Darmstädter Tagblatt 1923


01. Oktober 1923

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10 000 M. Grundpreis, Schlüſſelzahl. 3000
(freibleibend). Verantwortlichkeit für Aufnahme von
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. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur Kür=
zung
des Bezugspreiſes. Beſtellungen und Abbeſtel=
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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſi. Tagbl. geſiattet.
Nummer 271
Montag, den 1. Oktober 1923
186. Jahrgang

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uſw., erliſcht jede Verpſichtung auf Erfüllung der
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jeder Rabatt weg. Bankkonto: Deutſche Bank und
Darmſſädter 8 Nationalbank.

Die franzöſiſchen Bedingungen zur Wieder=
aufnahme
des Eiſenbahnverkehrs.
Berlin, 1. Okt. Am Freitag, Samstag und Sonntag fan=
den
dem Lok.=Anz. zufolge, zwiſchen den Spitzenorganiſationen
der Eiſenbahngewerkſchaften und der alliierten Eiſenbahnregie
die Verhandlungen über die Frage, der Wiederaufnahme des
Verkehrs im beſetzten Gebiet ſtatt. Von deutſcher Seite durften
nur Fragen geſtellt werden. Die Regie will die deutſchen Eiſen=
bahner
nur unter folgenden Bedingungen zulaſſen:
1. Die deutſchen Beamten werden auf die alliierte Regie ver=
eidigt
.
2. Es. werden nur ſolche Beamte eingeſtellt, die am Orte
ihrer Tätigkeit geboren ſind.
3. Aeltere Leute ſind von der Wiedereinſtellung überhaupt
ausgenommen. Es kommen nur jüngere Leute in Frage.
4. Die ausgewieſenen Beamten werden nicht wieder einge=
ſtellt
. Die Ausweiſungen werden aufrecht erhalten.
5. Insgeſamt darf nur ein Drittel der bisherigen deutſchen
Beamten wieder eingeſtellt werden. Alle Eiſenbahner haben un=
ter
alliierter Leitung zu arbeiten.
Die Beamten im Ruhrgebiet ſind meiſtens ältere Leute. Es
iſt daher kaum anzunehmen, daß die Regie auch nur das gewollte
Drittel der Einſtellung erreichen dürfte. In den Eiſenbahner=
kreiſen
herrſcht eine geradezu verzweifelte Stimmung. Trotzdem
werden die Verhandlungen fortgeſetzt.

Vom Tage.

Der Landtagsvorſtand Preußens hat beſchloſſen, den Landtag für
Dienstag, den 9. Oktober, nachmittags einzuberufen. In der erſten
Sitzung wird eine allgemeine politiſche Ausſprache ſtattfinden.
Eine Abordnung der baheriſchen Sozialdemokratie hat ſich nach
Berlin begeben, um dort wegen der diktatoriſchen Maßnahmen gegen
ſie Schritte zu tun.
Gegen die Betreuung des ſächſiſchen Innenminiſters Liebmann zum
Zivilkommiſſar für Sachſen ſollen in Berlin Bedenken geltend gemacht
worden ſein. In dieſen politiſchen Kreiſen wird als neuer Kandidat
der bisherige Miniſterialrat im Wohlfahrtsminiſterum Dr. Freund ge=
nannt
.
Drei Fiſchdampfer aus Boulogne ſind von einem britiſchen Fiſcherei=
dampfer
aus Bruxham (Devonſhire) eingebracht worden unter der Be=
ſchuldigung
, in britiſchen Hoheitsgewäſſern gefiſcht zu haben.
Das Generalſekretariat der faſchiſtiſchen Partei Italiens iſt zurück=
getreten
. Daraufhin hat Muſſolini die Demiſſion aller Mitglieder des
Exekutibkomitees der Partei verlangt.
Wie die Morgenpreſſe mitteilt, wird der Präſident der tſchecho= ſlowa=
kiſchen
Nepublik Maſaryk am 16. und 17. Oktober offiziell in Paris
Aufenthalt nehmen.
Aus Sofia wird gemeldet, daß dort geſtern während der Meſſe
Brandbomben unter die Menge geworfen wurden. Zwei Perſonen
wurden getötet, eine ſchwer verletzt. Es gelang noch nicht, die Täter
feſtzunehmen.
Dover hat aufgehört, Marineſtützpunkt zu ſein. Die Vertreter der
Admiralität haben den Hafen wieder den Zivilbehörden übergeben.
Primo de Rivera hat dem Sonderberichterſtatter des Matin erklärt,
er beabſichtige, ſämtliche Handelsverträge zwiſchen Spanien und den
anderen Nationen, auch den Vertrag mit Frankreich, im kürzeſter Zeit zu
kündigen.

Dagmſttode Smnberbmhiermsäffeidhr

* Düfſeldorf, 1. Okt. Die ſonſt ſo anmutige Stadt Düſ=
ſeldorf
bot am geſtrigen Sonntag ein völlig verändertes, ſelt=
ſames
Bild. Alle Straßen waren wie ausgeſtorben. Nur ver=
einzelte
Offiziere der Beſatzungstruppen und Zivilperſonen, die
unverkennbar als Ortsfremde anzuſehen waren, zeigten ſich auf
den Straßen. Jeder Straßenbahnverkehr ruhte. Alle Wirtſchaf=
ten
und Gaſtſtätten einſchließlich der meiſten Hotels hielten den
ganzen Tag über geſchloſſen. Düſſeldorf folgte damit in ein=
mütiger
Geſchloſſenheit einem von den Gewerkſchaften und ſämt=
lichen
politiſchen Parteien mit Ausnahme der Kommuniſten er=
laſſenen
Aufruf, der die Bevölkerung aufgefordert hatte, ab 1 Uhr
mittags die Straße zu meiden, um nicht in den Verdacht zu
kommen, Sonderbündler zu ſein. Der Aufruf verlangte einen
Totenſonntag als Ausdruck der Abbehnung gegenüber den Be=
ſtrebungen
der Sonderbündler. Dieſes Ziel iſt der Stadt Düſſel=
dorf
völlig gelungen. Die Stadt verharrte geſtern den Hochver=
rätern
gegenüber in ſchweigſamer, aber eherner Abwehr. Auf dem
Düſſeldorfer Hauptbahnhof, den die Regie notdürftig in Betrieb
hielt, verſammelten ſich die aus dem ganzen beſetzten Gebiet zu=
ſammengeholten
Anhänger der Rheiniſchen Republik. Die Regie
hatte die den franzöſiſchen Annexionsplänen nur wünſchenswert
erſcheinende Bewegung durch Einlegung von etwa 30 Sonder=
zügen
unterſtützt. Auf dem Bahnhof wurden die eintreffen=
den
Sonderbündler von Deputationen mit grün=weiß =roten
Fahnen und Armbinden empfangen. Die Demonſtration
ſelbſt fand auf dem Hindenburgwall ſtatt, wo gegen 2½ Uhr
der ſeparatiſtiſche Selbſtſchutz in Stärke von viel=
leicht
2000 Mann aufzog und vor dem Theater Aufſtellung
nahm. Erſt kurz nach 4 Uhr traf der Demonſtrationszug, der nach
zuverläſſigen Schätzungen etwa rund 50 000 Perſonen zählte, ein.
Eine beſondere Rolle ſpielte bei dem Aufmarſch der ſogenannte
Selbſtſchutz, der faſt ausſchließlich aus jüngeren Leuten beſtand
und der ron vielen Ober= und Unterführern mit ſcharfen militä=
riſchen
Kommandos geleitet wurde. Während das Mitglieder
genaunte Gros der Demonſtranten im Zug am Theater und den
Denkmälern vorbeimarſchierte, wurde der Selbſtſchutz aus den
Reihen herausgezogen und zu einer dichten doppelten Poſtenkette
um die Menge herum aufgeſtellt. Nach einer Ankündigung ſollte
von funf verſchiedenen Stellen aus geſprochen werden. Es folgte
jedoch alsbald die Mitteilung, daß nur von den beiden in unmit=
telbarer
Nähe des Theaters gelegenen Denkmälern aus geſprochen
werde. Die Planmäßigkeit aller Anordnungen war unverkennbar.
ein Eindruck, der noch beſtärkt wurde durch die Schnelligkeit,
mit welcher der Selbſtſchutz die Anordnungen teilweiſe unter
Beläſtigung der nicht zu den Sonderbündlern gehörenden Per=
ſonen
zur Ausführung brachte. Offenbar wollte man verſuchen,
ſich in den Beſitz des in der Mühlenſtraße gelegenen Polizeiprä=
ſidiums
und des dahinter befindlichen Rathauſes zu ſetzen. Die
beiden Gebäude waren von der Schutzpolizei aufs ſchärfſte ge=
ſichert
. Alle Bureaubeamten waren zur Stelle. Man war feſt
entſchloſſen, dem hochverräteriſchen Treiben den ſtärkſten Wider=
ſtand
entgegenzuſetzen. Statt der angekündigten Reden gab es
dann aber nur mehrere Hochrufe auf die Rheiniſche Republik
und die Rufe Nieder! gegen ihre Gegner. Unmittelbar kam
es dann, wie ſchon gemeldet, zu der Schießerei mit der Schutz=
polizei
, worüber weitere Einzelheiten außer den gemeldeten bis=
her
noch nicht bekannt ſind.
Düſſeldorf, 1. Okt. (Wolff.) Der ſogen. Rheiniſche
Tag, der von den Sonderbündlern geſtern veranſtaltet wurde,
hat ein dramatiſches Ende gefunden. Die Bürgerſchaft
von Düffeldorf war nahezu reſtlos der Parole der Gewerk=
ſchaften
und Parteien gefolgt und hatte einen ſogen. Toten=
ſonntag
von nachmittags 1 Uhr ab veranſtaltet. Das
Straßenbild war wenig belebt. Sämtliche Wirt=
ſchaften
, Kinos und Theater waren geſchloſſen. Die Straßen
waren von 9 Uhr vormittags an menſchenleer. Der Auto= und
Droſchkenverkehr ruhte vollſtändig. Eine von den Kommuniſten
auf den Hindenburgwall einberufene Gegendemonſtra=
tion
fand wenig Beachtung. Von mittags gegen 2½ Uhr an
kamen verſchiedene Regiezüge mit Sonderbündlern aus
Aachen und anderen Städten an. Zuerſt kamen die ſonder=
bündleriſchen
Stoßtrupps, die ſich aus Separatiſten aus
dem Mühlheimer und Hamborner Bezirk zuſammenſetzten und
denen man anſah, daß ſie zu allem fähig waren. Am Bahnhof

legten dieſe Trupps einen Treueid ab, worauf ſie dann durch
verſchiedene Straßen in militäriſchen Formationen
aufmarſchierten und von einem Kino=Operateur aufgenommen
wurden.
Nach einer Anſprache des Weinhändlers Oehnen zogen die
Stoßtrupps zum Bahnhof zurück, wo inzwiſchen die übrigen
Sonderbündler angekommen waren. Darauf begann ſich der
Zug in Bewegung zu ſetzen, wobei die Stoßtrupps den Zug
zu beiden Seiten ſchützten, obwohl kein Menſch daran dachte,
den Sonderbündlern in den Weg zu treten. Die Sonder=
bündler
hielten militäriſche Ordnung ein und waren mit
Piſtolen und Gummiknüppeln bewaffnet. Insgeſamt war der
Zug etwa 10000 Köpfe ſtark. Am Ende des Hindenburgwalles
hatten ſich auch die Kommuiſten geſammelt, mit denen es zu
Reibereien kam. In der Königsallee waren bereits bei dem
Angriff der Sonderbündler 6 Beamte der blauen Polizei ent=
waffnet
worden. Ein Säbel, der einem der Polizeibeamten
abgenommen worden iſt, wurde dem Sonderbündlerzug gezeigt;
allgemein ſchrie die Menge Beifall. Als ein am Bismarck=
denkmal
ſtehender Beamter beſchoſſen wurde, rückte ſofort grüne
Schutzpolizei vor und griff ein.
Sofort zogen ſich die Stoßtrupps der Sonderbündler zum
Eingang der Schillerſtraße zur Abwehr zurück. Es entſpann ſich
ein Feuergefecht, wobei die Schutzpolizei Verluſte hatte und auch
auf Seite der Sonderbündler ſcheint es eine Anzahl von Opfern
gegeben zu haben. Es gelang der Schutzpolizei, trotz der nume=
riſchen
Uebermacht der Sonderbündler, die Stoßtrupps aus=
einander
zu treiben. Dieſe zogen darauf in wilder
Flucht in die zum Bahnhof führenden Straßen, worauf die
Schutzpolizei nach Säuberung der Straßen ſich in die Quartiere
zurückbegeben wollte. In dieſem Augenblick ſchritten aus bisher
unbekannter Urſache die Franzoſen mit Kavallerie
und Panzerautos ein, griffen mehrere Trupps der
Schutzpolizei an und entwaffneten ſie. Die ſonderbündleriſchen
Stoßtrupps ſchloſſen ſich, ſofort an, überfielen
die entwaffneten Schutzpolizeibeamten, miß=
handelten
ſie fürchterlich und ſchlugen einige
von ihnen nieder. Die Sonderbündler hatten ſich zum
Teil inzwiſchen wieder geſammelt und hielten vor dem Stadt=
theater
eine kurze Verſammlung ab. Ein Geiſtlicher hielt eine
wilde Hetzrede und verſprach Rache für das in Düſſeldorf ver=
goſſene
Blut der Sonderbündler zu nehmen. Er ſagte ſich von
der Berliner Regierung los und dankte den Franzoſen für den
äußerſt tatkräftigen Schutz. Gegen 6 Uhr zogen die Sonder=
bündler
zum Bahnhof. Die Zahl der Toten und verwundeten
läßt ſich bisher noch nicht genau feſtſtellen. Es ſteht aber feſt,
daß 4 Schutzpoliziſten getötet worden ſind und eine
große Anzahl von Schwer= und Leichtverletzten aus der Menge in
die Krankenhäuſer eingeliefert wurden. Von den Separa=
tiſten
ſollen 12 getötet worden ſein. Der Polizeidezer=
nent
Dr. Haas wurde von den Franzoſen verhaftet. Starke
franzöſiſche Patrouillen durchziehen die Stadt.
Franzöſiſche Entſtellung.
TU. Paris, 1. Okt. Nach einer Havasmeldung aus Düſſeldorf
kam es bei der Separatiſtenverſammlung, an der ſich etwa 40000
Perſonen beteiligten, zu Zuſammenſtößen mit der grünen Polizei
und nationaliſtiſchen Elementen. Es hat zahlreiche Verwundete
und auch einige Tote gegeben. Von den Schupobeamten wurden
Verittene und Maſchinengewehrabteilungen eingeſetzt. Die Kaſer=
nen
der Schupo wurden von einer Abteilung franzöſiſcher Infan=
terie
beſetzt, die die grüne Polizei abführte. Die Erbitterung der
Bevölkerung gegen die Polizei, ſo heißt es am Schluſſe der Mel=
dung
, kenne keine Grenze. Das Echo National gibt von den Vor=
gäugen
folgende Darſtellung: Der Redner auf dem Hindenburg=
wall
hatte kaum das Wort ergriffen, als ungefähr 25 Meter von
ihm entfernt von der Polizei auf die Demonſtranten Revolver=
ſchüſſe
abgegeben wurden. Die Separatiſten erwiderten das Feuer.
Die Panik wurde allgemein, als die grüne Polizei auf der Bild=
fläche
erſchien. Die Menge ſtob auseinander. Die meiſten De=
monſtranten
verſuchten auf dem kürzeſten Wege den Bahnhof zu
erreichen. (Auch aus dieſem, mit Unwahrheiten durchſetzten fran=
zöſiſchen
Bericht geht hervor, daß die Separatiſten ihr Ziel nicht
erreichten.)

Der Kampf gegen die deutſche
Volfsſchule im Saargebiet.
Von
Johannes Hoffmann.
Der Kampf der Saarregierungskomiſſion gegen die deutſche
Schule des Saargebiets iſt nicht erſt neueren Darums. Von An=
beginn
der Tätigkeit dieſer Treuhänderin des Völkerbundes
im Saargebiet nimmt dieſer Kampf in dem Franzöſierungspro=
gramm
des Schrittmachers der Pariſer Annexioniſten, des Herrm
Rault, einen breiten Raum ein. Gemäß dem Grundſatz Wer die
Schule hat, der hat die Zukunft hat die Regierungskommiſſion
eine Reihe der hervorragendſten Lehrkräfte, deren deutſcher Sinn
ihr ein Dorn im Auge war, ausgewieſen bzw. zur Dispoſition
geſtellt und ſie durch Elemente erſetzt, die ihren Franzöſierungs=
beſtrebungen
weniger bzw. keinerlei Widerſtand entgegenſetzten.
Sie hat den obligavoriſchen franzöſiſchen Sprachunterricht in den
Volksſchulen eingeführt gegen den Willen der Lehrer und Er=
ziehungsberechtigten
, die darin eine Gefährdung des planmäßi=
gen
Unterrichtes ſehen. Sie hat die franzöſiſchen Staatsſchulen,
die nach dem Verſailler Diktat lediglich für die franzöſiſchen An=
gehörigen
der Bergwerksverwaltungen beſtimmt ſind, mit den
beſtehenden deutſchen Schulen gleichgeſtellt und durch allerlei
Lock= und Druckmittel verſucht, die deutſchen Eltern zu
veranlaſſen, ihre Kinder in dieſe franzöſiſchen Schulen zu ſchicken.
Jetzt geht die Regierungskommiſſion in ihrem Kampf gegen
die deutſchen Schulen noch einen Schritt weiter. Sie hat den
Mitgliedern des Landesrades einen Verordnungsentwurf zu=
gehen
laſſen, der die Bildung von Schulkommiſſionen regeln
ſoll. Dieſer Erlaß beſeitigt zunächſt, wie es im Artikel 2 heißt,
die den Gemeinden durch Gefetz oder im Verwaltungswege über=
tragenen
Aufſichtsrechte, betreffend die inneren Angelegenheiten
der Volksſchulen, und ordnet dieſe neu. Dabei behält ſich die Re=
gierungskommiſſion
von vornherein das Recht vor, in Streit=
fällen
zu entſcheiden, ob eine Volksſchulangelegenheit eine äußere
oder eine innere iſt. Die Schulkommiſſionen ſollen ſtaatliche Or=
gane
ſein und die Regierungskommiſſion das Recht haben, in
beſonderen Fällen gewählte Mitglieder, die das Vertrauen ihrer
Wähler oder der Schulaufſichtsbehörde eingebüßt haben, aus der
Schulkommiffion abzuberufen. Der wichtigſte und gleichzeitig
gefährlichſte Punkt in dem neuen Entwurf iſt jedoch der, der die
Wahl der Volksſchullehrer und Lehrerinnen betrifft. Hier ſieht
der Entwurf vor, daß zwar das Lehrperſonal von den Schul=
kommiſſionen
innerhalb einer von der Regierungskommiſſion zu
beſtimmenden Friſt gewählt werde, doch wird dieſes Wahlrecht
von vornherein eingeſchränkt: die Schulabteilung der Re=
gierungskommiſſion
ſchlält den Kommiſſionen drei Befähigte zur
Wahl vor. Außerdem behält ſich die Regierungskommiſſion das
Recht vor, jede in einem Schulverbande neu zu beſetzende dritte
Stelle ſelbſt zu beſetzen. Darüber hinaus kann ſie auch den
Wahlvorſchlag (von drei Bewerbern) zurückziehen, wenn vor
Ausſtellung der Anſtellungsurkunde Tatſachen bekannt werden,
die den Bewerber als ungeeignet erſcheinen laſſen.
Die Abſicht, die die Regierungskommiſſion mit dem neuen
Endwurf verfolgt, liegt für jeden, der die Methoden dieſer
Treuhänderin auf anderen Gebieten beobachtet hat, ohne wei=
teres
auf der Hand. Die Staatsoberhoheit auch auf dem Gebiete
des Schzulweſens wird in dem Entwurf als oberſtes Prinzip
dekrediert. Den bisherigen Schulverwaltungsorganen werden
ſämtliche Rechte entzogen, ſie bleiben zwar dem Namen nach be=
ſtehen
, ihre Tätigkeit jedoch wird vollſtändig
ausgehöhlt durch die neue Schulkommifſion,
die ein ſtaatliches Organ iſt, an der Verwaltung der inneren
Schulangelegenheiten teilnimmt und die Wahl der Lehrer tätigt.
Die Selbſtverwaltung der Gemeinden auf dem
Gebiete des Schulweſens wird ausgeſchaltet
und der Regierungskommiſſion freie Bahn geſchaffen, damit ſie
auch auf dem Gebiete des Schulweſens ihre autokratiſche, fran=
zöſiſche
Herrſchaft voll entfalten kann. Die Regierungskommiſſion
wird ſchon dafür ſorgen, daß die Schulkommiſſionen ſo beſetzt
werden, daß ſie ihr nicht allzu viele Steine in den Weg legen.
Sie kann ja in beſonderen Fällen ihr mißliebige
Mitglieder aus der Kommiſſion entfernen. Auf
die Wahl des Lehrerperſonals ſichert ſich die Regierungskom=
miſſion
in dem Entwurf, wie oben erſichtlich, jeden Einfluß. Nicht
nur, daß jede dritte Lehrerſtelle vom Staate, d. h. von ihr, beſetzt
wird, auch bei dem Reſt der Stellen ſichert ſie ſich eine Mitwir=
kung
, indem ſie ſich das Vorſchlagsrecht von drei Bewerbern vor=
behält
. Und ſelbſt wenn einer dieſer Bewerber gewählt iſt, kann
die Regierungskommiſſion noch die Anſtellung inhibieren, wenn
ſich herausſtellt, daß der Bewerber ungeeignet iſt. Wer die weit=
herzigen
und hinterliſtigen Auslegungskünſte der Regierungskom=
miſſion
kennt, weiß, was dies zu bedeuten hat. Ungeeignet
dürſte wohl jeder Lehrer der Regierungskommiſſion erſcheinen,
der z. V. in dem Geruch ſteht, Deutſchland als ſein Vaterland
zu betrachten.
In der Begründung zu ihrem eigentümlichen Geſetzentwurf
ſucht zwar die Regierungskommiſſion der Saarbevölkerung die
Notwendigkeit dieſer Neuordnung ſchmackhaft zu machen, indem
ſie darauf hinweiſt, daß der Lehrer ein Staatsbeamter ſei und
folglich nicht von Gemeindeorganen gewählt werden könne. Wei=
terhin
will ſie der überwiegend konfeſſionell eingeſtellten Bevöl=
kerung
den Wunſch nach dieſer Neuregelung dadurch ſuggerieren,
daß ſie den konfeſſionellen Charakter der Schule ausdrücklich be=
tont
, der keine interkonfeſſionellen Schuldeputationen und Schul=
vorſtände
(wie ſie bisher beſtanden) dulde.
Beide Gründe werden die gewünſchte Wirkung beſtimmt nicht
auslöſen. Die Regierungskommiſſion hat ja durch einen frühe=
ren
Erlaß den Begriff Lehrer gleich Staatsbeamter ſelbſt ge=
ſchaffen
, nicht auf Wunſch und nicht im Intereſſe der Schule, bzw.
der Bevölkerung, die niemals im Lehrer einen Staatsbeamten,
ſondern den Diener um Wohl und Wehe der Gemeinde und der
Jugend ſehen wollte.
In Frankreich verfolgt man mit der Eingliederung der Leh=
rer
in die Reihe der unmittelbaren Staatsbeamten rein poli=
tiſche
Ziele, was ein Franzoſe ſchon vor vielen Jahren mit
folgenden Worten zum Ausdruck brachte: Wir haben 48000
Ke
Unſere heutige Nummer enthält den Sport des Sonntags

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 1. Oktober 1923.

Rummer 221.

Lehrer, d. h. 48000 erklärte Gottes= und Prieſterhaſſer! In
Deutſchland war bislang die Gemeinde die Trägerin der Schule,
die Tragerin der Verantwortung für die Erziehung der Jugend.
Wenn in den letzten Jahren hierin eine Aenderung eintrat, dann
nur, um die Gemeinden bei der Durchführung der ethiſchen Ge=
ſichtspunkte
der Volkserziehung frei zu machen von den finanziel=
len
Sorgen zur Erhaltung des Erziehungsinſtruments, der
Schule. Es klafft alſo eine gewaltige Kluft zwiſchen der fran=
zöſiſchen
und der deutſchen Volksſchule. Wenn die Regierungs=
kommiſſion
ſich in ihrem neuen Erlaß auf ein bayeriſches Schul=
geſetz
ſüützt, das die Lehrer zu unmittelbaren Staatsbeamten
macht, ſo tut ſie das lediglich, um den franzöſiſchen Grundſatz zur
Anwendung zu bringen, mit der Uebernahme der Lehrer auf die
Staatskaſſe, die Gemeinden als unbequemes Aufſichtsorgan aus=
zuſchalten
, und damit beſſer ihre politiſchen Ziele bei der Er=
ziehung
der ſaarländiſchen Jugend zur Durchführung zu bringen.
An dieſer Tatſache wird auch die allzu ſcharfe Betonung des
konfeſſionellen Charakters der neuen Schulkommiſſionen durch die
Regierungskommiſſion nichts ändern, das Wort von den 48000 er=
klärten
Gottes= und Prieſterhaſſern wird auch den Gutgläubigen
die Augen über die Ziele der Regierungskommiſſion öffnen.
Daran tird auch die durchſichtige Begründung zu dem Entwur
nichts ändern, die davon ſpricht, daß in den früheren interkonfeſ=
ſionellen
Schulvorſtänden ſoviel Streit und Hader zum Nachteil
der Schulen geherrſcht haben‟. Die Saarbrücker Landeszeitung
ſagt zu dieſer Begründung mit Recht u. a.: In einem ſo zari=
ſtiſch
regierten Gebiete, wie es das Saargebiet darſtellt, iſt das
heute keine Garantie für morgen. Wir Saarländer dürfen nie
vergeſſen, daß nach dem Worte Gambettas Prieſter und Mönche
für Frankreich Exportartikel ſind, und daß der religiöſe Mantel
im Saargebiet morgen ſchon fallen kann, um den unverhüllten
Atheismus zu zeigen."
Nach alledem kann über die Abſicht, die die Regierungskom=
miſſion
mit dem neuen Geſetzentwurf verfolgt, kein Zweifel mehr
beſtehen: die Proklamierung der Staatsallmacht, wie ſie der Ent=
wurf
vorſieht, bedeutet im Saargebiet unter dem Einfluß der
Poincaré, Dariac und Rault nichts mehr und nichts weniger, als
die geſetzliche Sanktionierung und Anerkennung der antideutſchen
und profranzöſiſchen Politik der Saarregierung auch auf dem Ge=
biete
des Schulweſens. Die deutſche Saarbevölkerung wird ſich
hierzu zweifellos nicht hergeben aber Herr Rault wird ihr auch
dieſes Geſetz aufzwingen, und das unter den Augen und im
Namen des Völkerbundes!

Dortens Rheiniſche Republik,
Paris, 30. Sept. (Wolff.) Dorten erklärte in Wies=
baden
dem Vertreter des Gaulois, er werde die Rheiniſche Re=
publik
auf alle Fälle gründen, er fürchte keine Widerſtände vom
Ausland, auch von England nicht. Ein gerade Linie von Eſſen
nach Frankfurt a. M., worin beide einbezogen werden ſollen,
werde die Oſtgrenze bilden. Bochum und Dortmund im Norden,
Mannheim im Süden, ſollen ausgeſchloſſen bleiben, während die
Pfalz, Birkenfeld, Naſſau, das ehemalige Großherzogtum Heſ=
ſen
zur Rheiniſchen Republik kommen ſollen, die damit elf
Millionen Menſchen umfaſſen werde. Frankreich könne am
Rhein bleiben, ſo lange es wolle. Die zu gründende rheiniſche
Miliz werde unter das Kommando franzöſiſcher und belgiſcher
Offiziere geſtellt.
Eſſen 1. Okt. In ſämtlichen politiſchen Kreiſen iſt keiner=
lei
Stimmung für die Gründung einer Rheiniſch=Weſtfäliſchen
oder Rheiniſchen Republik vorhanden. Insbeſondere ſtößt die=
ſer
Gedanke in den gewerkſchaftlichen Kreiſen aller Richtungen
auf ſchärfſte Ablehnung. In den Kreiſen der Zentrumspartei,
in denen 1918 mit Rückſicht auf die Berliner revolutionäre Be=
einfluſſung
eine Neigung für die Einführung vorhanden war, iſt
dieſer Gedanke ſofort aufgegeben worden, als die franzöſiſche
Einwirkung erkennbar geworden war. Heute iſt auch dort
ſchärfſte Ablehnung feſtzuſtellen.
Ruhe im Reich.
Keine Ausrufung der Rheiniſchen Republik.
TU. Berlin, 1. Okt. Von authentiſcher Seite wird er=
klärt
: Die Lage im Reich hat nach der Verkündung des Reichs=
ausnahmezuſtandes
bisher zu Beunruhigungen keinen Anlaß
gegeben und es wird angenommen, daß die Wirkungen des Aus=
nahmezuſtandes
auch weiterhin das Reich vor Unruhen bewahren
werden. Die Nachrichten aus Bayern zeigen, daß dort die heute
abgehaltenen Kundgebungen in voller Ruhe verlaufen ſind. Die
Nachrichten von einer Ausrufung der Rheiniſchen Republik
haben ſich nicht bewahrheitet. Die Abſichten der Separatiſten ſind
durch die Haltung der Bevölkerung vereitelt worden, die in
ihrer überwiegenden Mehrheit den Plänen der Separatiſten ab=
lehnend
gegenüberſteht.
Heſſiſches Landestheater.
Kleines Haus. Sonntag, den 30. September:
Die Freier.
Luſtſpiel von Joſeph v. Eichendorff.
Die letzten Jahre waren an wertvollen neuen dramatiſchen
Werken wenig ergiebig. Die Hoffnungen, die man auf Georg
Kaiſer, Haſenclever u. a. ſetzte, haben ſich nicht erfüllt. Fritz
v. Unruh blieb problematiſch und konnte ſich weder in Form
noch Ideengehalt zu einer harmoniſchen Geſchloſſenheit durch=
ringen
. Jogchim von der Goltz, deſſen Vater und Sohn eine
ſtarke Talentprobe war, ſteht gegenwärtig noch vor der Vollen=
dung
neuer Werke. Vor Hermann Burte halten ſich die Theater
einſeitig allzuſehr verſchloſſen. So kommt es, daß man in den
Halden der Vergangenheit ſchürft und verborgene Schätze an das
Tageslicht zu fördern ſucht.
Otto Zoff, ein jetzt in Frankfurt lebender Prager, konnte
mit den eigenen Dramen Kerker und Erlöſung und Schnee=
ſturm
keinen Erfola erzielen, bewies aber in der Aufſpürung
alter Werte eine glückliche Hand. Des Freiherrn Joſ. v. Eichen=
dorff
romantiſches Luſtſpiel. Die Freier und Goldonis
italieniſche Komödie Das Kaffeehaus wurden vom ihm
in neues Gewand gekleidet und der Bühne gewonnen. Eichen=
dorff
war im Sommer 1831 von Königsbera nach Berlin ge=
konnmen
, hatte die Stellung eines Rates am Kultusminiſterium
angenomen und bei der Mittwochs=Geſellſchaft in Chamiſſo,
Felix Merdelsſohn=Bartholdy, Savigny einen gleichgeſtimmten
Freundeskreis gefunden, als ihm die Komödie der Freier aus
der Feder floß. Im ſilbernen Scheine des Mondes, unter
Flötenſpiel und Lautenklang findet der als fahrender Schau=
ſpieler
verkleidete Graf in der als Zofe verkleideten Gräfin die
Geliebte und Braut. Ein leichtes, duftiges Spiel mit all ſeiner
romantiſchen Verwirrung und Süße.
Goldonis Kaffeehaus, das ich kürzlich anläßlich der Frank=
furter
Uraufführung in Zoffs Neubearbeitung am Frankfurter
Schauſpielhaus ſah, iſt demgegenüber dünner und unbedeutender
an Gehalt und Formung. Einige tatſächliche, innerlich nicht
motivierte Verwicklungen unter den Gäſten eines veneziani=
ſchen
Kaffeehauſes, ihren Frauen und Freundinnen wirbeln
durcheinander und gipfeln in einem entzückend inſzenierten nächt=
lichen
Feſt, wie überhaupt die graziöſe Darſtellung mit Toni
Impekoven, Ilde Overhoff und Aida Stuckerina und mit Ernſt
Roters ſiebengliedrigem Orcheſter den Reiz der Frankfurder Auf=
führung
abgab. Dichteriſch ſteht Eichendorffs Freiern weit=
aus
der höhere Wert zu.
Das Heſſiſche Landestheater hat Die Freier im vori=
gen
Winter bald nach der Frankfurter Uraufführung gebracht.

Ein Treuſchwur der Rheinlande.
Köln, 1. Okt. (Wolff.) Ueber 100000 Angehörige aller
politiſchen Parteien und aller gewerkſchaftlichen Richtungen
ſchloſſen ſich geſtern vormttag auf dem Kölner Meßgelände zu
einem Schwur der Treue des Rheinlandes zum Reich zuſammen.
Die Maſſenkundgebung hatte einen hier bisher noch nie geſehe=
nen
Umfang. Nach Geſangsvorträgen des Kölner Mänvergeſang=
vereins
ſtrach der dem Zentrum angehörende Stadtverordnete
Schaeven namens des ganzen Rheinlandes und namens der
Anhänger aller politiſchen, kulturellen und wirtſchaftlichen Rich=
tungen
gelobte er dem Deutſchen Reiche Treite, verlangte die
Rückkehr der Ausgewieſenen und die Freigabe der Gefangenen
und lehnte die Beſtrebungen der Sonderbündler ab. Insbeſon=
dere
wies der Redner auf die Worte Poincarés hin, daß Frank=
reich
keine Annexion beabſichtige. Die Rede wurde von ſtarkem
Beifall wiederholt unterbrochen. Die Verſammelten nahmen ein=
ſtimmig
eine Entſchließung an, in der es u. a. heißt:
Das Rheinland fühlt ſich unerſchütterlich mit dem deutſchen
Vaterland verbunden und wird allen Verſuchen, irgend eine
Aenderung ſeine ſtaatlichen Zugehörigkeit durchzuſetzen, leiden=
ſchaftlichen
Widerſtand entgegenſetzen. Die Sonderbündler haben
kein Recht, namens der rheiniſchen Bevölkerung zu handeln und
ſich als Vertreter der rheiniſchen Bevölkerung aufzuſpielen.
erneuern und bekräftigen das alte Gelöbnis, mit allen Deutſehen
gemeinſam den ſteinigen Weg unſeres harten Schickſals zu gehen.
Wer ſein Vaterland verrät und ſich in niedriger Geſinnung frem=
den
Machthabern anpaſſen will, der ſteht jenſeits der Reihen,
die die überwältigende Mehrheit der Rheinländer bilden. Vor
aller Welt berufen wir uns auf das Selbſtbeſtimmungsrecht der
Völker. In feierlichſter Form verwahren wir uns gegen jeden
Verſuch, unſer Recht auf Freiheit mit Füßen zu treten und die
feſten politiſchen, wirtſchaftlichen und geiſtigen Bande zu zer=
ſchneiden
, die uns mit unſeren deutſchen Stammesbrüdern in
guten wie in böſen Tagen verknüpfen.
Mit einem Hoch auf das deutſche, unteilbare Vaterland
ſchloß die Kundgebung.
Eine Niederlage der Sonderbündler.
U. Berlin, 30. Sept. Aus dem Ruhrgebiet wird gemel=
det
: In Hamborn endete eine Separatiſtenverſamm=
lung
mit einer Niederlage der Sonderbündler. Vor
dem Verſammlungslokal kam es dabei zu Menſchenanſammlun=
gen
. Von belgiſchen Soldaten wurde dabei in die Menge ge=
ſchoſſen
, ſo daß eine Anzahl Verwundete und drei bis
vier Tote auf dem Platz blieben.
TU. Düſſeldorf, 1. Okt. Die Kommuniſten, die
ſich dem Aufruf der Gewerkſchaften und politiſchen Parteien an
die Bevölkerung der Stadt Düſſeldorf nicht angeſchloſſen hatten,
veranſtalteten am Sonntag nachmittag auf dem Worringerplatz
in der Nähe des Hauptbahnhofes eine Gegenkundgebung gegen
die Separatiſten. Hierbei kam es mehrfach zu Zuſammenſtößen
zwiſchen den Kommuniſten und dem ſonderbündleriſchen Selbſt=
ſchutz
, der den Bahnhof geſichert hatte. Hierbei ſoll, wie Augen=
zeugen
berichten, ein Mann des ſeparatiſtiſchen Selbſtſchutzes ge=
tötet
worden ſein.
Sie werden nervös.
TU. Gelſenkirchen, 29. Sept. In Brakel und Lünen
wurden die Truppen am 27. September alarmiert, da Angriffe
aus dem unbeſetzten Gebiet erwartet wurden. Von 9,30 Uhr
abends an wurden die Straßen geſperrt. Die Paſſanten wurden
nach Waffen durchſucht. Jede Anſammlung auf der Straße war
verboten. Die Soldaten gebrauchten rückſichtslos die Gewehr=
kolben
. Allgemein erwarten die Franzoſen aktiven Widerſtand
innerhalb des Einbruchsgebiets. Die Grenzkontrolle wird in
den letzten Tagen ſchickanöſer als je gehandhabt.
Poincarés übliche Sonntagsrede.
Frankreich will den Sieg erlangen.
Paris, 30. Sept. (Wolff.) Poincaré hielt anläßlich
der Enthüllung eines Kriegerdenk vals im Walde von Ailly eine
Rede. Er erklärte, Frankreich werde nicht aufhören, ſeine
Reparationsforderungen, zu wiederholen und die
Völker anzurufen bis zu dem Tage, an dem es verſtanden wor=
den
ſei. Deutſchland erkläre jetzt, daß es gezwungen geweſen ſei,
den Widerſtand im Ruhrgebiet einzuſtellen. Wenn die deutſche
Regierung erkläre, daß die belgiſchen und franzöſiſchen Truppen
in das Ruhrgebiet gegen das Recht, gegen die Verträge einge=
drunen
ſeien, wenn es ihnen vorwerfe, die Bevölkerung unter=
drückt
, die individuelle Freiheit beſeitigt, Akte der Gewalt began=
gen
zu haben, dann underſchiebe es Frankreich Taten, die auf
Befehl des voraufgegangenen Reichsminiſteriums ſeit acht
Monaten gegen von Frankreich legal beſetzten Gebieten began=
gen
wurden. Poincaré ſagte zum Schluß: Die deutſche Regie=
Die geſchmackvolle Wiedergabe in Delavillas reizendem
Spitzweg=Rahmen under J. Gielens Leitung fand auch geſtern
wieder lebhaften Beifall. Franz Schneider und Kurt
Weſtermann als die vagierenden Künſtler Flitt und Schlen=
der
waren in ihrer Komik unübertrefflich und ſprühten in der
Parkſzene von Luſt und Laune. Käthe Gothe als übermütiges
Kammermädchen, Walter Kuliſch als gräflicher Liebhaber, der
berittene Hofrat des Herrn Jürgas und Ernſt Langheinz
drolliger Weinſchenk ſind gleichfalls von früher bekannt. An
Stelle von Frau Horn, die inzwiſchen uns verlaſſen hat und an
das Stadttheater in Zürich übergeſiedelt iſt, gab Marthe Hein
die Gräfin: ſehr friſch, lebendig und ausdrucksvoll, nur hätte die
Diſtinktion der Gräfin im Gegenſatz zur Zofe etwas mehr durch=
klingen
dürfen. Für den Jäger Viktor fand Ferdinand Faber
den rechten Ton; Joſeph Gielen ſuchte dem alten Gärtner die
romantiſch=ſentimentale Stimmung zu geben, wurde jedoch zeit=
weiſe
von dem Orcheſter übertönt. Alles in allem hinterließ
die Aufführung wie im vorigen Winter einen wohltuenden,
ſchönen Eindrud.
I.
Der erſte große arktiſche Flug.
Ueber das unerforſchte Spitzbergen.
ck. Der erſte wohlgelungene große Flug über die Arktis, bei
dem in 6 Stunden 40 Minuten gegen 1000 Kilometer des unbe=
wohnten
und zum großen Teil noch unerforſchten Spitzbergen
überflogen wurden, iſt von W. Mittelholzer ausgeführt worden.
Er berichtet darüber in einem Aufſatz der Frankfurter Wochen=
ſchrift
Die Umſchau‟. Sein Plan war, vom Eisfjord über die
Chydenius=Berggruppe zur Hinlopenſtraße zu fliegen, um vor
allem in das noch unbekannte Innere des Nordoſulandes von
Spitzbergen Photographiſche Einblicke zu gewinnen. Um 11 Uhr
40 Minuten begann die Fahrt mit dem erprobten Seeflieger
Neumann auf der ſchwerbepockten Maſchine Eisvogel‟ D 260
Rieſengroß öffnet ſich vor uns der 80 Kilometer lange Eisfjord,
erzählt Mittelholzer. Ein Bild von unbeſchreiblicher Groß=
artigkeit
entrollt ſich unſeren ſtaunenden Augen. Von allen Sei=
ten
fließen, eingerahmt von ſchroffen Bergrücken, die Gletſcher=
ſtröme
in ſeine tiefblauen Waſſer. Im Norden hebt ſich in vio=
letten
Farben ein Meer von Zinnen und Zacken meſſerſcharf vom
goldig=gelben Horizont ab. Kein Wölkchen am Himmel, im =
den
Schneedom hinder Schneedom, darüber ein azurblauer italie=
niſcher
Himmel und dazu eine Fernſicht, die in die Unendlichkeit
zu wandern ſcheint Allmählich ſteigen wir höher, immer
großartiger und wilder entickelt ſich Spitzbergens Berg= und
Gletſcherwelt. Abwechſelnd photographiere, zeichne, notiere und
kinematogjaphiere ich. Das Flugzeug ſchraubt ſich in Kurven,
um möglichſt viel von der eigenartigen Hochgebirgspracht feſt=
zuhalten
, über die ſchwarzen Granitberge der Chydenius=Gruppe

rung hat mit ein wenig Lärm der Welt angekündigt, daß ſie dem
paſſiven Widerſtande im Ruhrgebiet ein Ende bereiten
werde. Sie konnte nicht anders handeln. Sie wußte, daß ſie
nicht mehr imſtande iſt, den Widerſtand zu finanzieren, aber die
verdrießliche Erklärug des unvermeidlichen Waffenſtillſtandes
bedeutet nichts, von der Ausführung hängt alles ab.
Wir beurteilen Deutſchland nach ſeinen Taten. Es hat darauf
verzichtet, Bedingungen zu ſtellen. Das iſt gut, aber es muß uns
jetzt zeigen, daß es wirklich geneigt iſt, in den beſetzten Gebieten
die Ausbeutung der beſchlagnahmten Pfänder zu erleichter.
Wenn es verlangt, daß wir die getroffenen Maßnahwen zurück=
nehmen
, die wir, ſei es für unſere Sicherheit, ſei es für unſere
Reparationszahlungen für unerläßlich betrachten, wenn es den
Hintergedanken hat, von uns Vorteile dafür einzutauſchen gegen
einfache Worte der Underwerfung, dann würden wir keinen
Schritt zur Entſpannung getan haben. Der Augenblick iſt alſo
noch nicht gekommen, unſere Aufgabe für beendet zu betrachten.
Die Arbeit von worgen iſt viel ſchwieriger, als die Arbeit, die
wir vollbracht haben. Frankreich hat noch nicht den Sieg, die
ihm die Verträge garanitert haben, aber wir werden ihn er=
langen
. Wir haben es geſchworen, wir werden unſeren
Schwur halten.
Poitcar3s Montagsrede.
TU. Paris, 1. Olt. In der bereits wiedergegebenen
Sonntagsrede Poincarés iſt noch keine Anſpielurg auf die von
der deutſchen Regierung beſchloſſene Wiederaufnahme der
Naturallieferungen enthalten Am Quai dOrſay erklärt man,
Poincaré werde in ſeiner heutigen Rede in Bar=le=duc, die aller=
dings
im wefentlichen innerpolitiſche Probleme behandeln werde,
bielleicht auch einige Ergänzungen zu ſeiner geſtrigen Rede an=
bringen
. Im übrigen iſt man in Paris der Auffaſſung, daß
der deutſche Beſchluß, die Naturallieferungen an Frankreich
und England wieder aufzunehmen, noch weitere Kommentare
bedarf.
Kein halber Sieg!
Paris 1. Okt. (Wolff.) In Clermont hielt Kriegsmini=
ſter
Maginot anläßlich der Enthüllung eines Kriegerdenkmals
eine Rede, in der er erklärte: Jetzt müſſen wir für unſer Land
das beſie aus dem neuen Frieden ziehen und alles verſuchen, da=
mit
dieſer nicht eine Enttäuſchung bringt. Der Sieg wäre nur
ein Wort, wenn er nicht Realitäten einbringen würde. Das
Volk, das hinter ſeinen Lorbeeren ſtirbt, ähnelt mehr dem beſieg=
ten
Volk. Ich kann Ihnen die Verſicherung geben, daß die Re=

einer raſchen Löſung opfern.

Anfrage des Temps beim deutſchen Kabinett.
FU. Paris, 1. Okt. Der Temps fragt das Kabinett
Streſemann, ob es die Kohlenlieferungen an Frankreich und
Belgien zu bezahlen beabſichtige, oder ob es den Bergwerks=
beſitzern
lediglich die Erlaubnis geben wolle, dieſe Lieferungen
auus zuführen unter der Vorausſetzung, daß ſie von den beiden Län=
dern
bezahlt werden. Sollte dieſe Vermutung zutreffen, ſo be=
deute
das nur eine neuerliche Rechtfertigung der Pfandergrei=
fung
. Frankreich und Belgien ſeien in das Ruhrgebiet ein=
marſchiert
, um ſich bezahlt zu machen.
Agitation der franzöſiſchen Kommuniſten.
EU Paris, 29. Sept. Die kommuniſtiſche Partei Frank=
reichs
entfaltet ſeit einigen Tagen in der Hoffnung auf einen
kommuniſtiſchen Umſturz in Deutſchland eine rege Propaganda=
tätigkeit
. Die komuniſtiſche C. G.d.T. (Allgemeiner kommuniſti=
ſcher
Arbeiterverband) hat, wie die Humanité mitteilt, angeſichts
der Ereigniſſe, die ſich zurzeit in Deutſchland zutragen, einen
Ausſchuß gebildet, in der Abſicht, die Arbeitermaſſen auf den
Generalſtreik vorzubereiten und der Erdroſſelung der deutſchen
Revolution durch franzöſiſches Militär mit allen Mitteln zu be=
gegnen
. Gleichzeitig veröffentlicht die Humanité eine Prokla=
mation
der kommuniſtiſchen Jugendderbände an die Soldaten,
worin dieſe aufgefordert werden, auf den Befehl ihrer Vorgeſetz=
ten
hin nicht auf die deutſchen Arbeiter zu ſchießen, ſondern ſich
mit ihnen zu verbrüdern.
Amerikas Intereſſe für die europäiſche Lage.
London, 29. Sept. (Wolff.) Reuter meldet aus Waſhing=
ton
: Präſident Coolidge empfing geſtern den Generaldirektor
des Reuterſchen Bureaus, Sir Roderick Jones im Weißen
Hauſe. Bei der Beſprechung der internationalen Angelegenheiten,
die ſehr vertraulicher Art war, ſagte der Präſident, die Art und
Weiſe, in der das britiſche Volk ſeine Schulden an Amerika
regelte, mechte in den Vereinigten Staaten tiefen Eindruck und
könne nicht ermangeln, gute Folgen zu zeitigen. Coolidge bewies
lebhaftes Intereſſe für die gegenwärtige europäiſche Lage, über
die er genau unterrichtet iſt.
empor und umkreiſt eine halbe Stunde lang den 1730 Meter
hohen Newtondöppen, das höchſte Gebirge Spitzbergens. Nach=
dem
ich etwa 100 Meter Film gemacht und den Aufnahmeort in
der leider ſehr ungenauen Seekarte eingetragen habe, gebe ich
Zeichen zum Kurs Nordnordoſt. An Stelle der ſtolzen Gipfel
treten rieſige Gletſcherplateaus, auf denen man auch mit dem
Waſſerflugzeug hätte landen können. Nach Norden erſtreckt ſich
ein nahezu 100 Kilometer langer, nach allen Seiten flach abfal=
lender
Eisſchild gleich einem Leichentuch. Nach zweieinhalb=
ſtündigem
Fluge ſchrauben wir uns nun auf 2000 Meter hinauf.
Nach Nord und Oſt blicken wir über den ſo gefürchteten Schiff=
fahrtsweg
der Hinlopenſtraße hunderte von Kilometer hinein in
das rätſelhafte Nordoſuland, deſſen Inlandseis ſich wie ein Lava=
ſtrom
in das umliegende Meer ergießt. Von der in Nanſens
Karte eingetragenen, über 490 Meter hohen Eiswand konnte ich
nichts bemerken, im Gegenteil ſchien mir das Inlandeis aus.
kiner einzigen, ſanft gewellten Eisfläche zu beſtehen. Auf der
Höhe der Walfiſchbai wird der 80. nördliche Breitengrad über=
flogen
, dann geht es nach Weſten und der Motor arbeitet ſich
über die ſchneebedeckte Tundrafläche der Renntierhalbinſel; es
geht zum Virgohafen auf der Däneninſel über die Croß=Bat zur
Kings=Bei. Aus einem unendlichen Wolkenmeer, das ſich wie
eine feurig=flüſſige Goldmaſſe über das Meer nach Weſten er=
gießt
, ragen die kriſtallenen Berge des Prinz Karl=Vorlandes
in langgeſtreckter Front nach Süden hinaus. Gewaltige Gletſcher=
ſtröme
führen aus dem aus Schutthalden beſtehenden Drei Kro=
nen
nach Ekman= und Dickſon=Bai, auf die wir jetzt zuhalten.
Nach 40 Minuten dauerndem Fluge über die Gletſcherwelt des
König Oskar II.=Land befinden wir uns jetzt über dem Eis=
fjord
. Als Neumann um 6 Uhr 15 Minuten 1600 Meter über
der Walfangſtation unſeren teueren Metallvogel in eleganten
Spiralen niedergleiten ließ, da laſſe ich ein letztes Mal meine
ſchaumüden Augen über das mir lieb gewordene Spitzbergen
gleiten. Der Flug hatte neben einer reichen Ausbeute an photo=
graphiſchem
und Filmmaterial von bisher noch völlig unbekann=
ten
arktiſchen Gebieten wertvolle Erfahrungen über die Verwen=
dung
des Flugzeuges in der Polarzone gebracht. Ein Flug nach
dem Nordpol erſchient danach als Leichtigkeit, ſolange der Mo=
tor
arbeitet und die Witterung gut iſt. Aber wenn man zur Not=
landung
gezwungen iſt und nicht mehr hochkommt, dann iſt eine
Rettung ohne Hundeſchlitten und Proviant unmöglich. Die Er=
oberung
des Pols mittels Flugzeugs, urteilt Mittelholzer,
wird ſolange eine sporting-chance bleiben, bis es möglich
ſein wird, in einem Großflugzeug alle nur erdenklichen Hilfs=
mittel
für einen etwaigen Rückzug über das Eis mitführen zu
können. Heute ſind daher die Ausſichten für ein Lenkluftſchiff,
* B. einen Zeppelinkreuzer, günſtiger, aber die raſch ändernden
Wetterlagen ſprechen doch eher für ein Flugzeug mit großer Ge=
ſchwindigkeit
als für einen relativ langſames Luftſchiff.

[ ][  ][ ]

Rummer 221.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 1. Oktober 1923

Seite 3.

Kahrs Kriegserklärung.
* München, 1. Okt. (Priv.=Tel.) Die bisher wichtigſte
und weittragendſte Maßnahme des bayeriſchen Staatskonmiſſars
Dr. v. Kahr, nämlich die Außerkraftſetzung der Beſtimmungen
des Geſetzes zum Schutze der Republik für Bayern, iſt bisher
in Bayern in der Oeffentlichkeit nur ſehr wenig beachtet worden.
Die Nachricht iſt in lakoniſcher Kürze lediglich in der Bayeriſchen
Staatszeitung gebracht worden, während die ganze übrige Mün=
chener
Tagespreſſe erſt am Montag in der Loge ſein wird, ſie
mitzuteilen und dazu Stellung zu nehmen. Nach unſeren Infor=
mationen
dürfte vom Generalſekretariat die Herausgabe einer
erläuternden Erklärung zu der geſchaffenen einſchneidenden Maß=
nahme
zu erwarten ſein. Das einzige Organ, das bisher zu dem
Ereignis Stellung nimmt, iſt die geſtern erſchienene Münchener
Sonntagszeitung, die unter der Ueberſchrift Kriegserklärung
ausführt, daß die Maßnahme des Generalſtaatskommiſſars be=
deute
, daß die mit dem Kabinett Lerchenfeld getroffenen Ber=
liner
Vereinbarungen von Bayern einſeitig aufgehoben worden
ſind. Der dadurch vor Jahresſchluß beigelegte Konflikt dürfte
damit wieder aufleben.
Zu den Maßnahmen von Kahrs.
TU. München, 1. Okt. Nach den Informationen der
Münchener Vertretung der TU. dürfte das Generalſekretariat
eine erläuternde Erklärung zu der vom Generalſtaatskommiſſar
getroffenen Maßnahme der Außerkraftſetzung der Vollzugsver=
ordnungen
für das Geſetz zum Schutze der Republik für Bayern
herausgeben.
Berlin, 30. Sept. (Priv.=Tel.) Am Samstag nachmit=
tag
fand eine längere Beſprechung des Reichspräſidenten mit
dem Reichskanzler und dem Miniſter Geßler und Sollmann
über die neueſten Maßnahmen des bayeriſchen Generalſtaats=
kommiſſars
ſtatt. Eine Sitzung des Reichskabinetts wurde nicht
abgehalten. Es wurden keine Beſchlüſſe gefaßt, jedoch noch im
Laufe des geſtrigen Abends Beſprechungen mit den bayeriſchen
Stellen aufgenommen. Nach den bisher vorliegenden Meldun=
gen
hob der bayeriſche Generalſtaatskommiſſar lediglich die baye=
riſchen
Vollzugsbeſtimmungen auf, alſo jene Vorſchriften, durch
die die näheren Beſtimmungen über die Durchführung des Schutz=
geſetzes
durch die bayeriſchen Landesſtellen getroffen ſind, Gegen=
über
Gerüchten, wonach eine Umbildung des Kabinetts und der
Rücktritt des Reichskanzlers bevorſtehe, berichten die Blätter
übereinſtimmend, daß es ſich hierbei um Falſchmeldungen han=
delt
, die jeder Grundlage entbehren.
*
Nürnberg, 30. Sept. (Wolff.) Der Generalſtaatskommiſ=
ſar
v. Kahr hat dem Staatskommiſſar von Nürnberg und
Fürth, dem Oberregierungsrat Gareis, auf Grund des Aus=
nahmezuſtandes
die Polizeiexekutive für Nürnberg und Fürth
als ſeinem Vertreter übertragen. Mit der am 1. Oktober erfol=
genden
Errichtung der ſtaatlichen Polizeidirektion in Nürnberg
gehen die polizeilichen Befugniſſe des Stadtrats ſowieſo an den
Staatskommiſſar über.
Die Lage in München.
TU. München, 1. Okt. In München herrſcht nach wie
vor Ruhe. Am geſtrigen Sonntag ſtand die Stadt im Zeichen
des Gedenkfeſtes der Angehörigen des ehemaligen Königlichen
Bayeriſchen Infanterie=Leibregiments, das unter rieſiger Be=
teiligung
, beſonders auch aus der Provinz, in Anweſenheit von
Mitgliedern des früheren Königshauſes in einfachem Rahmen
abgehalten wurde, aber durch einen großen Feſtzug mit vielen
Fahnen und Muſikkorps die Aufmerkſameit weiter Kreiſe auf
ſich zog. Vom Generalſtaatskommiſſariat ſind Mitteilungen für
die Preſſe heute nicht herausgegeben worden. Was die Haltung
der Sozialdemokratie anbelangt, ſo iſt zu bemerken, daß geſtern
der Landtagsabgeordnete Auer und der Reichstagsabgeordnete
Unterleitner beim Reichswehrkomandanten General v. Loſſow
Vorſtellungen wegen der Maßnahmen des Herrn v. Kahr er=
heben
wollten, aber nicht empfangen wurden, worauf ſie ſich,
wie bereits gemeldet, am Abend nach Berlin begaben. Er=
wähnenswert
iſt vielleicht noch, daß der frühere Staatsſekretär
der Reichskanzlei Hamm ſich gegenwärtig in München befindet,
wo er am Sonntag vormittag mit dem Reichsgeſandten v. Haniel
eine Beſprechung hatte.
Berlin, 1. Okt. Wie aus München gemeldet wird, waren
zu der bereits gemeldeten Einweihung einer Gedenktafel für die
Kriegsgefallenen des Leibregiments über 200 000 Angehörige des
Regiments anweſend. Unter anderen war der Kronprinz Rupp=
recht
und die Generäle Loſſen, Bothmer und Epp erſchienen. Bei
dem Vorbeimarſch an Prinz Rupprecht begrüßte ihn das Publi=
kum
mit dem Ruf: Es lebe der König!

Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)
Nicht wahr? Ach, und denken Sie ſich, daß niemand in
Europa ihm zu Hilfe kommen wollte! Daß niemand ihm beige=
ſprungen
iſt! Das iſt ſchmachvoll, unverantwortlich. Wenn
mein Bru ... wenn irgend jemand . . Glauben Sie, daß dieſe
Schurken ihn für Geld ausliefern würden? Daß man ihn frei=
kaufen
könnte, wenn er gefangen iſt? Ich habe daran gedacht. . ."
Sie haben daran gedacht? Sie ſind die weitherzigſte junge
Dame, die ich je getroffen habe! Aber ich fürchte, es würde
Ihnen ſchwer fallen, ihn frei zu kaufen, wenn er gefangen ge=
halten
wird. Niemand wollte Geld für ihn riskieren, ſolange er
regierte, und nun er geſtürzt iſt, wird erſt recht keiner darauf er=
picht
ſein."
Sagen Sie mir . . . ſie zögerte, wie ſieht er denn aus?
Gut, nicht wahr?
Tja, ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll, Madame. Gut kann
man kaum ſagen. Er hinkt doch, wie Sie wiſſen!
Hinkt! Was ſchadet das? Das tun ja ſo . . .
Sie unterbrach ſich raſch und betrachtete ihn entſchuldigend.
Ich ... ich habe gehört, daß er ſehr ſtattlich und fein gebildet
ſein ſoll."
Von Mr. Pelotard.
Von Ihrem Mann? Kennt Ihr Mann denn den Groß=
herzog
?
Ich .. ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Mir ſcheint, er
fährt das erſte Mal hierher.
Sie wiſſen nicht? Sind Sie nicht beſſer über die Angelegen=
heiten
Ihres Mannes orientiert, Madame?
Er kann doch dort geweſen ſein, bevor wir . . ."
Bevor Sie geheiratet haben, ich verſtehe. Sind Sie ſchon
lange verheiratet, Madame, wenn ich mir die Frage erlauben
darf?
Zur großen Verwunderung des Großherzogs war die Ant=
wort
auf dieſe Frage ein tiefes Erröten, das ſich plötzlich über
das ganze Geſicht Madame Pelotards vom Kinn bis zum Haau=
anſatz
verbreitete. Befürchtend, daß er eine Dummheit geſagt
hatte, aber ahnungslos, wie er ſie gut machen ſollte, ſtammelte er:
Ah, ich verſtehe . . . iſt es möglich .. iſt das Ihre Hoch=
zeitsreiſe
?"
Was er im nächſten Augenblick von Madame Pelotard ſah,
war ihr wohlgeformter Rücken und zwei kleine Lackſchuhe, die
ihre Trägerin im Eilmarſch über das Verdeck zur Paſſagier=

Sonntagsſitzung des Reichskabinetts.
TU. Berlin, 1. Okt. Das Reichskabinett trat geſtern
machmittag zu einer Sitzung zuſcnmen, um zur politiſchen Lage
Stellung zu nehmen. Die Beratungen galten, wie in unterrich=
teten
Kreiſen verlautet, der Vorbereitung der in der nächſten
Reichstagsſitzung vom Reichskanzler für die Regierung abzu=
gebenden
Erklärungen. Dieſe werden ſich in erſter Linie auf die
außenpolitiſche Haltung der Reichsregierung beziehen. Ferner
wird über die durch die Verhängung des Ausnahmezuſtandes
über das Reich entſtandene Lage und das dadurch geſchaffene
Verhältnis des Reichs zu den Ländern berichtet werden. Endlich
werden die vom Kabinett in Ausſicht genommenen Maßnahmen
auf wirtſchaftlichem, finanziellem und ſozialem Gebiet zum Ge=
genſtand
der Erklärung der Reichsregierung gemacht werden.
Man nimmt in Regierungskreiſen an, daß bis zur Reichstags=
ſitzung
die offiziellen Erklärungen Frankreichs und Belgiens
über die nach der Aufgabe des paſſiven Widerſtandes von dieſen
Ländern einzunehmenden Haltung vorliegen werden. Sollte dies
nicht der Fall ſein, ſo wird ſich die Regierung auch über ihre
eventuelle Stellung zu den kommenden Ereigniſſen äußern, ins=
beſondere
zu den von einzelnen Stellen der franzöſiſchen Ver=
waltung
an die deutſchen Eiſenbahnbeamten und Arbeiter ge=
ſtellten
Anſinnen.
Optimismus in Amerika.
Paris, 29. Sept. Die Havasagentur verbreitet folgenden
Stimmungsbericht aus Waſhington, die Einſtellung des paſſiven
Widerſtandes werde mit Optimismus von den höheren Perſön=
lichkeiten
der Verwaltung ausgedeutet. Was die Lage in
Europa anbetreffe, ſo erkläre man im Weißen Hauſe, Präſident
Coolidge hoffe, auf Grund der letzten Nachrichten, die er erhal=
ten
habe, daß eine endgültige Regelung der großen Probleme,
die demnächſt zur Tagesordnung kommen, erfolge.
Erhöhte Produktionsleiſtung Grundlage der
Währungsbank.
Berlin, 29. Sept. (Wolff.) Der Finanzpolitiſche Ausſchuß
des vorläufigen Reichswirtſchaftsrats beſchäftigte ſich mit dem
Geſetz über die Währungsbank. Die Vorlage wurde an=
genommen
und eine Entſchließung gefaßt, welche beſagt: Der
Ausſchuß ſtimmt dem Geſetzentwurf zu, trotz der Bedenken, die
ſich gegen die vorgeſchlagene Zwiſchenlöſung vom Standpunkt
veiner währungspolitiſcher Grundſätze aus vorbringen laſſen. Es
wird indeſſen nötig ſein, daß die Lebensdauer der Wäh=
rungsbank
beſchränkt wird und ſo ſchnell wie möglich durch
die Wiedereinführung einer wirklichen Goldwährung
abgelöſt wird. Der Finanzpolitiſche Ausſchuß möchte auch bei
dieſer Gelegenheit noch einmal auf das Eindringlichſte darauf
hinweiſen, daß ſich weder die Goldwährung noch irgendeine an=
dere
Währung vertbeſtändig erhalten läßt, wenn es nicht gelingt,
das außerordentliche Minus unſerer Volkswirtſchaft
durch eine ſtark erhöhte Produktionsleiſtung
und die Beſeitigung des Leerlaufs in unſerer Arbeit
ausder Welt ſchaffen.
Weiterer Roggenverkauf gegen Goldanleihe.
Verlin, 30. Sept. (Wolff.) Infolge der verſpäteten Ernte
ſind ſehr viele Landwirte erſt im Oktober in der Lage, einen nen=
nenswverten
Teil ihrer Ernte auf den Markt zu bringen. Das
her im Benehmen mit dem Reichsfinanzminiſterium entſchloſſen,
die Ermächtigung, Roggen und Weizen gegen Goldanleihe zu
verkauſen, die urſprünglich nur für September galt, auf den Ok=
tober
auszudehnen. Der Landwirt wird alſo noch einen weiteren
Monat die Möglichkeit haben, für ſein Getreide ſteuerwertbeſtän=
diges
Zahlungsmittel zu erhalten.
Um den verſchiedentlich aufgetauchten Zweifel zu beſeitigen,
ſei darauf hingewieſen, daß der Landwirt die Wahl hat, ſeinen
Roggen oder Weizen der Reichsgetreideſtelle durch die Genoſſen=
ſchaften
oder Händler oder auch unmittelbar anzubieten. Aus
techniſchen Gründen kommen allerdings, für den unmittelbaren
Verkauf vom Landwirt an die Reichsgetreideſtelle Mengen unter
15 Tonnen (volie Waggonladungen) nicht in Frage. Der kleinere
Landwpirt wird daher zweckmäßig ſo verfahren, daß er das Ge=
treide
einer Genoſſenſchaft oder an Händler unter der Bedin= die deutſchen Kohlenpreiſe über die Weltmarktparität erhöht
gung verkauft, daß die Ware an die Reichsgetreideſtelle gegen
Goldauleihe weitergegeben wird. Soweit hierbei der Verkehr
zwiſchen der Reichsgetreideſtelle bzw. der Genoſſenſchaft und dem
Händler in Frage kommt, wird die Reichsgetreideſtelle alles tun,
damit auch der kleinere Landwirt möglichſt ſchnell in den Beſitz
von Goldanleiheſtücken nebſt Berechtigungsſchein kommt.

treppe trugen; eine Sckunde ſpäter ſah er nicht einmal dies.
Madame Pelotard war, ohne irgend welche Gründe für ihr Be=
tragen
anzugeben, ohne ein Wort der Erklärung, und ohne ſich
ein einziges Mal umzudrehen, verſchwunden.
Wahrhaftig, die Jacht Der Storch barg mehr Myſterien,
als ihn ſeine regiſtrierte Tonnenzahl berechtigte. Barum in
aller Welt muß eine junge Frau, die am Tage vorher wie 40
ausſah, und durch eine wunderbare Teintkur das Ausſehen einer
Zwanzigjährigen bekommen hat, erröten, wenn man ſie höchſt
achtungsvoll fragt, wie lange ſie verheiratet iſt? Erröten und
dann entfliehen wie die keuſche Diana! Und dieſe Frau, die mit
einem Journaliſten verheiratet iſt, der für Zeitungen arbeitet,
die ſie nicht kennt, ſowie für ein Börſenblatt, das Kriegs=
korreſpondenten
entſendet dieſe Frau iſt voll Unruhe über das
Schickſal, das einen Großherzog getroffen hat, den ſie nie geſehen,
und deſſen Namen ſie in aufreizender Weiſe verdreht! Iſt von
Unruhe für ihn erfüllt, wagt ſich nicht die Möglichkeit zu denken,
daß er tot iſt, findet, daß ſeine Untertanen, von ihr Schurken
tituliert, ſamt und ſonders erſchoſſen werden ſollen, wenn ſie
ein Haar auf ſeinem Kopf gekrümmt haben,
Von wem denn, wenn ich fragen darf?
und verhört (ohne zu wiſſen) eine halbe Stunde lang ihn
ſelbſt über ſich ſelbſt.
Wahrhaftig, der Kopf kann einem um Geringeres ſchwindeln.
Um viel Geringeres!
Ehe noch dieſe Gedanken, die einander mit der Geſchwindig=
keit
eines elektriſchen Stromes mit einem Kupferdraht ablöſten,
Don Namons Kopf durchkreuzt hatten, ſah er plötzlich den
Gatten der Dame, die ihn ſo intrigierte, die Treppe hinaufkom=
men
, über die ſie ſoeben verſchwunden war, und mit einem
ruhigen Nicken auf ihn zuſchreiten.
Guten Morgen, Graf! Wie geht es? Sie ſind matinal.
Ich hörte eben von Madame Pelotard, daß Sie beide ſchon eine
lange Konferenz hier auf Deck hatten."
Ja, eine Konferenz, die von Madame in einer Weiſe ab=
gebrochen
wurde, die mich annehmen läßt, daß ich ſie tief verletzt
haben muß, Monſieur, ich bitte Sie, zu glauben, daß ich untröſt=
lich
wäre, wenn es ſich ſo verhielte! Ich kann nur ſagen, daß
ich mir nichts bewußt bin
Aber ich bitte Sie, Graf, beruhigen Sie ſich, es iſt nicht ſo
gefährlich. Madame fand (unter uns geſagt) den Seegang etwas
zu ſtark. Sie ſagte es mir eben jetzt.
Den Seegang! Aber Madame ſcheint doch auf dem Meere
geboren zu ſein.
Ach, Sie wiſſen, das Meer und das Weib ſind zwei Dinge,
die gleich unberechenbar ſind.
Der Großherzog beeilte ſich, dies aus vollſtem Herzen zu=
zugeben
.

Keine Neueinſtellungen bei der Reichswehr.
TU. Berlin, 29. Sept. Halbamtlich wird mitgeteilt: In
der Umgegend von Berlin ſind während der letzten Tage vielfach
Trupps jugendlicher Perſonen aufgetaucht, die ſich der Reichs=
wehr
zur Verfügung zu ſtellen beabſichtigen. Da ein ausdrück=
liches
Militärverbot zur Anwerbung und Einſtellung derartiger
Freiſchärler vorliegt, machen ſich Veranſtalter und Teilnehmer
an der Bildung derartiger Trupps wegen Zuwiderhandlung
gegen die Verordnung des Reichspräſidenten vom 24. Mai 1921
betreffend das Verbot militäriſcher Verbände ſtrafbar. Der
Polizeipräſident von Berlin hat infolgedeſſen die Beamten der
Schutzpolizei angewieſen, beim Auftauchen ſolcher Trupps ſofort
einzuſchreiten und die Teilnehmer feſtzunehmen.
Ablehnung von Gehaltserhöhungsforderungen
von Beamten.
TU. Berlin, 29. Sept. Geſtern fanden im Reichsfinanz=
miniſterium
die wöchentlichen Verhandlungen über eine Erhöh=
ung
der Beamtengehälter und der Staatsarbeiterlöhne ſtatt. Die
Regierung lehnte es ab, mit den Beamtenorganiſationen über
eine Erhöhung zu verhandeln, da die Beamtengehälter bereits
26 Prozent über der Teuerung lägen. Die Beamtenorganiſatio=
nen
mußten ſich mit dieſem Beſcheid einverſtanden erklären. Die
nächſte Verhandlung über die Erhöhung der Beamtengehälter
findet am 1. Oktober ſtatt.
Die Verwendung der Rhein= und Ruhrhilfe.
EV. Berlin, 30. Sept. Ueber die Kreditgewährung des
Reiches, insbeſondere über die Rhein=Ruhr=Unterſtützung werden
völlig irreführende Gerüchte verbreitet. Insbeſondere wird über
die ungeheure Summe geſprochen, die Kohlenbergbau und Groß=
eiſeninduſtrie
erhalten hätten. Demgegenüber muß feſtgeſtellt
werden, daß die Geſamtheit der eiſenſchaffenden Induſtrie wäh=
rend
der ganzen Dauer der Ruhraktion rund 20 Millionen Gold=
mark
aus der Rhein=Ruhr=Hilfe erhalten hat. Dieſe Summe
entſpricht etwa 0,08 Prozent der geſamten für Rhein= und Ruhr=
Hilfe aufgewandten Beträge. Damit konnte ſelbſtverſtändlich nur
ein beſcheidener Teil der verausgabten Löhne und Gehälter ge=
deckt
werden. Nebenhergehend ſind wertbeſtändige Kredite in
Form von reinen Warenwechſeln in Anſpruch genommen worden.
Die dem Ruhrbergbau zugefloſſenen Lohnſicherungsgelder betru=
gen
ebenfalls nur einen verhältnismäßig niedrigen Anteil der
Geſamtausgaben, nämlich 7,8 Prozent, während die Belegſchaft
des Ruhrbergbaues mit ihren Familien faſt 20 Prozent der Be=
völkerung
des geſamten beſetzten Gebietes ausmacht. Die orga=
niſierte
und kontrollierte einheitliche Zuweiſung von Zahlungen
an die im rheiniſch=weſtfäliſchen Kohlenſyndikat vereinigten
Ruhrzechen, wie an die in der Stahlfinanzierungsgeſellſchaft ver=
tretenen
Hüttenwerke hatten jeden Mißbrauch verhindert. Zu=
dem
ſind alle Unterſtützungsmaßregeln im Kohlenbergbau ſei=
tens
des Reichskohlenrates, alſo auch ſeitens der Arbeitnehmer,
einhellig gebilligt worden.
Die neuen Kohlenpreiſe.
Berlin, 30. Sept. (Wolff.) Die neuerliche Erhöhung der
Lebenshaltungskoſten hat für den Bergbau einen Schiedsſpruch
gezeitigt, der für das beſetzte Gebiet eine Lohnſteigerung um
75 Prozent und für das unbeſetzte Deutſchland um 50 Prozent
für die laufende Woche vorſieht. Infolgedeſſen ſchritten die Or=
gane
der Kohlenwirtſchaft geſtern zu neuen Preiserhö=
hungen
. Es wurde einſtimmig beſchloſſen, den Netto= Gold=
warkpreis
im Ruhrkohlengebiet für Fettförderkohle von den bis=
herigen
20,98 auf 36,48 Goldwark zu erhöhen. Da zu dieſen
Preiſen neben den übrigen bekannten Auflagen insbeſondere
Reichsminiſterium für Ernährung und Landwirtſchaft hat ſich da= die Kohlenſteuer tritt, erhielt dieſer Beſchluß einſtimmig folgen=
den
Zuſatz: Der Reichskohlenverband und der Große Ausſchuß
des Reichskohlenrats gehen, bei dieſer Beſchlußfaſſung über die
Feſtſetzung der neuen Nettopreiſe angeſichts der hohen Kohlen=
preiſe
davon aus, daß durch den Abbau der Kohlenſteuer eine Er=
höhung
der Bruttokohlenpreiſe (alter Bruttopreis für Nu r=
fettförderkohle
38,45 Goldmark) um mehr als 5 Prozent verinie=
den
wird. Dieſer Beſchluß will alſo die Lohnerhöhung aus dem
Abbau bzw. Wegfall der Kohlenſteuer abgedeckt wiſſen; denn der
für das Ruhrrevier gefaßte Beſchluß ſoll grundſätzlich auch auf
die übrigen Reviere ausgedehnt werden. Der Vertreter des
Reichswirtſchaftsminiſters beanſtandete für die im unbeſetzten
Deutſchland liegenden Randzechen des Ruhrgebiets und für die
übrigen deutſchen Reviere den Beſchluß inſoweit, als durch ihn
werden. Der Beſchluß macht hiernach ſofortige Entſcheidungen
der maßgebenden Stellen hinſichtlich der Kohlenſteuer notwendig,
da der Bergbau erklärte, daß er die erhöhten Löhne aus den
vom Reichswirtſchaftsminiſter zugebilligten Preiſen nur unter
Inanſpruchnahme der Kohlenſteuer decken könne. Dieſe entſchei=
denden
Verhandlungen ſchweben zurzeit.

Sie könnten ſagen, unbegreiflich. Profeſſor, ohne zu über=
treiben
. Aber was Ihre Gemahlin betrifft, ſo iſt bei ihr dieſe
Unberechenbarkeit noch bemerkenswerter als bei anderen
Frauen.
Wieſo?
Sie gilt nicht nur ihrem Inneren wie bei jenen, ſondern
auch dem Aeußeren. Sie ſtellten mich geſtern einer vierzigjäh=
rigen
Madame Pelotard vor, ich fand heute eine Zwanzigjährige
wieder.
Ach, Graf, die Beleuchtung, Sie wiſſen doch! Und die
Seeluft!
Die Seeluft? Ich glaubte, Madame hätte eben eine
Teintkur abgeſchloſſen?!
Ja .. ja natürlich! Das hätte ich beinahe vergeſſen. Ja,
allerdings, eine Teintkur, die heute beendigt iſt."
Sie ſagte es mir. Hingegen wollte ſie mir nicht ſagen, für
welche Zeitung Sie ſchreiben. Ich hatte beinahe den Eindruck,
als wüßte ſie es nicht recht.
Ah, mon Dieu, Graf, Sie können doch nicht verlangen, daß
ſo etwas eine Dame intereſſiert.
Nein, vielleicht nicht. Hingegen intereſſiert ſich Madame
Pelotard offenbar ſehr für das Ziel unſerer Reiſe. Sie fragte
mich nach beſten Kräften über Minorca aus.
Ja, ſie intereſſiert ſich ſehr für Minorca.
Und noch mehr für den Großherzog! Profeſſor, es iſt Ihr
Glück, daß er abgeſetzt iſt! Wenn er am Leben wäre, und das
Intereſſe Ihrer Frau erwidern würde, ſo könnte es ſchon ge=
ſchehen
, daß Sie Minorca ohne ſie verlaſſen müßten.
Sie glauben, daß Madame Pelotard ſich ſo lebhaft für den
Großherzog intereſſiert?"
Es machte mir beinahe den Eindruck.
Und glauben Sie, daß der Großherzog ihr Intereſſe er=
widern
würde?"
Es lag ein ſpöttiſcher Unterton in Philipp Collins Stimme,
der den angeblichen Grafen von Punta Hermoſa zuerſt intri=
gierte
und dann reizte. Wenn der Gedanke nicht ſo abſurd ge=
weſen
wäre, er hätte beinahe glauben können, daß Herr Pelo=
tard
etwas wußte, ja mehr, daß der Profeſſor daſtand und ſich
über ihn luſtig machte! Ohne ſich zu beherrſchen, rief er:
Das iſt etwas, wovon ich überzeugt bin, mein beſter Pro=
feſſor
.!
Philipp drehte den Kopf, anſcheinend um zu ſehen, ob der
Matroſe am Steuer noch immer ſeine Obliegenheiten verſah.
Dann wendete er ſich zum Großherzog um.
Wir wären geſtern abend beinahe fünf geworden,, ſagte
er. Ohne Kapitän Dupont hätten wir vielleicht nicht aus=
weichen
können.
(Fortſetzung folgt.)

[ ][  ][ ]

Seite X.

Darmſtädter Tagbkatt, Montag, ben 1. Oktober 1923.

Rummer 271.

Stadt und Land.

Darmſtadt, 1. Oktober.
Ausſtellung Mathildenhöhe. Auf vielſeitiges Verlangen wird die
Mathildenhöhe=Ausſtellung auch noch dieſe Woche geöffnet ſein, jedoch
nur nachmittags von 36 Uhr. Am 7. Oktober, als am Schlußtage,
wird die Ausſtellung noch einmal durchgehend von 10 Uhr vormittags
bis 6 Uhr abends geöffnet ſein.
v. HI.
Die Freie literariſch=künſtleriſche Geſellſchaft hat für den kommenden
Winter wieder einen ſtarken Zuwachs an neuen Mitgliedern zu ver=
zeichnen
, was nach dem vor Kurzem veröffentlichten ausgezeichneten Win=
terprogramm
erklärlich iſt. Soweit die Mitgliederkarten noch nicht zu=
geſtellt
ſind, werden ſowohl die ſeitherigen, wie die neuen Mitglieder er=
fucht
ihre Karten bis Donnerstag, den 5. Oktober, bei der Buch=
handlung
A. Bergſträßer abzuholen, da wegen des ſtarken Andrangs
ſonſt anderweitig über die Plätze verfügt werden muß. Die niedrige
Schlüſſelzahl für die Plätze bleibt bis zu dieſem Tage in Geltung.
* Bibliothekar Prof. D. theol. Guſtav Pfannmüller vollendet am
1. Oktober 1923 ſein fünfzigſtes Lebensjahr. Geboren zu
Dauernheim, wo ſein Vater Pfarrer war, beſuchte Pfannmüller das
Gymnaſium zu Darmſtadt ſtudierte in Tübingen und Gießen Philologie
und Theologie und wirkt ſeit 1. Oktober 1900 an der Landes=
bibliothet
, an der er im Jahre 1904 als Bibiliothekar angeſtellt wurde.
Im Jahre 1913 wurde ihm der Charakter als Profeſſor, 1921 von der
Univerſität Gießen die theologiſche Doktorwürde ehrenhalber verliehen.
Während des Krieges ſtellte er ſich in den Dienſt der deutſch=türkiſchen
Sache: er war der Pfleger der jungen Türken in Darmſtadt, ſeine
Tätigkeit wurde durch die Verleihung der Medaille des türkiſchen Roten
Halbmondes anerkannt. Im Jahre 1919 zählte er zu den Gründern der
Darmſtädter Volkshochſchule, die er in den erſten beiden Jahren ihres
Beſtandes ehrenamtlich leitete. Profeſſor D. Pfannmüller hat ſich auch
literariſch betätigt. Von den Erzeugniſſen ſeiner Feder ſeien genannt,
Jeſus im Urteile der Jahrhunderte (1908), Ludwig Wilhelm Luck
Pfarrer und Chroniſt von Wolfskehlen, ein Freund Friedrich Hebhels
(Heſſ. Volksbücher, Bd. 24, 1905), Die deutſche Volkshochſchule mit einem
Anhang: ein Volksbildungsheim in Darmſtadt (1919), Handbuch der
Islam=Literatur (1923). In die von ihm ſeit 1913 herausgegebenen
Sammlungen Klaſſiker der Religion und Religion der Klaſſiker
ſchrieb er die Bände Die Propheten (1913) und Die Religion Fried=
rich
Hebbels (1922)
Der neue Winterfahrplan 1923/24 iſt ſoeben in den Ausgaben
von Storms Kursblichern (Geſamt= und Teilausgaben) erſchienen. Dieſe
handlichen, ſeit Jahrzehnten als praktiſch und zuverläſſig erprobten
Stoums Kursbücher ſind für den Reiſenden unerläßlich, infolge der
mannigfachen, durch die wirtſchaftlichen Verhältniſſe bedingten Aende=
rungen
des Zugverkehrs für jedermann wichtig. Auf die altbekannten,
internationalen Kursbücher Hendſchels Telegraph und das Lloyd=
Kursbuch der Schnellzüge ſei gleichzeitig empfehlend hingewieſen.
I.. Die Gebühren der Schornſteinfeger ſind ab 10. September erhöht:
1. für Damſtadt, Mainz, Offenbach und Gießen auf das 1 120 000 fache,
für die übrigen Kehrbezirke auf das 1 230 000 fache der Grundgebühren=
ſätze
. (Bek. dom 8. Mai 1922.) Die Geſamtgebührenbeträge können
auf volle 5000 Mk. bzw. 10 000 Mk. nach oben aufgerundet werden. Wird
die Zahlung der Gebühren nicht innerhalb 5 Tagen nach erfolgter An=
forderung
geleiſtet, ſo iſt der Schornſteinfegermeiſter berechtigt, Zahlung
der Gebühren unter Zugrundelegung der am Zahltage geltenden Schlüſ=
ſelzahl
zu verlangen.
Der Brotpreis mußte wegen der Erhöhung des Mehl=
preiſes
und der weiteren Steigerung der Löhne, des Brennmate=
rials
uſſp. abermals erhöht werden. Der große Laib koſtet jetzt
15 Millionen Mark, ein Brötchen aus gemiſchtem Brotmehl
550 000 Mack. (Siehe Anzeige.)
D.A. I. An die deutſchen Kirchengemeinden, Vereine, Klubs, Schulen
im Ausland. Das Deutſche Auslandsinſtitut, Stuttgart, Neues Schloß,
iſt diejenige Stelle in Deutſchland, die ſyſtematiſch alle Materialien über
die Betätigung des Auslanddeutſchtums ſammelt. Jede Druckſache,
Satzungen, Protokolle, Büchereiverzeichniſſe, Feſtprogramme, ſind uns
willkommen. Auch Bilder von Vereinsveranſtaltungen, von Vereins=
gebäuden
oder führenden Perſönlichkeiten des Deutſchtums im Ausland
werden für unſer Bild= und Lichtbildarchiv begrüßt. Die deutſchen Or=
ganiſationen
im Ausland, werden zudem auf dieſem Wege durch die
deutſche Auslandspreſſe gebeten, Berichte über den neueſten Stand der
Organiſationen, über neuere Vorſtandswahlen uſw. einzuſenden, die
nicht nur zur Veröffentlichung gelangen ſollen, ſondern auch für die
Eintragungen in die Kartothek des deutſchen Vereinsweſens im Aus=
land
wertvoll ſind. Den deutſchen Organiſationen im Ausland ſtellt
ſich das Deutſche Ausländinſtitut gerne zu irgend welchen Beſorgungen
und zur Erfüllung beſonderer Wünſche in der deutſchen Heimat zur
Verfügung.

Jahresbericht der Städtiſchen Schulzahnklinik 1922
Mit dem Jahre 1922 wurde das zweite Jahrzehnt unſerer Städtiſchen
Schulzahnklinik vollendet! Es iſt zwar eine kurze Zeit 20 Jahre
Schulzahnpflege , und doch iſt es zweckmäßig und notwendig, derartige
Abſchnitte rückblickend zu überſehen und zu unterſuchen, ob all das er=
reicht
wurde, was man bei der Gründung der Schulzahnklinik, die neben
der kurz vorher in Straßburg eröffneten, die erſte in Deutſchland iſt,
von ihrem Wirken erwartete. Betrachten wir daher einmal alles das,
was die Schulzahnklinik in dieſem Zeitraum gewirkt und erreicht hat.
Von 1902 bis 1922 wurden im ganzen 88 492 Kinder der hieſi=
gen
Stadt= und Mittelſchulen, ſowie 4133 Schüler der höheren Schulen
(im Jahre 1921) unterſucht. Behandelte Kinder waren es
76 227, bei denen 73 137 Zähne gefüllt, 45 083 Milchzähne und 9211
bleibende Zähne ausgezogen wurden. Vielen Tauſenden von Kindern
wurde das Gebiß ſaniert.
Dieſe Zahlen beweiſen, daß hier eine recht erſprießliche praktiſche
Arbeit geleiſtet worden iſt. Dabei haben die vier Kriegsjahre eine ſehr
erhebliche Störung im Betrieb verurſacht durch Einziehung der Schul=
zahnärzte
uſw. Unſere Schulzahnklinik übte einen erheblichen Einfluß
auch als Vorbild auf die Errichtung weiterer derartiger Anſtalten zur
Förderung der Schulzahnpflege aus, denn heute zählen wir in Deutſch=
land
Hunderte von Schulzahnkliniken und Schulzahnpflegeſtätten. Nicht
nur die Großſtädte wie Berlin, Köln, Hamburg, Düſſeldorf, Frankfurt
Ulm uſw., ſondern auch Kreiſe und kleine Städte ſind unſerem Beiſpiel
gefolgt. Auch das Ausland (Schweiz, Schweden, Oeſterreich uſw.) zeigte
reges Intereſſe an unſerem Inſtitut, wie zahlreiche Anfragen und Be=
ſuche
von dort beweiſen.
So hat unſere Darmſtädter Schulzahnklinik allen Anlaß, zufrieden
auf die erſten zwei Dezennien zurückzublicken. Es bleibt allerdings noch
vieles, was wir erſtreben, zu erreichen.
Im Jahre 1922 wurden in der Schulzahnklinik 2495 Kinder in 3767
Sitzungen behandelt gegenüber 2731 im Vorjahre. Die Geſamtzahl der
Schulkinder betrug 8744, demnach wurden 30 Prozent aller Schüler
behandelt.
Ausgezogen wurden 1184 Zähne (1013 Milch= und 174 bleibende
Zähne), die größte Mehrzahl in örtlicher Betäubung. Das Hauptgewicht
wurde naturgemäß auf die erhaltende Behandlung der Zähne gelegt.
1556 Zähne wurden gefüllt, 144 Zahnfleiſcherkrankungen behandelt. Ins=
geſamt
574 Kindern wurde das Gebiß ſaniert. Die immer noch ſehr
große Zahl von ausgezogenen Zähnen beſonders von bleibenden
iſt ſehr bedauerlich. Schuld an dieſer Tatſache iſt der Umſtand, daß
trotz aller Hinweiſe die Kinder nicht vom Elternhauſe angehalten wer=
den
, frühzeitig und regelmäßig zur Behandlung in die Schulzahnklinik
zu kommen.
Im Auguſt und Oktober fanden zahnärztliche Unterſuchungen in
den Schulen ſtatt. Von 741 unterſuchten Kindern war bei 179 (alſo 94
Prozent) das Gebiß geſund. Die unterſuchten Kinder ſtanden im Alter
von 67 Jahren. Ernſte Beachtung verdient der Umſtand, daß bei 741
Kindern 71, alſo nahezu 10 Prozent, bereits bleibende Zähne, die in
dieſem Alter kaum durchgebrochen ſind, erkrankt waren. Bei dem größ=
ten
Teil der Kinder erwies ſich die Zahnpflege als ſehr mangelhaft.
Füllungen fanden ſich bei nur 5 Prozent, einer verſchwindend kleinen
Anzahl, verglichen mit der großen Zahl (76 Prozent) erkrankter Ge=
biſſe
. Aus dieſen Tatſachen geht deutlich hervor, wie wichtig es iſt, das
kindliche Gebiß möglichſt frühzeitiger Behandlung
zuzuführen. Es wäre unbedingt notwendig, daß die Eltern ihre
kleinen Lieblinge bereits mit dem vollendeten 3. Lebensjahre zur Unter=
ſpchung
und eventuellen Behandlung und Füllung erkrankter Zähne in
die Städtiſche Schulzahnklinik führten. Für dieſe kleinen, noch nicht
ſchulpflichtigen Kinder finden regelmäßige Sprechſtunden Wochentags
von 911 Uhr ſtatt.
r. Wixhauſen, 28. Sept. Gemeinderatsbericht. Die Wiege=
gebühren
werden wertbeſtändig feſtgeſetzt, und zwar auf der Grundlage
vor dem Kriege: für Vieh und Fleiſch pro Zentner 10 Pf., für Hack=
früchte
, Dünger, Heu, Stroh, Brenn= und Baumaterialien und Eis pro
Doppelzentner 2 Pf. Obſt, Getreide und Altmaterial pro 100 Kilo 4 Pf.
Die genaue Taxe wird wöchentlich am Freitag für die kommende Woche
nach dem jeweiligen Kurſe don der Bürgermeiſterei feſtgeſetzt und auch
an der Anſchlagtafel am Rathaus ausgehängt. Am 1. Oktober ſoll eine
Viehzählung ſtattfinden, und wurden nachfolgende Gemeinderäte als
Viehzähler beſtimmt: Chr. Benz, Ph. Huck 3., Ph. Henſel und Ph.
Schmidt. Als Schriftführer zum Mieteinigungsamt wurde Herr Lehrer
Hammann gewählt. Teilweiſen Pachtnachlaß wegen Mißernte durch
Waſſer wurde noch folgenden Pächtern vom Hahnheckegelände genehmigt:
Fr. Bitter die Hälfte, Heinr. Stork und Heinr. Lotz je ein Zehntel, auch
ſoll zum Entwäſſern dieſes Geländes ein Graben angelegt werden nach
Anhörung der Kulturinſpektion Darmſtadt.

Stimmen aus dem Teſerkreiſe.
Gür die Veröffentlſchungen unier dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaltion keinerlei Ver=
antwortung
; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Amfange
der Einſender verantwortlich.) Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht
zurückgeſandt, die Ablehnung nicht begründet werden.
Sehr geehrte Redaktion! Durch die Veröffentlichung der Artikel
über die Erhebungsweiſe von Stromgeld durch die Heag, die in der Tat
volle Entrüſtung hervorgerufen hat, haben Sie ſich ein großes
Verdienſt und den Dank der Einwohnerſchaft erworben. Ich möchte
vorſchlagen, daß ein Prozeß gegen die Heag angeſtrengt wird, deſſen
Koſten von den Stromabnehmern gemeinſam zu tragen ſind. Es handelt
ſich nur darum, daß jemand die Sache in die Hand nimmt; es würde
ſich gewiß kein Stromabnehmer weigern, einen entſprechenden Prozent=
ſatz
der Koſten zu zahlen.
Einer, der 91 Mill. für September bezahlt hat und 750 000 Mk.
für Auguſt zurückerhalten hat.
Briefkaſten.
L. K., hier. Die Feſtſetzung der Mietzuſchläge erfolgt nicht mehr
durch die Stadtverwaltung, ſondern ſeit September d. Js. durch das
Heſſiſche Miniſterium für Arbeit und Wirtſchaft für den ganzen Volks=
ſtaat
. Eine Veröffentlichung der Gas= und Waſſerpreiſe nur durch
Aushang in den Käſten iſt nicht beabſichtigt. Die Neufeſtſetzung dieſer
Preiſe wird nach wie vor in den Zeitungen bekannt gegeben.
Betr. Mietzuſchlag. Für den Monat Auguſt 1923 beträgt der
Mietzuſchlag 255 000 Prozent.
W. F., hier. 1. Der außereheliche Vater iſt neben der Mutter ver=
pflichtet
, dem Kinde bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres den der
Lebensſtellung der Mutter entſprechenden Unterhalt zu gewähren. Der
Unterhalt umfaßt den geſamten Lebensbedarf, ſowie die Koſten der Er=
ziehung
und Vorbildung zu einem Berufe. Der Unterhalt iſt durch Ent=
richtung
einer Geldrente zu gewähren. Als Vater gilt, wer der Mutter
innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt hat, es ſei denn, daß auch ein
anderer ihr innerhalb dieſer Zeit beigeſohnt hat. Dieſe Alimente wer=
den
der Geldentwertung angepaßt, und iſt der Klageantrag hierauf zu
richten. 2. Falls in einem Vertrage zwiſchen Vater und Kind eine Ver=
einbarung
über den Unterhalt für die Zukunft oder eine an deſſen Stelle
tretende Abfindung ſtattfindet, der der Genehmigung des Vormund=
ſchaftsgerichts
bedarf, embfiehlt es ſich dringend, die Geldentwertung zu
berückſichtigen und bei der Abfindung entſprechenden Vorbehalt zu
machen. Im übrigen haben ſich neuerdings hinſichtlich der Alimente
höhere Sätze herausgebildet, und kann von einer Uebung diesbezüglich
geſprochen werden. 3. Der Vormund muß das Vormundſchaftsgericht
und, wenn dies erfolglos bleibt, das ordentliche Gericht (Amtsgericht)
auf dem Klagewege argeher:.

Gottesdienſt der iſraelitiſchen Religionsgemeinde.
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße).
Laubhüttenfeſt.
Montag, den 1. OF Vorabendgottesdienſt 6 Uhr,
Dienstag, den 2. Okt. Morgengottesdienſt 8 Uhr 45 Min, Predigt,
Abendgoitesdienſt 6 Uhr 45 Min.
Mittwoch, den 3. Oktober. Morgengottesdienſt 8 Uhr 45 Min.
Feſtesſchluß 6 Uhr 45 Min.
Gottesdienſt in der Synagoge der Fſrgel. Religionsgeſellſchaft.
Schmini Azeres.
Dienstag, den 2. Oktober. Vorabend 5 Uhr 45 Min. Morgens
8 Uhr. Nachm. 4 Uhr. Abends 6 Uhr 50 Min.
Mittwoch, den 3. Okt. Simchas Tauroh. Morgens 8 Uhr.
Nachm. 4 Uhr. Feſtesausgang 6 Uhr 45 Min.
Wochengottesdienſt: Morgens 6 Uhr 30 Min. Abends 5 Uhr
30 Min.

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Nr. 3 und 4 mit je 800 gr Brot.

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je Hektoliter erhöht wird, ferner die Stadt Darmſtadt
ab gleichem Tage eine ſtädtiſche Getränke=Steuer zur
Einführung bringt, welche 50 Millionen Mark je Hekto=
liter
beträgt, ſo erhöhen ſich ab
Montag, den 1. Oktober
unſere Preiſe (für Faß= und Flaſchenbier) um 115 Mil=
lionen
Mark je Hektoliter.
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[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt

1.Oftober 1923Nr. 271

Fußball.
Sportverein Darmſtadt Verein für Raſenſpiele, Darmſtadt 4:1.
e-. Das geſtrige Spiel der beiden Lokalgegner der Ligamannſchaften
des Sportvereins und des Vereinsf. Raſenſpiele hatte ſeine Anziehungs=
kraft
nicht verfehlt. Eine ſel

richter das Zeichen zum Beginn des Spiels gibt, ſtehen ſich beide Mann=
ſchaften
in ſtärkſter Aufſtellung ohne Erſatz gegenüber. Sportverein, im
Vorteil mit der Sonne im Rucken, zieht in anregendem Spiel wiederholt
vor das Tor ſeines Gegners, wobei der Torwächter der Raſenſpieler ſein
Können zeigt und kritiſche Momente klärt. Allmählich wird das Spiel
verteilter und beide Parteien haben gleichviel vom Spiel. Jacobi zeigt
ſich heute von ſeiner guten Seite. Seine Flankenläufe bringen öftere
Torchancen. MülimerſtadtsBälle hält Schneider, ohne daß er viel Mühe
damit hat. Eine Flanke von Frick kann Bärenz jedoch zum erſten Er=
folg
für den Sportverein verwandeln. Becker kann gleich darauf einen
Eckball von Jacobi zum zweiten Erfolg geſtalten. Die Hintermannſchaft
der Raſenſpieler muß tüchtige Arbeit leiſten und hält mit Bravour in
manchen Fällen ſicher Stand. Einen ſcharfen Schuß Beckers meiſtert
Schneides gerade noch glänzend, jedoch ein weiterer Durchbruch desſelben
Spielers ſtellt das Reſultat auf 3:0 für den Sportverein. Nach Halb=
zeit
baut der Innenſturm des Sportvereins zuſehends ab. Es hat den
Anſchein, als ob, ihres Erfolges ſicher, ein Eifer wie vordem nicht mehr=
am
Platze ſei. V. f. R. rückt wiederholt in bedrohliche Nähe von Ellen=
beck
, und ſchon ehe ſich die Hintermannſchaft des Sportvereins umſieht,
verwandelt Müller eine Flanke von Berger zum erſten Tor für ſeinen
Verein. Hin und her wogt das Spiel bei dem die Raſenſpieler allmäh=
lich
die Oberhand zu gewinnen ſcheinen. Luſtlos vergibt der Innenſturm
des Sportvereins beſonders Müllmerſtadt, manchen Ball. Den größeren
Eifer entwickeln die Raſenſpieler. Das laute Zurechtweiſen der Mann=
ſchaft
des Sporttereins unter ſich verdirbt den guten Eindruck. Nur dem
Eifer von Tacacs, Stephan und Laumann iſt es zu danken, daß kein Tor=
verluſt
entſteht. Kurz vor Schluß ſtellt Becker im Verein mit Müllmer=
ſtadt
das Spiel auf 4:1, an dem ſich nichts mehr ändert. Das Spiel
ſelbſt konnte im großen ganzen gefallen, an dem jedoch der Sportverein
in der zweiten Halbzeit am wenigſten Anteil hat. Der Innenſturm des=
ſelben
ſpielte, abgeſehen von Becker, in dieſer Zeit zu luſtlos und ließ da=
durch
manche Chance unausgenutzt. Dieſe wiederholte Schwäche bei man=
chen
Spielen wird der Mannſchaft ſicher noch manchen Punkt in den dies=
jahrigen
Verbandsſpielen koſten. Die Mannſchaft der Raſenſpieler zeigte
viel mehr Eifer und gab dem Spiel den Reiz. An Spielerfahrung und
Technik war ihr jedoch der Sportverein über. Das Ehrentor war ein
verdienter Erſolg. Das Reſultat gab das Stärkeverhältnis im richtigen
Vilde. Der Schiedsrichter war gut, abgeſehen von einem Tor des Sport=
vereins
, das er unabſichtlich überſah.
um die Grupppenmeiſterſchaft.
Freie Turngemeinde Darmſtadt I Freie Turngde. Pfungſtadt I
3:3 (1:2).
Eckenverhältnis 6:1 für Darmſtadt. Das Spiel fand in Pfung=
ſtadt
ſtatt. Darmſtadt in bekannter Aufſtellung mit Müller als Erſatz
für Braun. Sturm und Läuferreihe gut, während die Verteidigung
gänzlich abfiel. Auf ihr Konto ſind ſämtliche 3 Tore zu buchen. Bis
kurz vor Schluß hatte Darmſtadt 3:1 verloren, holte dann aber im
Endſpurt noch 3 Tore auf, wovon eines wegen Abſeits nicht gegeben
wurde. Schiedsrichter konnte nicht gefallen. 2. Mannſchaft 2. Mann=
ſchaft
Pfungſtadt in D. 2:0, 1. Jugend 1. Jugend Heubach in H.
3:2, 2. Jugend 1. Jugend Erbach in D. 0:5.
Odenwald.
Bezirksligat Phönix=Mannheim-Mannheim=Waldhof 0:6.
Phönix=Ludwigshafen03=Ludwigshafen 4:0.
Kreisliga: Spielvereinigung MannheimFriedrichsfeld 2:2.
V. f. R. Neckarau08 Lindau 1:0.
HeidelbergSportklub Käfertal 4:0.
Schwetzingen 981900=Schwetzingen 1:1.
Sportverein PlankſtadtHertha=Mannheim 4: 3.
Vorwärts=Mannheim-Viktoria=Neckarau 3: 3.
Mainbezirk.
Bezirksliga: Fußballſportverein, FrankfurtHanau 93 3:1.
Eintracht=FrankfurtHelvetia=Frankfurt 3: 1.
Viktoria=AſchaffenburgSportverein Offenbach 4 : 2.
In Heſſen wurden die Spiele wegen des Ausnahmezuſtandes
abgeſagt.
Kreisliga: Germania=FrankfurtOlympig=Frankfurt 4:0.
Fechenheim-Boruſſia 3: 1.
V. f. R. FrankfurtSportfreunde 1:0.
Merkur=FrankfurtTv. Oberurſel 3: 3.
Spielvereinigung EckenheimSeckbach 0:0.
Turngemeinde Hanau-Langenſelbold 2: 3.
Viktoria=HanauFriedberg 3:0.
Rückinger KickersAſchaffenburg 5: 1.
Nieder=Rodenbach-Damm=Aſchaffenburg 4 13.
Württemberg=Baden.
Sportklub StuttgartFeuerbach 3:0.
Kickers=Stuttgart-V. f. R. Heilbronn 3 10.
PforzheimMühlberg 4 :0.

Saar.
Boruſſia=Neunkirchen V. S. Saarbrücken
EbersbergSt. Ingbert 4: 3.
Neunkirchen 09 Sulzbach 2: 1.
Gütingen-Brebach 3:0.
VölklingenEintracht=Trier 4: 3.

3: 0.

Leichtathletik.

Fünfkampfmeiſterſchaft der L. A. des Sportvereins 98.
* Der Abſchied wurde ſchwer. Bei dieſem Wetter! Die Unentweg=
teſten
werden ſich auch jetzt noch nicht von der Aſchenbahn vertreiben
laſſen, denn der Winter iſt lang und kalt.
Die Leichtathletikfamilie war unter ſich im Stadion, das Sommer=
wetter
ſorgte für den rechten Geiſt.
Die Ergebniſſe:
Jahrgang 11/12: 1. Wolf Hubmann 87 Punkte, 2. W. Freyer
27 Punkte, 3. Mickel 15 Punkte.
Jahrgang 09/10: 1. Wolf Bünte 120 Punkte, 2. Lotz 59 P.
3. E. Freher 54 P., 4. H. Hubmann 53 P., 5. H. Claß 52 P.,
6. Bauckloh 43 P., 7. M. Freher 30 Punkte.
Jahrgang 07/08: 1. E. Meerkamm 179 Punkte, 2. F. Gräſer
140 Punkre.
Jahrgang 05/06: 1. R. Numrich 213 Punkte, 2. K. Bauer
170 P., 3. E. Poſtner 168 P., 4. Rolf Küch 158 P., 5. Paul Faßler
145 P., 6. R. Engelhard 142 P., 7. H. Hornſchuh 136 P., 8. Heinz
113 Punkte.
Jahrgang 03/04: 1. H. Engelhard 223 Punkte, 2. R. Harres
166 P., 3. H. Menger.
Aktive: 1. Jb. Krichel 201 Punkte, 2. Werner Pfeil 190 P.,
3. Hzt. Pfeil 185 P., 4. J. Schröck 182 P., 5. Kaſp. Heß 144 P.,
6. Anton Jung 139 P., 7. Kriechbaum 137 Punkte.
Beſtleiſtung:
50 Meter: 6,9 Sekunden: H. Engelhard, H. Pfeil, Numrich.
200 Meter: 24,6 Sek.: H. Engelhard.
300 Meter: 41,2 Sek.: Meerkamm.
400 Meter: 56,8 Sek.: H. Pfeil.
1000 Meter: 3 Min. 11 Sek.: Hornsduſch.
3000 Meter: 9 Min. 50 Sek.: Kriechbaum und Harres.
Hochſprung, 1,60 Meter: Bauer.
Weitſprung, 5,72 Meter: Numrich.
Speerwerfen, 46,65 Meter: Krichel; Jugend, 33,60 Meter:
Gräſer.
Kugel (15 Pfund): H. Pfeil 8 Meter 45 Zeutimeter: Jugend
(10 Pfund): Numrich 10,89 Meter.
Diskus: Engelhard 30,81 Meter.
Ballwerfen: Gräſer 65,50 Meter.
Dauerlauf.
Eine großartige Leiſtung im Dauerlauf vollführte anläßlich einer
am 27. September ſtattgefundenen ſportlichen Veranſtaltung der bekannte
Dauerläufer (früher Turnwart in Mülhauſen i. Elſ.) Peter Schimpf=
Mannheim. Er legte die Strecke von 5 Kilometern in 18.50 Mi=
nuten
zurück. Letzten Winter durchlief er 15 Kilometer in 1 Stunde.
Dieſe Leiſtungen ſind um ſo höher zu bewerten, wenn man berückſichtigt.
daß Herr Schimpf im 58. Lebensjahre ſteht.
OW.=Staffel rund um Berlin.
Für die Staffel rund um Berlin hatten 11 Mannſchaften zu je
50 Mann gemeldet. Die Strecke betrug 50 Km. Start und Ziel war
der Sportplatz des Sportklubs Charlottenburg. Der Lauf führte durch
die belebteſten Teile der Stadt.
1. Sportklub Charlottenburg 2:16:24,9;
2. Polizeiſportverein Berlin 2:19:08,8;
3. Zehlendorf 2:20:50,3.

Automobilſport

Der Reichsverband der deutſchen Autoinduſtrie veranſtaltete auf
der Automobil=Verkehrs=Prüfungsſtraße ein Rennen für Kleinautos.
Man wollte zeigen, daß das Kleinauto in Deutſchland, ebenſo wie in
den anderen Ländern, immer mehr aufkommt. Es wurde in zwei Klaſſen
gefahren: Autos bis 4 PS. und in einer bis 5 PS. Die Strecke betrug
140 Kilometer.
Erſtes Rennen bis 4 PS.: 18 Wagen ſtarteten. 1. Ing. Broli
(Alfi) 1:20:00; 2. Direktor Slevogt (Apollo) 1:23:49,3; 3. Pinkel ( Omi=
kron
) 1:24:49.; 4. Warmbier (Omikron) 1:26:25; 5. Obermeher (Ego)
1:27:11. Die durchſchnittliche Stundengeſchwindigkeit betrug 102 Kilo=
meter
.
Das Renuen der Wagen bis 5 PS. war noch ſpannender. Die mitt=
lere
Geſchwindigkeit ſtieg auf 120 Kilometer. Von 12 ſtartenden Wagen
fuhren 3 NSU. als erſte über das Band. 1. Klöble NSU. 1:09,27z
2. Schell 1:09:30; 3. Seifert 1:10:09; 4. Bierbaum 1:12:09
A. D. A. C. und Reichsverband der Automobil=
induſtrie
. Zwiſchen dieſen beiden Verbänden haben ſich in letzter
Zeit verſchiedene Gegenſätze herausgebildet, die in einer gemeinſamen
Sitzung heute in Berlin zur Sprache kommen ſollen. Die hauptſäch=

lichſten Punkte bilden wohl das Sportprogramm für das Jahr 1924,
die Durchführung einer Wirtſchaftlichkeitsprüfung, die Ausſtellungsfrage
ſowie die Mitarbeit der Induſtrie an der bereits gegründeten Auto=
wacht
, welche als Selbſtſchutz= und Selbſtzuchtorganiſation bisher noch
nicht in ausreichendem Maße tätig war. Einer beſonderen Prüfung
bedarf auch das Zuſammenarbeiten des A.D.A.C. als größtem Konſu=
mentenverband
Deutſchlands mit der Induſtrie und den Kartellklubs
im Rahmen der Arbeitsgemeinſchaft zur Regelung des Automobilſports.

Schwimmen.

Sonntag:
Freiſtil=Staffel 4X50 Meter: 1. Schwimmklub Magde=
burg
3:01, 2. Jungdeutſchland=Darmſtadt 3:04.
Damenſtaffel 3X50 Meter, Freiſtil (Ehrenpreis) 2:02,6.
Freiſtilſchwimmen 100 Meter; 1. Berges ( Jungdeutſch=
land
=Darmſtadt) 1:10,2, 2. Marx=Köln 1:10,4.
Bruſtſchwimmen 100 Meter: 1. Sommer (Rhenus=Köln)
1.:21,3, 2. Lauſch (Rhenus=Köln) 1:22,4.
Freiſtil 100 Meter: 1. Grober (Schwimmverein Augsburg)
1:08,8, 2. Hohlfelder=Freiburg 1:09.
Lagenſtaffel 4X50 Metert 1. Schwimmklub Köln 2:21,
2. Schwimmv. Mannheim 2:23, 3. Jungdeutſchland=Darmſtadt 2:23,4.
Springen: 1. Schuhmann (Rhenus=Köln) 602s P., 2. Pfordte
(Schwimmklub Möwe=Darmſtadt) 57½/= Punkte.
Bruſtſchwimmen 200 Meter: 1. Kramer (Rhenus=Köln)
3:07,6, 2. Barenſchlee (Schwimmklub=Köln) 3:17,8.
Freiſtilſtaffel 300 Meter: 1. Rhenus=Köln 3:30,4.
Lagenſtaffel 4X50 Meter: 1. Rhenus=Köln 2,18.
Damenbruſtſchwimmen 100 Meter: 1. Schorm ( Rhein=
gold
=Köln) 1:41,4, 2. Bopf (Jungdeutſchland=Darmſtadt) 1:41,8.
Damenrückenſchwimmen 100 Meter: 1. Zaun ( Frank=
furter
Schwimmklub) 1:54, 2. H. Müller (Jungdeutſchland=Darmſtadt)
1:54,2.
Freiſtil 200 Meter: Berges (Jungdeutſchl.=Darmſtadt) 2:36.
Kurzſtrecke 50 Meter: 1. Frölich (Hellas=Magdeburg) 28,
2. Ohlerroge (Hellas=Magdeburg) 29,4, 3. Becker (Moenus=Offenbach).
Bruſtſtaffel 4X50 Meter: 1. Schwimmklub Köln 2:32,6,
2. Jungdeutſchland 2:38,6.
Freiſtaffel 4X50 Meter für Vereine ohne Winter=
bad
: 1. Schwimmklub Aſchaffenburg 2,18, 2. Schwimmklub Heſſen=
Worms.
Damenfreiſtil 50 Meter: 1. L. Keller (Jungdeutſchland)
39,8, 2. Hoff (Frankfurter Schwimmklub) 40, 3. Huffert (Frankfurter
Schwimmklub) 44.
Große Staffel 10X50 Meter: Jungdeutſchland. Darm=
ſtadt
5 : 26.
Schwimmſportverein Möwe‟ Darmſtadt c. V.
Heute Montag findet zum erſtenmal in der kommenden Winter=
zeit
der Schwimmabend in dem Städtiſchen Hallenbad ſtatt. Der Riegen=
betrieb
beginnt um 6.45 Uhr. Es iſt zu empfehlen, rechtzeitig zu er=
ſcheinen
, da während der Uebungszeit das Hallenbad geſchloſſen wird.
Zugleich laden wir unſere Mitglieder zu der am Dienstag, 2. Oktober,
ſtattfindenden Monatsverſammlung ein. Dieſelbe ſindet abends 8 Uhr
wie gewöhnlich bei Mitglied Egner in den Näumen des ehemaligen
Offizierskaſinos, Zeughausſtraße 2, ſtatt. In Anbetracht der Wichtigkeit
Pr.
derſelben wird um zahlreiches Erſcheinen gebeten.

Pferdeſport.

Dresden.
Im Sachſenpreis (11000 Mark) ſiegte Sklareks Eigilbert
(Raſtelbinder) vor Staffelſtab. Totaliſator: 16:10; Platz: 10:10.
Den Jugendpreis gewann Lewins Patroklus; es folgten Re=
bekka
und Semendria
Im Septemberrennen wurde Sklareks Eilfried Erſter vor
Trivora und Selome.
Magdeburg.
Traumrennen: 1. Siegerin (Otto Schmidt), 2. Credo,
3. Fichtwald; 6 unplaziert.
Holzgau=Jagdrennen: 1. Machenſchaft (Edler), 2. Breſa,
3. Biedermann 2; 6 unplaziert.
Preis von Neuhaus: 1. Pünstorfs Morga (Otto Schmidt);
2. Lobredner, 3. Hazcar.
Das Amt für Leibesübung Darmſtadt befindet ſich
ab 1. Oktober in der Jägertorſchule, Alexanderſtraße 27 (früheres Mili=
tärlazarett
), Hauptbau 1. Stock rechts. Sprechſtunden vormittags von
1112¾ Uhr, nachmittags von 45½ Uhr.

4 Der Sport zurVölkerwanderungszeit.
Von Dr. Fritz Mahlerwein.
Die einen, nicht nur die Gegner des Sportes, behaupten,
das Turnen ſei älter, die anderen allerdings nur wenige
ſuchen zu beweiſen, daß das Gegenteil richtig iſt. Die Zuſammen=
ſtellung
von Völkerwanderungszeit und Sport erſcheint paradox,
aber ſie kann mit zur Klärung der Frage beitragen, die ſoeben
näher gekennzeichnet wurde. Bei den Abſichten, die Jahn ver=
folgte
, ſtand freilich das Turnen im Vordergrund, faſt in einem
höheren Maß als bei Guts Muths, der im Schnepfentaler
Philanthropin bereits vor Jahn Uebungen pflegte, unter denen
wir heute ſpörtliche Uebungen verſtehen. Und auf dem Turnen,
wie es Guts Muths und etwa 10 Jahre ſpäter Jahn, ſomit
eigentlich nur der zweite Turnvater, begründeten und wie es
beſonders Adolf Spieß weiterführte und entwickelte, baut ſich
der Sport auf, der uns als ſolcher vertraut iſt und der am Ende
des 19. Jahrunderts mit Sprung, Lauf und Wurf ſo ſtart in
den Vordergrund trat. Nur in den Zirkeln geſchmackvollſter In=
telligenz
, in dem wunderbaren Kreis, den Cramer und Klopſtock
in Dänemark um ſich verſammelten, koſtete man ſchon im 18.
Jahrhundert ein wenig die Wonnen des Sportes, den friſchen
Ritt längs beſchneiter Uferbäume, unter denen man einen Teil.
des Weges auf Schrittſchuhen in blanke Weiten zurücklegte.
Hier ſpielt das ſportliche Element holländtſch=nordiſcher Eisfeſte
herein, die uns von Bildern bekannt ſind und die den jungen
Goethe berauſchten.
Im Durchſchnitt alſo war der Sport eine Angelegenheit des
Hintergrundes. Aber nur in den Jahrhundertabſchnitten, von
denen eben die Rede war. Zuvor iſt es mehrmals anders ge=
weſen
. So kennt das frühe und ſpäte Mittelalter Turniere.
Wir erinnern uns außerdem alle an das, was olympiſche Spiele
geweſen ſind. Die Palme und der Kranz aus Lorbeerzweigen,
die nur mit goldenem Meſſer und nur von Knaben, die keine
Waiſen waren, abgeſchnitten werden durften, waren Jünglingen
zugedacht, die das Stadion durchmeſſen hatten, alſo für eine
rein ſportliche Leiſtung. Eine klaſſiſche Freude an ſchönen
Kurven macht ſich bemerkbar, wenn der Speer oder der ſchwer
handliche Diskus geſchleudert werden. Die Spiele werden all=
mählich
von einem auf fünf Tage ausgedehnt; Ringkampf und
Fauſtkampf fallen hervorragende Rollen zu: Wagen rennen mit
zwei und vier Geſpannen in der Runde. Und in durchſcheinen=
den
weißen Skulpturen ſind für uns ſolche Kampfgruppen feſt=
gehalten
.
Für die Zeit, die für die germaniſche Kultur von derſelben
großen Bedeutung iſt und die ebenfalls ſchon ſtarke ſportliche
Betätigung kennt, fehlen leider Dokumente ähnlicher Art. Um
375 war die Völkerverſchiebung in vollem Gang, um dann noch
eine Weile fortzudauern. In dieſer Zeit bildeten ſich aus Mythos
und Geſchichte die Sagen, die uns das Vorhandenſein ausge=
ſprochen
ſportlicher Vergnügungen unſerer näheren und ferneren
Vorfahren einwandfrei überliefern.

Von Wettrinken, Wettlauf und Wettringen berichten ſchon
alte germaniſche Götterſagen. Die Kenntnis vom Beſtehen eines
regelrechten Dreikampfes um dieſe frühe Zeit aber ſchöpfen wir
aus einer anderen Quelle, die uns ebenfalls allen bekannt iſt,
aus dem Nibelungenlied. Die Schilderung dieſer Dichtung von
Gunthers Kampf mit der Königin über See wird zwar, in
den überlebensgroßen Dimenſionen ihres freskomaleriſchen Be=
richts
, nicht vollſtändig irgendwelchen Tatſachen entſprechen, aber
ſie wird einen Begriff von dem geben, was im Dreikampf, dem
wir hier tatſächlich begegnen, gefordert wurde. Es wird. im
Sprung, Speerwurf und Steinſtoßen gekämpft. Den Ger, der
verwendet wird, tragen drei Männer, den Schild, nach dem er
geſchleudert wird, vier, und das andere Wurfgeſchoß, den
Marmelſtein, dick, feſt und wuchtig, ſogar zwölf. Das ſind die
notwendigen Utenſilien, deren ſich Brunhilde ſtets bedient, wenn
ſie die Stärke eines Mannes prüft, der ſie als Gattin beſitzen
will. Das Motiv der kämpfenden Frau darf hier unberückſich=
tigt
bleiben. In der Dichtung wird an dieſer Stelle viel auf
Weib und Leib gereimt, und die Recken aus Burgondenland
befürchten ernſtlich, es gehe ihnen an den Schopf‟. Es wird
im Ernſt (Siegfried der, durch die wundervolle Tarnkappe
unſichtbar, Gunther nur die großen Gebärden machen läßt, wäh=
rend
er ſelbſt kämpft und Gunther bekomen Naſenbluten)
und mit Anſtand geſtritten (Brunhilde ruft nach einem heftigen
Stoß von Siegfrieds rieſenſtarker Hand; des Schuſſes habe
Dank). Den ſchon beſchriebenen Steinblock wirft die ungeſtüme
Isländerin 12 Klafter weit, alſo 12 mal ſo weit, wie ein Menſch
die Arme ausſpannen kann, und überholt dieſen Wurf im
Springen. Siegfried aber, der auch noch Gunther trägt, über=
trifft
Wurf und Sprung. In einem ſchimmernden Burgpalaſt
mit 86 Türmen aus Marmelſtein ſo grün wie junges Gras in
Anweſenheit von fremden Rittern, Königen und Hofgeſind findet
das alles ſtatt, und das alles macht auch das Unwahrſcheinlichere
glaubhaft, aus dem die weſentliche Grundtatſache um ſo ſchärfer
heraustritt: Dreikampf und Wettkampf zwiſchen mehreren Teil=
nehmern
; und: eine der ſchönſten und bekannteſten alten Dich=
tungen
liefert uns den erſten Sportbericht.
Andere Berichte über ſportliche Leiſtungen aus dieſer Zeit
verblaſſen daneben. Oeſtlicher anſäſſigen Völkern wird Ge=
ſchicklichkeit
in der Handhabung der Holzkeule, des gebogenen
Holzes, nachgerühmt. Dieſe Waffe kehrt nach dem Wurf ſpielend
wie durch Zauberei in die Hand des Werfenden zurück. Sie
wird mit equilibriſtiſcher Fertigkeit hierhin und dorthin ſauſen
laſſen, auf Bahnen, wie ſie der Kieſel über der Waſſerfläche
beſchreibt. Ein ſtarker Helm auf einer Stange oder auf dem
Kopf eines Feindes wird ihr zum Ziel geſetzt, und ſie zer=
trümmert
den Helm. Nur muß ihr der Schleudernde in ſolchem
Ernſtfall ein wenig, zwei Schritte manchmal, entgegen gehen,
kommt ſie zurück. Gelegentlich wird noch der Sprung über
Pferde erwähnt. Es werden zwei, drei, auch vier Pferde hinter=
einander
aufgeſtellt, mit den Köpfen in einer Richtung, und
überſprungen, nicht immer glatt, oft geſtreift. Und alle 100 Jahre
einmal findet ſich ein Favoritſpringer, der über fünf Pferde

fliegt, im Königsſprung‟. Dann werden die Pferde beſonders
ſorgſam nebeneinander geſtellt, erſt dunkelfarbige Pferde, Rappen
und Braune, dann Füchſe und ein Schimmel, der das fernere
Ende markiert, zuletzt.
Reicher als bei Weſt=Germanen und Angelſachſen fließen
die Berichte über Leibes= und Waffenübungen bei den alten
Nordländern, bei denen Körperſtärke hoch angeſehen war.
Uebungen und Spiele das wiſſen wir aus den Sagas
waren ihnen ſogar der beliebteſte Zeitvertreib. Unter den
Waffenübungen ſtanden das Bogenſchießen (bojoskot), das
Stein= und Spießwerfen (handskot) und Fechten (ſkilming) an
erſter Stelle. Von künſtlichen Reitübungen weiß die Saga=
literatur
nichts zu berichten, obwohl das Reiten beliebt war.
Hingegen wurde die Kunſt, mit kleinen Schwertern zu ſpielen
(handſaxaleikr), wobei eines ſich immer in der Luft befinden
mußte, ſehr bewundert. An dieſe letzte Uebung, die uns an
Künſte, die in Meſſebuden und auf Jahrmärkten vergeführt wer=
den
, erinnern, reihen ſich alle bekanten Disziplinen des modernen
Sports: das Springen (hlanp), der Schnellauf (ſkeid), das
Schwimmen (ſund), Schneeſchuhlauf (ſkid) und Lauf mit Schlitt=
ſchuhen
aus Bein (isleggir).
Ganz beſonders müſſen noch drei ſportliche Vergnügungen
gewürdigt werden: Ringen, Ballſpiel, Pferdekämpfe. Das
Ringen ging ganz ähnlich wie heute noch bei den Isländern
vor ſich, die den Gegner mit der einen Hand am Hoſenbund, mit
der anderen am Schenkel zu faſſen ſuchen. Dabei galt es, den
Partner durch Rucke und beſondere Kniffe (brogd) zu Fall zu
bringen. Mit größtem Aufwand wurden Ballſpiele organiſiert.
Zwei Parteien nahmen daran teil auf einer weiten Ebene oder
Eisbahn. Ball (knattr) und Ballholz (knattſtafr) waren die für
kieſe Schauſpiele erforderlichen Requiſite. Die Spielregeln, die
ſehr kompliziert geweſen ſein wüſſen, bleiben in den Quellen
unklar. Im weſentlichen wird es ſich um einen Ballkampf ge=
handelt
haben, in dem jede Partei einen Champion heraus=
ſtellte
. Einigen unſerer Raſenballſporte wird dieſe Spielform
zugrunde liegen. E. Mogk ſpricht in ſeiner in Halle a. S. 1889
erſchienenen Abhandlung über den ſogen. zweiten grammatiſchen
Traktat der Snorra=Edda, die den Bericht davon bringt, aus=
führlich
darüber. Es kam zu ernſten Auftritten bei dieſem Spiel,
in dem nicht ſelten gefährliche Wunden geſchlagen wurden.
Vielleicht gerade ſo beliebt war der Pferdekampf (heſta=vig, heſta=
thing
), keinerlei Wettrennen, wie wir es mit Pſerden veran=
ſtalten
, ſondern ein Sport, bei dem die Hengſte paarweis gegen=
einander
geführt wurden, ſich heftig ſchlugen und fürchterlich
biſſen. Dieſer Kampf fand unter Leitung der Eigentümer der
Pferde ſtatt, die kaltblütige und träge Tiere mit ſcharfen Treib=
ſtacheln
(heſtaſtafr) wütend machten. Alle dieſe Veranſtal=
tungen
gelangten während mehrerer Tage zur Vorführung auf
großen freien Plätzen, die ſtändig mit Buden für Zuſchauer und
Teilnehmer umſtellt waren und für dieſe früheſten ausgeſprochen
ſportlichen Betätigungen unſerer Vorfahren eigens reſerviert
gehalten wurden.

[ ][  ]

Seite G.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 1. Oktober 1923.

Rummer 271.

Gartenbau, Kleintierzucht und Siedlungsweſer

Der Stand der Oahlienzucht.
Von Pfarrer Paul Koch, Brandenburg a. H.
In Guſtav Freytags herrlichem Luſtſpiel. Die Journaliſten,
das in der erſten Hälfte der ſiebziger Jahre des vorigen Jahr=
hunderts
entſtanden iſt, wird ſchon der Dahlienzucht rühmend
Erwähnung getan. Damals waren es die in Ballform blühen=
den
Georginen, von denen man ein beſonders ſchönes Farben=
ſpiel
erzüchtet hatte. Als dann um die Mitte der neunziger
Jahre die Edeldahlien aufkamen, nahm die Dahlienkultur einen
beſonders großen Aufſchwung. So wurden vor dem Weltrieg
von den Dahlien die prächtigſten Sortimente in allen Klaſſen
ihrer mannigfaltigſten und farbenfroheſten Blüten angeboten.
In jedem Garten, oft im kleinſten Hausgärtchen, fanden ſie ihren
Platz, zumal ſie nicht mehr Herbſtblumen waren, ſondern zum
größten Teil ſchon von Beginn des Sommers ab ihren entzücken=
den
Blütenreichtum entfalteten.
Die Dahlie hat auch heute ihren Platz als Florblume in un=
ſeren
Gärten behauptet, aber unter den oft ſo großen Beſtänden
der Vorkriegszeit hat der Krieg ſo ſtark aufgeräumt, ja mitunter
direkt vernichtend gewirkt. Langſam nur wird wieder aufgebaut
werden können. Es wird und muß gelingen, aber mühevoll wird
es ſein. Wieviel noch zu tun iſt, wieviel trotz allem ſchon wieder
erreicht iſt, kann uns ein Blick auf den Stand der heutigen Dah=
lienzucht
zeigen.
Wir beginnen mit der früher allgemein beliebten Art der
Georginen. Das waren farbenprächtige Arten in allen Ab=
tönungen
, in kleinen oder großen runden Bällen blühend. Hier
hat leider der Krieg direkt verheerend gewirkt. Ungemein viel
Wertvolles iſt zugrunde gegangen, zumal dieſer Klaſſe der Dah=
lien
ſchon vor dem Kriege nicht mehr die Beachtung und Sorg=
falt
wie in den ſiebziger und achtziger Jahren geſchenkt wurde,
was die ſtarke Konkurrenz der Edeldahlie verſchuldet hatte. Das
größte Sortiment des Kontinents (Halbertz u. Engelmann=
Zerbſt), das ich in ſeiner Hauptblütezeit (Anfang September) faſt
in jedem Jahr beſichtigt habe, iſt ein unerſetzlicher Verluſt!
leider im Krieg ganz zugrunde gegangen. Was hatte man da
doch für wunderbare Sachen gezüchtet! Die Formen waren zu
höchſter Vollendung gediehen. Die ſchönſte iſt wohl die Perl=
form
jedes Blumenblatt iſt wie eine große Perle gedreht.
Ich nenne nur eine Sorte; jeder, der ſie kennt, weiß, wie ſchön ſie
iſt: Frau Emma Degen, eine weiße Züchtung von Max Degen=
Köſtritz. Die Perlform kommt faſt nur in den Farben weiß, roſa
und violett vor, ſelten in gelb. Vor Jahren hatte ich einmal eine
geſpritzte, roſa mit karmin geſprenkelte, aus Frau E. Degen ge=
züchtet
; leider iſt ſie inzwiſchen eingegangen. Auch die Züchtung
von Halbertz u. Engelmann Stern von Deutſchland, in präch=
tiger
gelber Perlform, iſt nicht mehr vorhanden. Auch all die an=
deren
Formen, Röhrenform, Roſenform, Zinnienform, Aſterform,
Dachziegelform, daneben die neueren: Seeroſenform. Roſetten=
form
, letztere hervorgegangen aus den Edeldahlien=Hybriden ( Ab=
arten
), die auch zu der gewöhnlichen Georginenart gehören, haben
alle ihre eigenen Reize.
Man teilt dieſe Georginen ein zunächſt nach der Höhe in hohe
und Zwerge (bis 75 reſp. 80 Zentimeter hoch), die hohen wieder
nach der Größe der Blumen in rieſenblumige, großblumige und
Liliput (Pompon), das ſind kleinblumige.
Die rieſenblumigen ſind heute ſehr ſelten geworden.
Wenn man einen Blick in ein altes Verzeichnis, von Halbertz
u. Engelmann wirft, wie groß war da die Auswahl! Und wenn
man heute von den verſchiedenſten Formen ein Dutzend zuſam=
menbringen
will, hat man große Mühe. Und doch hat dieſe Art
ihr Schönes, etwas Majeſtätiſches an ſich. Der Anbau wird recht
ſchwer ſein. Neuzüchtungen ſind ſchwer zu ziehen, da nach mei=
nen
Erfahrungen die noch vorhandenen Sorten alle ſchwer Samen, wünſchte, wenn auch mit Not, erhalten, leider in ſehr kläglichem
tragen.
etwas reichlicher vorhanden, aber gegen früher hat ſich ihre Zahl
geradezu dezimiert. Immerhin wird die Neuzüchtung hier leich=
ter
ſein. Ich habe in den letzten Jahren manche gute Neuheit
gezogen. Die Ausbeute iſt hier nicht ganz befriedigend (etwa
5 bis 10 b. H.).
tigſten Farben und mit ihrem außerordentlichen Blütenreichtum gar zu Anfang Mai. Die Haupttriebe ſind auf mindeſtens die
heute ſehr beliebt. Beſonders ſind die von England in den letzten
Vorkriegsjahren herübergekommenen Pompon=Dahlien hervorzu=
heben
. Sie haben beſonders kleine Blumen und ihre Blühwillig=
keit
iſt enorm. Sorten wie Sunſet tragen oft 50 und mehr Blü=
ten
an einem Strauch.
und Liliput einteilt, iſt die Auswahl heute ganz gering. Sie ſind
kaum noch vorhanden. Wenn man das reiche Sortiment von Hal=
bertz
u. Engelmann im Katalog von 1915 nachlieſt, muß man mit
Wehmut feſtſtellen, daß unendlich Vieles und überaus Wertvolles
durch den Krieg hier zerſtört worden iſt. Dabei, waren dieſe ſonders die Kräuſelkrankheit. Bei älteren Büſchen und Spalie=
ſein
wird.
Es war vor etwa 10 Jahren. Da kamen von England
herüber die einfachen Dahlien. In Deutſchland, hatte jahr, darf es nicht zu ſpät geſchehen. Nach meiner Anſicht iſt
den Neuzüchtungen im Garten meines Vaters einmal eine ein=
fache
hervorwagte, wurde ſie ſofort herausgeriſſen, ſie kam über=
haupt
nicht in Frage. So hatten die Neueinführungen einfacher
Art, mit denen man die urſprüngliche Form der Dahlien wieder bei jüngeren Exemplaren ſchräge Seitentriebe der Hauptzweige
aufnahm die erſte aus Meriko eingeführte Dahlie blühte ein=
fach
rot , zunächſt mit großen Vorurteilen zu kämpfen; aber
bald hatten ſie ſich doch ihr Recht in unſeren Gärten errungen.
Bei ihnen iſt die Zucht aus Samen am leichteſten. Man wird
hier die meiſten brauchbaren erhalten. Doch iſt ſehr anzuraten,
ſich lieber Knollen anzuſchaffen. Man hat dann wirklich gute,
konſtante Sorten. Und es gibt heute viel vorzügliche darunter.
Schon alle einfarbigen haben ihr Schönes. Ich liebe ſie nicht zu
groß; die großen einfachen Blumen hängen oft und welken ſchnel=
ler
. Prächtig ſind die zweifarbigen, weiß mit rot, und gelb mit
rot, auch die geſprenkelten; beſonders wirkungsvoll die ſogenann=
kranz
. Kürzlich habe ich eine einfache gezüchtet: rot mit gelber
Innenzone (übrigens nicht aus einer einfachen), ja es iſt mir ſo=
gar
eine Verbindung von geſprenkelter Dahlie und Zonendahlie
gelungen: die innere Hälfte der Blumenblätter iſt rot, die äußere
gelb mit rot geſpritzt. Ich glaube, gerade auf dem Gebiete der
einfachen Dahlien läßt ſich noch viel Schönes erzüchten. Zu
lockeren Vaſenſträußen ſind gerade dieſe Blumen unſchätzbar, nur
muß man nur eben aufgeblühte ſchneiden und jeden dritten Tag
die Sträuße erneuern. Die Sträucher blühen, wenn man ſofort
die abgeblühten Blumen wegſchneidet das iſt die erſte Voraus=
riſcher
Fülle den ganzen Sommer über bis tief in den Herbſt
dieſe Blumen beſonders und möchte ſie für ihre Vaſen niemals
entbehren.
Sehr viele Liebhaber werden auch die ſogenannten Hals=
krauſen
=Dahlien finden. Die Blumen ſiund einfach, nur
befindet ſich inwendig vor den Blumenblättern noch ein Kranz
kleiner Blättchen. Die Hauptblumenblätter dieſer Arten ſind
faſt alle in rötlichem, ſeltener roſa und violettem Farbenton ge=
ein
kleines Sortiment. Die Neuzüchtung dieſer Art iſt beſon=
(Schluß folgt.)
gering.

Staudenausſeſe bei Kartoffeln.
Wer ſeine Saatkartoffeln der eigenen Ernte entnimmt, ſollte
zielbewußt die Verbeſſerung der Sorte erſtreben. Ein ſtändiger
Neubezug von Saatgut iſt nicht jedermanns Sache und auch nicht
immer empfehlenswert, wenn man durch vergleichende Anbau=
verſuche
eine für ſeinen Boden geeignete Sorte gefunden hat.
Die Stauder ausleſe, iſt das beſte Mittel, eine bodenſtändige,
ertragreiche Kartoffelſorte zu erzielen. Sie beſteht in der Haupt=
ſache
darin, daß bei der Ernte der einzeln ausgehobenen Stau=
den
die kräftigſten und ausgeglichenſten ausgeſucht werden, um
ſpäter beſonders vermehrt zu werden. Werden dabei die ein=
zelnen
Stauden jede für ſich ausgelegt, geerntet, wieder aus=
gelegt
und ſo fort, ſo kann man von einer Familienzüchtung
reden, die gegenüber der Maſſenvermehrung der zuſammenge=
worfenen
guten Stauden noch den Vorteil hat, daß man inner=
halb
der Familie wieder und wieder eine Ausleſe treffen und
dadurch zielbewußter vorgehen kann. Die auf dieſe Weiſe aus=
geſuchten
beſten Stauden der beſten Familien werden alsdann
auch die beſten Ernten geben. Die Ausleſe darf aber nicht erſt
bei der Knolle, alſo bei der Ernte, beginnen, ſondern ſie muß
ſchon vorher, beim Wachſen einſetzen. Der aufmerkſamſte
Beobachter wird bemerken, daß zwiſchen der Kraftentwicklung
der einzelnen Stauden oft ein großer Unterſchied beſteht. Auch
hier muß auf Ausgeglichenheit hingearbeitet werden, damit die
Belaubung, von der wieder die Pflanzweite abhängig zu machen
iſt, ſich möglichſt gleichmäßig geſtaltet und dadurch gewiſſermaßen
ein charakteriſtiſches Merkmal geſchaffen wird. Eine ſtarklaubige
Sorte muß einen weiteren Standraum erhalten als eine ſchwach=
laubige
, wobei darauf hinzuweiſen iſt, daß die den Umſtänden
angepaßte jeweilig engſte Pflanzweite, die durch Verſuche aus=
zuprobieren
wäre, die höchſten Erträge verſpricht. Die Aus=
zeichnung
der auszuwählenden Stauden ſollte, ſchon vor der
deres Bild als ſpäter nach den erſten Reifeerſcheinungen ge=
wonnen
werden kann. Treffen Krautentwicklung und Knollen=
Pfirſichpflanzung und =Pflege.
Viel Klagen hört man oft über Pfirſichbüſche und Spaliere, Federkleides unentbehrlich.
die, aus der Baumſchule bezogen, ſehr ſchwer oder oft auch gar nicht
vielen ſchwere Kopfſchmerzen gemacht. Es wurde im Herbſt ge=
pflanzt
, im Frühjahr desgleichen, und der Erfolg war der trau=
rige
Anblick von kümmerlichen Austrieben, ab und zu wohl auch, die Gewebe der Kopfzierde; Kamm und Bartlappen ſtraffen ſich
als befriedigend zu nennen, eine Ausnahme. Die Anpflanzung
im Herbſt iſt vollſtändig zu verwerfen, ganz gleichgültig, in wel=
cher
Bodenart oder Lage es geſchieht. Ein tief lockerer und war=
mer
Boden iſt Hauptbedingung zum Anwachſen und Gedeihen
einer Pfirſichpflanzung. Die Schuld, daß viele Pfirſiche, ſelbſt
bei richtiger Frühjahrspflanzung, ungemein ſchlecht anwachſen,
ſchiebe ich den Baumſchulen zu, wenn Büſche und Spaliere vom
leiden dadurch derart, daß beim Rückſchnitt von geſunden Teilen
im Frühjahr äußerſt wenig bleibt. Sehr viel iſt davon ſtockig
tätig lagern mußten, was bei einem Ausmachen direkt von auch die Hühner von Ungeziefer freigehalten werden. Man er= 6
ihrem Standort im Frühjahr zum Verſand doch ſehr viel vor=
teilhafter
für den Beſteller iſt; er hat hierbei friſche, wachsfreu=

dige Wurzeln zu erwarten.
6 bis 7 Monaten gar nichts, denn gerade Pfirſiche werden mei= ſie ſtets trocken bleiben, ſonſt verfehlen ſie ihren Zweck. Wird
Zuſtand. Sollten dieſe Zeilen von Vertretern der Baumſchulen
Die großblumigen (mit mittelgroßen Blumen) ſind noch geleſen werden, ſo bitte ich aufs herzlichſte, einmal dieſe Aende= Stoffwechſel verlangt danach. Das Futter ſoll reich an Stickſtof Unerhör
tung einzuführen und Pfirſiche direkt von dem Standort zur
Verpackung und zum Verſand zu übergeben.
Recht darüber, daß die meiſten Pfirſiche zu früh gepflanzt wür=
Die Liliput ſind noch am zahlreichſten vorhanden. Sie erſt damit anfangen, wenn ſich der Boden etwas erwärmt hat, größten Einſchränkung gezwungen iſt. Dennoch müſſen Opfer
ſind mit ihren kleinen Blumenbällen in den verſchiedenen präch= Vor Mitte April iſt wohl kaum daran zu denken, wenn nicht erſt gebracht werden, um die Lege= und Zuchthühner durchzuhalten, der
Hälfte zurückzuſchneiden, der Boden bzw. die Pflanzſtelle iſt auf
1,50 Meter im Quadrat und mindeſtens 80 Zentimeter tief zu
rigolen, durch gute Kompoſterde mit altem Kalk der Boden zu daher im Herbſt das eben Entbehrliche abſetzen und für den
verbeſſern, und darunter eine Lage von etwa 30 Zentimeter
In Zwerggeorginen, die man wieder in großblumige, ſo tritt leicht Gummifluß ein; dieſem Uebel iſt durch Düngung langen und den Winter ohne Schaden überſtehen. So bleibt iverrer
Zeit der Steinbildung maſſenhaft ab. Für Stalldung und Futter überwinterte Tiere in ihren Leiſtungen zurückgehen, was
Jauche bin ich nicht: dieſe erzeugen zu leicht Krankheiten, be=
Zwerge für kleine Hausgärten von ganz unſchätzbarem Werte, ken rate ich, im Bereich der äußeren Wurzelzone einen Graben
Leider iſt zu befürchten, daß ein Neuaufbau hier recht ſchwierig 50 Zentimeter breit und ebenſo tief zu rigolen, dieſer, mit roher Man erreicht dies, wenn man dem Waſſer roſtige Eiſenteile obch
Lompoſterde und Kalk ausgefüllt, erzeugt Wunder. Die Arbeit Eiſenvitriol zugibt, und zwar von letzterem auf ein Liter Waſſet
kann auch im Herbſt ausgeführt werden: geſchieht es im Früh= höchſtens 3 bis 4 Gramm.
früher niemand gewagt, dieſe Arten anzubieten. Wenn ſich bei eine Wühlerei nach der Blüte von Nachteil, ich glaube, daß da=
durch
auch der Früchteabfall erzeugt wird. Im Schnitt iſt bei
alten Büſchen nicht viel zu tun. Am beſten iſt es, man entfernt b
das trockene Holz im Laufe des Sommers. Es iſt auch ratſam,
auf zwei bis drei Augen zurückzuſchneiden, aber nur bei ſolchen,
die keinen Fruchtanſatz zeigen, alſo nach der Blite. Spalieren,
die Reiſig als Winterdecke hatten, belaſſe ich während der Blüte, in mäßiger Weiſe betrieben, augebracht, bei den zum baldigen
etwas davon, als Schutz gegen kalte Nächte, ebenſo iſt ein leich= Schlachten beſtimmten Junggänſen dagegen iſt der Vorteil ſehr
tes Schaitieren, damit der Baum nicht ſo ſchnell zum Blühen fraglich. Der Federertrag beim Nupfen oder Wollen erreicht
Eiſerner Kanzler, früher Alexander und Proskauer, Note Magda= Futtermenge, die die Gans braucht, um die verlorenen Federn
lene und Waterloo. Ich habe eine alte Stammſorte, unbekannt, wieder zu erſetzen. Jeder praktiſche Züchter wird bemerken, daß
ſehr ſpät, aber reich tragend. Sie iſt im vergangenen Jahre nach die Gänſe nach dem Rupfen trotz beſtem Futter nicht zunehmen,
Mitte Oktober noch nicht pflückreif geweſen. Wer gute Sorten, oft ſogar leichter werden.
beſitzt, verſuche doch einmal, aus Kernen ſelbſt Pfirſiche zu
ziehen; die beſten behalte man, unfruchtbare merze man aus,
ten Zonen=Dahlien, z. B. roſa oder violett mit tiefrotem Innen= denn jeder Sämling iſt noch lange nicht zu gebrauchen. 1. 0.
Ratſchläge für die Schweinemaſt.
Für die Kleingärtner, die ſich im Frühjahr oder Vorſommer Frühbeete oder luftige Keller für die Einbringung von Bleich=
ernte
die eigentliche Maſtzeit. Im Laufe des Sommers iſt das ſäen. Leere Frühbeete mit Kopfſalat bepflanzen oder mit Radies
Schweinchen mit Garten= und Hausabfällen, vielleicht auch mit und Kreſſe beſäen. Die frühen Saatkartoffeln für den nächſtjäh=
Weidegang herangewachſen und nun maſtfähig geworden. Zu rigen Gebrauch recht pfleglich behandeln. Alles leergewordene
den Kartoffeln werden ihm Zucker=, Runkel= und Schmalzrüben Land wird gedüngt und umgegraben.
verabreicht. Einiges Kraftfutter muß angekauft werden. Die
ſetzung! und bei Trockenheit reichlich gießt, in verſchwende= ſo gefütterten Jungtiere erreichen in kurzer Zeit ein annehm= und auf die Erdbeerbeete bringen. Das Land für die Anpflan=
bares
Schlachtgewicht und können im Oktober oder November, zung von Himbeeren wird rigolt; Johannisbeeren werden ge=
hinein
. Meine Frau verwendet trotz reichſter Auswahl gerade geſchlachtet werden. Wenn Futtermittel vorhanden ſind, füttert pflanzt. Weſſen Bäume wieder viel von den gefräßigen Froſt=
Februar, um ein Speckſchwein zu erhalten. Zur Maſt als Speck= umgraben, wodurch viele Forſtſpannerpuppen am Auskriechen be=
ſchweine
eignen ſich indeſſen nur ältere Tiere, die volſtändig hindert werden. Holunderbeeren einkochen zu Mus. Nützt jede
ausgewachſen ſind und das Futter nicht mehr zur Fleiſcherzeu= übrige Stunde aus zu den Vorbereitungen für die Herbſtpflan=
gung
, ſondern nur zur Fettbildung verwerten. Natürlich kommen zung.
nur vollkommen geſunde und freßluſtige Tiere für die Maſt in
Frage. Die große Freßluſt ermöglicht die Anwendung weniger die ausgepflanzten Topfgewächſe wieder eingepflanzt. Koniferen
halten, die Halskrauſe iſt weiß oder gelb. Es gibt bisher nur wertvoller Futtermittel. Das Maſtfutter muß freilich unbedingt und andere Grünpflanzen, wieder durchdringend gießen. Die
einen gewiſſen Gehalt an Kalk= und Eiweißſtoffen haben. Kalk= Kompoſtberge reichlich mit Jauche tränken. Sorgt auch wieder
ders ſchwierig, die Ausbeute auch bei großer Aus gat meiſt ganz mangel beſeitigt man durch Zuſatz von ½ Kilo gemahlener, für winterſtändiges Holz durch Auslichten aller dichtkronigen
Schlenmkreide auf 50 Kilo Kraftfutter.

Zur Schnellmaſt ſtellt man gewöhnlich Jungſchweine ein
die zuerſt durch Weidegang ernährt werden. Dabei unterſcheide
man drei oder vier Maſtzeiten. Zuerſt freſſen die Tiere gutl
zuletzt nehmen ſie aber nur ſorgfältig zubereitete, ausgewählt
Futterſtoffe. Am einträglichſten iſt die Maſt, wenn die Schweing
nur auf 100 bis 125 Kilo gebracht werden. Damit die Tier)
möglichſt raſch Fleiſch und Speck anſetzen, muß gleich von Anfang
an gut gefüttert werden. Die Maſtzeit wird dadurch abgekürzt
und die Unkoſten für Haltung und Pflege verringern ſich.
Die Mauſer der Hühner.
Die Mauſer ſtellt einen rein phyſiologiſchen Vorgang im
Organismus dar; die alten Federn fallen aus und neue treten
an ihre Stelle. In der Negel tritt die Mauſer im Spätſommel
und Herbſt ein; die Dauer läßt ſich nicht beſtimmen, da manchel
Hühner ſchnell, andere wieder langſam mauſern. Meiſt gehl
die Mauſer glatt und ohne merkliche Nebenerſcheinungen vol
ſich. Zunächſt verliert das Federkleid ſeinen ſonſt üblichen Glanz
Die Feder wird matt in der Farbe, trocknet und ſtirbt ab. Das
belebende Clement, das die Feder friſch erhält, geht zurück, weil
es zum Aufbau der neuen Feder dienen muß.
Im mauſernden Zuſtand ſehen die Hühner in der Regel unand
ſehnlich aus; teilweiſe bilden ſich an einzelnen Körperteilen kahle
Stellen, an denen die neuen Federſpulen bereits durchbrechen
In dieſem Stadium verliert das Huhn ſeine frühere Beweglich
keit und Munterkeit; es hockt viel herum, und manchmal ſcheint
auch der Atpetit zu mangeln. Kamm, Bartlappen und Geſichtl 1omm1b
erblaſſen, verlieren die ſchöne rote Farbe, werden unanſehnlichl Küſtrin
und geben dem Huhn ein krankes Ausſehen. Das Blut tritt aus
dieſen zarten Geweben zurück, da es in Verbindung mit anderen
Säften beim Aufbau des neuen Federkleides mithelfen muß. hat ihre
Die Hühner bedürfen nunmehr des Schutzes, und beſonders
Blüte beginnen, da gerade in der erſten Entwicklung ein treffen= an naßkalten Tagen muß ihnen eine gute Unterkunft geboten) garniſohnen
werden; die Körperwärme ſinkt und muß durch warme Stallung
und wärmendes Futter ausgeglichen werden. Der erhöhte Stoff= ſtellen.
ausbildung zuſammen, ſo darf angenommen werden, daß die wechſel bedingt eine entſprechende Fütterung; und es iſt unan
Vermehrung derartiger Knollen den erſtrebten Erfolg zeitigt, gebracht und unökonomiſch, wenn es leider auch noch ſo viel
üblich iſt, den Hühnein nun das Futter entſprechend zu ver=
ringern
, weil ſie weniger oder nicht legen. Was früher für die
Eierproduktion nötig war, iſt nun für den Aufbau des neuen
Wie allgemein bekannt iſt, ſtellen die Hühner während der) Herr der
anwachſen. Die Anpflanzung von Pfirſichen hat wohl ſchon Mauſer das Legen ein, Ausnahmen hierin ſind keine Regel
Die Hühner beginnen erſt dann wieder mit dem Legen, wenn
das neue Gefieder fertig iſt. Dann tritt auch wieder Blut in M
und erſcheinen wieder in friſchem Rot. Die alte Munterkeit und
Beweglichkeit ſtellt ſich wieder ein und mit ihr der normale
Zuſiand.
Während der Mauſerzeit erfordern die Hühner alle Sorg=
falt
in Bezug auf Stallung und Futter. Dumpfige, feuchte und
kalte Stallungen wirken auf die Dauer ungünſtig ein; ſie ver= /To
Herbſt bis zum Frühjahr im Einſchlag liegen. Die Wurzeln zögern die Mauſer und geben zu Erkrankungen Anlaß, denen ſind
ſich leicht Komplikationen anſchließen. Man hat daher während /A.
der Mauſer alle Vorſicht anzuwenden, damit keine Hemmmiſſe
und faul, die Folge der Störung zur Zeit, wo die Wurzeln un= eintreten und die Mauſer ungeſtört verlaufen kann. So müſſen
reicht dies am beſten durch gründliche Desinfektion des Stalles
und durch Anlegen von Sandböden, in denen die Hühner
nach Belieben puddeln können. Den Sand vermiſcht man noch
Die Baumſchulen riskieren durch den lannen Einſchlag von mit gepulverter Schwefelblüte und bringt die Böden ſo an, daß
ſtens reſtlos verkauft, die Aufträge ſind derart, daß oft gar nicht ein Huhn noch während der Mauſer von Ungeziefer geplagt, das
genug geliefert werden kann. Ich habe meiſtens noch das Ge= ihm die beſten Säfte wegnimmt, ſo kann dieſe unmöglich normal
verlaufen.
Kräftiges Futter iſt unbedingt erforderlich, denn der erhöhte
und phosphorſaurem Kalk ſein. Weizen und gequetſchter Hanf
geben Wärme. Für die meiſten Züchter iſt es in der heutigen
Herr Krüger=Roſenfelde äußerte ſich vor längerer Zeit mit Lage außerordentlich ſchwer, das nötige und richtige Futter zu
beſchaffen, da einesteils Mangel an ſolchem herrſcht und andern=
den
, die beſte Zeit dafür iſt das Frühjahr, und dann ſoll man, teils die Preiſe eine derartige Höhe erlangt haben, daß man zur
Zweckmäßig ſollte man daher die Stämme möglichſt vermindern:
der Ertrag im Winter, wo die Legetätigkeit meiſt ſchwach iſt, wird
dunch die hohen Futterkoſten kaum ausgeglichen. Man ſollte (Die
erzielten Gewinn gutes Futter einkaufen, damit die von der
altem Bauſchutt zu geben. Iſt der Boden ſehr ſtickſtoffhaltig, Mauſer geſchwächten Stammtiere wieder zur vollen Kraft ge=
mit
Phosphor und Kali abzuhelfen. Kalk verlangen die Pfir= der Beſtand leiſtungsfähig und kann im Frühjahr ſeine ganze
ſiche auf jeden Fall, fehlt dieſer, ſo fallen die jungen Früchte zur Kraft in der Zuchtperiode einſetzen, wogegen mit geringwertigem
dann auch meiſtens in vielen unbefruchteten Eiern zum Ausdrug
kommt.
Das Trinkwaſſer für mauſernde Hühner ſoll eiſenhaltig ſeis=
Zu empfehlen wäre weiter noch, daß während der Mauſer
die Hähne von den Hennen getrennt gehalten werden, damit ſie

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Ein an
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Garniſon,
rickſichtsbi
wird vom
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Borgäne

Sollen Gänſe gerupft werden?
Das Rupfen der lebendigen Gänſe iſt bei den Zuchtgänſen,
kommt, von Vorteil. Die zuverläſſigſten Sorten ſind wohl: höchſtens 80 Gramm und ſteht in keinem Verhältnis zu der
Ratgeber.
Gemüſegarten. An geſchützter Stelle im Freien oder
in kalte Käſten die Winterkohlpflanzen verſtopfen. Noch ſtarke
Grünkohlſetzlinge von den Vorratsbeeten verpflanzen. Leere
abgeſetzte Saugferkel gekauft haben, beginnt mit der Kartoffel= gemüſe herrichten. Noch Perlzwiebeln legen und Winterſpingt
Obſtgarten. Kurzen Dung zwiſchen die Himbeerreihen
der kleine Beſitzer gerne noch ein Schwein bis Januar oder ſpannerraupen heimgeſucht wurden, ſoll ſein Baumland jetzt tief
Im Blumengarten werden allerlei Treibſtauden und
Roſenſtöcke.

bereis
nach
von de
brg
ihre
Ein
bege
zu f
im
Wandt
ſ
ſtelte
zut
1