Darmstädter Tagblatt 1923


14. Oktober 1923

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Nummer 284
Sonntag, den 14. Oktober 1923
186. Jahrgang

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Bei Konkurs, oder gerſchtlicher Beſtreibung fällt
ſeder Rabatt weg. Banklonto: Deutſche Bank und
Darmſfädter 8 Nationalbank.

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Die Sonderbündſer.
Mißglückter Separatiſtenputſch in Mainz.
Mainz, 13. Okt. (Wolff.) Heute nacht kurz vor 11 Uhr
verſuchten Separatiſten mit grün=weiß=roten Armbinden,
das Stadthaus zu ſtürmen. Die dort ſtationierte Polizei=
wache
in Stärke von vier Mann leiſtete den Eindringlingen
Widerſtand, wobei auf beiden Seiten geſchoſſen wurde. Ein
Polizeibeamter wurde durch einen Schuß in den Ober=
chenkel
verletzt. Auch auf ſeiten der Separatiſten
jab es einige Verletzte, die von ihren Parteigängern vom
Platz gebracht wurden.
Por der Ausrufung der Rheiniſchen Republik.
Franzöſiſche Wünſche.
* Paris, 13. Okt. (Priv.=Tel.) Die Liberté will aus
uverläſſiger Quelle erfahren, daß die Ausrufung der
heiniſchen Republik nur noch eine Frage von Tagen
ei. Die Führer der Abfallbewegung hätten zur Aufrechterhal=
ung
der Ordnung eine freiwillige Miliz organiſiert und dieſer
Niliz 20 000 Karabiner zur Verfügung geſtellt, die ihnen von
eiten der Berliner Regierung ſeinerzeit übergeben worden
paren, um den Franzoſen Widerſtand zu leiſten. Die Bewe=
ung
werde angeſichts der Gemütsverfaſſung der rheiniſchen Be=
ölkerung
auf wenig Widerſtand ſtoßen und unblutig verlaufen.
in allernächſter Zeit würden in allen größeren Städten des
iheinlandes Maueranſchläge vorgenommen und die Unabhän=
igkeit
des Rheinlandes verkündet. Die Rheinlandwehr werde
larmiert werden, um bei Tagesanbruch alle Verwaltungs=
ebäude
, Poſtanſtalten und größeren Werke, zu beſetzen. Die
tichtigſten Aemter in den Verwaltungszweigen und andere lei=
nde
Stellen ſeien bereits vergeben.

Vom Tage.

Der Umrechnungsſatz für die Abgabe der landwirt=
ſchaftlichen
, forſtwirtſchaftlichen und gärtneriſchen Betriebe
(Landabgabe) beträgt für den 17. bis 19. Oktober einſchließlich 1080
Millionen für je eine Goldmark.
Der Aerzteindex für die Privatpraxis iſt von der Honorar=
kommiſſion
der Aerztekammer und des Großberliner Aerztebundes mit
Wirkung vom 14. Oktober ab auf 400 Millionen feſtgeſetzt.
Wie verlautet, fanden im Reichsernährungsminiſterium
Beſppechungen mit Intereſſenten des Bäckereigewerbes ſtatt, die ſich mit
den Forderungen der Regierungsparteien nach Fort=
beſtehen
der Zwangswirtſchaft für Brot befaßten.
In Blankenburg a. H. und den umherliegenden Bezirken iſt der
Generalſtreik ausgebrochen. Die Arbeiter fordern Goldlöhnung.
Der Reichstag hat bei 347. Abſtimmenden (alſo mehr als die
erforderliche Zweidrittelmehrheit) das Ermächtigungsgeſetzmit
316 gegen 24 Stimmen angenommen bei 7. Stimmenthal=
tungen
. Damit iſt das Geſetz entgültig angenommen.
Die Münchener Polizei belchlagnahmte in der Gaſtwirtſchaft des
Gewerkſchaftshauſes dort eingelieferte Liſten und Verzeichniſſe, die von
den Führern der Kommuniſtiſchen Partei Deutſchlands ausgegeben
waren. Von den anweſenden Führern der K. P. D. wurden einige
in vorläufige Schutzhaft genommen.
Es beſtätigt ſich nunmehr, daß die neue Tanger=Konferenz
am 22. Oktober in Paris ſtattfindet.
Der Daily Mail=Truſt Ltd. kaufte für den Preis von
6 Millionen Pfund Sterling eine Anzahl größerer Zeitun=
gen
an, darunter in London den Buening Standard, Daily Sketch und im Ruhrgebiet in Beratungen mit den Beſatzungsmächten einzu=
den
Sunday Herold ſowie mehrere führende Blätter Mancheſters.
nem Poſten zurückgetreten iſt, hat beſchloſſen, ſich Ende des
Monats nach den Vereinigten Staaten zu begeben.
den 300 Millionen.

Annahme des Ermächtigungs geſetzes.

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Berlin, 13. Okt. (Wolff.) Der Reichstag hat bei 347
bſtimmenden (alſo mehr als die erforderliche Zweidrittelmehr=
eit
) das Ermächtigungsgeſetz mit 316 gegen 24
timmen angenommen bei 7 Stimmenthaltungen. Da=
it
iſt das Geſetz endgültig angenommen.
Reichstagsſtimmungsbild.
Von unſerer Berliner Redaktion.
Der Reichstag hat ſich durch Erledigung der Abſtimmung
der das Ermächtigungsgeſetz in das öffentliche Intereſſe plötz=
ch
wieder zurückgeſchaltet, und zum erſten Male ſeit Monaten
eine Menſchenanſammlung vor dem Hauſe zu beobachten ge=
eſen
, die mit Spannung das Ergebnis abwartete, um in die=
m
geſchichtlichen Augenblick wenigſtens in der Nähe zu ſein.
m Haufe ſelbſt ging es wie in einem Ameiſenſchwarm zu. Die
Handelhalle war überfüllt, der Saal beſetzt wie wohl kaum ſeit
m Tage, da Fürſt Bülow wegen der Erbſchaftsſteuer den
eichstag auflöſte. Von den Demokraten fehlte nur Graf Bern=
orff
, den ein Telegramm im Haag zu ſpät erreichte. Vom Zen=
um
waren zwei Herren krank. Dazu kam noch Herr Giesberts,
r in Moskau iſt. Außerdem war Dr. Pfeiffer aus Wien her=
dergekommen
. Im ganzen hatte das Zentrum neun Mann mehr
S am Donnerstag aufzuweiſen. Von der Deutſchen Volkspartei
hlten drei Herren, zwei davon ſind erkrankt. Herr Stinnes und
err Vögler ſind dagegen zur Stelle. Auch die Sozialdemokraten
itten ihre Reſerven herangeholt, ſogar Dr. Köſter war aus
iga herbeitelegraphiert worden. Sie hatten zudem verſtärkten
raktionszwang beſchloſſen. Jedes Mitglied der Fraktion mußte
itſtimmen und eine Karte mit Ja abgeben, da die Ausſichten
gegen davon ſprachen, daß Bayern umfallen und auf Anwei=
na
aus München die deutſchnationale Obſtruktion mitmachen
Ute. Von der Haltung Bayerns und der Mitglieder der ſo=
aldemokratiſchen
Fraktion hing das Schickſal des Ermächti=
ingsgeſetzes
ab.
Pünktlich eröffnete Präſident Loebe die Sitzung. Da er mit
mmuniſtiſchen Manövern rechnete, erinnerte er zu Beginn der
itzung an die Geſchäftsordnung, die dem Präſidenten das Recht
bt, das Wort zur Geſchäftsordnung nach freiem Ermeſſen zu
teilen und die Redezeit auf fünf Minuten herabzuſetzen. Hierin
itte er ſich auch nicht getäuſcht. Als erſter war der Kommuniſt
töckert zur Stelle und verlangte die dringende Behandlung
nes auf die ſozialdemokratiſche Pſyche gerichteten Antrages,
r die Not der Erwerbsloſen im beſetzten Gebiet zum Gegen=
ind
hatte. Der Präſident verſuchte zu vermitteln und wollte
eſen Antrag hinter die Abſtimmung zurückſtellen. Von rechts
er wurde Widerſpruch erhoben, und damit war der Antrag
genſtandslos. Die Kommuniſten waren geſchlagen und revan=
ierten
ſich wit einem vernehmlichen Kanaillen! und Wenn
hr nur reich werdet! nach rechts hinüber. Als zweiter Red=
r
marſchierte der Kommuniſt Koenen auf, der die ſofortige
ehandlung des Verbots der Roten Fahne verlangte. Auch
eſer Vorſtoß wurde durch Widerſpruch abgewieſen, und ehe
e Kommuniſten ſich von ihrer Ueberraſchung erholt hatten,
hloß der Präſident das Wort zur Geſchäftsordnung. Der Leid=
agende
hierbei war Herr Ledebour, der jetzt an der Reihe war.
1s alter Taktiker ſtellte er ſich aber raſch um und erbat das
vort zur Abſtinmung, um nun die Hinausſchiebung der Abſtim=
ung
zu beantragen, bis der Reichskanzler ſich auf die verſchie=
nen
Anzapfungen über ſeine Beziehungen zu Bahern geäußert
ibe. Der Kanzler aber ſchwieg. Herr Ledebour ſah ſich allein
laſſen, und was er noch auf dem Herzen hatte, ging in dem
(gemeinen Gelächter unter. Bevor nun die eigentliche Abſtim=
ung
begann, erhielt noch der Führer der Bayeriſchen Volks=
(rtei, Abgeordneter Leicht, das Wort zu einer kurzen Erklärung.
r ſtellte darin feſt, daß die Bayeriſche Volkspartei die Obſtruk=
on
nicht mitmachen werde. Sie werde gegen das Geſetz ſtim=
en
, aber im Saale bleiben, in der Hoffnung, daß die Reichs=
Mexung alles tun werde, um die Beziehungen zu Bayern zu

Die Woche.

beſſern. Die Hoffnung habe ſich bisher nicht erfüllt das wird
im Saale als ein Abſchwenken der Bayeriſchen Volkspartei auf=
gefaßt
, was ohne weiteres den Fall des Ermächtigungsgeſetzes
bedeuten würde , er drehte aber wieder ab und fügte mit ſtar=
ker
Betonung hinzu, daß trotzdem die Bayern an ihrer Haltung
feſthalten werden. Dann waren alle Vorausſetzungen für die Ab=
ſtimmung
erfüllt. Die Schriftführer eilten mit den Dienern
durch den Saal, um die Zettel einzuſammeln und unter man
kann ſchon ſagen atemloſer Spannung begann die Auszählung,
während die Deutſchnationalen und die Kommuniſten den Saal
verließen. In wenigen Minuten war die Arbeit vollendet. Der
Präſident läutete und verkündete das vorläufige Ergebnis.
Das bedeutete jetzt beine Ueberraſchung mehr. Abgegeben
wurden 347 Karten. Die Vorausſetzungen des § 76 der Verfaſ=
ſung
waren alſo erfüllt, da von dieſen 347 Stinnen 24 mit
Nein und 316 mit Ja abgegeben wurden, während ſich 7 der Ab=
ſtimmtng
enthielten. Der Präſident konnte alſo feſtſtellen, daß
das Geſetz angenommen worden war, eine Feſtſtellung, die von
der Mehrheit mit lebhaftem Beifall und von den Kommuniſten
mit Pfuirufen aufgenommen wurde. Gegen das Geſetz ſtimmten
die Bayeriſche Volkspartei, der Bayeriſche Bauernbund und die
Deutſch=Hannoveraner. Blaue Zettel hatten einige Mitglieder
der Deutſchen Volkspartei, darunter der Abgeordnete Stinnes,
abgegeben. Man erteilte dann noch kurz Herrn Höllein das Wort
zur Begründung eines kommuniſtiſchen Antrages, und befriedigt
vertagte ſich der Reichstag, indem er dem Präſidenten die Anbe=
raumung
der nächſten Sitzung überließ.
Berlin, 13. Okt. (Wolff.) Nachdem das Ermächtigungs=
geſetz
im Reichstag angenommen war, fand auch das Geſetz über
die Vermögensſtrafen und =Bußen Annahme. Darauf vertagte
ſich der Reichstag. Die nächſte Sitzung findet, wie der Präſident
mitteilte, vorausſichtlich Ende der wächſten Woche oder Anfang
der übernächſten Woche ſtatt. Alsdann wird ſich der Reichstag
mit dem Arbeitsgeſetz zu beſchäftigen haben.
Bayern verzichtet auf Einſpruch gegen das
Ermächtigungsgeſetz.
Berlin, 13. Okt. Der Reichsrat trat unmittelbar nach
Schluß der Plenarſitzung des Reichstages zu einer öffentlichen
tigungsgeſetz nach dem Beſchluß des Reichstags einverſtanden,
ohne einen Einſpruch zu erheben. Der bayeriſche Geſandte von
Preger erklärte, daß Bayern an ſeinem ablehnenden Stand=
punkte
feſthalte, aber angeſichts der Sochlage darauf verzichte,
einen Antrag auf Erhebung von Einſpruch zu ſtellen.
mungsergebnis der geſtrigen Reichstagsſitzung in einer gerade=
zu
verblüffenden Schnelligkeit nach Paris gelangte, begnügten
ſich die Abendblätter ſümtlich nur mit der Wiedergabe der amt= Zuſtände die einzige mögliche Löſung darſtellt und von der im=
lichen
Hadasmeldung, ohne zu der Abſtimmung mit ihren innen=
und außenpolitiſch tief einſchneidenden Folgen kritiſch Stellung
zu nehmen. Offenbar war ihnen bis zu ihrem Erſcheinen keiner=
lei
Direktive ſeitens des Außenminiſteriums gegeben worden. Wir
hatten Gelegenheit, eine ſehr maßgebende politiſche Perſönlich=
keit
über die Auffaſſung der hieſigen Regierungskreiſe zu dem
Ergebnis zu befragen und konnten dabei feſtſtellen, daß man in
hieſigen maßgebenden Kreiſen der Abſtimmung mit großer
Spannung entgegengeſehen hat, wenn man auch glaubte, auf
Grund der letzten Berliner Berichte mit der erforderlichen Zwei=
drittelmehrheit
rechnen zu können. Man war jedoch ſeiner Sache
nicht ganz ſicher und hegte große Beſorgniſſe über das, was dann
zu erwarten wäre, oder vielmehr, was dann überhaupt zu ge=
ſchehen
hätte. Ganz unverkennbar iſt das Unbehagen über eine
ungewiſſe Zukunft infolge der ernſten Verhältniſſe in Deutſch=
land
,
(Reichstagsbericht ſiehe Seite 3.)

Innerpolitiſcher Hader hat, wie leider ſchon ſo oft in der
deutſchen Geſchichte, wieder einmal in entſcheidenden Tagen und
Wochen die Außenpolitik des Reiches aufs Schwerſte gelähmt
und die Aufmerkſamkeit der deutſchen Oeffentlichkeit faſt völlig
abſorbiert. Die Aufgabe des paſſiven Widerſtandes an Rhein
und Nuhr bezeichnet, wie wir an dieſer Stelle ſchon eingehend
ausführten, lediglich einen neuen Abſchnitt des Kampfes um die
Lande am Rhein, keineswegs ſein Ende. Feierlich hatte Herr
Poincaré vor aller Welt verkündet, daß nach der Beendigung des
paſſitzen Widerſtandes Verhandlungen mit Deutſchland einge=
leitet
würden. Wohl niemand in Deutſchland hat ſich irgend=
welchen
Illuſionen über die Abſichten Herrn Poincarés hingege=
ben
, und auch die Reichsregierung dürfte keine allzugroßen Hoff=
nungen
auf ein Entgegenkommen des franzöſiſchen Miniſter=
präſidenten
geſetzt haben. Wenn trotzdem deutſcherſeits der Ver=
ſuch
gemacht wurde, den Konflikt mit dem weſtlichen Nachbarn
auf dem Verhandlungswege zu bereinigen, ſo war dabei offen=
bar
der Gedanke maßgebend, daß in Anbetracht der allgemeinen
politiſchen Lage das deutſche Reich zunächſt alle Möglichkeiten
erſchöpfen müſſe. Schwerſte Belaſtung nationalen Ehrgefühls,
aber bittere Konſequenz jener Torheit, welche glaubte, daß die
Selbſtentwaffnung Deutſchlands eine neue Aera der Politik, eine
Aera des Friedens und des Rechts einleiten werde.
Nachdem bereits am 27. September die Reichsregierung den
franzöſiſchen und belgiſchen Vertretern in Berlin die Erklärung
abgegeben hatte, daß Deutſchland bereit ſei, über die Frage der
Wiederaufnahme des normalen Verkehrs und Wirtſchaftslebens
treten, und nachdem man es in Paris und Brüſſel nicht für =
Der amerikaniſche Botſchafter Harvey, der von fei= tig gefunden hatte, von dieſer Erklärung irgendwelche amtliche
Notiz zu nehmen, hat die Reichsregierung jetzt neuerdings in
Paris und Brüſſel durch ihre dortigen Vertreter die gleiche Frage
Der Dollarſchlußkurs in Neu=York betrug am Samstag 3 Milliar= unterbreitet. Während der belgiſche Miniſterpräſident eine aus=
weichende
Antwort erteilte, hielt Herr Poincaré es nicht mehr
für nötig, ſeine Abſichten noch weiterhin irgendwie zu ver=
ſchleiern
. Nicht nur, daß er nach wie vor Verhandlungen mit
Deutſchland ablehnt, ſondern er fühlt ſich ſeiner Sache bereits
ſo ſicher, daß er die deutſche Regierung für das Ruhrgebiet über=
haupt
nicht mehr für zuſtändig erklärt. Es iſt die Abſicht Frank=
reichs
und Belgiens, die Wiederherſtellung des früheren Zu=
ſtandes
durch direkte Verhandlungen mit der deutſchen Wirt=
ſchaft
und den deutſchen lokalen Behörden zu regeln. Dieſe Re=
gelung
geht allein Frankreich und Belgien und
die Bewohner der beſetzten Gebiete an. Mit al=
ler
Deutlichkeit erklärt man alſo, daß man Ruhrgebiet und
Rheinland als losgelöſt vom übrigen Deutſchland betrachtet
und keine Souveränität des Reiches gegenüber dieſem deutſchen
Gebiet anerkennt. Vor nunmehr einem Jahre veröffentlichten
wir die Denkſchrift jenes Herrn Dariac, die vom offiziellen
Frankreich alsbald als eine Privatarbeit hingeſtellt wurde.
Heute gibt die franzöſiſche Regierung offen zu, daß ſie völlig
auf dem Boden der dort gemachten Vorſchläge ſteht. Aus der
verſchleierten Annexion hat man bereits die erſten Folgen ge=
zogen
. Unter Verletzung der deutſchen Staatshoheit und aller
Souveränitätsrechte des Reiches hat Frankreich mit einem rhei=
niſchen
großinduſtriellen Konzern Abmachungen getroffen, die
auf ſofortige Wiederaufnahme der Sachlieferungen abzielen.
Wenn der Phönix=Konzern, der ſich zu drei Vierteln auf hollän=
diſches
Kapital ſtützt, glaubt, bei einem ſolchen Geſchäft auf
ſeine Rechnung zu kommen, ſo iſt das ſeine Sache. Etwas ganz
anderes iſt es jedoch, ob das Deutſche Reich durch eine derartige
Abmachung verpflichtet wird, die auf Grund eines ſolchen Ver=
trages
getätigten Sachleiſtungen zu bezahlen.
Außenpolitiſche volle Klarheit zu ſchaffen, iſt nunmehr die
Aufgabe der Berliner Regierung. Reichskanzler Dr. Streſe=
mann
hat ſelbſt in ſeiner Reichstagsrede vom 6. Oktober er=
klärt
, daß es eine Grenze der Geduld des deutſchen Volkes gäbe,
Dieſe Grenze iſtnunmehr erreicht. Auf jenes deut=
ſche
Memorandum vom 7. Juni, welches ein ſo weitgehendes
Angebot enthält, wie es noch niemals ein Volk gemacht hat, iſt
bis heute noch nicht einmal eine Antwort eingegangen. Der
Verſuch zu Verhandlungen über die Löſung des ſchwebenden
Konflikts zu kommen, iſt reſtlos geſcheitert. Für die Reichs=
regierung
gilt es, aus dieſen Tatſachen die Konſequenzen zu
ziehen. Der Vertrag von Verſailles iſt von Frankreich ſchnöde
gebrochen, die Pariſer Abſichten unverhüllt ausgeſprochen.
Die Anerkennung der verſchleierten Anexion der Rheinlande iſt
es, die Herr Poincaré von der deutſchen Regierung verlangt.
Niemals wird Regierung und Volk ſich dazu hergeben.
Die geſtrige Reichstagsſitzung hat die innerpolitiſche Kriſe
beendet. Mit der verfaſſungsmäßig gebotenen Zweidrittel=
mehrheit
hat der deutſche Reichstag dem Kabinett Streſemann
durch das vielbeſprochene Ermächtigungsgeſetz weitgehende Voll=
machten
erteilt. Der Weg zur Tat liegt damit offen, und mit
Recht erwartet das deutſche Volk nunmehr energiſches Handeln
Vollverſammlung zuſammen und erklärte ſich mit dem Ermäch= von ſeiner Führung. Der völlige Zuſammenbruch der deutſchen
Währung hat Zuſtände geſchaffen, die nicht nur auf die Dauer
unerträglich ſind. Die außerpolitiſche Aktionsfähigkeit kann nur
dann wieder hergeſtellt werden, wenn auch im Innern mit eiſer=
ner
Energie Ordnung geſchaffen wird. Die Durchführung der
Währungsreform auf Grund des ja bereits veröffentlichten
Währungsbankgeſetzes dürfte eine der erſten Taten der Reichs=
* Paris, 14. Okt. (Priv.=Tel.) Trotzdem das Abſtim= regierung nach Erlaß des Ermächtigungsgeſetzes ſein. Eine
Zwiſchenlöſung wird damit geſchaffen, die ſicherlich noch keines=
wegs
das Ideal iſt, die aber in Anbetracht der kataſtrophalen
merhin zu hoffen iſt, daß ſie in kürzeſter Friſt wenigſtens eini=
germaßen
ſtabile Verhältniſſe ſchafft. Hand in Hand mit die=
ſer
Währungsreform muß die Steigerung der Produktion gehen.
Zielbewußte Führung darf nicht vor unpopulären Maßnahmen
zurückſchrecken, insbeſondere nicht in der Stunde höchſter natio=
naler
Gefahr.
Es wäre völlig verfehlt, wenn man die ſchweren Gefahren,
welche für die Exiſtenz des deutſchen Reiches beſtehen, nicht klar
ins Auge faſſen würde. Wir ſtehen zum Reich und werden für
die Einheit Deutſchlands bis zum Aeußerſten kämpfen, ſo er=
klärt
zwar die neue ſozialiſtiſch=kommuniſtiſche Regierung in
Sachſen in einem wortreichen Aufruf, der die Gefahr, welche
dem Reiche gerade von dieſer Seite her droht, klar erkennen läßt.
Der Triumph des Kommunismus, der ſehr wohl weiß, daß er
bei einer ſolchen Regierungskoalition unbedingt der ſtärkere
iſt, beweiſt zur Genüge, wie ernſt die Lage beurteilt werden muß.
Der Reichskanzler hat in der ſchon weiter oben erwähnten
programmatiſchen Rede beherzigenswerte Worte über das Ver=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 14. Oktober 1923.

Mummer 284.

hältnis zwiſchen Reich und Ländern geſprochen, denen entnom=
men
werden konnte, wie großes Gewicht die Reichsregierung auf
ein reibungsloſes Zuſammenarbeiten mit den Regierungen der
Länder legt. Wir hoffen aber, daß man in Dresden nicht ver=
gißt
, daß die Reichsverfaſſung auch Beſtimmungen enthält,
welche der Reichsregierung Möglichkeiten des Eingreifens geben
gegenüber die Reichsſicherheit gefährdenden Ländern, und von
der Reichsregierung muß erwartet werden, daß ſie dieſe Beſtim=
mungen
gegebenenfalls rückſichtslos zur Anwendung bringt.
Ein trübes Bild bietet die politiſche und wirtſchaftliche Lage
unſeres Volkes. Gewaltige Aufgaben ſind es, welche der Löſung
harren. Weitgehende Vollmachten hat der Reichstag der Reichs=
regierung
erteilt. Taten erwartet jetzt das deutſche Volk. M.

Franzöſiſcher Peſſimismus.
* Paris 13. Okt. (Priv.=Tel.) Nach Auffaſſung der hie=
ſigen
Kreiſe iſt in Deutſchland die Kriſe trotz der Annahme des
Ermächtigungsgeſetzes durchaus noch nicht vorüber. Vielmehr
gibt man der Befürchtung Ausdruck, daß Parteiintrigen und ins=
beſondere
die Haltung Bayerns dem Kanzler noch viel Unan=
nehmlichkeiten
bereiten werden. Es wird offen zugeſtanden, daß
Herr Streſemann nur unter übermenſchlicher Anſtrengung ſeine
finanziellen Pläne in die Tat umſetzen könne. Dies erwarte man
in Paris als die allernächſte Maßnahme, ohne im Grunde an
ihren Erfolg zu glauben. Zwar wollen die diplomatiſchen Kreiſe,
die dem Quai dOrſay naheſtehen, ſich dieſem Peſſimismus nicht
anſchließen. Sie wünſchen dem Kanzler vielmehr zu ſeinem Be=
ginnen
viel Glück. Aber immerhin glauben auch ſie nicht recht
an ſeinen Erfolg.
Für eine Diktatur in Deutſchland.
Was die Pariſer Information von einer Dik=
tatur
erwartet?
* Paris, 13. Okt. (Priv.=Tel.) Eim Mitarbeiter der
Pariſer Information betonte heute die Notwendigkeit einer
Diktatur Dr. Streſemanns oder einer anderen in Deutſchland;
da nur eine Macht, die unabhängig von der inneren deutſchen
Politik bliebe, verſuchen könne, Deutſchland aus ſeiner heutigen
Lage zu befreien. Die wichtigſte Frage ſei, ob Streſemann die
Kraft haben werde, die Methoden der deutſchen Nationaliſten,
die das Rettungswerk verhindern, zu durchkreuzen. Ein erſter
Schritt zur Beſeitigung der finanziellen Anarchie in Deutſch=
land
ſei die Einführung der Goldſteuer. Jetzt ſei es die Aufgabe
des Reichskanzlers, der Reparationskommiſſion einen Plan vor=
zulegen
, der die Ausſicht eröffnet, das Elend und die Arbeits=
loſigkeit
in Deutſchland zu beſeitigen. Fraglich bleibt aber da=
nach
noch das geſchäftliche Vertrauen zu Deutſchland. Der Ver=
faſſer
des Artikels behauptet, daß viele Deutſche ſeit 1919 in den
neutralen Ländern, vor allem in der Schweiz, ungeheuere Men=
gen
von Papiergeld verkauft haben, das dann nach England und
Amerika ausgeführt wurde, die enorme Verluſte durch das deut=
ſche
Verſchulden erlitten hätten. Infolgedeſſen herrſche dort eine
ſtarke Erbitterung. In der Schweiz allein ſei ſeit dem genann=
ten
Jahre Papiergeld in der Höhe von 15 Milliarden Goldmark
umgeſetzt worden. Heute ſei in der Schweiz ſo gut wie gar kein
deutſches Guthaben mehr vorhanden.
Eine Konkursverwaltung für Deutſchland?
Gerüchte über eine zu erwartende Note der
Reichsregierung.
* Paris 13. Okt. (Priv.=Tel.) Der Berliner Korreſpon=
gent
der Taily News gibt Gerüchte wieder, die über die zu er=
wartende
Note der deutſchen Regierung an die
Reparationskommiſſion im Gange ſind. Danach glaubt
man in einzelnen Kreiſen, daß die Reichsregierung die Repa=
rationskommiſſion
einladen werde, ſich von der kataſtrophalen
Lage Deutſchlands ſelber zu überzeugen und zu entſcheiden, was
zu geſchehen habe. In anderen Kreiſen erklärt man, daß die
Note der Regierung geradezu von einem Bankerott
Deutſchlands ſprechen und der Reparationskommiſſion
nahelegen werde, eine Konkursverwaltung einzurichten.
Belgien für Verſtändigung mit Deutſchland.
* Paris 13. Okr. (Priv.=Tel.) Nach einer Meldung aus
Brüſſel haben die franzöſiſche und engliſche Regierung ſich ein=
verſtanden
erklärt, daß ſich die Reparationskommiſſion mit dem
belgiſchen Sachverſtändigenentwurf befaßt, der bekanntlich eine
Reihe finanzieller Maßnahmen im beſetzten und unbeſetzten Ge=
biet
vorſieht. In einer halbamtlichen Note legt die Regierung
ihren Standpunkt in dieſer Frage dar und betont, daß die Ent=
würfe
ihrer Anſicht nach geeignet ſeien, die Baſis für eine wei=
tere
Erörterung des Reparationsproblems zu bilden. Die bel=
giſche
Regierung ſtellt ſich nach wie vor auf den Standpunkt, daß
die Verbündeten, wenn Berlin alle Vorausſetzungen für die Er=
öffnung
einer Ausſprache erfüllt haben werde, für eine Löſung
des Reparationsproblems freie Hand haben müſſen. Obgleich
der paſſive Widerſtand noch nicht als völlig beendet angeſehen
werde, will das Brüſſeler Kabinett, daß man Deutſchland die

Anbahnung von Verhandlungen erleichtere.

Heſſiſches Landestheater.
Großes Haus. Samstag, den 13. Oktober.
Louis Ferdinand.
Ein Drama von Fritz von Unruh.
Fritz von Unruh wird von der Welle der Zeit getragen.
Dem Adel entſproſſen, Adjutant eines kaiſerlichen Prinzen,
ſchrieb er 1912 das Drama Offiziere, das den ſoldati=
ſchen
Konflikt zwiſchen der Pflicht zur Unterordnung und dem Wil=
len
zur Tat auf dem Boden der ſüdafrikaniſchen Kolonialkämpfe
erwachſen läßt. Ihm folgte 1914 ein zweites Pflicht=Drama:
Louis Ferdinand. Prinz von Preußen dem der
Dichter den Wahrſpruch altpreußiſchen Geiſtes voranſetzte: Wie
über Sterne das Geſetz, erhebt ſich über Menſchen die Pflicht,
groß und ernſt. Unruh zog ins Feld; aus den Leiden und
Schrecken des Krieges entſtrömte ihm der Notruf: Ein Ge=
ſchlecht‟
Die Revolution mit der Erſchütterung aller Ver=
hältniſſe
folgte unk zog den Dichter in ihren Strudel. Chaotiſch
wie die Zeit ſind die Dramen Platz und Stürme‟,
chaotiſch in der Form wie im Ideen=Gehalt. Ob Unruh aus die=
ſem
Chaos herausfinden wird? Ob es ihm gelingen wird,
ſich in innerer Harmonie und Klarheit über die Zeit zu ſtellen?
Das Drama Louis Ferdinand, zunächſt von der Freien
literariſch=künſtleriſchen Geſellſchaft durch eine Vorleſung mit
Ebert und Gerda Müller in Darmſtadt eingeführt, erlebte dann
im März 1921 hier ſeine erſte Bühnen=Darſtellung. Die geſtrige
Auffuhrung brachte einige Neubeſetzungen. Die Rolle der Pau=
line
Wieſel, iſt von Eliſabeth Horn auf Anne Kerſten über=
gegangen
. Frau Kerſten, deren Künſtlerſchaft ich im vorigen
Winter in mehreren Aufführungen des Mainzer Stadttheaters
ſchätzen lernte, iſt eine Schauſpielerin, die zu feſſeln weiß. Ihre
Pauline Wiſel, das Sinnenweibchen, das Louis Ferdinand um=
wirbt
und für Napoleon ſich entzündet, hatte ſinnliche Atmo=
ſphäre
, hatte die gleißende Schmiegſamkeit der Schlange und
hatte auch den echten Ton enttäuſchten Weibtums. Frau Ker=
ſtens
Begabuns ſcheint auf der Linie der Orska zu liegen. Sie
dürfte eine überzeugende Lulu ſein.
Als Königin Luiſe vereinigte Hedwig Sparrer ſym=
pathiſche
Schlichtheit des Spiels mit Wärme des Gefühles. Sie
ſtellte gegenüber, der früheren Beſetzung einen Fortſchritt dar,
was man von den neuen, jüngeren männlichen Kräften leider
nicht ſagen kann.

Berlin, 13. Okt. Amtlich wird gemeldet: Nachdem
bereits vor einigen Tagen die Verordnung über die Zahlung
der Steuern in Goldmark erlaſſen worden iſt, beſchäf=
tigte
ſich das Reichskabinett in ſeiner geſtrigen Sitzung mit der
Frage der
Bekämpfung der Preistreibereien der Kartelle und der
Preiskonventionen.
Die beteiligten Reſſorts ſind mit der Löſung dieſer Fragen
beſchäftigt. Anſchließend daran kamen Richt linien für die
künftige Wohnungspolitik zur Erörterung und Be=
ſchlußfaſſung
. Weitere Beſchlüſſe der Reichsregierung betreffen
die ſogen. Demobilmachungsordordnungen, das ſind die Verord=
nungen
über die Einſtellung und Entlaſſung von
Arbeitnehmern vom 22. Februar 1920, und über die Be=
triebsſtillegungen
vom 8. November 1920. In dieſen
Verordnungen hat ſich die Reichsregierung von vornherein von
dem Beſtreben leiten laſſen, die Produktivität der Wirtſchaft
wiederherzuſtellen, ohne dabei auf den notwendigen Schutz der
Arbeitskraft zu verzichten. Die Reichsregierung hat des=
halb
die geltenden Vorſchriften dahin ergänzt, daß in der Sperr=
friſt
von regelmäßig vier Wochen, die einer Betriebsſtillegung
oder großen Betriebseinſchränkung vorausgehen müſſen, Ent=
laſſungen
von Arbeitnehmern nur mit Zuſtimmung der Behör=
den
maßgebend ſind, und daß die Behörden während dieſer
Sperrfriſt auch die
Streckung der Arbeit bis auf 24 Stunden
vorſchreiben können. Auf der anderen Seite hat die Reichs=
regierung
in Artikel 1 der neuen Verordnung den § 12 der Ver=
ordnung
vom 22. Februar aufgehoben. Nach dieſer Vorſchrift
war jeder Arbeitgeber gezwungen, die Arbeit in ſeinem Betrieb
zu ſtrecken, wenn er auch nur einen einzelnen Arbeiter entlaſſen
wollte. Das bedeutete eine Belaſtung für die Betriebe, die mit
den Grundſätzen der Produktivität ſchlechterdings unvereinbar
iſt. In den weiteren Vorſchriften der neuen Verordnung werden
die landesrechtlichen Beſtimmungen über Betriebsſtillegung und
Arbeitsſtreckung in den Betrieben für wirkſam erklärt.
Eine weitere Verordnung der Reichsregierung ſchreibt die
Erhebung von Beiträgen zugunſten der Erwerbsloſenfürſorge
vor. Die Verordnung ſoll die Gewähr dafür bieten, daß die Er=
werbsloſenfürſorge
, die unterſtützende ſowohl wie auch die pro=
duktive
, und die öffentliche Arbeitsvermittelung trotz der finan=
ziellen
Notlage des Reiches in dem Maße fortgeführt werden
kann, das aus politiſchen und ſozialen Gründen unerläßlich iſt.
Die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ſollen eine be=
ſtimmte
Höchſtgrenze von 20 v. H. des Krankenkaſſenbeitrages
nicht überſteigen. Für Gemeinden mit großer Arbeitsloſigkeit
treten ergänzend auch weiterhin das Reich und die Länder ein.
Bemerkenswert iſt in der neuen Verordnung noch die Beſtim=
mung
, nach der der Erwerbsloſe gemeinnützige Ar=
beit
gegendie Unterſtützung zu leiſti hat. Soweit für
Jugendliche Arbeitsgelegenheit nicht gegeben
iſt, haben ſie ſich an den Einrichtungen zur Fort=
bildung
und Ausbildung zu beteiligen. Es wird ſo=
mit
zum erſtenmal der Grundſatz aufgeſtellt, daß die Unterſtüt=
zung
nicht ohne Gegenleiſtung gegeben wird, und es wird damit
die Möglichkeit geſchaffen, brachliegende Arbeitskräfte noch pro=
duktiver
zu beſchäftigen. An allen Entſcheidungen, die aufgrund
dieſer Verordnungen ergehen, ſind paritätiſche Ausſchüſſe von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern beteiligt.
Auf die Tagesordnung einer Kabinettsſitzung am kommen=
den
Montag iſt die Beſchlußfaſſung über die Währungsfrage
geſetzt.
Verordnung über die Steueraufwertung und
Pereinfachung des Beſteuerungs=Verfahrens.
TU. Berlin, 12. Okt. Die angekündigte Verordnung des
Reichspräſidenten über Steueraufwertung und Vereinfachung
des Beſteuerungsverfahrens iſt heute herausgegeben worden.
Die Verordnung ſtützt ſich auf Artikel 48 der Reichsverfaſſung
und umfaßt 18 Paragraphen. Der Verordnung beigegeben iſt
eine Begründung, die den weſentlichen Inhalt der Verordnung
wiedergibt und in der es u. a. heißt:
Die deutſche Privatwirtſchaft hat ſich auf wertbeſtändige
Zahlungen eingeſtellt. Die öffentliche Wirtſchaft kann auf Wert=
beſtändigkeit
der dem Staat geſchuldeten Steuerleiſtungen nicht
mehr derzichten. Auf der anderen Seite muß ſich der Staat auch
bereitfinden, zuviel gezahlte Steuern wertbeſtändig zurückzuzah=
len
. Die Umſtellung der Steuerleiſtungen auf Wertbeſtändigkeit
ſoll die Arbeit des Behördenapparates wieder fruchtbringend
machen.
I. Steueraufwertung.
Bei der Behandlung der Steuerſchuld unter dem Geſichts=
punkt
der Aufwertung ſind drei verſchiedene Gruppen zu unter=
ſcheiden
:

Walter Neymer gab dem Prinzen, wie früher, den Reiz
der ſchlanken Erſcheinung, des vollen Organs, der friſchquellen=
den
Empfindung. Den gütigen, doch willensſchwachen König
ſpielte Joſeph Gielen allzuſehr nach der intellektuellen Seite
hin; Franz Schneiders Kriegsrat Wieſel ſteht auf der
Grenze zwiſchen einer ſcharfen Charakteriſtik und Manier; Vor=
ſichr
iſt ſür dieſen begabten Künſtler geboten.
Die Darſteller, namentlich Reymer, der trotz einer Indiſpoſi=
ton
die Rolle nach einer kurzen Unterbrechung durchführte, wur=
den
ani Schlufſe lebhaft gerufen. Fritz von Unruh, deſſen An=
weſenheit
angekündigt war, blieb unſichtbar.
Z.

F.N. Der erſte Kammermuſikabend des Schnurrbuſch=
Quartetts im Kleinen Haus des Landestheaters war von
ſtarkem Erfolg gekrönt. Wir beglüchwünſchen das Quartett, daß
es nach der durch die ſchwere Erkrankung ſeines Leiters ihm auf=
erlegten
Pauſe wieder mit ſolcher Friſche an der Arbeit iſt. So=
wohl
die Qualität des Zuſamenſpiels und die freudige Hin=
gabe
der Künſtler, als auch die glückliche Auswahl der Werke
machten das Zuhören zum wirklichen Genuß.
Für Darmſtadt neu war das Streichquartett in D=Moll von
Rezuicek, ein charaktervolles, mit reifem Geſchmack und vollen=
deter
Technik geſchriebenes. Werk im herkömmlich roman=
tiſchen
Stil. Harmoniſche Kühnheiten wie im Ritter Blaubart
wird man vergebens ſuchen, dafür entſchädigt die geiſtreiche the=
matiſche
und motiviſche Arbeit, die prachtvolle Stimmführung
und der breite, ſchöne Klang. Der erſte Satz iſt trotz des Moll=
Geſchlechts ſo lebensbejahend, daß er faſt Dur=Charakter erhält
und der kurze Schluß in der Haupttonart nach dem langen paſto=
ralen
Dur=Epilog geradezu überraſcht. Von Wohllaut und edler,
elegiſcher Melodik getränkt breitet ſich der zweite aus, der vierte
und letzte drängt mit heißem Atem zu immer größerer Entwick=
lung
, und einzig der menuettartige dritte ſcheint mir etwas in
ſeiner ſtarken Anlage an klaſſiſche Vorbilder aus dem Rahmen
zu treten Rokoko neben Rowantik, in der das hübſche Trio
wieder ſchwelgt.
Zur Uraufführung gelangte dann ein Streichtrio in E=Dur
des Mitgiedes vom Landestheaterorcheſter K. Steinmar, ein
Werk von köſtlicher Friſche, blühender lyriſcher Melodik und fei=
ner
Kompoſitionstechnik. Hier offenbarte ſich reifes Können und
glückliche Erfindung. Den beiden Violinen und der Bratſche
wird eine erſtaunliche Klangfülle entlockt, und der Farbenreich=

zen eine angemeſſene Aufwertung unter Berückſichtigung der
Geldentwertung bei der Entſtehung der Steuerſchuld vornehmen
2. Steuerſchulden, die im Jahre 1923, und zwar in der Zei

1. Steuerſchulden, die bis zum 31. Dezember 1922 entſtanden
ſind, werden grundſätzlich nicht aufgewertet. Sie bleiben daher
mit Rückſicht auf die Geringfügigkeit der Papiermarkbeträge in
der Regel unerhoben. Nur für Fälle der Steuerhinterziehung
und anderer Nachforderungen ſoll der Reichsminiſter für Finan=
können
. 18 10).
bis zum 31. Auguſt ds. Js. entſtanden ſind, werden mit einen
Vielfachen des urſprünglichen Betrags aufgewertet. (S 9.) Se
iſt das Hundertfache bei der Entſtehung der Schuld bis zum
Mai 1923, das 30fache bei Entſtehung der Schuld im Juni 1923
das 10fache bei Entſtehung der Schuld im Juli 1923 zu zahlen
Steuerſchulden, die im Auguſt 1923 entſtanden ſind, werden mi
dem einfachen Betrage ab 1. September 1923 angeſetzt.
3. Volle Umſtellung auf ihren Geldwert erfahren die Steuer=
ſchulden
und die ſonſtigen Zahlungen auf dem Gebiete der
Reichsſteuern, die nach dem 31. Auguſt 1923 entſtanden und bis
zum Inkrafttreten der Verordnung noch nicht gezahlt ſind. (§2.
Lauten ſie auf einen Papiermarkbetrag, ſo wird dieſer nac /
einem vom Reichsfinanzminiſter feſtgeſtellten Umrechnungsſat
auf Goldmark umgerechnet. Für die Umrechnung in Gold ſol
die Entſtehung der Schuld maßgebend ſein, nicht die Fällig=
keit
. Der Zeitpunkt der Entſtehung der Steuerſchuld iſt ungb=
hängig
von den Zufälligkeiten der Veranlagungsarbeit. Er iſ
für alle Steuerſchuldner gleicher Art derſelbe. Der Zeitpunh
der Entſtehung der Steuerſchuld beſtimmt ſich für jede Steuerar, I mumn Ausuun
beſonders. So iſt z. B. für die Abſchlußzahlungen auf die Ein= Elich in der leh
kommenſteuer das Ende des vorangegangenen Kalenderjahres, un Verhano.
für die Erbſchaftsſteuer der Tag des Erbfalls, für die Grunder=
werbsſteuer
regelmäßig der Tag des Eigentumsüberganges maß=
gebend
. Am Fälligkeitstag iſt der Papiermarkbetrag zu zahlen
der dem Goldmarkbetrag, vervielfacht mit dem dann geltenden
Goldumrechnungsſatz entſpricht. Iſt am Fälligkeitstag der
Steuer die Schuld nicht getilgt, ſo werden von dem Goldmark=
betrag
5 Prozent Zinſen für das Jahr hinzugerechnet. (8 1.)
Zur Erleichterung der erforderlichen Geldbeſchaffung für die
Steuerleiſtung ſoll dem Finanzminiſter die Möglichkeit gegeben
werden, bei Zahlungen, die innerhalb einer beſtimmten Friſt zu
leiſten ſind, den Goldumrechnungsſatz für maßgebend zu erklä=
ren
, der am Anfang der Friſt gilt. (§ 5, Abſ. 2.)
Wie von nun ab das Reich ſeine Steuer wertbeſtändig for=
dert
, ſo wird es auch in Zukunft Beträge, die ihm zu viel ge=
zahlt
ſind, ivertbeſtändig erſtatten und vergüten. (§ 8.)
Dies gilt für alle Zahlungen, und auch für nach dem
31. Auguſt 1923 entſtandene Schulden. Für Erſtattungen und
Vergütungen von Beträgen, die vorher im Jahre 1923 zu viel
gezahlt ſind, iſt beſondere Umwertung vorgeſehen. Die vorge=
ſehenen
Grundſätze gelten für alle Zahlungen, die nicht bis zum
Inkrafttreten der Verordnung bereits bewirkt ſind. (§ 9.)
Was bis dahin gezahlt und erſtattet iſt, iſt erledigt.

den 10

II. Steuergeldſtrafe.
Iſt im Falle einer Hinterziehung oder einer anderen Zuwi= In
derhandlung das Vielfache der Steuer als Strafe angedroht, ſo
wird dieſer Vervielfachung die nach dem Grundſatz zu 1 aufge=
wertete
Steuer zu Grunde gelegt. Die Strafe wird in Goldmarl / Die Bän
ausgeſprochen. (§ 11.)
III. Abwicklung der Vermögensſteuer und der Zwangsanleihe.

er Abſ.
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und
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jaſſen!

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Abg. Led

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ueber
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Um 1
Abſtimmu
ehr als
ſtimmt

tung ſo geringſügig ſind, daß die Koſten ihrer Veranlagung und
Erhebung außer jedem Verhältnis zum Ertrag ſtehen. Ver=
mögensſteuer
und Zwangsanleihe ſollen daher für die Zukunft
als erledigt angeſehen werden. Verfahren, die dies betreffen,
werden nur noch inſoweit durchgeführt, als ſich auf die Veranla= erfül
gungen die Erhebung der Brotverſorgungsabgabe aufbaut. (8 19.)
Die Annahme von Zwangsanleihe=Zeichnungen war be= Me
reits am 8. September 1923 im Veranlagungsweg eingeſtellt, um ten die B
Zeichnungen zur Ausnutzung des hohen Börſenkurſes zu ver= Hann=
meiden
. Die Vorſchriften des § 18, Abſ. 1, in Verbindung mit /Deutſcher
8 12, Abſ. 2 des Entwurfs, ſollen die Rechtsgültigkeit dieſer
Abg.
Maßjahmen ſicherſtellen.
non, das

TV. Vereinſachung des Beſteuerungsverfahrens.
Der Bereitſtellung des Verwaltungsapparats für die neuen wiſchenru
Aufgaben dient die Ermächtigung in § 13, Nr. 1, finanzrechtliche ſtundent
Streitigkeiten über kleinſte Beträge für erledigt zu erklären. Elend
Unter dem gleichen Geſichtspunkt der Entlaſtung ſtehen die
übrigen Vorſchriften des Abſchnitts 4. Von beſonderer Bedeu=
tung
iſt die Vorſchrift, daß für Landabgabe und andere öffent=
liche
=rechtliche Abgaben, die von Behörden der Reichsfinanzver=
waltung
verwaltet werden, in Zukunft das Recht der Nieder=
ſchlagung
bei enverhältnismäßiger Geringfügigkeit, ebenſo wie
eine Reihe der übrigen Vereinfachungsbeſtimmungen Anwen=
dung
finden.

Die Dikta
und ſei d

Die
der An=
zum

neues
ſiſten erh
Gnäuberau

tum der drei Sätze zeigt, wie der Komponiſt die Seele der be=
nutzten
Inſtrumente erlauſcht hat. Ueberſchwang des Gefühls,
ſehnſüchtiges Hervorquellen ſchöner Melodieranken charakteriſiert
den erſten Satz, der von ſeinen Hauptgedanken völlig beherrſcht
wird und beſonders ſtark an der Tonalität feſthält. Ob es öko=
nomiſch
iſt, dem dreiteiligen Takt in dem Andante ein von ver=
wandten
dreiteiligen Rhythmen erfülltes Bild der Reſignation
folgen zu laſſen und erſt im Schlußſatz rhythmiſch Gegenſätzliches
zu bringen, mag dahingeſtellt ſein, an ſich feſſelt auch die ſchmerz=
liche
Unruhe des Andante durch die Prägnanz der Gedanken
und das reizvolle Wechſelſpiel der drei Inſtrumente völlig, und
ſein ſchöner C=Dur Seitenſatz iſt von herzlicher Wärme. Aus
kurzen Motiven ſetzt ſich das Thema des Schlußſatzes zuſammen,
der faſt ſcherzoartig jubelnd die frohe Stimmung des Anfangs
aufnimmt und ſteigert. Der überaus herzliche Beifall, den das
Werk fand, entſtammte wahrlich nicht nur perſönlichem oder
lokalpatriotiſchem Intereſſe, und man wird ſich freuen, das Trio
noch öfters zu hören.
Mit dem wundervollen A=Moll=Quartett Opus 29 von
Franz Schubert ſchloß der genußreiche Abend. Die Herren
Schnurrbuſch, Jäger, Horn und Klammer hatten alle Werke aufs
beſt: vorbereitet, und ganz beſonders in dem Trio ihres Kollegen
erhob ſich ihr Zuſammenſpiel zu völligem Einsſein und zu leben=
digſter
Wirkung. Im erſten Satz von Reznicek fühlte man, daß
ſie ſich noch einſpielten und einfühlten, und auch die leichte Er=
müdung
im letzten Schubertſatz ſei erwähnt. Das ſind Grenzen,
die ſo vielbeſchäftigten Künſtlern, die faſt täglich ein anderes
Werk ſpielen, geſetzt ſind und die ein ſolches Quartett von den
Berufsquartetten, die oftmals mit der gleichen Vortragsfolge
konzertieren, unterſcheidet. Um ſo mehr iſt es bewundernswert,
daß in allen übrigen Sätzen die künſtleriſche Konzentration völlig
auf der Höhe ſtand. Wir ſchließen uns uneingeſchränkt dem
reichen Beifall an, den alle Darbietungen fanden.

Au

Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.

Von der Handelshochſchule Mannheim. Profeſſor Dr. Otto
Selz (Bonn) hat den an ihn ergangenen Ruf als ordentlicher
Profeſſor für Philoſophie, Pſychologie und Pädagogik an der
Handels=Hochſchule Mannheim zum kommenden Winter= Seme=
ſter
angenommen. Der ordentliche Profeſſor der Betriebs=
wirtſchaftslehre
Dr. Walter le Contre (Handels=Hochſchule

heim als Nachfolger von Profeſſor Dr. Mahlberg erhalten.

Königsberg) hat einen Ruf an die Handels=Hochſchule Mann=

[ ][  ][ ]

Nummer 284.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 14. Oktober 1923.

Seite 3.

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Deutſcher Reichstag.
* Berlin, 13. Okt.. (Eigener Bericht.) Am Regierungs=
iſch
Reichskanzler Dr. Streſemann, Miniſter Sollmann.
Das Haus iſt ſtark beſetzt, ſämtliche Tribünen überfüllt. In den
diplomatenlogen die Vertreter fremder Staaten.
Präſident Loebe eröffnet die Sitzung 1 Uhr 20 Minuten
ind gibt die Entſchuldigungen der Abgg. Lange=Hegermann (3.)
ind Duſche, ſowie v. Bernſtorff bekannt.
Abg. Stöcker (K.P.D.) beantragt zur Geſchäftsordnung,
ofort den kommuniſtiſchen Antrag zu behandeln, der fordert, daß
je bisher im beſetzten Gebiet erforderlichen Unterſtützungen auch
veiterhin gezahlt werden. Der Reichstag müſſe ſich mit der gro=
ſen
Not im beſetzten Gebiet in erſter Linie beſchäftigen. Die
Jage im beſetzten Gebiet ſei kataſtrophal.
Präſident Loebe ſchlägt vor, den Antrag nach der Erledi=
ung
der Abſtimmungen zu behandeln. Es wird jedoch Wider=
pruch
erhoben und der Antrag iſt damit erledigt. (Anhaltender
järm und erregte Zwiſchenrufe bei der K.P.D.. Der Abg. Frö=
ich
(K.P.D.) ruft: Kanaillen! Ihr wollt die Arbeiter verhun=
ern
laſſen! Wenn Ihr nur dabei reich werdet! Der
zwiſchenrufer erhält einen Ordnungsruf.)
Abg. Koenen (K.P.D.) beantragt nummehr, einen Antrag
uf Aufhebung des Verbots der Roten Fahne auf die Tages=
rdnung
zu ſetzen. Auch dagegen wird Widerſpruch erhoben und
er Antrag iſt ebenfalls erledigt.
Präſident Loebe ſchließt darauf die allgemeine Geſchäfts=
rdnungsdebatte
und erklärt, daß er die weiteren Meldungen
ur Debatte nach der Abſtimmung zur Erledigung bringen werde.
Abg. Ledebour= (bei keiner Fraktion) beantragt, die Ab=
immung
ſo lange auszuſetzen, bis der Reichskanzler Dr. Streſe=
gann
Auskunft gegeben habe auf die Frage, die der Abg. Frö=
ich
in der letzten Sitzung an ihn gerichtet habe. Es handelt ſich
m Verhandlungen mit den Franzoſen. Der Antrag wird ab=
elehnt
.
Es folgt dann die Abſtimmung über das Ermächti=
ungsgeſetz
. Zu der Abſtimmung gibt der Abg. Leicht
ür die Bayeriſche Volkspartei folgende Erklärung ab: Vor der
Ubſtimmung über das Ermächtigungsgeſetz in der letzten Sitzung
ſabe ich die Erklärung abgegeben, daß wir gegen das Geſetz
timmen werden, daß wir aber das Mittel der Oppoſition, den
Saal zu verlaſſen, nicht zur Anwendung bringen werden. Dabei
at uns der Gedanke geleitet, daß die Regierung und die Parteien
abei helfen möchten, die Konfliktsmöglichkeiten zwiſchen dem
keich und Bayern auf ein Minimum zu reduzieren. Dieſe Hoff=
ung
iſt nicht in dem Maße erfüllt worden, wie wir es gewünſcht
ätten. (Lebhafte Bewegung im ganzen Haus. Rufe der Sozial=
emokraten
: Wieder einmal Bayern!) Trotzdem halten wir an
nſerer Stellungnahme feſt. Wir werden uns an der Abſtim=
mng
beteiligen, weil wir dadurch einen letzten Appell an die
tegierung richten möchten im Sinne unſerer Erklärung. (Beifall
nd Unruhe.)
Präſident Loebe erklärt, daß er weitere Wortmeldungen
icht zulaſſen werde. (Stürmiſcher Beifall. Lebhafter Proteſt
es Abg. Ledebour.)
Nunmehr wird in einfacher Abſtimmung Einleitung und
teberſchrift des G=ſetzes gegen die Stimmen der Deutſchnatio=
alen
, der Bayer. Volkspartei und der Kommuniſten angenom=
ven
. Die Schlußabſtimng über das Geſetz iſt namentlich.
die Deutſchnationalen und Kommuniſten verlaſſen den Saal.
die Bänke der Sozialdemokraten weiſen einige Lücken auf, die
brigen Fraktionen ſind faſt vollzählig anweſend.
Um 1.50 Uhr teilt Präſident Loebe das Ergebnis der
Cbſtimmung mit: Abgegeben wurden 347 Karten, alſo ſind
nehr als zwei Drittel der Abgeordneten anweſend. Es haben
eſtimmt:
24 mit Nein,
316 mit Ja (Bewegung),
7 haben ſich der Stimme enthalten.
Es iſt alſo die weitere Beſtimmung des § 76 der Verfaſſung
rfüllt, daß zwei Drittel der Anweſenden abgeſtimmt haben. Das
zeſetz iſt angenommen. (Lebhafter Beifall bei der
Nehrheit. Pfuirufe bei der K.P.D.) Gegen das Geſetz ſtimm=
en
die Bayeriſche Volkspartei, Baheriſcher Bauernbund, Deutſch=
hannoveraner
. Enthalten haben ſich einige Abgeordnete der
deutſchen Volkspartei, darunter der Abg. Stinnes.
Abg. Frölich (K.P.D.) erklärt im Auftrage ſeiner Frak=
Die Diktatur leite den Bürgerkrieg gegen die Arbeiterklaſſe ein
nd ſei die Vorhut einer monarchiſchen Diktatur. (Lärm und
tundentages und ſtößt die Arbeiter und Angeſtellten tiefer ins wohl ein Beamter ſich als Nebenregent gefühlt und gleichviel aus wel=
Elend.
Die Entſchließung der Deutſchnationalen, wonach im Falle
der Annahme des Geſetzes die Regierung erſucht werden ſoll,
um Schutze der etwa zur Entlaſſung Gelangenden ſofort ein
teues Angeſtelltengeſetz zu erlaſſen, wird abgelehnt. Ange=
iommen
wird eine Entſchließung der Abg. Frau Dr. Lüders u.
Hen., wonach die Unterſtützung nach dem Reichsausgleichsgeſetz
ür kulturelle Vereinigungen erhalten bleiben ſoll, und einige
veitere Entſchließungen.
Unter Ablehnung eines gegenteiligen Antrags der Kommu=
tiſten
erhält Präſ. Loebe die Ermächtigung, die nächſte Sitzung
inzuberaumen und die Tagesordnung feſtzuſetzen (nächſte oder
ibernächſte Woche). Schluß nach 2 Uhr.

Die Verordnung über die Kohlenwirtſchaft.
TU Berlin, 13. Okt. Die Verordnung des Reichspräſi=
denten
über die Kohlenwirtſchaft vom 13. Oktober 1923 hat fol=
genden
Wortlaut:
Aufgrund des Artikels 48 der Reichsverfaſſung wird folgen=
ns
verordnet:
8 1. In Abänderung des 8 112 Abſatz 1 der Ausführungs=
beſtimmungen
vom 21. Auguſt 1919 zum Geſetz über die Rege=
ung
der Kohlenwirtſchaft (Reichsgeſetzblatt Seite 1449) wird
zeſtimt, daß der Reichswirtſchaftsminiſter befugt iſt, die vom
Reichskohlenverband feſtgeſetzten Brennſtoffpreiſe auch
ohne vorherige Anhörung des Reichskohlenrats
und des Reichskohlenverbandes herabzuſetzen.
8 2. Das Kohlenſteuergeſetz vom 20. März 1923
(Reichsgeſetzblatt Seite 193) wird aufgehoben.
8 3. Dieſe Verordnung tritt mit dem 15. Oktober 1923 in
Kraft.
Berlin, 13. Oktober 1923.
Der Reichspräſident. gez.: Ebert.
Der Reichskanzler. gez.: Streſemann.
Der Reichsminiſter der Finanzen. gez.: Dr. Luther.
Der Reichswirtſchaftsminiſter. gez.: Dr. Koeth.
Bergbau und Mehrleiſtung.
Berlin, 13. Okt. (Wolff.) Gelegentlich der Verhandlun=
gen
über die Bergarbeiterlöhne, die am Donnerstag und Frei=
tag
in Berlin ſtattfanden, wurde auch die Frage der Mehrar=
beit
eingehend beſprochen. Die Leiter der Arbeitnehmer drück=
ten
hierbei ihre prinzipielle Zuſtimmung zur Notwendigkeit einer
Mehrleiſtung auf dem Gebiet der bergbaulichen Produktion aus,
behielten ſich aber ihre endgültige Stellungnahme bis zur Ent=
ſcheidung
durch die bevorſtehenden Revierkonferenzen vor. Die
weiteren Verhandlungen über die Frage der Mehrarbeit ſollen
deshalb erſt am kommenden Dienstag, im Zuſammenhang mit
den dieſer Tage ſtattfindenden neuen Lohnverhandlungen, ge=
führt
werden.

Die Politiſierung der Rechtspſiege.
Eine Stellungnahme des Heſſiſchen Richtervereins.

*

n. Darmſtadt, den 13. Oktober 1923.
Zu einer außerordentlichen Tagung war heute der Heſſiſche
Richterverein zuſammengetreten, um Stellung zu nehmen zu der
Frage der Politiſierung der Rechtspflege und wei=
terhin
auch zu der Zurückſetzung des Vorſtandsmit=
glieds
Dr. Lehr. Richter aus allen Provinzen waren er=
ſchienen
, die Mitglieder des Oberlandesgerichts, des Landge=
richts
, der Staatsanwaltſchaft und der Amtsgerichte in Darmſtadt
faſt vollzählig, darunter die Vorſtände dieſer Behörden, das
Ehrenmitglied des Vereins, Geh. Oberjuſtizrat von Heſſert, im
Ganzen etwa 90 Mitglieder. In ſeiner Eröffnungsrede wies der
Vorſitzende, Landgerichtsrat Dr. Schneider darauf hin, daß das
zahlreiche Erſcheinen beweiſe, daß Punkte zur Erörterung ſtün=
den
, welche ſchwer in das Rechtsleben eingreifen, daß es ſich um
Tatſachen handele, welche eine tiefe Erregung unter der Richter=
ſchaft
ausgelöſt hätten. Um ſo mehr zieme es ſich, die Fragen
rein ſachlich zu erörtern.
Zur Frage der Politiſierung der Rechtspflege
gab der Vorſitzende eine kurze Schilderung des Sachſtandes. Nach
Inkrafttreten des Altersgrenzengeſetzes ſei bekannt geworden,
daß zur Beförderung in die frei gewordenen höheren Stellen im
Bereich der Juſtizverwaltung Beamte vorgeſchlagen werden ſoll=
ten
, welche noch lange nicht zur Beförderung ſtanden, lediglich
wegen ihrer politiſchen Parteizugehörigkeit. Der Vorſtand habe
es deshalb für ſeine Pflicht gehalten, in einer Eingabe das Ju=
ſtizminiſterium
auf die Gefahren hinzuweiſen, welche für die
Rechtspflege daraus entſtünden, wenn politiſche Geſichtspunkte
bei Beförderungen ausſchlaggebend ſein ſollten. Des weiteren
ſei dann in Erfahrung gebracht worden, daß eine Deputation aus
Mitgliedern der Republikaniſchen Beamtenbünde, darunter auch
des Republikaniſchen Richterbundes, bei dem Staatspräſidenten
vorſtellig geworden ſeien, und ihm eine Reſolution überreicht hät=
ten
, wonach nur wahrhafte und echte Republikaner in die höheren
Stellen zu befördern ſeien, der Eid auf die republikaniſche Ver=
faſſung
genüge nicht, es müßte die Feſtſtellung der Zuverläſſigkeit
der republikaniſchen Geſinnung gefordert werden. Tatſächlich
wurde dann auch ein noch jüngerer, an ſich durchaus charakter=
voller
und befähigter Kollege aus dem Amtsgericht zum Landge=
richtsdirektor
befördert, welcher der Sozialdemokratiſchen Paxtei
angehörte, unter offenſichtlicher Ueberfpringung einer ganzen
Schar älterer, ebenſo für die Beförderung geeigneten Richter und
andererſeits wurde ein anderer, der Deutſchen Volkspartei an=
gehörender
Beamter, ohne erſichtlichen Grund nicht zum Ober=
ſtaatsanwalt
ernannt, obwohl das Miniſterium ihn bereits dafür
beſtimmt und ſeine verfaſſungsmäßige Zuſtimung dazu eingeholt
hatte. Dagegen ſtellte der Vorſitzende ausdrücklich feſt, daß die
gegen ein hieſiges Mitglied des Richtervereins von verſchiedenen
Seiten erhobenen Vorwürfe, er habe als Mitglied des Republika=
niſchen
Richterbundes in unzuläſſiger Weiſe gegen die Beförde=
rung
einzelner Beamter Stimmung gemacht, der Begründung
entbehre, ſo daß für den Verein keine Veranlaſſung beſtehe, ſich
mit dem Verhalten dieſes Mitglieds zu befaſſen.
Zur Frage der Politiſierung der Rechtspflege ergriff
zunächſt der älteſte aktive Richter des Landes, frühere langjährige
Perſonalreferent im Miniſterium Oberlandesgerichtspräſident
Dr. Beſt das Wort. Seine Darlegungen waren ſo ſcharf, ſo klar
und ſo überzeugend, daß ſie hier vollſtändig wiedergegeben wer=
den
mögen:
Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige Gerichte geübt. Das
iſt ein grundlegender Satz der Gerichtsvexfaſſung. Der Richter ſoll von
Gunſt und Ungunſt der Regierung unabhängig, nur dem Geſetze unter=
worfen
ſein, damit er unparteiiſch ſeines Amtes walten kann. Deshalb
wird er nach der Gerichtsverfaſſung auf Lebenszeit ernannt und des=
halb
kann er nach ihr wider ſeinen Willen nur durch Richterſpruch ſeines
Amtes enthoben, verſetzt oder zur Ruhe geſetzt werden. Aus dem Grund=
ſatze
folgt, daß auch der Ernennung und Beförderung des Richters nur
ſachliche, nie parteipolitiſche Erwägungen zu Grunde gelegt werden dür=
fen
. Denn wenn letzteres geſchieht, iſt die Unparteilichkeit des Richters
oder doch das Vertrauen in ſie bedroht. Gar viele Parteigenoſſen for=
dern
, daß der Richter, der als Parteimann auf dem Richterſtuhle ſitzt,
ſich dort als ſolcher betätigt. Der politiſche Gegner wird deshalb auch
einem ſachlichen Urteil mißtrauiſch gegenüberſtehen. Deshalb bedroht
die Ernennung aus Parteirückſichten die Rechtspflege ſelbſt dann, wenn
ion, das Geſetz bedeute die Aufhebung der Scheindemokratie, der Ernannte ſein Urteil durch ſie nicht beſtimmen läßt. Das hat man
vordem gewußt und beachtet. Ich habe lange dem Miniſterium ange=
hört
und kenne keinen Fall, in dem andere als ſachliche Erwägungen
Zwiſchenrufe. Das Geſetz bedeute die Beſeitigung des Acht= einer Anſtellung oder Beförderung zugrunde gelegt hätten. Bei ſo her
Einſtellung war für Geſinnungsſchnüffelei kein Raum. Und wenn gleich=
chen
Motiven die Uebergehung Andersdenkender gefordert hätte, dann
wäre er über die Auffaſſung der Regierung und die Würdigung ſeines
Tuns raſch und deutlich belehrt worden. Wie in Heſſen war es auch
ſonſt im Reiche. Und das Ergebnis war eine Rechtspflege, die nur Ver=
leumdung
der Parteilichkeit zeihen konnte, und ein Nichterſtand, um den
uns die Welt beneidet hat. Auch nach dem Umſturz hat man jahrelang
an dem feſtgehalten, was allein dem Geſetz entſprach. Erſt jetzt iſt über
etwa 35 zum Teil hochbefähigter Vordermänner hinaus ein Parteimann
auf ein hohes Richteramt befördert worden. Nicht wie ein Parteiblatt
glauben machen will, um die Ochſentour zu durchbrechen. Ein Ver=
gleich
zwiſchen dem Beteiligten ergibt die Unmöglichkeit ſolcher Aus=
flucht
. Und zudem iſt vorher nie beſtritten worden, daß ein rein poli=
tiſcher
Akt in Frage ſtand. Auch bei drei weiteren Ernennungen ſcheinen
andere als ſachliche Motive mitgewirkt zu haben. Zwei von ihnen wer=
den
als Kompenſationen unter den Regierungsparteien und eine wird
als Entſchädigung für vorher erlittene Unbill aufgefaßt. Das alles war
neu, aber Manchem nicht überraſchend. Denn die ſtark einſeitige Be=
ſetzung
der Diſziplinargerichte war vorausgegangen und das Altersgeſetz,
deſſen parteipolitiſcher Sonderzweck von vornherein klar war. Nie wäre
Derartiges früher möglich geweſen. Und wenn eine Regierung es ge=
wagt
hätte, wäre ein Sturm in Parlament und Preſſe die Antwort ge=
weſen
. Auch jetzt iſt es unmöglich zu ſchweigen. Aber der Proteſt gilt
nicht den Ernannten. Man erkennt, insbeſondere betreffs des Land=
gerichtsdirektors
, an, daß er befähigt, unterrichtet und nach keiner Nich=
tung
zu beanſtanden iſt. Niemand behauptet, daß andere als ſachliche
Momente ſeine Parteiſtellung bedingen. Auch gegen die Perſonen der
Miniſter iſt der Kampf nicht gerichtet. Die Richter ſind ſich der Achtung
bewußt, die der Beamte den Trägern der Regierungsgewalt ſchuldet.
Sie verkennen auch nicht, daß einwandfreie Sachlichkeit heute ſchwerer
iſt als vordem. Im Gegenſatze zu den früheren ſind die Miniſter von
heute tatſächlich von den Parteien in gewiſſem Maße abhängig. Die
Forderungen dieſer Parteien ſind nicht immer bedenkenfrei, aber die
Miniſter können ſie nicht ſchlechthin zur Seite ſchieben. Vor dem
Geſetze jedoch muß die Erfüllung von Parteiwünſchen Halt
machen. Und die Politiſierung der Juſtiz verletzt die Unabhängigkeit
der Richter und damit das Geſetz. Sie gefährdet, wie ich gezeigt habe,
die Unvarteilichkeit, ſte erſchüttert das Vertraueu, in die Rechtshflege
und rührt damit an den Wurzeln des Rechtsſtaates. Noch weitere Uebel
hat die Politiſierung im Gefolge. Sie gefährdet die Laufbahn charakter=
feſter
Männer, die ihre Ueberzeugung nicht wie einen Handſchuh wech=
ſeln
. Sie erzeugt ſehr bittere Gefühle und ſchädigt die freudige Pflicht=
erfüllung
, die der Dienſt erfordert. Weit betrübender wäre ein anderes
Bild. Das Bild ſolcher, die um ihr Fortkommen zu retten, ihre Ge=
ſinnung
opfern. Wenigſtens nach außen hin. Politiſche Heuchelei und
niedriges, verächtliches Strebertum ſind hier die Früchte der Politiſie=
zung
. Sie untergräbt auch die Kollegialität. Es vergiftet die Atmo=
ſphäre
, wenn man die Worte wägen muß, damit ſie nicht hinterbracht
und rücklings zum Stricke gedreht werden. Was vom Richter gilt gilt
auch vom Staatsanwvalt. Auch ihm iſt unparteiiſche Sachlichkeit oberſte
Pflicht. Der Proteſt gilt jeder Politiſierung, gleichviel zu welchen
Gunſten ſie erfolgt. Jede Ernennung und jede Beförderung aus ande=

ren als ſachlichen Gründen iſt zu bekämpfen.
Darauf eröffnete Generalſtaatsanwalt Geh. Dr. Preeto=
rius
in längeren treffenden Darlegungen die Grundſätze, welche
er in einer 49jährigen Erfahrung im Staatsdienſt als Richter,
Staatsanwalt und Vorſitzender der Prüfungskommiſſion für die
Frage der Beförderung von Richtern kennen gelernt habe und
wies überzeugend nach, daß bisher niemals ein Richter oder
Staatsanwalt nur wegen ſeiner politiſchen Parteizugehörigkeit
befördert worden ſei. Wenn man auch dem neu ernannten Land=
gerichtsdirektor
die volle perſönliche und ſachliche Eignung zu ſei=

nem Amte unbedingt zuerkennen müſſe, ſo könne man doch nicht
an der Tatſache vorbeigehen, daß ſeine Ernennung de facto eine
rein politiſche Tat ſei. Nehme man die Richterliſte in die
Hand, ſo laſſe ſich feſtſtellen, daß unter den 35 von Präſident Dr.
Beſt als übergangen bezeichneten Beamten, ſelbſt bei ſtrengſter
Wahrung aller Geſichtspunkte, mindeſtens 15 Beamte ſich befän=
den
, die ebenſo wie der neu Ernannte für das Amt geeignet =
ren
. Solle der alte Grundſatz Juſtitia fundamentum regnorum
noch Geltung haben, ſo müſſe der Richterſtand frei bleiben von
jeder politiſchen Färbung.
Aus der anſchließenden Debatte, an welcher ſich verſchiedene
Mitglieder beteiligten, ſei noch hervorgehoben, daß Amtsgerichts=
rat
Müller darlegte, der von ihm vertretene republikaniſche Rich=
terbund
lege Gewicht darauf, daß leitenden Stellen im Juſtiz=
fach
wegen ihrer politiſchen Bedeutung nur mit ſolchen Beamten
beſetzt würden, deren unbedingte Zuverläſſigkeit zum republika=
niſch
=demokratiſchen Staatsgedanken feſtſtehe; für ihn und ſeine
Freunde ſeien daher bei ihren Beſtrebungen nicht partei=, ſondern
ſtaatspolitiſche Geſichtspunkte maßgebend.
Die Verſammlung lehnte es im Weiteren ab, den Ausfüh=
rungen
einzelner Redner über eine Stellungnahme zum republi=
kaniſchen
Richterbund näher zu treten, da dieſe Frage nicht zur
Verhandlung ſtünde, nahm vielmehr mit überwältigender Mehr=
heit
gegen 6 Stimmen eine vom Vorſtand eingebrachte Re=
ſolution
dahin an.
Der Heſſiſche Richterverein umſchließt als reiner Fachverein Ange=
hörige
aller Parteien. Seinem Weſen nach muß er alle Beſtrebungen
auf das entſchiebenſte bekämpfen, die ſeine Mitglieder nach politiſchen
Geſichtspunkten bewerten. Ebenſo, wie er jede Abſicht zurückweiſt, Mit=
glieder
wegen ihrer politiſchen Geſinnung nicht anzuſtellen oder nicht zu
befördern, ebenſo muß er ſich dagegen wenden, daß Mitglieder wegen
ihrer gerade genehmen Geſinnung bevorzugt werden.
Die Politik muß der Rechtspflege fern bleiben, ſonſt iſt ihre Un=
parteilichkeit
in Gefahr. Denn die Heraushebung politiſch genehmer
Perſonen verfolgt, wenn auch unausgeſprochen, den Zweck, die Recht=
ſprechung
parteipolitiſch zu beeinfluſſen.
Die Einführung der Parteipolitik iſt aber auch geeignet, die ſeit=
herige
Einheit des Richtertums zu gefährden, den Richterſtand zu zer=
ſplittern
, ſowie durch Geſinnungsſchnüffelei die Kollegialität zu unter=
graben
. Ein Zuſammenhalt aller Richter iſt aber bei den dem Berufs=
beamtentum
und der Unabhängigkeit der Rechtfprechung drohenden Ge=
fahren
nötiger denn je. Auch aus dieſen Gründen lehnt der Heſſiſche
Richterverein alle auf Einführung der Parteipolitik in ſeine Kreiſe ab=
zielenden
Beſtrebungen rundweg ab.
Zum 2. Punkt der Tagesordnung Zurückſetzung un=
ſeres
Vorſtandsmitglieds Dr. Lehr gab der Vorſit=
zende
an Hand eine Aeußerung des Landgerichtsrats Dr. Lehr
folgende Sachdarſtellung: Bereits im Auguſt habe das Miniſte=
rium
bei Herrn Lehr angefragt, ob er eine Richterſtelle am Ober=
landesgericht
annehmen wolle, was dieſer bejaht habe; ſpäter
ſei ihm auch noch mündlich eröffnet worden, er ſei ſowohl für
die Stelle eines Oberlandesgerichtsrats wie auch anderer Beför=
derungsſtellen
geeignet. Nachdem dann dem Miniſterium be=
kannt
geworden ſei, daß in Richterkreiſen die Abſicht beſtehe, einen
außerordentlichen Richtertag einzuberufen, um zu der oben er=
wähnten
Beförderung eines Amtsgerichtsrats zum Landgerichts=
direktor
und zu dem Verhalten eines Mitglieds des Richterver=
eins
Stellung zu nehmen, ſei Kollege Lehr auf das Miniſterium
beſtellt und ihm dort eröfnet worden, der Juſtizminiſter beabſich=
tige
ihn zum Oberlandesgerichtsrat zu ernennen, könne aber erſt
dann eine endgültige Entſchließung faſſen, wenn er wiſſe, wie
Lehr ſich zu beiden erwähnten Fragen ſtelle. Kollege Lehr habe
darauf erklärt, er könne als Vorſtandsmitglied ſich der Einberu=
fung
des Richtertages nicht widerſetzen, wenn dies eine genü=
gende
Anzahl von Mitgliedern beantragt; das Verhalten des
Mitglieds des Richtervereins könne er erſt bewerten, wenn die
Sache genügend aufgeklärt ſei. Man habe ihm darauf erwidert,
die Intereſſen des Miniſteriums und der Richter verlangten die
Verhinderung des Richtertages, im Notfalle müſſe der Vorſtand
ſeine Aemter niederlegen. Kollege Lehr habe letzteres Anſinnen
als mit ſeiner Ehre nicht vereinbar abgelehnt. Als dann Herr
Lehr eine Woche ſpäter wieder im Miniſterium vorgeſprochen
habe, ſei ihm mitgeteilt worden, der Miniſter habe einen dienſt=
jüngeren
Richter zum Oberlandesgerichtsrat befördert, er halte
zur Zeit die Beförderung eines Mitglieds des Richtervereinvor=
ſtandes
nicht für angebracht.
Zur Sache ſelbſt äußerte ſich der Präſident des Landgerichts
Darmſtadt Geheimrat Theobald, er habe bei der Trag=
weite
und Bedeutung dieſes Punktes für Richterverein, Richter=
ſtand
und die geſamte Rechtspflege es für ſeine Pflicht gehalten,
als einer der älteſten Richter unter Hintanſetzung perſönlicher
Rückſichten ſich zu äußern und damit das langjährige, ihm ge=
währte
Vertrauen der Richter zu rechtfertigen. Das Ernennungs=
recht
gebühre nach der Verfaſſung der Regierung; es bedürfe
aber keiner Erörterung darüber, ob eine Kritik dieſes Ernen=
nungsrechts
berechtigt ſei, denn es käme hier nicht auf die Tat=
ſache
der Ernennung, ſondern auf die Begleitumſtände an, auf
die Verhandlungen des Kollegen Lehr mit dem Miniſterium und
das an ihn gerichtete und von ihm abgelehnte Anſinnen, eine
Tagung des Richtervereins zu verhindern, evtl. ſein Amt als
Vorſtandsmitglied niederzulegen; damit ſei zum Ausdruck ge=
bracht
, daß Vorſtandsmitglieder des Richtervereins wegen pflicht=
mäßiger
Ausübung ihres Amtes nicht befördert werden könnten.
Da Dr. Lehr zwar für geeignet befunden, aber doch nicht ernannt
worden ſei, müſſe man hier zu dem zwingenden Schluß kommen:
poſt hoc, ergo propter hoc!
Die Reichsverfaſſung gewährleiſte freie Meinungsäußerung
und das Recht des Zuſammenſchluſſes. Folglich habe Kollege
Lehr nicht gegen die Geſetze verſtoßen ebenſowenig aber auch ge=
gen
die Moral, gegen den Takt und nicht gegen die der höchſten
Tuſtizbehörde gebührende Ehrerbietung. Seine Ablehnung des
Auſinnens ſei durchaus gerechtfertigt geweſen. Es hätte für das
Miniſierium keine Veranlaſſung vorgelegen, die in Ausſicht ge=
nommene
Beförderung zu unterlaſſen. Im Gegenteil: die Ueber=
zeugungstreue
und der Mut, mit welchem er das für wahr und
richtig Erkannte vertreten habe, ließen ihn neben ſeiner anerkann=
ten
Befähigung beſonders geeignet für die ihm zugedachte Stelle
eines Oberlandesgerichtsrats ſcheinen. Er habe ſein und ſeines
Srandes Anſehen gewahrt, ihm ſelbſt aber ſei ein offenbares
Unrechr geſchehen.
Der Vorſitzende des Republikaniſchen Richterbunds Amtsge=
richtsrat
Müller ſchloß ſich dieſen Ausführungen an und be=
merkte
, das dem Kollegen Lehr zugefügte Unrecht ſei ſonnenklar
elwvieſen, er beantrage daher Annahme der inzwiſchen aus der
Verſammlung eingebrachten Reſolution ohne weitere Debatte.
Die Verſammlung nahm hierauf einſtimmig folgende Reſo=
lution
an:
Durch Ariikel 118 und 130 der Deutſchen Reichsverfafſung iſt den
Beamten das Recht der freien Meinungsäußerung und des freien Zu=
ſammenſchluſſes
gewährleiſtet. Das Anſinnen, das das Juſtizminiſterium
an unſer Vorſtandsmitglied Dr. Lehr geſtellt hat, indem es, trotz ſeiner
anerkanuten Vefähigung, ſeine Beförderung zum Oberlandesgerichtsrat
von Erklärungen abhängig machen wollte, enthält eine Verletzung die=
ſer
Grundrechte.
Wir danken unſerem Kollegen Dr. Lehr dafür, daß er ein ſolches
Anſinnen entſchieden zurückgewieſen und dem Verein die Treue gehalten
hat, ſelbſt auf die jetzt zur Tatſache gewordene Gefahr hin, eine
Zurückfetzung in der Beförderung zu erfahren.
Wie bedauern, daß das vertrauensvolle Zuſammenwirken, das ſeit=
her
zwiſchen Miniſterium und Richterverein beſtanden hat, hierdurch ge=
ſtört
iſt.

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Seite 4

Darmftädter Tagblatt, Sonntag, den 14. Oktober 1923.

Rummer 284

Von Ruhr und Rhein.
Rückkehr der Eiſenbahner zur Arbeit.
Ein Erlaß des Reichsverkehrsminiſters.
Berlin, 13. Okt. (Wolff.) Der Reichsverkehrsminiſter
hat eine Aufforderung an das im beſetzten Gebiet, anweſende
Perſonal der zurzeit nicht im Betrieb der deutſchen Verwaltung
befindlichen Bahnſtrechen gerichtet, in der dieſes aufgefordert
wird, ſich am Mittwoch, den 17. Oktober, zur Wiederaufnahme
des Dienſtes bei der Regie zu melden. Der Ablegung eines
Dienſteides ſtände nichts entgegen, nachdem der Leiter der
Regie öffentlich erklärt habe, daß die eidliche Verpflichtung ledig=
lich
einen rein beruflichen Charakter hätte. Nach dieſer Erklä=
rung
ſind nach der Abgabe eines Eides die gegen das Reich
weiter beſtehen bleibenden Treuverpflichtungen nicht aufgehoben.
Der Reichsverbehrsminiſter ſtellt feſt, daß die Regierung die
Regie nur als eine vorübergehende Verwal=
tung
anſieht und daß der gegenwärtige Betrieb durch die Re=
gie
die Rechte des Deutſchen Reiches an den beſetzten Bahnen
nicht berühre.
Ein Aufruf der Eiſenbahnergewerkſchaften.
Berlin, 13. Okt. (Wolff.) Zu dem Aufruf des Reichsver=
kehrsminiſters
erlaſſen die Eiſenbahnergewerkſchaften folgenden
Aufruf an die Eiſenbahner des beſetzten Gebietes: Der Reichs=
verkehrsminiſter
hat, veranlaßt durch die Bedrängnis des beſetz=
ten
Gebietes, mit dem Erlaß vom 13. d. Mts. an das Eiſen=
bahnperſonal
die Aufforderung gerichtet, ſich vom 17. Oktober ab
zur Wiederaufnahme des Dienſtes bei den Dienſtſtellen der Regie
zu melden. Damit iſt der Kampf an Rhein und Ruhr, in dem
ſeit neun Monaten die Eiſenbahner an vorderſter Stelle ſtanden,
abgebrochen. Unſere Kollegen haben getan, was ihnen ihre
Pflicht als deutſche Eiſenbahner gebot. Die Haltung der Eiſen=
bahner
, die in den Kampf um das große Ziel ſogar Freiheit und
Heimat opferten, wird für alle Zeit ein Ruhmesblatt in der Ge=
ſchichte
des deutſchen Volkes bleiben. Es wird auch in der Zu=
kunft
Sorge der Gewerkſchaften ſein, ſich mit ihrer ganzen Kraft
für die Intereſſen aller Eiſenbahner des beſetzten Gebietes, ins=
beſondere
auch für die Inhaftierten und Vertriebenen, einzu=
ſetzen
.

Lebensmittelanruhen.
Anſammlungen in Frankfurt.
Frankfurt a. M., 13. Okt. (Wolff.) Heute kam es in der
Stadt im Laufe des Vormittags verſchiedentlich zu Anſamm=
lungen
wegen der hohen Lebensmittelpreiſe.
Die Ausſchreitungen konnten aber überall dank dem Eingreifen
der Polizei unterdrückt werden. Zu größeren Zwiſchenfällen iſt
es bis 12 Uhr mittags nicht gekomen. Die meiſten Lebens=
mittelgeſchäfte
hatten geſchloſſen.
* Frankfurt a. M., 14. Okt. (Priv.=Tel.) Die Lebens=
mittelunruhen
nahmen geſtern nachmittag in der Altſtadt einen
gefahrdrohenden Zuſtand an. Die Polizei mßte mit Gummi=
knüppeln
in ſchärfſter Weiſe gegen die Demonſtranten vorgehen.
Zu Plünderungen iſt es bisher nicht gekommen. Etwa 25 Per=
ſonen
wurden feſtgenommen. Am Spätnachmittag kam es auf
dem Römerberg zu ſchweren Zuſammenſtößen zwiſchen den De=
monſtranten
und der Polizei, wobei ein Arbeiter durch einen
Bruſtſchuß lebensgeſährlich verletzt wurde.
Die Lage in Wiesbaden.
Wiesbaden, 13. Okt. (Wolff.) Auch in den geſtrigen
Nochmittagsſrunden kam es wiederholt zu großen Men=
ſchenanſammlungen
, die bis zum ſpäten Abend von der
Polizei zerſtreut worden waren, wobei eine Anzahl Verhaftun=
gen
vorgenommen wurden. Heute vormittag iſt, abgeſehen von
Menſchenanſammlungen vor dem Arbeitsamt, die Ruhe nir=
gends
geſtört worden. Ein Teil der Lebensmittelgeſchäfte hat
wieder geöffnet, wo zu verbilligten Preiſen verkauft wird.
Belagerungszuſiand über Höchſi.
Höchſt, 13. Okt. (Wolff.) Die vergangene Nacht verlief
hier, nachdem geſtern abend die franzöſiſche Beſatzungsbehörde
den Belagerungszuſtand verhängte, ruhig. Heute morgen ver=
ſchärfte
ſich die Lage in den Vororten inſofern, als die bei den
hieſigen Kanalnotſtandsarbeiten beſchäftigten Erwerbsloſen auf
die umliegenden Vororte zogen.
Ausſchreitungen in Kreuznach.
Krenznach, 12. Okt. (Wolff.) Geſtern nachmittag kam
es hier zu Ausſchreitungen Arbeitsloſer, die in der Mann=
heimer
Straße und in der Kreuzſtraße und an 6 großen Geſchäf=
ten
Fenſter einſchlugen und plünderten. Die franzöſiſche
Beſatzungsbehörde hat den Belagerungszuſtand verhängt.
Plünderungen in Düſſeldorf.
Düſſeldorf, 13. Okt. (Wolff.) Geſtern abend wurden auf
der Kölner Straße verſchiedene Geſchäfte, vornehmlich Schuh=,
Konfektions= und Lebensmittelgeſchäfte, nach Einſchlagen der
Fenſterſcheiben zertrümmert. Allenthalben ſah man Leute
mit Schuhen, Kleidungsſtücken und Lebensmitteln eiligſt davon=
laufen
. Das war das Signal zu Plünderungen auch in
anderen Stadtteilen. In der Hildebrandſtraße wurde eine Le=
bensmittelgroßhandlung
geplündert, wobei die Plünderer die
Waren ſackweiſe fortſchleppten. Die Polizei, namentlich die
grüne Polizei, erwies ſich als viel zu ſchwach, um dem
Treiben Einhalt zu gebieten; ſie konnte ſich heute in
den frühen Morgenſtunden nur darauf beſchränken, an den ein=
zelnen
geplünderten Geſchäften Poſten aufzuſtellen, um weitere
Plünderungen zu verhüten.
Plünderungen in Benrath.
Benrath, 13. Okt. (Wolff.) Heute vormittag fanden
Anſammlungen von Erwerbsloſen ſtatt. Die
Menge verzog ſich nach dem Rathaus, welches geſchloſſen blieb.
Hierauf ſetzte die allgemeine Plünderung der Geſchäfte
ein. Männer und halbwüchſige Burſchen liefen mit Säcken voll
Textilwaren auf dem Rücken, mit Anzügen, Tuchballen und an=
deren
Sachen nach ihren Wohnungen. Die Polizei war dem
Treiben gegenüber machtlos.
Erwerbsloſen=Oemonſtrationen in Görlitz.
Görlitz, 13. Okt. (Wolff.) Geſtern nachmittag veranſtal=
teten
mehrere Hundert Erwerbsloſe einen Demonſtrations=
zug
durch die Hauptſtraßen. Der Zug wurde von der Schutz=
polizei
zerſtreut, ohne daß es zu Ausſchreitungen gekommen iſt.
Im Anſchluß an den Demonſtrationszug bildeten ſich an verſchie=
denen
Stellen der Stadt bis in die Abendſtunden hinein noch
kleinere Anſammlungen, die von der Schutzpolizei eben=
falls
noch ohne Waffengebrauch zerſtreut wurden. Mehrere =
delsführer
wurden feſtgenommen, aber zumeiſt nach Feſtſtellung
ihrer Perſon wieder entlaſſen.

Lebensmittelunrußen in Oberhauſen.
FU Oberhauſen, 13. Okt. Geſtern nachmittag 4 Uhr
kam es in der Marktſtraße und am Altmarkt zu Anſammlungen,
die gegenüber den Lebensmittelgeſchäften und Kaufhäuſern eine
bedrohliche Haltung einnahmen. Infolgedeſſen wurden ſämtliche
Geſchäfte geſchloſſen. In den Abendſtunden ging die blaue Poli=
zei
gegen die Demonſtranten mit blanker Waffe vor.
Lebensmittelplünderungen in Leipzig.
* Leipzig, 13. Okt. (Priv.=Tel.) Auch im Laufe des heu=
tigen
Tages dauerten die Anſammlungen in den verſchiedenen
Stadtteilen fort. Wo ſich ein Kartoffelwagen ſehen ließ, ſam=
melten
ſich Hunderte von Perſonen und verlangten die Heraus=
gabe
von Kartoffeln. Die Markthalle war heute vormittag ge=
öffnet
. Als die erſchienenen Käufer die enorme Höhe der gefor=
derten
Preiſe erfuhren, ſtürmte eine große Anzahl Arbeitsloſer
die Markthallengalerie und plünderte die Margarine= und Fett=
ſtände
. Vor der Markthalle wurden die Gemüſewagen geplün=
dert
. Als die Polizei erſchien, flüchteten die Plünderer.
Auflöſung der proletariſchen Hundertſchaften
in Sachſen.
TU. Dresden, 13. Okt. Der Befehlshaber des Wehr=
kreiskommandos
4, Generalleutnant Müller, hat heute an die
ſächſiſche Regierung ein Schreiben gerichtet, in dem es heißt:
Dem Wehrkreiskommando 4 ſind aus allen Teilen Sachſens, vor
allem aber aus Weſtſachſen, von einwandfreien und ruhigen Per=
ſönlichkeiten
, ſowie von den Staatsbehörden Schilderungen über
die Lage in den Hauptinduſtriegebieten zugegangen, aus denen
hervorgeht, daß ein großer Teil der Bevölkerung ſtark unter dem
Druck einer gewalttätigen Minderheit zu leiden hat. Die Arbeit=
geber
und die verſtändigen älteren Arbeiter fühlen ſich durch
dieſe Minderheit, die vorwiegend aus radikalen Jungens be=
ſteht
, bedrückt und bis in ihr innerſtes Familienleben hinein
verfolgt und bedroht. Das Wehrkreiskommando hat den Beweis
erhalten, daß die ſognannten proletariſchen Hundertſchaften zum
großen Teil den Rahmen für dieſe terroriſtiſchen Akte abgeben.
Die Verhängung des Ausnahmezuſtandes hat nur äußerlich in
Sachſen Ordnung geſchaffen. In manchen Gebieten haben ſich
die Hundertſchaften um den Ausnahmezuſtand wenig gekümmert.
Es unterliegt hiernach keinem Zweiſel, daß mit dem Aufhören
des Ausnahmezuſtandes überall wieder die Hundertſchaften
ſtärker denn je herbortreten werden. Die endgültige Geſundung
des Landes kann nur herbeigeführt werden, wenn die proletari=
ſchen
Hundertſchaften ehenſo wie die anderen Selbſtſchutzver=
bände
aufhören. Ich ordnete daher ihre Auflöſung an.
* Dresden, 13. Okt. (Priv.=Tel.) Die ſächſiſche Regie=
rung
hat gegen die Verordnung des Generals Müller, in der
die Auflöſung der proletariſchen Hundertſchaften verfügt wird,
Einſpruch erhoben. In dem Einſpruch wird erklärt, daß die
Verordnung unwirkſam ſei, weil der Zivilkommiſſar heute er=
nannt
worden ſei und ſeine Gegenzeichnung fehle.
* Leipzig, 14. Okt. (Priv.=Tel.) Wie gemeldet wird, iſt
der Reichstagsabgeordnete Maier, der der Sozialdemokrati=
ſchen
Partei angehört, zum Zivilkommiſſar für Sachſen ernannt
worden.
Sozialdemokraten und Kommuniſten.
Berlin, 13. Okt. In einer Betriebsratvollſitzung in Ber=
lin
wurde eine Entſchießung angenommen, worin die proleta=
riſche
Regierungsgemenſchaft von den Kommuniſten und So=
zialdemokraten
im Kampfe gegen die der Arbeiterſchaft drohen=
den
Gejahren gebilligt und weiter erklärt wird, die Berliner
Arbeiterſchaft werde keinen Angriff auf das mitteldeutſche Pro=
letariat
dulden und jeden Angriffsperſuch mit dem General=
ſtreik
beantworten.
Roßbach aus der Haft entlaſſen.
* Leipzig, 14. Okt. (Priv.=Tel.) Der Staatsgerichtshof
zum Schutze der Republik hat geſtern in einer geheimen Sitzung
den Beſchluß gefaßt, den ehemaligen Oberleutnant Noßbach
aus der Haft zu entlaſſen. Er war ſeinerzeit in Berlin feſtge=
nommen
worden, als er mit den Angehörigen der kurz vorher
aufgelöſten Organiſation Roßbach eine geheime Verſammlung
abhielt, in der umſtürzleriſche Pläne zur Sprache kamen. Roß=
bach
hatte zu dieſer geheimen Sitzung einige aktive Reichswehr=
offiziere
zugezogen, die dann dem Reichswehrminiſter davon
Mitteilung machten. Der Staatsgerichtshof ſcheint bei ſeinem
Beſchluß davon ausgegangen zu ſein, daß keine Verdunkelungs=
gefahr
vorliegt. Die Haftentlaſſung bedeutet nicht, daß das Ver=
fahren
gegen Roßbach eine Unterbrechung erleidet. Vielmehr
ſind in den letzten Wochen wiederholt Vernehmungen, unter an=
derem
des Oberbefehlshabers der Reichswehr General v. Seeckt
erfolgt. Die Ermittelungen werden trotzdem weiter fortgeſetzt.

Die Freizonen=Angelegenheit.
Schweizer Proteſt gegen das rechtswidrige
Vorgehen Frankreichs.
Bern, 12. Okt. (Wolff.) Schweizeriſche Depeſchenagentur.
Das einſeitige Vorgehen Frankreichs in der Zoll=
grenzfrage
hat das Bundeshaus peinlichch berührt. Der
Bundesrat hat ſich in ſeiner heutigen Sitzung mit der neuge=
ſchaffenen
Lage befaßt. Ueber das Reſultat ſeiner Beratungen
wird ein Communigus die Oeffentlichkeit unterrichten.
Laut Depeſchenagentur hat der Bundesrat beſchloſſen, gegen
das einſeitige Vorgehen Frankreichs in der Frage der Freizonen
Proteſt zu erheben und gleichzeitig die franzöſiſche Regie=
rung
zu erſuchen, ihre Einwilligung zu geben, daß die Streit=
frage
dem Internationalen Gerichtshof im Haag
unterbreitet wird.
Eine franzöſiſche Note.
Paris, 13. Okt. (Wolff.) Hinſichtlich der Initiative der
franzöſiſchen Regierung in der Freizonen= Angelegen=
heit
, die einen ſcharfen Proteſt ſeitens der ſchweizeriſchen
Regierung ausgelöſt hat, verbreitet der Quai d,Orſay eine Note,
in der es heißt:
Die vom Bundesrat gegebene Interpretation über das
Freizonen=Abkommen ſei nicht richtig und ſtehe im Wider=
ſpruch
zu der Mitteilung der franzöſiſchen Regierung an die
Schweizer Regierung. Die franzöſiſche Regierung habe keines=
weas
beabſichtigt, die mit der Bundesregierung gepflogenen Un=
terhandlungen
abzubrechen. Die Maßnahme, die ſie getrof=
fen
habe, hätte keinen anderen Zweck, als den intereſſierten Völ=
kern
zu geſtatten, ohne jeden Schaden das Ergebnis der Ver=
handlungen
abzuwarten, deren befriedigender Ausgang für beide
Parteien die franzöſiſche Regierung erwarte. Unter dieſen Um=
ſtänden
will der Quai d’Orſay nach dem Communiqué nicht
einſehen, warum die Angelegenheit dem Internationalen Ge=
richtshof
im Haag unterbreitet werden müſſe. Die diplomatiſche
Diskuſſion ſei ja nicht beendet und in Paris habe man die
beſte Abſicht, ſie bis zu einem völligen Einvernehmen fortzuſetzen,
das die Jahrhunderte alten freundſchaftlichen Beziehungen zwi=
ſchen
Frankreich und der Schweiz nur noch verſtärken könne.

Stadt und Land.

Darmſtadt, 14. Oktober.
Wertbeſtändige Gas= und Waſſerpreiſe in Darmſtadt.
E Von der Stadtverwaltung wird uns geſchrieben: Nach=
dem
neuerdings auch die Kohlenſyndikate dazu übergegangen
ſind, Lieferungen nur noch gegen Goldmarkberechnung auszufüh=
ren
und ſomit alle Betriebsmaterialien der Städt. Gas= und
Waſſerwerke in Goldmark nach dem Dollarkurs bezahlt werden
müſſen, hat ſich die Stadtverwaltung genötigt geſehen, für die
Gas= bzw. Waſſerlieferung die ſeitherige Berechnung eines für
einen ganzen Monat gültigen, einheitlichen, feſten Preiſes zu
verlaſſen und einen Gleitpreis einzuführen, der ſich aus
Grundpreis und Entwertungsmultiplikator zuſammenſetzt. Die
Verluſte, die den Werken aus der ſeitherigen Berechnungsart er=
wachſen
, liegen auf der Hand. Man vergegenwärtige ſich, welche
Kaufkraft die Papiermark hätte, als die Stadt am 11. Septembee
den Gaspreis auf 520 000 Mark je Kubikmeter feſtſetzte, und wel=
chen
Wert dieſer Betrag heute, am Ende des Verbrauchsmonats,
noch hat. Der Doller, der neuerdings die Grundlage des Koh=
lenpreiſes
bildet und der am 11. September auf 76 807 500 Mark
ſtand, iſt am 11. Oktober auf 7 180 000 000 Mark geſtiegen. Der
Verbraucher, zu dem der Gasgelderheber erſt jetzt zum Einkaſ=
ſieren
kam, bezahlte in Wirklichkeit nur den hundertſten Teil ſei=
ner
wirklichen Schuld, denn nur den hundertſten Teil der Kohle
kann das Gaswerk für den gleichen Papiermarkbetrag wieder
eindecken. Es liegt auf der Hand, daß das ſo nicht weitergehen
kann. Das ſeitherige Syſtem war haltbar, ſolange man die Koh=
lenpreiſe
in Papiemark berechnete und nur etwa monatlich oder
vielleicht 14tägig änderte. Die jetzige Berechnung der Kohlen=
preiſe
in Goldmark macht eine der Geldentwertung folgende Be=
rechnung
der Gas= und Waſſerpreiſe zur unabweislichen Pflicht,
da die ſonſt entſtehenden Verluſte von keinem Betrieb zu tragen
ſind. Der Grundpreis für Gas bzw. für Waſſer wird dabei an
Hand der ſeit langem ſchon in Gebrauch befindlichen Kohlen=
klauſel
ermittelt, dahingehend, daß bei einer Kohlenpreisver=
änderung
von 1 Mark je Tonne der Gaspreis ſich um 0,5 Pfg.
und der Waſſerpreis ſich um 0,2 Pfg. verändert. Auf dieſe Weiſe
errechnet ſich der Grundpreis für den Monat Oktober auf 27 Pfg.
für Gas bzw. 25 Pfg. für Waſſer. Zufolge Beſchluſſes der Stadt=
verordnetenverſammlung
iſt jedoch der Grundpreis für Oktober
mit Rückſicht auf die derzeitige Notlage breiterer Bevölkerungs=
kreiſe
für Gas und Waſſer einheitlich auf 23 Pfg. je Kubikmeter
feſtgelegt worden. Dieſer Grundpreis iſt, wie der Grundpreis der
Kohle, mit einem Multiplikator zu vervielfältigen, der ſich nach
unten abgerundet ergibt aus dem Dollarwert am Tage vor der
Zahlung dividiert durch 4,2.
Während nun der Grundpreis für einen ganzen Verbrauchs=
monat
feſt ſein ſoll, ändert ſich der Papiermarkbetrag der Zah=
lung
mit jeder größeren Veränderung des Dollarwertes, gege=
benenfalls
von Tag zu Tag. Die Ableſung der Meſſer und das
Einkaſſieren der Gas= bzw. Waſſerſchuld erfolgt fortlaufend, es
iſt darum nicht möglich, an einem beſtimmten Tag zu dem Ver=
braucher
zu kommen. Dieſem wird zukünftig jedoch die Möglich=
keit
gegeben, den Tag der Zahlung ſelbſt zu beſtimmen dadurch,
daß Gutſcheine auf 1 und 10 Kubikmeter Gas bzw. Waſſer aus=
gegeben
werden, die zum jeweiligen Tagespreis bei der Haupt=
kaſſe
der ſtädt. Betriebe im Schlachthofgebäude und bei den
Nebenkaſſen in der Waldſtraße 6 und auf der Feuerwache (hinter
der Stadtkirche) zu erhalten ſind. Die Zahlung der Schuld kann
alsdann an den Erheber ſowohl in Papiermark zum Tagespreis
als auch mit dieſen Gutſcheinen erfolgen.
Um eine beſondere Berechnung der im vergangenen Ver=
brauchsmonat
geleiſteten Vorauszahlung nicht vornehmen zu
müſſen, wurde dieſe in den Grundpreis einbezogen. Für Abneh=
mer
, der eine Vorauszahluna nicht geleiſtet haben, erhöhten ſich
deshalb die Oktobergrundpreiſe um 50 Prozent.
Die Stadt iſt ſich bewußt, daß durch die neue Berechnung
eine ſehr ſchwere Belaſtung des Verbrauches eintritt. Sie mußte
aber dieſen Weg gehen, weil er, wie bereits geſagt, die einzige
Möglichkeit bietet, das Gas= und Waſſerwerk im Betrieb zu hal=
ten
. Was es aber bedeuten würde, wenn mangels Mittel keine
Kohlen mehr beſchafft und das Gaswerk oder gar das Waſſer=
werk
geſchloſſen werden müßte, das braucht keinem einſichtigen
Menſchen geſagt zu werden. Selbſtredend wird die Stadt in all
den Fällen, in denen eine Unterſtützung erforderlich iſt, durch das
Wohlfahrtsamt, wie ſeither bereits, helfend eingreifen.
Um Betrugsmöglichkeiten zu verhindern, ſind die Gelderhe=
ber
angewieſen, nur ſolche Gutſcheine in Zahlung zu nehmen,
ie auf der Rückſeite den Namen des betreffenden Verbrauchers
tragen.

Ernannt wurden am 16. Auguſt 1923 der Lehrer Anton Ahl
zu Klein=Gerau zum Lehrer an der Volksſchule zu Groß=Gerau; am
13. September 1923 der Schulverwalter Karl Sieben aus Nieder=
Olm zum Reallehrer an dem Alten Gymnaſium in Mainz mit Wir=
kung
vom 1. September 1923 ab; am 14. September 1923 der Studien=
aſſeſſor
Alfred Kappeſſer aus Alſenborn zum Studienrat an der
Oberrealſchule in Worms mit Wirkung vom 1. September 1923 ab; am
1. Oktober 1923 die Amtsgerichtsräte bei dem Amtsgericht Mainz Dr.
Maximilian Münzenberger und Dr. Heinrich Friedenreich
zu Landgerichtsräten bei dem Landgericht der Provinz Rheinheſſen,
und der Amtsgerichtsrat bei dem Amtsgericht Wöllſtein Philipp Vogt
zum Amtsgerichtsrat bei dem Amtsgericht Mainz; am 8. Oktober der
Forſtmeiſter der Oberförſterei Heppenheim Forſtrat Cornelius Gun=
trum
zu Heppenheim a. d. B. vom 1. Oktober ds. Js. ab zum vor=
tragenden
Rat in der Abteilung für Forſt= und Kameralverwaltung des
Miniſteriums der Finanzen mit der Amtsbezeichnung Oberforſtrat.
Die Stenographen=Vereinigung Gabelsberger=Darmſtadt,
Eliſabethenſtr. 52, beteiligte ſich bei dem am 23. September in Pfung=
ſtadt
abgehaltenen Wettſchreiben des Gaues Bergſtraße und darf mit
den dort errungenen Erfolgen zufrieden ſein, zumal ſie auch die dort
gezeitigte Höchſtleiſtung wieder für ſich in Anſpruch nehmen konnte. Es
wurden folgende Preiſe erzielt: 280 Silben (Höchſtleiſtung) Ehrenpreis
Karl Böhmann, 220 Silben: 1. Preis Heinrich Böhmann, 180 Silben:
Ehrenpreis Frieda Reinhardt, 160 Silben: 1. Preis Gretel Metzger,
Wilhelm Herberg, Wilhelm Schlicht, 140 Silben: Ehrenpreis Emil
Holletſcheck, 120 Silben: Ehrenpreis Anna Kräuter 1. Preis Fritz
Kräuter, 100 Silben: 1. Preis Lulu Hirth, Ludwig Sauerwein, Agnes
Groß, Chriſta Dierſen, 2. Preis Auguſte Stähr, 80 Silben: 1. Preis
Frieda Kuntz, Auguſt Kurz. Die aktiven Mitglieder ſeien nochmals auf
das Anfang November ſtattfindende Vereinswettſchreiben aufmerkſam
gemacht.
Nach Mitteilung der amtlichen Fürſorgeſtelle für Kriegsbeſchä=
digte
und Kriegshinterbliebene der Stadt Darmſtadt werden die erhöh=
ten
Zuſatzrenten für den Monat Oktober d. Js. für nicht im
Erwerbsleben ſtehende Schwerbeſchädigte, Hinterbliebene, Altrentner
und Altrentnerinnen am Dienstag, den 16. Oktober, vormittags von
8½12½ Uhr auf der Stadtkaſſe ausgezahlt.
Rentenzahlungsverkehr beim hieſigen Poſtamt 1. Die Unfall=
rentenempfänger
mit Zulagen erhalten ihre Bezüge für die Zeit vom
6. bis 31. Oktober d. Js. am Dienstag, den 16., von 812 Uhr und
von 25 Uhr, in der Paketausgabe. Nach dem 16. finden Auszahlun=
gen
in der Rentenſtelle von 8½12½ Uhr ſtatt.
Fiſchereikarten. Klagen über mißbräuchliche Benutzung von
Fiſchereikarten, insbeſondere bei Ausübung der Fiſcherei in den ſchiff=
baren
Strömen und Flüſſen, ließen es für angezeigt erſcheinen, für die
Zukunft die Aufnahme der Perſonalbeſchreibung und des Lichtbildes des
Inhabers in die Fiſchereikarte vorzuſchreiben. Von dem Erfordernis
des Lichtbildes kann abgeſehen werden, wenn die Gültigkeit der Karte
weniger als einen Monat beträgt und eine mißbräuchliche Verwendung
nicht zu befürchter iſt. Dieſe Vergünſtigung wird beſonders bei Gäſten
von Fiſchereiberechtigten und =pächtern Anwendung zu finden haben,
die nur vorübergehend die Fiſcherei ausüben wollen. Das Lichtbild des
Inhabers der Fiſchereikarte muß aus neuerer Zeit, ähnlich und gut
erkennbar ſein. Es iſt in der Fiſchereikarte auf Seite 3 einzukleben
und durch Abſtempelung derart mit der Karte zu verbinden, daß ein
Loslöſen und Einfügen eines anderen Bildes ſofort erkennbar iſt. Die
Uebereinſtimmung des Lichtbildes mit der Perſon des Inhabers der
Karte und der eigenhändige Vollzug der Unterſchrift iſt vom Kreisamt
zu beſcheinigen. Zur Erleichterung des Perfahrens bei der Ausſtellung
der Fiſchereikarten kann dieſe auch durch die Ortspolizeibehörde des
Wohnortes des Karteninhabers erteilt werden.

[ ][  ][ ]

Nummer 284.

Darmſtädter Dagblatt, Sonntag, den 14. Oktober 1923.

Seite 5.


ufend
dem 9

Wochenſpielplan des Landestheaters vom 14.31. Okt. hältniſſen iſt es umumgänglich notwendig, daß alles Brotgetreide
Großes Haus.
Sonntag, 7 Uhr, Ende 9 Uhr: Elektra‟. D 4.
Montag, 7 Uhr, Ende 9 Uhr: 1. Sinfoniekonzert.
Dienstag, 7 Uhr, Ende gegen 10½ Uhr: Louis Ferdinand.
Sondemmieten 15, 1 und 16, 1.
Mittwoch, 7 Uhr, Ende 10½ Uhr: Der Roſenkavalier. B 4.
Donnerstag, 7½ Uhr, Ende 10 Uhr: Viel Lärmen um Nichts.
Sondermieten 17, 1 und 18, 1.
Freitag: Geſchloſſen.
Samstag, 7 Uhr, Ende nach 10 Uhr: Der lebende Leichnam.
Sondermieten 14, 2 und 19, 1.
Sonntag, 6½ Uhr, Ende 9½ Uhr: Der fliegende Holländer.
Sondermiete 22, 1.
Kleines Haus.
Sonntag, 7 Uhr, Ende nach 9½ Uhr: Schluck und Jau, Luſt=
ſpiel
von Gerhart Hauptmann. Zuſatzmiete II 2.
Montag: Geſchloſſen.
Dienstag, 7 Uhr, Ende 9½ Uhr: Aleſſandvo Stradella, Oper
von Flotow. Zuſatzmiete I 1.
Mittwoch, 8 Uhr: Film: Im Kampf mit dem Berge‟
Donnerstag, 7½ Uhr, Ende 9½ Uhr: Die Abreiſe, Oper von
dAlbert; hierauf: Tanzbilder Die Jahreszeiten, Muſik von
Schubert. Zuſatzmiete III 1..
Freitag, 7½ Uhr, Ende nach 10 Uhr: Schluck und Jau, Luſt=
ſpiel
von Gerhart Hauptwann. Zuſatzmiete X 2.
Samstag, 7 Uhr, Ende 9½ Uhr: Aleſſandro Stradella, Oper
von Flotow. Zuſatzmiete VT 2.
Sonntag, 11 Uhr und 4 Uhr: Braunkohlen=Film. Abends 7 Uhr,
Ende nach 9½ Uhr: Schluck und Jau.
Heſſiſches Landestheater. Spielplanänderung. Die für
Dienstag angeſetzte Vorſtellung bom Prinz Louis Ferdinand, muß
mit der für Donnerstag angeſetzten Vorſtellung von Viel Lärmen um
Nichts vertauſcht werden. Die Mieteinteilung bleibt aber beſtehen, ſo
daß die Sondermieten 15 und 16 am Dienstag Viel Lärmen um
Nichts, die Sondermieten 17 und 18 am Donnerstag’ Prinz Louis
Ferdinand erhalten.
Schülermieten im Heſſiſchen Landestheater. Das Landestheater
gibt wie bisher auch für dieſe Spielzeit Schülermieten aus, deren Be=
dingungen
in allernächſter Zeit an die Schulen gelangen werden.
* Die Immatrikulationstermine der Techniſchen Hochſchule
Danzig haben am 10. Oktober begonnen. Die Vorleſun=
gen
nehmen am 15. Oktober ihren Anfang.
L. Verkauf von Waren nach dem Ausland darf, wie bereits mitge=
eilt
, mit Wirkung vom 13. d. M. nur unter Preisſtellung und
Bezahlung in der Währung des Empfangslandes oder in nordamerika=
tiſcher
, engliſcher holländiſcher oder Schweizer Währung erfolgen. Der
Hegenwert der Ausfuhr darf nur im Intereſſe der deutſchen Wirtſchaft
erwendet werden. Der Exporteur hat nach Eingang des Ausfuhrge=
ſenwertes
, jedoch ſpäteſtens innerhalb 1 Monat (bei Ueberſeegeſchäften
nnerhalb 2 Monaten nach erfolgter Ausfuhr), 30 Prozent des Ausfuhr=
jegenwertes
in ausländiſchen Zahlungsmitteln der genannten Art an die
ſteichsbank nach ſeiner Wahl gegen Reichsmark oder gegen Reichsgold=
inleihe
oder nach Einführung von Goldkonten bei der Reichsbank, ge=
ſen
Gutſchrift auf Goldkonto abzuführen. Nähere Beſtimmungen, wie
Ausnahmebeſtimmungen, erläßt der Kommiſſar für die Deviſenerfaſ=
ung
, der auch Zuwiderhandlungen mit Ordnungsſtrafen (im Einzelfalle
dis zu 10 000 Mark Gold) ahndet und den Umrechnungsſatz der Gold=
nark
in Papiermark feſtſetzt.
* Neue Arbeiten von Mathilde Sittmann. In einem Schaufenſter
der Buchhandlung Karl Heß Nachf., Alfred Hofer, hier Eliſabethenſtr. 2,
ſt gegenwärtig eine Anzahl Porträtköpfe aus Privatbeſitz, ausgeführt
von einer Darmſtädter Malerin, Mathilde Sittmann, ausge=
tellt
. Völlig unbeirrt von jeder Tagesmode auf dem Gebiete der Kunſt,
jeht dieſe Malerin ſtill den Weg, den ihr ihre Perſönlichkeit vor=
chreibt
. In Ehrfurcht jeder, auch der kleinſten und feinſten Naturform
tachzuſpüren und ſie in ebenſo liebevoller wie ſachlicher Schilderung
eſtzuhalten. Dies ſcheint das Ziel, das ſie ſich namentlich bei dem
orträt ſteckt. Eine faſt übergroße Gewiſſenhäftigkeit ließ Math. Sitt=
nann
dabei unabläſſig nach den ihr gemäßen Darſtellungsmitteln ſuchen
ind führte ſo zur Ausbildung einer ganz individuellen Technik. Haupt=
verkzeug
iſt der Bleiſtift, dem ſich bald Oelkreiden, bald Waſſerfarben
zur farbigen Belebung beigeſellen. Von beiden Darſtellungsarten, der
einen Stiftzeichnung ſowol wie der aquarellierten Zeichnung, gibt die
leine Ausſtellung Proben. Endreſultat des hingebenden Beobachtens,
das Math. Sittmann erſtaunlich ſicher, faſt ohne jede nachträgliche Ver=
beſſerung
, den Stift führen läßt, iſt der ungezwungene, von jeder Ver=
gröberung
freie Ausdruck ihrer Porträtköpfe. So wird ihre Kunſt alle
diejenigen beſonders ſympathiſch berühren, die feinſinnige Schilderung
rſchaffener Naturform dem rein abſtrakten Bilden künſtleriſcher Phan=
aſie
, wie im Expreſſionismus, vorziehen.
Jungdeutſcher Orden. Die hieſige Bruderſchaft des Jungdeutſchen
Irdens hatte ihre Brüder und Gäſte zu einer kleinen ernſten Feier ge=
aden
, um ihr neues Ordensheim ſeiner Beſtimmung zu übergeben.
ſührige Hände hatten den bisher kahlen Raum mit den einfachſten
Mitteln behaglich und wohnlich hergerichtet. Faſt zu klein erſchien er, ſtadt,
als neben den zahlreichen Gäſten die Bruderſchaft Mannheim mit ihrem
Banner erſchien. Kleineren muſikaliſchen Darbietungen und dem ge=
neinfam
geſungenen Ordenslied folgte die Weiherede des Großmeiſters.
lticht mehr auf Gaſthaus und Reſtaurant angewieſen, kann nunmehr
die Bruderſchaft im eigenen Heim wirken und ſchaffen und dort ihre ſelbſt.
Häſte begrüßen. Aufbauend auf der frontgeborenen Kameradſchaft, foll
das Heim ihr einen feſten inneren Halt geben, ihr ein Stützpunkt ſein
bei der ſchweren Arbeit fürs Vaterland. Getreu ſeinem Vorbild, dem
Deutſchen Ritterorden, will der Jungdeutſche Orden eine ſchwere und
mühevolle Pionierarbeit leiſten, bis wieder das deutſche Manneswort
mehr gilt als Verträge, und bis wieder frei der deutſche Rhein.

Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)
Bevor wir ans Land gingen, fuhr der Großherzog fort,
indem er jedes Wort betonte, ſetzten wir uns mit einem eng=
iſchen
Panzerkreuzer in Verbindung und berichteten alles.
Sie werden ihn noch vor morgen da haben, meine Herren, und
Lann gratuliere ich Ihnen!
Wieder wurde es für einige Sekunden ganz ſtill im Zim=
mer
. Der Großherzog ſchien ſein Ziel über alles Erwarden er=
eeicht
zu haben. Alle hatten ſie ſchon einen, der britiſchen oder
franzöſiſchen Panzerkoloſſe die Inſel bei ſeinen Kreuzfahrten
durchs Mittelmeer anlaufen ſehen, und ſie hatten haarſträubende
Dinge über ihre Schießfähigkeit gehört. Sprach der Großherzog
die Wahrheit, würde es alſo nicht lange dauern, bis die Strafe
kam und nach ſeinem ganzen Auftreten, hatten ſie keinen
Zweifel daran, daß er die Wahrheit ſprach . . . Luis war bleich
wie der Tod geworden, und die anderen fixienten mit ſcheuen
Plicken zuerſt einander, dann den Großherzog, deſſen Geſicht
blutig und mißhandelt, wie es von Herrn Becker war, erſchrecken=
der
denn je wirkte; zuletzt Herrn Becker, den Urheber dieſer
ganzen Revolution, die jetzt einen ſo unglücklichen Ausgang
nahm.
Es dauerte vielleicht ein paar Minuten, dann begann Herr
Becker ſich darüber klar zu werden, welches Los den geſcheiterten
Revolutionsführer erwartet. Es begann mit einem Gemurmel
des Schankwirtes Amadeo und der drei Männer, die Don Ra=
mon
nicht kannte; dann miſchte ſich Luis: Stimme halb ſchluch=
zend
vor Angſt in dieſes Gemurmel, und zuletzt kam der grol=
kende
Baß des ſchwarzen Sergeanten. Nieder mit dem Kerl!
Er iſt an allem ſchuld! Der Teufel ſoll ihn holen geizig und
feig! Was haben wir von der ganzen Revolution? Wer hat
daran gedacht . . Für einen Augenblick ſah es aus, als ob Don
Ramon das Spiel raſcher gewonnen hätte, als er zu hoffen ge=
wagt
; einzelne Rufe: Gnade, Hoheit! ließen ſich verneh.nen.
Doch dann gelang es Herrn Becker, durch einen wilden Stimm=
aufwand
Gehör zu finden.
Kameraden, rief er, keine Feigheit! Keine Angt! Bet=
telt
Ihr um Gnade bei dieſem hier? So behandle ich ihn (er
hob die Hand, um Don Ramon ins Geſicht zu ſchlagen, aber ließ
ſie vor dem neuen Ausdruck in den Zügen ſeiner Mitverſchwo=
Tenen wieder ſinken), wenn ich will, fügte er hinzu. Taßt Ihr

D Brotverſorgung. Unter den heutigen wirtſchaftlichen Ver=
nur
zur Brotverſorgung verwendet wird und nicht Zwecken dient,
die nicht der unmittelbaren Ernährung der Bevölkerung zugute
kommen. Eine Hauptgefahr in dieſer Richtung bildet die Ver=
fütterung
. Es iſt darauf hinzuweiſen, daß das Verbot der 88 44,
49 des Geſetzes über die Regelung des Verkehrs mit Getreide
aus der Ernte 1922 vom 4. Juli 1922, wonach die Verfütterung
von Brotgetreide und daraus hergeſtelltem Mehl und die Her=
ſtellung
von Futtermitteln aus ſolchem Brotgetreide und Mehl
unter Strafe geſtellt iſt, noch bis 31. Dezember 1923 gilt. Die
wirtſchaftliche Lage läßt es auch geboten erſcheinen, das Verbot
vorausſichtlich für das geſamte Wirtſchaftsjahr in Kraft zu er=
halten
. Eine derartige Regelung iſt in einem dieſer Tage dem
Reichsrat zugehenden, vom Reichskabinett bereits gebilligten
Geſetzentwurf zur Sicherung der Brotverſorgung im Wirtſchafts=
jahr
1923/24 vorgeſehen. Die bei der derzeitigen Preisentwick=
lung
insbeſondere für Roggen einerſeits, Futtergetreide anderer=
ſeits
verſtärkte Gefahr, daß Roggen der verbotswidrigen Ver=
fütterung
zugeführt wird, zwingt daneben zu einer beſon=
deren
Verſchärfung der Strafvorſchriften für die Fälle, in
denen die Verfütterung nicht beim Landwirt aus einer eigenen
Ernte, ſondern von anderen, zum Beiſpiel den Schweinemäſte=
reien
, mittels erſt erworbenen Getreides erfolgt.
Es iſt in der jetzigen ſchweren Zeit unſeres Vaterlandes für
jeden Volksgenofen oberſte Pflicht, jede Vergeudung von Brot=
getreide
zu vermeiden.
Nachzahlungen für Ruhegehaltsempfänger. Wir glauben, den
Staatsbeamten im Nuheſtand und Hinterbliebenen von Staatsbeamten
einen Gefallen zu erweiſen durch den Hinweis, daß bei der Landes=
Hypothekenbank eine weitere Nachzahlung ab Montag bereitgeſtellt iſt.
E Das Wohnungsamt veröffentlicht in der heutigen Num=
mer
einen Beſchluß der durch die Stadtverordnetenverſammlung
kürzlich gewählten Wohnungs=Zuweiſungskommiſſion, wonach
alle Diejenigen, die ſich rechtswidrig in den Beſitz einer Wohnung
ſetzen, unnachſichtlich und ohne Rückſicht auf die Gründe, die den
widerrechtlichen Einzug rechtfertigen ſollen gegebenenfalls
zwangsweiſe wieder aus der Wohnung entfernt werden. Dieſe
Maßnahme iſt unbedingt notwendig, nicht allein um dem Geſetz
Geltung zu verſchaffen, ſondern auch um eine ordnungsgemäße
Bewirtſchaftung auf dem Wohnungsmarkt zu gewährleiſten.
Steuerabzug vom Arbeitslohn. Die Verhältniszahl zur
Berechnung der Ermäßigungen beim Steuerabzug beträgt ab
14. Oktober 1323 32. Der Multiplikator für die Sachbezüge
ab 16. Oktober 1923 beträgt 5, d. h. es werden die ab 1. Okto=
ber
fälligen Wertſätze verfünffacht. Beiſpiel: Wert der vol=
len
freien Station für eine weibliche Hausangeſtellte ab 16. Ok=
tober
1923: (28 200 000 Mark X 19 X 5 1440 000 000 Mark.
Bund der Kinderreichen. Der Bund führte ſeine Mitglieder in
ſeiner Monatsverſammlung während eines 2ſtündigen Lichtbildervor= Nieder=Namſtadt zur Beſichtigung der Epileptiſchen Anſtalt ein. Treffen
vorzüglich gelungener Lichtbilder ging die Wanderung zu einer Reiſe
an die herrlichſten Punkte Oberbayerns und dann weiter ins heilige
Land Tirol mit ſeiner ſchönen Hauptſtadt Innsbruck und dem nahen
hiſtoriſchen Iſelberge mit dem Denkmal Andreas Hofers. Es war für
die zahlreich Erſchienenen ein ſeltener Genuß, die herrlichen Szenerien
mit ewigem Schnee bedeckte Berge und wildes, zerklüftetes Gelände
ſam, und ſchloß dann die gutbeſuchte Verſammlung.
findet im Gewerbemuſeum (Neckarſtraße 2) in den Ausſtellungen von
Nudolf Koch und Wilhelm Gerſtung eine Führung ſtatt. Der Eintritt ſich heute bekanntlich nach Goldmark und Dollar. Damit ſteht einwand=
iſt
frei.
Rechtsanwalt Hans Soldan iſt durch Beſchluß des Präſidiums des
Die Anthropoſopliſche Geſellſchaft veranſtaltet Dienstag abend
einen Vortrag. Geiſtesleben und Naturwiſſenſchaſt, auf den In= Reichsfinanzminiſterium wurde die Lage dargelegt und ſofortige Abhilfe
tereſſenten hingewieſen werden. (S. Anz.)
Orpheum Frankfurter Operetten=Gaſtſpiel. Heute Sonntag,
Uhr, Orpheumskaſſe von 3 Uhr ab.
Tagesordnung zur öffentlichen Sitzung des Provinzialausſchuſſes
der Provinz Starkenburg am Mittwoch, den 17. Oktober, vormit= gegenwärtigen Bruchteil=Gehalten noch nicht einmal Kartoffelvorſchüſſe
tags 10 Uhr: 1. Geſuch des Johann Kopp zu Darmſtadt um Erlaub= gewährt werden dürfen, auch nicht gegen wertbeſtändige Rückzahlung,
nis zum Betriebe einer Schankwirtſchaft im Hauſe Kiesſtraße Nr. 97. eine Maßnahme, die jeder einigermaßen noch lebendige Privatbetrieb
2. Klage des Ortsarmenverbandes Darmſtadt gegen den Ortsarmen= ſeinen Arbeitern zubilligt. Gerade in der kritiſchſten und ſchwerſten Zeit
Erlaubnis zur Anlage eines Triebwerkes im Stadtmühlbach zu Seligen=
Kreiſes Darmſtadt am Dienstag, den 16. Oktober, nachm. 3 Uhr:
Beitritt der Gemeinde Arheilgen zur Spar= und Darlehenskaſſe da=
das
engliſch beſetzte Gebiet (Brückenkopf Köln) lediglich von einem Dagegen erhebt der Ausſchuß ſeine warnende Stimme. Bezüglich der
gebührenfreien Geleitſchein abhängig gemacht wird (Verkehrsamt Köln, Vorgänge in der Stadtverordnetenverſammlung vom R. September
Domhof 28), beträgt die Gebühr für die Ausfertigung der Einreiſe= ſtellt der Ausſchuß mit Bedauern feſt, daß die Stadtverwaltung ſich nicht
genehmigung in das franzöſiſch beſetzte Gebiet ſeit dem 1. Oktober, entſchließen konnte, dem Stadtv. Werner als Techniker und Fachmann
fünf Goldmark.
Euch von ihm und ſeiner drahtloſen Telegraphie ins Bockshorn
jagen? Er lügt! Er lügt ganz einfach! Er verſucht, Euch ein= lächter aus.
zuſchüchtern, das iſt alles! Und wenn er ſchon die Wahrheit
redete!
Wenn ein engliſcher Panzerkreuzer, vor morgen käme zeigen können, was der Mühe wert iſt!
werden wir beſſer behandelt werden, weil wir um Gnade bet=
teln
? Hat er nicht verſprochen, daß wir alle vor dem Abend
gehängt werden? Wollt Ihr das verhindern, Kameraden ſo und eine Dame trat über die Schwelle. Im nächſten Augenblick,
gibt es nur ein Mittel: daß wir ihn gleich hängen! Die Toten
plaudern nichts aus. Wenn wir ihn hängen, und das Boot, mit den Verſtand zu verlieren.
dem er gekommen iſt, in den Grund bohren, möchte ich den eng=
liſchen
Panzerkreuzer ſehen, der uns etwas nachweiſen kann.
Hängen wir ihn ſofort und begeben wir uns dann zum Hafen! um. Alle ſtarrten ſie an.
Herr Becker verſtummte, und der Großherzog ſah mit
einem aus Erbitterung und müder Gleichgültigkeit gemiſchten Türe ſchlüpfte und in die Nacht hinaus verſchwand.
Gefühl, daß er ſeine Abſicht erreicht hatte; aller Geſichter hatten
bei ſeinen Worten aufgeleuchtet ſie ſahen ein, daß er recht
hatte! Der Großherzog hatte verſprochen, daß ſie alle gehängt worin die Schreckensherrſchaft der Republik
würden, und war er am Leben, wenn das Panzerſchiff kam, ſo
konnten ſie ſicher ſein, daß er Wort halten würde. Herr Becker
hatte recht, er mußte gehängt werden, gleich, und ſeine Jacht / Soldaten zurief, ſeine Wache wieder aufzunehmen; dann wendete
mußte man in den Grund bohren! Mochte dann der Panzer= er ſich mit einem Grinſen der Dame zu. Dieſe ſtand noch immer
kreuzer kommen.
Don Namon von ſeinem Sitz los und begann, ſich nach einer andern. Es war klar, daß ſie von dem, was vorging, nicht das
Der ſchwarze Sergeant hatte den Waffenrock abgeworfen; es Wunſch, ſich tapfer zu zeigen, hin und herſchwankte. Mit noch
war kein Zweifel, daß er die Funktion des Henkers zu überneh= einem Grinſen, das ſeinen ſchwarzen Bart entzweiſpaltete, ſagte
men gedachte. Hätte ſeine Geſte es nicht gezeigt, ſo hätte man der Sergeant:
es ihm von: Geſicht ableſen können.
Helfershelfer ſich bereit machte, eine Leiter aufzuſtellen und den
Strick an einem Nagel der Decke zu befeſtigen, hörte man durch wendete ſie ihre Augen ab, ohne zu antworten; in der nächſten
Für einen Augenblick wurde es ſtill, und das Herz des Groß= auf ſeinem Seſſel ſaß,
herzogs ſchnürte ſich vor Grauen zuſammen: das war der Pro=
feſſor
, der gerade zur rechten Zeit zurückkehrte, um der Exekution ſetzen ſtehen. Sah ſie recht? Gehörte dieſes blutige, mißhan=
beizuwohnen
. Was würde ſein Schickſal ſein?
Der ſchwarze Sergeant lief zur Türe und rief mit erhobener ſie recht ſah, warum ſaß er gebunden hier?. Mitten unter dieſen
Stimme:
Wer da?
Ich, der Wachtpoſten, erklang die undeutliche Antwort.
Ich habe jemanden da, der nach dem großherzoglichen Palaſt ſchehen? Warum ſind Sie gebunden? Warum hat man Sie
fragt.
Der Sergeant ſchob langſam den Riegel zurück und öffnete,
offenbar ohne recht zu verſtehen.

Ueber den Eiſenbahnunfall bei Dieburg wird uns noch
amtlich geweldet: Am Freitag abend fuhr auf Bahnhof Dieburg
infolge irrtümlicher Freigabe des beſetzten Gleiſes Perſonenzug
Nr. 952 FrankfurtDarmſtadt hinten auf einen im Bahnhof
haltenden Güterzug. Im Perſonenzug wurden eine Perſon
ſchwer und etwa zwölf Perſonen leicht verletzt. Sämtliche Ver=
letzten
wurden alsbald mit dem nächſten Perſonenzug nach
Darmſtadt befördert. Während die drei letzten Wagen bei dem
Güterzug ſchwer beſchädigt wurden, war der Sachſchaden bei dem
Perſonenzug unbedeutend. Der Betrieb, der zunächſt eingleiſig
aufrecht erhalten wurde, konnte nach einigen Stunden wieder
zweigleiſig aufgenommen werden. Die Verunglückten,
von denen die Mehrzahl in Darmſtadt wohnt, ſind: Frau Frieda
Titlow, ſchwerer verletzt; leichter verletzt ſind: Joh. Schmidt,
Joh. Baptiſt Heintz, Lehrer Reineck, Stefan Wiringa, Anna
Nachtkamp, Lina Zeller, Emma Modzek, (ſämtlich aus Darm=
ſtadt
)); Walter Bendorf (Ober=Ramſtadt); Marie Chriſtbacher
(Auerbach a. d. B.); Edmund Strauß (Frankfurt) und Simon
Siegmund (Hamborn i. W.).
Die Höchſtiſätze der Erwerbsloſenunterſtützung
betragen in der Woche vom 10. bis zum 16. Oktober 1923 wochen=
täglich
in den Orten der Ortsklaſſen A B O Du. E
1. Für männliche Perſonen:
in Millionen Mark.

a) über 21 Jahre, ſofern ſie nicht im

Haushalt eines anderen leben . 165 155 145 135 b) über 21 Jahre, ſofern ſie in dem
Haushalt eines anderen leben. . 130 120 110 100 c) unter 21 Jahren ... .. 100 90 80 70 2. Für weibliche Perſonen:
a) über 21 Jahre, ſofern ſie nicht
im Haushalt eines anderen leben 130 120 110 100 b) über 21 Jahre, ſofern ſie in dem
Haushalt eines anderen leben". 110 100 90 80 c) unter 21 Jahren . .... 75 70 65 60 3. Als Familienzuſchläge für:
a) den Ehegatten . . . .. 60 55 50 B b) die Kinder und ſonſtige unter=
ſtützungsberechtigte
Angehörige . 50 45 40 35

Lokale Veranſtaltungen.
Die dlerunter erſchelnenden Nofizen ſind ausſchließtich als Hinweiſe auf Anzeigen zu betrachten,
in krinam Falle igendwie als Veſprachung oder Kritt.
Der Chriſtliche Verein Junger Männer Darm=
ſtadt
E. V. lädt ſeine Mitglieder und Freunde für heute Sonntag
nachmittag zu einem Spaziergang durch den herbſtlichen Wald nach
trags in die Schönheit und Erhabenheit der Alpenwelt ein. An Hand 1½ Uhr am Tierbrunnnen Nieder=Ramſtädter Straße) oder 2 Uhr am
Böllenfalltor.
Aus den Parteien.
Deukſche Demokratiſche Partei, Ortsgruppe
Darmſtadt. Die Mitgliederverſammlung der Gruppe Beamten und
mit idylliſchen Tälern zu ſehen. Reicher Beifall lohnte den Redner. Arbeitnehmer beſchäftigte ſich am letzten Dienstag abend mit der Stel=
Nachdem der Vorſitzende dem Redner gedankt, machte er auf die am lung des Beamtentums zur heutigen Lage. Je größer die Not von Volk
Freitag, den 19. Oktober, ſtattfindende Generalverſammlung aufmert= und Vaterland, um ſo eifriger und pflichtgetreuer muß Beamten= und
Arbeitnehmerſchaft auf ihrem Poſten ſtehen. Auf der anderen Seite
dürfen ihr auch nicht die notwendigſten Exiſtenzmittel verſagt werden.
Gewerbemuſeum. Am Sonntag, den 14. Oktober, um 11 Uhr, Von dieſem Standpunkte aus betrachtet, iſt die letzte Neuregelung und
Aufwertung der Bezüge völlig unzulänglich. Der geſamte Markt richtet
frei feſt, daß ſich die Bezüge der Beamtenſchaft am letzten Montag im
* Zulaſſung bei dem Reichsgericht. Der aus Mainz ausgewieſene Durchſchnitt auf ½/, am Dienstag auf ½/ am Donnerstag auf
*/s0ao der Friedensbezüge erſtreckte. Das ſind unhaltbare Zuſtände,
Reichsgerichts zur Anwaltſchaft beim Reichsgericht zugelaſſen worden, zumal in der Herbſtzeit, da die allernötigſten Unterhaltsmittel für den
Winter nicht beſchafft werden können. In einem Telegramm an das
dringend erbeten. Ferner muß eine ſchnelle Beſeitigung der Verzöge=
rungen
in den Auszahlungen, durch die eine Entwertung auf geringe
Bruchteile eintritt, erfolgen, namentlich auch für Ruheſtändler und
den 14. Oktober, findet die letzte Aufführung Die Poſtmeiſterin, Witwen. Auch für die ſtaatlichen Tarifangeſtellten mit 14tägiger Ge=
Operette in drei Akten, ſtatt. Vorverkauf: Verkehrsbureau von 111 haltszahlung iſt eine Aenderung herbeizuführen. Für Witwer mit
eigenem Haushalt muß unbedingt die Frauenzulage gewährt werden.
Eine geradezu ungeheuerliche Härte iſt darin zu erblicken, daß bei den
verband Spachbrücken wegen Erſatz von Koſten für das Kind der dreht das Reichsfinanzminiſterium den Strick völlig zu. Das ſind die
Marie Rückert zu Reinheim. 3. Enteignung von Baugelande in Nein= Früchte der Beamtenhetze, die von der D. Allg. und Frankf. Btg. ins
heim. 4. Geſuch des Müllers Friedrich III, von Seligenſtadt um Werk geſetzt wurde. Die Beamten ſind nicht die Blutſauger und Ver=
derber
des Staates, wie jene führenden Zeitungen es hinzuſtellen be=
liebten
. Die ſitzen ganz anderswvo! Vielmehr iſt das Intereſſe der Be=
amtenſchaft
in allererſter Linie auf Erhaltung des Staates und der
Tagesordnung zur öffentlichen Sitzung bes Kreisausſchuſſes des ſtaatlichen Ordnung im Rahmen ſozialer Gerechtigkeit gerichtet. Die
Beamten= und übrige Arbeitnehmerſchaft, denkt nicht an Braten und
Schaumwein, ſie erwartet nur Brot und Kartoffeln, die man ihr heute
auch verweigert. Eine Fortſetzung der Lohn= und Gehaltspolitik im ge=
RDV. Die Einreiſe ins beſetzte Gebiet. Während die Einreiſe in kennzeichneten Sinne muß raſch zu einer ungeahnten Kataſtrophe führen.
den freigewordenen Sitz im Aufſichtsrat der Heag verſchaffen zu helfen.
m
Dann drehte er ſich um und brach in ein ſchallendes Ge=
Eine kleine Senorita, rief er, die um dieſe Zeit auf Be=
ſuch
in den Palaſt kommt! Gott ſei Dank, daß wir ihr ewas
Kaum ſeinen Augen trauend, ſah der Großherzog die Türe
weit geöffnet, ein Mann in Uniform wurde draußen ſichtbar,
als ſie das Licht der Halle erreicht hatte, glaubte Don Ramon
Es war Madame Pelotard.
Sie trat in die Halle, langſam, verſtändnislos, und ſah ſich
Niemand bemerkte, daß Luis Hernandez ſtumm durch die
Sechſtes Kapitel,
Minorca ihren Bonaparte findet.
Der ſchwarze Sergeant verſchloß die Türe, indem er dem
zwei Schritte vom Eingang mit weit geöffneten Augen, und ihre
Ein wildes Gemurmel erhob ſich und wuchs an; man riß. Blicke irrten in der wunderlichen Verſammlung von einem zum
Stelle umzuſehen, wo man die Exekution bewerkſtelligen konnte. Mindeſte verſtand, daß ſie zwiſchen Staunen, Furcht und dem
Was verſchafft uns das Vergnügen? Sollten Sie vielleicht
Plötzlich, gerade als der Schankwirt Amadeo und einer ſeiner auch mit der geheimnisvollen Jacht gekommen ſein, Senjorita?
Sie warf einen raſchen erſchrockenen Blick auf ihn, dann
all den Lärm und die Erregung drei harte Schläge an die Türe. Sekunde hatte ſie den Großherzog erblickt, wie er da gebunden
Raſch eilte ſie vorwärts, aber blieb dann ſofort voll Ent=
delte
Geſicht dem Manne, den ſie zu erkennen glaubte. Und wenn
Menſchen, die ihr ſolche Angſt einflößten, daß ſie am liebſten
geweint hätte?
Graf, rief ſie auf franzöſiſch, ſind Sie es? Was iſt ge=
geſchlagen
? Sagen Sie mir es doch!
(Fortſetzung folgt.)

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Sonutag, den 14. Oktober 1923.

Nummer 284.

Mit Stanley im dunkelſten Afrika.
* Es war im Jahre 1871. Livingſtone war verſchollen. Der
bekannte Miſſionar, dem die damalige Welt den größten Teil ihrer
Kenntniſſe über das äquatoriale Afrika verdankte, war nach bielen er=
folgreichen
Reiſen wiederum im Jahre 1866 von Sauſibar aufgebrochen,
um das Gebiet der großen innerafrikaniſchen Seen zu erforſchen. Aber=
ſeit
langer Zeit waren die Nachrichten ausgeblieben, ſo daß ſich Gordon
Bennet, der Beſitzer des Neu=York Herald, entſchloß, Stanley auszu=
ſenden
, um Livingſtone, falls er noch am Leben, zu retten. Im Januar
des Jahres 1871 landete Stanley in Sanſibar, wo er die Vorbereitun=
gen
zu ſeiner Expedition traf, die dann kurze Zeit ſpäter von Baga=
moho
aus den Vormarſch ins Innere des dunklen Erdteils antrat. Nach
11 Monaten war der Zweck erreicht: in Udſchidſchi am Tanganfikaſee
fand er den totgeglaubten Livingſtone! Noch mehrere Monate wurden
der Erforſchung dieſes großen Sees gewidmet, ehe der Heimmarſch
angetreten wurde.
Dieſe geſchichtliche Begebenheit wird uns heute im Film im
Union=Theater auf der Rheinſtraße vorgeſetzt. Eine amerika=
niſche
Geſellſchaft hatte das Zuſtandekommen dieſes Films in die Hand
genommen und ſowveit man heute ſchon ſagen kann mit gutem Er=
folg
. 36 Akte in ſechs Abenden! Der erſte Teil zeigt die nachgedichtete
Entſtehungsgeſchichte der Expedition und ihren Abmarſch auf dem afri=
kaniſchen
Feſtlande in Deutſch=Oſtafrika, ehe dieſes Gebiet unter deut=
ſchem
Schutz ſtand. Da der Film amerikaniſchen Urſprungs iſt, müſſen
wir auch einige amerikaniſche Eigenſchaften mit in Kauf nehmen. Mit
einem Rieſenbrand in Neu=York geht’s los. Wolkenkratzer, Feuerwehr,
Damen, die ſich auf Telephondrähten von einem zum anderen der him=
melhohen
Häuſer begeben (im Hauptmoment reißt der Draht natürlich!),
Männer, die unter Hintanſetzung jeglicher Ritterlichkeit ihre Damen im
Fenſterrahmen des 125. Stockwerkes ſtehen laſſen, weil ſie ſich ſelber an
plötzlich vorhandenen Tauen über die Straße ins gegenüberliegende
Haus ſchwingen, und ähnliches mehr. Das alles hat ja mit Afrika
eigentlich nichts zu tun, iſt aber doch recht artig anzuſehen. Wenn man
auch weiß, daß der Held eines 36aktigen Afrikafilms noch nicht im erſten
Akt in Amerika verunglücken darf, ſo kriegt man doch ein ganz ange=
nehmes
Gruſeln. Dann deht’s nach Sanſibar. Auch hier geht’s ameri=
kaniſch
zu. Eine amerikaniſche Reporterin, die Sklavenhändlern in die
Hände fällt, gibt Anlaß zu wilden Hetzjagden; dabei ſpringen ſie und
er aus dem dritten Stock ins Waſſer; der Held wird mehrfach von
10 Arabern gleichzeitig angegriffen, Wände krachen, Menſchen fliegen
durch die Luft und mit dem kleinen Finger ſeiner linken Hand ſchmettert
unſer amerikaniſcher Held ſeine ſämtlichen Gegner zu Boden.
Alle dieſe Schauertaten nimmt man aber gerne mit in Kauf für die
gute Darſtellung der Expedition Stanleys. Die künſtlich geſtellten
Bilder ſind gelungen und werden von vorzüglichen afrikaniſchen Origi=
nalaufnahmen
ergänzt. Noch nie ſah ich ſo hervorragende Raubtier=
bilder
, die teils der Handlung vorangehen, teils in geſchickter Weiſe
eingeflochten ſind. Allein dieſe Bilder würden ſchon den Beſuch des
Folms lohnen. Der begleitende Text iſt kurz und klas und erleichtert
das Verſtändnis.
Der zweite Teil dieſes Rieſenfilms führt uns Stanleys Expe=
dition
im afrikaniſchen Urwald vor. Es ſei vorausgeſagt, daß ich
auch dieſen Teil wegen ſeiner guten photographiſchen Bilder für ſehens=
wert
halte. Er iſt aber nebenbei auch lehrreich. Er zeigt nämlich,
wie es in Afrika nicht ausſieht. Man kann wieder einmal ſehen, welche
kindliche Vorſtellungen die Amerikaner von allem haben, was ihnen
fremd iſt. Unkenntnis und Reklameſucht laſſen ſie Gebilde geſtalten, die
recht oft lächerlich wirken. Man ſcheint die Neger mit Indianern ver=
wechſelt
zu haben. Meines Wiſſens haben beide nur gemeinſam, daß
man ihnen gleichzeitig mit Bibel und Schnapsflaſche zu Leibe rückt.
(Bei den Indianern mit recht gutem Erfolg: es leben nur noch einige
Tauſend!) In Amerika hat man aber auch äußerliche Aehnlichkeit an=
genommen
und die Requiſiten zu dieſem Film einer Schmiere entlehnt,
die in Indianerſtücken macht. Neu=Yorker Gentleman=Neger erſcheinen
in dieſer Aufmachung. Mit Pfauenfedern und anderem Badehoſenerſatz
angetan, ſtellen ſie wilde Völker dar. Der Häuptling ſchwingt ſogar
einen Tomahawk! Damit ihren zarten Füßen nichts paſſiert, tragen
dieſe Naturvölker Sandalen und Turnſchuhe. Die Ausrüſtung Stan=
leys
iſt dieſer Aufmachung ebenbürtig. Ich möchte keinem raten, ſo
zu reiſen.
Der erſte Teil ſtand unter dem Zeichen der Akrobatik; im zweiten
Teile dominiert die Schußwaffe. Die ungeheueren Leiſtungen Living=
ſtones
und Stanleys ſowohl als Miſſionar und als Forſcher wirken in
dieſer veramerikaniſierten Darſtellung recht eigenartig. Daß zu dem
wüſten Geknalle auch viele wilde Tiere gehören, iſt klar. Wie in dem
Märchen ſpringen hier die Löwen im Urwald herum. Der ganze Glo=
buis
hat von ſeiner Fauna pumpen müſſen. Wenn auch rein künſtle=
riſch
ſehr ſchöne Bilder entſtanden ſind, ſo muß man doch lächeln, wenn

blutrünſtige Löwen auf zwei Schritte Entfernung von jungen Mäd=
chen
in die Flucht geſchoſſen werden. Der dazu gehörige Jüngling macht
es anders. Wie weiland Herakles den nemeiſchen Löwen erwürgte, ſo
packt auch er eine Löwin, drückt ſie an ſeinen Buſen und deformiert ſie
ſo lange, bis der Tod eintritt. Damit ihn das Bieſt nicht beißt, hält er
ihm dabei die Hand vors Maul! Allen zukünftigen Afrikajägern kann
ich dieſe Art, Löwen tot zu machen, nur aufs wärmſte empfehlen. Als
ich in Afrika war, war dieſe Jagdart leider noch nicht aktuell. Ich
is.
hätte ſie ſicher einmal verſucht.

v. Nieder=Beerbach, 13. Okt. Kartoffel= und Holzverſor=
gung
. Dieſe zurzeit brennenden Fragen hat die hieſige Gemeinde
auf die Weiſe gelöſt, daß ſie von den Landwirten Kartoffeln zur Ver=
ſorgung
der Bevölkerung angekauft hat und dieſen dafür Holz aus dem
Gemeindewald nach einem ganz beſtimmten Verhältnis abgibt.
Wixhauſen, 13. Okt. Um allen Kopfarbeitern, die ihrem Wirkungs=
kreis
infolge der Beſetzung fernbleiben müſſen, Gelegenheit zu weiterer
Uebung zu geben, ferner alle übrigen Intereſſenten der Schnellſchreib=
kunſt
zuzuführen, ergeht an alle Intereſſenten der Mahnruf: Kommt
und ſchickt Eure Kinder zu dem am 15. Oktober beginnenden Unter=
richtskurſus
in Stenographie.
rh. Gernsheim, 13. Okt. Todesfall. Auf der Fahrt von Gerns=
heim
nach Groß=Nohrheim iſt der hieſige Lehrer Burtſchell von einem
Schlaganfall tödlich betroffen worden.
Mainz, 12. Okt. Der Buchdruckerſtreik, der hier am
6. ds. Mts. wegen Lohnforderung der Buchdrucker ausgebrochen iſt, iſt
noch immer nicht beendet. Von dem Streik ſind der Mainzer Anzeiger,
das Mainzer Tagblatt und die Mainzer Tageszeitung betroffen, die
nicht erſcheinen. Die Mainzer Tageszeitung hat ihr Perſonal ausge=
ſperrt
. Das ſozialdemokratiſche Blatt, die Mainzer Volkszeitung, iſt
bekanntlich von der franzöſiſchen Beſatzungsbehörde verboten, ſo daß
in Mainz ſeit dem 6. Oktober kein deutſches Blatt erſcheint.
R. Selters; 13. Okt. Todesfall. Badedirektor Gabriel iſt an
der Bahnſperre, als er im Begriff war, ſich nach Gießen zu begeben, von
einem Hirnſchlag getroffen worden; er ſtürzte ſofort tot zuſammen.
Direktor Gabriel hat ſich um die Hebung des Kurbetriebes große Ver=
dienſte
erworben.
R. Gießen, 13. Okt. Lagerdiebſtahl. Aus dem Lager einer
hieſigen Firma wurden zwei Ballen Kaffee im Werte von 200 Milliarden
Mark entwendet.
Reich und Ausland.
Giftmörder Huber.
München. Eine volle Woche lang verhandelte das Schwur=
gericht
München über eine Anklage wegen dreifachen Giftmordes und
Giftmordverſuches gegen den 25 Jahre alten Laboratoriumsdiener Ro=
bert
Huber in München. Huber ſpielte gerne den großen Herrn, gab
ſich als wiſſenſchaftlicher Hilfsarbeiter im Krankenhaufe München aus,
ließ ſich als Doktor titulieren uſw. Im Winter 1918/19 lernte er auf
einer Schneeſchuhfahrt die Münchener Großhändlerstöchter Reindl
kennen und verlobte ſich mit einer derſelben. Dann ſoll er nach der
Anklage Schwviegereltern und Schwägerin vergiftet haben. Nach dem
Tode der drei heiratete er ſeine Braut, die keinen Argwohn hatte, und
bezog die Wohnung der Schwiegereltern. Beſonders hartnäckig war
der Kampf Hubers gegen das Leben ſeines Schwiegervaters, der ihm
volles Vertrauen entgegenbrachte. Huber ſoll ihm künſtlich Rotlauf er=
zeugt
haben; davon genas er trotz der ſchweren Erkrankung durch ärzt=
lichen
Eingriff wieder. Darauf gab ihm Huber ſo lange Arſenik ein,
bis er ſtarb. Bald darauf ſoll er das ſehr vermögende Ehepaar Grimm
in Schlierſee durch Gift aus der Welt zu ſchaffen verſucht haben. H.
ſtahl dann der Frau Grimm ihren wertvollen Schmuck, ſchraubte von
dem Auto der Grimm die Hauptſteuerſchraube los und lockerte zehn
weitere Schrauben, damit die Eheleute Grimm bei der erſten Autoaus=
fahrt
den Tod finden ſollen, wenn ſie dem Gift nicht erliegen ſollten.
Die Pläne mißlangen, das Ehepaar Grimm wurde wieder geſund und
veranlaßte die Feſtnahme des Huber, als er bereits alle Vorbereitungen
zur Abreiſe in die Schweiz getroffen hatte. Huber leugnete die Taten,
die ihm zur Laſt gelegt ſind. Der Staatsanwalt beantragte gegen den
Angeklagten die Todesſtrafe und 15 Jahre Zuchthaus wegen eines Ver=
brechens
des Giftmordes und wegen zweier Verbrechen des verſuchten
Mordes. Des weiteren ſeien Huber die bürgerlichen Ehrenrechte auf
Lebenszeit abzuerkennen. Der Angeklagte iſt im Falle des Ehepaares
Grimm wegen Giftmordverſuches zu 15 Jahren Zuchthaus und ebenſo
viel Jahren Ehrverluſt verurteilt worden, dagegen erfolgte im Falle
Reindl Freiſprechung, weil die Beweiſe nicht vollſtändig geweſen ſind.

Sport, Spiel und Turnen.
Handball.
Heute nachmittag finden auf dem Finanzamtplatz der T. G.D. 46 drei.
hochwertige Handballſpiele ſtatt. Um 1½ Uhr eröffnet die bis jetzt un=
geſchlagene
1. Handball=Jugendmannſchaft der T.G.D. 46 den Reigen.
Dieſelbe ſpielt gegen die bis jetzt unbekannte 1. Jugendmannſchaft des
Turnsvereins Babenhauſen. Auf den Ausgang des Spieles kamn man
geſpannt ſein.
Anſchließend an das Spiel der 1. Jugend ſpielt die 2. Mannſchaft
der T. G.D. 46 gegen die 1. Mannſchaft des Turnvereins Sprendlingen.
Dieſes Spiel dürfte für Darmſtadt zu gewinnen ſein, da dieſelbe ver=
ſtärkt
antritt.
Nach dieſem Spiel ſteht die 1. Mannſchaft der T.G.D. 46 der 1.
Mannſchaft des Turnvereins Neu=Iſenburg, ebenfalls auf dem T. G.D.=
Platz, gegenüber. Bereits im Vorjahr kämpften beide Mannſchaften
hartnäckig um die beiden Punkte. Die Darmſtädter Mannſchaft hat ſich
gegen das Vorjahr gebeſſert. Die Frage des Ausganges des bevorſtehen=
den
Spieles dürfte eine offene ſein.
h.
Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(För die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion keinertei Ver=
antwortung
; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Umfange
der Einſender verantwortlich.) Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht
zurückge andt, die Ablehnung nicht bearündst werden.
Ein Familienbater verdient, i letzter Woche mit ſeiner Tochter
zuſammen 2 Milliarden 877 Millionen. Er läßt ein Paar Damenhalb=
ſchuhe
beſohlen und beflecken, für am Freitag abzuholen; denn anders
geht es nicht. Furchtbar, erſtaunt war er, als der Herr Schuh=
machermeiſter
den horrenden Betrag von drei Milliarden verlangte. Ich
frage bei der Oeffentlichkeit an, was man verdienen müßte, um ſeine
Familie von ſieben Köpfen zu ernähren, obendrein noch Kleider und
Schuhreparaturen machen zu laſſen? Es werden doch auch neue Artikel
gebraucht. Wie iſt das möglich?. Wo bleiben hier die zuſtändi=
gen
Stellen, um einzuſchreiten. Alles verlangt Goldmark und Gold=
pfennige
. Warum gibt man nicht der Arbeiterſchaft auch dieſe Wäh=
rung
, damit ſie ſich einigermaßen über Waſſer halten könnte?
Ein kinderreicher Familienvater.

Bertreter: Aures & Co., Darmſtadt, Rundeturmſtraße 12.
Kirchliche Nachricht.
Evang. Jugendgemeinſchaft. Montag, den 15. Oktober, nachm
6 Uhr: Zuſammenkunft im Gemeindehaus der Kiesſtraße.
Tageskalender.
Landestheater Großes Haus, Anfang 7, Ende 9 Uhr (D 4):
Elektra. Kleines Haus, Anfang 7, Ende 9½ Uhr (Zuſatzmiete II.):
Schluck und Jau. Orpheum, abends 734 Uhr: Die Poſt=
meiſterin
Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
Kinovorſtellungen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. A. Flciſchmann, ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 8 Seiten
nnd Unterhaltungsblatt.

Uasere am Sonntag, den 14.Okt.
1923, nachm. /,3 Uhr stattfindende
TRAUUNG in der Johanneskische
beehren sich anzuzeigen
Hans Modebach
u. Frau Liesbeth
geb. Kraft
Darmstadt, Georgenste. 11,.
(*26548

Todes=Anzeige.
Unſere gute Mutter
(7843
Frau
Helene Lehmann
geb. Simon
iſt nach ſchwerer Krankheit ſanft
verſchieden.
Die Beerdigung findet ſtatt:
Sonntag, den 14. Oktober 1923
nachmittags 3 Uhr.
Die trauernden Kinder.

Todes=Anzeige.
Am Freitag Morgen verſchied
nach ſchwerem Leiden meine liebe
Tochter, unſere gute Schweſter,
Schwägerin, Tante und Nichte
Unhadeig echier
im Alter von 26 Jahren.
Darmſtadt, 14. Oktober 1923.
Beckerſtraße 27.
Familie Anna Schmidt Bwe.
und Angehörige.
Beerdigung, am Montag, 15. Okt.,
nachm. 4 Uhr, Friedhof, Nieder=
Ramſtädterſtr. (*26564

1 P. neue ſchw. D.=
Spangenſchuhe 37/38
fl. Abſatz (ſehr ſolide
Ware) geg. ebenſolche
38/39 zu vertauſchen:
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Heidelbergerſtr. 65,
1. Stock.
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Heute nacht wurde unſere liebe Mutter
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geb. Suppes
im 65. Lebensjahre durch einen ſanften Tod
von uns genommen.
Darmſtadt, den 13. Oktober 1923.
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Regierungsbaumeiſter Rudolf Schreiner
Barbara Schreiner, geb. Schlippe
Martha Starke, geb. Schreiner
Dr. med. Ferdinand Schreiner
Marie Schreiner, geb. Metz
Dr. phil. Paul Sander
Lieſe Sander, geb. Schreiner
Carola Schreiner
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Die Beiſetzung auf dem Waldfriedhof findet in der Stille
ſtatt.
Blumenſpenden ſind nicht im Sinne der Verſiorbenen.

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für den Betrieb der

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ſind in der Geſchäftsſtelle des Darmſtädter Tagblatts
Rheinſtraße 23 zu haben.

Neu zu vergeben
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Generalvertretung.
In Frage kommt eine Perſönlichkeit (Dame
oder Herr), die neben dem notwendigen
Betriebskapital die erforderlichen Ausſtel=
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= beztv. Verkaufsräume zur Verfügung
hat. Größtmöglichſte Verkaufsunterſtützung
und Einſchulung wird zugeſichert. Be=
werbungen
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G. Wohlmuth & Co.,
Aktiengeſellſchaft
Furtwangen (bad. Schwarzwald)

[ ][  ][ ]

Die Poſe

und Land;

8. Td. 1227
alttätsarbeit!

erfeite
erinnen
tſtrickerinnet

eiblich
d. Fräulein

Handel und Wandel in Heſſen.
h. Konſervenfabrik Joh. Braun A.=G., Pfedders=
heim
bei Worms. In der Aufſichtsratsſitzung wurde beſchloſſen,
einer auf den 5. November 1923 einzuberufenden außerordentlichen Gene=
ralverſammlung
die Erhöhung des zurzeit 95 Mill. Mk. betragenden
Aktienkapitals um 32 Mill. Mk. Stammaktien vorzuſchlagen. Die neu
zu ſchaffenden Aktien werden von einer Intereſſentengruppe übernom=
men
, ſodaß ein Bezugsrecht an die alten Aktionäre nicht in Betracht
kommt
h Wilh. Laaff, Konſervenfabrik A.=G., Mainz. In
der außerordentlichen Generalverſammlung am 5. Oktober wurde eine
Kapitalserhöhung um 47½ auf 60 Mill. Mk. beſchloſſen. Die jungen
Aktien wurden von einem Konſortium übernommen mit der Maßgabe,
daß auf eine alte zwei junge Aktien zu einem vom Aufſichtsrat und Vor=
ſtand
noch feſtz ſetzenden Kurs angeboten und der Reſt nach Weiſung
des Aufſichtsrats im Einverſtändnis mit dem Vorſtand im Intereſſe der
Geſellſchaft beſtens verwertet wird.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
wb. Der Reichsbankausweis. Die Inanſpruchnahme der
Reichsbank zum letzten Quartalsſchluß war, wie zu erwarten ſtand, ganz
anßerordentlich groß. Nach dem Ausweis vom 29. September ſtieg die
geſamte Kapitalanlage, um nicht weniger als 33 982,1 auf
48 976,6 Billionen Mk. Der Hauptteil dieſer Steigerung entfiel wie=
derum
auf die Reichsſchatzanweiſungen, deren Beſtände auf Grund enor=
mer
Kreditanforderungen des Reichs um 32986,8 auf 45 216,2 Billionen
Mark anſchwollen. Das Wechſelkonto nahm gleichzeitig um 1459,5
auf 3660,1 Billionen Mk. zu, während die Lombardforderungen der Bank
um 465,1 auf 98,5 Billionen Mk. abnahmen im weſentlichen infolge
Uebergangs vorübergehend auf die Reichsbank übernommener größerer
Darlehen auf die Darlehnskaſſen des Reichs, deren Kontingent im Laufe
der Berichtswoche erhöht wurde. Die neu beanſpruchten Kreditbeträge
floſſen teilweiſe den fremden Geldern der Bank zu, die ſich um 10 813,9
auf 16 966,6 Billionen Mk. vermehrten; zum größeren Teil wurden ſie
der Bank in Zahlungsmitteln entzogen.
Der Banknotenumlauf mußte nämlich in der letzten Sep=
temberwoche
mehr als verdreifacht werden, er hat ſich von 8627,7 auf
28 228,8 Billionen Mk. erhöht.
Der Goldbeſtand ging weiter um 25,3 Millionen auf 443,9 Mil=
lionen
Goldmark zurück; die dem Goldkaſſenbeſtande der Reichsbank ent=
nommenen
Beträge fanden wiederum zur Deviſenbeſchaffung Ver=
wendung
.
Die Reichsdarlehnskaſſen wurden in der Berichtswoche
in Höhe von 648,8 Billionen Mk. neu in Anſpruch genommen, ihr Dar=
lehnsbeſtand
erreichte damit 941,1/ Billionen Mk. Sie führten einen
entfprechenden Betrag an Darlehnskaſſenſcheinen an die Reichsbank ab,
ſodaß deren Beſtände an ſolchen Scheinen auf 941,1 Billionen Mk. ſtiegen.
h. Feiſt Sektkellerei A.=G., Frankfurt a. M. Die Ge=
ſellſchaft
beantragt Erhöhung des zurzeit aus 12 Mill. Mk. Stamm= und
3 Mill. Mk. Vorzugsaktien beſtehenden Grundkapitals um bis zu 30
Mill. Mk. Stamm= und 2 Mill. Mk. neue Vorzugsaktien, wobei den
Aktionären ein Teil der neuen Aktien angeboten werden ſoll. Die bis=
herigen
3 Mill. Mk. Vorzugsaktien ſollen eingezogen werden.
h. Chemiſche und Pharmazeutiſche Werke Maher
Alapin A.=G., Frankfurt a. M. Eine auf den 7. November
einzuberufende außerordentliche Hauptverſammlung ſoll Kapitalserhöh=
ung
von 12,2 auf 25 Mill. Mk. beſchließen. Die alten Aktionäre erhal=
ten
ein Bezugsrecht von 3:1, der Reſt wird freihändig beſtens verwertet.
wb. Edmund Grünewald A. G., Fxankfurt a. M. In
der a.v. G.=V. der Edmund Grünewald A.G. wurde beſchloſſen, das
Aktienkapital um 60 Millionen Mk. Stammaktien auf 120 Millionen
zu erhöhen. Herr Direktor Hermann Levi (Deutſche Vereinsbank) iſt
dem Aufſichtsrat zugewählt worden.
h. Wayß u. Freytag A.=G., Frankfurt a. M. Zur No=
tierung
an der Frankfurter Börſe ſind aus der Emiſſion von 130 Mill.
Mk. Stammaktien im Februar 80 Mill. Mk., die von einem Konſortium
unter der Führung der Rheiniſchen Creditbank Mannheim zu 400 Proz.
übernommen worden waren, zugelaſſen worden. In der Bilanz vom
Ende Janaur wurden 2173 Mill. Mk. Kreditoren verzeichnet. Die letzte
Dividende war 300 Proz. Nach dem Zulaſſungsproſpekt ſei ein günſtiger
Abſchluß auch im neuen Jahre zu erwarten, da der Eingang von Auf=
trägen
befriedigend iſt und das Unternehmen im Ausland erfolgreich be=
teiligt
iſt.
wb. Die Handelskammer Frankfurt a. M. hat mit
Zuſtimmung des Herrn Miniſters für Handel und Gewerbe beſchloſſen,
die Handelskammerbeiträge für das zweite Halbjahr des laufenden
Rechnungsjahres in Goldmark, und zwar auf der Baſis des amtlichen
Dollarkurſes zu Beginn des laufenden Rechnungsjahres 21000 Mk.,
zu erheben. Der Goldmarkbetrag errechnet ſich ſonach in einfacher Weiſe
dadurch, daß von dem Handelskammerbeitrag, der ſür das ganze Rech=
nungsjahr
1923=24 in Papiermark zu zahlen wäre, vier Stellen abge=
ſtrichen
werden. Von dieſem Betrag werden als Abgeltung für den im
September d. Js. an die Handelskammer direkt gezahlten Vorſchüſſe
10 Prozent in Abzug gebracht. Die Handelskammerbeiträge aus der
Steuer von dem Gewerbeertrag werden ſonach für das zweite Halbjahr
1923=24 nicht mehr an die ſtädtiſchen Steuerzahlſtellen gezahlt, ſondern
an die Handelskammer direkt, und zwar in monatlichen Raten am 1.
jeden Monats auf Grund des am letzten des Monats notierten Dollar=
kurſes
an der Frankfurter Börſe, alſo erſtmals für den Monat Oktober
am 2. November auf Grund des Dollarkurſes am 31. Oktober. Von
Börſenbeſuchern werden die Beiträge entſprechend durch die Frankfurter
Bank eingezogen.
* Zuckerfabrik Fröbeln A.=G., Fröbeln. Auf Grund
des G.=V.=Beſchluſſes vom 28. Sept. werden die Vorzugsaktionäre auf=
gefordert
, ihre Vorzugsaktien zwecks Umwandlung in Stammaktien bis
zum 31. Oktober einzureichen. Gegen 3000 Mk. Vorzugsaktien wird eine
Stammaktie über nom. 1000 Mk. mit Dividendenberechtigung 23/24 ge=
währt
. Der Einreicher eines nicht durch drei teilbaren Aktienbetrags
hat auf die Rückgabe des Spitzenbetrags zu verzichten. Je eine von drei
ſolchen Vorzugsaktien wird nach ihrer Umwandlung in eine Stammaktie
zum Börſenkurs und in Ermangelung eines ſolchen durch öffentliche
Verſteigerung verkauft werden. Der Erlös wird dem Beteiligten an=
teilsmäßig
zur Verfügung geſtellt. Die nicht rechtzeitig eingereichten
Vorzugsaktien werden zur Rückzahlung mit 115 Proz. gekündigt.
Zwickauer Maſch.=Fabrik A.=G., Zwickau. Die
ao. G.=V. beſchloß Erhöhung des Aktienkapitals um 1 Mill. Vorzugs=
aktien
und 19 Mill. Stammaktien auf insgeſamt 50 Mill., ſowie Aus=
gabe
von 30 Mill. Genußſcheinen. Den alten Aktionären wird ein
Bezugsrecht im Verhältnis 3:1 zu 10 Mill. Proz. angeboten werden,
während der Reſt der Aktien im Intereſſe der Geſellſchaft Verwertung
finden ſoll. Ferner kann auf 2 alte Stamm= oder Vorzugsaktien 1 Ge=
nußſchein
zu gleichfalls 10 Mill. Proz. bezogen werden. 60 000 Mk.
Genußſcheine ſollen den Obligationären im Verhältnis 5:1 zu 10 Mill.
Proz. unter der Bedingung angeboten werden, daß die Obligationen zu
120 Proz. eingelöſt werden.
Metallwaren=Fabrik vorm. H. Wißner A.=G.,
Zella=Mehlis. Wir berichteten kürzlich über den Dividenden=
vorſchlag
der Geſellſchaft. Nach dem jetzt vorliegenden Geſchäftsbericht
für das mit dem 30. 6. abgelaufene Geſchäftsjahr beträgt der Waren=
gewinn
4787 Mill. (i. V. 41,909 Mill.), auf Zinſenkonto 19,034 Mill.
(i. V. 0,398 Mill.), andererſeits erforderten Unkoſten 3545 Mill. (i. V.
33,479 Mill,), ſo daß ein Rohgewinn von 1261 Mill., gegen 8,827 Mill.
i. V., verbleibt. Nach Abſchreibungen in Höhe von 203,8 Mill. (i. V.
1.896 Mill.) verbleibt ein Reingewinn von 1058 Mill. (i. V. 7,081
Mill.), aus dem eine Dividende, wie bereits gemeldet von 4000 Proz.
auf das erhöhte Aktienkapital von 25 Mill. (i. V. 50 Proz. u. 30 Proz.
Bonus auf 8,5 Mill) und 7½ Proz. auf die Vorzugsaktien zur Aus=
ſchüttung
gelangen. Einem Delerederefonds werden 49,85 Mill. über=
wieſen
und der Reſt von 7,595 Mill. (i. V. 0,163 Mill.) auf neue Rech=
nung
vorgetragen. In der Bilanz ſtehen ſämtliche Anlagen=Konten,
mit Ausnahme des Grundſtück=Kontos, das mit 30000 Mk. erſcheint,
mit dem Mindeſtwert zu Buch, nach Abſchreibung ſämtlicher Neu=
Zugänge. Neu=Anlagen und Neu=Anſchaffungen. Debitoren werden
nit 2891 Mill. (i. V. 25,194 Mill.) ausgewieſen. Hierunter ſind Bank=
Guthaben in Höhe von 1930 Mill. (i. V. 12,324 Mill.) enthalten. Vor=
räte
ſind mit 41,18 Mill. (i. V. 2056 Mill.) bewertet. Andererſeits hat=
ten
Kreditoren 1895 Mill. (i. V. 14,856 Mill.) zu fordern. In dieſem
Betrage ſind Steuer=Rücklagen in Höhe von 500 Mill. enthalten. Der
Reſerve=Fonds iſt durch das Agio der Kapitalserhöhung von 0,750
Miſl. (i. V. auf 51,366 Mill.) angewachſen. Ueber das neue Geſchäfts=
fahr
äußert ſich die Geſellſchaft befriedigend.

Neues Einlöſungsverfahren für engliſche
Sanktionsgutſcheine. Die Heſſiſche Induſtrieſtelle, Berlin,
teilt uns mit, daß vom 10. Oktober 1923 ab ein neues Einlöſungsver=
fahren
für die bei der Friedensvertragsabrechnungsſtelle zur Präſen=
tation
gelangenden engliſchen Sanktionsgutſcheine gehandhabt wird, um
die Härten, die in der bisherigen Methode lagen und für den Exporteur
oft mit großen Verluſten verknüpft waren, zu vermeiden. Das engliſche
Sanktionsgeſetz ſchreibt vor, daß der engliſche Importeur 26 Prozent
vom Werte der deutſchen Einfuhrwaren an das engliſche Zollamt des
Einfuhrhafens bezahlen muß, über welche Abgabe vom engliſchen Zoll=
amt
ein Sanktionsgutſchein ausgeſtellt wird, den der engliſche Abnehmer
dem deutſchen Exporteur unverzüglich einzuſenden hat, falls er die Rech=
nung
um 26 Prozent des Warenwertes kürzt. Unterläßt nun der eng=
liſche
Abnehmer die Zuſendung des Gutſcheines, ſo bleibt dem deutſchen
Exporteur nur übrig, gerichtlich gegen ſeinen Abnehmer vorzugehen.
Die deutſchen Exporteure ſind verpflichtet, die Sanktionsſcheine ſofort
nach Erhalt aus England zu präſentieren. Bei längerer Spanne zwi=
ſchen
dem Ausſtellungstag in England und dem Präſentationstag iſt die
Friedensvertragsabrechnungsſtelle berechtigt, die Einlöſung von der Be=
weisführung
des mangelnden Verſchuldens durch den Exporteur ab=
hängig
zu machen. Gegen Vorlegung des Gutſcheines bei der Friedens=
vertragsabrechnungsſtelle
erhält, der deutſche Exporteur den vom eng=
liſchen
Kunden gekürzten Betrag in Papiermark ausgezahlt. Mit Rück=
ſicht
auf die neuerlichen großen Markkursſchwankungen erfolgt jedoch nun=
mehr
die Auszahlung des Gegenwertes der Gutſcheine in wertbeſtän=
diger
Form. Die Umrechnung des Betrages geſchieht unmittelbar aus
der Deviſe London in Goldmark über den Pfundkurs in Neu=York. Die
Gutſcheine, die in der Zeit vom 1. bis Ultimo eines Monats eingehen,
werden zum Monatsdurchſchnittskurs der Federal Reſerve Bank Neu=
York des vorhergehenden Monats in Goldmark eingelöſt, welcher Kurs
etwa am 4. jedes neuen Monats im Reichsanzeiger bekannt gegeben
wird, und zwar erfolgt der Eintauſch nach Abzug von 3 pro Mille In=
kaſſoproviſion
gegen auf Goldmark lautende Urkunden, die von den
Reichsbankanſtalten zum amtlichen Berliner Dollargeldkurs ohne Abzug
von Zinſen eingelöſt werden. Die Vorlegung hat innerhalb 10 Tagen
nach der Ausſtellung zu geſchehen.
Nähere Einzelheiten gehen aus Merkblatt E der Friedensvertrags=
abrechnungsſtelle
hervor, das bei den Handelskammern einzuſehen iſt.
Wir glauben, daß mit dem neuen Verfahren berechtigten Wünſchen der
Exporteure Rechnung getragen wird.
h. Optiſche Werke Schütz A.=G., Kaſſel. Die Kapitals=
erhöhung
um 53 auf 103 Mill. Mk. wurde gegen 1181 Stimmen geneh=
igr
. Die neuen 50 Mill. Mk. Stammaktien und 3 Mill. Mk. 6proz
Vorzugsaktien gehen an die Rheiniſche Handelsbank m. b. H. in Düſſel=
dorf
(Rheiniſcher Handelskonzern des Kommerzienrates Falk) zu den
von der Verwaltung vereinbarten Bedingungen. Die Geſellſchaft muß
für den Ausgabekurs wenigſtens den Papiermarkwert von 1½ Schilling
erlöſen. Den Inhabern der alten Aktien Nr. 16000 muß ein Bezugs=
recht
von 1:1 eingeräumt werden.
h. Deutſche Nährflocken A.=A. in Breiſach. Die Ver=
waltung
beantragt Kapitalserhöhung um 1,5 auf 1,65 Milliarden Mk.
durch Ausgabe von 15 000 neuen Aktien über je 100 000 Mk. bei einer
auf den 29. Oktober einzuberufenden außerordentlichen Generalverſamm=
lung
.
h. Sauerſtoffwerk A. G. in Kaiſerslautern. Die Ver=
waltung
beantragt Kapitalserhöhung von 32 bis auf 125 Mill. Mk. durch
Ausgabe von neuen Stamm= und Vorzugsaktien bei einer außerordent=
lichen
Generalverſammlung am 26. Oktober.
h. Germania=Linoleum=Werke A.=G. in Bietig=
heim
(Württemberg). Die Süddeutſche Diskontogeſellſchaft Mann=
heim
hat die Zulaſſung von 70 Mill. Mk. Inhaberſtammaktien, 70 000
Stück 4 1000 Mk. Nr. 170 000 zum Handel und zur Notierung an der
Mannheimer Börſe beantragt.
*=d= Die ſchweizeriſche Werkzeugmaſchinenfabrik
Oerlikon hat eine Intereſſengemeinſchaft mit der Magdeburger
Werkzeugmaſchinenfabrik, die dem Stinnes=Konzern naheſteht, eingegan=
gen
. Wie es heißt, ſoll das Magdeburger Unternehmen einen Teil der
Aktien der Werkzeugmaſchinenfabrik Oerlikon erworben haben. General=
direktor
Lauff von dem Magdeburger Unternehmen iſt in den Verwal=
tungsrat
des ſchweizeriſchen Unternehmens eingetreten.
h. Gebr. Gänswein, Immobilien=, Handels= und
Finanz=A.=G., Konſtanz. Die ſeit 1913 beſtehende und am 1.
Januar 1923 in eine Aktiengeſellſchaft umgewandelte Firma hat an Aus=
dehnung
bedeutend zugenommen. Die Geſellſchaft unterhält innerhalb
Deutſchland zirka 80 Niederlaſſungen und die Organiſation innerhalb
Deutſchlands iſt bereits beendet. Im Ausland unterhält die Geſellſchaft
Vertretungen in Holland, Schweiz, Deutſch=Oeſterreich, Tſchecho=Slowakei
und Amerika. Die Geſellſchaft hat ferner Anſchluß an ein Großhambur=
ger
Haus gefunden, um mit demſelben eine wertbeſtändige Bank zu grün=
den
, die den ſpeziellen Zweck hat, Feingoldhypotheken zu plazieren, Kre=
dite
dem Mittelſtand zu verſchaffen uſw. Außerdem ſteht die Geſellſchaft
kurz vor Abſchlüſſen mit anderen Geſellſchaften.
Ueber die Lage des amerikaniſchen Eiſen= und
Stahlmarktes kabelt das amerikaniſche Fachblatt Iron Trade
Review, Cledeland (Ohio): Die September=Rohblockproduktion entſpricht
einer Jahreserzeugung von 41 Millionen Tons. Sie hat gegenüber
Auguſt um faſt 3 Prozent abgenommen. Es iſt eine weitere leichte
Beſſerung im Stahlabſatz feſtzuſtellen. Namentlich ſind die Eiſenbahnen
mit umfangreichen Käufen von Schienen, Wagen und Oberbaumaterial
am Markte. Das Vertrauen in die Feſtigkeit des Marktes iſt beſſer,
obſchon die kleineren Walzwerke Preisnachläſſe gewähren. Im Auguſt
wurden 163 000 Tons ausgeführt, 45 000 Tons eingeführt, hiervon 6000
Tons engliſches Roheiſen. Die anhaltende Ueberrpoduktion an Han=
delsroheiſen
bewirkte ein weiteres Nachgeben der Preiſe, die für Buf=
faloeiſen
unter 23 Dollars, für ſüdliches Eiſen auf 20 Dollars gefallen
ſind. Japan beſtellte weitere Mengen Feinbleche und anderes Material.
Ferromanganmarkt unverändert; der Zwiſchenhandel bietet weniger
Material an. Die Schienenwalzwerke buchten für das nächſte Jahr
weitere belangreiche Aufträge. Der Stahltruſt arbeitet mit 90 Prozent
ſeiner Leiſtungsfähigkeit an Rohblöcken. Die Nachfrage ſeitens des
Automobil= und landwirtſchaftlichen Maſchinenbaues hat ſich gebeſſert.
Von der Oelinduſtrie liegen Anfragen auf 50000 Tons Grobbleche
vor. Der Baueiſenmarkt iſt ungewöhnlich lebhaft bei feſten Preiſen.
Neugründungen.
wb. Ili Intereſſengemeinſchaft induſtrieller
und landwirtſchaftlicher Unternehmungen. A. G.
Unter dieſer Firma wurde mit dem Sitz Berlin und einem Grundkapi=
tal
von nom. 220 Millionen ein Unternehmen gegründet, das ſich u. a.
mit Gründungen von Geſellſchaften. Uebernahme von deren Aktien,
Bildung von Intereſſengemeinſchaften, Vertretung von Beteiligungen in
Geſellſchaften und dergleichen befaßt. Das Aktienkapital iſt von der
Hamburger Handelsbank und dem Bankhauſe Gebr. Stern=Dortmund
übernommen worden. Den erſten Aufſichtsrat bilden Generaldirektor
Gerſchel, Vorſitzender, Gerhard Suckow, Direktor der Suckow=Dnisburg,
A. G., ſtellv. Vorſitzender, Generaldirektor H. O. Beck, München, Direk=
tor
Brenner, Aufſichtsratsvorſitzender der Dresdener Privatbank, Gene=
raldirektor
Dr. Cremer, M. d.R., Präſident La Gro=Haag, Rechtsanwalt
Dr. v. d. Heide, Direktor der Glanzfäden A. G., Bankier Louis Jacoby
i. Fa. Gebr. Stern, General d. Inf. a. D. von Oven, Rittergutsbeſitzer
Ruſtemeher, Tzſchecheln, Rechtsanwalt Dr. v. Scanzoni=München, Ban=
kier
Paul Schönwald, Geſchäftsinhaber der Hamburger Handelsbank,
Erik Spemann, Direktor der Union, Deutſche Verlagsgeſellſchaft.

h. Möve Rheinländiſche VerſicherungsA.=G.,
Bad Kreuznach. Die Generalverſammlung beſchloß Kapitalser=
höhung
um bis 80 Mill. Mk. 10 000 Aktien ſollen den alten Aktionären
zu 250 Proz. angeboten werden.
Dividendenvorſchläge.
* Baumwollweberei Mittweida. Die Geſellſchaft er=
zielte
im abgelaufenen Geſchäftsjahr einen Betriebsgewinn von
105 C16 533 Mk. gegen 5 148863 Mk. i. V. Nach Abzug von Unkoſten
in Höhe von 49 949 614 Mk. i. V. 2 598 134 Mk., und nach Abſchrei=
bungen
von 918 114 Mk. verbleibt, einſchl. eines Vortrags in Höhe von
133 289 Mk., ein Reingewinn von 54 282 195 Mk. gegen 2 533 389 Mk. i.
Vorf. Hieraus ſoll eine Dividende von 1000 Proz., gegen 45 Proz. i. V.,
zur Verteilung gelangen.

14. Oftober 1923 Nr. 284
*
Banken.
h. Mitkeldeutſche Creditbank Frankfurt a. M.
Die Zulaſſung der 455 Mill. Mk. neuen, auf den Inhaber lautenden
Stammaktien zur Frankfurter Börſe wurde genehmigt.
h. Saarländiſche Handelsbank A.=G., Saarbrücken.
Unter Mitwirkung der Deutſchen Handelsbank A.=G. Frankfurt a. M.
wurde in Saarbrücken die Saarländiſche Handelsbank A.=G. mit 500 000
franz. Franken Kapital errichtet. Die Deutſche Handelsbank wird die
Majorität des Aktienkapitals als dauernde Beteiligung übernehmen.

h. Mannheimer Wochenberichte. Getreide. Die An=
kündigung
der Errichtung einer Währungsbank hat die Flucht aus der
Mark nicht nur an den Deviſenbörſen, ſondern auch bei dem Groß=
grundbeſitz
vollſtändig gemacht. Die Anlieferungen an die Produkten=
märkte
bezw. die Abgabe, an Händler ſeitens der großen landwirtſchaft=
lichen
Betriebe gegen Papiermark hat aufgehört. Was in den letzten
Tagen umgeſetzt wurde, war Ware, die ſich ſchon in dem Beſitz des Han=
dels
befand; aber auch dieſer war zuletzt gezwungen, von Verkäufen ab=
zuſehen
, da bei der von Minute zu Minute ſteigenden Markentwertung
ein Verkauf mit großen Verluſten verknüpft ſein konnte. Das Geſchäft
kam deshalb zuletzt ganz ins Stocken, und die bisher feſte Tendenz des
Marktes wurde unregelmäßig. Die Preiſe erfuhren eine Steigerung
gegen die Vorwoche um das Zehnfache hinaus und zwar Weizen von
1,71,8 auf 1719, Gerſte von 1,31,6 auf 1316, Hafer von 1,31,5
auf 1416 Milliarden pro 100 Kilo bahnfrei Mannheim. Roggen, der
zu Anfang der Woche noch mit 2,2 Milliarden Mk. notiert wurde, fiel
infolge Mangels an jedem Angebot vollſtändig an der Notierung aus.
Mehl. Das Mehlgeſchäft bewegte ſich auch in den engſten Gren=
zen
. Viele kleinere und kleine Bäckereibetriebe haben die Herſtellung von
Weißgebäck ganz eingeſtellt, einmal, da ſie nicht mehr in der Lage ſind,
ſich mit neuem Weizenmehl bei dem hohen Preis einzudecken, zum an=
dern
, da der Konſum faſt gar kein Weißgebäck mehr kauft und ſo ber
dem geringen Abſatz ein Backen ſich auch nicht mehr lohnt. Der Handel.
drängte ſich aber auch abſolut nicht zum Verkauf; ihm iſt ſeine Ware
gleichfalls lieber als die Papiermarkmaſſen, für die er nicht mehr das
bekommt, was er abgegeben hat. Die zweite Hand verkaufte Weizenmehl.
Spezial=Null am Ende der Berichtswoche zu 2630 gegen 33,8 und
Roggenmehl zu 1822 gegen 2,83,2 Milliarden Mk. pro Doppelzentner
ab ſüddeutſche Mühle, was alſo eine geringere Preiserhöhung als beim
Getreide bedeutet und worin auch die geringe Nachfrage und mäßiger Ab=
ſatz
zum Ausdruck kommt.
Futtermittel. Der Markt war ſehr ſtill inbezug auf Kauf=
abſchlüſſe
. Käufer wie Verkäufer konnten ſich zu keinem Geſchäft ent=
ſchließen
. Weizenkleie war zu 6,06,5 gegen 0,70,8 Milliarden Mk.
pro 100 Kilo ab ſüddeutſche Mühlen angeboten. Die Forderungen für
Malzkeime und Biertreber bewegten ſich auf gleicher Höhe und in glei=
chem
Verhältnis zur Vorwoche. Am Rauhfuttermittelmarkt kam wieder
Wieſenheu zu 1,21,3 und Preßſtroh ebenfalls zu 1,21,3 Milliarden
Mark pro Doppelzentner waggonfrei Mannheim zum Angebot.
Kolonialwaren. Das Bedarfsgeſchäft war klein, von Speku=
lationsgeſchäften
iſt ſchon lange keine Rede mehr, aber erſteres iſt bei
den ſchwankenden Deviſen ſchon zu einem Spekulationsgeſchäft geworden.
Die Tendenz blieb auch weiter ſehr feſt. Die auf Dollarbaſis berechnetei=
Goldmarkpreiſe haben eine Erhöhung erfahren, die bei den Papiermark=
preiſen
in die Hunderte von Millionen, ja in die Milliarden geht. Kaffee,
Santos, roh notierte zuletzt 3,03,1 gegen 2,93,1, gewaſchen 3,74,0
gegen 3,53,66, Tee, mittel 7,98,9 gegen 7,758,75, gut 9,09,9 gegen
8,89,5, fein 1011 gegen 9,510,5, inländiſcher Kakao 3,03,5 gegen
2,93,2, amerikaniſcher und holländiſcher 3,43,8 gegen 3,03,5, Burma=
Reis unverändert 0/44, Weizengrieß 0,/45 und Hartweizengrieß 0,53
Goldmark pro Kilo.
Wein. Der Herbſt iſt in Württemberg, an der Bergſtraße und in
der Pfalz in vollem Gange. Das Wetter war allerdings ſehr ungünſtig.
Die Erträgniſſe ſind, wie ſchon berichtet, ſehr verſchieden; es gibt Glücks=
und Mißherbſt. Der ſchöne September konte wohl die Qualität, aber
nicht die Quantität fördern. In der Pfalz wurden Moſtgewichte von
6075 Grad nach Oechsle feſtgeſtellt. An Moſtpreiſen wurden geboten
350450 Mill. Mk. pro Logel (40 Liter), Portugieſermoſt wurde ver=
kauft
zu 310320 Millionen Mk. die Logel. Die Kaufluſt war flau. Für
1922er Weine wurden 20 Milliarden Mk. pro 1000 Liter bezahlt. Ayr
Bodenſee erwartet man einen um ein Drittel geringeren Herbſt. Die
Winzer fordern pro Liter 0,450,90 Goldmark, in der Heilbronner Ge=
gend
hörte man Forderungen von 220250 Goldmark pro Hektoliter.
Die letzten Gebote in der Pfalz lauteten ſchon auf 1,52 Milliarden pro
40 Liter. Die Winzer lagern aber faſt alles ſelbſt ein.
Obſt. Mit dem Beginn des Weinherbſtes läßt die Zufuhr zu den
pfälziſchen Obſtmärkten nach, die Nachfrage bleibt aber ſtändig groß. Die
Ernte iſt auch beendet. Bezahlt wurden in Millionen Mk. pro Pfund
im Großhandel: Aepfel 2030, Birnen 42, Zwetſchgen 9, Trauben bis 40.
Tahak. Die weitere Markentwertung hat Preiserhöhungen um
Milliarden gebracht. Von den beträchtlichen Mengen ſind noch wenige
Tabake verkauft. Neue Sandgrumpen wurden zu 67 Milliarden gegen
23 in der Vorwoche pro Zentner verwogen. Für 1922er Bauerntabake
wurden pro Zentner 7 Milliarden Mk. bezahlt. Das Geſchäft hat ſich
immer noch nicht recht entwickelt, da Pflanzer wie Händler zurückhaltend
ſind. Die Händler verlangen für ihre verarbeitungsfähigen Tabake 38
bis 45 holländiſche Gulden. Die Fabrikation hat ſchleppenden Abſatz zu
verzeichnen. Groß= wie Kleinhandel kauft bei der unſicheren Lage und
dem ſchlechten Abſatz nur wenig, zu größeren Käufen fehlt auch das Bar=
geld
. Rippen ſind ſtets geſucht.
wb. Berliner Produktenbericht. Am Produktenmarkt
war heute das Geſchäft ruhig. Die Preiſe ſtellten ſich merklich höher als
geſtern. Die Forderungen in Dollar und Cents auf Baſis der Gold=
anleihe
waren wenig verändert. Seitens des Börſenvorſtandes hat eine
Beratung wegen amtlicher Notierung der Preiſe in Dollar und Cents
ſtattgefunden, doch iſt es noch zu keinem Ergebnis gekommen. Für Rog=
gen
erhielt ſich die Nachfrage ſeitens der Reichsgetreideſtelle.

*Börſenbericht vom 8. bis 13. Oktober 1923 ( mitge=
teilt
von der Deutſchen Bank, Filiale Darmſtadt). Trotz der Aufgabe
des paſſiven Widerſtandes hat es Frankreich bis jetzt abgelehnt, mit der
deutſchen Regierung über die Wiederherſtellung normaler Verhältniſſe
im Rhein= und Ruhrgebiet zu verhandeln, und ſcheint vielmehr auf eine
völlige Zerſetzung des deutſchen Reiches bewußt hinzuarbeiten. Auch
innerpolitiſch hat die Lage keine Erleichterung erfahren, da zwar noch=
mals
die Bildung einer Koalitionsregierung gelang, die Vorgänge im
Reichstag bei der Beratung des Ermächtigungsgeſetzes jedoch ſofort wie=
der
zu einer Kriſis zu führen drohten. Unter dieſen Umſtänden erfuhr
die Währungskataſtrophe in der abgelaufenen Woche eine weitere furcht=
bare
Verſchärfung. Der Dollar, der an der letzten Börſe der Vorwoche
mit 620 Millionen Mark notiert worden war, erreichte zeitweiſe einen
Kurs von ca. 7 Milliarden Mark, verzehnfachte ſich alſo in wenigen Ta=
gen
, und dieſes Kursniveau erfuhr ſchließlich nach ſtarken Schwankungen.
bei einem Freitagskurſe von 5 Milliarden Mark nur eine geringe Er=
mäßigung
. Die Effektenbörſe folgte zunächſt dieſer Entwickelung nur
zögernd, ſodaß am Montag die meiſten Kurſe nach Goldmark umgerech=
net
eher niedriger lagen, doch ſetzte an der Mittwochsbörſe eine ſehr
lebhafte Kauftätigkeit ein, die auf beinahe allen Gebieten die Kurſe auf
das drei= bis vierfache hinauftrieb und auch am Freitag trotz der inzwi=
ſchen
erfolgten zeitweiligen Abſchwächung der Deviſenkurſe weiter an=
hielt
. Neben Auslandsrenten waren in erſter Linie wieder die weſtlichen
Montanwerte begehrt, ſodaß ſie durchweg Kursſteigerungen aufzuweiſen
haben, die etwa der Markentwertung entſprechen. Daneben waren auch
Chemiſche Werte ſowie Schiffahrtsaktien wieder bevorzugt. Auf den
übrigen Märkten machten ſich an der Freitagsbörſe vereinezelt Reali=
ſationen
bemerkbar, ſodaß die Kursgeſtaltung ſchließlich nicht mehr ganz
einheitlich war, doch überwogen überall die Kurserhöhungen bei weitem.
Dies gilt beſonders auch vom Einheitsmarkt, an dem noch ſehr zahl=
reiche
unerledigte Kaufaufträge vorlagen und in vielen Fällen der Ma=
terialmangel
zu ſcharfen Rationierungen nötigte.
wb. Berliner Börſenbericht. Deviſenpreiſe wurden amt=
lich
heute nicht notiert. Im freien Verkehr bewegten ſie ſich bei ſtillem
Geſchäft auf der Höhe von geſtern abend, alſo 25 Milliarden für Lon=
don
und 5,5 Milliarden für Neu=York. Anſcheinend will man die weitere
Entwickelung der Verhältniſſe abwarten und iſt deshalb in ſeinen Dis=
poſitionen
vorſichtig.

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[ ][  ][ ]

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Soſntag, den 14. Oktober 1923.

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, daß Wohnungsſuchende, ohne
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Wohnungsamtes zu beſitzen, in Woh=
nungen
eingezogen ſind. Wir warnen
dringend vor ſolchen Eigenmächtigkeiten brücke), jeden Mitt=
und weiſen darauf hin, daß laut ein=
ſtimmigem
Beſchluß der Wohnungs= Dr. med. Ziegelroth
zuweiſungskommiſſion in allen derartigen
Fällen unnachſichtlich die Näumung der
Wohnung verlangt und gegebenenfalls
im Wege des unmittelbaren polizeilichen
Zwanges durchgeführt wird. Abgeſehen
von den erheblichen Koſten und Gebühren,
die durch ſolche Maßnahmen für den
Räumungspflichtigen entſtehen, hat dieſer
auch noch eine Zurückſetzung hinſichtlich
ſeines Wohnungsanſpruches zu ge=
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Städtiſches Wohnungsamt.

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Darmſtadt, den 13. Oktober 1923.
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Die Erhebung von vorläufiger Grund=
und Gewerbeſteuer für 1923/24.

Zufolge Verordnung des Min ſteriums
des Innern vom 19.v. Mts. und zur weiteren
Ausgleichung derſtändig zunehmenden Geld=
entwertung
hat die Stadtverordneten= Ver=
ſammlung
am 11. d8. Mts. beſchloſſen, an
Grund= und Gewerbeſteuer für 1923/24 bis
zur Neuveranlagung der Grund= und Be=
triebsvermögenswerte
zwei weitere Steuer=
ziele
auf Grund der 1922er Vermögens=
veranlagung
zu erheben.

Die Ausſchlagsziffer für jedes Ziel der
Grundſteuer beträgt . . . . . . . . . . .500 000
und der Gewerbeſteuer. . . . . . . . . 60 000
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Das erſte Ziel iſt bis Ende Oktober mit
dem in Erhebung befindlichen zweiten Ziel
des letzten Ausſchlags, das neue zweite Ziel
bis Ende November I. J8, fällig.
Bei verzögerter Zahlung iſt für jeden
Monat der Verzögerung ein Aufſchlag von
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Darmſtadt, den 12. Oktober 1923.
Der Oberbürgermeiſter.
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Dienstag, den 16. Oktbr. 1923,
vormittags 11½/, Uhr, wird in der Faſel=
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Ober=Ramſtadt, den 12. Okt. 1923.
Heſſiſche Bürgermeiſterei.
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Verſammlung vom 11. Oktober 1923 wird
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ein Grundpreis eingeführt, der mit einem
der Entwertung der Papiermark ent=
ſprechenden
Multiplikator zu verviel=
fältigen
iſt.
(st,7831
Oktobergrundpreis für Gas u. Waſſer
... 23 Pfg. je cbm.
Multiplikator: Dollarwert (Brief) der
Berliner Börſe am Tage vor der
Zahlung dividiert durch 4,2.
Um den Tag der Zahlung in das
Belieben des Verbrauchers zu ſtellen,
werden Gutſcheine lautend auf 1 und
10 cbm Gas bezw. Waſſer ausgegeben.
Dieſe Gutſcheine ſind erhältlich bei:
der Hauptkaſſe der ſtädtiſchen Betriebe,
Schlachthofgebäude, der Nebenkaſſe der
ſtädtiſchen Betriebe, Waldſtraße 6, der
Nebenkaſſe der ſtädtiſchen Betriebe,
Feuerwache.
Rechnung über die Gas= bezw. Waſſer=
ſchuld
wird in Zukunft nur noch in obm
ausgeſtellt. Der Gegenwert kann an die
Gelderheber ſowohl in Papiermark zum
Tagespreis, als auch in Gutſcheinen
geleiſtet werden.
Vorſtehende Grundpreiſe ſind unter
Einrechnung der geleiſteten Vorauszah=
lung
ermittelt, ſie erhöhen ſich um 50
für diejenigen Verbraucher, die eine
Vorauszahlung nicht geleiſtet haben.
Darmſtadt, den 13. Oktober 1923.
Direktion der ſtädt. Betriebe.

Mobiliarverſteigerung.
Dienstag, den 16. Oktober, vormittags 9".
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und Küchengeräte aller Art.
Anzuſehen 1 Stunde vorher.
( 26560

[ ][  ][ ]

ſe de
18
mePl
Dan
I. 4

Nummer 41

Datt dit
A
Darmſtädter Tagblatt

(Brief1 de
Betriebe,
benkaſſe der
raße 6, der
Betriebe,
ebmn
Betriebe.
erung,

Richard Knies.
Wer ſich aus der Welt der Realität fortſehnt, wer, über=
täubt
vom Haſten der Großſtädte, beſchwert von der herben
Kargheit des deutſchen Nordens, ſich in ſonnigere Gefilde flüch=
ten
will, ans Herz der unvergänglichen deutſchen Romantik, der
wandert wohl dem Süden zu, in die geſegnete Maingegend, ins
Frankenland. Was ihm dort zum Erlebnis wird, die Roman=
tik
der kleinen alten Städtchen, blühende Landſchaft, derbes,
lachendes Bauerntum, dies alles im dichteriſchen Kunſtwerk
feſtzuhalten, ward einem bevorzugten Kind jener Gegend zu=
teil
, dem fränkiſchen Dichter Richard Knies. In ihm iſt Fülle
und Vielfarbigkeit, Märchenbeſeeltheit und unbekümmerte
Derbheit. Er braucht nur ſich ſelbſt zu dichten, um einer ganzen
Landſchaft Leben zu verleihen. Knies, der wohlbeſtallte Geo=
meter
, deſſen Wiege in Offſtein bei Worms ſtand, hat uns einen
heiteren Dorfroman beſchert, wie die deutſche Literatur nicht
viele aufzuweiſen hat. Die Geſchichte von den Herlishöfern und
ihrem Pfarrer Anſelmus Cyriakus Gottſchalk Huchebuk und
ſeinen widerſpenſtigen Pfarrkindern, dem aufrühreriſchen Hann=
jerri
Knoldekob, dem folgeſchweren Schulhausneubau und ſei=
nem
luſtigen Zwiebeltürmchen, das ſchließlich Urſache einer gan=
zen
Dorfrevolution wird, iſt mit ſoviel urwüchſigem Humor,
ſtrotzendem Leben, Spott ohne Bosheit, Innigkeit ohne Senti=
mentalität
erzählt, daß dieſe lachende Erzählung mundet wie
ein erfriſchender Trunk und die prächtigen Bautypen ſich un=
vergeßlich
einprägen. Diefe Geſchöpfe des Dichters Richard
Knies ſind lebendige Menſchen und ihr Erleben, wenn auch
ſcheinbar ein Sturm im Waſſerglas derſelbe Parteihader und
Kampf um die Macht, der die größere Welt draußen durchein=
ander
rüttelt. Nur daß hier Güte als Allbezwingerin die Gegen=
ſätze
ausgleicht und ſiegreich bleibt. Güte als Urweſen der Men=
ſchen
uns glaubhaft zu machen, iſt des Dichters Kraft Humor
und Menſchenliebe ſpiegeln ſich in ſeinen Geſchöpfen eine
Wohltat iſt es, in der Welt dieſes Dichters zu atmen. Rhein=
heſſe
wie Wilhelm Holzamer ſcheint Knies zum würdigen
Nachfahren des allzu früh Dahingegangenen berufen zu ſein.
Holzamerſche Innigkeit, und Beſinnlichkeit Verwachſenſein
mit dem geſegneten Lande und ſeinen Bewohnern, findet man
bei ihm, darüber hinaus aber eine urwüchſige Derbheit und
echten, quellenden Humor.
In Herlishofen: reifer, früchteſchwerer Sommer. Und da=
nach
überraſchend und nicht minder reizvoll ein zartes Früh=
lingslied
, das den ganzen Zauber des alten Städtchens Mil=
tenberg
atmet. In Servaz Duftigs Frühlingswoche ſingt
und ſchluchzt ein Jugenderlebnis, das die Richtung von vier
Menſchenleben beſtimmt, Rheinſtimmung, Mainzer Karneval,
Jugendſeligkeit, Scheiden und Meiden und heimliche Schickſals=
gewalt
. Daß Eichendorff Pate geſtanden hat bei dieſem Werke
und der Taugenichts ſegnend die Hände über Servaz Duftigs
Lieben und Entſagen breitet, verrät der Dichter ſelbſt, und er
darf es mit ruhigem Stolz, denn Eichendorff braucht ſich ſeines
Patenkindes nicht zu ſchämen. Die mondbeglänzte Zaubernacht
hält den Sinn gefangen, und die verſonnen rauſchenden Brun=
nen
klingen an unſer Ohr. Unter dieſer romantiſchen Atmo=
ſphäre
leidet aber keineswegs die bei Knies gewohnte ſcharfe
Tharakterzeichnung der Menſchen, wie auch die Handlung nichr
gehemmt und die Spannung nicht beeinträchtigt wird. Die Hand=
tung
rollt in einem eigentümlichen Parallelismus ab. In
Servaz Duftigs reſigniertes Junggeſellenleben tritt plötzlich
eine frühere Bekannte. Geſchichten alter Liebe werden leben=
dig
, neue Liebe erwacht, Vergangenheit wird Gegenwart, alte
Leidenſchaften, umwoben von der fröhlichen Heiterkeit und
ambrauſt von der tollen Karnevalsausgelaſſenheit rheiniſchen
Lebens, erſtehen wieder, ſchwere Schuld ſteigt erſchütternd auf;
inbrünſtige Liebe zur Natur ſtrömt wie Balſam, Stadt= und
Dorfleben vermählen ſich, Idyllen und Abenteuer wechſeln ab;
Dämmerung unergründlicher Geheimniſſe ſchattet in das helle
Licht ſüßer Frühlingshoffnungen und zuletzt erfüllt ſich wie un=
ter
einem betäubenden Blitzſchlag das tragiſche Liebesſchickſal
weier reifer Edelnaturen. Das alles ballt, entwirrt und voll=
endet
ſich in einer einzigen Frühlingswoche, und am Ende ſtrah=
len
die Fanfaren einer unüberwindlichen Lebens= und Ewig=
keitsgläubigkeit
. Den Inhalt dieſer ſüß=ſchmerzlichen Frühlings=
woche
ausführlicher erzählen hieße ihr den Duft rauben. Ein
reiches Buch von ſatter leuchtkräftiger Farbe, großer Lebenser=
fahrung
und weisheitsvoller Güte, das man nicht ohne großen
Gewinn aus der Hand legt, erfüllt von jener Reinheit, Einfach=
heit
, Herzenswärme und Lebensfriſche, die unſerer ſchickſalsbe=
laſteten
Menſchheit Sehnſucht iſt.
Neben dieſen beiden größeren, bei der deutſchen Verlags=
anſtalt
in Stuttgart erſchienenen Werken hat Richard Knies eine
Reihe Erzählungen und Kindergeſchichten geſchrieben, die ihren
Schöpfer vorzüglich im Süden Deutſchlands volkstümlich ge=

Ooooooeoeoeoeoeoooesooobogeeooeoegooeboco
Worte zur Stunde.
Nicht darum geht es heute, ob das Reich ſo wie es
geworden iſt, dir lieb iſt oder leid. Es geht um Tod oder
Leben des Reiches ſelbſt. In dieſer Entſcheidung gelten nicht
G. Gefühlswerte, nicht Stimmungen, ſondern willige Einfügung
O. der Glieder in die Geſamtheit, Zurückſtellung von allem, was
G
o. die Einheit zerbricht, vaterländiſcher Wille, ſittliche Tat der
Abfindung mit harten Lebensnotwendigkeiten, Opfer der
8
. Eigenwünſche im Dienſte des Ganzen, geſchloſſenes Ver=
G
trauen. Das Deutſchlandlied darf nicht bloß geſungen, es
o muß gelebt, es muß getan werden. Reich verloren, alles
S. verloren. Auch das heute entſtellte und zerfleiſchte Reich iſt noch
S. die einzige Bürgſchaft für die Freiheit der Zukunft. Darum
O
8
g. haltet das Reich!
D. Dr. Wilhelm Kahl, M. d. R. o
6
oooooooooooeooooooooeeoooooooogeeooooooee
macht haben. In Hauſens Bücherei (herausgegeben von Johan=
nes
Mumbauer), Verlag Hauſen=Saarlouis) ſind erſchienen:
Blümlein im Rauhreif. Erſtes Stück: Die Gitarre (1913); zwei=
tes
Stück: Das Dromedar (1915); Hähraſſa und Siebengulden=
aas
. Eine Nachtwächtergeſchichte (1910); Der Schrei der Mut=
ter
(1912); Die feierliche Zelle; Sonette (191617); im Verlag
Tyrolia=Innsbruck: Sonderlinge von der Gaſſe (191017).
Im Literariſchen Handweiſer (Verlag Gerder=Freiburg)
hat der Herausgeber Dr. Guſtav Keckeis eine feine Würdigung
des dichteriſchen Schaffens von Richard Knies veröffentlicht, der
wir die folgende Einführung entnehmen:
Er wurde am 12. Januar 1886 geboren. Seinen Geburts=
ort
Offſtein bei Worms mußte er ſchon verlaſſen, als er die Füße
noch zaghaft breit ſetzte, um in dieſer Welt den Standpunkt zu
behaupten. Er iſt aber gleichwohl noch vor dem Abſchied in
einen Brunnentrog gefallen, vom Plätſchern und Murmeln des
Waſſers ſchon früh betört, damit er mehr trockene Erinnerungen
an das rheinheſſiſche Pfarrdorf hinausnähme ins kunterbunte
Leben.
Das war die Dichtertaufe; und wenn Richard Knies auch
dieſen Ort, wo die Heimat ihr Herz hat, merkwürdiger Weiſe nie
mehr mit leiblichen Augen wiederſah des Dichters Traum
hat das rheinheſſiſche Dörflein immer neu erſchaut. Und alle
Liebe iſt ihm zugeflogen, das weit, weit dahinten im unberühr=
ten
Phantaſiegrund des Kindes ſtehen blieb. Es wurde die
Wiege jener feinnervigen, träumerigen, vom Rauhreif des Un=
verſtändniſſes
irgendwie verletzten Kindergeſtalten, die Richard
Knies aus dem Herzen wuchſen. Da iſt Gotthold Rehold, dem
die Sprache des Kindes und des fallenden Regentropfens Muſik
wird, und deſſen Ohr voll ſeliger Berauſchung in einer Gi=
tarre
Klang die Schwingungen ſeiner Seele wiederfindet. Und
da leben im äußerſten Dorfzipfel die beiden kleinen Verwach=
ſenen
, die im Leid ſo unzertrennlich geworden ſind, daß man ſie
unter einer einzigen Erſcheinung, der des doppelbuckligen Dro=
medars
, zuſammen verſpottet. Aber Minchen Schäflein, das
Märchenkind, macht aus dem Schimpfnamen ein Freundſchafts=
ſymbol
und dichtet vor ſeinem Schützling, dem blödſinnigen
Duddeldeimchen die häßliche Armhäuslerwirklichkeit in ein
bloß verwunſchenes Daſein voll unſagbarer Schönheit um. Daß
Duddeldeimchen daran glaubt und wie der kleine Richard Knies
die Nixenſchlöſſer unterm Waſſerſpiegel ſucht, daß überhaupt all
dieſe Inſtrumente der mächtigen Seele am Gegendruck der nüch=
ternen
Welt zerbrechen, iſt bezeichnend für des Dichters Schaf=
fen
und entſchleiert ſcheu und nur auf Augenblicke ſeine eigene
Kindheit voll heimlicher Schönheit und gefährlicher Erregung,
aber auch voll rätſelhaften Werdens einer Begabung. . . .
Es ſcheint, als ob Richard Knies überhaupt für Bucklige und
Verwachſene eine beſondere Zärtlichkeit hege, auch dann, wenn ſie
älter geworden und dem unſäglichen ſeligen Paradies der
Kindheit entfremdet ſind. Die körperliche Ungeſtalt dünkt ihn eine
Verwunfchenheit, unter der die Seele wohl leidet, aber voller
Sehnſucht iſt, aus der Stiefkinderſchaft des Lebens hinaus zu ver=
ſtehender
Liebe zu gelangen. Knies kennt das Leben und des=
halb
gibt er dieſen vom Geſchick Mißhandelten den Erlöſungskuß
der Dichtung. Bis in die Kauzhaftigkeit und Narrheit der Geiſtig=
Buckligen forſcht Knies dann weiter nach der Schönheit der Seele
welche unter der Wirklichkeit verborgen iſt wie der rechte Name
unter dem Spottnamen, der nur obenhin, ſcharfäugigen und
tiefern Sinnes doch blinden, weil ſchematiſierenden Welt. Die
Sonderlinge der Gaſſe ſind Zeugen für dieſe Teilnahme des
Dichters. . . ."
Richard Knies miſcht einen Strahl von Heiterkeit in die
ſinnendunkle Not des Sterbens, und er ſpinnt die Fäden dieſes
Lichts weniger aus den Dingen, auf denen unſere werkeltätigen
Augen ruhen, ſondern aus jenen, die wir im Alltagſtreben leicht

14. Oftober 1923

überſahen. Er macht die Tür auf, nur ſpaltenweit, an die der
gütige Gott lebenslang, aber leiſe klopfte, und läßt die Seele
allein durchſchlüpfen, da der irdiſche Leib zu grob dafür iſt. Und
wer unter den Geſtalten dieſes Dichters auch im Leben durch alle
Gefahren hindurch ſich ſelbſt am treuſten blieb, hat, wie Servaz
Duftig das kindliche Weſen nie ganz ertötet und iſt zeitlebens von
einer märchenhaften Fee, Reinheit der Empfindung genannt, be=
gleitet
worden, ſo daß er vor dem Sterben ſteht wie der Nacht=
wächter
Peter Hinneſcheid in Hähraſſa, großäugig und erwar=
tungsvoll
: Denn des Menſchen Todesſtunde iſt die Mitternacht
zwiſchen Zeit und Ewigkeit; dann wird es Tag.
Dieſe Auffaſſung iſt ſonntäglich und in der Tiefe fromm,
bleibt aber in ihrer Anwendung aufs Leben luſtig und nicht
duckmäuſig‟. Eine unzerſtörbare Feiertäglichkeit der Seele, die
freilich den Vorſtellungen unſerer hartringenden Zeit mit Poeten=
ſcheu
ausweicht und den Arbeitstag überſpringt, verbindet des
Dichters liebenswürdigſte Geſchöpfe mit ſeinem eigenen Weſen.
Deshalb wird einſt die Summe ſeiner Werke auch eine Art Auto=
biographie
, weil Richard Knies heimiſch geworden iſt am Herzen
ſeiner Geſtalten und dieſen bekennt, was er der Neugierde dau=
ernd
verſagen wird.
Die Anfänge ſeines Poetentums fallen in Zeiten, in denen
man wie viel von Problemen ſprach. Lange hatte Richard
Knies bis zur Erkenntnis zu ringen: Der Dichter ſoll Schickſal
geſtalten; zum Problemlöſen iſt er nicht da. Und über allem
Schickſal ſoll er den Glauben an die Liebe ſtrahlen laſſen. Dann
löſt ſich alles Problematiſche von ſelbſt!

* Die geſchickte Weſpe. Wenn eine Weſpe im erſten Schreck,
daß man ihr etwas tun will, ſticht und davonfliegt, bleibt der
Stachel in der Haut des Geſtochenen ſitzen und reißt mit ſeinen
Drüſen und ſonſtigem Zubehör aus dem letzten Hinterleibsringe
der Weſpe heraus, ſo daß ſie an der Wunde meiſtens ſelbſt zu=
grunde
geht. Merkt ſie nun aber, daß der vermeintliche Angriff
nicht ſo gefährlich war, dann fliegt ſie nicht fort, und müht ſich
nur auf alle mögliche Art, den Stachel aus dem Stiche heraus=
zuziehen
, wobei ſie die ſonderbarſten Bewegungen und Verren=
kungen
macht. Schließlich bringt ſie es fertig, wie ich wiederholt
beobachtet habe, daß ſie den Leib ſo ſtark wie einen Kreis krümmt
und mit ihren eigenen Kiefern den Stachel herauszieht. Kürz=
lich
hatte ich mich wieder mal in meinen Arm ſtechen laſſen,
aber diesmal bekam die Weſpe trotz aller Bemühungen den Sta=
chel
mit den Kiefern nicht heraus. Was tat ſie? Sie biß ihn
dicht an meiner Haut durch und flog davon, gerade wie es ja
von Füchſen und Ratten erzählt wird, daß ſie ihr in einem
Eiſen gefangenes Bein abnagen und ſo entwiſchen.
* Das zutrauliche Rotkehlchen. In meinem Garten niſtet
ein Rotkehlchenpaar. Wir ſind gute Freunde miteinander. Kaum
erſcheine ich im Garten, ſo begrüßt das Männchen mich von
einem Zweige aus mit lautem, munterem Geſang und ſchaut
mit ſeinen großen, klugen Augen neugierig hin, was ich be=
ginne
. Mache ich nun eine Arbeit, bei der ich mit der Erde nicht
in Beührung komme, ſo fliegt es gleich anderswohin, behält mich
aber ſtets im Auge, bis ich grabe oder reche, hacke, jäte oder etwas
ſchaffe, wobei ich die Erde mehr oder weniger aufrühre. Sofort
iſt es dicht bei mir, pickt und frißt in der aufgeworfenen Erde
herum allerlei Kleingetier und auch Unkrautſämereien. Auf
jeden neuen Aushub, den ich hinwerfe, ſtürzt es ſich eifrig und
durchſtöbert ihn emſig. Ruhe ich mich aus, ſo ſetzt es ſich häufig
auch auf das Arbeitsgerät oder auf meine Schuhe und wartet
ſtill. Zu anderen Leuten kommt es jedoch nicht ſo, wie zu mir;
die kennt es nicht genug, da bleibt es fern. Höre ich mit der Ar=
beit
auf und gehe ins Haus, dann dankt es mir noch von einem
Baume aus kurz mit einem laut geſchmetterten Liede. In der
Brutzeit kam das Männchen allein, pickte aber noch eifriger als
ſenſt, ohne zu freſſen, und trug den gefüllten Schnabel zum Neſt
zum Weibchen. Als die Jungen ausgekrochen waren, brachten
die Eltern ſie, ohne zu zögern, in meine Nähe und zeigten ihnen
die Nahrung. Mit ihren kurzen Flügeln und Schwanzſtummeln
hüpften die Kleinen munter umher und fraßen dreiſt um mich
herum. Größer und völlig flügge geworden, erſchienen ſie ſeltener,
bis ſie endlich mehr und mehr von den Eltern weggeſcheucht und
gar weggebiſſen hurden. Den ergiebigen Futterplatz wollten die
Alten für ſich behalten. So war es im vorigen Sommer, ſo iſt
es heuer. Daztiſchen, während dem Winter, war kein Rot=
kehlchen
zu ſehen, weder im Garten noch vor dem Fenſter meiner
Wohnung, wo ſich faft ſtändig Meiſen, Finken und häufig ſogar
Kleiber um den hingelegten Futterabfall ſtritten. Mit den erſten
ſonnigen Lenztagen erſchien auch das Rotkehlchenpaar wieder,
baute ſich ein neues Neſt und beſuchte mich bei der Arbeit.

* Das Alte Schloß beiNieder=Beerbach.
Novelle von Georg Ludwig Stüber, Nieder=Beerbach.
Dort, wo ſich ſüdlich des Dorfes die Landſtraße durch ein
Engtal hindurchzwängt, lag links auf einer Kuppe ſern, vom
Getriebe der Welt in tiefem Waldſchatten das Alte Schloß.
Jetzt iſt es freilich nur noch ein Haufen wüſt durcheinanderliegen=
der
Steine, der uns an alte ſchöne Zeiten gemahnt, an Zeiten,
in denen ſich hier eine trutzige Ritterburg erhob. Wuchtig und
frei, dem Feinde ſtolz die Stirne bietend, ſtand ſie da, ein Zei=
chen
echten deutſchen Rittertums. Längſt vergeſſene, durch der
Zeiten Lauf eingeebnete Wege führten zu ihr hinauf. Auf ihnen
ſah man ſchmucke Ritter, fahrende Leute und Bauern der Burg
zuſtreben. Ob ſie einen Auftrag zu erledigen hatten, ob ſie
Unterkunft für die Nacht erheiſchten oder ob ſie mit einer Bitte
zum Schloßherrn kamen, ſie alle wurden freundlich empfangen
und ihren Wünſchen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Dieſe
Gaſtfreundſchaft war allgemein bekannt, und deshalb, wär es
auch nicht Wunder zu nehmen, daß viele Wanderer die zahlreichen
Vurgen der Umgegend mieden und auf dem Alten Schloß ein=
kehrten
. Hier fanden ſie, was ſie ſuchten; ſie konnten ſich von
den Strapazen des Tages ausruhen und neue Kräfte für den
Weitermarſch ſammeln.
In jenen Zeiten ſpielte auch die Geſchichte, die ich jetzt er=
zählen
will.
Winter wars. Hoher Schnee bedeckte Wald und Flur, und
ein eiſiger Nordoſt fegte die ſpitzen Schneekriſtalle durch die eng=
ſten
Ritzen der Burg. Im Wohnzimmer derſelben ſaß am war=
men
Kamin Waldtraud, die Tochter des Ritters, und ſah ſinnend
den Schneeflocken zu, die kniſternd an die Fenſterſcheiben an=
ſchlugen
. Sie mochte zwanzig Jahre zählen, war ſchlank und
blond, doch ſchlicht gekleidet; kurzum der Typ einer Germanin.
Ihr Vater hatte ihr kurz vorher in bittenden Worten zu=
geſetzt
, doch die Werbung Philipps vom Frankenſtein, anzu=
nehmen
. Sie hatte ſich Bedenkzeit ausgebeten und kämpfte nun
einen harten Kampf mit ſich ſelbſt, ob ſie ſich ein echtes Glück er=
ringen
oder nach des Vaters Wunſch an der Seite eines unge=
liebten
Mannes ihr Leben verbringen wollte. Waldtrauds Vater
war mit den Angehörigen Philipps eng befreundet und oft rollte

der Wagen derer vom Frankenſtein in den Burghof, um die durch
Jahrhunderte gepflogene Freundſchaft aufs neue zu bekräftigen.
Ritter Philipp war ein großer, kräftiger Mann, der in man=
chem
blutigen Strauß ſeine perſönliche. Tapferkeit gezeigt hatte,
und der auch nach allen ſeinen Siegen immer großmütig gegen
ſeine Feinde geweſen war. Sie hatte ihn immer geachtet und
wußte an ihm eigentlich auch nichts auszuſetzen; und dennoch
konnte ſie ſich nicht entſchließen, ſeine Frau zu werden, weil ihr
das fehlte, was für ſie die Grundlage einer glücklichen Ehe war
nämlich die Liebe zu ihm.
Des Sinnens müde, ſtand ſie auf, um an den kalten Fenſter=
ſcheiben
ihre erhitzte Stirne zu kühlen und in der Betrachtung
der winterlichen Natur andere Gedanken zu faſſen. Es begann
bereits zu dunkeln. Heulend fuhr der Sturm durch die Kronen
der Bäume, daß ſie unter ſeiner Gewalt ächzten und ſtöhnten.
Immer dichter fiel der Schnee, und der Froſt begann ſchon ſeine
bizarren Zeichnungen in Geſtalt von Eisblumen an die Fenſter
zu malen. Unwillkürlich ſchauerte ſie zuſammen und wollte ſich
vom Fenſter wegbegeben.
Da gewahrte ſie auf dem Fahrweg einen einſamen Wande=
rer
, der, in einen dichken Mantel gehüllt, langſam der Burg zu=
ſtrebte
. Er ſchützte ſein Geſicht mit den Händen vor den ſpitzen
Eisnadeln, die der Wind unaufhörlich auf ihn niederſauſen ließ,
und des hohen Schnees wegen konnte er nur mühſam vorwärts
gelangen. Einige Zeit darauf hörte ſie auch ſein kurzes Klopfen
am Haupteingang; aber ſo ſehr ſie ſich auch anſtrengte, ſie ver=
mochte
nichts zu verſtehen von dem Geſpräch, das er mit dem
Torwart führte. Das Bellen der Hunde und das Heulen des
Sturmes übertönten alles andere. Sie beſchloß daher, ihren
Vater beim Abendeſſen nach dem Fremden zu fragen, und ging
auf ihr Zimmer, um noch eine kleine Handarbeit zu beendigen.
Sie hatte ſich über dieſer Arbeit verſpätet und war nicht
tvenig erſtaunt, außer ihren Eltern und ihrem Bruder Rudolf
auch noch den Fremden bei der Abendtafel vorzufinden. Ihr
Bruder ſtellte ihn als Ritter Wolf von Pfalzburg vor, deſſen
Schloß von welſchen Horden eingeäſchert worden ſei, und den
man von ſeinen Beſitzungen vertrieben habe, weil er ſich wei=
gerte
, mit den romaniſchen Rittern gemeinſame Sache zu machen.
Er war ſeither von Burg zu Burg gezogen, hatte ein aben=
teuerliches
Leben geführt, und gedachte bei beſſerem Wetter ſeine

Reiſe wieder fortzuſetzen, da er hoffte, in der weiten Welt noch
einmal ſein Glück zu machen. Er konnte 25 Jahre alt ſein, war
mittelgroß und wußte ſein bisheriges Leben treffend zu ſchildern,
ohne ſich ſelbſt in den Vordergrund zu rücken. Als er erzählte,
wie er unverſchuldet ins Unglück geraten ſei und nun heimatlos
in der Fremde umherirren müſſe, traten Waldtraud die hellen
Tränen in die Augen, ſo ſehr war ſie von Mitleid für ihn er=
füllt
. Auch ihr Bruder hatte ſich raſch mit ihm befreundet und
ihn bereits für den nächſten Tag zur Fuchsjagd eingeladen.
So war es über eifrigem Geſpräch bald Schlafenszeit ge=
worden
, und der Schloßherr mit den Seinen wünſchte dem Gaſt
eine angenehme Nacht. Ein Diener führte ihn in den erſten
Stock, wo ein möllig warmes, freundlich möbliertes Zimmer
feiner wartete. Sogleich begab er ſich zu Bett, denn er hatte von
der vorhergehenden Nacht noch viel Schlaf nachzuholen. Er
konnte jedoch nicht die erſehnte Ruhe finden, weil er immer und
immer wieder an Waldtraud denken mußte; und jetzt ſchon war
ihm klar, daß er ſein Herz an ſie verloren hatte. Da er aber
heimatlos und ohne Beſitz war, nahm er ſich vor, ſich wohl im
Zaume zu halten und Waldtraud nichts von ſeiner Liebe merken
zu laſſen.
Ueber ſolchen Gedanken ſchlief er endlich ein und erwachte
erſt ſpät am nächſten Morgen. Das Wetter hate ſih nicht geän=
dert
. Dichter noch fiel der Schnee und unaufhörlich ziſchte der
Sturm um die Zinnen der Burg. So mußte die Fuchsjagd auf=
gegeben
werden, und um ſich die Zeit zu vertreiben, erzählte man
ſich und ſpielte Schach.
Am Nachmittag bat Nudolf ſeinen Gaſt, ihm auf die Rüſt=
kammer
zu folgen. Hier beſichtigten ſie die Waffen und übten
ſich auch gegenſeitig im Fechten. Da aber die Fechtweiſe des
Fremden der des jungen Schloßherrn bei weitem überkegen war,
war dieſer ſehr erpicht darauf, ſich dieſe Kniffe anzueignen. Er
fragte deshalb Wolf von Pfalzburg, ob er ihm dieſelben nicht
beibringen wolle. Wolf erklärte ſich auch ſofort bereit hierzu,
da ihm dadurch Gelegenheit gegeben wurde, längere Zeit in der
Nähe Waldtrauds zu verbringen. Erfreut über dieſe Zuſage,
eilte Rudolf zu ſeiner Schweſter und bat ſie, zur Feier des Tages
bei einbrechender Dämmerung im Wohnzimnter einige Lieder
zu ſingen.

[ ][  ]

Nummer 41

Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung

Jahrgang 1923

Die Welt der Frau

Frau Politik Staat.
Mit jedem Problem der Ziviliſation taucht auch das Pro=
blem
des Frauenrechts und der Frauenſtellung im Staat und
in der Geſellſchaft auf. Kultur allein war nie maßgebend für
den Wert einer Frauenbewegung; denn Kultur iſt der Ausdruck
eines werdenden Weltgefühls, eines Strebens, mögliche Formen
zu Wirklichkeit zu zwingen, nicht aber Wirklichkeit und Vollen=
dung
ſelbſt. Dies iſt Ziviliſation. Es liegt im Weſen eines
Staates, der auf der Grundlage einer Weltbewegung, wie ſie
die mittelländiſche war, ruht, die formale Bewegung ſelbſt zu
verachten; darum gab es im vorigen Jahrhundert keine rechte
Frauenbewegung. Erſt der Neuzeit des 20. Jahrhunderts ge=
lang
es, eine Umformung in der Weiſe zu vollziehen, daß man
lernte, alle verfügbare Kraft für die Zeitaufgaben heranzuziehen.
Mit dieſer Maßnahme war aber ſofort ein Urteil, eine Ein=
ſchätzung
und eine Bewertung gegeben. Noch ehe man pſycho=
logiſch
wertete, wurde praktiſch geſchätzt: Man erkannte den
geiſtigen und ſittlichen Arbeitsfaktor in der Frau. So wurde
aber bald nötig, dieſer Arbeit erſtens Bedingungen, und zwei=
tens
Entſchädigungen zu gewähren. Die Bedingungen ſtellte der
Krieg zur Verfügung, die rechte Entſchädigung die Anerkennung
der Gleichberechtigung des Weibes in Staat und öffentlicher
Meinung. Das iſt kurz die Evolution.
Es gibt geteilte Anſichten darüber, ob dieſer äußeren Ent=
wickelung
die innere Entwickelung parallel gegangen iſt, ob das
Weib von innen heraus der ſtaatlichen Gleichberechtigung ent=
gegengewachſen
iſt, oder ob es ſich um ein Entgegenkommen nur
äußerer Ziviliſation handelt. Man war geneigt, das Ergebnis
der Wahlen als Kriterium der Reife anzuſehen. Das war aber
von vornherein ein Schluß, wie er nur aus einem Theorem, das
aus einem Pragmatismus ſtammt, geboren werden konnte; denn
es iſt unmöglich, eine junge Bewegung nach Maßſtäben geweſe=
ner
Einrichtungen und vergangener Staatskunden zu bewerten,
noch unmöglicher aber, eine individuelle Frauenbewegung des=
halb
nach dem Maß ihrer männerpolitiſchen Bewegung einzu=
ſchätzen
, weil im Weſen dieſer Bewegung der Imperativ einer
Gleichberechtigung vergraben liegt.
Frauenbewegung iſt Seelenbewegung, Männerbewegung iſt
Formalismus, oder anders: Die erſte iſt Sorge mit dem Ziel des
Glückes, die zweite Streben mit dem Weg des Wohles und
Egoismus. Alſo die eine ſchlechtweg Ziel, die andere Weg.
Darin liegt die Möglichkeit einer Beurteilung des augenblick=
lichen
Entwickelungsſtandes. Es handelt ſich nicht um ein Krite=
rium
der Reife politiſcher Einſichten und ſtaatserkenntlicher Not=
wendigkeiten
, ſondern um ein ſolches der ſittlichen Beziehung
und der geſellſchaftlichen Funktion. Nur Beziehung und Funk=
tion
ſind Zielſetzungen; denn die Funktion beſitzt Veränderlich=
keit
bis zum Ziel des Unendlichen. Reife aber iſt Weg, Neu=
tralität
, alſo Zwiſchenform unſerer ſittlichen Extreme Gut und
Böſe. Sprach man früher von einer Volksreiſe, ſo war dies
erlaubt, denn man hatte nur die männliche Bewegung im Auge.
Heute ſollte man dieſes Wort nicht ohne Unterſcheidung mehr in
den Mund nehmen.
Die Erkenntnis des Zieles beſagt, daß es eine politiſche Er=
ziehung
der Frau nur vom Standpunkt des Zieles ſelbſt gibt.
Nehmen wir dieſes,Ziel als letzte religiöſe Offenbarung des
ſtaatlichen Gemeinſamkeitsgefühls und der Sorge, ſo erkennen
wir die Art einer Frauenpolitik, und die Weiſe, den Intellekt
zu politiſcher Erkenntnis heranzubilden.
Die Frau iſt in ihrem Weſen innerlich, Politik, äußerlich,
Staat, formaliſtiſch. Es gibt zwiſchen den dreien nur eine Be=
ziehung
des Zweckes. Das Weib hat mit jeder Tat das Glück
ihres neugeborenen Lebens im Auge und verfolgt mit Politik
nur den Selbſtzweck, ihrem Kinde eine Zukunft zu geben. Dem
Mann iſt Politik Selbſtinhalt. Das Vaterland ruht in der
Frau; ſie hat weder Gleichgültigkeit noch Enthuſiasmus dafür;
es iſt für ſie kein Problem, kein Begriff, keine Formſache, ſon=
dern
ſchlechtweg eine Mußtatſache, genau wie der Schlag ihres
Herzens. Man hat es nicht ſo geſehen; aber der deutſchen Frau
ging der Untergang des Vaterlandes undergleichlich nahe. Dem
zukünftigen Menſchen, der ihrem Blute entſpringt, gibt ſie das
Nährſalz vaterkändiſchen Denkens bis ins Mark. Das iſt keine
geringe Hoffnung in der Reihe unſerer letzten Hoffnungen.
Waldmar Penkert.
Geſundheitspflege.
Zweckmäßige Behandlung aufgeſprungener
und riſſiger Haut. Vielen unſerer Hausfrauen pflegt das
Herſtwetter mit ſeiner Witterung ein unerwünſchtes Geſchenk zu
machen, das nicht nur ſchönheitsmindernd, ſondern auch von
ſchmerzhafter Wirkung ſein kann: aufgeſprungene, riſſige Hände.
Namentlich pflegen die Frauen davon betroffen zu werden, die
durch längere Beſchäftigung mit fettentziehenden Stoffen, wie
Sodawaſſer uſw., ihre Haut ſchädigen. Zumal, wenn dieſe nur
flüchtig abgetrocknet, unmittelbar der rauhen Luft ausgeſetzt wird.
Aber auch beſonders zarte, weiche Haut pflegt, ohne daß jene Ur=
ſachen
vorliegen, unter dem Einfluß der rauhen Herbſtluft auf=
zuſpringen
. Man vermeide daher nach Möglichkeit die allzu lange
Hantierung in Sodawaſſer, trockene nach Beendigung derſelben
die Haut ſorgſam ab und trage für eine ungehinderte Abſonde=
rung
der Talgdrüſen der Haut Sorge. Um rauhe Haut wieder
geſchmeidig zu machen, fette man ſie entweder mit Lanolin ein,
ebenſo leiſten abendliche Einreibungen der Haut mit Zitronenſaft
ganz vorzügliche Dienſte und machen ſie weich und geſchmeidig.
Dr. K.
Waldtrand kam mit einer Harfe, nahm ſchweigend ihren
Platz ein, und bald ertönten Minnelieder und alte Kampf=
geſänge
. Ihr ſchmelzender Sopran vermehrte noch die Wirkung
dieſer Dichtungen, und Wolf war ganz im Banne ihrer Stimme.
Oftmals glaubte er aus den Liedern, die ſie ſang, ihre Liebe zu
ihm herauszuhören, aber es durfte ja nicht ſein um ihretwillen
nicht. Nachdem die Melodien verklungen waren, ſetzte man ſich
zu Tiſch, und da ſich die Schloßherrin nicht ganz wohl fühlte,
ſuchten alle gleich nach dem Eſſen ihre Zimmer auf.
Der nächſte Tag war wie der vorhergehende, und auch die
folgenden Wochen brachten keine weſentliche Aenderung des
Wetters. Der Winter zeigte ſich in dieſem Jahre von ſeiner
grimmigſten Seite. Faſt zwei Monate herrſchte eine bittere
Kälte, und meterhoher Schnee verhinderte jeglichen Verkehr. Die
Burgherren konnten nicht mehr der Jagd obliegen, ſondern muß=
ten
untätig im Schloſſe bleiben. Auch der Beſuch, den der alte
Ritter auf dem Frankenſtein abzuſtatten gedachte, mußte des
hohen Schnees wegen auf unbeſtimmte Zeit verſchoben werden.
Man ſuchte ſich auf alle mögliche Weiſe Kurzweil zu ver=
ſchaffen
, doch oftmals herrſchte auch die Langweile vor. Rudolf
und Wolf von Pfalzburg brachten meiſt die Nachmittage mit
Fechten zu, während Waldtraud und ihre Mutter Handarbeiten
anfertigten, wobei ihnen Rodger, der alte Burgherr, aus Ger=
maniens
ruhmreicher Vergangenheit erzählte.
Nach den Mahlzeiten unterhielt man ſich immer noch etwas,
und auch ſonſt bei gelegener Zeit traf man zuſammen, um ſich
bei anregenden Geſprächen die Zeit zu verkürzen. Bei dieſen
Gelegenheiten mußte Waldtraud immer die Schlagfertigkeit und
das Wiſſen des Gaſtes bewundern. Mit der Zeit hatte ſie auch
ihre Zurückhaltung abgelegt, ſie beteiligte ſich ſtets an der Unter=
haltung
, und mancher ihrer Blicke verriet Wolf, was ihr Mund
nicht ausſprechen durfte daß ſie ihn liebte, mit der ganzen
Kraft ihres jugendlichen Herzens.
Eines Tages, als Waldtraud mit ihrem Vater zufälliger=
neiſe
allein im Zimmer war, fragte dieſer, ob ſie dem jungen
Frankenſteiner die Hand zum Lebensbunde reichen wolle. Ent=
ſchieden
wehrte ſie ab und ſagte ihm, daß ſie Philipp nicht lieben
und daher auch niemals ſeine Frau werden könne. Falls er ſie
jedoch dazu zwingen wolle, ſei ſie entſchloſſen, die Burg zu ver=

Der zeitgemäße Haushalt.
Blechdoſen zu öffnen, deren Deckel zu feſt klebt, wie
es bei Wichſe, Wachs ut. ä. leicht vorkommt. Man legt die Doſe
hochkant auf den Fußboden, ſetzt den beſtiefelten Fuß darauf
und rollt mit ihm unter leiſem Drucke die Doſe einige Male hin
und her. Dann ſpringt ſie bald auf oder läßt ſich leicht öffnen.
Defekte Glacehandſchuhe tadellos auszu=
beſſern
. Viel leichter, als es manche Hausfrau glaubt, ſind
ſie durch Einſetzen von kleinen Flicken in den Fingerſpitzen
wieder zu erneuern. Zunächſt muß jener ſchmale Fingerteil, der
an der Spitze zerriſſen iſt, in den Nähten ſorgſam vom übrigen
Teil gelöſt werden, wobei ein ſchmales Trennmeſſer oder eine
feine Stickſchere gute Dienſte leiſten. Nun wird die ſchlechte
Stelle weggeſchnitten, quer herüber ein neues, aus einem aus=
rangierten
Handſchuh herausgeſchnittenes Stück mit ganz feiner
Nadel und feinſtem paſſenden Seidenfaden mit dichten über=
wendlichen
Stichen aneinanderſtoßend, mit dem abgeſchnittenen
Finger wieder vereint und die beiden Nähte wieder geſchloſſen.
Riſſe am Handgelenk oder an der Daumenwurzel, beides Stellen,
die bekanntlich ebenſo leicht wie die Fingerſpitzen zerreißen, beſ=
ſert
man ebenfalls ganz unauffällig durch Ein=, nicht Unterſetzen
von Flicken aus. Bei dichtem Stich, feinſtem Garn und Nadel
fällt dieſe Arbeit immer tadellos aus. Nur bei Einriſſen an
den Fingerwurzeln ſollte man ein Erſatzſtreifchen unter die
defekte Stelle nähen, um die Haltbarkeit des meiſt beſonders
ſtark ſtrapazierten Gelenkwinkels der Handſchuhe zu erhöhen.
Zum Schluß friſche man die angezogenen Handſchuhe mit flüſſigen
Braunsſchen Handſchulfarben auf und reibe ſie, wenn völlig aus=
getrocknet
, mit einem Flanellappen glänzend.
H.
Gewaſchene Borſtenbeſen wieder haltbar zu
machen. Nachdem man die Beſen und Handfeger aut in lau=
warmem
fetten Seifenwaſſer mit Zuſatz von etwas Henkelbleich=
ſoda
gereinigt hat, wozu man ſie mit den Borſten bis zum Holze
in das Waſſer ſtellte und darin durchrieb, ſpült man ſie in
kaltem Waſſer, dem man auf 1 Liter ¼ Pfund Algun zuſetzte.
Durch dieſes Bad werden die weichgewordenen Borſten wieder
hart und elaſtiſch und dadurch auch natürlich in ihrer Gebrauchs=
dauer
verſtärkt.
I.
Schliffige Kuchen ohne Verluſt zu verwer=
ten
. Man ſchneide ſie in dünne Scheiben, trockne dieſe im
warmen Ofen und reibe ſie auf der Reibwaſchine. Nun ver=
wende
man die Hälfte von dieſem gehaltreichen Kuchenmehl oder
Grieß mit dem gleichen Quantum friſchen Mehl zum Anrühren
eines neuen Kuchens und wird ein ſchönes, lockeres Gebäck
erzielen.
M.
Graupen mit Birnen und Kartoffeln. Dicke
grobe Graupen läßt man mit wenig Salz dick ausquellen, gleich=
zeitig
ſetzt man halbierte, geſchälte Kochbirnen mit Zimt, 1 Nelke,
etwas Eſſig und Zitronenſchale zum Kochen auf, miſcht ſie, wenn
ſie recht rot gekocht ſind, mit den Graupen, fügt geſondert gar=
gekochte
, geſchälte, recht mehlige Kartoffeln bei und würzt das
wohlſchmeckende Gericht mit gebratenem Speck und Zwiebeln,
1 Teelöffel Appels Suppenwürze, wenig Pfeffer und Zucker
oder Süßſtofflöſung.
R.
Kölner Schnitzel (ohne Fleiſch): ½ weichgekochten
Weißkohlkopf hackt man fein, gibt 1 Ei oder 1 Teelöffel Trockenei,
Meſſerſpitze Paprika, Salz, 1 geröſtete Zwiebel und ſoviel ge=
riebene
Semmel bei, daß ſich flache handgroße Schnitzel formen
laſſen, die man mit wenig Fett auf beiden Seiten goldbraun bäckt.
Speiſezettel.
Sonntag: Roſenkohlgemüſe mit falſchem Haſen.
Montag: Graupen mit Birnen.
Dienstag: Kölner Schnitzel mit Zwiebelſoße.
Mittwoch; Kohlrabi=Reis.
Donnerstag: Möhren mit w. Bohnen.
Freitag: Fiſchklößchen m. Tomatenſoße.

laſſen und bei einem befreundeten Ritter Unterkunft zu ſuchen.
Obwohl der Burgherr ſeine Tochter gern als Philipps Frau ge=
ſehen
hätte, lag ihm jetzt nichts ferner, als ſie mit einem unge=
liebten
Manne zu verheiraten.
Die Abſage ſeiner Tochter bedrückte den Alten nicht wenig,
denn er wußte ſchon jetzt, wie die Sache enden werde. Er
wünſchte ſich deshalb nichts ſehnlicher, als daß die beſtehende
Witterung recht lange anhalten möchte. Doch immer konnte es
nicht Winter bleiben; ein warmer Südwind begann zu wehen,
der Schnee ſchmolz, und langſam kam der Frühling ins Land
gezogen.
Nun ſah ſich Rodger gezwungen, auf der Nachbarburg ſeinen
Beſuch zu machen. Froh darüber, daß er die Bürde, die ihn
ſchon wochenlang bedrückte, nun endlich los werden ſollte, ließ
er ſich, ſobald es die aufgeweichten Wege geſtatteten, ſein Roß
ſatteln und ritt nach dem Frankenſtein. Er wagte es nicht, dem
jungen Ritter die Abſage ſeiner Tochter perſönlich mitzuteilen,
ſondern bat deſſen Bruder, dies in ſeinem Auftrage zu tun. Nur
kurze Zeit verweilte er bei ſeinem Freunde und ſprengte bald
wieder durch den Wald, befriedigt, die Sache, vor der ihm immer
gebangt hatte, erledigt zu haben.
Mit dem guten Wetter kehrte auch wieder frohes Leben in
der Burg ein. Tagtäglich kamen Wanderer und fahrende Sän=
ger
. Sie erfreuten des Abends die Schloßbewohner mit ihren
neuen Liedern und wußten auch viel zu erzählen von den Gegen=
den
, die ſie durchwandert hatten.
Wolf und Waldtraud, die ſich immer mehr zu einander hin=
gezogen
fühlten, gingen oft zuſammen ſpäzieren. Eines Abends
ſaßen ſie im Schloßgraben und betrachteten die untergehende
Sonne, die mit ihren Strahlen die Wolken vergoldete und den
Himmel blutigrot erſcheinen ließ. Wolf erzählte ihr, wieviel
ſchöner noch dieſer Anblick von ſeiner früheren Burg aus war,
wo nicht ein neuer Gebirgszug den purpurnen Abendhimmel
den Augen des Beſchauers entzog. Aus ſeinen Worten fühlte
Waldtraud ſeine Sehnſucht nach der Heimat heraus und, da ſie
ihm nicht helfen konnte und auch nicht ſein Schickſal teilen durfte,
konnte ſie ſich nicht mehr beherrſchen ſie mußte weinen.
(Schluß folgt.)

Schach

8868
.2.

Nummer 22

Aufgabe 43
Alberto Mari in Genua
(1, Preis im Turnier der Italia Scacchiſtica 1922),
a b d e t s

C.K. Der Kampf um die niedrigen Abſätze. Der engliſche
Orthopäde Sir Herbert Barker hat ſich in einer heftigen Philip=
vika
gegen die hohen Abſätze der Damenwelt gewendet und er=
klärt
, daß die Frauen durch dieſe Marterwerkzeuge verkrüppelte
Füße bekommen müßten. Dieſer Vorſtoß gegen die hohen Abſätze
hat aber die Entrüſtung ſämtlicher Modedamen und Tanzlehrer
in England gefunden. Einer der führenden Londoner Tanz=
profeſſoren
erklärte, daß mit den niedrigen Abſätzen Plumpheit
und Uneleganz in den Ballſaal einziehen werde. Man ſtelle ſich
das Ausſehen eines großen Damenfußes vor, der mit einem
Schuh mit nierdrigen Abſätzen bekleidet iſt, und man wird ſchau=
dern
! ſagte er. Die Dame verliert dadurch die Anmut des
Ganges und muß neben ihren beſſer beſchuhten Gefährtinnen un=
ſchön
wirken. Schuhe mit niedrigen Abſätzen machen die Füße
doppelt ſo groß wie ſolche mit hohen. Dieſes Zugeſtändnis an
die Hygiene könnten ſich daher nur Damen mit ganz kleinen
Füßen geſtatten. Der niedrige Abſatz bedingt ein ſchweres Auf=
treten
und macht daher die anmutige Ausführung der Tanz=
ſchritte
ganz unmöglich, während der hohe Abſatz dem Gang
etwas Beſchwingtes und Gleitendes verleiht. Eine Frau mit
niedrigen Abſätzen geht ſo ungefüge wie ein Mann; ſie verliert
ihren weiblichen Reiz, und man kann ſagen, daß ſie überhaupt
nicht angezogen iſt. Zur eleganten Toilette ſind hohe Abſätze
unumgänglich nötig; die ſchönſte Abendrobe wird ohne ſie ihren
Eindruck verfehlen. Mehrere Modedamen erklären, daß ſie mit
niedrigen Abſätzen überhaupt nicht gehen könnten und daher
lieber verkrüppelte Füße in den Kauf nehmen, als Füße, die im
Schuh unelegant ausſehen.

Darmſtädter Silbenrätſel.
a, dan, et, ge, ko, laa, low, li, land nau, ni, org, po, ra, te, the
wa, zel.
Aus vorſtehenden Silben ſind 7 Wörter von folgender Bedeutun
zu bilden: 1. Berühmter italieniſcher Dichter. 2. Hunnenkönig
3. Ehemaliger Reichsminiſter. 4. Däniſche Inſel. 5. Ruſſiſche
Heerführer gegen die Bolſchewiſten. 6. Stadt in Bulgarier
7. Männlicher Vorname.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben der gefundenen Wörter er
geben, beide von oben nach unten geleſen, die im Volksmun
übliche Bezeichnung eines bekannten Darmſtädter Denkmals. Th.
Streichholz=Rätſel.

Vorſtehenden Pinſel verwandle man durch Umlegung der
Carl Deubel.
fetten Hölzchen in eine Farbe.
Rätſel.
561. Das Wort wird vom Wort ohne Kopf aufgefreſſen. Oht
Fuß und neuen Kopf iſt es beim Eſſen Für zahlreich
Menſchen ein hoher Genuß. Doch nimmſt Du ihm nochmal
den jetzigen Fuß Dann hörſt es einmal in jedem Eid
Im Meineid gar doppelt zu jeder Zeit.
562. Die beiden erſten Silben, ſind in jedem Tal, Jedoch auc
öfters auf recht hohen Bergen. Die dritte findet ſich ar
Seeſtrand überall, Die viert’ gehöret zu den Pflanzenzwerger
Im Frühling blüht das Ganze in den erſten beiden,
Zuweilen leicht mit Silbe drei bedeckt, Ein viertes. Doc
die Tiere freſſen’s nicht mit Freuden, Weil ihnen Silbe dre
nicht richtig ſchmeckt.
Auflöſungen.
Figurenrätſel:
I. 1. Mafor, 2. Mur, 3. Eli, 4. Gin, 5. Rum. 6. Baſel, 7. Eiche
8. Krähe, 9. Eiſen, 10. Liane, 11. Spargel.
II. 1. Weſpe, 2. Uhn, 3. Mai, 4. Oka, 5. Leo, 6. Joſef, 7. Topas
8. Adele, 9. Erato, 10. Norma, 11. Flieder.
Julius Cäſar Shakeſpeare‟.
Silbenrätſel:
1. Boa, 2. Oſel, 3. Liestal, 4. Leueit, 5. Erbach, 6. Nebo
7. Feder. Böllenfalltor

Weiß zieht und ſetzt in zwei Zügen matt.
Prüfſtellung: Weiß: Kg8 Df7 Ta3 d7 La7 a8 Sg3 h3 Be2 /9);
Schwarz: Ke3 Dd1 Ta5 d4 Lb3 g5 Sbl c5 Bd2 e7 (10); 2+
Eine groß angelegte Aufgabe.
Aufgabe 44
P. A. Orlimont in Germersheim.
(Skakbladet 1920; Dr. Niels Höeg gewidmet),
Weiß: Kf5 Db2 BbK c5 e7 (5);
Schwarz: Kb8 Te8 Bb7 (3),
Matt in drei Zügen,
Löſungen der Aufgaben 2934,
29. Fink und Ua Tane, G. C 1920 (Ka8 Df5 Ta4 c7 Laz
Saß e2 Bc6 e5 13; Kd5 Td3 Sb3 b4Bc4 d7 e3 e7 f6; 2+). 1
Tc7c8. Wieder eine Häufungsaufgabe: dem ſchwarzen K wir=
durch
8 verſchiedene ſchwarze Züge je ein Feld verſperrt, was Wei
in 8fach verſchiedener Weiſe ausnutzt. Vor dem Erſcheinen dieſer Auf
gabe zweifelte man, ob eine ſolche 8fache Feldverſtellung überhaup
darſtellbar ſei. Die Verfaſſer haben nicht nur die Zweifel beſeitigt
ſondern in einzigartiger Feinheit für die an ſich ſchon ſchwierige Dar
ſtellung des Gedankens noch dazu die äußere Form einer Zugwechſel
aufgabe gefunden. Die in der Anfangsſtellung, mit Schwarz am Zug
gegebenen Matts bleiben beſtehen mit Ausnahme des einen nach 1. .. ."
Sc6, das verändert wird (2. Sc7+ anſtatt 2, Td7 +). Im ganzer
ein ſprechendes Zeugnis für die amerikaniſche Schule, wirklich ei=
Meiſterſtück (A. C. White).
30. Punga, Baſl. Nachr. 1914 (Kc1 Db3 Td3 La4 Bc3 g3 göh4
Ke4 Bd7 e5 e7 g4 h5; 3+) 1. Db3-e6 de 2. Lc2. 1...
Kd3:2. De5: 1. .. . T 2. Kd2. Mit dem hübſchen Einleitungszu
wird gleichzeitig die Dgeopfert und dem L. der Weg nach c 2 freigegebey
31. Die Löſung erſcheint in 3 Wochen, ſ. Nummer 20 ber Schachecke
32. Dr. Palkoska, Alf. d. Re 1922 (Kf6 Dh4 Tc3 e3 Sd5 g4
Kd4 Tb5 La8 Sc2 ei Bb6 h7; 2+) 1. Kf6t5 dr. Sf6 +. Wei
ſetzt ſeinen K der Schachgefahr aus. Sd5 kann auf dreifache Art ge
ſchlagen werden.
33. Sprenger, Urdruck (Ka2 Da3 Td5 e2 Lh2 h5 Se7 g4 Bd
g7: Ke6 Tg6 Le8 Set g3 Bc5 d7 g5:2+) 1. Td5Xc5. Freigab
des Fluchtfeldes d6. Zugzwang.
34. Eylmann. 2. Pr. Frankf. Turn. 1923 (Kh5 De2 Sb5 e5 Be
16; Ke8 Da5 La3 BbTc5 c7 d5 15g4; 3+) 1. De2a2, dr. 2. Dd5
1. ... La3b2 2. Da2a4 (Le5; 3. Sd6+). 1. .. . C5c4 2
Da2 Xa3. 1. Dd17 (dr. Dd5: und Da4) ſcheitert an c54
2. D Le7:
Löſerliſte: Prof. Dr. Reutzel H. F. (alle); R. Sprenger (29)
Wilhelm Seeh in Eberſtadt (32, 33); Rolf Schmidthoff, Walter Schütz
(32); W. Prager (33).
Briefkaſten: J. M. in D. Beiträge erhalten. Wir antwortete:
brieflich. W. S. in E. Löſungen von 29 und 30 oben. Wegen 3
bitten wir Nummer 20 zu vergleichen. Die Löſung von 38 iſt verfehlt
1. Dd42 Ker!
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die Schrift
leitung des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift Schach=

Frarfreil
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Verantwortlich: Max Streeſe,