, da die Weinſtöcke noch voller Laub hängen
genau abgeſucht werden müſſen, trotz des ſchlechten Behangs recht
ſam vor ſich. Um jedes Mauſeloch liegen zerſtreut eine Menge 2,
chen, die die Mäuſe abgebiſſen und dorthin geſcharrt haben. Mehr
einmal laufen ſie mir über die Stiefel. Lautes Aufſchreien einer
lichen Stimme verrät das Entſetzen und den Abſcheu vor dem fr
Treiben dieſer Traubenfreſſer. An ſonſt ſchön entwickelten Tra
hängen nur noch die Rappen. Am vollkommenſten ſind nur die
reifen erhalten, die den Räubern nicht geſchmeckt haben. Wie oft
doch über die Mäuſe während des Schneidens geflucht! Der „Butt
(Buttenträger) hat dieſes Jahr leichte Arbeit. Ganze „Zeilen”
100 Weinſtöcke etwa — bringen nur einen Eimer voll. Des Wi
Mühe, ſeine ſchwere Arbeit, ſind ſchlecht belohnt worden. Das
Wetter die ſchlechte Blütezeit, das andauernde Regnen und nicht
geringſten die verheerende Arbeit der Mäuſe tragen die Schuld.
gends ertönt, wie früher, der Geſang froher Burſchen und Mäd
Scharen von jungen Leuten aus dem nahen Hunsrück ſind in früh
14.
Jahren in unſerem Orte bei der Weinleſe tätig geweſen. Die
Schweizeriſche Fürſorgeamt in Bern erſuchte den Vorſtand der Schwei=
zer=Geſellſchaft Darmſtadt, die Adreſſen aller bedürftigen
Schweizerfami=
lien bis längſtens 10. November einzuſenden, um deren Kindern auf
Weihnachten eine Freude bereiten zu können, durch Verſorgung mit
Schuhen, Kleidern und Nahrungsmitteln. Bedürftige Landsleute wollen
ſich ſofort melden unter Angabe der genauen Perſonalien jedes Kindes
und der Eltern. Anträge ſind ſchriftlich an den Vorſitzenden der
Schwei=
zer=Geſellſchaft, Herrn A. Butz, Darmſtadt, Müllerſtr. 18½, zu richten.
Später eingehende Anträge können nicht mehr berückſichtigt werden.
Die Kommiſſion für Alters= und Jugendfürſorge für Heſſen beſteht aus
den Herren A. Butz, Prof. Dr. Thorold, Dr.=Ing. Brunner, Dr.=Ing.
Loeliger, Stud. arch. Niederer und R. Blankard.
RDV. Ermäßigung der Zeitkartenpreiſe auf der Reichsbahn. Um
den Berufs= und Siedlungsverkehr, der unter der Spanne zwiſchen
Ge=
hältern und Teuerung ohnehin ſchwer leidet, möglichſt zu ſchonen, hat
Reichsverkehrsminiſter Oeſer angeordnet, daß die Zeitkarten verbilligt
werden. Vom 1. Nobember ab werden die Monatskarten nicht
mehr nach 20, ſondern nach 16 Einzelfahrten, die
Wochen=
karten ſtatt nach 5 nach nur 4 Einzelfahrten, die
Kurzarbeiterwochen=
karten nach 2 (bisher 3) und die Schülermonatskarten nach 8 (bisher 10)
Einzelfahrten berechnet. Nur im Berliner Stadt= Ring= und
Vorort=
verkehr, in deſſen Bereich die Fahrpreiſe gegenüber dem Fernverkehr
ohnehin ermäßigt ſind, bleibt es bei der alten Berechnungsmethode.
Dieſe Maßnahme des Reichsverkehrsminiſters darf als beſonders gerecht
begrüßt werden, da es nun die anderen Großſtädte, die mit ihren
Be=
rufsfahrten auf den Fernverkehr angewieſen ſind, in den Fahrpreiſen
Berlin einigermaßen gleichſtellt.
— Preuß.=ſüddeutſche Klaffenlotterie. 4. Klaſſe 8. Tag. In
heutiger Ziehung wurden die Endzahlen 44 und 85 gezogen. Mit
wel=
chen Geſvinnen, iſt bei den zuſtändigen Einnehmern zu erfahren.
Aus den Parteien.
— Deutſche Demokratiſche Jugend. An unſerem
Heim=
abend, Mittwoch, den 7. November kommen wichtige Dinge zur
Be=
ſprechung. Nähere Mitteilungen über unſere Reichs=Jugendtagung in
Jena am 17. und 18. November werden gemacht. Ferner wird Freund
Reichardt noch ſprechen über: Jugend und Politik. Alle werden
gebe=
ten, zu erſcheinen.
In Rheinheſſen.
Die letzten 14 Tage war ich in Rheinheſſen zur Weinleſe. Da ich
als Beamter keine Ausſicht auf Erlangung einer Einreiſeerlaubnis
hatte, verſuchte ich an einer günſtigen Stelle bei D. mein Glück und
kam, wie ſo viele ſchon, ohne geſchnappt zu werden, in das beſetzte
deutſche Gebiet. Die Gefühle, die einen packen, wenn man wie ein
Dieb ſich im eigenen Vaterland hinüberſchleichen muß, laſſen ſich ſchlecht
beſchreiben. Nur Leidensgenoſſen können davon erzählen. Man atmet erſt
auf und fühlt ſich heimiſch, wenn man in der Regiebahn die derben
Laute der heſſiſchen Riedbauern hört. Welch ein Bahnbetrieb gegen
früher! Leere Wagen, geführt von Heizern und Schaffnern, die viel
Zigaretten rauchen und ſtets ſtolz und ſehr ſelbſtbewußt, die Hände in
den Hoſentaſchen vergraben, auf den Bahnſteigen herumſtolzieren.
Bei=
nahe eine Stunde hält unſer großer leerer Zug in Biſchofsheim. Das
franzöſiſche Zugperſonal ſcheint an ſolchen langen Aufenthalt gewöhnt
zu ſein; es begibt ſich von der Lokomotive und dem Packwagen auf die
Felder nebenan und ſucht ſich einſtweilen die ſchönſten Kohlköpfe aus,
um ſie bei Dunkelheit beſſer greifen zu können. Laut unterhalten ſie
ſich über die ſchönſten Gemüſeobjekte. Unterdeſſen erzählen zwei deutſche
Eiſenbahner, die in Regiedienſte eingetreten waren, uns von dem
fran=
zöſiſchen Schlendrian. Ein Triebwagen, der von Rüſſelsheim kommt,
nimmt uns endlich auf. Unſer Zug, der uns von Groß=Gerau brachte,
hat immer noch kein Abfahrtsſignal. Der Triebwagen iſt überfüllt von
Beamten und Arbeitern, die in Rüſſelsheimer Werken tätig ſind. Eine
Dame, die neben mir ſitzt, erzählt ſtolz, daß ſie nur in Franes bezahlt
wird. Zwei junge Arbeiter gegenüber zählen laut ihre Centimes=Stücke
zuſammen, rechnen ſich’s in deutſches Geld um und ſchimpfen über das
lumpige Milliardengeld. Endlich in Mainz. Laut näſelnd ruft der
Schaffner ſein Mayence uns zu. Züge fahren ein, denen nur wenige
Fahrgäſte entſteigen. Gott ſei Dank, kein langer Aufenthalt. Ein
Anſchlußzug geht bald weiter in der Richtung Bingen-Koblenz. Poilus
mit ſchwer bepacktem Torniſter ſteigen laut lärmend ein. Mein Abteil
iſt überfüllt. Neben mir ſitzt eine alte, ſchwarz gekleidete Dame, die
ſehr geſprächshungrig mich in ihre Unterhaltung zwingt. Gar bald
merke ich, worauf ſie hinzielt. Sehr redegewandt, klagt ſie erſt über
die ſchlechten Zeiten, ſchimpft über die tatenloſe deutſche Regierung, die
an allem Unglück ſchuld ſei, und preiſt ſchließlich im Superlativ das
freie, ſchöne Frankreich. Wie gut könnten es doch die ehemals ſo frohen
Rheinländer haben, wenn ſie ſich ihre eigene rheiniſche Republik ſchufen!
Wie gut hätte es doch ſchon Napoleon I. mit den Rheinſtaaten gemeint!
Aber niemals wäre Frankreich, das es doch ſehr ehrlich mit der
rheini=
ſchen Bevölkerung meine, richtig verſtanden worden. In ſolchen und
ahnlichen Sirenentönen ſucht ſie mich und ihren Nachbarn zur Rechten,
der ſcheinbar teilnahmslos ſich in die Lektüre eines Buches vertieft,
von der Harmloſigkeit franzöſiſcher Annexionspolitik zu überzeugen.
Innerlich ſchon lange über dieſe falſche Schlange empört, ſage ich ihr
auf gut deutſch meine Meinung, indem ich ihr gleihzeitig eine Lektion
über die Geſchichte des deutſchen Rheinſtromes halte. Als die Dame
merkt, daß meine Geſchichtsauffaſſung weſentlich von der ihrigen
ab=
weicht, wird ſie merklich kühler und bricht ſchließlich die Unterhaltung
ganz ab. Welch böſe Saat wird ſie auf ihren Eiſenbahnfahrten ſchon
ſo oft mit Erfolg ausgeſtreut haben! Die Kleinbahn, die von X. ins
Innere Rheinheſſens führt, iſt ſchon weg.
Jetzt heißt’s über zwei Stunden in der Dunkelheit wandern. Große
Bütten ſtehen vor den Häuſern. Moſtduft dringt aus den Keltereien.
Die Weinleſe hat hier ſchon begonnen. Und doch überall iſt’s ſo
un=
heimlich ruhig. Welch Singen, Muſizieren und Johlen bis tief in die
Nacht hinein war noch im vorigen Herbſt, und erſt im geſegneten
Wein=
jahr 1921! Die Urſachen ſollte ich erſt merken, als ich am nächſten
Mor=
gen nach dem dreimaligen Läuten der Glocken mit unſeren Leſern in
die Weinberge zog. Jeden Morgen geben die Glocken das Zeichen zum
kamen nur wenige. Auch wir haben einen friſchen Jungen aus
Gegend von Boppart bei uns.
Während der Arbeit erzählt er uns von daheim. Sie verkau
dort ihre landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe nur gegen holländiſche Gr
oder gegen Franken. Deutſches Geld will niemand mehr nehmen,
ſollte bald merken, daß auch in unſerem kleinen rheinheſſiſchen Dör
keiner mehr deutſches Geld haben und nehmen will. Jeder ſchi
auf das lumpige deutſche Papiergeld, fordert Franes oder Gegenn
Der reinſte Tauſchhandel hat eingeſetzt. Der Shmied beſchlägt
Pferde nur gegen Frucht, der Kaufmann verlangt für 1 Liter Petro
30 Pfund Gerſte, Salz, Kartoffeln, Reis, Zucker — all das kann
erhalten, aber nur gegen Frucht. Traurig, aber wahr! Keine Bek
iſt da die einſchreitet. Kein Geſetz verbietet dieſes Tun. Ich hatte
legenheit, mit allen Schichten der Bevölkerung zu reden. Ein ju
Pfarrer, mit dem ich mich über die jammervollen Zuſtände unterh
klagt in Worten höchſter Entrüſtung die Regierung an, die doch
nichts für die Rheinheſſen übrig habe. „Ach, wenn Ihr drüben
einig ſein wolltet!‟ Dieſe Worte habe ich mehr wie einmal h
müſſen, und konnte ihnen nichts erwidern.
Wie oft wurde ich gefragt von Alten und Jungen: „Wie
denn drüben im Vaterland?” Wochenlang keine Zeitung, und
mal eine kommt, ſo bringt ſie, wie ich mich überzeugen konnte,
entſtellt in franzöſiſcher Friſur. Ich erzähle und beſchönige, muß an
ſchildern, um nicht unſere innere Zerklüftung, unſeren durch P
politik drohenden Ruin den Leutchen, die ſo gern etwas Gutes
Deutſchland hören wollen, noch mündlich vor Augen zu führen.
Behörde in Rheinheſſen iſt machtlos, ſie hat keine Machtmittel h
ſich. Jede Verordnung wird ſabotiert. In unſerem kleinen Dör
gibt es eine Menge Erwerbsloſer. Ich ſprach mit einigen von ih
Sie drohten: „Wie die Unterſtützung eingeſtellt wird, gehen wir
H. und melden uns bei den Franzoſen. Wir ſind Anhänger der Rh
ſchen Republik!‟ Der Bürgermeiſter, der ſchon lange amtsmüde
hat einen ſehr ſchweren Stand. Keine Unterſtützung von oben.
deutſche Wort, das er zu den Unzufriedenen ſpricht, wird entſtellt
Herrn Kreisdelegierten von Spitzeln gemeldet. Sein Amt muß
zum Ekel werden. „Geſtern morgen,” ſo erzählte er mir, „war ic
Weinberg in der und der Gemarkung. Plötzlich kommt mein Bub
ſagt mir, ich müſſe in ¼ Stunde mich am Telephon melden. Der K
delegierte habe nach mir verlangt. Ich ſchnell hin, es war um 10
vormittags, melde mich an und erhalte zur Antwort, ich ſolle um 11
wiederkommen. Dazu Arbeit in Hülle und Fülle, denn es iſt ja He
Der Weinberg iſt zu weit. Ich bleibe auf der Poſt und warte, w
bis endlich die Uhr 11 ſchlägt. Ich melde mich zum zweiten Male
erhalte den Befehl, um 2 Uhr wieder zu kommen, der Herr K
delegierte ſei augenblicklich verhindert. Ich gebe an, es ſei doch H
und ich hätte viel Arbeit. In barſchem Befehlston wird mir ged.
ja um 2 Uhr da zu ſein. Wenn mir früher jemand ſo gekommen m
Zur beſtimmten Zeit laſſe ich mich anmelden und muß hören, daß
Herr Kreisdelegierte beim Eſſen ſitze und mich erſt in einer Stund
ſprechen verlange. Ich ſchäume vor Wut, muß mich in mein Ge
fügen und warten, bis ich endlich um 3½ Uhr gnädig Gehör finde.
ſultat des Geſprächs, das zwei Minuten dauert: Der junge Pfarrer,
erſt einige Wochen im Ort iſt, ſoll ſich morgen bei der franzöſiſchen
hörde melden.”
Solchen Schikanen ſind dort die Bürgermeiſter ausgeſetzt.
Denunziation blüht. Keiner traut mehr ſeinem Nachbarn. In
eigenen Stube iſt man gezwungen, ſich im Flüſterton zu unterha
Gar lebhaft wurde ich an die Worte Walter Fürſts in Schillers",
helm Tell” erinnert: „Verrat und Argwohn lauſcht in allen Ee
bis in das Innerſte der Häuſer dringen die Boten der Gewalt;
tät es not, wir hätten Schloß und Riegel an den Türen.” Wahrha
ſoweit iſt es in Rheinheſſen gekommen. Der junge Paſtor iſt kaum
Wochen in der Gemeinde, da wird er bei den Franzoſen denunz
Eigene Landsleute ſind die Verräter, die Schurken. Unter dem Me
chriſtlicher Nächſtenliebe, ſo heißt es in der Anklageſchrift, hetze er g.
die Franzoſen. Seine Ausweiſung ſteht, trotzdem er die Verleum
gen tapfer widerlegte, ſicherlich bevor. Und die Wahrheit? Er ſt
in warmen Worten von dem tiefen Elend, in dem unſer armes Ve
land ſich befände, und erinnerte, wie der alte Zieten, ſeine Rheinhe
an den alten Alliierten, der uns doch noch helfen werde.
Ach, wie Vieles könnt’ ich von der Not der Rheinländer erzäh
Wir alle ſind jetzt in großen Nöten, doch drüben ſeufzen ſie ohnmä
unter der ſchreienden Gewalt. Gar viele ſind abgeſtumpft, gleichgü
Unter Frohlocken erzählt man ſich leiſe, wie die Arbeiter in Mainz
Separatiſten verdroſchen haben. Die Landwirte aber ſind ſehr zu
haltend mit ihrem politiſchen Urteil. „Arbeiter und Beamte,” ſagt
ein bäuerlicher Nachbar, „finden drüben bei Euch immer wieder
Beſchäftigung. Aber was ſoll mit uns, mit unſerem Grund und Bo
unſerem Vieh werden?” Iſt es dem Bauer zu verdenken, daß er
ſeiner Scholle klebt? Iſt er auch nach außen hin gleick gültig, ſein i
res Empfinden iſt treudeutſch. Er erwartet mit Sehnſucht Taten
uns hier drüben. Trotz Agenten, trotz Spitzel bricht bei den jun
Bauernburſchen mit elementarer Wucht oft ihr deutſches Fühlen di
Die Weinleſe war vorbei, die Dreſchmaſchine ſurrt im Nachbarhauſe
zum Abend. Burſchen und Mädchen feiern nach der ſchweren Au
bis in die Nacht hinein. Ich liege träumend wach und lauſche den
dern, die ſie mit den Hunsrückern ſingen. Da ertönt erſt leiſe, zaſſ
dann immer kecker: „O Deutſchland, hoch in Ehren!” und ein Ve
landslied folgt dem andern. Ja, der deutſche Geiſt lebt trotz feindli
Verbote auch drüben noch in unſerer Jugend.
„Wenn wenigſtens bald die neue deutſche Währung herauskäm
ſo klagt mir ein Kollege auf der Heimfahrt. Und er hat recht.
Franken ſchleicht ſich grinſend ein und hilft den Glauben an eine deit
Auferſtehung zerſtören. Im Warteſaal 4. Klaſſe in Mainz erlebe
es, daß Bauernweiber ganze Körbe voll Butter nur an Franzoſen
kaufen. Kommt ein deutſcher Eiſenbahner und bettelt um ¼ Pf!
chen, ſo werden ſie grob und weiſen das deutſche Geld mit Entrüſt
zurück. Ich habe 2½ Stunden Aufenthalt. Noch vier Butterwe
kommen. Alle verkaufen nur gegen Franken und kauderwelſchen
franzöſiſch, halb deutſch mit den Franzoſen und ihren geſchmin
Dämchen. Die deutſche Büfettdame drückt unter lautem „Bon
monſieur” jedem franzöſiſchen Wachſoldaten die Hand mit ſchmachten
Blick, jeden Deutſchen behandelt ſie geringſchätzig. Mit Franken I
ſie beſſer rechnen, Centimes=Trinkgelder ſind auch wertbeſtändiger
die lumpigen Milliardenſcheine. Ein Ekel packt mich, und froh bin
als ich glücklich wieder über die Front und ins „freie‟ Deutſchl
komme.
Vierzehn Tage nicht daheim. Des Lebens Nöte im unbeſetzten
diet lerne ich aus Geſprächen in der Bahn auf der Heimfahrt ken
Jeder ſchimpft und räſonniert. Die Selbſtſucht regiert, und das Va
and blutet aus tauſend Wunden. Ach, wenn wir einig wären! „W
wird der Retter kommen dieſem Lande?‟
Gießen, 5. Nov. Von der Landesuniverſität. Der
ernannte ordentliche Profeſſor für neuere deutſche Literaturgeſchi
Dr. Korff, kündigt die folgenden Vorleſungen an: 1. Literaturhiſtor
Grundbegriffe (Weſen und Formen der Dichtung); 2. Hauptgeſtalten
deutſchen Dichtung von Günther bis Jean Paul (Aufklärung und St:
und Drang). — Auch in dieſem Winterſemeſter finden wieder Spr.
kurſe an der Univerſität ſtatt. Prof. Helmke leitet lateiniſche Ku
Dr. Kling griechiſche, Dr. Spira engliſche, Frl. Ramondt niederländi
Dr. Ruppert y Ujavari ſpaniſche, Mehmed Ali Bey türkiſche und
ſiſche Kurſe. Scott Bayliß hält eine engliſche Vorleſung über „Mod
Engliſh Dramatiſts‟. Dr. Vlamynck eine franzöſiſche Vorleſung 11
„La France depuis 1870‟
Ortenberg, 5. Nob. Die Sägewerke Gebrüder Link wurden dr
eine Diebesbande ſchwer geſchädigt: 5 wertvolle Treibriemen, de
Neuanſchaffung viele Billionen koſten würde, wurden in der Nacht
vorigen Samstag geſtohlen; bisher hat man von den Tätern noch ke
Spur. Im Sägewerk zu Merkenfritz ſollen ebenfalls in der vorangeg
genen Nacht eine Anzahl Treibriemen geſtohlen worden ſein. Es .
ſehr begrüßenswert, wenn die Polizei und Gendarmerie auf dem Lal
mit einer größeren Anzahl Polizeihunde ausgerüſter werden könnte.
Mummer 307.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den G. November 1923.
Seite 5.
2549
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Zur Aufwertung von Hypothefen, Induſtrieobligationen
und ſonſtigen langfriſtigen Geldforderungen.
Die Entſcheidung des Oberlandesgerichts Darmſtadt vom
Mai ds. Js., die zuerſt in Nr. 138 des Darmſtädter
Tag=
tts abgedruckt war, iſt in Fachſchriften wie der Tagespreſſe
1 fach erörtert worden. Das hat mich als Urteilsverfaſſer zu
er erneuten Prüfung veranlaßt. Im Einklang mit dem
er=
nenden Senat und dem weit überwiegenden Teile des
Schrift=
is halte ich das bisherige Ergebnis vollinhaltlich aufrecht.
rnach kann die Löſchung der Hypothek verweigert werden, wenn
Schuldner ſeine Verpflichtung durch einen Papiermarkbetrag
n Nennwert der Forderung tilgen will. Und der Gläubiger
er Hypothek, Induſtrieobligation oder ſonſtigen langfriſtigen
bforderung kann eine Aufwertung des geſchuldeten
Papier=
rkbetrags inſoweit verlangen, als ſonſt der Schuldner, der
Emsfangne oder deſſen Wert fortbeſitzt, auf ſeine Koſten
eichert würde. Das Schrifttum, das ſeit Mai ds. Js.
erſchie=
iſt, ſowie zwei abweichende Urteile des Landgerichts
Darm=
ſt machen aber eine Ergänzung der bisherigen Begründung
vünſcht. Deshalb habe ich dieſe nachſtehend umgearbeitet.
wohl es ſich weſentlich um Rechtsausführungen handelt,
ube ich ſie wegen ihrer praktiſchen Bedeutung guch durch die
gespreſſe veröffentlichen zu ſollen.
I. Beim Darlehensanſpruch wie bei anderen Geldforderungen
rde für die bedeutungsloſen Wertſchivankungen normaler
iten durch die Verkehrsgepflogenheiten die Vermutung
be=
indet, der Gläubiger wolle das Riſiko der Geldentwertung
gen. Die Vermutung beſteht auch heute noch für die
kurz=
tigen Kredite des Handelsverkehrs und des ſouſtigen täglichen
bens. Sie beſteht auch für diejenigen ſpekulatiden Geſchäfte
f längere Zeit, deren ganzer Sinn auf ſie und die mit ihr
ver=
ndenen Preisverſchiebungen hinadsläuft. Sie traf und trifft
er bei langfriſtiger Kreditgewährung nichi zu, wenn
nachträg=
das Gold= oder ge eckte Papiergeid zur Abhilfe eigener
nanznot dunch wertloſes, ungedecktes Papiergeld weit über die
nanzkraft des Ausgebers hinaus erſetzt wird. Denn der Wille
Parteien war darauf gerichtet, ein vernünftiges Aequivalent
die zugrunde liegende Leiſtung zu ſtipulieren, und nicht die
iſtung eines Scheinwertes. E3 iſt, wie Profeſſor Dr. Henle
(ark gleich Mark, S. 10) und mit ihm Kammergerichtsra:
. Sontag (Der Rechtsſchutz der Hypothekengläubiger pp.,
21) ausführt, eine ungeſunde Vorſtellung, als habe der
Geld=
iubiger kontrahiert auf ein Ding von geheimnisvoller
Wand=
ugsfähigkeit, das je nach dem Gang der von dem Gläuhiger
untätiger Spannung zu beobachtenden Verhältniſſe
möglicher=
eiſe als ſchimmernde Seifenblaſe in die Luft aufſteigen und
platzen kann. Der Gläubiger der Vorzeit hat nach Henle und
ntags zutreffender Auffaſſung nicht auf die Mark als eine
veilige, wie auch immer wechſelnde Währungseinheit
kontra=
rt, ſondern auf die Mark als im damaligen Verhältniſſe zum
Uksvermögen ſtehend, vorbehaltlich allein der geringfügigen
hwankungen infolge der von dem Verkehrszwecke geforderten
hniſchen Geldmaßnahmen des Staates. Die Vermutung der
bernahme eines unbegrenzten Niſikos durch den Geldgläubiger
rd deshalb hier durch die Auslegung des Parteiwillens nach
157 BGB. widerlegt. Und zwar gilt dies nicht nur beim
mallagma, ſondern erſt recht beim Darlehen. Denn nach 8 607
5B. iſt der Darlehensſchuldner verpflichtet, Geld nicht nur in
icher Menge, ſondern auch in gleicher Güte zurückzuerſtatten.
in iſt aber die Papiermark gleich der Goldmark geſetzliches
hlungsmittel und deshalb Währung, Und das
Währungs=
dmuß grundſätzlich nicht nur au ſich, ſondern auch zum
Nenn=
ert in Zahlung genonmen werden. Dem ſtanden bezüglich
r Papiermark inſolange keine Bedenken entgegen, als ihre Güte,
e durch die von der Geldſeite her gleichbleibende Kaufkraft
be=
ngt wird, mit derjenigen der Goldmark übereinſtimmte.
Nach=
m aber dieſe Vorausſetzung weggefallen iſt, ſteht die Tilgung
ter Goldſchuld durch eine gleiche Zahl von Papiermark nicht
r mit dem nach 8 157 ermittelten Parteiwillen, ſondern
diel=
h mit dem 8 242 BGB. im Widerſpruch. Denn nach
die=
n iſt die geſchuldete Leiſtung ſo zu bewirken, wie Treu und
ſauben mit Rückſicht auf die Verkehrsſitte es erſerdern. Die
lgung einer Goldſchuld durch Papiermark vom Bruchteil eines
ruſendſtel, Hunderttauſendſtel oder Millionſtel pp. der
Kauf=
aft der Vor= oder Gegenleiſtung ſteht aber mit Treu und
Glau=
n unter anderem dann im Widerſpruch, wenn der Schuldner
s Empfangene in Natur oder in Geſtalt von Grundbeſitz oder
aren u. dergl. deſſen Wert fortbeſitzt. Deshalb muß es nach
m Urteile vom 18. Mai 1923 in ſolchem Falle zwar bei der
ahlung in Papiermark an ſich bewenden, das Quantum der
apiermarkleiſtung aber im Hinblick auf, deren verminderte
aufkraft erhöht werden.
Das Urteil des Oberlandesgerichts vom 18. Mai 1923 läßt
dahingeſtellt, ob nicht der Nennwertzwangskurs der
Papier=
ark durch den Verkehr beſeitigt worden iſt. Auch ein Urteil
s Kammergerichts vom 16. Juni 1923 (30. 3.S P.A. G.)
be=
ichnet es als fraglich, ob ſich der durch die tatſächlichen
Ver=
iltniſſe zum Widerſinn gewordene, geradezu rechtszerſtörende
atz. Mark — Mark” als wirkliches Recht noch aufrecht
erhal=
n läßt und nicht deshalb verworfen werden muß, weil er jetzt
e Grundlagen der ganzen Rechtsordnung auflöſt. Und Dr.
Son=
g vertritt in ſeiner obengenannten Schrift S. 24 die Anſicht,
uß nicht nur aus den von ihm näher dargelegten Gründen der
atz „cessante ratione legis, cessat lex ipsa” platzgreife,
ſon=
ern auch der Satz „lex posterior derogat priori”, Letzteres
urch die auf Seite 18 der Schrift aufgeführten, die
Geldentwer=
ing berückſichtigenden Geſetze und Verordnungen, zu denen jetzt
cch u. a. der 8 16 des Finanzausgleichsgeſetzes vom 23. Juni
23 (RGBl. S. 494 ff.) hinzutritt. An erſter Stelle vertritt mit
enle Dr. Sontag (S. 17 ff.) die Anſicht, daß eine Zahlung
Papiermark überhaupt keine Vertragserfüllung ſei. Die
ſaldwährung beſtehe neben der Papierwährung fort,
Wäh=
ungseinheit und Wertmeſſer ſeien allein die Goldmark, und die
uuch die Inflation verſchlechterte Papiermark ſtelle ein Aliud
ar, mit dem ein Golddarlehen nicht erfüllt werden könne. Denn
3 werde Geld geſchuldet, gemeſſen an der Goldmark als
Wert=
teſſer. Und der Geſetzgeber könne zwar der Papiermark einen
wangskurs beilegen, aber nicht den Inhalt von Verträgen ſo
eſtalten, daß die Papiermark Erfüllung dieſer Verträge ſei.
Trifft eine dieſer Auffaſſungen zu (val. auch v. d. Trenck
In der „Geldentwertung in der Praxis”, S. 115—128, insbeſ.
3. 126 ff.), ſo genügt zur Aufwertung die Auslegung des
Ver=
ragswillens nach 8 157 BGB. Andern Falles muß, wie dies
vor=
ehend und in dem Urteile vom 18. Mai 1923 geſchehen iſt, der
242 BGB. herangezogen werden. Der Verwendung des 8 242
ur Löſung der Geldentwertungsfrage widerſpricht Profeſſor
Dr. Henle=Gießen (Mark gleich Mark, S. 6 f.) Die Grundſätze
on Treu und Glauben ſollten nur die Buchſtabenauslegung von
Beſetzen und Verträgen verhindern, nicht aber die les ferenda
er lex latg entgegenſtellen. Kein Geſetzbuch könne neben
ſei=
ten poſitiven Beſtimmungen die fernere Beſtimmung enthalten,
ene ſollten nur inſoweit gelten, als ſie nicht richtiger anders
u lauten hätten. Das iſt in dieſer Faſſung richtig. Ein
ande=
es iſt es aber, wenn das Geſetz ein Abweichen von ſeinen
Einzel=
zorſchriften allgemein für den Fall zuläßt, daß auf Grund völlig
deränderter Verhältniſſe deren ſtarre Anwendung mit Billigkeit
und Rechtsbewußtſein in Widerſpruch kommt oder gar zum
Widerſinne wird. Neben der Ordnungsfunktion des Rechtes
teht die Billigkeitsfunktion. Der Richter ſoll einen Rechtsſtreit
nicht nur an ſich, ſondern gerecht löſen. Da der Fortgang des
tatlächlichen Geſchehens es mit ſich bringen kann, daß die
voraus=
bedachte rechtliche Ordnung ihre Zweckbeſtimmung nicht oder
nicht wehr erfüllen kann, muß der Richter in der Lage ſein, Geſetz
Von Oberlandesgerichtspräſident Dr. Beſt, Darmſtadt.
und Vertrag nicht als Abſchluß des Rechtsfindens, ſondern nur
als richtunggebende Grundlage zu betrachten. Dies wird durch
den 8 242 BGB. als vitalen Rechtsgrundſatz ermöglicht.
Wäh=
rend unter normalen Verhältniſſen Recht und Billigkeit, ſich
decken, gehen bei Eintritt von Verhältniſſen, die bei dem durch
Geſetz und Vertrag ausgedrückten Willen nicht berückſichtigt
wer=
den konnten, die Forderungen der Billigkeit über dieſen hinaus.
Um ſo weiter, je tiefgreifender die Umwälzung der
wirtſchaft=
lichen Verhältniſſe iſt. Deren völlige Umgeſtaltung durch die
Geldentwertung macht es, wenn nicht das Recht an ihr zugrunde
ein Nechtsverhältnis auſbaut. Die Verückſichtigung der
Geld=
entwertung hat eine ähnliche Rechtsfigur wie die ungerechtfertigte
Bereicherung. Denn die Billigkeit fordert, daß aus einem
Rechtsverhältnis keinem Beteiligten auf Koſten des anderen ein
Vorteil daraus erwächſt, daß der Zwangskurs die Fiktion Mark
Mark aufrecht erhält, obiohl die für das Rechtsverhältnis
erhebliche Funktion des Geldes als gleichbleibender Wertmeſſer
praltiſch ausgeſchaltet iſt. Nehen den Geſichtspunkten der
wirt=
ſchaftlichen Unmöglichkeit, der elausui, und der
Geſchäftsgrund=
lage, in deren Würdigung Henle (a. a. O., S. 3—5) beizutreten
iſt, hat denn auch das 3.G. den 8 242 zur Abhilfe gegen die
Nachteile der Geldentwertung verwendet. Wenn es daraus
bis=
her nur die Nichtzumutbarkeit der geſchuldeten Leiſtung und die
Vefreiung des Sachſchuldners hergeleitet hat, ſo wird dies zwar
durch die Entwickelung erklärt, iſt aber im Geſetz nicht begründet.
Erſt nach längerer Zeit trat es in das Bewußtſein, daß die
Preiserhöhung der Sachgüter nicht von der Waren=, ſondern von
der Geldſeite her, d. h. dadunß verurſacht iſt, daß durch
mau=
gelnde Deckung und Inflation die Papiermark mit ihrem Kurſe
ihre Kaufkraft gemindert hat. Weſentlich deshalb hat ſich in
Ver=
bindung mit den Folgerungen, die ſich aus den unzutreffenden
und zum Teil aufgegebenen Geſichtspunkten der wirtſchaftlichen
Unmöglichkeit, der glausula und der Geſchäftsgrundlage ergeben,
die Rechtſprechung zunächſt mit der Erſchwerung der
Sachleiſtun=
gen und deren Nichtzumutbarkeit befaßt. Aus dem 8 242
er=
gibt ſich aber nicht nur dieſe, ſondern gleichermaßen die
Nicht=
annehmbarkeit der entwerteten Geldleiſtung für den Gläubiger
mit der Folge der Nichtbefreiung des Schuldners durch die nicht
annehmbare Leiſtung. Und da ſich aus dem 8 242 zugleich ein
Recht des Gläubigers auf die durch Treu und Glauben
gefor=
derte Leiſtung ergibt, folgt aus ihm auch die Aufwertung der
Geldleiſtung auf die annehmbare Höhe. Und da 8 242 ſich
wei=
ter auf die Erfüllung aller Verbindlichkeiten (rſtreckt, erſcheint
es auch nicht begründet, die Geldentwertung nur bei
gegenſeiti=
gen Verträgen zu berückſichtigen. Sie darf darüber hinaus auch
nicht auf die Unterhaltsanſprüche und andere
Geldzweck=
ſchulden beſchränkt, ſondern muß, wenn Recht Necht bleiben und
der Richter nicht Schützer des Unrechts werden ſoll, auf alle
Geld=
ſchulden erſtreckt werden. Das Maß der Aufwertung ergibt ſich
bei gegenſeitigen Verträgen aus der Verſchiebung, die das
ur=
ſprüngliche Wertverhältnis zwiſchen Leiſtung und Gegenleiſtung
durch die Geldentwertung erfahren hat. Bei
Unterhaltsanſprü=
chen und anderen Geldzweckſchulden iſt der Zweck des Anſpruchs
zu berückſichtigen. Bei Darlehensanſprüchen führt, wie bereits
erwähnt, die Beeinfluſſung des Nennwertzwangskurſes durch
8 242 dazu, auf die Bereicherung abzuſtellen, die der
Darlehens=
ſchuldner durch die Verwendung des Darlehens erfahren hat.
Im übrigen geben 2 Urteile des Landgerichts Darmſtadt zu
folgenden Bemerkungen Anlaß:
a) Bezüglich des angeblichen Mangels einer von § 242
ge=
forderten Verkehrsſitte kommt das Urteil O 361/23 mit ſich ſelbſt
in Widerſpruch. Denn es erkennt an, daß bei
Lieferungsverträ=
gen die Verkehrsſitte zum Teile erſt unter dem Drucke der
Recht=
ſprechung des R. G. entſtanden iſt und erblickt in dieſer
gleich=
wohl eine zutreffende Anwendung des 8 242. Tatſächlich handelt
es ſich dort wie beim Darlehen um einen gleichartigen Verlauf.
In beiden Fällen löſte die Entwertung der Paviermark den
Widerſtand des Geldgläubigers aus, ſie als vollwertig
hinzu=
nehmen. Daß bei den Lieferungsverträgen der Widerſtreit eher
zum Austrage kam, beruht, abgeſehen von dem oben Geſagten,
darauf, daß der Geldgläubiger dort nicht nur meiſt
geſchäftsge=
wandter, ſondern zugleich in der Lage iſt, die geſchuldete
Sach=
leiſtung zurückzuhalten. Beim Darlehen und der Forderung aus
einem vom Verkäufer erfüllten Grundſtücksverkaufe trifft dies
nicht zu und der Gläubiger hat deshalb nur zwiſchen Prozeß und
ſchweigender Entrechtung zu wählen. Aber mit ſteigender
Geld=
entwertung trugen bei Inhaberanleihen wie bei Hypotheken in
ſtets wachſendem Maß anſtändig denkende Schuldner dem
berech=
tigten Aufwertungsbegehren Rechnung. Und darum ſind
vorlie=
gend, für die richterliche Aufwertung nach 8 242 die gleichen
Vor=
ausſetzungen gegeben, wie ſie hinſichtlich des Erforderniſſes der
Verkehrsſitte das Reichsgericht beim Synallagma mit Recht für
zureichend gehalten hat.
b) Da das Reichsgericht ſogar beim gegenſeitigen Vertrage
dem Geldgläubiger auf den Rücktritt beſchränke und ihm einen
klagbaren Anſpruch auf Aufwertung verſage, ſoll nach dem
Ur=
teile O. 361/23 ein ſolcher dem Darlehnsgläubiger erſt recht nicht
gewährt werden können. Dazu wird auf das oben Ausgeführte
und die im Urteile vom 18. Mai 1923 angeführte Rechtſprechung
des R.G. und die daraus gezogenen Folgerungen verwieſen.
Man fügt aber an, daß die Aufwertung des Kaufpreiſes, für
Grundſtücke, die der Verkäufer nicht erſt zu beſchaffen braucht, die
Erſtreckung auch auf den Fall fordert, daß der Verkäufer, das
Grundſtück bereits auf den Käufer übertragen hat. Und dieſer
Fall entſpricht insſofern dem des Darlehens, als bei beiden eine
Vorleiſtung des Geldgläubigers vorliegt. Auch kommt in
Be=
tracht, daß das R.G. für den Fall, daß der zur Geldleiſtung
Ver=
pflichtete vorgeleiſtet hatte, dem Sachſchuldner die Aufwertung
der Geldleiſtung deshalb verſagt, weil er beſſeres Geld
empfan=
gen habe. Was man dem vorleiſtenden Geldſchuldner hier
zubil=
ligt, muß man folgerichtig umgekehrt dem Geldgläubiger
zuge=
ſtehen, der ſeinerſeits vorgeleiſtet hatte. Daß aber grundſätzlich
weder die Gegenſeitigkeit des Vertrags, noch deſſen mangelnde
Erfüllung Vorausſetzungen für die Anwendung des 8 242 ſind,
wurde mit ſeinen Konſequenzen oben dargelegt.
() Das Landgericht will in O. 361/23 die Aufwertung auch
deshalb nicht zulaſſen, weil 8 157 ein allzuweites Hinausgehen
über den urſprünglichen Vertragsinhalt nicht zulaſſe. Wie oben
dargelegt, entſpricht die Erſtattung eines Aequivalents und nicht
die eines Scheinwertes dem wahren Vertragswillen. Und über
der äußeren, formalen ſteht die innere Vertragstreue, die ſich
heute von jener oft ſcharf unterſcheidet. Der Satz pacta sunt
serranda wird heute mehr denn je begrenzt und modifiziert durch
das Grundprinzip des 8 242. Er hat in der ſchwankenden Zeit
ſeine Starrheit aufgeben müſſen zu Gunſten einer, die konkrete
Lage berückſichtigenden Beurteilung nach Treu und Glauben, die
vom Standpunkt der inneren Vertragstreue zu einer
Begren=
zung, Befreiung oder Aufwertung führen kann (vgl. Geiler in
„Die Geldentwertung in der Praxis”, S. 41 und K.G. b.
16. 6. 1923).
d) Aus den Geſetzen von 1909 und 1914 und der durch ſie
be=
gründeten Eigenſchaft der Papiermark als geſetzliches
Zahlungs=
mittel leitet das Landgericht ein zwiefaches Bedenken her. Es
hält es für zweifelhaft, ob gegenüber den Währungsgeſetzen die
85 157, 242 BGB. überhaupt Anwendung finden können und
meint, daß jedenfalls die ungehemmte Gewährung eines
Ent=
wertungsaufgeldes dem Sinn und Zweck der
Währungsgeſetzge=
bung widerſpreche. Nach dem Urteil vom 18. Mai und den
Aus=
führungen unter I ſoll aber die Aufwertung nicht allgemein, ſon=
dern nur da eintreten, wo ſie durch Treu und Glauben geboten
iſt. Und dann war beim Erlaß der Geſetze von Auguſt und
Sep=
tember 1914 die Papiermark gleichwertig und wie ſich aus der
Be=
gründung insbeſondere der Bekanntmachung des Bundesrats
vom 28. September 1914 (Druckſ. 1914, II. Seſſion, Nr. 26, S. 7)
ergibt, hat der Geſetzgeber mit dieſen Geſetzen die
entſchädigungs=
loſe Enteignung und ungerechtfertigte Vermögensverſchiebung,
die deren unveränderte Anwendung jetzt zur Folge hat, weder
tatſächlich beabſichtigt, noch konnte er ſie bei dem damals
norma=
len und geſunden Rechtsempfinden beabſichtigen. Die Anwen=
Deten in Wurntſict ich uſeieich n eeilce
Rechte an ſondern gerade der Annahmezwang für das
Wäh=
rungsgeld iſt, wie von Dungern in der J. W. 1923, S. 98
zutref=
fend ausführt, eine Beſtimmung, die die Rechtsverhältniſſe der
einzelnen Perſonen zueinander regelt. Und dann finden auch,
wie das Reichsgericht mehrfach dargelegt hat, die Vorſchriften des
bürgerlichen Rechts auf das öffentliche entſprechende Anwendung.
Wie der Rechtsgrundſatz, daß Verträge zu halten, ſind, müſſen
deshalb auch die Vorſchriften, die die Papiermark zum geſetzlichen
Zahlungsmittel machen, dem Einfluß des 8 242 unterliegen (vgl.
Noth in „Die Geldentwertung in der Praxis”, S. 17 und Geiler
ebenda, S. 43). Das preuß. Obertribunal (Entſch. d. O.=Trib.,
Bd. 22, S. 313) lehnte es bei dem Uebergange von dem 18= in
den 20=Gulden=Fuß ab, den Gläubiger um ein Zehntel ſeines
Anſpruchs zu verkürzen. Und heute ſoll es Rechtens ſein, daß
ſeine Forderung auf weuiger als ein Milliardſtel des
Empfangenen zuſammenſchrumpft. Daß das Landgericht die
Währungsgeſetze im Rahmen der reichsgerichtlichen
Recht=
ſprechung preisgeben, darüber hinaus ſie aber nicht berührt
wiſ=
ſen will, iſt um ſo widerſpruchsvoller, als das Neichsgericht jene
fortgeſetzt erweitert.
). Dem Urteile des Landgerichts O. 361/23 liegt anſcheinend
die Auffaſſung zu Grunde, eine Entſcheidung, die ſich auf die
88 157, 242 BGB. ſtütze, ſtelle ſich nicht als Ergebnis richterlicher,
ſondern geſetzgeberiſcher Tätigkeit dar. Das trifft nicht zu. Ein
Urteil verliert die Cigenſchaft reiner Geſetzesanwendung weder
dadurch, daß die angewendete Vorſchrift dem richterlichen
Er=
meſſen weiten Spielraum läßt, noch deshalb, weil durch die
Häufigkeit weſentlich gleichartiger Fälle die Entſcheidungsgründe
tatſächliche Bedeutung auch für jene erlangen. Damit entfallen
die Schranken, die das Landgericht der Anwendung der 88 157,
242 auf Grund der Reichsverfaſſung ziehen will ſowie die
An=
ſorderungen, die es an den vermeintlichen Geſetzgebungsakt ſtellt.
1). Fernwirkungen im Sinne des Urteils O. 361/23 kommen
der Auftvertung regelmäßig nicht zu. Meiſt wird durch ſie nur
die unbillige Bereicherung des Schuldners auf Koſten des
ent=
ſchädigungslos entrechteten Gläubigers verhindert. Im übrigen
beſtehen die vom Landgericht angenommenen tatſächlichen
Fern=
wirkungen teils überhaupt nicht, teils ſind ſie nicht, wie es meint,
„ungeheuerlich‟. Daß die Aufwertung einer gekündigten Hypothek
die Mieten und damit Löhne, Gehälter und Preiſe nicht
beein=
flußt, ergibt ſich aus den Vorſchriften über die Berechnung der
geſetzlichen Miete. Von einer richterlichen Aufwertung gelöſchter
Hypotheken kann ſo wenig die Rede ſein, wie von einem
Auf=
leben von Verbindlichkeiten, die durch Urteil oder Cinigung der
Parteien erledigt ſind. Nur bei nicht abgewickelten Verhältniſſen
kann, da es ſich bei 8 242 um die Erfüllung handelt, die
Geld=
entwertung billigkeitshalber berückſichtigt werden. Sie auf
ab=
geſchloſſene Nechtsverhältniſſe übergreifen zu laſſen, hieße die
Ordnungsfunktion des Rechts ausſchalten (vgl. Roth a. a. O.,
S. 15, 16). Damit entfällt das grundbuchrechtliche Chaos als
Folge des diesſeitigen Standpunkts. Daß eine Aufwertung der
Hypotheken der Sparkaſſen und Hypothekenbanken, den Einlagen
und Pfandbrieſen zugute kommen muß, ſpricht für, nicht gegen
die Aufwertung. Die Folgerungen, die aus einer Aufwertung
der Pfandbriefe das Landgericht für die Anleihegläubiger des
Reichs und der Staaten uſw. zieht, treffen vom Geſichtspunkte
der Bereicherung nicht zu und werden durch die Darlegungen
widerlegt, die unter Nr. 5 des Urteils vom 18. Mai 1923 zu den
Einwänden der Reichsregierung gegen den Antrag Düringer
ge=
macht ſind (vgl. auch Roth a. a. O., S. 17. und Mügel „Die
Goldmark als Rechnungswert”, S. 34). Es kommt hinzu, daß, im
Gegenſatz zu den Hypothekengläubigern, die bezeichneten
An=
leihegläubiger, trotz der weit ſchlechteren Vermögenslage, ihrer
Schuldner durch die enormen Kurſe der Reichs= und
Staatsan=
leihen, teilweiſe ſchadlos gehalten werden. Daß der Richter den
Einzelfall zu unterſuchen hat, ergibt ſich aus dem Geſetz und
ſei=
ner Stellung ohne weiteres. Das macht aber Hunderte neuer
Nichter ebenſowenig erforderlich wie die Rechtſprechung des
Reichsgerichts auf dem Gebiete der gegenſeitigen Verträge. Die
grundſätzliche Unterbindung des Schuldnerwuchers wird dort
wie hier in zahlreichen Fällen die gütliche Einigung auf einer
beiderſeits annehmbaren Mittellinie herbeiführen. Als ſolche
kommt in den geeigneten Fällen auch die Umwandlung
gewöhn=
licher Hypotheken in Feingold= oder andere wertbeſtändige
Hypotheken in Betracht.
g). Das Urteil O. 361/23 bringt auch das viel mißbrauchte
Argument, daß in der Vorkriegszeit der Hypothekengläubiger
nicht deshalb eine Aufwertung verlangen konnte, weil etwa der
Wert von Spekulationsgelände erheblich geſtiegen war. Es iſt
ſelbſwerſtändlich, daß eine innere ſachliche Wertſteigerung des
Grundſtücks, wie deſſen Bebauung oder die Eröffnung einer
Straße uſw. den Betrag der Hypothekenforderung ebenſowenig
berührt, wie umgekehrt z. B. das Abbrennen des belaſteten,
Hauſcs. Aber hier handelt es ſich nicht um ein ſolches Wachſen,
ſondern um die Subſtituierung eines nicht identiſchen
Zahlungs=
mittels, das in dem geſteigerten Papiermarkpreiſe des
Unter=
pfandes zum Ausdruck kommt. Das hätte nicht verkannt und
der junere Wert mit dem Papiermarkpreiſe, nicht verwechſelt
werden dürfen.
h). Nicht die Nichtigkeit und eine etwaige Nichtigerklärung
des ganzen Geſchäfts, ſondern die der Kündigung und des
Zah=
lungsangebots ſtehen nach dem Urteile vom 18. Mai 1923 in Frage.
Wos das Urteil O. 361/23 über das Ausſcheiden des § 138
BGB. ſagt, beruht deshalb auf einem Mißverſtändnis.
Dasſelbe gilt von den Ausführungen Sontags in „Die
Geld=
entwertung in der Praxis” S. 78. Wenn Sontag eine Abhilfe
auf Grund des 8 826 BGB. empfiehlt, überſieht er, daß er ſelbſt
die Rückzahlung als unſittlich und deshalb nichtig bezeichnet hat.
Auf dem Standpunkte des Urteils vom 18. Mai 1923 ſtehen bei
deſſen Kritik Reichsgerichtsrat Zeiler und Profeſſor Heymann
Der Geſetzentwurf, den der Richterverein beim Reichsgerichte zur
Geidenwertung ausgearbeitet hat, ſteht anſcheinend auf demr
gleichen Standpunkt. Profeſſor Schumacher und Senatspräſident
Leinhardt bezeichnen die derzeitigen Kündigungen alter
Hypo=
theken als eine ſchamloſe Ausbeutung der Geldentwertung und
Gailer (a. a. O. S. 39) ſteht wohl bezüglich der Hypothekſchulden
auf demſelben Standpunkte. Im Gegenſatze dazu ſtellt das
Landgericht die Sittenwidrigkeit einer beim Marktiefſtand
er=
ſolgenden Kündigung durch den Schuldner deshalb in Abrede,
wei: die Schädigung des Gläubigers und der Vorteil für den
Schuldner überwiegend auf die wirtſchaftliche Depreſſion und die
Beibehaltung des Nennwertzwangskurſes durch den Geſetzgeber
zurückzuführen ſeien. Der Gläubiger wird aber an ſich weder
durch den Marktiefſtand noch durch die Haltung des Geſetzgebers,
ſondern dadurch geſchädigt, daß der Schuldner ein oft Jahrzehnte
beſtehendes Schuldverhältnis unter Ausbeutung des
Marktief=
ſtandes — oder wie das Landgericht meint, „der wirtſchaftlichen
Entwickelung Rechnung tragend” — zu dem alleinigen Zwecke
Seite G.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den G. November 1923.
Rummer 307.
kundigt, dem Gläubiger die Ausſicht einer Markbeſſerung
abzu=
ſchmneiven und ihn ſo um ſein Geld zu bringen. Ich erblicke darmn
nicht wie das Landgericht ein ſittlich indifferentes Tun, ſondern
im Einklange mit den Vorgenannten und zum Glücke wohl der
Mehrheit der Bevölkerung eine wucheriſch grobe Unanſtändigkeit.
Nach dem Vorſtehenden iſt das unbillige Ergebnis der
land=
gerichtlichen Urteile keineswegs durch einen Bankerott des
bür=
gerlichen Richtes veranlaßt. Daß und weshalb gleichwohl auch
nir eine geſetzliche Sonderregelung geboten erſcheint, iſt am
Schluſſe des Urteils vom 18. Mai 1923 dargelegt. Der
Wür=
digung der bisherigen Ablehnung einer ſolchen ſei folgendes
angefügt: In einer Verordnung vom 19. Juni 1813 hat das
damals veratmte und ausgeplünderte Preußen im Hinblick auf
die gefahrvolle Lage des Staates den Nennwertzwangskurs für
alle Treſorſcheine erneuert. Es hat aber zugleich im § 4 der
Ver=
ordnung beſtimmt, daß, falls der Schuldner das in Silber zu
zahlende Darlehen dem Gläubiger aufkündigt, er die Zahlung
in barem Gelde leiſten muß. Und weiterhin durfte der
Dar=
lehnsgläubiger, der vor Erlaß der Verordnung gekündigt hatte,
die Kündigung zurücknehmen, wenn ihn der Schuldner wider / Poſttſtten
ſeinen Willen in Treſorſcheinen befriedigen wollte. Darin
kommt eine andere Auffaſſung von Recht, Ehre und guter Sitte
zum Ausdruck, als ſie heute die Haltung des Geſetzgebers
be=
herrſcht. Wegen der ähnlichen Behandlung der Aſſiguaten durch
die Geſetzgebung der franzöſiſchen Revolution vgl. Sontag a. a.
O. S. 71.
II. Meine Stellung zu der Entſcheidung des
Kammer=
gerichts (TI. Z. S.) vom 1. Mai ds. Js. ergibt ſich aus dem
Vor=
ſtehenden ſowie aus einem Auffatze der im Tagblatt im Juni
ds. Js. abgedruckt iſt.
III. Für die Höhe der geſchulten Aufwertung iſt nach dem
oben Geſagten der Geſichtspunkt der Bereicherung des
Schuld=
ners maßgebend. Als Grundlage des Ausgleichs zwiſchen
Gläubiger und Schuldner erſcheint deshalb die Mügelſche
Formel H — X brauchbar, wobei „HI” die Höhe der Hypothek
zur Zeit ihrer Eintragung, „w” den damaligen Wert des
Grund=
ſtücks, „X” die zu ermittelnde jetzige Höhe der Hypothek und „W‟
den Grundſtückswert in dem in Betracht kommenden Zeitpunkt
andeutet. Das iſt aber nicht der Zeitpunkt des Urteilserlaſſes,
ſondern derjenige der Rückzahlung. Denn bei den großen
Schwankungen des Papiermarkkurſes ergibt nur der
Papier=
markpreis des Unterpfandes zur Zeit der Rückzahlung, welche
Aufſwrtung nach der auf Treu und Glauben beruhenden
Mügel=
ſchen Formel die Hypothekſumme erfahren muß. —
Die Richter des erſten Zivilſenats des Oberlandesgerichts
treten mir einſtimmig nicht nur in den Ergebniſſen, ſondern
auch in deren vorſtehender Begründung bei.
Jagd und Fiſcherei im November.
Des Herbſtes Herrſchaft wächſt von Tag zu Tag und zwingt die
Natur in ihren Bann. Sonnige Tage ſind gezählt, Regenfälle und
Flockentanz ſtehen in häufigem Wechſel und über dem Flach= und
Vor=
land liegt tagelang jene bedeutende Hochnebeldecke, die die Sonne
ver=
finſtert, jedoch in den höheren Lagen verſchwindet. Und während dort
naßkalte Witterung vorherrſcht, entwickelt ſich hier die eigenartige
Er=
ſcheinung der Temperaturumkehr, die auf Bergeshöhen ſommerliche
Wärme auslöſt. Mehr und mehr erſtirbt das Grün der Wieſen,
ver=
blaßt die üppige Pracht der Wälder, der Blätter beraubt, ſtarrt das
kahle Gezweige empor in die Luft, und der rauhe Wind jagt die
totenBlät=
ter durch Fluren und Straßen. Die meiſten unſerer gefiederten
Som=
wergäſte ſind vor der Kälte geflohen, nur kleine Geſellſchaften von
Mei=
ſen und Gimpeln flattern von Buſch zu Buſch; das Rätſchen des Hähers,
die krächzenden Scharen der Winter= und Saatkrähen unterbrechen
un=
liebſam die ſchwermütige Stille.
Aber im Hochgebirge, wo der Latſchen zähes Geäſt ſich als dichtes
Polſter um die Felskuppeln ſchmiegt und der weiße Mantel die Hänge
und Zinnen bedeckt, regt ſich jetzt friſches Leben. Verſtummt iſt das
Or=
geln des Hirſches, dafür winken dem Krickelwild jetzt freundliche Tage.
Die Gamsbrunft kommt im November in Gang, denn die bisher
ein=
ſiedleriſch lebenden Böcke ſchlagen ſich zu den Rudeln und beginnen an
kalten Tagen lebhaft zu treiben. Auch Schneetreiben ſtören ſie nicht,
nur warmes, weiches Wetter beeinflußt ungünſtig die Brunft, geſtaltet
ſie lau und verzettelt und beraubt den Jäger um manche Hoffnung,
man=
chen Genuß, oft auch um den Erfolg: den erſehnten Bruch, den
gereimel=
ten Bart, die gepackelte Krucke.
Sonſt ſorgt der Jäger für Ruhe im Berg, dem Jagdſchutz gilt
zu=
meiſt ſeine Tätigkeit, der Anlage der Fütterungen und wo es der
Be=
ſtand geſtattet oder erfordert, erfolgt auch noch der Abſchuß von
Kahl=
wild und ſchwächlichen Kälbern.
Im Flachland nehmen die Treibjagden ihren Fortgang. Wald= und
Feldtreibjagden löſen einander ab. Letztere gewinnen auf großen
Feld=
flächen, namentlich, wenn Schnee liegt, erhöhten Reiz. Des Haſes
Wild=
pret und Balg ſteigen im Wert, ſeltener trifft man noch den
halbgewach=
ſenen Lampi, die meiſten ſind jetzt voll entwickelt.
Die Rehe haben völlig verfärbt. Der Bock wirft ab und verdient
Schonung. Der Geiſenabſchuß kann, wo er erlaubt und hegeriſch
not=
wendig iſt, oder behördlich angeordnet wurde, auch in dieſem Monat
unter ſorgfältiger Auswahl namentlich ſchwacher Stücke noch ausgeübt
werden.
Rebhühner lohnen nunmehr ſelten die Suche, haben aber noch bis
Monatsende Schußzeit und bieten im Treiben dem Schützen manche
Ge=
legenheit, die Schußfertigkeit zu beweiſen. Auch Faſane und
Wald=
ſhepfen tragen zur Belebung der Treibjagd und zur Geſtaltung der
Strecke in reizvoller Weiſe bei. Der Entenzug iſt in vollem Gange.
Birſch und Fall bringen dem Jäger oft gute Beute und führen ihm
manche, bei uns nicht heimiſche Art vor die Flinte.
Das Moosgeflügel iſt bis auf etwaige Zugbekaſſinen nach Süden
gewandert. Auer= und Birkhähne, Haſel=, Stein= und Schneehühner
haben zwar noch keine geſetzliche Schonzeit, doch wird der Waidmann
ihnen, wie die illuſtrierte Jagdwochenſchrift „Der Deutſche Jäger”,
Mün=
chen, mitteilt, auch jetzt ſchon angemeſſene Schonung zubilligen und nur
bei gutem Beſtand den einen oder anderen Birk= oder Haſelhahn
er=
legen.
Das Raubwild hat verhärt, trägt ſeinen heutzutage beſonders
wertvollen Winterpelz und verſpricht, abgeſehen von Zufallsergebniſſen,
dem fleißigen Jäger, der ſeine Fang= und Luderplätze rechtzeitig und
zweckentſprechend in Stand geſetzt hat, manchen reichen Erfolg, über
deſſen beſte Verwertung ihm die fortlaufenden Notierungen aus Leipzig
und Berlin in der Zeitſchrift „Der Deutſche Jäger”, München, genaueren
Aufſchluß als alle ſonſtigen Anpreiſungen geben.
Füchſe erzielen heute 5—7 Dollars, weiße Wieſel 20—25 Cents,
ſchwarze Katzen 30 Cents, Steinmarder 9—12 Dollars, Baummarder bis
14 Dollars, Iltiſſe 2 Dollars, Haſen 25—30 Cents.
Der Naubvogelzug, noch nicht beendet, führt Rauhfußbuſſarde,
Wan=
der= und Zwergfalten aus dem hohen Norden in unſere Reviere, aus
denen eine teilweiſe Abwanderung unſerer ſeßhaften Raubvögel nach
füdlichen Gegenden ſtattgefunden hat und für deren Erſatz Norden und
Oſten ſorgen.
Da zu befürchten ſteht, daß Fleiſch= und Nahrungsknappheit das
Wildererweſen neu und verſtärkt aufleben laſſen, ſo iſt es ſchwere, aber
auch unabweisbare Pflicht des Jägers, ihm mit allen Mitteln
entgegen=
zutreten und ſeiner vernichtenden Wirkuneg nach Kräften Einhalt zu tun.
Alle Renkenarten, mit Ausnahme des Kilchs und der großen
Ma=
räne, haben Schonzeit. See= und Bachſaibling und Forelle laichen. Die
Fangzeit des Huchen beginnt; Aeſche und Regenbogenforelle beißen
zu=
weilen noch gut; Zander und Barbe, Hecht, Schied und Barſch nur
unter Umſtänden, hauptſächlich an warmen Tagen. Die Rutte wird in
Neuſen gefangen. Krebſe ſind unbedingt zu ſchonen.
Stimmen ans dem Leſerkreiſe.
(Für die Beröffentſchungen unter bieſer Lebesſchrift übemimmt die Rebakllon felnertei
Ven=
antworlung; für fie dirsit auf Grund des 6 21 Abſ. 2 drs Preſſegeſehes in vollem Umfange
der Elufſender vererstwertlich.) — Einſendungen, die nicht verwendei werden, können nicht
zurückgeſandt, die Ablebnung nicht begründet werden.
Dollarſtand und Preisbildung.
Am Samstag vormittag wurde verbreitet, daß der Dollar höher als
Billion ſtehe. Danach ſind zweifelsohne die Preiſe angeſetzt worden,
Da der Stand am Freitag 320 Milliarden war, wurden die Preiſe um
mehr als das Dreifache erhöht. Der Preis für Brot ſtieg von 18 auf
56 Milliarden. Namentlich beim Brot war dieſe Steigerung am
unge=
deuerlichſten. Als am Nachmittag der amtliche Dollarſtand bekannt
gegeben wurde, ſtellte ſich heraus, daß der Dollar auf 421 Milliarden
ſtehe. Kann jemand Auskunft darüber geben, ob dieſe Preisſteigerung
Publieus.
gefchäftlich zu erklären oder ſträflicher Wucher iſt2
Die neuen Poſttarife
Ausſchneiden!
Gültig ab 5. November 1923. (Ohne Gewähr).
Sämtliche Beträge ſind in Millionen angegeben.
Aufheben
Ortsverkehr(kein Nach=
barorts barorts=
verkehr) Deutſcher Fernverkehr
einſchl. Saargebiet,
Luxemburg. Oeſterreich,
Danzig, Memelgebiet Ungarn,
Tſchecho=
ſlowakei Uebriges
Ausland Prieſe — bis 20
bis 100 g
bis 250 g
bis 500 g U0
600
1000
1200 e
1400
1600
1800 Mi
jede weiteren
20 g
2006 U60
jede weiteren
20 g 2000
Metſtgewicht2kg V0 500 180 2ua Druckſachen
(Sendungen über
1000 g nur für
ungeteilte Bücher
zuläſſig.) bis 25 g
bis 50 g
bis 100 g
bis 250
bis 500 g
bis 1000 g
bis 2000 g V
400
600
1000
1200
1500
1800 FHu
11 Geſchäftspapiere
und
Miſchſendungen bis 250 g
bis 500 g
bis 1000 g 1000
1200
1500 je 50 g 800
(mindeſtens 4000) Warenproben .. bis 100 g
bis 250 g
bis 500 g 600
1000
1200 je 50 g 800
(mindeſtens 1600)
Päckchen bis 1000 g 2000 nur innerhalb Deutſchland ſowie
nach Danzig und Memel zuläſſig. Blindenſchriſt. ... bis zum Meiſtgewicht von 5 kg 1 bis zum
Meiftgewicht
von 3 kg je 500 g
400
Meiſtgewicht
3 kg
Zuſatzgebühren
Eilbrief (Ortsbz.):
2000 mehr.
Eilbrief (Landbz.),
600 mehr.
Die Einſchreibgebül
iſt auf 1000 Million.
die Vorzeigegebühr
Nachnahmen und Poſtat
träge auf 500Million.f
geſetzt; die Einziehun
gebühr für Nachnahn
von jed angefange,
Tauſend der einge,
Beträge bleiht unt
ändert, Mindeſtbetr,
1 Million Mk. Aufrund
überſchießender Beträg
auf volle Million M.
Die Einziehungsgebü.
wird von dem eing
zogenen Betrag, abg
zogen und muß dah
u. U. beider Nachnahn
— oder Auftragſumn
von dem Abſender h
rückſichtigt werden.
Beträge
Poſtanwe ſungen
Zahlkarten
Verſicherungsgebühren
für Wertbriefe u. verſiegelte Wertpakete2 für je 100 bis 10 Milliarden 500 200 50 800 400 100 1200 600 „10 für unverſieg. Wertpakete 300
500 1600
2000 800
1000 zugelaſſen bis 50 Milliarden Mark. über 500 1200
Paketgebühren.
Pakete
bis
bis
bis
bis
bis
bis
3 kg
5 kg
6 kg
7 kg
8 kg
9 kg
bis 10 kg
bis 11 kg
bis 12 kg
1. Zone
bis 75 km
2. Zone
76-375 km
3. Zone
iber 375 km
Pakete
1. Zone
bis 75 km
2. Zone
76-375 km
2500
3500
4000
4500
5000
5500
6000
7000
8000
5000
7000
8000
9000
10000
11000
12000
14000
16000
5000
7000
12000
13500
15000
16500
18000
21000
24000
bis 13 kg
bis 14 kg
bis 15 kg
bis 16 kg
bis 17 kg
bis 18 kg
bis 19 kg
bis 20 kg
9000
10000
11000
12000
13000
14000
15000
16000
18000
20000
22000
24000
26000
28000
30000
32000
3. Zone
über 375 km
27000
30000
33000
36000
39000
42000
45000
48000
Eilpaßete: im Ortsbezirk 3000 mehr, im Landbezirk 8000 mehr.
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Eine bierköpfige Diebesbande, die ſeit drei Monaten
die märkiſchen Güter beſonders in Oſthavelland heimſuchte, wurde von
Kriminalkommiſſar Albrecht und ſeinen Beamten ermittelt und
feſtge=
nommen. Ein gewiſſer Petersdorf, ein Gennerich, ein Jarbahn und
ein König, alle vier Melker, „arbeiteten” in der Weiſe, daß immer einer
von ihnen auf einem Gute Stellung nahm. Nachdem ſich dieſer Melker
über die Oertlichkeit und die ganzen Verhältniſſe des Gutes unterrichtet
hatte, wozu er meiſt nur ein oder zwei Tage brauchte, benachrichtigte er
ſeine drei Spießgeſellen, öffnete ihnen die Viehſtälle und alle vier
ſchlachteten dann Kälber oder auch Färſen im Gewicht von mehreren
Zentnern an Ort und Stelle ab und zerkleinerten ſie, ſo daß ſie ſie
unauffällig nach Berlin ſchleppen konnten. Hier brachten ſie die Beute
zunächſt zu einer Zimmervermieterin Frau Sturmhöfel in der
Werft=
ſtraße 10, der Stiefmutter des einen, bei der ſie unangemeldet wohnten.
In der Badewanne der Wohnung wurden die geſchlachteten Tiere
ab=
gehäutet, weiter zerlegt und für den Verkauf zurechtgemacht. Frau
Sturmhöfel bekam einen Teil des Fleiſches und mußte dafür die vier
„Mieter” verpflegen. Das übrige Fleiſch verkauften die Diebe an
Gaſt=
wirte in Moabit und in der Umgebung des Stettiner Bahnhofes. Alle
vier wurden dem Unterſuchungsrichter vorgeführt.
Eine unglaubliche Roheit.
Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Sportverein 1922, Roßdorf — Fußballverein „Union”, Ober=Ramſte
Paſſanten der Goldſteinſtraße in Niederrad bemerkten neulich mit
Entſetzen, daß ein Kind im Alter von etwa vier Jahren durch
Stricke mit ſeinem rechten Aermchen an den hinteren Teil eines
Laſt=
autos gefeſſelt war, durch deſſen Bewegungen das kleine Geſchöpf hin=
und hergeworfen wurde. Nicht ohne Mühe konnte man den Lenker des
Kraftwagens von dem Vorfall verſtändigen, der das Gefährt vor dem
Hauſe Goldſteinſtraße 1 zum Stillſtand brachte. Nachdem das bedau=
ernswerte Kind von ſeinen Feſſeln erlöſt war, trugen es hilfsbereite
Leute in die genannte Liegenſchaft, wo ſich herausſtellte, daß das Kind
außer Anſchwellungen der Glieder und Abſchürfungen der Haut
an=
ſcheinend keine weiteren Verletzungen erlitten hatte. Der hinzugezogene
prakt. Arzt Dr. med. Tſchentſcher, konnte nach eingehender
Unter=
ſuchung dieſen Befund erfreulicherweiſe beſtätigen. Die Großmutter
des Kindes, deſſen Eltern in der Goldſteinſtraße 17 wohnhaft ſind, hatte
vom Fenſter aus einem oberen Stockwerk geſehen, daß ein etwa neun
Jahre alter Knabe aus der Nachbarſchaft ihr Enkelkind mit Stricken
hinten an das Laſtauto band, deſſen Führer ſich einige Zeit von dem
Wagen entfernt hatte. Bis die zu Tode erſchrockene alte Frau auf die
Straße kam, war der Chauffeur, der von dem Vorgang keine Ahnung
hatte, ſchon abgefahren.
Mannheim. Zur Beraubung von drei Opfern der Unruhen
meldet noch der Polizeibericht: Am 17. Oktober, nachmittags ½3 Uhr,
wurde der verheiratete Fabrikarbeiter Friedrich Barth, der
Gärtner=
ſtraße 18 wohnte, auf der Straße zwiſchen T. 1 und T. 2 tödlich verletzt.
Von derſchiedenen dabei ſtehenden Perſonen wurde Barth in den
Haus=
gang 1. 1, B5 getragen und dort von der Berufsfeuerwehr abgeholt.
Während der Zeit, in der Barth auf der Straße lag oder in den
Haus=
gang getragen wurde, oder während er in dem Hausgang gelegen hat,
wurde ihm ſeine Uhr, und zwar eine kleine ſilberne Damen=Nemontoir=
Uhr mit weißem Ziffernblatt, gelben arabiſchen Ziffern und vergoldeten
Zeigern, ſowie mit den eingravierten Buchſtaben P. S., ferner ein
wei=
cher, brauner Filzhut entwendet. Perſonen, die über den Diebſtahl
Aus=
kunft geben können, werden gebeten, ihre Wahrnehmungen der Kriminal=
Polizei, Schloß, Zimmer 73, mitzuteilen. — Man kann ſich, ſo bemerkt
dazu der Mannheimer Gen.=Anz., eine Vorſtellung von der moraliſchen
Qualität des Geſindels, das ſich während der Unruhen auf den Straßen
herumtrieb, machen, wenn man ſich vergegenwärtigt, daß mit Barth drei
Opfer der Unruhen beraubt worden ſind.
Karlsruhe. Vom Dichter zum Bureaugehilfen. Hans Heinrich
Ehrler, der vielen Karlsruhern noch von der Zeit her in Erinnerung
ſein dürfte, in der er den am 31. Dezember 1914 eingegangenen Badiſchen
Landesboten geleitet hat, iſt als Fünfzigjähriger in einer Stuttgarter
Fabrik Bureaugehilfe geworden. Ehrler ließ ſich, nachdem er im Jahre
1910 ſeine Stelle als Chefredakteur des Landesboten aufgegeben hatte,
in Friedrichshafen als freier Schriftſteller nieder und ſchuf in der
fol=
genden Zeit manches Werk, das in der literariſchen Welt großen Anklang
und Anerkennung fand. Die Zeitverhältniſſe zwangen ihn nun, den
Pegaſus zu verlaſſen und ſich des Lebens Unterhalt als
Bureauangeſtell=
ter zu erwerben,
Das heutige Spiel der beiden Spitzenführer des 1. Bezirks 1
C=Klaſſe geſtaltete ſich zu einem überzeugenden Sieg des Sportverei
Roßdorf. Vermochte vor Halbzeit Ober=Ramſtadt, mit dem Wind
Rücken, das Spiel noch einigermaßen offen zu halten und das Reſul.
auf 1:1 zu ſtellen, ſo machte ſich in der zweiten Hälfte eine immer g:
ßer werdende Ueberlegenheit Roßdorfs bemerkbar, die ſich, in fünf w
teren Toren ausdrückte, ſo daß das Spiel beim Schlußpfiff 6:1, ſtau
Roßdorf ſpielte heute mit einem bei ihm noch nie geſehenen Eifer; a
elf Spieler waren gleichmäßig an dem Erfolg beteiligt, den einen lobe
hieße den anderen zurückſetzen. Ober=Ramſtadt wehrte ſich zwar
dem größten Eifer gegen die Niederlage, unterlag aber ſchließlich de
Tempo und der größeren Ausdauer Roßdorfs. Schiedsrichter Mehn
vom Sportverein 98, Darmſtadt, leitete das Spiel zur beiderſeitig
Zufriedenheit und hatte es zu jeder Zeit feſt in der Hand. Roßde
ſteht jetzt am Schluß der Vorrunde, als noch einzig ungeſchlagener V.
ein an der Spitze der Tabelle des 1. Bezirks der C=Klaſſe, mit eine
Punkt Vorſprung vor „Union”=Ober=Ramſtadt. Zeigt die Mannſch
den gleichen Eifer wie heute, ſo wird ſie wohl auch die weiteren Spi
ſiegreich für ſich geſtalten können.
Freie Turngemeinde Darmſtadt I.—Turngeſellſchaft Sprendlingen I
0:3 (0:0).
M. Im fälligen Verbandsſpiel ſtanden ſich vorgenannte Mannſch
ten auf dem Platze in Sprendlingen gegenüber. Konnte Darmſtadt
der erſten Halbzeit das Spiel ziemlich offen geſtalten, ſo iſt Sprendling
dafür in der zweiten Hälfte überlegen. Bei Darmſtadt iſt der Stur
der ſich überhaupt zu keinem einheitlichen Vorgehen aufzuraffen v
mochte, der ſchlechteſte Teil der Mannſchaft. Läuferreihe und Vert
digung ſind gut. Der Torwächter hätte zwei von den gefallenen Tor
unbedingt verhindern müſſen. Sprendlingen ſtellte eine gut ausgegliche
Mannſchaft. Ihr Sieg iſt verdient.
Slavia=Prag — Spielvereinigung=Fürth 4:2 (2:0).
Schwimmen.
Deutſche Schwimm=Meiſterſchaften 1924.
Die Deutſchen Schwimm=Meiſterſchaften werden vom 10.
12. Auguſt im Deutſchen Stadion ausgetragen. Die Durchführung
Veranſtaltung iſt nach einem Beſchluß des Kreiſes 1 des Deutſch
Schwimmverbands dem Schwimmſportklub 89 und dem Berlin
Schwimmklub übertragen worden.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Mittwoch, 7. Novemberi
Bewölkungsſchwankungen mit Regenſchauern, nachts kühl.
Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 6½= Uhr, Ende 10½=
(4 5): „Der Roſenkavalier”, Kleines Haus, Anfang 7
Ende gegen 10 Uhr. (Sondermiete 142): „Schluck und Jau”.
Orpheum; 7 Uhr: Die Herren von und zu ..
tropoſoph. Geſellſchaft; abends 8 Uhr in der Aula
Realgymnaſiums: A. v. Sybel=Peterſen. — Union=, Reſiden
Zentral=Theater, Palaſtlichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Hauptſchriftleitung: Rudo
Mauve. Verantwortlich für Politik und Wirtſchaft: Rudo
Mauve, für Feuilleton: Max Streeſe Heſſiſche Nachrichte
Max Streeſe Sport: Dr. Eugen Buhlmann, Schlu
dienſt: Andreas Bauer; für den Inſeratenteil: Wil
Kuhle, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 8 Seiten
[ ← ][ ][ → ]rnen.
Handel und Wandel in Heſſen.
spd. Die heſſiſche Staatsbauverwaltunv zur
sage der Abwälzung der Arbeitgeberſteuer. Die
iſche Handwerkskammer hatte ſich an die Staatsbauverwaltung
ge=
dt, um die Frage der Abwälzbarkeit der ſog. Betriebsſteuer zu klä=
. Man vertrat den Standpunkt, daß dieſe Steuer abwälzbar ſei, da
Heſetz ein Verbot hierüber nicht beſtehe. Evtl. wäre eine Erhöhung
Geſchäftsunkoſten anzuordnen. Die Staatsbauverwaltung ſtellt ſich
im Einvernehmen mit dem Finanzminiſterium und dem Miniſterium
Arbeit und Wirtſchaft auf den Standpunkt, daß es nicht möglich iſt,
Steuer in irgend einer Form auf die Staatskaſſe zu übernehmen.
5 Arbeitgeberſteuer, heißt es in der Anweiſung der
Staatsbauverwal=
an die ihr unterſtellten Behörden, iſt keine Betriebsſteuer, die als
den Betrieb gelegt anzuſehen gilt, ſondern ſie iſt eine perſönliche
Sier, die jeder Unternehmer beim Vorliegen der geſetzlichen Voraus=
5ngen zu zahlen hat. Nicht der Betrieb, ſondern der Inhaber des
s iebes iſt abgabepflichtig. Der Unternehmer iſt alſo der
Steuer=
er und endgültig zur Tragung der Steuer verpflichtet. Von dieſer
flichtung kann der Unternehmer auch dann nicht entbunden werden,
n der Staat oder eine ſtaatliche Behörde Bauherr iſt, da der Staat
Einwirkung auf die Steuergewalt des Reiches hat. Deshalb lehnt
Staat die Uebernahme der Steuer grundſätzlich ab. Iſt der
Unter=
ner zur Begleichung der Steuer nicht im Beſitz der erforderlichen
nögensſubſtanz (Sachwerte oder Barvermögen), ſo kann er
Stun=
bezw. Steuererlaß beantragen, bleibt aber bis zur Erledigung
s Geſuchs ſteuerpflichtig. Ergibt die eingehende Prüfung ſeiner
hältniſſe, daß er zur Zahlung nicht imſtande iſt, ſo kann ihm die
ier gegen Verzinſung vorgeſchoſſen werden, wenn an der raſchen
igſtellung der Arbeit ein Intereſſe beſteht und dadurch die erhöhten
en einer verſpäteten Fertigſtellung erſpart werden; andererſeits aber
um Arbeiterentlaſſungen oder Arbeitseinſchränkungen zu
vermei=
die den Staat zur Bewilligung von Erwerbsloſenunterſtützungen
igen würden. Die Rückerſtattung der Vorſchüſſe muß innerhalb
s Jahres erfolgen. Innerhalb dieſer Zeit ſind Teilrückzahlungen
ſeliebiger Höhe geſtattet. Die Behörde leitet für ſich das Recht ab,
den Verrechnungen nach ihrem Ermeſſen vertretbare Beträge zur
Ab=
ung von Vorſchüſſen einzubehalten.
spd. Notgeld der Heſſiſchen Handelskammer
Of=
bach a. M. Am letzten Freitag beſtand in Offenbach kataſtropha=
Zahlungsmittelmangel. Um dieſem abzuhelfen, ſah ſich die
Handels=
mer Offenbach a. M. genötigt, Gutſcheine in Stücken von 5, 10, 20
50 Milliarden zu drucken und durch Vermittelung der Offenbacher
ikenvereinigung in Verkehr zu bringen. Neben der
Bankenvereini=
g nemen auch die nachſtehenden Frankfurter Bankniederlaſſungen die
ſcheine an Zahlungsſtatt an: Deutſche Bank, Deutſche Vereinsbank,
mſtädter und Nationalbank, Mitteldeutſche Kreditbank und
Dis=
ogeſellſchaft.
spd. Darmſtädter Schiedsgericht. Hier hat ſich ein
iedsgericht konſtituiert, das aus acht Kammern beſteht und zuſtändig
für Streitigkeiten von Handel mit Handel, Handel mit Induſtrie,
idel mit Handwerk, Handel mit Privaten, Induſtrie mit Induſtrie,
duſtrie mit Handwerk, Handwerk mit Handwerk und Handwerk mit
vaten. In den Vorſtand wurden gewählt von der Handelskammer
emſtadt Fabrikant E. Schenck und Direktor Karl Kahlert, von der
ſiſchen Handwerkskammer Elektro=Inſtallateurmeiſter Nohl und
Gla=
neiſter Werner, von dem Darmſtädter Anwaltsverein Notar Staedel
Juſtizuat Bender. Zum Vorſitzenden des Vorſtandes wurden ge=
Alt Fabrikant E. Schenck, zu deſſen Stellvertretern Elektro=
Inſtalla=
rmeiſter Nohl und Notar Staedel.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
wb. Die Beanſpruchung der Reichsbank ſchritt in der
ten Oktoberwvoche in ungeheuerem Umfange fort. Die
Anforderun=
an die Bank folgten dabei der ein maßloſes Tempo annehmenden
rkentwertung, die ſich in einer Steigerung der Dollarnotierungen
der Berliner Börſe auf das fünfzehnfache — von 3,76 am 15. Oktober
56 Milliarden am 23. Oktober — ausdrückt. Die geſamte
Kapital=
age der Bank hat ſich in dieſem Zeitraum etwa vervierfacht; ſie ſtieg
203 762 auf 836 692 Billionen Mark, und zwar erhöhten ſich die
Be=
de an diskontierten Reichsſchatzanweiſungen um 510 400 auf 678 180,
Wechſelbeſtände um 123 284 auf 152 326 Billionen Mark. Die in der
twoche vorübergehend von der Reichsbank befriedigten
Darlehens=
prüche an die Darlehenskaſſen wurden dieſen wieder überwieſen, da
Kontingent der Darlehenskaſſen inzwiſchen erhöht worden iſt;
dem=
näß zeigt das Lombardkonto der Reichsbank einen Rückgang um 1088
4529 Billionen Mark. Von den neu beanſpruchten Kreditbezügen
ſen 305 748 Billionen Mark den fremden Geldern der Bank zu, die
nit auf 390 091 Billionen Mark zunahmen. 400 981 Billionen Mark
rden der Reichsbank in der Form von Banknoten entzogen. Ihr
tenumlauf ſchwoll infolgedeſſen auf 524 331 Billionen an. Dem
Gold=
enbeſtande gingen 23,1 Millionen Goldmark wieder zu, die ihm vor
igen Wochen zwecks Beſtellung als Sicherheitsdepot im Intereſſe der
viſenbeſchaffung entnommen worden waren. Das im Auslande
ſende Golddepot änderte ſich nicht. Die Darlehenskaſſen des Reiches
rden nach Erweiterung ihres Kontigents mit 73 957 Billionen Marl
e in Anſpruch genommen, ihr Darlehensbeſtand ſtieg von 5663 auf
320 Billionen Mark. Dementſprechend vermehrten ſich die Beſtände
Reichsbank an Darlehenskaſſenſcheinen.
* Schnellpreſſenfabrik A. G., Heidelberg. Die
Ver=
ltung beantragt Kapitalserhöhung um 70 auf 120 Mill. Mk., darunter
Mill. Mk. Aktien Lit. B. Das bisherige zehnfache Stimmrecht der
tien Lit. B. ſoll auf das 12fache erhöht werden. (Ao. G.=V. 17. 11. 23.)
armſtädter und Nationalbank, Kommat
spd. Warenverkehr mit dem beſetzten Gebiet. Die
Mannheimer Handelskammer hat eine ſehr eingehende
Zuſammenſtel=
lung der für den Warenverkehr mit dem beſetzten Gebiet gültigen
Be=
ſtimmungen, unter Berückſichtigung der deutſchen und franzöſiſchen
Zoll=
vorſchriften herausgegeben. Intereſſenten erteilt die Mannheimer
Han=
delskammer nähere Auskunft.
spd. Wertbeſtändige Warengutſcheine der
Wal=
dorf=Aſtoria=Zigarettenfabrik A.=G., Stuttgart,
Die in letzter Zeit verſchiedentlich aus Händlerkreiſen gemachte
Anre=
gung, im Tabakgewerbe, ähnlich wie im Buchhandel die Buchmark, die
Ausgabe von Gutſcheinen einzuführen, hat die Waldorf=Aſtoria=
Zigaret=
tenfabrik A.=G., Stuttgart, aufgegriffen und in die Wirklichkeit
umge=
ſetzt. Die Geſellſchaft gibt im Einverſtändnis mit der Händlerſchaft
Gutſcheine über Zigaretten ihrer Erzeugung im Werte von einer und
mehreren Goldmark heraus. Dadurch will ſie dem Händler die
Mög=
lichkeit geben, ſeine Tageseinnahme wertbeſtändig bei der Lieferantin
anzulegen. Wie wir weiter hören, iſt für das Tabakgewerbe der
Zu=
ſammenſchluß von Händlern und Fabrikanten in einem Zentralinſtitut
geplant, das die Umwechſelung für alle Beteiligten in einem
Arbeits=
gang vornimmt. Man hofft, dadurch eine ganz bedeutende Erſparnis
an Arbeitskräften zu erzielen.
h. Süddeutſche Immobilien=Geſellſchaft. A. G.,
Frankfurt a. M. 19,8 Mill. Mk. neue Aktien wurden zur
Frank=
furter Börſe zugelaſſen.
h. Hammerſtein, Hofius A. G., Frankfurt a. M. Die
beantragte Zulaſſung von 20 Mill. Mk. zur Frankfurter Börſe wurde
genehmigt.
* Grün u. Bilfinger A. G., Mannheim. 17 Mill. Mk.
neue Aktien Nr. 8001—25 000 wurden zum Handel und zur Notiz an
der Berliner Börſe zugelaſſen.
h. A. G. für Seideninduſtrie vorm. Ferdinand
Wolff, Mannheim=Neckarau. Die Geſellſchaft iſt bereit, die
Schuld=
verſchreibungen ihrer erſt ab 1925 tilgbaren Hypothekaranleihe von 1919=
1920 gegen Stammaktien umzutauſchen. Das bis 15. Dezember d. Js.
laufende Angebot, das die Geſellſchaft auch ſchon früher aufheben kann,
ſieht Tauſch von 6000 Mk. Schuldverſchreibungen gegen 1000 Mark
Stammaktien mit Gewinnberechtigung ab 1. Juli 1923 vor, wobei die
Unkoſten zu Laſten des Einreichers gehen.
h. Gebr. Buhl, Papierfabriken A. G., Ettlingen.
Die bisherige Kommanditgeſellſchaft wurde mit 60 Mill. Mk.
Grund=
kapital in eine Aktiengeſellſchaft umgewandelt. Den erſten Aufſichtsrat
bilden: Bankdirektor Gerhard Krüger, Rechtsanwalt Dr. Karl
Kirchen=
bauer, beide in Karlsruhe, Privatmann Richard Buhl und Frau Joh.
von Landwüſt Witwe geb. Buhl, beide in Ettlingen.
Warenmärkte.
wb. Frankfurter Getreidebörſe vom 5. November.
Ein größeres Geſchäft konuke ſich auch heute nicht entwickeln, da die
Preiſe eine weitere Steigerung erfuhren. Auch erſchwert die
Beſchaf=
fung von Stücken der Goldanleihe den Handel. Brotgetreide, beſonders
Roggen, ſehr gefragt. Mehl liegt ſehr feſt und iſt ſchwer erhältlich.
Hafer, Gerſte ruhiger. Roggenkleie, überhaupt Futtermittel, ſind begehrt.
Amtliche Notierungen. Getreide, Hülſenfrüchte und Biertreber ohne
Sack. Weizenmehl und Kleie mit Sack. Preis je 100 Kg. Die Preiſe
verſtehen ſich für alsbaldige Lieferung. Weizen, Wetterauer 21—21,50,
Roggen 19,80—20,25, Sommergerſte 20—20,50, Hafer, inländiſcher 16,50
bis 17, Weizenmehl, ſüdd. Spezial=Null 32—34 bei Waggonbezug ab
Mühlenſtation, Roggenmehl 31—32, Weizen= und Roggenkleie 7—7,75
(alles in Goldanleihemark). Tendenz: feſt.
wb. Berliner Produktenbericht. Der Mangel an
Gold=
anleihe beinträchtigt nach wie vor ſtark die Abwicklung des Geſchäfts in
Getreide und im Produktenverkehr. Die Verbraucher bezahlen ihre
Erwerbungen zumeiſt nur in Papiergeld und die Warenbeſitzer in der
Provinz verlangen wertbeſtändiges Geld. Aus dieſem Grunde war das
Geſchäft ſtill, bei etwas gedrückten Preiſen. Bei Roggen war ein
Ein=
greifen der Reichsgetreideſtelle nicht zu beobachten. Die Nachfrage nach
Roggenmehl bleibt dauernd lebhaft, nach Weizenmehl ſehr mäßig.
* Frankfurker Börſenbericht vom 5. November.
(Eigener Bericht.) Der Verfall der Markwährung ſchreitet unaufhaltſam
weiter. Während die offiziellen Deviſenkurſe bei äußerſt ſcharfen
Ratio=
nierungen in Berlin unverändert feſtgeſetzt wurden, ergaben die
Mark=
meldungen aus dem Auslande um ein Vielfaches höhere Deviſenkurſe.
Die Effektenbörſe verſuchte ſich dieſen hohen Auslandsmeldungen
anzu=
paſſen. Bei äußerſtem Materialmangel (kaum noch Material an dem
Markt) ergaben ſich außerordentlich hohe Kursaufbeſſerungen.
Durch=
ſchnittlich dürften die Kurſe um das ſechs= bis zehnfache geſtiegen ſein.
Aus techniſchen Gründen wurden die erſten Kurſe geſtrichen und nur
Einheitsnotierungen, bei denen in den meiſten Fällen die Zuteilungen
rationiert werden mußten, feſtgeſtellt.
Der Markt der ausländiſchen Renten und wertbeſtändigen Anleihen
lag bei ſtarkem Materialmangel beſonders feſt. Man hörte hier: Bad.
Kohlen 25 000 M., Rhein=Main=Donau 5000 M. Goldanleihe und
Dol=
larſchatzanweiſungen mangels Material geſtrichen. Ausländiſche Werte
erzielten teilweiſe zehnfache Kurſe. So von türkiſchen Renten Zolltürken
44 000 M., II. Bagdadbahn 42000 M. Von chemiſchen Werten waren
Scheideanſtalt 40000 M. rat., nachbörslich bis 65 000 M. geſucht, die
übrigen Werte, z. B. Bad. Anilin 45 000 M. rat., Griesheim Elektr.
31000 M., Höchſter 35 000 M., erzielten zirka 7fache Kurſe. Mehr als
verzehnfacht waren elektriſche Werte: Schuckert 100 000 M., A. E.=G.
22000 M. Gummipeter 2500 M. verſiebenfacht. Maſchinen= und Me=
5. November 1923 Nr. 307
tallwerte bei 8—10fachen Kurſen faſt ſämtlich rationiert.
Erwähnens=
wert ſind Heddernheimer Kupfer 10 000 M., d. h. das hundertfache der
letzten Notierung, Kleyer 4500 rat., Junghans 9000 rat. plus 800,
Metall=
geſellſchaft 40 000 rat. verſiebenfacht. Zuckeraktien waren zirka
veracht=
facht. Von Montanwerten erreichten Gelſenkirchener mit 120 000 Md.
die Billiarden=Grenze. Deutſch=Lux. und Harpener geſtrichen.
Veracht=
facht waren Mannesmann mit 90 000 M. Von Bankaktien Deutſche Bank
23 000 verſiebenfacht, Diskonto 30 000 rat. verfünffacht. Am Einheitsmarkt
ergaben ſich zahlreiche Kursſtreichungen, die übrigen Werte waren meiſt
ſtark rationiert. Steigerungen um das Fünf= und Mehrfache gab es bei
Badenia 1000 rat., Bahnbedarf 1500, Jetter u. Scherer 30000 M.,
Le=
der St. Ingbert 30 000 rat., Schramm Lack 12000 M., Roeder 2500 M.,
Leder Rerink 2000 M. Im freien Verkehr hörte man: Beckerſtahl
15124/30 000 M., Beckerkohle 15/25/30 000 M., Brown Boveri 3/4000 M.,
Growag 350/450 M. Hanſa=Bank 1000 M., Hanſa=Lloyd 1500 M.,
Kar=
ſtadt 800/1000 M., Kayſer Waggon 1000 M. rat., Kreichgauer 65180 M.,
Meher Textil 400/450 M. Ufa 2/4000 M.
wb. Berliner Börſenſtimmungsbild. Auf den
heuti=
gen Börſendcrlauf iſt die Bezeichnung „Kataſtrophenhauſſe” in des
Wor=
tes vollſter Bedeutung wieder anzuwenden. Bei dem fortſchreitenden
Zuſammenbruch der Währung, der durch die Billionenziffern des heu=”
tigen Reichsbankausweiſes am deutlichſten illuſtriert wurde, machte die
Umwertung der Kurſe weitere außerordentlich große Fortſchritte. Da
bei den jetzigen Verhältniſſen Effektenverkäufe faſt gar nicht oder nur in
ganz geringem Umfange erfolgen und da jedermann an ſeinem Beſitz
feſthält, ſtand verhältnismäßig geringer Nachfrage faſt gar kein Angebot
gegenüber. Die Folge war, daß bei der Mehrzahl der Dividenden= und
feſtverzinslichen Papiere die Kurſe entweder ausgeſetzt werden oder nur
eine Kaſſanotiz vorgenommen werden konnte. Soweit bei der geringen
Anzahl von Papieren Umſätze ſtattfanden, wurden die Kurſe
durch=
ſchnittlich um das Drei= bis Sechsfache, mehrfach auch um das
Sieben=
bis Achtfache heraufgeſetzt. Infolge des ſtarken Materialmangels war
die Geſchäftstätigkeit im ganzen Verlaufe gering. Die Kursſteigerungen
gingen in mäßigem Tempo weiter. Als ſpäter bei der
forrſchreiten=
den Feſtſetzung der Kaſſakurſe ſich herausſtellte, daß zu dieſen Kurſen
verſchiedentlich etwas mehr Ware als im Großverkehr herauskam,
konn=
ten die heute erzielten hohen Spitzenkurſe nicht überall aufrecht erhalten
werden. Mit geſpanntem Intereſſe ſah man wieder der amtlichen
Feſt=
ſetzung der Deriſenkurſe entgegen. Sie wurden fchließlich bei
abermali=
ger verſchärfter Repartierung unverändert gegenüber dem Samstag
feſtgeſetzt. Lange zog ſich auch die Feſtſtellung der Kurſe für
Dollar=
ſchatzanweiſungen und Goldanleihe hinaus. Die Nachfrage nach dieſen
wertbeſtändigen Zahlungsmitteln war außerordentlich ſtark.
Oeviſenmarkt.
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich mit 1000%=
Geld
Brie Re
Geld
Mfe Amſterdam=Rotterdam. 164588000.- 165412 00 — 154588000 — 1654 12000.— Brüſſel=Antwerpen 20948000.— 21052000.— 20948000.— 21052000.— Chriſtiania. 63441000 — 63759000.— 63441000.— 63759000.— Kopenhagen". 73017400.— 73383000.— 730 17000.— 73383000.— Stockholm", 112119000.— 112681000. — 1112119000.— 112681000.— Helſingfors 11372000.— 11423000.— 11372000.— 11428000.— Italien. 18953000.— 19047000.— 18953000 — 19047000.— London 1895500000. 1904770000. 1295250000. 199460000. New=A 41895000 0.— 421050 00.— 1418950000.— 421050000.— Paris 24339000 — 2446 1000 — 24339000.— 24161000.— Schwei 75411000.— 75739000.— 75411000.— 75 789000.— Spanien 5 6459000.— 56741000. 46459000. — 56741000.— Wien (i. 2 5985.— 6015.— 5985.— 60 5.— Prag 12463000.— 12531000.- 12469000.— 12531000 — Budapeſt 22942.— 23058.— 22942.— 23058.— Buenos=Aires 133665000. — 134335000 — 133665000.— 1343 5000.— Bulgarien 3990000.— 40100000.— 3990000.— 4010000.— Japan. 204488000. — 2055 12000.— 2/4188000.— 2055 12000.— Rio de Jan 37905000 — 38095000 — 37905000.— 38035000.— Belgrad. 4938000.— 4962000.— 4978000.— 4962000.— Liſſabon 16559000.— 16641000.— 16359000.— 16641000.— Sofia
Anmerkung: B.— Berlin, F. — Frankfurt,
Berliner Kurſe. (Eigene telegr. Meldung.)
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich mit 1000000.
Aktiengeſ. für Anilinfr.
Aſchaffenburger Zellſtoff
Ausgb.=Nürnb. Maſch.
Ber..=Anhalt=Maſchinen
Bk. f. Elektr. W. vorzug
Bismarckhütte" „
Braunkohlen=Brikett .
Bremer Vulkan .
Wolle. . . .
Chem. Heyden ..
Weiler ......"
Deutſch=Atlant. Tel.. .
Deutſche Maſchinen ..
Deutſch=Niebld. Tel. ..
Deutſche Erdöl .......!
Deutſche Petroleum .
Dt. Kaliwerke .
Berlin-KarlsruherInd.
Donnersmarckhütte.
Dynamit Nobel ..
Elberfelder Farben
Elektr. Lieferung .
R. Friſter.
Gaggenau
Gelſenk. Gußſtahl .. ....
Geſ. ſ. elektr. Untern. .
Halle Maſchinen ..
2. 11
4000000
4500000
1600000
3200000
5400000
Haili
3500000
1200000
17000000
16000000
—
24000:0
6000000
1800000
500000
170000
5. 11.
25500000
13500000
7000000
*730000
26000000
8000000
1200000
110 Bill.
2200000
36000000
9000000
2500000
u00509
7500000 40000000
2000000 20u00000,
1100000 4000000
Han. Maſch.=Egeſt.
Hanſa Dampfſch.. . . . .
Hemoor Zement
Hirſch Kupfer
Höſch Eiſen
Hohenlohe Werke
Kahla Porzellan ..
Lindes Eismaſch.
Lingel Schuh
Linke & Ho
L. Loewe &
Lorenz
Neguin
N. Lauſitzer
Nordd. Gun
Orenſtein
Rathgeb
Rombache
Roſitzer Zuc
Rütgerswerke
Sachſenwe
Sächſiſche
Siemens
Folkſtedter Porzellar
eſtf. Eiſen Langendreer
Wittener Gußſtahl ..
Wanderer=Werke.
2. 11 1 5. 11.
15000000
640000 0k0000000
150/ 0000/700. 0009
1180000002000000
1100000005600000-
250004
750000
6600000 —
1300000
500000
20000001120/ 0000
900000k400000
500000
60000000
k000000
—
1000000
110000eo00000
4000 C027000000
300000ofr 00000c0
— /45000040
20000 00r 2000000
6300000 33000000
600000k 000030
100000 —
2500000/1500000
400000 —
B0000000
1000000leso0000 0
Die Notierungen ſind in Milliarden o ausgedrückt.
Frankfurter Kursbericht vom 5. November 1923.
uropäiſche Staatspapiere,
a) Deutſche
Reichsanleihe. . .. . . . . . .
(ar=Goldanleihe .........
Uar=Schatzanweiſungen .. . .
% IV. und V. Schatzanweiſ.
75 H.—1X.
arprämienanleihe .........
jangsanleihe. . . . . . . . . . . . . .
Preuß. Konſols .........
Bad. Anl. unk. 1935.. . . ..
v. 1907.. . . . .
Bahern Anleihe ........."
Heſſen unk. 1924 ........
% „ „..
„
Württemberger ......."
b) Ausländiſche.
Bosnien L.=E.=B. v. 1914
„ L.=Inveſt.=Anl.v. 1914
7% „ v. 1902.....
„
Bulgar. Tabak 1902 ... ..
4% Griech. Monopol ......
2% Oeſt. Staatsrente v. 1913
ab 1918 .............
2% Oeſt. Schatanweiſ., ſtfr.
v. 1914 .......... ......."
o Oeſt. Goldrente ... . . . ..."
„ einheitl. Rente .....
9 Num am. Nente b. 03 .
2% „ Goldrente v. 13 ...
„ am. „ konv. ...."
„ „ „ v. 05 „.
70 Türk (Admin.) v. 1903 ...
(Bagdad) Ser. I ..
„II..
„ v. 1911, Zollanl. ..
%o Ung. Staatsr. v. 14....
„ Goldrente ... . ..."
„ Staatsr. v. 10....
„ Kronenrente .. . . .
Außereuropäiſche.
Mexik. amort. innere. . . . .
konſ. äuß. v. 99 ..
„ Gold v. 04. ſtfr. . .
„ konſ. innere .. . . . ."
„ Irrigationsanleihe.
2%6 Tamaulipas. GerieI
Oblig. v. Trausportanſt.
25 Eliſabethbahn ſtfr.
Gal. Carl Ludw.=Bahn
Oeſt. Südb. (Lomb.) ſtfr.
„60 Alte Leſtr. Südb. (Lomb.).
„6%Neule ,
%0 Oeſt. Staatsb. v. 1883....
7 20 Oeſt. Stgatsb. 1, b. 8, Em.
4900
1000
1100
5. 11.
600
2000
45000
42000
4000
2000
10000
900
Oblig. v. Transportanſt. (Ftſ.)
3% Oeſt. Staatsb. 9. Em .. .
39 Oeſt. Staatsb v. 1885 ...
30 Oeſt Staatsb. b. Erg. Neßz
40 Rudolfb. (Salzkammerg.).
4½% Anatolier I............"
Salon Conſt. Jonction. . .
o Salonique Monaſtir ....."
Tehuantepec .. . . . . . .. ...
220
Pfandbriefe.
4% Frankf. Hyp.=Bank 1920...
Frankf. H. Krd.=Ver. 1921
Mein. Hyp.=Bank 1922 ...
Pfälz. „ „ 1922 ...
4% Rhein. „ „ 1923 ...
„ verl. .. ."
4% Südd. Boden=Cred.=Bank
München 1906 .. . . . . . . . . . .
40 Heſi. Ldhyp.=Bank Pfdbr.
3½% Heſſ. Ldhyp.=Bk. Pfdbr.
4½ Heſſ. Ldhyp. Kom. Obl.. ..
Deutſche Städte.
40 Darmſt. v. 1919 bis 1925..
31 0 Darmſt. v. 1905 ......."
Frankfurt v. 1913 .... . . .
„ v. 1903 ......."
425 Mainz. v. 1919 bis 1926
Nach Sachwert vz. Schuldverſchr.
Badenwerk=Kohlwert=Anl.
6% Heſſ. Braunk.=Rogg. Anl. v. 23
50 Preuß. Kaliwert=Anleihe..
Roggenwert=Anl.
52/g Sächſ.Braunf.=Anl. Ser.1u. II
Bank=Aktien.
Bank für Brauinduſtrie ......"
Barmer Banfverein .........
Berliner Handelsgeſellſchaft ..
Commerz= und Privatbanr".
Darmſtädter u. Nationalbank.
Deutſche Bank .............."
DeutſcheEffekten= u. Wechſelbank
Deutſche Vereinsbank ........"
Disconto=Geſellichaft .. . . .....
Dresdener Bank ............"
Frankfurter Bank ..... ......
Metallbank. . . . . . . . . . . . . . . ..."
Mitteldeutſche Creditbank .. ..
Oeſterreichiſche Creditanſtalt ..
Reichsbank=Ant. .. . . . . . .....
Rhein. Creditbank .... .. .. .."
Süddeutſche Disconto=Geſellſch.
Weſtbank .. . . . . . . . .. . .. ....."
Wiener Bankverein . . . . . . ...
Bergzverks=Aktien.
..
Berzelius
Bochumer Bergb. ... . . . .. . . ."
Buderus.. . . . . . . . .. . ........"
Dt. Luxemburger .. . . . . . . . . . ."
Eſchweiſer Berowerks=Akt.. . . .
Gelfenkirchen Bergw. ........"
Harpener Bergbau .........."
Kaliwerle Aſchersleben ......"
Weſteregeln .......
— 6000 7000 40000 15250 100000 1830.0 — 1200-0 2009 35 00 6500 65000
Bergwerks=Aktien (Fortſ.)
Lothringer Hütte .. . ..
Mannesmann Röhren... . . .
Oberbedarf .. . . . . . . .. . .. . . .. / 2000
Oberſchleſ. Eiſen CCaro) ...... 7200
Bhönix Bergbau ..
Rhein. Stahlwerke ... . . . . . .. 15000
Riebeck Montan.. . . . . . . . . . . .
Tellus Bergb.= u. Hütten=Akt.
Ver. Laurahüitte. . . . . . . . . . . .
Aktien induſtr. Unternehmung
Brauereien
Henninger Kempf=Stern . . . . . .
Löwenbräu München .. . .. .. 4000
Schöfferhof (Binding) ........"
Werger .. . . . . .. . .. ... . . . ..."
Akkumulat. Berlin . . . . . . . . ."
Adler & Oppenheimer .. . . . ."
Adlerwerke (v. Kleher).......! 700
A. E. G. Stamm. . . . . . . . . . . . . 2950
Anglo=Continental=Guano ....
Aſchaffenburger Zellſtoff....." 4000
Badenia (Weinheim) .. . . . . . ..
Bad. Maſchf. Durlach
Baſt Nürnberg .. . . ......."
Bahriſch. Spiegel .........".
Beck & Henkel (Caſſel) ......
Bergmann El. Werke .... . . ."
Bing. Metallwerke. . . . . . . . . ..
Brockhues, Nieder=Walluf. . . .
sementwerk Heidelberg ....."
Karlſtadt .. . . . ."
Lothringen (Metz).
Chem. Werke Albert ........"
„ Griesheim Elektron ...
Mayer Alapin. . . . . . .
Weiler=ter-mer ... . . . ."
Daimler Motoren ..........
Deutſch. Eiſenhandel Berlin" .
Dt. Gold= u. Silberſcheideanſt.
Dingler, Zweibrücken .......
Dresdener Schnellpreſſen .. ..
Dürkoppwerk (Stamm). . . . . . .
Eiſenwerk Kaiſerslautern .....
Eiſenwerk 8. Meher ſr. .... ."
Elberfelder Farb. v. Baher ..
Elektr. Lieferungs=Geſ. ... . ..
Licht und Kraft ....."
Gſäſt Bad. Wolle....... .. . ."
Emag, Frankfurt a. M. ... .."
Emaill= &. Stanzw. Ullrich ....
Enzinger Werke ............
Eßlinger Maſchinen .. . . . . ..
Ettlingen Spinnerei ... .....
Faber, Joh., Bleiſtift.. . . . . . .
Jaber & Schleicher.... . . . . .
Fahr, Gebr., Pirmaſens. . . . .
Jelten & Guilleaume Carlsw
Feinmechanik (Jetter)
Frankfurter Gas.. . . . . . . . . ..
Frankfurter Hof .. . ...."
Flf. Maſch. Pokorny & Wittek.
Fuchs Waggon Stamm. . . . . . 500
Ganz, Ludwig, Mainz ......."
Geiling & Cie. .............. 120
Gelſenkirchen Gußſtahl .......
Goldſchmidt Th. . . . . . . . . . . . . . 6000
Greffenius, Maſchinen Stamm! 200
Gritzner Maſchin. Durlach ...."
Hammerſen (Osnabrück)...... 1500
Hanfwerke Füſſen ...... . . . .. 4000
Heddernheimer Kupfer .......
Heyligenſtaedt, Gießen .......
Hilpert Armatureni. . . . . . . . . . . 300
Hindrichs=Auffermann .. . . . . .
Hirſch Kupfer u. Meſi. ... . . . .
Hoch= und Tiefbau .......... 600
Höchſter Farben .... . . . . . . . . .! 5000
Holzmann, Phil. ............ 400
Holzverk =Induſtr. ... . . . . . . . . ! 4500
Hotel A.=G., München ..... .. 500
Hydrometer Breslau... . .. . .. ! 600
Fnag. .. . . . . .. . ... ...
Junghans Stamm. . . . . . . . . . .
Karlsruher Maſchinen .. . . . . . . 1000
Klein, Schanzl. & Becker ..... 600
Konſervenfabrik Braun ......
Krauß & Co., Lokom. . . . . . . . . 4000
Lahmeher & Co. ............
Lech Augsburg .............! 1000
Lederw. Rothe .............
Lederwerke Spicharz .. .. . . . .
Löhnberger Mühle ..........! 1000
Lüdenſcheid Metallw ........! 1400
Lux’ſche Induſtrie ........"
Mainkraftwerke Höchſt.......
Meguin, Butzbach .. . . . . . . . .. 3000
Meher, Dr. Paul..
Moenus Stamm. . ......
Motorenfabr. Deutz........."
Motorenfabrik Oberurſel ...."
Reckarſulmer Fahrzeugwerke ..
Sieawerke Frankfurt a. M.
Peters. Union Frankfurt a. 2
Pfälz. Nähm., Kayſer ......"
Philipps A.=G.... . . . . . . . .
Porzeilan Weſſel ...........
Reiniger, Gebbert & Schall
Rhein. (leitr. Stamm. .
Rhenania, Aachen ...........
Riedinger Maſchinen .. . . ."
Rückforth, Stettin ...
Rütgerswerke
Schleußner (Frankfurt a. M.) ..
Schneider E Hanau ..... ...."
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Schuckert Elektr. ( Nürnberg)...
— 1500 — S 350 2500 400 2000 320 1000 — 800 4000 600 3500 f. 400 — 15000 5800 200 5000 200 1200 4000 3500 10000 12000 9000 2. 11. Schuhfabrik Berneis=Weſſel .. 320 Schuhfabrit Herz..
....... 150 Schuhf Leander Offenbach ... 150 Seilinduſtrie Wolff.........." Sichel & Co., Mainz........." 1750 Siemens Elektr. Betriebe .... Siemens Glasinduſtrie .... . .." 2150 Siemens & Halske .........." Stöckicht=Offenbach=Gummi.. . 350 — El Südd. Handeisvereinigung. . . . 80 Süddeutſche Immobilien .. . .. 250 Thüringer eleft. Lief.-Geſ., Gotha 150 10000 Uhrenfabrik Furtwängler ....." — 5000 Beithwerke in Sandbach ..... Verein f. Chem. Induſtr. Mainz 3400 Verein. deutſch. Olfabr. Mannh. „ Gummifabr Bln.=Frkf. 80 „ Pinſelfabr. Nürnberg". 1000 „ Ultramarin .. . . . . . . . . . 1503 „ Zellſtoff, Berlin. . . . . . . 140 Vogtländ. Maſch. Vorzüge. .. Stämme... 160 5000 Boigt & Haeffner Stämme. . . . 350 Voltohm Seil ........... ...." 500 Wanß & Freytag ..........." 900 Wegelin Rußfabrik .... .. ...." 250) Zellſtoff Waldhof Stamm. . . . . 1800 Zuckerfabr. Waghäuſel ......." 1300 Frankenthal ...... 1300 Heilbronn ..... . .." 1200 Offſtein ... .. ...." 1100 Rheingau ........ 1300 Stuttgart ....." 100 Transport=Aktien. Schantung E. B. ........... 950 Süddeutſche Eiſenbahn=Gei.. 1000 Hapag (Paketfahrt) .......... 11500 Nordd. Lloyd .............. 3600 Oeſterr. Ungariſche Staatsbahn Darmſtädter Werte. Bahnbedarf
300 Dampfkeſſel Rodberg.... . ...." 150 Helvetia Konſervenfabrik. . . . . . 500 Gebr. Lutz ................. 2000 Motorenfabrik Darmſtadt . . . . 1000 Gebr. Roeder .............." 400 Venuleth & Ellenberger 250 Unnotierte Aktien. Beckerkohle ................. 2800 Beckerſtahl .... . . . . . .. . ....." 2800 Benz.. . . . . . . ... ............ 17.0 — Ol Brown Boveri ............. 400 Cont. Handelsbank .... ...... 40 28000 Growag ............. 45 Hanſa Lloyzd .. .... .. ......." 400 2000 Kabel Rheydt .. .... ........ 35000 Karſtadt R. .... .. 450 Mannsfelder. . . . . . . 4000 Petroleum, Dtſche. ... 700; Raſtatter Waggon .........." Text.=Ind. (Barmen (Tiag) ..." 180 100000 ufa Film ......... . . .... 450
5. 11.
1200
600
— C
— (
13000
2500
— (
70000
2500
320
2000
800
10000
1000
24000
—
250
— O
12000
400
5(00
2u00
5090
22000
1570
900
7000
15000
4000
2500
2000
30000
30000
5000
4000
300
500
3000
960
33000
3000
4000
Geite 8.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den G. Rovember 1923.
Nummer 307
Liebe und Pflicht.
Remantiſche Erzählung aus dem ſiebenzehnten Jahrhundert.
Von E. St.
(Nachdruck verboten.)
Durch den Ausgaug der Lützener Schlacht war der Herzog
von Friedland gezwungen worden, Sachſen, welches er zur
Winterruhe für ſeine Truppen beſtimmd hatte, zu verlaſſen und
ſich nach Böhmen zurückzuziehen. Die unbändige Raubſucht und
Zügelloſigkeit ſeiner aus allen Nationen und Konfeſſionen bunt
gemiſchten Völker machte keinen Unterſchied zwiſchen Feindesland
und kaiſerlichem Beſitztum, und Wallenſtein, deſſen
unergründ=
licher Geiſt ſchon damals über großen Plänen brütete, gab ſich
keine Mühe, den Mißhandlungen des unglücklichen Landvolkes
Einhalt zu tun, weil er ſonſt Gefahr lief, die blinde Ergebenheit
ſeines Heeres zu verlieren. Darum war den Bewohnern des
Landes die Annäherung ſeiner Armee das Signal zur
ſchlen=
nigen Flucht, und mit den beweglichen Reſten ihrer
Habſelig=
keiten beladen, verließen Unzählige den heimatlichen Herd und
verbargen ſich in den Wäldern und im Gebirg, wo mancher durch
Hunger und die Strenge der Jahreszeit einen elenden Tod fand.
Die Ortſchaften ſtanden verlaſſen, kein gaſtlicher Rauch ſtrömte
aus den Schornſteinen, keine lebende Seele atmete in den
ver=
ödeten Hütten, wenn nicht vielleicht hier und da ein Kranker
oder Altersſchwacher notgedrungen zurückgeblieben war, und
bange ſeinem rraurigen Schickſal entgegenſeufzte.
Ein ſolches von ſeinen Bewohnern, verlaſſenes Dorf im
weſtlichen Böhmen iſt es, wohin uns der geneigte Leſer folgen
möge. Der Schreckensruf: „Der Friedländer iſt da!” hatte Jung
und Alt entſetzt von dannen getrieben; die Angſt vor den
grau=
ſamen Horden überwog bei weitem die Schreckniſſe des eiſigen
Winters, welcher nt weißem Flockengewimmel das erſtarrte
Land überdeckte.
In dem anſehnlichſten Hauſe des Dorfes hatte eine
ſonder=
bare Geſellſchaft ihre Sitze aufgeſchlagen. Sie beſtand aus
un=
gefähr zehn bis zwölf jungen Leuten. Ihre phantaſtiſche Tracht,
der kurze Mantel, das knappe, bebänderte Wamms und die
lan=
gen, keineswegs zierlichen Haudegen, welche an der Seite der
meiſten prangten, führten auf die Vermutung, daß es Studenten
ſeien. Dies wurde noch mehr durch ihre Manieren und ihre
nicht ſelten in das Geſpräch eingeſtreuten lateiniſchen Worte
be=
ſtätigt.
Sie ſaßen mit erglühten Geſichtern um einen in die Mitte
der Stube gepflanzten Tiſch, auf welchem ein hölzerner Hübel
voll Wein ſtand, und äußerten ihre losgebundene Fröhlichkeit
durch einen ſchallenden, keineswegs harmoniſchen Geſang.
„Silentium!” rief der älteſte, ſtrich ſeinen verwilderten
Schnurrbart und ſchlug mit dem flachen Hieber auf den Tiſch,
daß die Gläſer tanzten und der Wein überfloß. Unſer
Val=
drian ſoll leben! Virat! Horcat! erescat!?) hoch!"
„Hoch!” brüllte der Chorus nach, und die Trinkgefäße
wur=
den bis auf den Grund geleert.
Der, welchem der Ausruf galt, ein Burſche mit
verſchmitz=
tem Geſicht und ſchlauen Augen, ſaß ruhig bei dem Toaſt ſeiner
Gefährten und ſahe ſchenunzelnd vor ſich nieder.
Der tiefe Baß des Präſes machte das Toben abermals
ver=
ſtummen.
„Er ſoll uns erzählen, wo er den edlen Nektar aufgetrieben
hat, der unſern ſchier vertrockneten Kehlen jetzt ſo baß behagt.
Attendite!!)"
Der Aufgeforderte zögerte nicht lange, ſchnitt ein paar
pfif=
fige Geſichter und begann:
„Ihr hattet Euch meiner Führung überlaſſen, und die
Pflicht gebot, Euer Zutrauen nicht zu täuſchen. Während die
Herren Brüder hier bequem die Beine ausſtreckten, durchſtöberte
ich das Haus von oben bis unten, durchkroch Küche, Keller und
Speicher, fand aber außer einem alten Weib in der Dachkammer
ſo wenig etwas Trinkbares als vormals zu Prag Geld in
meinem Säckel. Ich verwünſchte mein Unglück und zürnte den
Göttern, welche uns die Qual des Verdurſtens bereiten zu
wol=
len ſchienen; da blitzte mir der Gedanke auf, der mich tröſtete wie
das leuchtende Siebengeſtirn, wenn es dem bangenden Schiffer
erſcheint. Das Haus iſt eine Herberge, dachte ich in meinem
er=
findungsreichen Geiſie, und zar keine von den ſchlechteſten, wie
ſeine Einrichtung deutlich zeigt; warum nun ſo wenig Fäſſer,
dazu noch alle geleert? Der Boden, ſo trocken als meine Kehle,
bewies mir, daß der Wein nicht ausgeſchüttet ſein konnte; aus
Fortbringen konnten die Schelme bei der Eile auch nicht gedacht
haben. Aus allem dieſem zog ich den Schluß, ſo bündig, als je
Ariſtoteles”) einen zog, daß der Wein noch im Hauſe ſein müſſe.”
Er hielt in ſeinem Bericht inne, um die Anerkennung ſeiner
verdienſtvollen Logik zu erwarten, welche ſogleich in einem
er=
neuerten Wivat erfolgte. Befriedigt fuhr er fort, doch nicht ohne
vorher ſeine Zunge gehörig befeuchtet zu haben.
„Wie Laokoon”) den unglücksſchwangeren Bauch des
trojani=
ſchen Pferdes betrachtete, ſo prüfte ich die aufgeſchichteten
Fäſſer.
„Laß die heidniſchen Geſchichten aus dem Spiel!” ſchrieen
einige mit ſcherzendem Unwillen, „wer Teufel verſteht noch
etwas davon?"
„Odi profanum rulgus et areeo”*) deklamierte Baldr
pathetiſch. „Der Rabe ſchillt auf die Nachtigall, doch ſie fi
fort. Hättet Ihr Euer Latein nicht an den Nagel gehängt
hättet Ihr noch Magiſter werden können und brauchtet jetzt u.
dem Wallenſtein nachzulaufen.”
„Und Du ſamt Deiiem Latein? Tuſt Du’s nicht aue
fragte einer.
„Bloß aus Liebe zu Euch. Doch höret zich bis zu E.
Die Fäſſer wurden weggerollt, der Schlauch dort, der
ſelbſt wie ein Faß auf der Bank liegt und ſchnarcht, war
dabei behülflich; — und ſiehe da, mirabile visu,”) eine Fal
eigte ſich unſeren wonnetrunkenen Augen. Wie Theſeus
Peritheus”) ſtiegen wir hinab zum düſteren Orkus, ſein s
lichſtes zu rauben, und — wer beſchreibt unſer
Entzücken=
unſere Kerze erleuchtete ein Gewölbe, in welchem eine A
von Fäſſern in beſcheidener Verborgenheit ihres ferneren
ſals harrten. Von der Gewalt ſeiner Empfindungen beſ
ſank mir der gefühlvolle Freund ſchtveigend in die Arme.
das Tageslicht mit euch, ihr Bewohner der Grüfte!” rief
und mit herkuliſchen Armen ſchroteten wir ein Tönnchen her
gerade noch zu rechter Zeit, um Eure teuren Leben vom ſchn
lichen Tod des Verdurſtens zu retten. Dixi et salvavi anin
nneam."
„Du ſollſt fortan der Schalk heißen, wackerer Baldri
ſprach der Präſes. „Nun aber ſetze Deinem Verdienſte die Kr
auf und ſiehe zu, daß unſere überſchwemmten Magen St
bekommen. Iſt etwas aufzutreiben, ſo trauen wir Deinen Ar
augen.”
Der „Schalk” ſtand geſchmeichelt auf. „Mein treuer Pythia
der wir den Weinſchatz heben half, liegt leider, vino somne
solutus””) in der Ecke; ſo komime denn ein anderer mit
Wenn Fortung lächelt, ſollt Ihr Euer Gelüſte bald ſtillen
Eure Hoffnung um ſo gegründeter ſein, wenn Ihr des Spr
gedenket: daß ein hungriger Hund das Wild am ſchnellſten
ſtöbert; denn auch mein Magen beginnt, unverſchämt zu werd
Er lebe, blühe, gedeihe!
9) Paßt acht!
10) Ariſtoteles (384—322 v. Chr.), griechiſcher Philofoph.
11) Der Apolloprieſter Laokoon in Troja warnte ſeine Landsleute
vor dem hölzernen Noß und ſchleuderte ſeine Lanze gegen deſſen
Bauch, worin Griechen verborgen waren. Kurze Zeit darauf wurde
er mit ſeinen beiden Knaben von zwei Schlangen erwürgt.
(Fortſetzung folgt.)
amiliennachrichten
Todes=Anzeige.
Heute nacht 1 Uhr entſchlief
unerwartet mein innigſtgeliebter
Mann, unſer treuſorgender Vater,
Schwiegerſohn, Bruder, Schwager,
Onkel und Neffe
Arbheum Lüh=
Bertrams
Operettenſpiele!
Heute u. folg. Tage:
Die (*27300
Herren von u. zu..
Größter Lacherfolg!
Kari.Berh wie beh.
Balast-Lichtspiele
I. u.
Hände hoch: rei
Sensat.-Kriminaldrama, 12 Akte. (*2728
im 39. Lebensjahre,
Die trauernden Hinterbliebenen:
Auguſte Dnenſing, geb. Galonske
und Kinder.
Die Beerdigung findet Mittwoch,
den 7. d. M., nachm. 3½ Uhr, auf
dem Friedhof. Nieder=Ramſtädter
Straße ſtatt. (*27322
Am 8. Nov. werden wir in Frankfurt a. M.,
Taboxatorium der Univerſitäts=
Augen=
ilinik b. Städt. Krankenhaus, Frankfurt a. M.
Sach enhauſen
Eſchenbachſtraße 14,
anweſend ſein, um
Künſtliche Augen
Landestheater.
Großes Baus.
Dienstag, 6. Nov.
45
Der Roſenkavalier
von Rich, Strauß.
Anf. 6½, Ende 10½ Uhr.
Preiſe: 30—300 Milliard.
Kleines Haus. (V804
Sondermiete 14‟,
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Anf. 7½, Ende s. 10 Uhr
Preiſe: 20—100 Milliard
nach der Natur für die
Patienten anzufertigen
und einzupaſſen.
F. Ad. Müller Söhne
Wies baden
Anſtalt für hünſtliche Augen.
Erwerbsloſenfürſorge
und Krankenkaſſen.
Ab 1. Ifd. Mts. oder — wenn für
dieſen Tag ſchon Beiträge entrichtet
ſind — vom Beginn, der auf ihn
fol=
genden Beitragsperiode an ſind die
Ar=
beitgeber ſowie ihre pflichtverſicherten
Arbeitnehmer in Stadt und Kreis
Darm=
ſtadt verpflichtet, Zuſchläge in Höhe von
20½ des jeweiligen Beitragsſolls zur
Finanzierung der Erwerbsloſenfürſorge
— je zur Häfte — zu entrichten. Dieſe
Zuſchläge ſind den vereinnahmenden
Krankenkaſſen als ſolche beſonders zu
kennzeichnen. Aus Unterlaſſungen
ent=
ſtehende Nachteile, auch ſolche der
Geld=
entwertung bei Zahlungsverzug, trager
die für die Einzahlung verantwortlichen
Arbeitgeber.
Alle Orts= Betriebs=, Erſatz= und
ſonſtigen Krankenkaſſen, ſoweit ſie ihren
Sitz in der Stadt oder im Kreiſe
Darm=
ſtadt haben, ſind verpflichtet, die
ein=
gegangenen Zuſchläge ſpäteſtens drei
Tage nach ihrer Gutſchrift oder
Ver=
einnahmung zur Verfügung der Kaſſe
des Arbeitsnachweiſes (Stadtkaſſe Darm=
(St. 8043
ſtadt) zu bringen.
Darmſtadt, am 3. November 1923.
Oeffentlicher Arbeitsnachweis, für
Stadt und Kreis Barmſtadt.
Bekanntmachung.
Bi8 zum 15. November 1923 iſt
die angeforderte örtliche evangeliſche
Kirchenſteuer (Jahresbetrag) im
zweimillionenfachen Betrag in einem
be=
ſonderen Ziele, an die Finanzkaſſe
Darm=
ſtadt=Stadt bei Meidung der
Zwangsvoll=
ſtreckung zu entrichten. Das am 15.
No=
vember 1923 fällige 3. Ziel iſt gleich=
(8049
falls zu erheben.
Darmſtadt, den 5. November 1923.
Die Kirchenverſtände
der Stadt=, Martins=, Johannis=,
Petrus= und Paulusgemeinde.
Finanzamt—Stadt.
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es angeht, im ſtädtiſchen Schlachthof
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Darmſtadt, 6. November 1923.
Gunkel, Gerichtsvollzieher
*27301) Georgenſtraße 1.
Anmeldung von Brotgetreide=
und Mehlbeſtänden.
Die Verordnung des Heſſ. Miniſteriums
für Arbeit und Wirtſchaft vom 23. Oktober
1923 iſt in den ſtädtiſchen Aushängekaſten
(st804
ausgehängt.
Samaln
Bankgeschäft
Wertpapiere,
Beratung und
Verwaltung.
25087) Zinsscheine,
Heuor-
amburg
wall 101.
Allgemeine Ortskrankenkafſe Darmſtadt (Stadt).
Kaſſenſtunden an allen Wochentagen von ½8—1 Uhr.
Um die Kaſſe in den Stand zu ſetzen, ihren Verpflichtungen
den Aerzten und Apothekern gegenüber nachzukommen, ſieht ſich
der Vorſtand veranlaßt, von dem ſatzungsgemäßen Rechte der
allwöchentlichen Abführung der Beiträge Gebrauch zu machen.
Die Arbeitgeber, private wie gewerbliche, werden daher
auf=
gefordert, die Beiträge zur Krankenkaſſe wie zur
Invaliden=
verſicherung regelmäßig für die abgelaufene Woche in den erſten
Tagen der folgenden Woche entweder direkt an die Kaſſe oder
an unſer Poſtſcheckkonto 10293 in Frankfurt a. M. oder an die
Städtiſche Sparkaſſe zu überweiſen, Verrechnungsſchecke können
nicht mehr angenommen werden.
Einzuzahlen iſt für die Reſte aus September/Oktober:
Für September der 15fache Betrag des Monats Auguſt,
Oktober der 20fache Betrag des Monats September,
„ November der 30fache B trag des Monats Oktober.
Arbeitgeber, die allwvöchentlich Lohnliſten einzureichen und
mit dieſen die Beiträge einzuzahlen haben, betrifft dies nicht.
Erfolgt die Zahlung nicht in der angegebenen Zeit, ſo tritt
Aufwertung nach der jeweiligen Indexziffer ein. Abrechnung
erfolgt wie ſeither
Vom 1. November ab ſind nuch die Beiträge für die
Erwerbs=
loſenverſicherung mit 20 Prozent der Beiträge zur Krankenkaſſe
gemeinſam mit dieſen an die Kaſſe einzuzahlen,
Darmſtadt, den 5. November 1923.
Der Vorſtand:
*27311)
Knoblauch, I. Vorſitzender.
Männlich
Kinderſptelzeug
Die beiden Frauen des Herze
U.X. von Porta, 6 Akte, mit Car
Ferra, Ernſt Rückert. (*
Der Liebe Pilgerfahrt, 6 Akte,
mit Grete Dierks, Paul Bild
Mit Stanley im dunkelſten Afr
D.1. V. Teil ,Wüſtengefahren”, 62
Harry als Doppelgänger, 2 Akte
W EDDIE POLO in dem 6t
11.-1. Wildweſtfilm — 36 Aßte 4 2
Büchſe und Laſſo. I. Heißer Boden.
Der Paſſagier Nr. 7. Max Lau)
Buchhalter
älterer Herr (
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ſionär), d. noch
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fähig iſt, aufs Land
geſucht. Verheirateter
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beſchäftsſt. (**72ß2egol
R
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Haushalt tagsüber
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2) Ich haſſe die uneingeſeihte Menge und halte ſie fern,
Oden 3, 1, 1
12) Wunderbar anzuſehen, d. h. ein wunderbarer Anblick.
14) Theſeus, König von Athen, ging mit ſeinem Freund Peri
dem König der Lapithen, nach dem Tode von deſſen Gemahlin"
damia in die Unterwelt, um die Proſerpina zu entführen, wurde
gefeſſelt und zurückbehalten.
15) Ich habe geſprochen und meine Seele gerettet, auf Heſel
18, 19 und 33, 8, 9 zurückgehend.
16) Bildlicher Ausdruck für mißtrauiſch geſpannte Wachſat
Argos war in der griechiſchen Sage ein mit vielen Augen bee
Rieſe, der deshalb „der Allſehende” genannt wurde.
) Richtig: „Phintias, berühmt durch fein Freundſchaftsverk
zu Damon, das Schiller in der Bürgſchaft” verherrlicht hat.
12) Durch Wein und Schlaf aufgelöſt, Ovid, Faſti 2, 333.