Bei wöchentl. 7 maligem Erſcheinen (freibleibend)
monat=
ſich 6910000M. und 590000 M. Abtragegebühr, Abholen
7050000, durch die Agenturen 7500000 M. frei Haus.
Be=
ſtellungen nehmen entgegen: die Geſchäftsſtelle
Rhein=
ſr. 23 (Fernſprecher 4, 2390 u. 2394), die Agenturen und
alſe Poſſämter. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
Anzeſgen an beſimmten Tagen wird nicht
übernom=
men. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur
Kür=
zung des Bezugspreiſes. Beſtellungen und
Abbeſtel=
jungen durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
poſiſcheckonto: Frankfurt a. M. 4301.
Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darraſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 256
Sonntag, den 16. September 1923 186. Jahrgang
Anzeigenpreis:
27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 300000 M.
Finanz=Anzeigen 450000 M., Reklamezeile (92 mm
breit 1400000 M. Anzeigen von auswärts 450000 M.,
Finanz=An zeigen 600000 M., 92mm breite Reklame=
Zeile 1800000. Anzeigen nehmen entgegen:
Geſchäfts=
ſtelle Rheinſtraße 23, die Agenturen und
Anzeigen=
expeditionen. Im Falle höherer Gewalt, wie Krieg,
Aufruhr, Streiß uſw., erliſcht jede Verpflichtung
auf Erfüllung der Anzeigenauſträge und Leiſtung
von Schadenerſatz. Bei Konkurs oder gerichtlicher
Beitreibung fällt jeder Rabatt weg. Bankkonto:
deutſche Bank und Darmſtädter 8 Nationalbank.
Ww II.
Die Erfaſſung der Oeviſen.
Berlin, 15. Sept. (Wolff.) Geſtern nachmittag belegten
Beamte des Deviſenkommiſſars in der Depoſitenkaſſe
König=
ſtraße der Kommerz= und Privatbank alle Stahlfächer und die
im Bankreſſort aufbewahrten Pakete mit Beſchlag. Der
Depo=
ſitenkaſſe wurde aufgegeben, niemand an die beſchlagnahmten
Gegenſtände heranzulaſſen. Die Beſitzer der Stahlfächer und
Pakete wurden benachrichtigt, daß ſie Montag die Safes und
Pa=
kete im Beiſein der Reviſionsbeamten des Deviſenkommiſſars zu
öſſnen hätten. Wie der Deviſenkommiſſar, Geheimrat Fellinger,
mitteilt, erfolgte die Beſchlagnahme ohne ſein Wiſſen und
durch=
aus gegen ſeinen Willen. Es handelte ſich um eine
Kompetenz=
überſchreitung der erſt ſeit kurzem im Amt befindlichen Beamten.
Der Deviſenkommiſſar ſteht grundſätzlich auf dem Standpunkt,
daß ſolche Eingriffe in das Privateigentum zu verwerfen ſind.
Er veranlaßte ſofort, daß die Maßnahme rückgängig gemacht
werde.
Einführung der Roggenwährung.
Berlin, 15. Sept. (Wolff.) Der Zeit zufolge ſoll nach
einem Kabinettsbeſchluß eine Roggenwährung geſchaffen
werden, die als Uebergangswährung mit Gültigkeit bis
zum Schluß des erſten Jahres gedacht ſein ſoll. Alsdann ſoll
dieſe Währung gegen Zahlungsmittel der Goldnotenbank
einge=
tauſcht werden. Die Roggenwährung ſei in der Hauptſache als
Zahlungsmittel zum Kauf landwirtſchaftlicher Produkte gedacht.
Franzoſen und Arbeiter.
Münſter, 15. Sept. (Wolff.) Am 12. September wurde
der Tagearbeiter Simon aus Gladenhorſt auf dem
Nach=
hauſeiveg beim Paſſieren der von den Franzoſen beſetzten
Bahn=
unterführung von einem franzöſiſchen Poſten erſchoſſen.
Si=
mon, der eine zahlreiche Familie hat, war ſofort tot. Die Leiche
blieb bis zum nächſten Morgen am Tatort liegen.
In Wirten beſetzten die Franzoſen am 14. September in
ganz überraſchender Weiſe, wahrſcheinlich infolge Verrats,
die Eiſenbahnwerkſtätten, wo ſoeben die Löhnung der
Ar=
beiter in Höhe von 400 Milliarden Mark ausgezahlt
wor=
den war. Die Franzoſen beſetzten die Ausgänge und
nahmen den Arbeitern die geſamten
Lohnzah=
lungen wieder ab.
Raub= und Ausweiſungen.
Elberfeld, 15 „Sept. (Wolff.) Die Franzoſen fahren
fort, Gelder für die Eiſenbahnbedienſteten wegzunehmen. In
Coblenz wurden 75 Milliarden fortgenommen. Bei dieſer
Gele=
genheit ſind zwei Bedienſtete verhaftet worden. Auch die
Aus=
weifungen gehen weiter. Aus Mühlheim=Ruhr und Mühlheim=
Styrum wurden am 13. September 6 Familien mit zuſammen
16 Perſonen, aus Düſſeldorf und Umgebung weitere 13
Eiſenbah=
ner mit ihren Familien, zuſammen 48 Perſonen ausgewieſen.
Belgiſche Kritik an der Streſemann=Rede.
TU. Brüſſel, 15. Sept. Der Miniſterpräſident Theunis,
der ſich ſeit kurzem wieder in Brüſſel aufhält, hat geſtern wieder
mit ſeinen Arbeiten begonnen. Obwohl die Rede Streſemanns
von dem offenbaren Wunſch nach Verſöhnlichkeit zeugt,
be=
dauert man in hieſigen Kreiſen, daß der Kanzler auch
weiter=
hin das Zugeſtändnis gewiſſer noch ungenau formulierter
Ver=
günſtigungen an die deutſchen Induſtrieunternehmungen von der
Räumung des Ruhrgebiets abhängig macht. Ferner beklagt
man, daß er ſich nicht zu einer Erklärung über die Einſtellung
des paſſiven Widerſtandes herbeilaſſe. In den maßgebenden
Kreiſen herrſcht die Meinung vor, daß man mit einem definitiven
Urteil über die Rede zurückhalten müſſe, da ſie hauptſächlich für
das Publikum berechnet ſei und in weſentlichen Stellen
abſicht=
lich unklar (2) gehalten wäre. Man vertritt im übrigen den
Standpunkt, daß eine raſche Löſung der gegenwärtigen Lage auf
Grund der letzten Streſemann=Erklärungen nicht ohne weiteres
zu erhoffen ſei (!). Andererſeits gibt man zu, daß die
Beſprech=
ungen zwiſchen Streſemann und dem belgiſchen Geſandten in
Berlin fortgeſetzt werden.
Poincaré antwortet.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Wie das Echo de Paris
mit=
teilt, wird Miniſterpräſident Poincaré am Sonntag in
Dun=
ſur=Meuſe aus Anlaß der Enthüllung eines Kriegerdenkmals
das Wort ergreifen. Es ſei wahrſcheinlich, daß er über die
Be=
dingungen ſprechen werde, unter denen Frankreich
bereit iſt, mit Deutſchland zu verhandeln. Die
erſte dieſer Bedingungen, die conditio sine aua non,
ſei, daß Reichskanzler Streſemann ſich endlich entſchließt,
Offentlich alle Ordon nanzen ſeines Vorgängers
hin=
ſichtlich des paſſiven Widerſtandes zurückzunehmen. Ohne
die völlige Aufgabe des paſſiven Widerſtandes, ſo fügt das
Blatt hinzu, werde die franzöſiſche Regierung feſt wie ein Felſen
auf ihrem Standpunkt beharren und keine Verhandlungen mit
Berlin einleiten. Das ſoll man dem Berichterſtatter des
natio=
naliſtiſchen Blattes als den Standpunkt der franzöſiſchen
Regie=
rung bezeichnet haben.
Baldwins Reiſe nach Paris.
* Paris, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Nach einer Meldung der
„Information” trifft Baldwin am 18. September in Paris ein
und ſtattet wahrſcheinlich am Tage darauf Poincaré einen
Be=
luch ab. Am 20. September wird er dann ſeine Reiſe nach Lon=
Don fortſetzen. Man glaubt, daß es ſich nur um einen formellen
Höflichkeitsbeſuch des engliſchen Miniſterpräſidenten bei
Poin=
caré handelt. Nichts läßt jedenfalls darauf ſchließen, daß die
beiden Staatsmänner bei dieſer Gelegenheit eine politiſche
Aus=
prache miteimander haben werden.
Vom Tage.
Wie uns die Reichsbahndirektion mitteilt, werden vom 18.
Sep=
tember ab die Tarife im Perſonen= und
Güterzug=
verkehr auf das Neunmillionenfache erhöht. Die
viertägige Gültigkeit der bereits verher gelöſten Fahrkartcn wird dabei
nicht berührt.
Profeſſor Einſtein wird Ende September in Moskau
erwartet.
Wie wir hören, wird eine Verordnung der Reichsregierung
er=
ſcheinen, welche die Aufforderung zur Verweigerung
der Steuerzahlung unter Gefängnisſtrafe ſtellt.
Wie wir hören, werden am Montag 500=Millionen=
Banknoten und im Laufe der nächſten Woche Eine=
Milliarde=Mark=Noten in den Verkehr gebracht werden.
Reichskanzler Dr. Streſemann wird am nächſten Montag
nachmittag die Vertreter der ausländiſchen Preſſe zu
einem Tee im Garten der Reichskanzlei empfangen.
Nach einer Havasmeldung aus Newyovk iſt der ehemalige
Reichskanzler Dr. Cuno dort angekommen. Er ſei nach den
Ver=
einigten Staaten weder wegen eines interalliierten Anleiheprojektes
im Intereſſe Deutſchlands noch wegen Schiffahrtsangelegenheiten
ge=
kommen.
Nach einer Havasmeldung aus Mexiko lehnk die mexikaniſche
Regierung es ab, ſich der lateiniſch=amerikaniſchen Delegation beim
Völkerbunde anzuſchließen, mit der Begründung, daß die
diplo=
matiſchen Beziehungen mit Großbritannien nicht wieder aufgenommen
ſeien.
Miniſterpräſident Poincaré hat den italieniſchen und den
ſpaniſchen Botſchafter empfangen.
Der Leiter des Außenhandelskommiſſariats Kraſſin teilte der
ruſſiſchen Telegraphen=Agentur mit, daß die Sowjetregierung beſchloß,
nach Schweden keine Beſtellungen mehr zu geben. Der
Beſchluß wird damit begründet, daß Schweden ſich geweigert hat, mit
dem Sowjetbunde ein Handelsabkommen abzuſchließen.
In der Nähe Londons ſtürzte ein Flugzeug des
Luftpoſt=
dienſtes Mancheſter—London ab, wobei fünf Perſonen, darunter der
Führer und ſein Gehilfe, den Tod fanden.
Die Lage auf dem Balkan.
TU. Athen, 15. Sept. Wie von der Grenze berichtet wird,
wird die Tätigkeit der Komitadſchis in Mazedonien immer reger.
Der jugoſlawiſche Geſchäftsträger in Athen erklärte,
jugoſla=
wiſche Truppen ſeien bereits in dieſem Gebiete zuſammengezogen
worden, um das überhandnehmende Banditenweſen zu
bekämp=
fen. Die Truppen hätten den Befehl bekommen, wenn es nötig
wäre, ſogar die bulgariſche Grenze zu überſchreiten (2). Hier
laufen überhaupt phanmſtiſche Gerüchte über die Stärke der
Ko=
mitadſchis um. Man ſpricht davon, daß 50 000 Mann neu
rekru=
tiert ſind. Die Serben beharren übrigens auf der Wahrheit der
Nachricht, daß die Italiener in Warna Waffen und Munition
ausladen.
Wie aus Belgrad gemeldet wird, erwartet man in
Jugo=
ſlawien eine italieniſche Invaſion aus dieſer Richtung kaum,
da Jugoſlawien in der Lage ſei, eine Armee von zwei Millionen
Mann auf die Beine zu ſtellen, d. h. jeden 6. Einwohner des
Landes. Weiter heißt es gerüchtweiſe, daß Jugoſlawien in den
letzten Tagen eine Anzahl von Unterſeebooten geliefert bekam,
die von einem kleinen adriatiſchen Hafen aus operieren ſollen.
Die Fiumefrage.
London, 15. Sept. (Wolff.) Der Sonderberichterſtatter der
Daily Mail in Rom ſchreibt, jegliche Gefahr einer ſofortigen Kriſe
in der Finmefrage ſei abgewendet. Ihm wurde von
maß=
gebender Stelle mitgeteilt, daß die italieniſche
Regie=
rung vollkonmen neue Vorſchläge für die Regelung der
ſchwie=
rigen Frage machte, und daß die Erörterung darüber demnächſt
beginne. Sowohl Italien als Südſlawien ſtimmten jetzt darin
überein, daß direkte Verhandlungen wünſchenswert ſeien.
Die ſüdſlawiſche Regierung habe die Abſicht aufgegeben, den
Schiedsſpruch Poincarés oder des Schweizer
Bundespräſi=
denten anzurufen. Der ſüdſlawiſche Außenminiſter werde in
Bel=
grad aus Genf am Montag eintreffen und dem Premierminiſter
Paſchitſch die Einzelheiten der neuen italieniſchen Vorſchläge
überbringen. Alsdann würden direkte ſüdſlawiſch=italieniſche
Er=
örterungen beginnen.
Griechiſche Entſchuldigungen bei den Alliierten.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Blättermeldung
aus Athen hat die griechiſche Regierung den
Kriegsmini=
ſter dazu beſtimmt, in der franzöſiſchen, engliſchen und
italie=
niſchen Geſandtſchaft die Entſchuldigungen der
griechi=
ſchen Regierung vorzubringen, während die Trauerfeier für
General Tellini und die übrigen Mitglieder der italieniſchen
Miſſion ſtattfindet.
Die Schweiz und der Völkerbund.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Das Oeuvre erfährt von ſeinem
Berichterſtatter in Genf, daß Bundesrat Schultheß beauftragt
worden ſei, ſich mit dem ſchweizeriſchen Delegierten im
Völker=
bund, Motta, in Verbindung zu ſetzen, damit, wenn möglich, der
Bundesrat zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werde,
die am Samstag oder Montag vormittag ſtattfinden ſoll. Es
würden mehrere Fragen, betr. des Völkerbunds, zur
Verhand=
lung kommen, u. a. die Fiumeangelegenheit. In den Kreiſen des
Völkerbundes werde verſichert, daß die italieniſche und die
ſüd=
ſlawiſche Negierung nicht die Zuſtimmung der ſchweizeriſchen
Re=
gierung nachgeſucht hätten, als ſie in den Vertrag von Rapallo
die Beſtimmung aufnahmen, daß im Falle eines Konflikts der
ſchweizeriſche Bundespräſident als Schiedsrichter in Anſpruch
ge=
nommen würde. Der Bundesrat würde dementſprechend jeden
Schiedsitruch kategoriſch gblehnen.
* (*8 geht um das Reich!
(Von unſerem ſtändigen Münchener Korreſpondenten.)
g. München, 15. September.
Wer an den ſtillen Ufern baheriſcher Seen, in den
Einſam=
keiten der Berge Bayerns und Tirols, dieſer beiden trotz
un=
watürlicher Grenzpfähle zuſammengehörenden und
zuſammen=
ſtrehenden deutſchen Länder, wenige Wochen rühigen
Aus=
ſpannens verbringen konnte, wird, heimgekommen ins Reich,
nur mit gelindem Entſetzen ſchauen können, mit welch raſender
Schnelligkeit das Rad der Zeit die deutſche Wirtſchaft und mit
ihr auch die Politik dem Abgrund näher geführt hat. Eine
Sturz=
flut hat die Mark ihrer letzten kümmerlichen Geltung als
inter=
nationaler Wertmeſſer beraubt — die Einſtellung der
Mark=
notierung an der Baſeler Börſe zum erſten Male auch dem
Blindeſten deutlich werden laſſen, wie weit ſich die deutſche Lage
der vielverſchrienen des bolſchewiſtiſchen Rußland bereits
ange=
nähert hat. Der Kanzler des Widerſtandes iſt gegangen, und in
ihm der Mann, dem es die Geſchichte einſt als größte Tat
an=
vechnen wird, daß er feindlichem Diktat als erſter deutſcher
Staatsmann der nachrevolutionären Zeit ein „Nein!”
ent=
gegenzurufen wagte. Mit dem neuen Mann am Ruder des
deut=
ſchen Schiffes zogen Steuerleute auf, denen der deutſche Süden
it einiger Sbepſis gegenüßerzutreten allen Grund hat. Namen
wie Radbruch und Hilferding, die in ſich ein
feſtumriſſe=
nes, parteipolitiſch eng abgegrenztes Programm bedeuten,
muß=
ten ſelbſt den ſchrecken, der in der großen Koalition aller
zum Widerſtand gegen Feindeswillkür Entſchloſſenen
grundſätz=
lich nicht von vornherein ablehnend gegenüberſtand.
Wenige Wochen des neuen Regimes haben — ohne deſſen
Verſchulden — genügt, um darzutun, daß das deutſche Volk
abermals an eine Schickſalswende geſtellt iſt, furchtbarer noch
vielleicht als die, mit der im Strudel des verlorenen Krieges
und der Revolution das deutſche Kaiſertum verſank. Wir im
deutſchen Süden, die der Schrecken der Räterepublik hellhöriger
werden ließ, wiſſen es heute nur zu genau, daß die neuen
ſchwe=
ren Entſcheidungen, vor die das deutſche Volk in den nächſten
Wochen geſtellt ſein wird, mehr bedrohen als Kaiſerthron und
Fürſtenſtühle. Es geht um das Reich heute, wie 1871 um
ſein Werden, ſo jetzt um ſein Leben oder Sterben —
und es will uns faſt als das ſchlimmſte Faktum in dieſer
un=
heilſchwangeren Zeit erſcheinen, daß heute den großen, größten
Baumeiſter aller Zeiten der Raſen deckt, in dem die Eichen des
Sachſenwaldes feſtgewurzelt ſtehen, während dem durch ihn
ge=
einten und zuſammengeſchweißten Volke keiner mehr erſtanden
iſt, der wie er die deutſchen Nöte meiſtern, das deutſche Volk
wieder zum wahren äußeren und inneren Frieden führen könnte.
Es war zweifellos weniger die Perſönlichkeit des neuen
Reichskanzlers Dr. Streſemann, der ſich als Mann und
Politiker auch in Bayern einen keineswegs engen Kreis tveuer
Freunde und Gefolgsleute auch außerhalb ſeiner Partei zu
ſchaf=
fen wußte, die das bayeriſche Kabinett unmittelbar nach
dem Amtsantritt des neuen Mannes bereits veranlaßte, zu
einem Miniſterrat zuſammenzutreten. Man weiß, daß hier
ſehr gewichtige Bedenken zur Sprache kamen, die namentlich
durch die ſchon genannten Namen Radbruch und Hilferding,
vermehrt um den des ſozialiſtiſchen Innenminiſters Dr.
Soll=
mann, hinſichtlich des zukünftigen Reichskurſes gehegt werden
konnten. Die Zuſammenkunft des Kanzlers mit dem bayeriſchen
Miniſterpräſidenten in Mittenwald ſcheint dieſe Bedenben zu
einem guten Teile ausgeräumt zu haben. Auch die klugen
Er=
klärungen des Kanzlers und einzelner ſeiner Mitarbeiter über
die Politik des Reiches zu den Ländern konnten wanches
vor=
gefaßte Mißtrauen beſeitigen. Dennoch aber hieße es den Kopf
in den Sand ſtecken, wollte wan leugnen, daß die
allgemein=
politiſche Entwicklung Phaſen zudrängt, die ſchwerſte
Ge=
fahrpunkte bergen.
Beratungen des Miniſterrates, Fraktionsſitzungen aller
maß=
geblichen politiſchen Parteien, interfraktionelle Beſprechungen
der Koalitionsparteien mit der Staatsrogierung — alles dies
noch, während der Landtag als ſocher offiziell vertagt und in
den Ferien iſt — konnten auch dem politiſch nicht Eingeweihten
verraten, daß man in den verantwortlichen Führerkreiſen ernſter
Sorge voll iſt. In der Tat iſt auch nach unſerem Dafürhalten
aller Anlaß gegeben, die gegenwärtige Entwicklung in all ihren
Phaſen ſorgſam zu überwachen. Dabei ſoll eindeutig feſtgeſtellt
werden, daß wir alle Gerüchte über Putſchpläne, wie ſie
von einer gewiſſen Parteipreſſe wieder und wieder kolportiert
werden, für aufgelegte Schwindelmanöver halten, nur
beſtimmut, die Verwirrung dieſer ohnehin wild bewegten Zeit
zu ſteigern und dabei für ſich ſelbſt im Trüben zu ſiſchen. Wir
ſehen die Gefahrpunkte — und glauben, daß das gleiche auch für
die verantwortlichen Regierungs= und Parteiinſtanzen gelten
dürfte — vielmehr in anderem als in problematiſchen
Putſch=
abſichten, denen wenigſtens heute noch die Uneinigkeit in den
aktiviſtiſchen Gruppen als oberſtes Hindernis entgegenſteht. Wir
nennen den wirtſchaftlichen Niederbruch in erſter
Linie, weil aus ihm, ſollte er Tatſache werden,
zwangsläu=
fig politiſches Unheil größten Ausmaßes heraufbeſchworen
werden müßte, das auch vor dem Beſtand des Reiches nicht
halt=
wachen würde.
Der Reichstag hat die — noch der Regierung Cuno
zuzurech=
nenden — großen Steuervorlagen mit einer ſeltenen
Ein=
müttigbeit verabſchiedet. So ſehr wohl als richtig unterſtellt
wer=
den mmß, daß hierbei Härten im Vollzug in Erſcheinung treten
können, die der Geſetzgeber kaum gewollt hat, ſo wenig können
wir es angeſichts der kataſtrophalen Not des Reiches billigen,
wenn dieſe Steuern nun zum Ausgangspunkt einer an ſich zwar
waßvollen, in ihren Auswirkungen aber unüberſehbaren
Steuerfronde gemacht werden, wie ſie von der regierenden
Bayeriſchen Volkspartei gegenwärtig in Szene geſetzt wird.
Schon konnte man in Verſammlungen der ihr zuzurechnenden
Bauern wieder die Rufe hören, die in der Parole „Los von
Ber=
lin!” das Allheilmittel gegen alle Not der Zeit zu ſehen
glau=
ben. Gewiß: die Führer warnen vor dieſer Parole wie
vor einem Steuerſtreik, zu dem verſchiedentlich bereits
aufge=
reizt wurde. Man wird abzuwarten haben, wie weit ihre
Macht geht, Dinge zu verhindern, die in ihren Folgen
unüber=
ſehbar wären.
Und weiter: Man darf ſich nicht verhehlen, daß jeder
Fehl=
ſchlag des außenpolitiſchen Kurſes der Reichsleitung die
ſchwerſten innerpolitiſchen Konſequenzen auslöſen könnte. Ein
führendes Mitglied der Bayeriſchen Volkspartei hat dieſen Be=
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September. 1923.
Nummer 256.
U ien ece
nach dem mutmaßlichen Sturz Streſemanns eine
Links=
regierung vorhergeſagt, die wieder von illegalen
Gewalt=
habern abgelöſt würde. Dann (ſo der Redner) ſei für Bayern
der Augenblick gekommen, in dem es dieſe Regierung nicht
anerkennen könne getreu der Parole: „Deutſchland iſt in
unſerem Lager!‟ Wir wiſſen nicht, ob dieſe Aeußerungen „Obſerver”:
in dieſem Augenblick von der Parteiführung als ſolche gedeckt
und vergutwortet werden. Aber wir glauben zu wiſſen, daß ſie, Sofa in einem deutſchen Konſulat Schleſiens ſaß, „faſſen Sie
ſollte einmal die Reichspolitik in das Fahrwaſſer bolſchewiſtiſch= ſich; ich kann es nicht mehr mit anſehen”, — in dem Augenblick
ſozialiſtiſcher Zeitgrößen wie des ſächſiſchen Herrn Dr. Zeig= trat der Beamte ein. Frau X. war mit einem tſchechiſchen Berg=
Einheit des Reiches höher ſteht als Partei und Land.
ſpannt, alle Volksgenoſſen, einerlei welcher Partei und welchen Land zu verlaſſen. Ich fragte, ob dies geſetzlich ſei; die
Angeſtell=
ſchirmen, in Reich und Ländern aufgerufen werden. Der baye= ſie, entſetzt über meine Unwiſſenheit. „Der Herr gehört wohl
riſche Kronprinz hat es in dieſen Tagen erneut in die
deutſche Welt hinausgerufen, daß es heute nicht um dyna=
Reich und Land geht. Er hat in politiſch bedeutſamer Rede
liche Eignung Führer ſein zu wollen, und endlich die
Offi=
ziere, zu denen er ſprach, an ihren Fahneneid erinnert. Seine an ihr, da ihr Mann tot war; die Polen brauchten die drei
gehört und beachtet, zur Richtſchnur allen politiſchen Handelns. Solche Fälle kamen täglich vor, erklärte der Konſul. Ueber ganz
gemacht werden, wenn das Reich, um das es heute wie niemals
geht, als letztes Erbe einer beſſeren und Unterpfand einer größe= naturaliſiert worden, ohne gefragt zu werden — durch den
Ver=
ren Zeit erhalten bleiben ſoll!
Die Bewegung in Spanien.
London, 15. Sept. (Wolff.) Der Daily Expreß erhielt
von dem Führer der ſpaniſchem Millitärrevolution Primo
de Rivera, der vom König mit der Bildung der neuen
Re=
gierung beauftragt worden iſt, ein Telegramm, worin der
Gene=
ral verſichert, die Bewegung in Spanien verfolge keine anderen
Zwecke als die Wiederherſtellung der Moral im
politiſchen und Verwaltungsſyſtem. Die
Bewe=
gung halte die Treue zum König unbedingt feſt.
Der Präſident des Militärdirektoriums.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Havas=Meldung
aus Madrid von geſtern nachmittag 2 Uhr werden die
zurück=
tretenden Miniſter bis zur Neubildung des Kabinetts die
laufen=
den Geſchäfte führen. Der Generalkapitän und die Generäle Cal= hatte der älteſte Sohn ihn zu Boden geſchlagen. Dieſer war
dacanti, Saro, Daban und Berenguer, die am Sitze des
General=
kapitäns verſammelt waren, haben ſich gleichzeitig nach dem
Pa=
laſt begeben. Es wurde bemerkt, daß ſie alle einigermaßen
er=
regt ſchienen.
Nach einer ſechs Stunden ſpäter datierten Havas=Depeſche aus
Madrid iſt General Munos Cobo zum Präſidenten des
neuen Militärdirektoriums ernannt worden und hat
Millan de Priego, den ehemaligen Generaldirektor der Madrider dieſem Zufall verdankt Polen die Zuteilung der vermutlich älte=
Polizei zum zeitweiligen Innenminiſter beſtimmt.
Keine Shmpathie mit der zurückgedrängten Regierung.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Der Madrider Berichterſtatter
des Temps ſchreibt ſeinem Blatte über den Eindruck des
Pro=
nuneiamento. In der Madrider Bevölkerung hat man nicht eine
ſehen, aber auch keinen Hochruf auf die neue Regierung gehört.
Die Gleichgültigkeit ſei reſtlos, und das Publikum mache ſich
keine großen Hoffnungen, was das Werk anbelange, das dieſe
auf politiſchem Gebiet etwa zuwege zu bringen vermöge.
Das ſozialiſtiſche Komitee und der geſchäftsführende
Aus=
ſchuß des Gewerkſchaftskartelles ſeien in der Wohnung des
ſchloſſen, den Generalſtreik auszurufen, wenn die
Milita=
riſten tatſächlich die Regierung übernehmen ſollten.
Zur Lage in Spanien.
EU. Paris, 14. Sept. In gut unterrichteten Kreiſen wird
angenommen, daß die augenblickliche Kabinettskriſe durch die
Er=
nennung einer proviſoriſchen Regierung mit dem
Generalhaupt=
mann von Madrid an der Spitze beendet werden ſoll. Später
wird die Führung der Geſchäfte von einer endgültigen
patrioti=
ſchen nationalen Regierung übernommen.
Den letzten Meldungen zufolge iſt General=Martinez Amido
ſtandsbewegung von Erfolg gekrönt ſein wird, in das Direkto= die Karte von Europa eine Augenblickslaune.”
rium der neuen Regierung eintreten ſoll. Die Bewegung liegt
und Cabauellas.
Neue Entdeckungen aus Kretas goldenem Zeitalter.
* Die Wunderwelt einer helleniſchen Frühkultur auf Kreta
iſt von dem engliſchen Archäologen Sir Arthur Evans der Welt
in jahrzehntelangen Ausgrabungen erſchloſſen worden. Evaus
hat nun in dieſem Jahre neue Ausgrabungen auf der Stätte der
alten Hauptſtadt von der Inſel Kreta unternommen und
groß=
artige Funde gemacht, über die er in mehreren Aufſätzen der
„Times” berichtet. Außer der Wiederherſtellung der großen
Treppe an der Weſtſeite des Königspalaſtes und der
Unter=
ſuchung verſchiedener unterirdiſcher Galerien, die an das
ge=
heimnisvolle Labyrinth gemahnten, legte er in dem Korridor,
der ſich von dem Staatseingang des Palaſtes aus eröffnet,
Frag=
mente eines Freskenſchmuckes frei, die unglücklicherweiſe durch
Verbrennung beſchädigt waren. In den rauchgeſchwärzten
Zeich=
nungen ließen ſich jedoch Szenen erkennen, die mit der
berühm=
ten Gruppe der „Damen in Blau” verwandt ſind. Ein weiteres
Ergebnis der Durchforſchung der unterirdiſchen Galerien war
die Entdeckung eines Steinbruches aus ſehr früher minoiſcher
Zeit, aus dem eine beſondere rote Erde für die kretiſchen
Bau=
ten und Töpfereien gewonnen wurde. Verſchiedene Funde von
Bronzen und Gefäßen boten neue Aufſchlüſſe über die religiöſen
Vorſtellungen jener kretiſchen Frühzeit, und auch die
Straßen=
verhältniſſe, die das alte Kreta durchkreuzten, konnten aufgehellt
werden. Am ertragreichſten aber war die Ausgrabung eines
Streifen Landes, der an der weſtlichen Grenze des Palaſtgebietes
liegt und dicht mit gutgebauten Stadthäuſern beſetzt war, die
dem Anfang des ſpäten minoiſchen Zeitalters angehörten. Ein
einziges dieſer Häuſer wurde genauer durchſucht und lieferte
einen koſtbaren Freskenfund, der die Kunſt des „goldenen
Zeit=
alters von Kreta” in ſchönſter Blüte zeigt. Die Fresken waren
von den Wänden losgelöſt worden, wahrſcheinlich, weil man
ſpäter in dem Haus eine neue Dekoration anbringen wollte, und
befanden ſich in aufeinander gelegenen Haufen, ſo daß ſie ſich
vortrefflich erhalten hatten. Die Trümmer füllten 84 große
Käſten, und da ſie einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von
Räumen angehörten, war es möglich, die wichtigſten Teile von
drei oder vier ganzen Szenen zuſammenzuſetzen und die
Mehr=
zahl der übrigen Trümmer ſo miteinander zu verbinden, daß ſie
über die Darſtellung Aufſchluß gewährten.
Die Malereien haben einen friſchen und kühnen Charakter,
der durchaus mit den anderen aufgedeckten Fresken dieſer beſten
Zeit der kretiſchen Kunſt übereinſtimmt; ſie ſtammen aus der
Zeit um etwa 1600 v. Chr. Ihre einzigartige Bedeutung liegt
aber darin, daß ſie noch ihre ganze Farbeypracht beſitzen,
wäh=
rend bei den meiſten übrigen Funden die Farben durch Feuer
zerſtört ſiud. Die Landſchaftsmalerei, die von deu Kretern zu=
Die Wanderdüne der Friedenszeiten.
Die weinenden Frauen Europas.
Unter obiger Ueberſchrift ſchreibt Auſtin Harriſon im
„Liebe Frau X.,” ſagte ich zu der Frau, die weinend auf dem
ner einſchwenken, eine erdrückende Mehrheit ſelbſt derer hinter mann verheiratet, der 20 Jahre in Deutſch=Polen gearbeitet
ſich haben müßten, denen der groß deutſche Gedanke und die hatte und geſtorben war, ohne ſich naturaliſieren zu laſſen. Ihre
drei Söhne waren auch Bergleute. Die Polen ließen ihr und
Solche Entwicklung abzuwenden, müſſen alle Kräfte ange= ihren Söhnen die Wahl, entweder polniſch zu werden oder das
Standes, ſoweit ſie willens ſind, das Reich zu erhalten und zu ten und die arme Frau lächelten. „Heilige Mutter Gottes!” rief
zum Völkerbund!”
Sie war das Opfer der Selbſtbeſtimmung. Wohin gehörte
ſtiſche Fragen, ſondern um die Wohlfahrt von ſie? Ihr Mann war Tſcheche geweſen und hatte in einem Teil
von Deutſchland gelebt, der ſpäter am Polen fiel. War er
Oeſter=
mit denen abgerechnet, die ſich heute berufen fühlen, ohne jeg= reicher, Tſcheche, Pole oder Deutſcher? Nichts; er war tot. Was
aber war ſeine Frau? Die Tſchechen hatten kein Intereſſe mehr
Parole möge auch draußen, jenſeits der bayeriſchen Grenzen Söhne für ihr Heer; die Deutſchen brauchten ſie als Deutſche.
Europa ſind Zehntauſende von Frauen naturaliſiert und
ent=
trag von Verſailles. Dieſer Frau blieb nichts anderes übrig
als auszuwandern. Ich fragte, was ſie zu tun gedächte. Sie
antwortete: „Lieber ſterben, als polniſch werden!”
Das iſt der Geiſt! An einem anderen Ort, ſprach ich drei
deutſche Knaben, die gerade auf ihren Vater warteten, nette
Jungen; der älteſte war etwa 14 Jahre alt. „Was willſt Du
werden? fragte ich den kleinſten. „Soldat!” antwortete er,
nund Du?” „Auch Soldat.” „Und Du?” Soldat natürlich.”
„Trotz des Krieges?” „Wegen des Krieges,” erwiderten ſie. Als
ich dem Vater ſpäter von dem kriegeriſchen Sinn ſeiner Söhne
erzählte, ſagte er: Wir ſind aus Schleſien. Sie müſſen entweder
Polen oder Deutſche ſein. Was kann man anders erwarten?”
und wieder ſah ich eine weinende Frau. Ihre Lage war
ver=
zweifelt. Ihr Mann war ein Pole, der erſt Deutſcher und ſpäter
wieder Pole geworden war; ſie war in Deutſchland geboren und
hatte fünf Kinder. Ihre Söhne waren alſo Deutſche, durch den
Friedensvertrag aber Polen, trotzdem ſie nie ein Wort polniſch
geſprochen hatten. Nach dem Geſetz mußte ſie ihrem Mann
fol=
gen, aber die Kinder weigerten ſich und wurden mit Ausweiſung
bedroht. Ihr Mann hatte die kleinen Söhne geprügelt, darauf
drei Tage ſpäter von einem Trupp polniſcher Terroriſten
miß=
handelt worden, deſſen eines Mitglied man ein paar Tage
dar=
auf halbtot auf dem Felde fand. —
Der Wiener Kongreß hatte mit Herrſchern zu tun gehabt: Rückſprache gehalten. Heute abend wird er ſich mit Beneſch be=
Verſailles legte die Axt an die Wurzeln der Nationalität, Früher gegnen. Au der Unterredung der beiden Staatsmänner, wird
fragte man: Unter welchem Fürſten? So entſchied ſich Danzic auch der ungariſche Außenminiſter teilnehmen. Das Problem der
einſt für Polen, um die wilden teutoniſchen Ritter loszuwerden; ungariſchen Anleihe wird ſomit ſo gut wie geregelt angeſehen.
ſten und typiſchſten proteſtantiſch=deutſchen Stadt auf dem
Kon=
tinent. (S. Carlyles „Friedrich der Große‟.) Der „Korridor”
iſt vielleicht die ſchwerſte Wunde, die je ein Friede offengelaſſen
hat. Ein Franzoſe in Danzig ſagte mir: „Dieſes „Elſaß= aus Tokio wird die zu Wiederaufbau von Tokio
Lothringen” wird noch Jahrzehnte lang bluten.”
kein Polen, kein Rußland gibt; es gibt nur Deutſche, Polen, ſich zur Bildung eines Syndikats zuſammengeſchloſſen, das die
Sympathiekundgebung für die zurückgedrängte Negierung ge= Ruſſen als Kriegsflüchtlinge über ganz Europa verſtreut. Wür= Negierung beim Wiederaufbau der zerſtörten Städte unterſtützen
den die Kartenzeichner Geſchichte vom Raſſenſtandpunkt ſtudieren, ſoll. Das Shndikat wird ſich das über die zur Verfügung
ſtehen=
ſo könnte vielleicht eine praktiſche Löſung gefunden werden.
bannte ſind, ohne Zuſammenhang; ſelbſt die Polen hängen nicht Verſicherungsgeſellſchaften und das Publikum haben bis jetzt
zuſammen. Frankreich hat jetzt angefangen, ſie zu koloniſieren. 50 Millionen Yen zu dem Hilfswerk beigeſteuert. In Oſaka wird
Lille iſt heute eine polniſche Stadt. Das bedeutet, daß Krieg in nach einer weiteren Havas=Meldung offiziell mitgeteilt, daß die
Sozialiſtenführers Igleſias zuſammengetreten und hätten be= der Luft liegt. Napoleon hat ſeine Sache beſſer verſtanden. Er in den heimgeſuchten Gebieten wohnenden Perſonen völlig oder
baute Straßen. Wir bauen Wanderdünen.
Ich hatte ein intereſſantes Geſpräch mit einem einſtmals Unternehmungen befreit werden.
reichen Ruſſen, der zuerſt gegen Rußland kämpfte, weil er das
Zarentum haßte, dann unter dem republikaniſchen Rußland
gegen Deutſchland, und endlich unter Koltſchak gegen den
Bol=
ſchewismus. Zum Schluß hatte er alles verloren und war
Schweizer geworden. „Und Rußland?” fragte ich. „Nußland,” ſich Aufſätze über die innere und äußere Lage Deutſchlands, die
zugrunde gehen. Unſer Feldherr iſt die Zeit. Wir haben die Zeilen lieſt man eine gewiſſe Schadenfreude über den kataſtro=
Oſtſee verloren, wir haben Konſtantinopel verloren. Es iſt gut phalen Sturz der deutſchen Reichsmark. Man rechnet allgemein
ſo. Wir haben jetzt ein nationales Ziel, wenn Marx genügend mit einer Kapitulation der deutſchen Regierung in der
Ruſſen getötet hat, während wir vorher nur ein ſozialiſtiſches Ruhrfrage vor Frankreich. Gleichzeitig geht aus der
bolſche=
int Automobil nach Madrid aufgebrochen, wo er, falls die Auf= Ziel hatten. Ueber Polen regen wir uns nicht auf. Ohne uns iſt wiſtiſchen Preſſe hervor, daß mit großen umwälzungen
jetzt in den Händen der Generäle: Berenger, Cavaleati, Saro denn ſie beſteht lediglich aus Ueberbleibſeln und Anzeichen. Man Internationale und der Noten Gewerkſchaftsinternationale zu
ſpricht nur über dieſe oder jene Ausnahmeerſcheinung. Alle ſtim= den kommenden Ereigniſſen bereit ſind.
V n nnnn nnnn n nmnmnnmngn mnnnn mn nnnn gmmmmn mnmngnnn mmmmnmmmng
Wirklichkeitsſtil ausgebildet wurde, offenbart ſich hier in ihrem auch noch andere wichtige Funde gemacht, ſo eine reich bemalte
ganzen Reichtum. Blumen des Landes und des Meeres ſind Kanne, ein ſteinerner Schöpflöffel und anderes. Es iſt
bemer=
zwiſchen Felſen dargeſtellt, und bei den Steinformen hat man kenswert, daß dieſer reiche Schmuck aus dem verhältnismäßig
Intarſiawerk kopiert, wie wenn die Felſen aus Edelſteinen, z. B. kleinen Hauſe eines gewöhnlichen Bürgers ſtammt. Nichts ver=
Agath. Sardonix, Malachit uſw., zuſammengeſetzt wären. In mag eine beſſere Anſchauung von der hohen Kulturblüte zu
den Seeſtücken ſieht, man zwiſchen glatten Steinen und geben, die ſich in Kreta zu Anfang des 16. vorchriſtlichen
Jahr=
goldenem Sand Korallen und Schwämme, ſowie verſchie= hunderts entfaltet hatte.
dene Arten von Meduſen und anderen Meerespflanzen. Manche
Pflanzen ſind von den Künſtlern in kühner Weiſe umgeformt,
ſodaß mit den Blättern, der einen Pflanze die Blüten einer
andern verknüpft ſind, wodurch ganz phantaſtiſche Formen
ent=
ſtehen. Büſchel von verſchiedenfarbigen Krokuſſen und Lilien
ſind genau zu erkennen, ebenſo eine weiße Blume mit ſpitzen
Blumenblättern, die unzweifelhaft Pancratica maritimum iſt.
Sodann laſſen ſich Iris feſtſtellen, Wicken, Sternblumen, in empfangen. Eine tauſendköpfige Menſchenmenge erwartete uns
Ephen und andere Kletterpflanzen, kurz eine Flora, die die Bahnhofsreſtauration geleitet. Es blieb kein Auge tränenleer,
intereſſanteſten botaniſchen und klimatologiſchen Fragen eröffnet. Ein Vertreter der württembergiſchen Regierung und andere hiel=
Eine: Szene enthält in der Mitte auf einem Felſen einen ten patriotiſche Reden, die von den Eiſenbahnern und der
blauen Vogel, während an der Seite ein Roſenbuſch in voller Menge mit Begeiſterung aufgenommen wurden. Mit Worten
Blüte ſteht, zweifellos die älteſte Roſendarſtellung, läßt ſich dies überhaupt nicht ſchildern. Wir waren hierauf nicht
die es gibt. Die Blütenkrone, der der Künſtler ſechs Blumen= vorbereitet. Die Schwaben ſind deutſch bis auf die Knochen.
blätter gegeben hat, iſt von goldener Färbung mit einem ge= Bis Mitwoch blieben wir in Stuttgart. Am Donnerstag
fuh=
ſprenkelten roten Innern, Uieberraſchend iſt auch die Darſtellung ren wir nach Tailfingen. Hier empfing uns der Pfarrer, der
eines Springbrunnens, des erſten, dem wir in der Kunſt= Schultheiß und der Fabrikant Hackemüller. In einem Hotel war
geſchichte begegnen. Nicht minder bedeutſam ſind die Tiere der der Mittagstiſch gedeckt. Es koſtete uns keinen Pfennig, und ſo
Fresken, und beſonders die Affen, unter denen die Gattung eſſen wir noch heute dort, ohne daß man uns bezahlen läßt. Es
Cercopitheeus genau feſtzuſtellen iſt. Dieſe Affen werden nicht iſt eben nichts zu machen. Der Schultheiß hat der Wirtin ſtrenge
näher an Kreta als im Sudan gefunden, und es iſt anzunehmen, Anweiſung gegeben, uns kein Geld abzunehmen. Der Fabrikant
daß die kretiſchen Prieſterkönige ſie von den Pharaonen als Hackmüller hat uns eine vollſtändig neu ausmöblierte Drei=
Geſchenk erhielten. Ihre charakteriſtiſche und ſichere Darſtellung zimmerwohnung mit Küche zur Verfügung geſtellt. Dauernd
zeigt, daß die kretiſchen Künſtler mit den Tieren ſeit langem laufen Liebesgaben für uns ein, ſo daß es uns beinahe
unheim=
vertraut waren. Für den engen Zuſammenhang der kretiſchen lich wird in dem Gedanken, wie man dies den Leuten wieder
zwei Speeven bewaffneter, in ein geſticktes Kleid und eine ſchwarze Schwaben. Es iſt einfach nicht zu beſchreiben. Wenn es gegen
machen läßt. Dieſe Soldaten, von denen zwei Figuren erhalten Nächſte Woche werde ich mich zum Dienſt in Ebingen, was
un=
ſind, haben kohlſchwarze Haut. Minos hatte alſo Neger gefähr eine Viertelſtunde Bahnfahrt von hier entfernt iſt,
mel=
als Söldner in ſeinem Dienſt, die von der gegenüberliegenden den. Hier iſt es ſehr kalt. Tailfingen liegt ungefähr 850 Meter
libyſchen Küſte kamen, und von ihm gegen ſeine Feinde in Grie= hoch. Die Gegend iſt unfruchtbar, weswegen hier in der
Haupt=
chenland verwendet wurden. Außer dem Freskenſchmuck zeigte ſache Induſtrie iſt. Die Fabrikanten ſind ſteinreich. Sie wiſſen
bis zu 13 cm hohe Buchſtaben in leuchtender Orangefarbe ſorg= Euch ein ungefähres Bild von unſerem unfreiwilligen
Aufent=
fältig aufgemalt waren. Die Schrift zeigt bereits einen fortge= halt hier machen. Die Sache wird hoffentlich nicht allzulange
ſchrittenen linearen Charakter und enthielt wohl Anrufungen an dauern, denn für immer würde es uns doch hier nicht gefallen,
eine Hausgöttin, deren Kult auch ſonſt in minoiſchen Wohnun=
men Wberein daf ein Eungben, in dem S. 5 Zol. Min. 1u1
Sprachgrenzen gibt, die ganze Lebenshaltung auf eine niedrigere
Stufe bringen muß, aber daß es noch zu früh iſt, darum zu
kämp=
fen. Diplomatie iſt nichts als Nachkriegs=Finanzwirtſchaft.
Die Frage iſt: Werden die Deutſchen Deutſche bleiben, die
Ruſſen Nuſſen? Das hängt von den Frauen ab. Der Kompf
um Sprache und Selbſtbeſtimmung wird in der Familie
ausge=
fochten. Nationalität wird nicht mehr von Fürſten beſtimmt,
Das gedruckte Wort iſt die Zaubermacht, und darum ſind die
Konſulate angefüllt mit weinenden Frauen, die ſich weigern,
ihre Nationalität aufzugeben. Ein typiſcher Fall iſt die Ukraine,
Der Kampf um die rutheniſche Sprache — eine Miſchſprache
hat Sowjetrußland geſpalten. Sein Einfluß reicht bis weit im
Polen und die Tſchechoflowakei hinein; dies künſtliche
lite=
rariſche Experiment hat 39 Millionen Ruſſen geeinigt. In
die=
ſem durch die Sprache zuſammengeſchmiedeten Slawentum können
wir ſchon die Keime eines neuen Rußland erkennen, das ohne
Zweifel nach Weſten und in den Weſten hineinwachſen wird,
Seine Flagge iſt die Sprache; ſeine Offiziere ſind Gelehrte: ſeine
Feldherrn ſind die Mütter; ſein Kriegswerkzeug iſt die Wiege.
Die nächſte große Gefahr iſt vielleicht das weiße, neu
aufgeſchloſ=
ſene demokratiſche Rußland.
Polen hat die deutſchen, öſterreichiſchen und zariſtiſchen
Me=
thoden überlebt — durch ſeine Frauen. Sollten die Deutſchen
und Ruſſen weniger zäh ſein?, Fragt die europäiſchen Konſuln!
Auf dem Gipfel des Hügels bei Lemberg, von dem aus der
öſterreichiſche Generalſtab 1914 die für Oeſterreich ſo unheilvolle
Schlacht leitete, zeigte mir ein polniſcher Profeſſor ein paar
Blumen, die die Ruſſen gepflanzt hatten. Die Ruſſen kamen,
dann kamen wieder die Oeſterreicher, 1918 entwaffneten polniſche
Jünglinge die öſterreichiſchen Offiziere auf der Straße. Sie
ſagten „Geht!”, und die Oeſterreicher gingen, und Frauen mit
Kindern auf dem Arm nahmen die Waffen auf. Das empfehle
ich der Aufmerkſamkeit des Völkerbundes als 15. und nicht
un=
wichtigſten Punkt.
Oeſterreich.
Wien, 15. Sept. (Wolff.) Aus den Beſprechungen, die der
Generalkommiſſar Dr. Zimmermann mit dem Vertreter der
italieniſchen Negierung und den Vertretern franzöſiſcher
Obligatio=
näre der Südbahngeſellſchaft über das
Südbahnabkom=
men hatte, ergaben ſich verſchiedene weſentliche Erleichterungen
für Oeſterreich in bezug auf die Laſten, die ihm aus dem in Nom
geſchloſſenen Uebereinkommen erwachſen waren. Auf Grund der
erzielten Ergebniſſe teilte der Generalkommiſſar der
öſterreichi=
ſchen Niegierung mit, daß er ſeinerſeits gegen die Ratifizierung
des SüdbahnAbkommens durch den Nationalrat keine weiteren
Einwendungen zu erheben habe.
Die Anleihe=Bemühungen des Grafen Beihlen
C. Genf, 15. Sept. Graf Bethlen hatte heute früh mit
Gr
A
Mitgliedern des Völkerbundes über die Anleihe für ungarn
Japans Wiederaufbau.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Havas=Meldung
und Yokohama erforderliche Summe auf annähernd 10.
Die Geſchichte zeigt, daß es in Wahrheit kein Deutſchland, Milliarden Yen geſchätzt. Sämtliche Banken Japans haben
den Kapitalien hinaus erforderliche Geld durch eine auswärtge
Die Folge iſt, daß Deutſche und Ruſſen nichts als Ver= und eine innere Anleihe verſchaffen. Die japaniſchen Banken und
teilweiſe von der Einkommenſteuer und der Steuer auf die
Die bolſchewiſtiſche Preſſe über die Lage Deutſchlands.
In der geſamten bolſchewiſtiſchen Preſſe Rußlands finden
ſagte er, „geht nicht zugrunde, auch wenn noch ſo viele Ruſſen übereinſtimmend als troſtlos bezeichnet wird. Zwiſchen den
in Deutſchland gerechnet wird, und daß die Sowjetregierung
Es iſt ſinnlos, im heutigen Europa über Politik zu reden, und ihre Beauftragten, das Exekutivkomitee der kommuniſtiſchen
Brief eines Ausgewieſenen.
Nachfolgender Brief eines ausgewieſenen
Eiſen=
bahnbegmten wird uns aus unſerem Leſerkreis zur
Verfügung geſtellt:
In Stuttgart wurden wir von der Reichswehrkapelle
einem Fall merkwürdig mit glockenförmigen Blüten verbunden, und unter den Klängen eines deutſchen Liedes wurden wir zur
Kultur mit Afrika ſpricht auch ein Fresko, auf dem ein mit gutmachen ſoll. Eine Stimmung herrſcht überhaupt unter dieſen
Ziegenfellmütze gekleideter Hauptmann ſeine Truppe Dauerlauf die Franzoſen ginge, von dieſen Leuten bliebe keiner zurück.
das Haus dieſes kretiſchen Bürgers auch Inſchriften, deren nicht, wie ſie ihr Geld unterbringen ſollen. So, nun könnt Ihr
Eyer Kurt
Mit den beſten Grüßen 1447.
A
[ ← ][ ][ → ]Nummer 256.
nd 10
japans habet
n, das 9
jte umterfit
ügung
ſtiſk=
e auswät
Un
ch ſo un
efeſſor ein
Ruſen Im
fineten boll
r Straße
und Fraun ”
Das emti
und nicht
iem Vertetn.!
ſiſcher
Oblign=
bahnablon
Erleichterung
aus dem in hir
Auf Grund?
der öſtenut
die Ratifiziern.
ſt keine weim
fen Beiſie
heute früh m
für Undm
it Beneſch
ner vi
Das vorläufige Ergebnis der Goldanleihe.
* Berlin, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Wie von zuſtändiger
Stelle mitgeteilt wird, beträgt das vorläufige Ergebnis der
Goldanleihe 75 Millionen Goldmark. Das Ergebnis,
das ſich unmitdelbar vor Zeichnungsſchluß durch die Erfaſſung
der Deviſen noch erhöhen wird, wird als befriedigend bezeichnet.
Sofort nach Schluß der Zeichnung wird der Börſenhandel in die
Wege geleitet. Im Gegenſatz zu den Dollarſchatzanweiſungen
wird der Kurs der Goldanleihe an fünf Tagen der Woche, mit
Ausnahme des Samstags, gehandelt. Etwa 3000 Sparkaſſen, die
der Girozentrale angeſchloſſen ſind, werden ihre Goldkonten auf
Grund der Goldanleihe fortlaufend berichtigen. Durch
Verein=
barungen mit den Banken iſt Vorſorge getroffen, daß dieſe für
den Handel mit Goldanleihe nur die für die Staatspapiere
üblichen Proviſionen berechnen. Die Regierung wird
außer=
dem dafür ſorgen, daß der Kurs der Goldanleihe ihrem inneren
Wert nach in Parallele mit dem Dollar gehandelt wird.
Wiederum neue Poſigebühren.
TU. Berlin, 15. Sept. Geſtern abend wurde im
Reichs=
poſtminiſterium beſchloſſen, die Telegramm= und
Telephongebüh=
ren, die am morgigen Tage in Kraft treten ſollen, infolge der
weiteren Währungsverſchlechterung nochmals zu verdoppeln. Es
koſtet alſo von morgen ab ein Telephongeſpräch bis 5 Km.
500 000 Mk. Die Telegramm=Grundgebühr beträgt 800 000 Mk.
für Ferntelegramme und 400 000 Mk. für Ortstelegramme, die
Wortgebühr 400 000 Mk. für Ferntelegramme und 200 000 Mk. für
Ortstelegramme.
Wertbeſtändigkeit im Gerichtsweſen.
* Berlin, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Der Rechtsausſchuß des
Reichstages genehmigte den Entwurf einer zweiten Verordnung
zur Entlaſtung der Gerichte. Es wird für die Zuſtändigkeit der
Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten eine Erhöhung
der bisher geltenden Wertgnenze um das rund 150fache, für die
Reviſionsſumme um das 200fache und für die übrigen
Wert=
grenzen im entſprechenden Maße vorgenommen. Die Verordnung
tritt am 1. Oktober in Kraft. Reichsjuſtizminiſter Dr. Radbruch
erklärte, daß das Reichsfinanzminiſterium demnächſt zu den
wertbeſtändigen Abgrenzungen übergehen werde unter der
Vor=
ausſetzung, daß dieſe Maßnahme durch die geplante
Währungs=
reform nicht überholt ſein wird. Darauf vertagte ſich der
Ausſchuß.
Proletariſche Hundertſchaften in Mannheim.
Mannheim, 15. Sept. (Wolff.) Wie die Arbeiterzeitung
mitteilt, ſoll bei der Firma Benz (neues Werk), Mannheim,
eine Betriebsverſammlung einſtimmig beſchloſſen haben, ſofort
proletariſche Hundertſchaften auszubilden. Nach einer
Mittei=
lung des Arbeiterrats ſei von der Betriebsverſammlung der
Arbeiterrat mit der Organiſation der proletariſchen
Hundert=
ſchaften beauftragt worden. Wie der Arbeiterrat weiter mitteilt,
ſei durch die Staatsanwaltſchaft die Bekanntmachung des
Ar=
beiterrats, die den Beſchluß der Bildung der proletariſchen
Hundertſchaften kundgab, mit ſcharfen Worten kritiſiert worden.
Die „Volksſtimme” bemerkt dazu, wenn die Staatsamwaltſchaft
dies getan habe, hätte ſie in Uebereinſtimmung mit der badiſchen
Regierung (und zwar aus beſten Gründen) auf dem Standpunkt
geſtanden, daß die geſamten Selbſtſchutzorganiſationen,
gleich=
gültig, ob rechtsradikal oder von Kommuniſten organiſiert, nicht
geduldet werden könnten.
Die Beuthener Unruhen.
Hauptbahnhof zu Anſammlungen. Aus der Menge fielen Erbach zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt Heppenheim
Schüſſe, die von der Schupo erwidert wurden; doch wurde
nie=
mand verletzt. Schupoſtreifen und Panzerautos ſperrten, den
Bahnhofsplatz ab und alle Zugangsſtraßen nach dem Ring.
Beendigung des Leipziger Bankbeamtenſtreiks.
TU. Leipzig, 15. Sept. Der Streik im Leipziger
Bank=
gewerbe, der ſich im Geſchäftsleben ſchon ſehr fühlbar machte, iſt
beendet. Nach mehrſtündigen Verhandlungen in der Kreishaupt= ab in gleicher Dienſteigenſchaft und als Lehrförſter in die Forſtwartei
mannſchaft iſt eine Verſtändigung erzielt worden. Die Leipziger
Bauken haben ſich bereit erklärt, über dieſe Abkommen hinaus= der ordentliche Profeſſor in der juriſtiſchen Fakultät der
Landesuni=
gehend die Verrechnungen der zur Auszahlung gebrachten
Zu=
ſchüſſe erſt nach Feſtſetzung des endgültigen Septembergehaltes
vorzunehmen Die Bankangeſtellten haben hierauf die Arbeit am
Freitag nachmittag bereits wieder aufgenommen.
Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.
Seite 3.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 16. September.
Deutſche Notgemeinſchaft.
Deutſchlands Schickſalsſtunde naht heran. Mit unſagbarem
Druck auf unſere Volksgenoſſen an Ruhr und Rhein ſucht
Frank=
reich uns zu reſtloſer Unterwerfung zu zwingen, und der
Mark=
ſturz mit ſeinen vernichtenden Folgen für Volkswohlfahrt und
Volksmoral geht immer raſcher von einer ungeahnten Tiefe zur
anderen. Es wird wohl nur noch wenige Volksgenoſſen geben,
die ſchlafen und träumen: es iſt bisher gegangen, es wird auch
weiter gehen — um dann an einem Donnerſchlag, der ſie trifft,
zu erwachen! Die meiſten fragen ſich ſorgenvoll: wie ſoll das
enden? Und ſchon rüſten ſich viele auf die Loſung „Rette ſich,
wer kann” — als ob es noch einen Weg zur Rettung gebe, wenn
der Boden unter unſeren Füßen einbricht. Es gibt aber auch
Menſchen, und nicht wenige, die ſich freuen, wenn der
Zuſam=
menbruch kommt. Das ſind nicht nur die, denen 20 Millionen
Deutſche zu viel leben; es ſind auch „Deutſche” darunter: die
Schlauen, die ihre Suppe an jedem Feuer zu kochen wußten, an
dem des Krieges wie der Revolution und der allgemeinen
Ver=
elendung, und die Wahnſinnigen, die lachen beim Anblick ihres
brennenden Hauſes und ſelber noch Oel in die Flammen gießen,
weil ſie glauben, daß aus der Brandſtätte von ſelbſt ein
wunder=
bares Feenſchloß heraufwachſen werde. Alle, die noch halbwegs
bei Sinnen ſind, müſſen ſich eindringlich die Frage vorlegen, wie
ſie nachher auf den Trümmern ihr Leben friſten und mit ihren
Volksgenoſſen weiterhin zuſammenleben wollen. Jede
mutwil=
lige Zerſtörung von Gütern und Menſchenleben häuft die
Er=
bitterung und gefährdet den Aufbau. Darum iſts nicht nur
wahn=
ſinnig, es iſt frevelhaft, mit dem Gedanken des Bürgerkriegs zu
ſpielen. Es gibt keinen anderen Weg zur Rettung
und zum Aufſtieg als ausdauernde, entſagungsvolle Arbeit,
ausgleichende Gerechtigkeit und ſoziale Hilfe und opferbereiten,
verſöhnenden Zuſammenſchluß zur deutſchen
Not=
gemeinſchaft! Der zerfleiſchende Parteihader ſollte
end=
lich verſtummen vor der Einſicht, daß wir Laſt, Schuld und
Schickſal unſeres Volkes gemeinſam tragen müſſen, und jeder
ſollte jetzt erkennen, daß Selbſtſucht nichts anderes iſt als
Selbſt=
entehrung und Selbſtmord. Dazu aber bedarf es einer innerſten
Erneuerung unſeres geſamten Volkslebens. Mit vollem Recht
hat der Reichskanzler erinnert an das Wort König Friedrich
Wilhelms III. nach der zerſchmetternden Niederlage Preußens
von Jena im Jahre 1806: „Was wir an wateriellen Kräften
verloren haben, müſſen wir an ſittlichen Kräften
ge=
winnen.‟ Dieſer Loſung läßt ſich ohne Unterſchied der
Par=
tei und Klaſſe zuſtimmen und nachleben. Ob’s aber nicht ſchon
zu ſpät iſt? Ob wir nicht trotz Aufbietung aller Kräfte in den
Abgrund ſtürzen? Niemand weiß, was die nächſten Wochen
Zweiſel lähmen laſſen. Dürfen die Geſchwüre weiter freſſen,
wird die Operation abgelehnt, weil ſie mißlingen kann, ſo iſt
bis zum Aeußerſten anzuſpornen? Gibt es neben dieſer Gewiß= meroper, das bereits für Dienstag, den 25. September, im
Wert des Guten und den Sinn des Leidens, an ſeine eigene
nicht gewachſen, die ihm aufgelegt ſind und werden; namentlich ſtadt geben. Joachim von der Goltz, der kraftvollſte
Ver=
aber kann es jetzt weniger als jemals in ſeiner Geſchichte die treter deutſcher Dramatik, der vielumſtrittene und vielgefeierte
frohe Botſchaft von der Verſöhnung und der Wiedergeburt
ent=
behren, die ihm das Chriſtentum gebracht. Rufen wir darum in
einer Stunde ſchwerſter Verantwortlichkeit jedem Volksgenoſſen köſtlichen Werte der deutſchen Dichtung der Romantik ſoll ein
das Wort eines Ernſt Moritz Arndt zu, des Leidensgenoſſen
tiefſter Erniedrigung Deutſchlands und Mitarbeiters einer
kraft=
vollen Auferſtehung: „Am Himmel und am Vaterland
ſoll man niemanls verzweifeln!“
bel, bis zur Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit mit Wirkung vom
1. Oktober 1923 unter Anerkennung ſeiner dem Staate geleiſteten
Dienſte.
— Erledigt iſt eine Lehrerſtelle für einen evangeliſchen Lehrer an
der Volksſchule in Alsfeld. Dienſtwohnung iſt nicht vorhanden,
Woh=
nung für einen verheirateten Lehrer kann auch vorläufig nicht beſchafft
werden.
Der zum Kaiſerlich Japaniſchen Generalkonſul in Hamburg
er=
nannte Herr Shiro Hanaoka, dem das Reichsexequatur erteilt
wurde, iſt zur Ausübung konſulariſcher Dienſtverrichtungen im
Volks=
ſtaat Heſſen zugelaſſen worden.
— Kindergärtnerinnen=Prüfung. Freitag, den 14. September,
fand im Kindergärtnerinnen=Seminar des Alicevereins für
Frauen=
bildung und Erwerb die ſtaatliche Prüfung der Kindergärtnerinnen
ſtatt. Die acht Anwärterinnen beſtanden die Prüfung. Die Ausſtellung
der Handfertigkeitsarbeiten derſelben iſt Sonntag und Montag
vor=
mittag im Seminar, Martinſtr. 28, geöffnet. Der neue Kurs beginnt
im Oktober.
Steuerabzug, Bewertung der Sachbezüge. Wir verweiſen auf
die im amtlichen Teil veröffentlichte Bekanntmachung, wonach die
Er=
mäßigung beim Steuerabzug nach 8 46 Abſ. 2 des
Einkommenſteuer=
geſetzes und die Bewertungsſätze für Sachbezüge mit Wirkung vom
16. September 1923 ab verdoppelt werden. Für land= und
forſtwirt=
ſchaftliche Bezüge gelten beſondere Wertſätze, die bei den Finanzämtern
zu erfahren ſind. Nachſtehendes Zahlenbeiſpiel ſoll als Anleitung
dienen:
a) bei weiblichen Hausangeſtellten
b) bei Hauslehrern
monatlicher Barlohn
38 400 000 ℳ. 120 000 000 ℳ
Geldwert der freien Station . . . . 38800 000 „ 48000 000
zuſammen:
Hiervon 10 v. H.:
Ermäßigung ab 16. September 1923:
für Pflichtigen ſelbſt
720 000 ℳ
für Werbungskoſten . . . 6 000 000 „ 6 720 000
67 200 000 ℳ 168 000 000 ℳ.
672000 „ 16800 000
— Ernannt wurden: am 7. September: Heinrich Arnold aus
Waldmichelbach i. O. zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
Veuthen, 15. Sept. (Wolff.) Geſtern abend kam es am Alzey mit Wirkung vom 19. Mai 1923, Johann Peter Lulay aus
mit Wirkung vom 2. Juni 1923, Friedrich Diegel aus Ehringshauſen,
Kreis Alsfeld, zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
Gießen mit Wirkung vom 26. Juni 1923, und Leonhard Philipp Rapp
aus Habitzheim zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
„Philippshoſpital” zu Goddelau mit Wirkung vom 3. September 1923
an: Steuerpraktikant Georg Seibert zu Oppenheim zum
Oberſteuer=
ſekretär.
— Verſetzt wurde: am 11. September 1923 der Förſter der
Forſt=
wartei Schönbrunn, Ernſt Heller zu Schönbrunn, vom 1. April 1923
Schotten=Süd der Oberförſterei Schotten.
— Aus dem Staatsdienſt entlaſſen wurde: am 10. September 1923
verſität Gießen, Dr. Adolf Zycha, auf ſein Nachſuchen mit Wirkung vom
1. Oktober 1923 an.
— In den Ruheſtand verſetzt wurde: am 7. September 1923 der
Oberaſſiſtent bei der Staatsanwaltſchaft Darmſtadt, Ludwig Schrö=
6 720000
Steuerabzug:
10 080 000 ℳ
Die neuen Steuergeſetze. Vom Finanzamt wird uns geſchrieben:
„Es ſind in den letzten Tagen von Berufsverbänden und aus
Berufs=
kreiſen aller Art zahlreiche Eingaben und Proteſte gegen die
Durch=
führung der neuen Steuergeſetze beim Reichsfinanzminiſterium
ein=
gegangen. Zum großen Teil wird darin Abänderung der einzelnen
Geſetze oder wenigſtens Hinausſchiebung der Zahlungsfriſten vor der
Durchführung der Steuer verlangt. Das Reichsfinanzminiſterium
nicht in der Lage, dieſe Geſuche im einzelnen zu beantworten.
Statt=
geben könnte es überdies den Wünſchen doch nicht, da es als
Verwal=
tungsbehörde lediglich die Aufgabe hat, die von dem Reichstag übrigens
einſtimmig angenommenen Geſetze beſchleunigt zur Durchführung zu
bringen. Außerordentlichen Härten im Einzelfall wird im Rahmen
der beſtehenden Geſetze Rechnung getragen werden. Eine große Reihe
Steu=rbflichtiger hat ferner unmittelbar beim Reichsfinanzminiſterium
um Stundung oder Erlaß nachgeſucht. Dieſe Geſuche ſind den
Landes=
finanzämtern zur zuſtändigen Erledigung überſandt worden. Es wird
aber darauf hingewielen,, daß durch die Einreichung ſolcher Geſuche
die Verpflichtung zur Zahlung nicht aufgeſchoben wird und daß im
Falle der Ablehnung der Geſuche die Folgen der verſpäteten Zahlung
(Zuſchläge uſw.) nicht vermieden werden. In dieſem Sinne ſind auch
die Geſuchſteller vom Reichsfinanzminiſterium vorbeſchieden worden.”
— Die Freie Literariſch=Künſtleriſche Geſellſchaft hat für dem
bringen, aber ſicher ſind wir verloren, wenn wir uns durch dieſe kowmenden Winter ein hervorragendes Programm aufgeſtellt.
Mit den Schätzen der Vergangenheit verbindet ſich die
Einfüh=
rung in die jüngſte Kunſt der Gegenwart. Der Spielplan wird
der Tod gewiß. Genügt das nicht, um uns zur Pflichterfüſlung eröffnet durch ein Geſamtaaſtſpiel der Münchener
Kam=
heit von ſchneidendem Ernſt noch eine hoffnungsvolle? Das iſt Kleinen Haus des Landestheaters vongeſehen iſt und die
Auf=
eine Frage des Glaubens. Ohne den Glauben an den führung der reizenden Opern „Die Magd als Herrin” von
Per=
goleſe und „Der Schauſpieldirektor” von Mozart bringen wird.
weltgeſchichtliche Bedeutung und Zukunft, ohne echtes Gottver= Als eine der begabveſten unter den jüngeren Tänzerinnen wird
tnauen iſt unſer Volk auf die Dauer den Opfern und Prüfungen, die 17jährige Trude Moos einen erſten Tanzabend in Darm=
Dichter des Friederieus=Schauſpiels „Vater und Sohn” hat
zu=
geſagt, über „Die Wiedergeburt des Glücks” zu ſprechen. Die
„Romäntiſcher Abend” leuchten laſſen, zu dem ſich
Wil=
helm Michel und Eliſabeth Stieler, die beliebte Heldin des
Landestheaters, vereinigen. Heitere Volkskunſt bringen Robert
Kothe und Lies Engelhardt auf der Laute. Vilma
Mönckeberg=Hamburg, die ſo reizvoll Märchen zu erzählen
weiß und ſich vor zwei Jahren die Herzen gewann, wird ihren
Beſuch wiederholen. In die Gebiete der Kunſt und Philoſophie
ſollen Vorträge von Profeſſor Hans Weichelt=Marburg
(Nietzſche=Zarathuſtra) und Dr. Zeh=Heppenheim einführen.
Das reichhaltige und wertvolle Programm dürfte einen ſtarken
Andrang zu dem außergewöhnlich billigen Abonnement
bewir=
ken. Anmeldungen nimmt die Buchhandlung A. Bergſträßer,
Rheinſtraße 6, entgegen. (Siehe Anzeige.)
— Führertagungen des Evangeliſchen Reichs=Elternbundes. Auf
einer Führertagung am 19. September in Quedlinburg wird der Eo.
Neichs=Elternbund zur ſchulpolitiſchen Lage Stellung nehmen und ein
Aktionsprogramm beſchließen. Daran anſchließend treten am 20.
Sep=
tember die Vertreter des Wartburgbundes Deutſcher Volkshochſchulen
(Geſchäftsſtelle beim Evang. Preßverband für Deutſchland, Berlin=
Steglitz, Beymeſtraße 8) in Quedlinburg zu einer erſtmaligen
Aus=
ſprache zuſammen. Am 21. Sevtember tagt ebendort der
Geſchäfts=
führende Ausſchuß des Evang. Preßverbandes für Deutſchland.
e. Stadtmiſſion. Heute Vormittag 9 Uhr wird wiederum eine
Wald=
andacht gehalten und zwar an den Hirſchköpfen. Die Anſprache hält
Miſſionskandidat Neuber.
Die Münchener Kammeroper in Heſſen.
— Der Zentralſtelle für Volksbildung und Jugendpflege iſt
B gelungen, die Münchener Kammeroper für eine Gaſtſpielreiſe
m Heſſen zu gewinnen. Das Unternehmen wird für die Kunſt=
Eflege unſeres Landes von außerordentlicher Bedeutung ſein.
Die Münchener Kammeroper iſt eine kleine Geſellſchaft von
Be=
rufsſängern und Muſikern, die mit leichbeweglichem Apparat
von Ort zu Ort reiſt und Vorſtellungen gibt. Sie hat ſich zur
Aufgabe geſetzt, in vollendet küinſtleriſcher Weiſe, die den
muſi=
kaliſchen Darbietungen der ſtehenden Theater nichts nachgibt, das
Singſpiel und die heitere Oper zu pflegen. Ihre Arbeit iſt von
vollem künſtleriſchem Verantwortungsgefühl getragen. Sie legt
Wert auf ſorgfältige Regie, vorzügliche Orcheſterleiſtung (unter
Leitung eines Kapellmeiſters: zwei Violinen, Bratſche, Cello,
Klavier und Harmonium) und ſelbſtverſtändlich auf vollendet
durchgebildete Sangeskräfte. Bei dieſem erſten Kommen
er=
ſcheint von Pergoleſe die entzüchende „Serva padrona” (Die
Magd als Herrin) und von Mozart das reizende Singſpiel „Der
Schauſpieldirektor”, alſo Meiſterwerke heiterer Kunſt, die eine
entzüchende Rokokolinie einzuhalten wiſſen, beſeelt von allen
guten Geiſtern der Anmut, der ſchalkhaften Laune, der
ſieg=
reichen, leuchtenden Heiterkeit. In allen Städten, die die
Münche=
ner Kammeroper bisher bereift hat (Bayern, Deutſchöſterreich
und Tſchechoſlowakei) gab es nur eine Stimme der
unein=
geſchränkten Dankbarkeit und freudigſten Anerkennung.
Für Heſſen bedeutet das Gaſtſpiel der Kammeroper eine
Fortſetzung der Arbeit der Heſſiſchen Landeswanderbühne, eine
wertvolle Ergänzung der Schauſpielaufführungen, die auch in
dieſem Winter durch unſere ſtehenden Bühnen in
Zuſammen=
arbeit mit der Zentralſtelle ins Land hinausgetragen werden
ſollen. Mit Operndarbietungen war bisher die Provinz noch
viel kläglicher bedocht, als mit Darbietungen des Schauſpiels.
Opernkunſt, zumal in ausgezeichneter Darbietung, iſt ihr faſt
noch nie gezeigt worden. Es gereicht der Zentralſtelle zur
aufrich=
tigen Genugtuung, daß ſie dieſe Lücke endlich auszufüllen
ver=
mag. Wohl wiſſend, daß die Zeit ſchwer auf den Gemütern
laſtet und die Genußfreudigkeit beeinträchtigt, hält die
Zentral=
ſtelle gerade wegen der Schwere der Zeit es für ihre Pflicht,
alles zu tun, um wenigſtens für kurze Stunden reinſten
Genuſ=
ſes und ungetrübter Heiterkeit Leid und Sorgen des Alltags
vergeſſen zu machen. Die Erfahrungen, die ſie ſeit Jahren bei
Erfüllung dieſer Pflicht wachen durfte, ermutigt ſie, auf dieſem
Wege fortzufahren; ſie weiß ſich der Empfänglichkeit und
Dank=
barbeit der Volksgenoſſen ſicher.
Das Gaſtſpiel wird ſtattfinden in Darmſtadt, Offenbach,
Bensheim, Viernheim und Michelſtadt in der Zeit vom 24. Sep=
tember bis 29. September dieſes Jahres. Oberheſſen und, wenn
möglich, Rheinheſſen ſollen im nächſten Frühjahr Gelegenheit
er=
halten, die Münchener Kammeroper kennen zu lernen.
C.K. Das höchſte Hotel. Das höchſte Hotel der Welt und
zugleich eines der großartigſten, die es überhaupt gibt, wird jetzt
in der Nähe des Gipfels der Jungfrau errichtet werden. Die
Grundmauern werden gegenwärtig aus den Felſen des
Jung=
frau=Joches in einer Höhe von 11 840 Fuß herausgehauen. Ein
kurzer Fußpfad, der durch einen Tunnel geht, wird von der
Jungfrau=Bahn zu dieſem neuen Gebäude geführt werden. In
dem Hotel auf der Jungfrau wird alles elektriſch betrieben:
Kochen, Heizen, Reinigen, Beleuchtung und natürlich auch
Tele=
graphie und Telephonie. Man wird alſo in dieſer Region des
wigen Schnees imſtande ſein, durch drahtloſe Telephonie ein
Konzert zu hören, das von der Sendſtation einer Großſtadt
ver=
breitet wird. Das Hotel wird in den Berg hineingebaut, deſſen
Felſen Rückwand und Seitenwände des Gebäudes bilden. Man
wird von dem Hotel die großartigſte Ausſicht über die
Rieſen=
erhebungen des Berner Oberlandes genießen und über das
weite Schneefeld des Aletſch=Gletſchers hin die Alpiniſten
beob=
achten können, die, mit ihren Führern angeſeilt, zu der
Konkordia=
hüte hinter dem Schreckhorn oder zu der kleinen Bergli=Hütte
emporkraxeln.
C.K. Die neueſten Pelzmoden. Der Pelz wird in dieſem
Winter eine noch größere Beliebtheit finden, als in allen
frühe=
ren Jahren. Am modernſten ſind hellfarbige Pelze, und nach
ſolchen hellen Pelzen iſt die größte Nachfrage. Herwelin wird
ſehr viel getragen werden, beſonders zur Abendtoilette, und
Hermelinmäntel, =Jacken und =Stolen bedeuten die höchſte
Ele=
ganz. Viel verarbeitet wird auch chineſiſches Kaninchen, ein
Er=
ſatz für Hermelin. Andere Pelzarten, die in erſter Linie modern
werden, ſind kanadiſcher Nerz, Kolinsky, Zobel und Chinchilla.
Der letztere Pelz iſt gegenwärtig außerordentlich ſelten, ſo daß
ein Chinchillamantel von Londoner Firmen mit 3500 Pfund
be=
rechnet wird. Aſtrachan wird zu langen Mänteln verarbeitet, die
bis über die Fußknöchel reichen. Man trägt die Pelzmäntel
ent=
weder ganz lang oder aber ſo kurze Pelzjacken, daß ſie nur bis
an die Taille reichen.
C.K. Stiefel muß ſterben . . . „Stiefel muß ſterben, iſt noch
ſo jung, jung, jung!‟ Dieſes altbeliebte Studentenlied, das in
weiten Kreiſen geſungen wird, iſt ſeinem „tieferen Sinne” nach
ſo dunkel, daß man es in die Klaſſe des „höheren Blödſinns”
eingereiht hat. Die Entſtehung des Liedes hat aber eine ſehr
ernſte Veranlaſſung, wie in „Ueber Land und Meer” mitgeteilt
wird. Zu Luthers Zeiten lebte in der Nähe von Witzenberg ein
Pfarrer Stiefel, der 1533 den Weltuntergang vorausſagte. Er
wußte ſeine Bauern von dem Eintreffen des jüngſten Gerichts
an einem beſtinmnten Tag ſo zu überzeugen, daß ſie all ihr Hab
und Gut vergeudeten. Als aber an dem vorausgeſagten Tag der
Weltuntergang nicht eintraf, wurden ſie gegen ihren Pfarrer
aufgebracht, ergriffen ihn und führten ihn gebunden nach
Witten=
berg, wo ſie verlangten, daß er hingerichtet werde. Aus dieſem
Anlaß, der in Wittenberg viel Aufſehen erregte, dichtete ein
Student das Lied vom „Stiefel muß ſterben”, das ſeine
Beliebt=
heit bis auf unſere Tage erhalten hat.
C.K. Der Bubenkopf als Scheidungsgrund. Bei einem
Lon=
doner Eheſcheidungsgericht iſt dieſer Tage ein Fall verhandelt
worden, in dem ein Mann ſich von ſeiner Frau trennen wollte,
weil ſie ſich ihre Haare kurz geſchnitten hatte. Dieſe Tatſache
war nun freilich nicht der einzige Grund, aber ſie ſchlug
ſozu=
ſagen „dem Faß den Boden aus”. Vor Gericht führte der
Ehe=
mann aus, daß eine Frau mit langem Haar eine andere ſei als
eine ſolche mit kurzem. Der Bubenkopf verändere den
Charak=
ter, und er könne zu einer Frau, die ſo etwas getan habe, nicht
mehr das für die Ehe nötige Vertrauen aufbringen. Damit iſ
eine ſchwierige Frage vor den Richter gebracht, die zu den
tief=
ſinnigſten Betrachtungen Anlaß geben kann. Man ſtelle ſich
einen Mann vor, der, glücklich über den Beſitz einer Frau mit
ſchönem langem Haar, abends einſchläft und am anderen
Mor=
gen ſtatt deſſen einer fremden Dame mit kurzem Wuſchelkopf
ſich beim Frühſtückstiſch gegenüber findet. Muß nicht ſein
gan=
zes Frauenideal jäh zuſammenſtürzen? Es iſt die umgekehrte
Geſchichte wie bei Simſon und Delila, denn mit dem Haar
ver=
liert die Frau ihre Kraft, die ſie über den Mann ausübte. Und
was für trübe Ausſichten eröffnet dieſer Buberkopf. Er zeigt,
daß die Frau nun die Herrſchaft im Haus übernehmen will. Zum
kurzgeſchnittenen Haar gehört Zigarettenrauchen, zum
Ziga=
rittenrauchen das Herumſitzen in Cafés und damit das Gleiten
auf der ſchiefen Ebene. So bricht dem Mann mit dem Klirren
der Schere, die den Hauptſchmuck der Gattin frißt, zugleich das
Eheglück zuſammen. Eine Frau mit Bubenkopf wird ſich nicht
mehr an den Kochherd ſtellen, wird nicht mehr die Kinder
war=
den. Kurz, es iſt nicht mehr dieſelbe Frau — und deshalb läßt
man ſich ſcheiden. Aber wie iſt es mit einem Manne, der ſich
plötzlich ſeinen Bart abraſieren läßt? Bietet er nicht auch einen
Scheidungsgrund? Der Bart gehört ebenſo zum Weſen des
Mannes wie das lange Haar zu dem der Frau. Vielleicht liebt
die Gattin ihren Eeheliebſten gerade um des Bartes willen. Nicht
minder ſchwierig liegt die Sache, wenn ein Herr, der mit
glatt=
raſiertem Geſicht heiratete, ſich nun ein Bärtchen ſtehen läßt.
Alles Scheidungsgründe! Wenn dieſe Auffaſſung von der
ent=
ſcheidenden Wirkung der Haar= und Varttracht duuchdringt, wer
d
die Ehegerichte viel zu tun h
Nummer 256.
Seite 4.
Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.
Vertagung des Deutſchen Enangeliſchen Kirchentages. Mit
Rück=
ſicht auf die ſchweren Bedrängniſſe, unter denen die evangeliſchen
Kirchen und insbeſondere die chriſtlichen Liebeswerke leiden, hat der
Deutſche Evangeliſche Kirchenausſchuß trotz ſchwerer Bedenken
be=
ſchloſſen, den für 5. bis 7. Oktober in Bethel=Bielefld in Ausſicht
ge=
nommenen 3. Deutſchen Evangeliſchen Kirchentag bis auf weiteres zu
vertagen.
— Ein machtvoller Auftakt zum Darmſtädter Alkoholgegnertag.
Man ſchreibt uns: Das war ein Erlebnis, dieſe Jugendverſammlung,
zu der viele Hunderte aus allen Lagern und Bekenntniſſen
herbeige=
ſtrömt waren. Schon rein äußerlich arbeitete Avemaries Organiſation,
der im Auftrage der Zentralſtelle für Volksbildung und
Jugendpflege und der Arbeitsgemeinſchaft Darmſtädter
Jugend=
verbände die Scharen zuſammgerufen hatte, glänzend. Ohne Störung
klang der ſtarke Akkord. Dr. Strecker ſprach über das „
amerika=
niſche Alkoholverbot und die Jugend”. Nobert
Schmidt, der Reichswirtſchaftsminiſter, hat erklärt, wir könnten keine
Wohnungen mehr herſtellen, da nicht genug Kohlen da wären. Man hat
ihm vorgerechnet, daß die Kohlen für die Brauereien zum Brennen von
Backſteinen für 140 000 Häuſer reichen würden. Wo bleiben da unſere
Regierungen und Parlamentarier! Im Kriege wurden 54 Millionen
Zentner Getreide und 160 Millionen Zentner Kartoffeln zu Bier und
Schnaps verdorben. Die Lebensmittel werden täglich knapper, die Not
wächſt ins Grauenhafte. Und doch der Tanz auf den Leichenſchädeln der
Verhungerten oder Verkrüppelten, denen das Brot fehlte! Amerika,
Finnland und Irland haben das Alkoholverbot eingeführt, Norwegen
verſchließt den Brantweinkonſum. In Amerika geht im öffentlichen
Leben die Anſchauung um, wenn man den deutſchen Mitbürgern den
Biertopf verſpricht, dann wählen ſie alles. Wir wollen unſer eigen
Fleiſch und Blut nicht ſchlecht machen; denn ſie opfern für uns in
un=
ſerer Not und ſparen ſichs vom Munde ab. Aber die Deutſch=Amerikaner
ſollen nachdenklich werden, wenn ſie hören, wie wir in unſerer Lage
koſt=
bare Lebensgüter verderben. Das Staatsverbot hat ſich in Amerika
noch nicht reſtlos durchgeſetzt. Dazu iſt die Zeit zu kurz. Aber in
einem amerikaniſchen Hoſpital iſt z. B. ſeit 1915 die jährliche
Aufnahme=
ziffer= von Alkoholkranken um 90 Prozent gefallen, während Kräpelin
für die Münchener Pſhchiatriſchen Kliniken für 1914 199 Aufnahmen,
1921 134 und 1922 264 meldet. Aus früheren Kneipen ſind in
Amerika ſaubere Geſchäfte für Lebensmittel, Bekleidung uſw geworden.
Die Weintrauben werden zu Roſinen, Tafelobſt und alkoholfreien Saft
verwandt. Viele unſerer Weinberge können als Acker benutzt werden.
Gaſtſtätten muß es immer geben. Der Vorwurf, wir wollten die
Ange=
ſtellten brotlos machen, iſt alſo unſinnig. Um die Brauereien aber
brau=
chen wir uns keine Sorgen zu machen. Die ſorgen ſchon für ſich.
Rückforth z. B. rechnet bereits mit der neuen Jugend und produziert
neben Likören auch Konſerven. Alle modern eingeſtellten amerikaniſchen
Politiker ſtehen für das Verbot. Sie erkennen die Nüchternheit als
Grundlage von Vernunft und Verantwortung. Dort wie hier ringt
eine ſenile untergehende Welt mit der neu aufkommenden, friſchen, freien,
ſauberen. Ihr Jungen habt ſchon gewählt! Euch vertrauen wir die
Zukunft unſeres Stagtes und Volkes! — Mit kräftigem Lied ſchloß die
Verſammlung, deren Bekenntnis Avemarie in die Worte goß: Wir
Jungen wollen einen Staat des Friedens, der Brüderlichkeit und der
Liebe. Wir wollen nachdenken und die großen Aufgaben mutig in die
Tat umſetzen! Trotz aller Verſchiedenheiten unter uns wollen wir in den
großen Fragen gemeinſam handeln. Nüchternheit iſt die Grundlage
aller Bildung und Menſchlichkeit. Wir wiſſen, daß die Edelgeſinnten in
Deutſchland und im Ausland auf uns ſehen! Drum wollen wir
Prak=
tiſches und Feſtes ſchaffen — nicht aus Ruhm= oder Propagandaſucht
für uns ſondern aus dem heiligſten Wunſche, unſerem Volk zu helfen!
— Sterbekaffe. Man ſchreibt uns: Durch die fortgeſetzte
Geldent=
wertung erwachſen den Familienvätern doch ernſte Sorgen, wie ſie bei
einem Sterbefall die ungeheuren Ausgaben hierfür bezahlen ſollen.
Wenn auch die Stadt Darmſtadt die ſogenannten Sterbekonten
emp=
fiehlt, ſo iſt es doch in heutiger Zeit ſehr ſchwer, wenn nicht für viele
unmöglich, mit den Einlagen für die Sterbekonten Schritt zu halten.
Durch die Eindeckung mit Kartoffeln und Kohlen uſw. für kommenden
Winter, mit den ſtets ſteigenden Preiſen, iſt an Rücklagen für das
Sterbekonto nicht zu denken. Der ältere Sterbekaſſen=Verein, gegr. 1870,
enthebt ſeine Mitglieder der Sorge, indem er nach einem neuen Beſchluß
bei einem Sterbefall von jedem Mitgliede Mk. 1 Mill. einzieht. Dafür
werden ab 1. Oktober ds. Js. bei einem Sterbefall Mk. 150 Mill. an
Sterbegeld ausgezahlt. Für laufende Verwaltungskoſten werden gleich
pro Mitglied Mk. 100 000 miterhoben. Auf dieſe Art fällt es den
Mit=
gliedern nicht ſchwer, ſich das Geld für eine Beerdigung in einfacher
Weiſe zu ſichern. Nähere Auskunft hierüber geben: Der erſte
Vor=
ſitzende: W. Deuſſinger, Kaupſtr. 52, der zweite Vorſitzende, H. Wagner,
Dieburgerſtr. 4, der Rechner, D. Bergoint, Schützenſtr. 18, bei den
Her=
ren: L. Greb, Schuhknechtſtr. 48, Joh. Herche, Gervinusſtr. 43 und N.
Kraſinsky, Marktſtr. 1.
— Perſonentariferhöhung zum 18. September 1923. Vom
18. September d. J. ab wird die Schlüſſelzahl für den Perſonen=
und Gepäckverkehr auf 9 Millionen erhöht. Auf bis jetzt gelöſte
Monats= und Schülermonatskarten findet Nacherhebung nicht
ſtatt. Die viertägige Geltungsdauer der Fahrkarten wird aus
Anlaß der Tariferhöhung zum 18. September nicht beſchränkt.
Mit dieſen Fahrkarten kann die Fahrt wie üblich innerhalb der
Geltungsdauer angetreten werden, ſie muß jedoch innerhalb der
viertägigen Geltungsaduer beendet ſein. Im Intereſſe einer
glatten Abwicklung des Verkehrs können Fahrkarten mit
Gül=
tigkeit vom 17. d. Mts. ab bereits am 15. und 16. September
ge=
löſt werden.
— Konzert des Buſch=Quartetts. Die Preiſe ſind 0,50 bis 1,50 Mk.
Grundpreis mal 9 Million Buchhändlerſchlüſſelzahl.
— Orpheum — Neues Operettentheater Frankfurt a. M. Heute
Sonntag, 16. Sept., letzte Aufführung der Operette „Der Vetter aus
Dingsda‟. (Näheres ſiehe Anzeige.)
Zauberſchau Bellachini jr. im Städt. Saalbau. Die zweite
Vor=
ſtellung vom heutigen Abend erfüllte voll und ganz die Erwartungen,
mit denen man zum Saalbau gegangen war, um ſich den „Zauberer”
und ſeine Kunſt anzuſehen. Die glänzende Ausſtattung und das gut
gewählte Einleitungsſtück ließen ſofort im Anfang des Abends das
Gefühl=aufkommen, daß man das Eintrittsgeld — im Verhältnis zu
allen anderen Preiſen übrigens überraſchend billig — nicht leichtſinnig
ausgegeben hatte. Nach einigen überraſchenden kleineren Darbietungen
zeigte ſich Bellachini als Telepath. Er verſtand es gut, ſeine Zuhörer
n Erſtaunen zu ſetzen. Als Beiſpiel für das bekannte Gebiet der
Hypnoſe gelang es ihm in wenigen Minuten, einen wilden Hahn in
ein willenloſes Objekt zu verwandeln. Er fand reichen Beifall. Die
Senſation des Abends iſt die „Flucht aus dem Saratogakoffer‟. Ein
junger Mann, an beiden Händen gefeſſelt, wird in einen Sack geſteckt
der zugebunden und verſiegelt und in einen Koffer eingeſchloſſen!
Wenn der Koffer wieder geöffnet wird, iſt er leer, der junge Menſch
verſchwunden. Die Erklärung dafür mag ſich jeder ſelbſt ſuchen, ob
Illuſion, Maſſenſuggeſtion oder Geſchicklichteit. Der Beifall war
natürlich dem Erfolg entſprechend. Bellachini ſollte es nicht unterlaſſen,
ſich öfter zu zeigen! Wer für wenige Stunden ſich aus den drückenden
Sorgen des geſchäftigen Alltags und des „Dollarkurſes” retten will,
ſollte die Vorſtellung beſuchen. Ein näheres Eingehen auf das
reich=
haltige Programm, aus dem wir nur weniges brachten, iſt aus Mangel
an Raum nicht möglich. — Wir werden gebeten, mitzuteilen, daß
Herr Kapellmeiſter Weber die muſikaliſche Leitung übernommen habe
und daß die Karten wegen des großen Andranges an der Abendkaſſe
im Laufe des Tages in der Muſikalienhandlung Arnold,
Wilhel=
minenſtraße 9, zu haben ſind.
Lokale Veranftaltungen.
Die hierunfer erſchelnenden Notizen ſind ausſchfießlich als Hinweiſe auf Anteigen zu betrachien,
in leinem Falle irgendwie als Beſprechung oder Krick.
e. v. Bodelſchwingh und ſein Lebenswerk wird
heute Vormittag um 11 Uhr für Altpenſionäre, Kleinrentner und ſolche,
koſtenlos vorgeführt, die nicht in der Lage ſind, den Eintrittspreis von
einer halben Million zahlen zu können. — Von Nachmittag 2 Uhr bis
Abends 5 Uhr ſind fortlaufende Schülervorſtellungen, ebenſo am Montag
Nachmitag. Für Erwachſene findet je ein Vortrag am Sonntag und
Montag um 8½ Uhr ſtatt. Dauer etwa 2 Stunden. Karten ſind noch
in den bekannten Vorverkaufsſtellen zu haben. Sämtliche
Veranſtaltun=
gen finden im großen Saal der Stadtmiſſion, Mühlſtraße 24, ſtatt.
— Die Promenadenmufik im Herrngarten hat
folgende Vortragsordnung: 1. Choral „Valet will ich dir ſagen”;
2. Duvertüre zu „Pique Dame‟, Fr. v. Suppé; 3. Volksſzene aus
„Evangelimann” von W. Kienzl; 4. Menuett von L. v. Beethoven;
5. Tanz der Bajaderen von G. Chriſten; 6. Morgenblätter, Walzer, von
Joh. Strauß, u. a. m.
Skilauf im Film.
Sportliche und techniſche Leiſtungen.
— Das breite Publikum nicht nur, ſondern auch der größte Teil
der Durchſchnittsſportleute werden niemals ganz in der Lage ſein, den
wahren Wert eines erſtklaſſigen Sportfilms ganz zu würdigen, wie
es der Film „Fuchsjagd durch Engadin” (zweiter Teil des Films „Die
Wunder des Schneeſchuhs”) iſt. Ja, das Publikum ſoll gar nicht das
Empfinden haben, daß jene herrlichen Sprünge der Norweger an der Monatskalender des Vereins für Aquarien= und
Julierſchanze, die ſteilen Schußfahrten Schneiders über kaum noch
be=
fahrene Hänge, die Schwungfahrten im Gletſchergebiet Leiſtungen ſind,
bei denen den Regiſſeur die Angſt vor ſchweren Unglücksfällen niemals
ganz verließ. Würde ihm das doch die Freude und Harmloſigkeit dem
Film gegenüber rauben.
Wie ſehr gerade die beſten Sportsleute nach immer größerer
Voll=
kommenheit des Sportfilms ſtreben, beweiſt am beſten die Tatſache,
daß für den zweiten Teil des Schneeſchuhfilms die großen Norweger
in erſter Linie deshalb verpflichtet wurden, weil die deutſchen Meiſter
Baader und Schneider erklärten, ohne Wiedergabe der muſterhaften
norwegiſchen Sprungtechnik könne der Film keinen Anſpruch darauf
machen, den Skiſport repräſentativ zu vertreten. Die praktiſche
Zu=
ſammeuarbeit hat dann gezeigt, daß in der Tat die Deutſchen von den
„Norges” ſehr viel für den Sprung zu lernen haben, daß aber die
Runſk und Reramik
Heinz Heberer
Darmſtadt
Luiſenplatz
eröffner die neuen Räume
Sonntag,
16. September
1923
vormittags IIUhr
Norweger ebenſo viel von ihren deutſchen Sportskollegen im
Gelände=
lauf lernen können. Sicher aber iſt: der Film erhält ſeinen
ſport=
lichen Wert dadurch, daß er eben die fabelhaften Sprünge eines Carlſen
und Helland neben der meiſterhaften Fahrtechnik eines Schneiders und
Schneebergers zeigt.
Hier muß darauf hingewieſen werden, welche nicht zu
über=
ſchätzende Dienſte die Zeitlupe dem Sportfilm leiſtet.
Bewegungs=
phänomene, wie die Sprünge der Norweger, von denen jeder einzelne
in ſeiner Art einzig iſt und nie wiederkehrt, können nur mit dieſem
Wunderapparat der Mit= und Nachwelt erhalten werden. Man wird
binnen kurzem feſtſtellen können, welchen entſcheidenden Einfluß die
Exiſtenz dieſer Aufnahmen im „Wunder des Schneeſchuhs” auf die
Entwicklung der deutſchen Sprungtechnik ausübt.
Erfordert der Sportfilm einerſeits höchſte ſportliche Meiſterſchaft,
ſo muß der Darſteller darüber hinaus es verſtehen, ſich den
Bedingun=
gen der Aufnahmetechnik anzupaſſen. Man bedenke nur einmal, wie
ſchwierig es für einen Skiläufer iſt, auf kilometerlanger Fahrt durch
ein Gelände, das in keiner Weiſe markiert werden darf, um die
Jung=
fräulichkeit der unberührten Schneeflache nicht zu zerſtören, ſich ſo genau
innerhalb der durch den Apparat bedingten räumlichen Grenzen zu
halten, daß er nicht ein einziges mal aus der Bildfläche verſchwindet.
Unerreicht in dieſer Fahrdiſziplin iſt Schneider, der die ſchwierigſten
Abfahrten nach einem Plan lief, der ungefähr folgenden Inhalt hatte:
„Linke Bildgrenze: die Verlängerung eines von oben kommenden
Schattenkeils zum Apparat. Rechte Bildgrenze die fiktive Linie zwiſchen
einem Felſen und einer beſtimmten Tanne. Erſter Schwung rechts
zwei Meter vor dieſer Tanne, zweiter Schwung links zwiſchen dieſer
Tanne und einer Einſenkung, dann 50 Meter ſcharf an der
Schatten=
grenze entlang, dann Kehrſchwung links, Schußfahrt auf den Felſen
los, drei Meter vor ihm abſtoppen, Umſprung in der Richtung auf
den Apparat. Sechs Meter vor dem Apparat abſtoppen, haſtig nach
den Verfolgern umſehen und ſchnell ab, rechts einen Zentimeter am
Stativ vorbei, ohne den Operateur zu ſtreifen.‟ Die Verfolger laufen
nach einem ähnlich feſtgelegten, wenn auch nicht ſo ſchwierigen Plan.
Nun muß man bedenken, daß ſo präziſes „Programmfahren” an
ſich ſchon eine Meiſterleiſtung iſt. Es kommt aber noch hinzu, daß die
„Gebrauchsanweiſung” vom Standort des Apparates aus gegeben wird,
während ſich die Sache vom Ausgangspunkt des Läufers oben auf dem
Hang ganz anders ausnimmt. Es ſtellt eine beträchtliche geiſtige
Leiſtung des Läufers dar, wenn er während des Aufſtiegs ſich ein
an=
nehmbares Kompromiß zuſammenzimmert zwiſchen dem, was man
von ihm verlangt, und jenem, das ſich als möglich erweiſt. Die
ver=
einbarten Erkennungszeichen folgen zudem bei der Schußfahrt ſo ſchnell
aufeinander, daß oft Bruchteile einer Sekunde zu Entſchluß und Tat
ausreichen müſſen. In raſender Fahrt geht es z. B. auf jenen
Mar=
kierungsfelſen zu, zehn Meter vor ihm wird der Chriſtiania angeſetzt,
zwei Meter vor dem ſicheren Zerſchellen ſtehen die Skier mit
unfehl=
barer Sicherheit quer zur Fahrtrichtung, faſt ſchon im Halten werden
ſie in vollendetem Umſprung einen Meter hoch emporgeriſſen, und nun
geht es in ſteiler Schußfahrt direkt auf den Apparat zu, daß der Schnee
in langer Fahne aufſtäubt. Dreißig Meter vor dem Stativ (das iſt
eine Sekunde Fahrt) ſtäubt plötzlich eine rieſige Schneewolke auf, den
Läufer für kurze Zeit verhüllend — dann ſteht Schneider genau ſechs
Meter vor dem Apparat, mit der Skiſpitze keine 20 Zentimeter von
dem kleinen Schneeball entfernt, der die äußerſte Näherungsgrenze
markiert.
Arnold Franck.
Kunffnotizen.
Ueber Werte, Künffler und künffleriſche Veranſfaltungen, deren im Nachſiehenden Erwähnung
geſchleht, behäſt ſich die Redaltion ihr Urtel vor.
— Palaſt=Lichtſpiele. Vom 17. bis 20. wird im Palaſt=
Theater der große Monumentalfilm „Samſon und Delila” vorgeführt
werden. Dieſer Film gibt unter der Regie von Alexander Corda den
Roman einer berühmten Opernſängerin, die in der Oper „Samſon
und Delila” die Rolle der Delila zu verkörpern hat. Die Schilderung
eines alten Rabbis machen in ihr die Bilder des bibliſchen Dramas
lebendig. Nach erfolgreicher Premiere wird die große Diva durch den
Lauf der Handlung in die Lage gebracht, das ſoeben auf der Bühne
verkörperte Delila=Spiel im Leben zu erproben. Hier aber findet ſie
in gefahrvoller Lage auf einer Yacht, die jeden Augenblick in die Luft
geſprengt werden ſoll, ihren Meiſter. Die atemraubende Handlung
gibt Maria Corda, der großen Charakterdarſtellerin, den Anlaß zur
vollen Entfaltung ihres bezaubernden Könnens. In der bibliſchen
Epiſode ſteht Alfredo Galaor als Samſon an ihrer Seite.
Aus den Parteien.
— Demokratiſche Jugendgruppe. In der Demokratiſchen
Jugendgruppe ſpricht am nächſten Mittwoch, den 19. September, Herr
Rektor Reiber. Das Thema wird am Abend bekannt gegeben. Alle
Jugendfreunde werden erwartet. Die Parteimitglieder jind hierzu
freundlichſt eingeladen.
Terrarienkunde „Hottenia‟=Darmſtadt.
Mit Anfang September iſt die Zuchtperiode zu Ende, da die
Jung=
ſiſche infolge der kürzer und kühler werdenden Tage ſchwer aufzuziehen
ſind, auch geht das Naturfutter für die Jungfiſche zu Ende, und iſt die
Aufzucht derſelben um ſo ſchwieriger. Da ferner die Zuchttiere durch das
mehrmalige Ablaichen während des Sommers bereits geſchwächt ſind
würde man nur Kümmerlinge züchten, die während des Winters faſt
kein Wachstum zeigen und leicht eingehen. An den manchmal im
Sep=
tember auftretenden heißen Tagen verhindere man etwaige Laichgelüſte
durch Trennung der Paare. Eine Ausnahme bilden natürlich die
lebend=
gebährenden Zahnkarpfen, deren Laichgeſchäft an keine Jahreszeit
ge=
bunden iſt. Sinkt in den Nächten die Temperatur ſehr, ſo muß die
Hei=
zung in Betrieb geſetzt werden, da die Jungfiſche ſehr empfindlich gegen
Temperaturſchwankungen ſind. Bei den meiſten Liebhabern wird wohl
die künſtliche Heizung aus Sparſamkeitsrückſichten fehlen. In ſolchen
Fällen muß der Aquarienfreund, wie er es auch im Vorjahre getan, ſeine
Pfleglinge in der geheizten Küche unterbringen.
Die Pflanzen haben nun ihr Wachstum zum größten Teil beendet,
und iſt an vielen Arten ſchon das Abſterben zu beobachten. Die Riccia
iſt zwar eine einjährige Pflanze, ſie hält aber in warmſtehenden
Aqua=
rien auch während des Winters aus. Für Zucht=Aquarien iſt die Riccia
eine ſehr empfehlenswerte Pflanze; ihr iſt vor allen anderen
Schwimm=
pflanzen wie Azolla, Lemnua=Arten und dergleichen der Vorzug zu
ge=
ben. Deshalb ſollte es ſich jeder Züchter angelegen ſein laſſen, ſich die
Aiccia dauernd zu erhalten. Wer ſeine Fiſche bisher nur mit lebendem
Futter aus Teichen gefüttert haben ſollte, muß es ſich jetzt angelegen
ſein laſſen, dieſelben auch an rohes, geſchabtes Fleiſch, Regenwürmer
(ſchnell abgetötet und klein zerhackt) und auch an die beliebten
Enchy=
träen zu geröhnen. Eine neue Laichabgabe kommt jetzt im Aquarium
nur noch felten vor. Dieſe junge Nachzucht aber aufzubringen,
erfor=
dert viel, viel Mühe. Der Fall kann aber eintreten. Sind es wertvolle
Tiere, die ſich jetzt erſt zum Ablaichen bequemen, ſo iſt lebendes Futter
aus den Teichen nur ſehr ſchwer zu beſchaffen; die Brut muß dann
mit gehackten Enchyträen oder Regenwürmern, oder auch mit geſchabtem
Fleiſch aufgezogen werden. Mehrfach wurden auch ſchon durch
Ein=
gießen mehrer Tropfen guter Milch ſchöne Erfolge erzielt.
Der Beſitzer von Seewaſſer=Aquarien kann, falls nun kühle
Wit=
terung einſetzt, bereits daran denken, das im Sommer eingegangene zu
erſetzen, da der Verſand von Seetieren wieder in größerem Maßſtabe
aufgenommen wird.
Der Terrarienfreund hat jetzt noch für die Schlangen und andere
größere Reptilien fleißig Winterfutter einzufangen; noch bietet ſich
Ge=
legenheit, einen größeren Vorrat von Eidechſen, Blindſchleichen und
Fröſchen zu beſchaffen. Da die Fliegen zu Ende gehen, müſſen
Laub=
fröſche und Chamäleons an Mehlwürmer gewöhnt werden. Die
Ter=
rarien mit exotiſchen Tieren müſſen bei kühler Witterung geheizt werden.
Wer der Natur folgen will, denke auch allmählich an die Inſtandſetzung
der Ueberwinterungskäſten. Der Winterſchlaf iſt — jedenfalls trifft dies
nach den gemachten Erfahrungen bei allen Amphibien und Reptilien der
kaiten und der gemäßigten Zone zu — das natürlichſte und das
rat=
ſamſte.
(Mitgeteilt vom Verein für Aquarien= und Terrarienkunde „
Hot=
tonia‟=Darmſtadt. Austauſch von Erfahrungen und Beobachtungen jeden
erſten und dritten Samstag im Monat im Vereinslokal Heſſiſcher Hof,
Wilhelminenſtraße 1, abends 8 Uhr. Reichhaltige Bibliothek und
Präpa=
ratenſammlung vorhanden. Gäſte ſtets willkommen.)
P. K.
O Heppenheim, 15. Sept. Erhöhte Hundeſteuer. Wi
überall in den Orten des Kreiſes ſo nehmen auch hier die Hundehalter
immer mehr überhand. Der hieſige Gemeinderat hat ſich deshalb
ver=
anlaßt geſehen, die Hundeſteuer wie folgt für das zweite Halbjahr 1933
zu erhöhen: Für den 1. Hund 5 Millionen, für den 2. 10 Millionen, für
den 3. und jeden weiteren auf 15 Millionen Mark. Die Zahlung hat
längſtens bis 1. Okt. d. J. zu geſchehen. Nach dieſem Zahlungstermin
iſt für jeden Monat das Doppelte zu bezahlen,
O Aus dem Kreiſe Heppenheim, 15. Sept. Weitere
unge=
heuve Milchpyeiserhöhung wurde wieder vorgenomment
Nachdem vor kaum drei Wochen dieſe noch 40 000 Mark pro Liter koſtete,
wurde der Preis kurz nacheinander auf 80 000, 180000 — 560 000, und
dieſer Tage ſogar auf 1,4 Mill. Mk. erhöht, bei den Händlern auf 1,8
Mill. Mk. — Horrende Obſtpreiſe. Bei den kürzlich
vorgenom=
menen Obſtverſteigerungen an den Kreisſtraßen wurden ganz fabelhafte
Preiſe erzielt. Manche Loſe kamen auf mehr als 100 Millionen.
Stei=
gerer waren meiſtens Leute aus dem Arbeiterſtande.
7) Von der Bergſtraße, 15. Sept. Obſtbaumplünderungen.
Die Plünderungen von Obſtbäumen, die ſchon ſeit der Kirſchenernte
ge=
trieben werden, nehmen einen immer größeren Umfang an. So wurde
einem Kriegsinvaliden in Großſachſen neuerdings ein reichbehangener
Pfirſichbaum vollſtändig geleert. Der Schaden geht in die Millionen.
h. Von der Bergſtraße, 13. Sept. Von nächſtem Montag ab koſtet
der Laib Markenbrot (1800 Gr.) 1 750 000 Mk. im Kreie
Bens=
heim. Die Bäcker=Zwangsinnung des Kreiſes Bensheim hat folgende
Preiſe mit ſofortiger Wirkung feſtgeſetzt. Es koſten: 1 Brötchen 400 000
Mk. 1 Weißſtolle 4 Mill., 1 Kornbrot 65proz., 10 Mill., 1 Brot, 85proz.,
8 Mill., 1 Pfund Brot zu backen 100 000 Mk., 1 Obſtkuchen zu backen
250 000 Mk. — Die Weinberge in den Gemarkungen Zwingenberg,
Auerbach und Bensheim ſind geſchloſſen und ſind für nötige Arbeiten
nur Dienstags und Freitags geöffnet. Bei dem ſehr günſtigen Wetter
entwickeln ſich die Trauben in prächtiger Weiſe. — In dem benachbarten
Reichenbach iſt die Maul= und Klauenſeuche ausgebrochen.
Ge=
markungsſperre iſt über den Ort verhängt.
Erbach i. O., 12. Sept. Die außerordentlichen Verhältniſſe
unſe=
rer Zeit bringen es mit ſich daß hie und da mehr oder minder wilde
Gerüchte über politiſche Ereigniſſe u. a. über Anſchläge
auf die Reichsregierung oder auf die eine oder andere leitende
Perſönlich=
keit auſtauchen und verbreitet werden. Meiſt werden derartige Gerüchte,
die durchaus der Wahrheit entbehren, von gewiſſenloſen Leuten
ausge=
ſtreut und genährt, die in irgend einer Weiſe für ſich oder die von ihnen
vertretenen Beſtrebungen trüber Art Vorteile aus der Beunruhigung
zu ziehen glauben, die jene Gerüchte naturnotwendig im Gefolge haben
müſſen. 6s kann nicht dringend genug davor gewarnt werden, allen
Ge=
rüchten, die nicht verbürgt ſind, mit größtem Mißtrauen Glauben, zu
ſchenken. Bei der heutigen Entwicklung des Preſſeweſens und der
Be=
ſchleunigung der Nachrichtenübermittelung iſt mit höchſter
Wahrſchein=
lichkeit anzunehmen, daß alle Nachrichten, die nicht auf dem ſchnellſten
Wege durch die Preſſe beſtätigt werden, leere und unbegründete Gerüchte
ſind, denen kein Glauben beizumeſſen iſt. — Leider gibt es noch
allzu=
viele gewiſſenloſe Leute, die aus den unſicheren Zeiten ſich noch einen
beſonderen Vorteil zu verſchaffen ſuchen. Am vergangenen Sonntag
kehrte eine Schar Mannheimer Wanderer in einem bekannten Städtchen
des Odenwaldes ein, um eine Taſſe Kaffee zu ſich zu nehmen. Aufs
un=
angenehmſte überraſcht waren die Wanderer, als man ihnen für die
Taſſe Kaffee nicht weniger als 800 000 Mark abverlangte, während
bei=
ſpielsweiſe in Mannheim für eine Taſſe Kaffee nur 300 000 Mark
gefor=
dert wurden. Schnell entſchloſſen begaben ſich die Wanderer zur
Gen=
darmerie, die alsbald Anzeige wegen Wuchers erſtattete. Die
nehmefreu=
digen Wirtsleute ſehen nunmehr der gerechten Beſtrafung entgegen, die
ein abſchreckendes Beiſpiel für alle die ſein mag, die glauben, ihre
Mit=
menſchen wucheriſch ſchädigen zu dürfen.
— Aus Oberhefſen, 13. Sept. Gegen das flegelhafte
Be=
tragen gewiſſer Wanderer will das Kreisamt Gießen jetzt
nachdrücklich einſchreiten. Es macht im neueſten
Amtsverkündigungs=
blatt bekannt, von ſeiten der Bevölkerung, werde vielfach mit Recht
darüber Klage geführt, daß von einem Teil Wandervögel grober Unfug
verübt, das Publikum auf den Bahnhöfen und in den Zügen beläſtigt
wird, unanſtändige Lieder geſungen werden, in den Wäldern Hütten,
Wegweiſer, Markierungen mutwillig zerſtört oder beſeitigt werden und
manche Wanderer ſich nicht ſcheuen, unmittelbar an belebten Wegen
Luft= und Sonnenbäder vder Flußbäder zu nehmen. Um dieſem
Un=
fug ein Ende zu machen, hat das Kreisamt den Polizeiorganen und der
Gendarmerie aufgegeben, gegen ſolche Ausſchreitungen und
Beläſtigun=
gen des Publikums energiſch und ohne jede Rückſicht vorzugehen. Wie
das Kreisamt in ſeiner Bekanntmachung noch betont, haben die
Jugendbewegung und die in ihr ſtehenden Jugendvereine bereits in
energiſcher Weiſe die Bekämpfung der Wanderuſitten betrieben.
Rummer 256.
Darmſtädter Tagblatt, Sonutag, den 16. September 1923.
Seite 5.
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Zudem Verbrechen im Perſonenzug, dem der Direktor
Krehßig zum Opfer gefallen iſt, wird mitgeteilt, daß in dieſem Falle die
unausgeſetzten Nachforſchungen der Kriminalpolizei noch keine greifbare
Spur zutage gefürdert haben. Im Gegenſatz zu den drei anderen
Ver=
brechen fließen hier die Mitteilungen aus dem Publikum nur ſehr
ſpär=
lich. Die Ruths Wärmeſpeicher A.=G., deren Direktor der Ermordete
war, hat auf die Ergreifung der Verbrecher eine Belohnung von 500
Mil=
lionen Mark ausgeſetzt. Die Eiſenbahndirektion, die Plakate zur
Auf=
findung des Verbrechers anſchlagen läßt, hat ihre Belohnung jetzt auf
150 Millionen erhöht. Die Geſamtbelohnung beträgt alſo 650 Millionen
Mark und wird wertbeſtändig zugeſichert. Die Leiche des Ermordeten
wird im Laufe des heutigen Freitags obduziert werden. Mitteilungen
irgendwelcher Art, die zur Aufklärung dienen können, werden an die
Kriminalkommiſſare Dr. Riemann und Dräger im Zimmer 83a des
Polizeipräſidiums dringend erbeten.
Eine Abteilung der berühmten Weddingkolonne ſtand in
dem Schmied Hermann Trieloff, dem Schloſſer Mathias Girms, dem
Friſeur Adolf Groſciel und der Frau Liesbeth Zipter vor dem
Schöffen=
gericht Berlin=Mitte. Seit mehr als Jahresfriſt wurde ein größerer
Teil der Berliner Gemeindeſchulen durch nächtliche Einbrüche
heim=
geſucht. In einer Schule wurde nicht weniger als 16 mal eingebrochen.
Endlich gelang es am 9. März d. J., die drei erſten Angeklagten auf
friſcher Tat zu ertappen. Man fand bei ihnen ein ganzes Warenlager
von Sachen, die die Rektoren als aus den Schulen zuſammengeſtohlen
bezeichneten. Die Diebe hatten in vandaliſcher Weiſe in den Schulen
gehauſt. Sie hatten ſich nicht bloß mit den Diebſtählen begnügt,
ſon=
dern auch rückſichtslos alles, was irgendwie erreichbar war, zerſtört.
Mit Rückſicht auf die Gemeingefährlichkeit und den Vandalismus hielt
Amtsgerichtsrat Neumann eine ſehr ſchwere Strafe für notwendig.
Trieloff und Groſciel erhielten je drei Jahre Zuchthaus, Girms zwei
Jahre Zuchthaus, außerdem wurden allen dreien die bürgerlichen
Ehrenrechte auf fünf Jahre aberkannt. Frau Zipter erhielt wegen
Hehlerei vier Monate Gefängnis.
Ein Milliardendiebſtahl iſt mit ungewöhnlicher
Dreiſtig=
keit auf dem Packhof des Zollamtes am Lehrter Bahnhof verübt
wor=
den. Dort lagerten u. a. in dem Gebäude an der Moltkebrücke große
Mengen Talg, der nur für techniſche Zwecke verwendbar iſt, in Fäſſern
von je 5 Zentnern. Davon ſind 22 Fäſſer mit 110 Zentnern
verſchwun=
den. Man hatte keine Erkärung dafür, bis ein Kutſcher angehalten
wurde, der gerade eine Anzahl Fäſſer abrollte. Jetzt zeigte ſich, daß
er die fünfte Fuhre geſtohlenen Talg abholte. Mitglieder einer noch
unbekannten Bande hatten jedesmal irgendeinen Kutſcher, den ſie mit
leerem Wagen auf der Straße trafen, angeſprochen, und ſie erſucht, raſch
eine Gelegenheitsfuhre für ſie zu machen. Der unbekannte Auftraggeber
gab dem ahnungsloſen Kutſcher, der in gutem Glauben handelte und
ſich einen Nebenverdienſt verſchaffen wollte, jedesmal die Weiſung, vom
Hofe einſtweilen hinauszufahren. Er habe noch etwas zu beſorgen,
werde auf der Straße zu ihm kommen und ihm das Ziel angeben.
Be=
vor der Mann erſchien, wurde der zuletzt von ihm gemietete Kutſcher
an=
gehalten. Jetzt ließ ſich der Auftraggeber, der das Mißgeſchick
wahr=
genommen haben muß, nicht mehr ſehen. Wo der geſtohlene Talg der
früheren Fuhren geblieben iſt, weiß man noch nicht. Die Kriminalpolizei
vermutet, daß er irgendwo in einem größern Lagerraum einer Spedition
oder dergleichen einſtweilen untergeſtellt worden iſt. Die Fäſſer, deren
Boden grüngelb geſtrichen iſt, tragen die Aufchrift Weddel u. Co.,
Buenos=Aires.
Der lange Arm der Gerechtigkeit.
* Aus München wird von einem Fall berichtet, bei dem nach
12 Jahren ein Mann wegen eines Mordes, den er begangen haben ſoll,
verhaftet wurde. Der Arm der Gerechtigkeit reicht aber noch weiter
zurück, und erſt kürzlich wurde in Lancaſhire ein Arbeiter wegen eines
Mordes verurteilt, den er 31 Jahre vorher begangen hatte. Solcher
dramatiſcher Vorgänge, bei denen noch nach Jahrzehnten „Die Sonne
es an den Tag brachte”, weiß die Kriminalgeſchichte gar manche zu
er=
zählen. Vor wenigen Jahren wurde in Sydney in Neu=Süd=Wales
einer der angeſehenſten und reichſten Bürger unter der Anklage eines
Mordes verhaftet, der 50 Jahre zurücklag. So lange man ſich erinnern
konnte, war der Verhaftete, Mr. John, das Muſter eines frommen
und ehrlichen Mannes geweſen. Da traf ihn eines Tages auf der
Straße ein alter Bergarbeiter, Jim Harker, und erkannte in ihm den
Mann, der vor 50 Jahren ſeinen beſten Freund auf dem Goldgräberfeld
von Ballarat ermordet und um große Mengen Goldſtaub beraubt hatte.
Harker meldete die Sache der Polizei, und ſo wurde John als Mörder
verhaftet. Am nächſten Morgen fand man ihn tot in ſeiner Zelle. Noch
aufregender iſt die Geſchichte von John Plane, der in ſeiner Jugend
einen Mann in ſeinem Heimatdorf im Departement der Haute Marne
erdolchte. Er floh nach Paris, wurde unter falſchem Namen Journaliſt,
ſtudierte Jura und brachte es ſchließlich zum Richter. Einige Dutzend
Jahre ſpäter leitete er einen Mordprozeß in Lyon, als ein bejahrter
Zeuge vernommen wurde. Als dieſer dem Richter gegenüberſtand, ſah
er ihn eine Zeitlang ſtarr an, richtete dann ſeinen anklagenden Finger
gegen den Richter und rief: „Jean Planc!” Leichenblaß und vor
Auf=
regung zitternd, ſchrie er: „Das iſt der Mann, der vor mehr als 40
Jahren meinen Bruder ermordete!” Alle Augen wandten ſich auf den
Richter, aus dem ein Angeklagter geworden war und der ſtarr vor
Schrecken daſaß. Dann ſprang er von ſeinem Sitz und ſtürzte hinaus.
Wenige Minuten ſpäter hörte man einen Schuß und fand ihn tot in
ſeinem Zimmer. In ſeiner linken Hand hielt er einen Papierfetzen, auf
dem mit Bleiſtift gekritzelt war: „Mein Schickſal hat mch ereilt. Ich
er=
ſcheine vor einem höheren Richter.” In einem ſüdafrikaniſchen
Gefäng=
nis ſühnt ein Mann ein Verbrechen, das er 45 Jahre früher und 10 000
Kilometer entfernt beging. Im Jahre 1878 war Alexander Beamter
einer ſchottiſchen Bank, geriet in Spielerkreiſe und unterſchlug, um ſeine
Schulden zu bezahlen, 8000 Pfund. Er floh, und ſeitdem war jede Spur
von ihm verwiſcht, bis ihn nach 45 Jahren ein früherer Polizeibeamter
in Johannesburg wieder erkannte. Der Schotte hatte ein
abenteuer=
liches Leben geführt, war Cowboy in Arizona, Holzfäller in Kanada,
Bamter auf der auſtraliſchen Eiſenbahn geweſen und hatte ſchließlich in
Transvaal in den Goldgruben ein großes Vermögen erworben. Bei
ſeiner Verhaftung war er einer der reichſten und angeſehendſten Leute
in Süd=Afrika.
Der gleiche Tod durch drei Generationen.
Vor einigen Jahren machte der italieniſche Gutsbeſitzer Osvaldo
Tommaſſini aus Val=Trabaglia ſeinem Leben gewaltſam ein Ende,
indem er ſich von dem Gipfel eines hohen Felſens in die Tiefe ſtürzte.
Als ſich der Tag dieſes Ereigniſſes jährte, erklomm ſein Sohn
den=
ſelben Felſen und ſuchte und fand auf gleiche Weiſe den Tod. Als nun
vor kurzem, wie aus Rom gemeldet wird, der Sohn und Enkel der
beiden Lebensmüden zu dem verhängnisvollen Gipfel kletterte, um hier
das Andenken ſeiner Väter durch Niederlegung einiger Blumen zu
ehren, glitt er aus und verſchwand in dem Abgrund.
Die Warnung des heiligen Berges.
Eine Nummer des „Japan Advertiſer” vom 28. Juli, die in dieſen
Tagen in Paris eingetroffen iſt, macht folgende intereſſante Mitteilung:
Ein ſtarker Niedergang des Waſſerſtandes iſt in den letzten Tagen in
den fünf kleinen Seen, die am Fuße des Berges Fuji gelegen ſind,
eingetreten. Dieſer Niedergang hat in der ganzen Gegend einen
ge=
wiſſen Alarm hervorgerufen, da man ihn als ein Vorzeichen für ein
bevorſtehendes ſchweres Erdbeben anſieht. Jedesmal, wenn in der
Vergangenheit ein derartiger Niedergang eintrat, folgte ein Erdbeben.
Ai ainfere Poſtadonnenten WOtdor und Lund.
Der Bezugspreis für die zweite Hälfte des Monats
September wurde auf 6 Millionen Mark feſtgeſetzt.
Die Poſt hat für die
Nacherhebung von Zeitungsbezugsgeldern
für Monat September eine neue Regelung eingeführt und
zwar geſchieht dieſe im Wege des Poſtnachnahmeverfahrens.
Wir bitten unſere Bezieher, den Betrag bereit zu halten,
die Nachnahme wird zwiſchen Montag und Donnerstag
vorgezeigt.
Wer die Einlöſung der Nachnahme verweigert, wird
aus den Bezieherliſten geſtrichen. Soll keine
Unterbrech=
ung im Bezug der Zeitung eintreten, ſo muß die
Nach=
nahme eingelöſt werden. Die Verweigerung der Zahlung
gilt als Abbeſtellung und iſt in dieſem Falle für die erſte
Monatshälfte noch eine Nachzahlung von 2225 000 Mk.
auf unſer Poſtſcheckkonto Frankfurt a. M. 1301 einzuzahlen.
Der Verlag des Darmſtädter Tagblatt.
7567)
Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Spielabteilung „Union” T. G. B. gegen S. C. „Olympia”=Lorſch.
(Kreisligamannſchaften.)
Mit dieſem Treffen eröffnet die Kreisligamannſchaft der
Spielabtei=
lung „Union” heute nachmittag 3 Uhr, auf dem Sportplatz an der
Hei=
delbergerſtraße, ihre Verbandsſpiele. S. C. „Olympia”=Lorſch iſt ein
al=
ter Bekannter „Unions”, die beide ſtets um die Siegespalme rangen.
Erſt vergangenes Jahr lieferten ſich beide Mannſchaften ganz
hart=
näckige Qualifikationsſpiele. Es ſei nur an das Spiel in Bensheim
er=
innert, das nach einer Spielzeit von 120 Minuten wegen Dunkelheit
abgebrochen werden mußte und an einem anderen Tag fortgeſetzt wurde.
Kürzlich war dem Darmſtädter Sportpublikum die Gelegenheit geboten,
die ſympathiſchen Lorſcher gegen die hieſigen V. f. R. zu ſehen. Es gibt
wenig Mannſchaften, die ſich ſo raſch den Anhang der Zuſchauer
erwer=
ben, wie „Olympia‟. Durch ihr friſches, ungekünſteltes Spiel erwerben
ſie ſich Sympathie. Die Mannſchaft pflegt ein raſches Paßſpiel, und
hierin ſind ganz beſonders die beiden Flügel vorbildlich. Fur „Union”
heißt es einen guten Anfang machen und alles herausgeben. Ein jeder
muß ſeinen Mann ſtellen, denn es geht um die Ehre des Vereins.
„Union” hat es fertig gebracht, ſich in der kurzen Zeit ihres Beſtehens
die Ligazugehörigkeit zu erwerben. Dies zeugte von dem feſten Willen
und dem Geiſt der in den Spielern ſteckte. Hoffen wir, daß dieſe
Einig=
keit, wie ſie beſtand, auch fernerhin der Spielabteilung „Union” zu eigen
bleibt, und daß, wenn es gilt, alles auf ſeinem Platze iſt, und das
ausgeſchaltet wird, was nicht zum Wohle unſerer Jugend, der
Volks=
geſundheit und unſeres Fußballſports beiträgt. — Da die beiden anderen
Darmſtädter Kreisligavereine ihre heutigen Verbandsſpiele auswärts
austragen, iſt einem jeden Anhänger unſeres Sportes die Gelegenheit
geboten, ſich dieſes Ligatreffen anzuſehen. Die Ligaerſatzmannſchaft
be=
gibt ſich zu Sportverein 98, um ebenfalls ihr erſtes Verbandsſpiel zu
abſolpieren.
plat.
„Viktoria”=Griesheim — Vgg. „Amicitia 09”=Viernheim.
Qualifikationsſpiel um den Aufſtieg, zur Kreis=
Liga.
Die Kreisliga des Odenwaldkreiſes, die 10 Vereine umfaßt und die
die hieſigen Vereine: Sportv. 98, Verein f. Raſenſpiele, Spielabt.
„Union” der Turngemeinde Beſſungen, ferner „Germania 03‟=
Pfung=
ſtadt, F.V. Weinheim, „Olympia”=Lorſch, VfR. Bürſtadt und Sppgg
Sandhofen zugeteilt ſind, iſt noch nicht vollſtändig, weshalb ſich 5 A=
Vereine zurzeit für die zwei reſtlichen Plätze qualifizieren. Dieſe haben
bisher 2—3 Spiele ausgetragen und ſich wie folgt plaziert:
Spiele gew. verl. unent. Punkte
F. V. Hofheim
Olympia Lampertheim
Sportvgg. Arheilgen
Amicitia Viernheim
Viktoria Griesheim
Die Qualifikationsſpiele nehmen heute ihren Fortgang. Auf dem
Platze des VfR. (Exerzierplatz) ſtehen ſich nachmittags „Viktoria”=
Gries=
heim und Vgg. „Amicitia”=Viernheim gegenüber. Beide werden beſtrebt
ſein, ſich von ihren Plätzen am Tabellenende zu entfernen. Nach den
letzten Reſultaten (Hofheim—Griesheim 0:0, Viernheim—Hofheim 1:2),
iſt eine Vorausſage des Sieges ſchwer. Wenn Griesheim jedoch mit
dem letztſonntäglich gezeigten Eifer an die Aufgabe herangeht, ſollte ihm
ein Sieg möglich ſein, zumal es ſich auf dem VfR.=Platz auf nicht
unbe=
kanntem Boden bewegt. Dem Spiel, dem ein Spiel der zweiten
Mann=
ſchaften des Sportv. 98 und VfR.=Darmſtadt vorausgeht, iſt ein recht
zahlreicher Beſuch zu wünſchen, zumal die Finanzen der bedrängten
Griesheimer eine Sanierung vertragen können.
A.H.
„Eintracht‟, Darmſtadt. Auf dem Sportplatz am Finanzamt findet
heute vormittag das erſte A=Klaſſe=Meiſterſchaftsſpiel ſtatt. Die beiden
Gegner ſind die erſten Mannſchaften von „F. V. „Germania”=Eberſtadt
und „Eintracht‟=Darmſtadt. Eberſtadt befindet ſich, wie deſſen letzte
Pri=
datſpielergebniſſe beweiſen, zurzeit in Hochform, doch auch Eintracht hat
ſich ſeit den vorjährigen Verbandsſpielen verbeſſert. Spielbeginn:
10 Uhr.
H.
Nur mit Schaumpon mit dem schwarzen Kopf! Der Name
bürgt für die beste Wirkung bei absoluter Unschädlichkeit.
Die-
verschiedenen Zusätze, wie Ei, Teer, Kamille, Peru-Tannin uncss
Brennessel ermöglichen es jedem, sein Haar nach der Beschaffenheilg
ganz individuell zu behandeln, je nachdem es trocken oder fettig
blond oder braun ist. Beim Einkauf verlange man ausdrücklich
„Schaumpon mit dem schwarzen Kopf” und weise
Nach-
ahmungen zurück. — Millionenfach bewährt. — Uberall erhältlich.
Kraftfahren.
Krähbergrennen des H.A.C.
Der Heſſ. Automobilklub bringt ſoeben die Ausſchreibung für das
am 14. Oktober d. J. ſtattindende Krähbergrennen, offen für Automobile
und Motorräder heraus. Ausſchreibungen und Meldeformulare ſind von
dort zu beziehen. 1. Meldeſchluß: 3. Oktober, 2. Nachmeldeſchluß 10.
Oktober. — Es ſtehen wertvolle Ehrenpreieſe in Ausſicht. Bei der
Be=
liebtheit dieſer alljährlichen Veranſtaltung dürfte auch in dieſem Jahre
wieder mit einem ſtarken Meldeergebnis zu rechnen ſein; zumal es die
letzte diesjährige Konkurrenz iſt.
Hocken.
Der Darmſtädter Hockehklub (Abteilung des Darmſtädter
Schwimm=
klubs Jungdeutſchland) hat den Uebungsbetrieb wieder aufgenommen.
Für die kommende Spielzeit ſind Wettſpiele gegen eine ganze Reihe
erſt=
klaſſiger Mannſchaften abgeſchloſſen. Uebungsſpiele: Mittwochs und
Samstag Nachmittags 4 Uhr. (Böllenfalltor.) Intreſſenten bitten wir
ſich dort einzufinden. Unere Mitglieder machen wir nochmals auf die
am Mittwoch, den 19. September, ſtattfindende Hauptverſammlung
auf=
merkſam. Näheres ſiehe Sporthaus Adelmann.
Vertreter: Aures & Co., Darmſtadt, Rundeturmſtraße 12.
Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(Für die Veröffentliſchungen umter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaltion keinerlei
Ver=
antwortung; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Umfange
der Einſender verantwortlſch.) — Einfendungen, die nicht verwendei werden, fönnen nicht
zurückgeſandt, die Ablebnung nicht begründet werden.
Der Herr Obermeiſter (frühere Regimentsſchneider) L. war nichſt
glücklich beraten, als er den Weg der „Flucht in die Oeffentlichkeit”
betrat und ſeine Klagen über den „Dank des Vaterlandes”,
unzu=
reichende Verſorgung und ungenügende Arbeit des Verſorgungsamtes
als „Eingeſandt” anbrachte. Wenn er ſich einmal perſönlich an den
Leiter des Verſorgungsamtes gewandt hätte, würde er wohl beſſer
beraten worden ſein. Nun hat er ſich an das Hauptverſorgungsamt,
Kriegsminiſterium, Verſorgungsgericht und Reichsverſorgungsgericht,
an das Reichsarbeitsminiſterium, jetzt wiederum mit einer Berufung
gegen ſeine Umanerkennung nochmals an das Verſorgungsgericht und
zugleich mit ſeinem „Eingeſandt” an die Preſſe gewandt.
Jeder Einſichtige und Kenner von Verſorgungsverhältniſſen lieſt
ſchon aus ſeinem Artikel ohne weiteres ſofort heraus, daß bei dem
„echten, alten pflichttreuen Bürger” (Hausbeſitzer und Geſchäftsinhaber)
ſelbſt die Hauptſchuld an der ſeiner Anſicht nach ungenügenden
Ver=
ſorgung liegt. Für ferner Stehende behält ſich das Verſorgungsamt
vor, zur Erläuterung des Falles Einzelheiten mitzuteilen, ſobald die
am 15. September 1923 beim Hauptverſorgungsamt Frankfurt a. M.
angeforderten Akten dem hieſigen Amte zur Feſtſtellung der Daten
wieder einmal auf kurze Zeit zur Verfügung ſtehen.
Min aue
unſere Auftraggeber einſchließlich
Behörden.
Bei Aufgabe von Inſeraten jeglicher Art
muß ab heute der Betrag ſofort bezahlt werden.
Rech=
nungserteilung iſi uns infolge der ſtündlich
weiterſchrei=
tenden Geldentwertung nicht mehr möglich.
Die Darmſtädter Tageszeitungen
Darmſtädter Tagblatt
HeſſiſcheLandeszeitung -
Täglicher Anzeiger
Heſſiſcher Volksfreund
Gültige Lebensmittelmarken vom 16.—21. September 1923 einſchl.
Nr. 98 und 99 mit je 800 gr Brot.
Tageskalender.
Heſſiſches Landestheater, Großes Haus, (F 1), Anfang 6 Uhr, Ende nach
10 Uhr: „Der Roſenkavalier” Kleines Haus, 11 Uhr vorm., 6 Uhr
abends: „Polikuſchka”. — Orpheum, 7¾4 Uhr: „Der Vetter aus
Dingsda‟. — Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
Kinovorſtellungen. — Rummelbräu: Konzert, Tanz. — Herrengarten,
11 Uhr: Promenadekonzert (Leitung: Hauske)
Verſteigerungskalender. Montag, den 17. September.
Stammholzverſteigerung vorm. 10 Uhr auf der Bürgermeiſterei
Pfungſtadt.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und Land”
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. Al. Fleiſchmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
w
Die heutige Rummer hat 8 Geiten
und Unterhaltungsblatt.
für Feſtlichkeiten
und Vorträge
1
noch frei
Obergaſſe 12. (7065=
mich in Ausführung von
Empfehle elektr. Lichte, Kraft= und
Signal=Anlagen bei billigſter Berechnung
Inſtalliere ſelbſt.
Kiesbergſtraße 3
Val. Niebes Telephon 1171,
Reparaturen ſofort. ( 24662sg
mit und
Mikrag=u. Abendriſchoh. Fleiſch
m Abonnem. billig im Hoſpiz und
ereinsh. Obergafſe 12. Daſelbſt ſchöne
fremdenzimmer mit und ohne Penſion
zu mäßigen Preiſen. Tel. 1767. (7072a
Haus
in der Altſtadt, Gas
und Elektriſch, Wohn
u. Geſchäftsräume b
Uebernahme ſofor
frei, an kurz entſchl.
Liebhaber für ca. 3
Milliarden zu
ver=
kaufen. Angebote u.
P74 an die Geſchäfts=
*25025
ſtelle.
Aleine Vila
„Vorort v. Darmſtadt
20000
ſof. beziehb.,
Goldm. od. Deviſ.ſogl.
verkäufl. Ang.u. P53a. P 62 Geſchſt. (*2499:
„Geſchäftsſtell, 4
Junges, freundlich.
Ehepaar ſucht klein.
Haus oder Villa zu
kaufen. Beſte
Ge=
legenheit f. ält. Leute,
da freier Wohnſitz
be=
halten werden kann
und beſte Stütze n.
Verpf. zugeſ. w. Ang.
u. P 64 Geſchſt. (*2004
mich mit einig. Mi
liarden an rentablem
Unternehm. Ang. u
gegen tätige
Betei=
ligung an
gewinn=
bringendem Unter
nehmen zu
ver=
leihen. Angeb. u.
P6la. d. Geſch. (*3499
darlehen, auch a
Geſchäftsfrauen,
ab=
zugeben. Anfragen u.
25 Gſchſt. (*24890
HEfrK
italieniſchen
Privat=Unterricht
Gefl. Ang. u. P.66a, d.
Kl. Häuschen
mit Gärtchen
auf dem Lande, 2—3 Zimmer frei,
zeit=
gemäße Abfindung, ſof. zu kaufen geſucht,
Eilangeb. u. K. 508 an Ala=Haaſenſtein
(II,7564
& Vogler, Frankfurt a. M.
Spaniſch u. Engliſch
geſucht. Angeb. unt.
P56 Geſchſt. (*24985
KuSKäufeß
Speiſezimmer
und Küche
modern, neu od.
neu, z. kaufen geſucht.
Ang. mit Preis unt. u. P 43 an die Ge=
Piano
Klubmöbel,
Herrn=
zimmer, Oelgemälde
Bronzen u. Teppid
zu kauf. geſ. Ang. u.
P 55 Geſchſt. (22500
Briefmarken=
Sammlung
(Europa) zu kauf.
ſucht. Angeb. m. Pr.
Neues oder guterhalt.
Damenrad
(*25000
geſucht.
Schuchardſtr 18, part.
Büfett vder kompl.
Speiſezimmer (Eiche,
modern), geg. Kaſſe
aus nur gut. Hauſe
zu kaufen geſucht.
Angeb. m. Preis u.
P70 Geſchſt. (*25019
Geſchäftsſt. (*25010/P 57 Gſchſt. (*25004 ſchäftsſtelle, (*24948
Gute
Breecheshoſe
mittl. Fig, a. fein.
Hauſe geſ. Ang. u.
P 41 Geſchſt. (*24942
Feldbahn=
material
Schienen, Geleiſe,
Weich., Drehſcheib.
ſowie Rollwagen,
w. auch
reparatur=
bedürftig, zu kaufen
geſucht. Ang. erb.
u. M. M. 631 a. Ala=
Haaſenſtein & Vogler,
Mannheim. (TL,4815
Ausgewieſene
icht gut erhaltenen
Fr.=Mantel. St. F. Näh.
2502
Geſchäftsſt.
Wechgläſer
kauft oder tauſe
Annaſtr. 16, (*26
Bretter
kaufengeſucht!
Saubere, noch guterh
Bretter 17 u. 24 mm
ſtark. Angebote mit
Preis unter P 47 a.d
Geſchäftsſt. (*24970
Guterhaltener
Herrenüberzieher
zukaufen geſ. Ang. u.
52 Gſchſt. (*24983
Gardinenwagen,
Mö=
belrolle. Möbelwagen
wird tageweis verliehen
Hügelſtr. 15, Laden (*
Seite 6.
Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.
Rummer 256.
Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
36)
(Nachdruck verboten.)
Herr Collin ſah auf ſeine Uhr und ſagte:
„Wiſſen Sie, was wir uns aber jetzt wirklich verdient haben?
Meiner Anſicht nach ein ausgiebiges Frühſtück, und zwar ſo raſch
als möglich. Seit achtzehn Stunden habe ich nichts anderes
zu mir genommen als einen Abſinth. Ich bin ſo hungria wie
ein Wolf, und ich glaube, Sie können von ſich dasſelbe ſagen.
Mit der Toilette können wir uns ſpäter befaſſen.”
Er reichte ihr den Arm und führte ſie in den Speiſeſaal des
Hotels, beſtellte ein veichliches Frühſtück und entſchuldigte ſich für
ein paar Augenblicke bei ihr.
„Ich expediere unſere Botſchaft an Jaques lieber gleich, ſagte
er, und reſerviere uns Zimmer. Wollen Sie inzwiſchen etwas
zu leſen haben, ſo ſind hier die geſtrigen Zeitungen, die ich noch
aus dem Café de la Paix bei mir habe. Viel friſchere
Neuig=
keiten werden ſie hier auch nicht haben.”
Er reichte ihr die Blätter und verſchwand.
Herr Collin war in ſeinem Leben ſelten erſtaunder geweſen
als in den Stunden, die ſeit dem Auftauchen dieſer jungen Dame
im Café de la Paix am vorhergehenden Tage verfloſſen waren.
Seit er vor ſechs Jahren den Staub Schwedens von ſeinen
Füßen geſchüttelt hatte, war ſein Leben voll von Ereianiſſen
ge=
weſen, aber es waren zumeiſt Ereigwiſſe, bei denen er ſelber die
Initiative ergriffen hatte und bei denen die handelnden
Per=
ſonen Männer geweſen waren. Die Frauen hatten eine
ge=
ringeve Rolle in ſeinem Leben geſpielt. Und die ihm der Zufall
oder das Schickſal jetzt in den Weg geführt hatte, war die
ver=
wirrendſte, die ihm noch begegnet war. Er konnte kaumm ſagen,
warum er ſich ihr zuliebe in Angelegenheiten gemengt hatte, die
ihn gar nichts angingen und ſich bemühte, Perſonen
naszufüh=
ren, die, wenn er ihr Glauben ſchenken durfte, die Luſt wie die
Macht hatten, ſich zu rächen. Apropos — wer zum Teufel war
doch der Mann, den er in der Gare de Lyon geſehen hatte? Daß
er das Geſicht kannte, darauf konnte er einen Eid ablegen, aber
obgleich er dieſe Nacht die längſte Zeit damit verbracht hatte,
ſein von Natur vortreffliches Gedächtnis zu durchforſchen, war
es ihm doch nicht gelungen, den Namen zu finden, nach dem er
ſuchte. Das Mädchen ſelbſt vermied es nicht nur, irgendwelche
Aufſchlüſſe über ſich zu geben, ſondern hatte ihn überdies noch
ge=
zwungen, von jedem Verſuch, etwas herauszubekommen,
abzu=
ſtehen. Das war übrigens ganz im Einklang mit ihrem
Charak=
ter, wie ſie ihn gezeigt hatte. Hätte er eine Analyſe von ihr
ent=
werfen ſollen, ſie hätte gelautet: ſehr gute Erſcheinung,
unge=
wöhnlich große Unſchuld (u. a. bewieſen durch die Art, wie ſie ſich
ihm im Café in die Arme warf), Herrſchſucht im Verein mit
angeborener Liebenswürdigkeit, und ein wunderliches Gemiſch
von Scheu und Abenteuerluſt. Ihr Sinn für Humor ſchien
nicht beſonders entwickelt zu ſein, und es machte den Eindruck,
als ob ſie die Welt hauptſächlich aus Romanen kennen würde —
eine andere Erklärung hatte er z. B. nicht für die wunderlichen
Worte finden können, mit denen ſie ihre Bekanntſchaft
ein=
geleivet hatte: Behandeln Sie mich, als ob ich Ihre Freundin
wäre. — Jetzt am Mongen, als ſie im Marſeiller Bahnhof
aus=
geſtiegen waren, war ſie ſehr verſtimmt geweſen, was ja nach
all ihren Abenteuern erklärlich genug war. Er hatte verſucht,
ſie in der Weiſe aufzumuntern, die er am geeignetſten fand —
ein bißchen Neckerei und ſehr viel Rückſicht; ſeiner Auffaſſung
nach ſchadete es nicht, wenn ein Raſſepferd hie und da die
Spo=
ren ein wenig zu fühlen bekam.
Wenig darauf gefaßt, welche Ueberraſchungen ihn noch von
ihrer Seite erwarteten, kehrte er nach fünf Minuten mit einem
großen Veilchenſtrauß in der Hand in den Speiſeſaal zurück.
„Alles in Ordnung, Madame,” ſagte er. „Ich habe Zimmer
für uns im erſten Stock beſtellt, und eine Annonce an die Pariſer
Zeitungen telegraphiert. Im Vorübergehen habe ich dafür
ge=
ſorgt, daß Sie ein paar Toiletteſachen auf Ihr Zimmer
bekom=
men. Darf ich Ihnen dieſe Veilchen überreichen, zum Zeichen,
daß wir in das Land des Frühlings gekommen ſind?”
Sie nahm das Sträußchen mit einem zerſtreuten Lächeln
entgegen, er warf einen Blick auf ſie und ſah, daß ſie in eine
ſeiner Zeitungen vertieft daſaß. Excelſior oder Matin, dachte er,
im ſelben Augenblick ſah er zu ſeinem Erſtaunen, was für eine
Zeitung ſie gefeſſelt hatte. By Jove, der Financial Leader!
Was in aller Welt! Eine engliſche Börſenzeitung!
Spekulierte die neugebackene Madame Pelotard in Aktien?
Jenſeits des Kanals war augenblicklich eine Craze in Gummi,
und ein erheblicher Teil der Spekulanten waren Damen, das
wußte er. War ſie eine von dieſer Sorte? Bevor er noch Zeit
hatte, ſich weitere Fragen zu ſtellen, wurde er durch den
Gegen=
ſtand ſeiner Grübeleien ſelbſt unterbrochen, ſie fragte mit leicht
gerunzelten Augenbrauen:
„Sagen Sie mir, haben Sie dieſe Zeitung geleſen?”
„Ja, Madame.”
Die Zeitung war Mr. Erneſt Jſaacs ſpezielles Organ, und
„Philipp las ſie regelmäßig, da ihre Leitartikel ihm mehr
Amüſe=
ment bereiteten als der Punch. Aber dieſe Nummer hatte
be=
ſondere Voausſetzungen, ihn zu intereſſieren.
„Wollen Sie mir einen Artkel hier erklären?”
„Gerne. Welchen?”
Er beugſte ſich raſch vor, überzeugt, ſie in einen der
opti=
miſtiſch poetiſchen Artikel verteft zu finden, mit denen Mr.
Iſaaes Sekretär, Mr. Baß, die Geburt einer neuen Geſellſchaft
zu begrüßen pflegte. Seine Verblüffung war ſo groß, daß er faſt
umgefallen wäre, als er ſah, wohin ihr kleiner Finger wies.
„Dieſen Artikel,” ſagte ſie, „über die Staatspapiere von
Minorca!”
By Jave! By Jove! Philipp ſtarrte fünfzehn lange
Se=
kunden das dunkelhaarige Köpfchen an ſeiner Seite an. Minorca.
Was in allen Sternenwelten konnte dieſe junge Dame für ein
Intereſſe an Minorca haben? Wie um Himmels willen konnte
der Artikel über Minorca und ſeine Staatspapiere ſie
intereſſie=
ren? Der Artikel, der ihm am Tage vorher auf dem
Trottoir=
rand des Café de la Paix ein ſo ſelbſtzufriedenes Lächeln
ent=
lockt hatte! Minorca! Als ihm der Name und der Artikel
wieder unter die Augen kam, hätte er faſt laut aufgelacht.
Vor=
geſtern war der größte Coup ſeines Lebens vom Stapel gegangen,
den er vor ein paar Wochen Mr. Iſaaes in ſeinem Kontor
vor=
geſchlagen und zu dem dieſer Geld vorgeſtreckt hatte. Der kühnſte
Plan, den ſein erfindungsreiches Hirn bisher ausgeheckt hatte
und vor dem ſogar Mr. Iſaaes erzittert war; die ganze
Staats=
ſchuld eines unabhängigen Reiches aufzukaufen und ſich zum
Herrn über all ſeine Schickſale zu machen — allerdings ein
klei=
nes Reich, aber zum Teufel, dafür mit um ſo größerer
Staats=
ſchuld! — Dieſe ganze Staatsſchuld oder nahezu die ganze
auf=
zubaufen (zu 42einhalb Prozent!), die blutſaugeriſchen Wucherer
zu prellen, die des Profits ſo ſicher geweſen waren, und die
übrige Welt zu verblüffen, die eine Ahnung hatte, daß dieſer
Verdienſt exiſtierte.
(Fortſetzung folgt.)
Kaufen Sie keine zbilligen Waſchmitteleauch
wenn ſie äußerlich ſchön ausſehen, ingendwo
rächt ſich die minderwertige Gualität doch.
Feuvio enthält 80% Fett, iſt daher die
mildeſte und ſparſamſte Haushaltſeife.
I.St. 7558
Familiennc jrichten
1 S. September
1923
Darmstadt / Ernst-Ludwiostrasse k2
te glückliche Geburt eine=
L gesunden BUBEN zeigen in
großer Freode an
Verwaltungsinspektor
Ludwig Hacholdt u. Frau
Gustel, geb. Weingarten,
15. September 1923.
(*25029
Statt Karten.
Die glückliche
Geburt eines gesunden
/ Mädels zeigen an
Hans Günther
und Frau Johanna
geb. Roß.
Darmstadt, 15. Septbr. 1923.
(*25044
Grete Kuhl
Leo Kraemer
VERLOBTE
Darmstadt, 16. Sept. 1923
Wh
Klara Hil
Hermann Röder
VERLOBTE
Darmstadt, September 1923
Anna Bayer
Peter Weihert
VERLOBTE
Darmstadt
Altheim
16. September 1923
Aſß0
Mlinna Schneider
Ludwig Tramer
VERLOBTE
Darmstadt, 16. Sept. 1923
Hoffmannstr. 12 Mällerstr. 41
W0
Mariechen Müller
Erich Georg
VERLOBTE
Sonntag, 16. Sept. 1923
Wiebelsbach 1. O. Heubach t. O.
(*24952
Allen EM.,
EM., AH., AH.
und Bb. Bb. die
traurige
Nach=
richt, daß am
11. Septbr. 1923
unſer lieber
Alter Herr
Guſtav le Bell
(aktiv 92/94)
im eben vollendeten 50.
Lebens=
jahre geſtorben iſt.
Wir werden ſeiner ſtets in Treue
gedenfen.
(*25012
Der Akademiſche Verein
Darmſtadt im W. V.
Nachruf.
Heute früh verſchied plötzlich und unerwartet
unſer Prokuriſt
Herr
aus Darmſtadt.
Wir verlieren in Herrn Oehlſchläger einen
äußerſt tüchtigen Mitarbeiter, der durch ſeine
außer=
gewöhnlichen Befähigungen zur Entwicklung unſeres
hieſigen Zweigunternehmens ſeit der Neugründung
desſelben erheblich beitrug.
Auch hat ſich Herr Oehlſchläger durch ſeinen
lauteren und ſelbſtloſen Charakter ſtets die
Wert=
ſchätzung und Hochachtung ſeiner Mitarbeiter und
(*25020
Kollegen erworben.
Ein dauerndes Gedenken iſt ihm gewiß.
Pasquay=Werke A. 8., Saarbrücken
Zweigniederlaſſung Griesheim b. 2.
und die Arbeiter nnd Angeſtellten.
Griesheim b. D., den 15. September 1923.
Stellengeſuche
Weiblich
Junges Mädel
m. g. Z. ſucht Stell.
nach Holland. Ang.
u. P71 Geſchſt. (72500
Mädchen, das ſchon
gedient hat, ſucht
Stellung, wo es ſein
Kind b. ſich h. k. Lohn
Nebenſache. Angeb.u.
P69 Geſchſt. (*25023
Köchin
u. Hausdame ſ. Stell.
i. Griechenland. Ang.
1.P.67 a.d Geſchäftsſt.
Man
Vertrauenspoſt.
Stelle auf Büro vd.
Lager ſucht fleiß ehrl
Kaufmann, Kaution
Bürgſchaft vorhand.
Angebote unter P 49
Geſchäftsſt. (*24976
Offene Stellen
Weiblich
Zuverl. Mädchen für
ganz od. tagüb. in ruh
Haush. (2-3 Perſ.)geſ
Steinſtr. 37, Erdg. (*
Geb., jg. Dame z.
Be=
gleitung e. erblindet.
Herrn a. tägl. 2.3 St.
geſ. Näh. Aliceſtr. 22
(*2503.
III, 9.3.
Zeugnis=Abſchriften
Bäumer’s. 57238
Maſchinenſchreibſtude,
Rheinſtr. 8. Tel. 1223
Nur Qualitätsarbeit!
Anfängerin
oder Lehrling
für Büro u. leichte
Lagerarbeiten ſofort
geſucht. Ang. u. P 68
Geſchäftsſt. (*25025
Ein älteres
Mädchen
oder Frau
ſol. u. tüchtig, zu aller
häusl. Arbeit gewillt
u. m. Führung eines
frauenloſ. Haushaltes
vertraut, geſ. Eintritt
möglichſt bald. Ang.
u. P 72 Gſchſt. *25016
Suche zum 1: Okt für
1. Familie ohne K. i.
gut. Stelle ehrl. tücht.
Allein=Mädchen, das
einf. koch. k. G Empf
Bed. Näh. von2 6 Uhr
Annaſtr. 37, I. (*2100
Geſuchtin gutes Haus
a. d. Bergſtraße zum
1. Okr. ein gebildetes,
junges Mädchen, das
im Haushalt
betpan=
dert u. gern tätig iſt,
als Stütze u. zur
Ge=
ſellſchaft einer älteren
Dame. Angeb. u. P59
a. d. Geſchſt. (*25002
Dienſtmädchen
bei zeitgemäß. Lohn
u. guter Verpflegung
geſucht. (*24920c
Eliſabethenſtr. 68
Für ſofort od.
ſpäter (B7556
gutt
bei zeitgemäßer
Entlohnung
ge=
ſucht
Herdweg 60.
Beſſere Stütze
i. Küche u. Haus ſelbſt.
z. ält. Dame geſ. Näh
Wilhelminenſtr. 26 Part.
Evang.
Aind. Gärtnerir
oder gebildetes
Rinderfräulein
zut 3 Mädch. v. 7, 9u
10½ J. geſ. Beding
arbeitsfr. u. geſund,
Eintr. 1. 10., Mädch.
vorh., Fam.=Anſchl
g. Verpfleg., zeitgem.
Geh. Ang m. Bildgsg.,
Zeugnisabſchr. und
Lichtb. erb. (7542
Frau Fabrikbeſitzer
Rud. Foncar
Köppern i. Taunus
(unbeſ. Gebiet).
Zur Hilfe
in Küche und
Haushalt
tags=
über ſauberes,
zuverläſſiges
oder
geſucht (B7757
Herdweg 60.
Zu alter Dame
(Witwe) in ſchön
ge=
legener 4Zim.=Wohn
wird gebildete,praktiſche
Dame
a.
haushaltungs=
führende Stütze u.
Geſellſchafterin
geſucht. Gehalt nach
Vereinbarung
Ein=
tritt baldmöglichſt.
Lauffrau u. ſonſtige
Hilfe vorhanden.
Bewerbg. u. O. 31
an die Geſchſt. wolle
man Lichtbild, evtl
Zeugniſſe, kurzen
Lebenslauf u. Refer
beifügen. (24520ig
Für Villa ſof. oder
1. Okt. geſ.: Geſundes
ehrlich., in Küche und
Haushalt erfahrenes
Akleinmädchen
mit guten Empfehl.
Arbeits=Sohlen und
Kleider geſt. Zeitgem.
Lohn. Reiſevergütg.
A. Z. poſtlag.
See=
heim, Bergſtr. (*201
Alleinmädchen
zuverl. in Küche und
Haush. z. 2 Perſ. bei
zeitg. Lohn geſ.
Hein=
richſtr. 10 od.
Ludwigs=
ſtraße 20. (*24989
Reinliche, ehrl. Hilfe
3mal wöchentlich 2
Stunden geſ. (*24998
Roquetteweg 10, I.
Als
Haustocht. vd. Stütze
für Villa ſof. od. ſpät.
geſ. geſund geb. jung.
Mädch., erf. im Koch.
Ausb. und Haushalt
U. R. poſtlag.
See=
heima. d. B. (*24990
Saubere
Toilettenfrau
geſucht.
Schloß-Café
Rheinſtr. 2.
571
Tücht brav. Mädchen,
welch, z. Hauſe ſchlaf.
kann, für kl. Haushalt
(3 Perſonen) geg. hoh.
Lohn geſucht. (*24961
Frau Hedwig Janſſen,
Friedrichſtr. 9, part.
äglich od. wöchentl.
einige Stunden im
Haushalt geſ. (*25038
Näheres Geſchäftsſt.
Haustochter
geſucht in ruhiges,
feines Haus.
Ange=
ſote unter O. 69 an
die Geſchſt. (*24610
Männlich
Gewandter
Buchhalter
für halbe Tage
ge=
ſucht. Angeb. unter
P 60 mit Ia. Refe
renzen an die
Ge=
ſchäftsſtelle. (*2499
in feinen bürgerl.
Haushalt
Frank=
furts geſucht,
ge=
wandt i. Servier.,
perſ. Bedienung
des Herren.
Haus=
arb. Evt.
Lebens=
ſtellung. Ang. unt.
Z. 2447 an Jakob
Mayer, Ann.=Exp.,
Frankfurt am Main.
(M7570)
Suche gute Milchziege,
Hänſe u. Hühner gegen
Stiefel.
Ang. u. P 45 Gſchſt. (*
2 junge
Dobermänner
12 Wochen alt, 1 Fox,
8 Wochen alt, zu
ver=
aufen
Frankfurter=
ſtraße 15. (*24963
1 Zwergſchnau
Rüde 1 Jahr, 1
berne Spindeluhr
verkaufen. Lui
traße 34, H. I. (*25
Zum Ausbau der Vertretung eines
Werkes der Großinduſtrie wird ein am
hie=
ſigen Platze anſäſſiger
(7478
Baufachmann
geſucht. Kapital nicht erforderlich.
Der=
ſelbe muß bei Behörden, Architekten,
Bau=
geſchäften uſw. beſtens eingeführt ſein und
über erſtklaſſige Beziehungen verfügen.
Arbeitsfreudige Herren, die auf
ähn=
lichem Gebiete bereits Erfolge nachweiſen
können, wollen Lebenslauf, Referenzen u.
Lichtbild einſenden unter O. 102 an die
Geſchäftsſtelle ds. Bl.
KGroßzügig!
org w. d. Alleinverk. unſ. gerade jetzt erforderl.
Artikel bezirksw. f. tücht. Herr! — Glänzend.
Eink. — Höchſte Zuſchüſſe! — Keine Reiſen!
Bew. m. ca. 300 Millionen f. Lager w. ſ. unt,
O. A. 6261 an Bernhard Arndt, Annoncen=
Expedition, Berlin W. 8.
(TV,7539
Je 1 tüchtiger Kaufmann
für Buchhaltung u. Korreſpondenz
letzterer in Stenographie und auf der
Schreibmaſchine durchaus bewandert,
zum möglichſt baldigen Eintritt geſucht.
Carl Schenck, Darmſtadt
G. m. b. G.
(753189
Darmſtädter Tagblatt
16. September 1923Nr. 256
Handelsblatt
* Vierte Deutſche Erfindungen=, Neuheiten=
und Induſtrie=Meſſe in Mannheim.
Von
Dr. Brixner=Mannheim.
Der Reichsverband Deutſcher Erfinder, dem die ſüdweſtdeutſche
Handels= und Induſtriemetropole Mannheim ihre Einreihung in die
Zahl der Meſſeſtädte verdankt, veranſtaltet gegenwärtig in Mannheim
ſeine vierte Deutſche Erfindungen=, Neuheiten= und Induſtrie=Meſſe.
Trotz der allgemeinen wirtſchaftlichen Depreſſion hat die Meſſekommiſſion
den im Mai d. J. gefaßten Plan, den für zu groß gehaltenen einjährigen
Abſtand der Meſſen durch Veranſtaltung einer Herbſtmeſſe zu verringern
und dadurch den Erfindern zur Verwertung, zum Verkauf ihrer
Schutz=
rechte oder der nach dieſen hergeſtellten Waren zu verhelfen, nunmehr in
die Tat umgeſetzt. Die gegenwärtige vierte Meſſe iſt zugleich die erſte
Herbſtmeſſe. Vielleicht hat gerade die ſchwierige Wirtſchaftslage das
Be=
dürfnis nach kürzeren Abſtänden der Meſſen hervorgerufen, da unſere
fluktuierenden Verhältniſſe einen öfteren Kontakt der zumeiſt etwas
ſonderlichen kleinen Erfinder, deren Förderung ſich die Meſſe ganz
be=
ſonders angelegen ſein läßt, mit den wirtſchaftlichen Wirklichkeiten
not=
wendig macht. Daneben verſpricht ſich auch die Induſtrie von der
Ver=
ringerung der Zwiſchenräume Vorteile, weil dadurch die für Baden und
die Nachbargebiete gebotenen Möglichkeiten, mit Neuheiten vor einen
internationalen Intereſſentenkreis zu treten, erheblich vermehrt werden.
Jeder deutſche Erfinder, auch wenn er dem Reichsverband Deutſcher
Erfinder nicht angehört, ſowie zahlreiche unbemittelte
Kleingewerbe=
treibende erhielten je nach Wunſch und Ausſtellungsgegenſtand Freiplätze
bis zu einem Quadratmeter mit entſprechender koſtenfreier Ausſtattung.
Eine nach der äußeren Darbietung wie nach dem praktiſchen Wert ſtreng
getroffene Auswahl bürgt für die qualitative Höhe der gezeigten Artikel.
Die gegenwärtige Ausſtellung bietet auf den verſchiedenſten
Ge=
bieten viel Neues, Intereſſantes und für den gewöhnlichen Sterblichen
— Unerſchwingliches. Von luxuriöſen Wohnungseinrichtungen bis zum
Sicherungsſchloß „Angſtfrei” der Firma Emil Schwarz in
Darmſtadt iſt alles in Modell und Zeichnung oder als Fertigfabrikat
vertreten, was deutſcher Erfindergeiſt in raſtloſer Arbeit ſchuf. Neben
den Fabrikaten der Ofenbautechnik, die einen ſtattlichen Platz einnimmt,
findet man Neuheiten auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und des
Bauſtoffmarktes, auf dem Gebiete des Kunſtgewerbes, der Elektrotechniik
und des Maſchinenweſens. Lehrmittel und Muſikinſtrumente wechſeln
ab mit chirurgiſchen, ortopädiſchen Artikeln und Apparaten, ſanitären
Anlagen und Toiletteartikeln. Spietwaren und Reklameartikel erfreuen
das Auge des Beſuchers, der mehr für auffällige Aeußerlichkeiten Sinn
hat. Landwirtſchaftliche Maſchinen, die Zeugen der Intenſivierung der
Landwirtſchaft, ſind in großer Zahl und Mannigfaltigkeit. vertreten.
Den meiſten Raum in der Ausſtellung nehmen die Erzeugniſſe der
Büro=
möbelinduſtrie für ſich ein. Dieſe Tatſache dürfte ohne Zweifel typiſch
ſein für die Ueberbürokratiſierung unſerer geſamten Wirtſchaft und
Ver=
waltung und damit für die Umſchichtung der Berufsgruppen zum
Nach=
teil der Produktivität der deutſchen Volkswirtſchaft. Neben Adreſſier=
und Schnelladdiermaſchinen ſieht man da eine Schnellrechenmaſchine, die
dem Menſchen das Denken abnimmt und ihn zum ſtaunenden
Bewun=
derer ihrer Fähigkeiten macht; ſie multipliziert, ſubtrahiert, addiert und
dividiert mit einer verblüffenden Schnelligkeit und Genauigkeit, die
jedem Zahlenakrobaten Konkurrenz macht.
Es iſt natürlich nicht möglich, im Rahmen dieſes Berichtes auf alle
die kleinen Erfindungen und Neuheiten näher einzugehen, die in reichem
Maße geboten werden und die nicht immer auf den erſten Blick die Fülle
des Schaffens, Strebens und Suchens erkennen laſſen, die in ihnen
ver=
borgen liegt. Gewiß wird manches Surrogat bleiben, was als Neuheit
gezeigt wird; aber ſicher wird auch manches vom Konſum willkommen
aufgenommen werden, und man wird bald vergeſſen, daß es
Surro=
gar iſt.
Zahlenmäßig ſind die Mannheimer Ausſteller am ſtärkſten vertreten,
was nicht nur durch den Orr der Ausſtellung, ſondern auch durch die
Vielſeitigkeit der Mannheimer Induſtrien begründet iſt. Daneben iſt
aber auch Württemberg, nachdem ſich vor kurzem der Württembergiſche
Erfinderverein dem Reichsverband Deutſcher Erfinder angeſchloſſen hat,
mit ſehenswerten Neuheiten am Platz, und auch Heſſen und die
an=
deren deutſchen Länder fehlen nicht, um die Fortſchritte ihrer Gebiete zu
zeigen.
An praktiſchen Vorführungen übt beſonders eine Empfangsſtation
für drahtloſe Telephonie ihre anziehenden Wirkungen aus. Die
Be=
ſucher der Ausſtellung können ſich im Nibelungenſaal des Mannheimer
Roſengartens eine gut zu vernehmende Oper der Pariſer Opera
an=
hören, die während der Vorſtellung im Pariſer Opernhaus von einer
radiotelegraphiſchen Empfangsſtation aufgenommen und durch
Send=
ſtationen in alle Welt geſchickt wird. Ein gleichfalls vorgeführter
ſinn=
reich konſtruierter Rettungsanzug „Poſeidon” ſchützt ſeinen Beſitzer vor
jeglicher Gefahr des Ertrinkens, wenn es mit ſeiner Schwimmkunſt noch
ſo ſchlimm ſteht. Für um ihr Leben beſorgte Menſchen iſt er alſo bei
Seereiſen ein unentbehrlicher Begleiter.
Alles in allem, kann die Ausſtellungsleitung mit ihrem Erfolg
zu=
frieden ſein. Wenn auch die Ausſtellung nicht den impoſanten Eindruck
einer großen deutſchen Meſſe auf ihre Beſucher macht, ſo wird ſie doch
ihrem Hauptzweck gerecht, dem kapitalſchwachen Erfinder den verdienten
Lohn ſeiner Mühe und Sorge zu ſichern, ſoweit es in ihren Kräften
liegt. Durch die Belebung des Außenhandels aber, der durch die
Schau=
ſtellung der Errungenſchaften des deutſchen Erfindergeiſtes erzielt wird,
trägt auch die vierte Deutſche Erfindungs=, Neuheiten= und Induſtrie=
Meſſe zum Aufbau unſerer darniederliegenden Volkswirtſchaft bei, wird
zur nationalen Tat und verdient Beachtung und Förderung.
Handel und Wandel in Heſſen.
— Ein neuer Induſtriezweig ſieht in den nächſten Tagen
ſeiner Vollendung entgegen. Eine Gruppe von Geſchäftsleuten, unter
denen die Firma Friedr. Ganß, Darmſtadt, Brennmaterialienhandlung,
beteiligt iſt, läßt zurzeit eine Brikettfabrik errichten. Mit der
Fabrika=
tion dürfte in den nächſten Tagen begonnen werden und ſteht zu
erwar=
ten, daß mit dieſer Neugründung auf erträglich billigem Wege der
Brandbeſchaffungsfrage für Haushalt wie auch Induſtrie Rechnung
ge=
tragen wird.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
h Voigt & Häffner A.=G., Frankfurt a. M. Der
Auf=
ſichtsrat beſchloß, einer auf den 29. September einberufenen
außer=
ſordentlichen Generalverſammlung die Erhöhung des Grundkapitals
um 100 Millionen Mark durch Ausgabe neuer Inhaberaktien zur
Be=
ſchlußfaſſung vorzulegen. 40 Millionen Mark ſollen durch Vermittlung
eines Konſortiums den bisherigen Aktionären im Verhältnis 5:1 zu
einem Kurſe angeboten werden, der dem Gegenwert eines halben
Dol=
lars entſpricht, während der Reſt zur freien Verwertung verbleibt.
Das Kapital beträgt gegenwärtig 190 Millionen Mark Stammaktien,
10 Millionen Mark Vorzugsaktien und 20 Millionen Mark
Namens=
vorzugsaktien. Die Zwiſchenbilanz per 30. Juni weiſt auf in Millionen
Mark: Waren 10 700 (letzte Hauptbilanz 31. Dezember 1 373 01),
Bank=
guthaben 3720 (114,13), geleiſtete Anzahlungen 1400 (101,62), Debitoren
4600 (893,27), erhaltene Anzahlungen 6900 (343,4), Kreditoren 2820
(983,52) und Akzepte 2520 (174,83). Das Unternehmen iſt zurzeit in faſt
allen Betrieben voll beſchäftigt; mit Rohmaterialien iſt es entſprechend
eingedeckt.
h. Baldur=Pianofortefabrik A.=G. Frankfurt
am Main. Die Hauptverſammlung beſchloß Sitzverlegung nach
Deggendorf in Niederbayern. Die ſeitherige Hauptniederlaſſung
Frankfurt a. M. bleibt als Zweigniederlaſſung beſtehen.
Waggon= und Maſchinenfabrik A.=G. borm.
Buſch, Bautzen. Die Geſellſchaft bietet einen Teilbetrag der neu
zur Ausgabe gelangenden Aktien bis zum 28. September einſchließlich
derart zum Bezug an, daß auf nominal 1000 Mk. alte Stammaktien
oder Vorzugsaktien Lit. A eine neue Vorzugsaktie Lit. A zu nominal
1000 Mk. zu 2000 Prozent zuzüglich Bezugsrechtsſteuerpauſchale und
Börſenumſatzſteuer bezogen werden kann.
* Elektrizitäts=A.=G. vorm. Schuckert u. Co.
Nürnberg. Die Geſellſchaft erklärt ſich bereit, die zum 1. Oktober
1925 gekündigten Schuldverſchreibungen von 1909 ſchon jetzt einzulöſen.
In dieſem Fall vergütet ſie für jede Schuldverſchreibung das 100 fache
des Nominalbetrages und hält ſich an dieſes Angebot bis zum
31. Oktober d. J.
* Hermann Meyer u. Co. A.=G., Berlin. 15. Mill. Mk.
neue Stammaktien mit Dividendenberechtigung ab 1. Januar 1923
wer=
den den Aktionären im Verhältnis 1:1 zu 10 000 Prozent zuzüglich
Bezugsrechts= und Börſenumſatzſteuer zum Bezug angeboten. Das
Be=
zugsrecht iſt bis zum 29. September einſchließlich auszuüben.
* Mechaniſche Weberei Zittau. Die G.V. ſetzte die
Dividende auf 5000 Prozent feſt und beſchloß Erhöhung des
Grund=
kapitals um 4 Mill. Mk. Stammaktien, die im Intereſſe der
Geſell=
ſchaft Verwertung finden.
* Ottenſer Eiſenwerke A.=G., Altona=Ottenſen.
Die Geſellſchaft hatte am 26. Mai den Beſchluß gefaßt, aus der
Kapital=
erhöhung den Aktionären ein Bezugsrecht im Verhältnis 4: 1 zu 3000
Prozent einzuräumen. Eine Aufforderung zur Ausübung des
Bezugs=
rechts iſt jedoch bisher nicht erfolgt. Nunmehr beruft die Geſellſchaft
ao. G.V. zum 6. Oktober ein, die über den Ausgabekurs der den
Aktionären anzubietenden jungen Aktien erneut Beſchluß faſſen ſoll.
* Dr. Paul Meyer A.=G., Berlin. Die Geſellſchaft ſah
ſich in der vergangenen Woche zur Einſchränkung des Betriebes
ge=
zwungen. Es wurde nur an vier Tagen gearbeitet. Die Geſellſchaft
iſt mit Aufträgen noch verſehen, doch macht ſich auch bei ihr eine gewiſſe
Stagnation geltend.
* Goldmavk=Stahlpreiſe. Vom deutſchen Stahlbund
wird mitgeteilt: Die Entwicklung der wirtſchaftlichen Verhältniſſe in
der letzten Zeit hat den gemeinſchaftlichen Richtpreis=Ausſchuß
veran=
laßt, die Richtpreiſe in Goldmark feſtzuſetzen. Ab 11. September 1923
gelten folgende Richtpreiſe: Für 1000 Kilo in Thomas= oder Siemens=
Martin=Handelsgüte mit bekannten Frachtgrundlagen. Für
Inlands=
geſchäfte: Rohblöcke 165,9 Mk. Für mittelbare Ausfuhrgeſchäfte 117,5
Mark, Vorblöcke 189,6 bezw. 134,5 Mk., Knüppel 202,4 bezw. 143,4 Mk.,
Platine 210,1 bezw. 141,8 Mk., Formeiſen 239,2 bezw. 169,4 Mk.,
Stahl=
eiſen 240 bezw. 170 Mk., Univerſaleiſen 258,3 bezw. 182,9 Mk.,
Band=
eiſen 299,1 bezw. 210,9 Mk., Walzdraht 254,3 bezw. 180,2 Mk.,
Grob=
bleche, 5 Millimeter und darüber, 270,5 bezw. 191,6 Mk., Mittelbleche
unter 5 Millimeter 302,2 bezw. 214,1 Mk., Feinbleche bis unter 3
Milli=
meter 359,4 bezw. 254,6 Mk., Feinbleche unter 1 Millimeter 410 bezw.
283,4 Mk. Von jeder Lieferung werden 70 Prozent zu den Preiſen
für Inlandsgeſchäfte und 30 Prozent zu den Preiſen für mittelbare
Ausfuhrgeſchäfte berechnet. Die Rechnungsbeträge zu Inlandspreiſen
ſind in Papiermark, die zu mittelbaren Ausfuhrpreiſen möglichſt in
Auslandswährung zu zahlen. Die Marküberpreiſe der ſeit Auguft 1922
geltenden Ueberprciſe (Grundpreiſe ohne Zuſchlag) ſind durch 100 zu
dividieren und ſtellen dann Goldmarkbeträge dar. Für die
Umrech=
nung der Rechnungsbeträge in Papiermark gilt der Berliner
Mittel=
kurs für das Pfund Sterling. (1 Schilling — 1 Goldmark.)
* Karoſſerie=Werke Schebera A.=G. Die Geſellſchaft
bietet die bereits vor Monaten zur Ausgabe beſchloſſenen neuen
Stamm=
aktien zu dem damals feſtgeſetzten Kurs von 500 Proz. den alten
Aktio=
nären im Verhältnis 1:1 zuzüglich Börſenumſatz= und Bezugsrechtsſteuer
zum Bezug an, und zwar ein Teilbetrag von 45 Mill. Mk. Das
Be=
zugsrecht iſt bis zum 28. September einſchließlich auszuüben. Reſtliches
Aktienpaket ſoll zum Tauſch bezw. zu Angliederungszwecken Verwendung
finden.
* Erleichtevungen des Deviſenverkehrs in
Un=
garn. Das Neue Wiener Tagblatt meldet aus Budapeſt, daß die
un=
gariſche Regierung, nachdem ſie von der Schweiz einen Vorſchuß von
Fr. 20 Millionen für das Importgetreide erhalten hat, zu einer ſogen.
„kleinen Deviſenform” ſchreiten wird. Die Deviſenzentrale ſoll weiter
beſtehen, jedoch den Großbanken der „Deviſen=Privatverkehr” geſtattet
werden. Das ungariſche Finanzminiſterium wird eine diesbezügliche
Enquette einberufen.
Banken.
h. Paul Dirlewanger u. Co., Frankfurt a. M. Die
ſeitherige Frankfurter Zweigniederlaſſung des Stuttgarter Bankhauſes
Paul Dirlewanger u. Co. iſt in ein ſelbſtändiges Bankhaus
umgewan=
delt worden. Teilhaber dieſer offenen Handelsgeſellſchaft ſind:
Ban=
kier Paul Dirlewanger (Stuttgart) und Bankier Wilhelm Gentſch
(Frankfurt a. M.).
Neugründungen.
h. Fahrzeug= und Motorenfabrih A.=G.,
Mann=
heim. Gegenſtand des neuen Unternehmens iſt die Herſtellung und
der Vertrieb von Sportfahrzeugen jeglicher Art ſowie von
Betriebs=
maſchinen zu ſolchen, auch der Handel mit Roh=, Halb= und
Fertig=
waren dieſer Branche. Das Grundkapital beträgt 100 Mill. Mk. und
iſt in 20000 Inhaberaktien zu 5000 Mk. eingeteilt und werden zu
125 Prozent ausgegeben. Die Gründer, die ſämtliche Aktien
über=
nommen haben, ſind: Kaufmann Fritz Müller (Mannheim), Ingenieur
Heinrich Eder (Frankfurt a. M.), Kaufmann Karl Müller (
Rhein=
gönnheim), Fabrikant Ludwig Nagel (Mannheim), Diplom=Ingenieur
Arthur Graff (Mannheim), Virginie und Marie Graff, beide in
Wies=
baden, Ingenieur Karl Höhn (Schwetzingen). Die Gründer Karl Höhn,
Arthur, Virginie und Marie Graff bringen die Geſchäftsanteile an
der Firma Ernſt Burkhardt, G. m. b. H. in Mannheim, in die
Aktien=
geſellſchaft ein, die die Einlage gegen Zahlung von 10 Mill. Mk.
über=
nimmt. Mitglieder des erſten Aufſichtsrates ſind die vorgenannten
Gründer Nagel und Eder ſowie Rechtsanwalt Dr. Karl Eder (
MMann=
heim).
Anleihen.
* Plan einer langfriſtigen Anleihe Amerikas
für Rumänien. Der rumäniſchen Zeitung Argos zufolge ſoll die
Morgangruppe der rumäniſchen Regierung eine erſt in der Zeit
zwi=
ſchen 1973 und 2023 rückzahlbare Anleihe von 10 Millionen Dollar für
Eiſenbahnzwecke, Wiederaufbau in der zerſtörten Zone und Stützung des
Leikurſes angeboten haben. Die Morgangruppe würde den Betrag, der
durch die Monopoleinnahmen ſicher zu ſtellen wäre, teils in der Form
von rumäniſchen Schatzſcheinen, teils in Leiwährung hergeben. Der
Zins würde ſich auf 4,7/8 Proz., der Ausgabekurs auf 96½ Proz, ſtellen.
Dividendenvorſchläge.
* Vereinigte Thüringeu Metallwarenfabrik
A. G., Cella=Mehlis. Die Geſellſchaft, die bereits G.V.
ein=
berufen hat, iſt mit dem Dividendenvorſchlag noch nicht in die
Oeffent=
lichkeit getreten. Es ſoll eine Dividende in Ausſicht genommen ſein in
Höhe von 1 Goldmark, umgerechnet zum Dollarkurs vom 30. Juni d. J..
wozu jedoch die Zuſtimmung des Aufſichtsrates nötig iſt. Auf der
Grundlage des damaligen Dollarkurſes von 154 000 Mk. dürfte ſich die
Dividende auf 3678 Prozent gegen 60 Prozent im Vorjahr belaufen.
* Emaillier= und Stanzwerk, urm. Ullrich
Mai=
kammer (Rheinpfalz). Die Geſellſchaft erzielte im
abgelaufe=
nen Geſchäftsjahr einen Nohgewinn von 251 Millionen Mark (i. V.
3 Millionen Mark), für Abſchreibungen wurden 0,150 Millionen Mark
verwandt, der ordentlichen Reſerve 1,55 Millionen Mark zugeführt,
ſodaß ein Reingewinn von 249 Millionen Mark verbleibt, woraus eine
Dividende von 200 Prozent auf ein Aktienkapital von 20 Millionen
Mark zur Ausſchüttung gelangen ſoll, (i. V. 20 Prozent auf 5,5
Milli=
onen Mark, wovon 3 Millionen Mark zur Hälfte dividendenberechtigt
waren).
Warenmärkte.
h. Mannheimer Wochenberichte. Getreide.
Trotz=
dem ſich die politiſchen Verhältniſſe, mit denen immer die weitere
Mark=
entwertung begründet wurde, ſich etwas gebeſſert haben, erlitt die Mark
eeinen weiteren, ſehr ſtarken Verfall und trieb die Preiſe an den
Waren=
märkten zu unerſchwinglichen Höhen. Wenn man ſchon ſeitens der
Käufer gegenüber dieſen hohen Preisforderungen ſtarke Zurückhaltung
beobachten konnte, ſo ſind auch die Abgeber, beſonders die
landwirtſchaft=
lichen, mit der Abſtoßung ihrer Ware aus neuer Ernte ſehr vorſichtig
und ſelbſt die neuen Steueren wie Landabgabe uſw. bringen nicht viel
Material heraus. Man klagt und läuft Sturm gegen dieſe Steuern,
bringt ſie aber ſchließlich doch auf, ohne große Verkäufe vornehmen zu
müſſen, was der Anſicht weiter Kreiſe Recht gibt, daß in der
Landwirt=
ſchaft immer noch viel bares Geld ſteckt. Daß unter den gegenwärtig
ſchwierigen, beſonders aber unſicheren Verhältniſſen niemand das Riſiko
eines Geſchäftsabſchluſſes auf ſich nehmen will, iſt nicht verwunderlich,
und ſo vollzog ſich die Berichtswoche in zwar aufgeregten, aber
geſchäfts=
loſen Bahnen. In den Waren iſt eine gut 100prozentige Verteuerung
eingetreten, ſo bei Weizen von 120—150 auf 285—300, bei Roggen auf
200, bei alter Gerſte von 75—85 auf 200—235, bei neuer Gerſte von
90—100 auf 250—260, bei altem Hafer von 85 auf 200, bei neuem Hafer
von 90 auf 220—240, alles in Millionen Mark pro 100 Kilo bahnfrei
Mannheim. Bei Weizen war die Steigerung geringer als bei den
üb=
rigen Getreidearten, da ſeitens der Mühlen gar keine Kaufe vorgenommen
werden, während in den anderen Artikeln immer ſich noch etwas
In=
treſſe zeigt. Beſonders in Gerſte ſuchen die Brauereien ihren
diesjäh=
rigen Bedarf zu erlangen und in Hafer iſt die verarbeitende Induſtrie
am Markte.
Mehl. Nachdem man am Mehlmarkt beſchloſſen hat, nur noch
zum Dollarkurs zu verkaufen, haben die Mehlpreiſe eine ſtärkere
Stei=
gerung als Weizen erfahren. Bei dem nun erreichten hohen Stande von
640 Mill. Mk. pro Doppelzentner für Weizenmehl Spezial Null bei den
Mühlen haben die Hamſterkäufe endlich aufgehört, da man auch in dieſen
Kreiſen glaubt, den Höhepunkt erreicht zu haben. Die beſſere Zufuhr
von Kartoffeln haben auch einen Rückgang des Einkaufs von Mehl.
ſei=
tens des Konſums verurſacht. Die zweite Hand verkaufte zuletzt
Weizen=
mehl ab Mühlenſtation zu 550—600 gegen 200—250 und Roggenmehl zu
420 gegen 150 Mill. Mk. in der Vorwoche.
Futtermittel. Das Marktgebiet wird immer enger begrenzt,
da die Verkäufer mit ihren Angeboten zurückhalten. Zu Anfang der
Woche waren noch Malzkeime zu 75 und Trockenſchnitzel zu 48—53 Mill.
pro 100 Kilo angedient, gegen Ende der Woche lag aber nur noch
Weizenkleie mit 130—140 Mill. Mk. am Markt. Roh=Melaſſe wurde mit
120 Mill. Mk. nominell notiert und für Raps forderte man 290—300
gegen 120—140 Mill. Mk. in der Vorwoche. Von Rauhfuttermitteln
fehlte Wieſenheu und Luzernekleeheu ganz, Preßſtroh wurde mit 35—36
gegen 13—14 und Bundſtroh mit 28—30 gegen 11,5—12,5 Mill. Mk. pro
Doppelzentner waggonfrei Mannheim gehandelt.
Kolonialwaren. Die Tendenz war auch weiterhin ſehr feſt,
das Geſchäft aber ſehr ruhig. Der Konſum wird immer kleiner bei den
unerſchwinglich hohen Preiſen.
Tabak. Die Ernte iſt in vollem Gange. Schon viele Aecker ſiehr
man ganz abgeblattet. Der Ertrag iſt zufriedenſtellend und wird eine
gute Mittelernte bringen. Das Wetter war für die Aberntung und für
die noch nicht ganz reifen Tabake ſehr günſtig. In den Scheunen der
Tabakbaugebiete wird fleißig an dem Einnähen und Aufhängen der
heim=
gebrachten Tabakblätter gearbeitet. Der Verkauf von Vorbruch,
Sand=
blatt und Grumpen, wie er ſeit einigen Jahren ſchon um die Erntezeit
in grünem Zuſtande üblich war, ruht bis jetzt noch vollſtändig. Die
Pflanzer wollen von einem Verkauf nichts wiſſen, einmal wegen dem
ſchlechten Markwert, zum anderen, um nicht wieder die vorjährige
Er=
fahrung durch allzueilig vorgenommenen Verkauf zu machen. Auch in
alten Tabaken war Geſchäftsſtille, da kein Eigner Ware feilbietet. In
den Fabrikaten war in der vergangenen Woche die Preisſteigerung ganz
beſonders ſprunghaft. Im Kleinhandel ſind zwar noch Zigarren zu
300 000 Mk. pro Stück zu haben, während die Fabrikation zu dieſem
Satze ſchon nichts mehr abgibt. In Rippen war nur wenig Angebot,
deſto ſtärkere Nachfrage trotz ſteigenden Preiſen.
Obſt. Mögen die Zufuhren zu den Obſtmärkten noch ſo groß ſein,
ſie finden alle ſchlanke Abnahme, ſelbſt bei den höchſten Forderungen.
Am Freinsheimer Obſtgroßmarkt wurden bezahlt für Kochäpfel 60—80,
Tafeläpfel 200—400, Kochbirnen 80—100, Tafelbirnen 220—580,
Zwetſch=
gen 250—300, Mirabellen 400, Reineclauden 250—280, Tomaten 500 bis
520, Pfirſiche 300—760 in Tauſenden von Mark pro Pfund.
Wein. Bis jetzt hat ſich der Siedemonat der Trauben ſehr gut
an=
gelaſſen und bringt die Trauben ſchnell der Reife entgegen. Die
Portu=
gieſer färben ſich ſtark und können bald geerntet werden, die weißen
Trauben werden immer heller, an bevorzugten Stellen ſchon gelblich.
Bleibt das Wetter weiter ſo warm, dann werden die Trauben einen
hohen Zuckergehalt haben, der nahe dem 1921er kommen dürte. Bei den
Milliardenpreiſen legte man ſich im Einkauf etwas Zurückhaltung an.
Bei der Weinverſteigerung in Deidesheim wurden für 1922er
Weiß=
weine pro 100 Lter 5,1—18,6 Milliarden Mark, für 1920er Flaſchen=
Weine 6,2—11,6 Mill. Mk., für 1921er Flaſchenweine 12,8—37 Millionen
Mark pro Flaſche erzielt.
wb. Berliner Produktenbericht. Am Produktenmarkt
kamen durch die weitere Steigerung der Deviſen wiederum höhere
Notierungen heraus. Trotzdem war das Inland mit dem Angebot
wieder zurückhaltend. Auch iſt das Geſchäft infolge der durch die
enormen Preiſe immer ſchwieriger werdenden Kapitalfrage, beſonders
ſoweit es die direkten Käufe betrifft, außevordentlich erſchwert. Für
Weizen blieben die Mühlen weiter als Käufer am Markt, wenn auch
die Forderungen nicht immer zu erzielen waren. Roggen ging zu
weſentlich geſteigerten Notierungen weiter an Firmen, die für die
Reichsgetreideſtelle kauften. Beſondere Nachfrage für Roggen und
Gerſte lag aus Bremen vor. Hafer lag ſehr feſt bei weiterer
Nach=
frage ſeitens der Provinzämter. Mehl zog im Preiſe weiter ſcharf
an. Futterſtoffe wurden gleichfalls weſentlich teurer bezahlt.
Börſen.
* Frankfurter Börſenbericht vom 10. bis 15.
Sep=
tember 1923 (mitgeteilt von der Deutſchen Bank, Filiale
Darm=
ſtadt). Die in immer beſtimmterer Form auftretenden Nachrichten
über Verhandlungen zwiſchen der deutſchen Regierung und Vertretern.
Frankreichs, die zur Beilegung des Ruhrkonflikts und zur Regelung
der ganzen Reparationsfrage zurzeit geführt werden ſollen, blieben
auf die Stimmung der Börſe in der Berichtswoche ohne erkennbaren
Einfluß. Dagegen ſtand dieſe ſtark unter dem Eindruck der neuen
Währungspläne, die trotz der Regierungserklärung, wonach die
Papier=
mark als geſetzliches Zahlungsmittel beibehalten werden ſoll, die
Markfluchtbewegung zum Hauptmotiv der Börſe machten. Das führte
am Deviſenmarkt zu einer neuen Verdoppelung der Kurſe im Verlaufe
der Woche und ließ den Dollarkurs auf über 100 Millionen in die
Höhe ſchnellen. Noch ſtärker war die Wirkung an den Effektenmärkten.
Die Spekulation vertrat hier vielfach die Meinung, daß die
Einfüh=
rung einer Goldwährung früher oder ſpäter unvermeidlich ſein werde
und zog aus den in Goldmark umgerechnet noch immer ſehr niedrigen
Effektenkurſen die Anregung zu lebhaften Käufen. So kam es, daß
zum erſten Male ſeit längerer Zeit die Kurserhöhungen an den
Effektenmärkten noch über die Niveauſteigerung der Deviſen
hinaus=
gingen, ſo daß ſich alſe die Preiſe für ſehr viele Papiere auch unter
Berückſichtigung der gleichzeitigen Geldentwertung weſentlich erhöhten.
Die allgemeine Vorliebe für Rohſtoffwerte führte beſonders wieder dem
Montanmarkt außerordentlich zahlreiche Kaufaufträge zu, und die
Kurs=
ſprünge auf dieſen und anderen Gebieten wurden um ſo größer, als
die Märkte beinahe völlig leergekauft ſind. So wurden beſonders an
der Mittwochbörſe Kurſe erreicht, die häufig das Drei= und Vierfache
der letzten Notierung darſtellten, und wenn auch in einigen Fällen die
Höchſtkurſe ſpäter nicht voll behauptet werden konnten, da die wieder
fühlbar werdende Geldknappheit nicht unbedeutende Realiſationen
ver=
anlaßte, ſo war doch bis zum Wochenende im allgemeinen eine weitere
Steigerung des Niveaus zu konſtatieren. Die Börſe übertrug ihre
Einſchätzung der Wertpapiere in Goldmark übrigens auch auf den
Rentenmarkt, ſo daß auch hier eine äußerſt lebhafte Nachfrage,
beſon=
ders nach älteren Anleihen des Reiches und der Bundesſtaaten,
entſtand.
wb. Berliner Börſenbericht. Im heutigen
Deviſen=
verkehr herrſchte vorwiegend eine feſte Stimmung, wozu die
Bekannt=
gabe der Berichte über die Verhandlungen im Reichswirtſchaftsrat
beitrugen. Unter leichten Schwankungen ſetzten die Preiſe ihre
Aufwärtsbewegung fort. Allerdings blieben die höchſten Notierungen
nicht voll behauptet. Es wurden ſchließlich folgende Kurſe genannt:
Amſterdam 46.7, Brüſſel 5.90, Kopenhagen 21.80, Italien 5.40,
Lon=
don 550.00, Newyark 121.00, Paris 7.10, Schweiz 21.60, Prag 3.65.
Es fehlte an Angebot bei andauernd lebhafter Nachfrage.
* Schließung der Deviſenbörſen in Polen. Aus
Warſchau wird berichtet daß nach Verordnung des Finanzminiſteriums
vom geſtrigen ab ſämtliche Geld= und Deviſenbörſen Polens bis auf
weiteres geſchloſſen ſind.
1ILDer —FUrV
DarllIStdUr
Bankgeschaft
1 Luisenplatz 1
Fernsprecher 1308, 1309
S Aktien / Renten / Deuisen / Sorten —
Seite 8.
Daritſtädter Tunblalt, Suntiilan, beit 10. Seuleinber 1023,
Mümiter 2BG.
Palast-Lichtsplelo
HIeuto letzter Tag!
Wathan der Weise
Bilddrama in 0 Alten mnit
Werner Krnuns, Clurl tlo Vogt,
Pritz Greiner, irnat Niatray,
Lin Libenschütz (7401mig
Fatty im Sanatorium!
Nouoalos Vatty-Lusteniol.
Hotel Schmitz
Rhelnstr. 50
Tolophon 102
Erstkl. preisw. Küche
Münchoner Löwonbräu
Rummelbräu Darmstadt
Barton in dor Rheintoranlago
Weln •Rastaurant
Ia off. u. Flaschenwolno
Unterhaltungs-
Musik
Gesunguerein „Lyra‟
Honntag, den 10. Heptember:
Tanzfeſt
in
Im Nummelbräu (*24a5) Anſang 4 Uhr
Es ladet ein
Der Vorſtand.
Restaur. Num melhrät
Zelephon 2519 —: Mheinſtraße 10
Wute bürgerliche Mülche.
Mittanstiſch von 12—2ühr.
Jeden
Sonntag KalishersKäfeert
Elntritt frei
Eintritt frei!
Sonntag, den 16. September,
im Konhordiaſaal (Waldſtr. 33);
Urones Landbergnagen
Unfang 4 Uhr. ( 24630
Turngemeinde Beſſungen
E. V. 1805, Schwimmabteilung.
Einladung
zur Schwimmer=Verſammlung
aur Montag, den 17. Gept., abbs. 7½ Uhr,
in der Turnhalle, Heibelbergerſtr. 191.
294077) Der Zchteise-Musſchuß-
Hotel
Darmstädter Hof
Bokannt orstklasslgo Kücho
Prolsworte Welne Im
Aus=
schank und In Flaschen
Bler, Kaffee, Mocca
Liköre
25000
Bes. R. Doll.
Weinstuben num Kaplan
Bositzor: H. SULFRIAN
Kapellplatz —: Fornspr. 31 74
Guto proiswerte Kücho
Mittagstisch 12—2 Uhr
Erstklassige Weino Im Ausschank
und Flaschen ( 24091
Café — Tägllch frischen Kuchen
Frele Llterariſch•Künſtleriſche Geſellſchaft
Winter 1va0ſ4
Acht hünſtleriſche
Veranſtaltungen
Der Mitgliebsbeltrag beträgt für Saal
Friebensmark, für numerlerten Sperrſitz
* Griebenswark, verbielfacht mit der
Schtüſ=
ſelzahl des Wuchhanbels (z. Zt. 12000 000),
und bereihtigt zur Teilnahmte an fämtlichen
acht Abenden. Anmeldungen bei
Wuchhand=
lung A. Wergſträſtier, Mheinſtraße 0. (7506
Monato=
„Drmis”
Verſammlung
a. 17,
Septem=
ber, 8½ Uhr,
im Auker”.
1. Mittellung.
v.
Weitragser=
höhung. (7570
3. Wortrag ub.
Lockentauben.
4. Werloſung.
Flieger
Ehemallge Flugzeugführer und Beobachter,
die Iutereſſe an ber Grülnbung eines
Wer=
eins ehemaliger Flleger haben, werben
ge=
beten, am Donnerstag, den 20, bs, Mts.
abends 8 Uhr, im Meſtaurant Mumelbräu
Mhelnallee zu erſcheinen,
Damen=und Herrenräder
Kinderwagen
prelsſvert
(D72G7
H. Pullmann, Moosbergſtr. 84.
Orpheum
Ae
Gonntag,
Heute 10. bepior,
overeilengaſtſplel!
Der Better
aus Dingsda
WOeute Aufführung)
oonntagahart. * Der=
Nehrabllro vor 10½
vie 19½½,Orpb.-Halie
ab 3 Nor. (7074
Landestheater.
Großes Qauo.
Sonntag, 10. Sept.
V1
1 1
der Moſenkavaller
Auf. Uhr, cude 10 Uhr
Flelneg Gauo. (Vr4
vormtittags 11 Uhr
und abenbs 0 Uihr
Maſſenfile!
Polihiuſchlia.
Nachmlttags 4 und
abenbs W Uhr
Schueeicub-Fllm, II. Tell
„Eine Fuchsſagd
durchs Engadin”
Städt. Akademſe
für Tonkunſt,
Dariſtadt,
Montag, 17. Bept. 1029,
abende NDr,
fur „(üroßten Daus”
des Heſſ. Landestbeatere!
Konzert
des Adol/ Buſch=
Quartetts (s1.
zuut Deſten des Mdolf
Duſch• Fonds der oiädt.
MRademie für Tonkunſt.
Wderke v. Max Meger,
Franz Schubert,
O. dan Weethoven.
Preiſe: 0,50—1,50 ℳ
(Grundpreis X
Wuch=
händlerſchlüſſelzahl.
Narten•Derhauf bei
b. Fa. Honzert-Armold,
WBlihelminenſtraße 0;
Sonntag, 10. Sept.,
u. abenbs 1 Stb. vor
Weglnn an d.
Theater=
alle dee Mrohlen Hauſes
Städt. Saalbau
Heute Sonntag,
den 10., abde, v uhr
Die große
Zauberſchau
Vellachiniir.
Ein Nieſenprogramm
fabelhaft. Senſatlon.!
11. a.: (*N
Die Flucht aus dei
Saratogakoffer!
Das Tagesgeſpräch v.
Darmſtadt!
Dee groß. Andrauges
wegen berilchſtchtige
man den Vorverkauf
Mufinhaus Arwold,
withelminenſtraße v.
2
Theater=
mietharten
zu kauf. geſ. Ang. 1
1 50 Gſchſt. (*24070
Glecht= u. Mäharbeit
keine Workenntnis
nötig, als Heimarbeit
zu vergeben (*24079
Heinrſch=Fuhrſtr. u0,11.
Wag Sle ſuchen
ſiuden Sle durch mich!
Wüohnungs=,
GGe=
ſchäfts- u.
Laudwirt=
ſchafts=Heiraten u.
Uin=
beiraten ſotv,
Tellhaber=
ſchaftenvermitteltreell,
erfolgrelih Gr. F.
Marx, Matuz=Mombach,
Hörverſtr. a. (1 V,0u74
Waldige
Heirat
wünſcht rüſt. Herr,
Enbe 40, m. gutem
Einkommt., frelbenk.
arbeits= und
lebens=
freubig, int. Fräulein
ob. Frau, gleich to.
Staubes, doch
Herz=
unb Gemültsbilbung,
eigene Abohnung,
We=
ingung.
Wertrauens=
volle Angeb. erbitte
u. W 75 Geſchſt. (*W00
(eb. einfacher Maun,
kath., Mitte u0,
all=
genehmes Aeußere,
wünſcht imit Frl. ob.
Witwvein Werbinvung
zu trete
zuueaks Heirat.
Gefl. Angeb, erbitt
unter / 44 an di
Geſchäftsſt. (*2400
HDosg, 15. Geſt. 1020,
Abaſſerhöhe „ 9.05 mn.
Luftwäritte 18‟ C.
Waſſertpäritte vorttt
7 Uhr 190G.
RAwraß-Wol.- Wache
Beotselke T2ormähK-BAfK
BERLIN SWG8 • Charlottonstraſlo 85
Volchsbank-Olro-Konto. Postschock 94797. Fornspr. Dönhoff 5005/07
Fostmark-Doposlton auf kurzo und längoro
Kündigung • Fostmark-Kontokorront-
Vor-
kohr• Fostmark-Krodlto• Vormlttlung
wort-
boständlgor Hypothokon • Wortboständlgo
Anlolhon auf Fostmack- und Rogganbasls
Fostmark-Wart Dollar-Tagoskurs: 4.20
(TV,7408
WHlYE STAR LNNNE
IF IE WMT WM — MWWW VOHEK
nnlaufend Bouthampton.
Doppolochraubouda mpſor „Cauoplo” 14207 t 28. Sopt. v. Dromon
Drolsohraubondampfor „Plttsburgh‟ (uouar Da mpſor)
10 899 t 10. Okt. „
Doppolochranbondampfor „Canople‟ 14 207 4 b. Hov. v. Hamburg
Drolschrauboudamupfor „Plttsburgh‟ (nouor Dampfor)
10 949 1 20. Mov. „ „
befördern Pasanglere in KCajute und III. Klanso.
Ganzilge Gologonhelt für ITolsonde nnah Ungland,
Dampfer l0schon in New Vork City (Manhattan)
Bromon — Hallſax (Canada)
Durchoonnongemenle, Durchfracht. u. Parcol /aoolpt=
Iiogelmäßige Vorbindung nb Liverpool, bozw.
Houthnmnton nach
Wew Vork, Boston, Philadelnhia u. Canada
vormitlolst der modernalen und großlen
Bahnoll-
dampfer der Welt.
Malostlc 56551 t Olympla 46 439
Homorle 34350 t Adrlatlo 24 5411
Die Winrlchtung der I. und II. Klasso übertrict dle
luxurlösoston IIotele; dlo III. Klauno in Käummorn
eingotollt, mit Spelseraal, Iiauahzimmer und
Inmon-
alon, entspricht nuf dlesen Dampfern der
lüinrich-
tung der früheren 1. v. 11. NClauss der Alleron Dampfer.
Dio Expoditlon im Anachluß an dle von England
abfahronden Dampfer orfolg!
(TV,5004
von Hamburg joden Uianstag, Donnarstag u. Bonnabend
Bromon jeden Mittwooh und Bonnabend.
Penſionen
Moch 9—3 Herrei vr
Dauten
zu aut. Abendtiſch
neſucht (sbcikiteTT M.
imier). Vuerfrag.
Geſchuftsſt. (*25007
Auskunft übor Pannage!
„Mhite Star Line‟
Dromen, Philosophenweg 1
Telogr.-Kdr.: „Olymplo‟
Auskunft über Fraohton u
Annahme von Lndung:
Morm. Dauolsborg, Promon,
Tologr.-Adr. „Dauelsburg‟
In Darmstadt für Fracht und Passagei
Frlodr. Zaun, Luisonplatz 1.
Bekanntmachung.
Molner verehrl. Kundschaft zur gofl.
Konntnlsnahme, daß lch in der
Karlstraße 12 (Laden)
olno Annahmostolle oröffnet habo.
(*24001
U. Kiffe
Hutfassonlor-Anstalt — Lichtonborgstr. 73
Der praktiſche Ratgeber
im Obſt= und Gartenbau
Relteſſe
Gartenbau=Zeitſchrift Deutſchlands
Mit Beflage Geflügel= u. Kleſnvſeh=
Wirtſchaft
Unentbehrlich für Gartenbeſitzer
Probenummern und berzeſchnis von
Gartenbau=Lſteratur vom Verlag
Trowitzſch & Sohn, Frankfurt=Odar.
Gumieten geſucht
Maum
zun Ginſtellai elne
Laſtkraftwagens eutl.
lweit, trockeue
Lager=
räunte au uuieten
ne=
fuccht. Aug. u. 105
(7600
Geehaftsſt.
ine 1—2 Mäiunnnte —
fürkiütrostwecke gegen
hohe Miete zu wiieten
geſucht, indallchſt
ge=
ſunbe Lage. Angeb
v. 1 53 ant die (be=
10009
ſchdftsſtelle,
—
Laden
In beſter Lage für
Textllbetallgeſchüft
geſtcht. Gotl. ſt. od.
füt. Wieteiligung
ſel=
tens bas Werwt, Wich
ausgeſchl. iigebote
unt. 1 40 an/b. (
e=
ſchdftsſtelle. (*94000
Füuiges Ehiepuar unſt
ruhtgeit Minb würde
ältere alleinſtehenbe
Frau gauz verköſtigen
g. Mbg. v. 1-2 Zimmer,
Ungebote unter T40
Geſchäftsſt. (*A4008
Wer gibt
ein Himiter möbliert
pb. unmöbltert ab zu
Witrosiverken.Mlmiter
ſoirb in der Auoche
nurant 2 Tagen einige
Stunden benutzt, kann
veshalb v. Werintleter
noch tveiter benutt
wverbei. (bute Allete
wirb gezahlt. (*45030
Woßhörferſtraßte 75, I.
Pfinglt=
roſenknollen
ſtarke unger, pilaugen,
billig abzug. (*24071
H. Miahr
Traiſo, Möberweg41
Weinſäſſer
Einmachfäſſer
Füber uſt.
in verſch. Grbßten ſtets
auf Lager
Mechan. Rüiferel
Gg. Heim
Arheilgerſtraße 59
Wücher, Moten,
Beit=
ſchr. iv. gut u. wreistw.
eingebunden. (7100fg.
Gerv, Wlexanverit. 4, II
Vornahma
Familien
bie burch die
Wer=
härtniſſe gewwillt ſind
RÄUME
abzugeb., werben
ge=
baten, Angebote zu
machen. Mefl. woirb
auf 2 bfs u Hmnter
mit Walkon, für
Uhe=
pagr i. 10jähr, Hind.
andver Fonnen rutl.
geſtellt wwerben, Gefl.
Augebote an
Hotel Traube
Blutner 59, (e26041
MMübl. Niweev auf
wiehrere MNonate an
ſchün gelegeuent Ort
b. Wergſtraße geſucht.
Angebote unter 1741
an bie Geſchüftsſtelle
b2, Wlattes. (* 20097
ober A mböllert
Zimmer
geg zeitgeit. Wezahl.
von Maufutann au
miieten geſ. Ang. an
Moe, Wllelchſtr. B9. (*
Muhl. Chepuar ſ. 1vb, 2
mübllert. Viwwevit.
Wütchenb. W. au Kürbel.
Mheluttr. 47 11I, v. (2P
d. Maufütaunt. ſucht
möbl. Zimmer
vo. Wueſch
Welchſtraßte 7.
Sängerin
ſucht 7 unsol. Rinen.
mitsüchenbennkang=
Aug, an bas
Zanbes-
theater Mr. 947. (eue
Tauſche
auterhl, U. Roltile, 12Modr.äimmer
(r.44, geg. Zwetſchen
ober Gemtife.
Alt=
gebote uuter 7 54
Geſchäftsſt. (*25000
Üübl. Almmer
Wooliertes
Zimmer
f. eine berufstät, Frau
vb Fräul. geg. Baus=
Hauſeb. 10 1hr vorit.
ub. b. 12-4 Uhr, Hetſch,
mit wilchenbenutung ſuchen woir für einen
Vieninten unſeres Werlages zumt 1. Oktober
unb bitten um Angebote,
(7440rn
Verlagsanſtalt Alexander Noch
W. . u. G.
Handſtraße 10.
2-3 leere
Jufolge Wbcazuns (*
auobunwgoelurichtang
d. berk.: Wileberiteler=
Buoocr, ri.
MMahagonl=
wüffet, Wräthner
Salon=Flilgel, Por=
Hellau=Serolee,Hinb.
beitfaſtwen,Paufſtall,
Eiüglhen, Horblwag
uſw, Mk. u, Nr 48 0ſehſt.
Elte FeeW
Eisſchrankt
zwweitite,, preistv. g. bk.
Mkuwentalltr. 119, II. I.
m Mote Tieppbecke,
tabell. Friebenstv. 4.
verk. M0 0. Ge ſeh, (euet
Cocosläufer
weit,A-Gülſte b.
Caben-
preiſes abzug.
Derb=
wwec 50, 11. (*25049
EiſeruerMäuteGerlOrauR,
190 X54Xüg, init
An=
ſchtußkuterohr, und
flache,
verzinkteSchüſ=
ſer mit Hanbbrauſe
für Ablaſchunger au
verr. Mäh. (brafenſte.
Wr. 47 1. Lab (*a4nn2
D. verk. 1 Frach mit Wuelte,
T uebroch- Nuzua f groſte
Figur, 1 Gahho-Auzua,
(bröſte 40. Moßtbürfer
Str. 77 Part. (*W0
Verſtll. 4.-Mdtutel n.
Daueveiiantel, ſolv.
In Gebrockanzug, ſchl.
Fla., u. Klappzylind.
zu verk. (*25091
Dreibrunnenſte.,7 prt.
Ein f.MeilerG
utatwati=
ausuw mit Uxtrahoſe
z. verkauf, auch gegent
Lebensut. z- vertauſeh.
Wnzuſ. v-11 1hrvorit.
gücher, Helurichtr. 1.200e
1 Cutaway
m. Hoſe, fſt. veu, (r.
1,00, ait berk. Veiſlunger=
Ntrahe un, II. (* 24004
1 Paar getragene g.
uMäbchen-ctiefel
(Htr. 30- 40preistw. z. vk.
9—9 Uhr. (*24001
Schöuer Pelz
Gealbilſamkrageit init
neu, für ültere Daute
geeigtet,zuverk. Müh
Geſchdftsſt.
Gühnerfliute
Dopvel Hahv, dreistv.
zu verkauf.
Geſchäftsſt.
D.Ra0
zut verkauf.
felbgr. Zio.
geg. großten
Mantel. Beäh
Mäheres
(*200MN
erad
Tauſche
Maute
aitttär
Giehie
(oftogriln) u.
Dauer=
branbeinſatz, preistv
9.- U. Herreurad
nei für /, des
Meu=
preiſes z. vk.
Wrhell=
gerſtr. 09, I.I. (*20015
Cchtünter
Kachelofen
(7060
abzugeben.
Uberſtabt
Heibelbergerſtr. 0.
Meule
Weinfäſſer
v0— v00 Ptr.
gebr.
Drauntwelufüſſer
N0ch— 000 Ptr.
preistvert abzugeben
N. Wultler 1r.,
Worbiſtenſter, 19, fBbed
Ia Wortl.-Zeitent
ca. 400 Sack, gauz
oben getellt ſofort!
abzugeb. geg. Kaſſe,
wäheres in v. (Gie-
Lmdftsſtelle, (294004
elekteiſiche
Stehlampe
1Fiſth, 1 klelner
Gls-
ſchrank, 1
Ginnllle-
krug mit
Abaſhſchdſ-
ſel, A
Eitnilleiwaſſer=
kannen, 1
Bektogrn-
pheuasharat init
FFrſakvollen
aiduns=
hnlbev zu verk.f
du=
feinft ſchheniger sunb
ſehriwachſatt, ail
ber=
kaufell, Fürderer,
Wha=
traße
M4üng
Verloren
M. Leberakieusavwel
bunkel (
Hrukabilpreſ=
ſung) verloven ubeu
liegeit geblieben. Huhe
Weiohnang. viſte
(ügs Friebhufen
Wtieefte. 10,If. (apwwl
au Hlein, Wlatz, iuit Mütche ober Ankell, ſehle
arbeitabzugeben. Zulaute Wezahlung, zeitgeit. Wbfindunn, ſof
voit ja- Ehepanr in guteit wauſe (Willn
ob. aub.) geſucht.
Hirchſtr. 19. 1. (*24004 Eilangeb. u. K 508 an PlasHagſenſtein
F Boaler, Granrfurt a. W.
(LL,BM
FMagerkeit
Eihdne vulle
wütler=
formebaunſ.prientnf.
Kraftwillen (f. Dauen
hervorrageuh ſhüue
Wüſte), wreisgeke. m.
aofe, aulebaille U.
Upreudiplowen, FFü H.0
Aüwchen v. u0 Mfv.
Mun; Gar, auſhdbl.
Werntl. einpf. Eireng
veell. kllele
Bauk=
ſthreib. Wreist Hucke
(1aust)Kraudsasftbl
zuz. urto (Hoſtann.
vb. Machn.) Fabu, B.
BrautEteinerkäv.,
W. . B. 0., Verliv,
Wn0/az1.
Fu Darmiſtaht nu
haben beit aiebistwall=
Drog. Fr. W. WechenhauV,
Schufſtraße, (1,2010
Dus Jouigelio iurnſſat m
U.-1. München 1923, 0 Alio
Labyrintlt dles Crauens, 0 Allio
inih Lucle Doralne, (7573
Der Kampfum d. Riflliarcle n-
1.-I.
tostuitent, 5 Altto.
Der Streit mmt eillo Rulnen, 5 Xlcto.
G.-T. Mia Tran mit d. Millionon, III. I.
Joo Martin will Maunah wordon.
Der Unterricht im
Kleider=
machen und Zuſchneiden
venlnnt Montag, 17. Bept. (edg
Aumelbungen voriittags erbeten,
Dofſurnnn=
Tilla Kaus=Petry, ſtr. 21, I.
Kamecka
CUBA-MERIC0
Hnvann urnn ckux ramrico
Burkro Mrkico
Abfahrtetege
v. TOLED0 20. Okt.
D. HOLSATIA 20. Mov.
Vorzügl. Einrichtungen ertiler ſtlanae
(Glsatcsiuntimerkliutch, k.I,sue Vierltlass
Mllfel-Mlanne, drilter Mlasse
und Zwlschendadr
Mähere Auakeunkt über Fahrpreles
und alle Einzelllelten ertellt
Hamnund-AMARIKA LIMIA
WAMHUKA und deren Vertreter in
Pfungstadt, Inkol Himbriel, Kbersihdlerslr.
Darmskadt, Aüolpb Radr. Limmor-kräaud.
Unſere nür erſtkl., allgettelt Elitgef. und
Eckharbtſtr. 21, 9. St. machtvelsl. tauſendf, freitv, alänz- begutacht.
aus Metall für Eroachſette
Vettſtellen u. Kluber, Ltahlialke, Pollter,
Dechen, Federbeiten lieferit luir frachtfr. bie,
an Priv zu günſt. Preiſ. u. Webing. Kar, koNfr.
Verſtauereinſatz, tulelgiſenmbbeifabrin aunt /Xhur.).
(TT.A006
Kohlenpreiſe der Grube
„Prinz von Heſſen”
Die Kohlenpreiſe betragen von Montag
den 17. bs. Mts. ab, für den Zentuer frei
Grube:
(st7669
Großſtülck. Hausbrandkohle Mr. 10000000
Kkeinftückige
9800000
Jnduſtriekoſle . .
6000000)
Gelnkohle . . . . . . . 2000000
Der Prelsfür die Wbgabe auf
Schwimm=
bad beträgt 13 Mik.
Die Verwaltung der Grube.
„Prinz von Heſſen”.
Behanntmachung.
anitAdirkung vontt 16. September 1927
ab ſind die Grmäſtigungen beim
Steuer=
abzug nach 8 40, Moſ. 2 des
Einkomien=
ſteuergeſetes und die Wewerkungsſäte
für Sachbezllge allgeiltein verboppelt
vorben.
(7606
fur eingelueit wirb auf die
Wekannt=
machung u. 30, B. 1923 Bezuctk geitomtierf.
Darmſtadt, 14. Septeitber 1023.
Fiuanzamt
Darmſtadt — Viadt.
Geutlſe Elutrilge Iit dad
Haudels=
reniſter II bei der Firiteit: Joſef Keipa
* Uo., Wleſellſchaft mit beſchräukter
Haftung, Darmſtadt: Die Geſentſchaft
iſt aufgelöſt. Blonys Kollmann,
Kauſ=
mann in Darmſtadt, iſt Piuidator. —
Gilddeutſche illnswverke, (leſelſwhaft
mit beſchriukter Haftuna,
Barin=
ſtabt: Wuchhalter Lubwit Gappel in
Darmſtadt iſt zum Wroruriſtei beſtellt
verart, baß er berechtigt iſt, die
Geſeil=
ſchaft geiteinſchaftrich uift einent (
dle=
ſchafteführer ober einent anbereit
Mra=
kuriſten zu verkreteif.
(7501
Barinſtabt, beit 12. Sept. 1020.
Matsgerlcht Biuriuſtabt I.
Da8 Aufahrent bwfr 100 WUgnnuns
aualzſchotter und 15 Manuuns
nüali-
arus, ſoldie die Mnliefernna von
W0 sbernt zualzſaud auf bie Wreisftraſie
Darmſtadt-Kranſchſtein folk auf beur
Abege bes bffentrichent Angeboie vergebein
wverben.
Bile Webingungen Tegeit Iit beit
Ule=
ſahdftercument bes Hintergeichneteit,
Meckar=
ſtraßte 1, nu beit Worinittagent uſſeil.
Schriftktihe Wugebute werbei big
uan=
tag, beit 94. I. Muts., voriittags 10ühe
eigegengereriert.
(760A
Bmriſtadt, beit 13. Seiteiber 10A3.
Der obers Manbenmie bei ber
Kreisverialtnna.
Von der Meiſe zuriiche!
Dr. A. Tretrop
waht. Tierarzt
5ilgelſtrahe un
Hel. 1270.
meit Führwerſt
geht in wütsſter Heil
wieberh.
Jac Fraukſurt,
Weitabangwiassiten
aueß für witetranast
aNdg
ertottuſcht.
Peter Walter
Witer wiheilgerlwen
Ferufde. BPYA
Aufthuter 1. Mihe untigr
FaMtr iit eHtDr IG A0Hch.
neheilt wverbeit.
WWtelnthertwelr FIgo5
Siteihfttnbeit in
Fesarfort w. Maten
Meute Miakugerstr. V
Ru. (Uinterinine
vrilcke), jeben wittte
Mwwih duft H—1 Uihv,
Spezinfatzl
II, HHert. Zienelveih
früher Dre Miberte)t
Oeut
ind
W
Antergmtmmgsviätt une Mauenftennng
Nummer 37
Darmſtädter Tagblatt
16. September 1923
6oo
Ke
Deutſche Gegenwartsſchriftſtellerinnen.
Von Dr. Ella Menſch.
KK.
Clara Blüthgen.
Wir würden in eine Sackgaſſe geraten, wollten wir heute die
Jungen und die Alten nach ihren Kalenderjahren von einander
unterſcheiden. Im Grunde genommen gibt es nur ſtarke und
ſchwache Kräfte in der Literatur. Und gar vieles, was mit dem
Anſpruch auſtritt: „Ich bin die Jugend, mir alſo gehört die
Zukunft!” trägt oft einen ſo greiſenhaften Zug an der Stirn, daß
die ganze Zukunft zu einem frühen Sterben wird, wogegen die
ſcheinbar Alten ſich eine Lebensfriſche wahrten, die ſie immer
wieder jung erſcheinen läßt. Zu dieſen möchte ich im gewiſſen
Sinne Clara Blüthgen rechnen. Ihre Romane und Erzählungen
ſind keineswegs immer bis ins Einzelne hinein durchgefeilt,
ver=
ſagen auch zuweilen bei der Durchführung der Charaktere, ſind
aber doch ſtets mehr als Alltagskoſt.
Auf dem Gebiet der Liebe und der Ehe liegt die
ſchrift=
ſtelleriſche Stärke Clara Blüthgens. Dem alten Thema weiß ſie
immer neue Geſichtspunkte abzugewinnen. Ganz vorzüglich iſt
die Darſtellung des Menſchen in dem Buch „Zwiſchen zwei
Ehen‟. Der noch junge und eigentlich in glücklicher Ehe lebende
Mann, der freilich für ſein braves Ehegeſpons nicht mehr die
feu=
rige Zärtlichkeit der erſten Jahre empfindet, wird von einer ganz
raffinierten Kokette, die, nach einer ſchon ſtark angekränkelten
Ver=
gangenheit, plötzlich von der Anſchlußpanik ergriffen iſt, zur
Schei=
dung und zweiten Heirat gedrängt. Ganz ausgezeichnet, mit
größter Beobachtungsſchärfe entwickelt die Verfaſſerin vor den
Augen des Leſers dieſen Gimpelfang, der an einem Mann
voll=
zogen wird, der im Geſchäftsleben ſehr gut ſeinen Poſten ausfüllt,
nichts weniger als ein verliebter Narr iſt und der doch in dem
ſpäten Rauſch, der ihn befällt, keinen Vernunfteingebungen mehr
zugänglich iſt. Die Kinder aus erſter Ehe, die der Vater doch
nur ſchweren Herzens aufgibt, tragen zum Teil die Koſten dieſer
Verirrung.
Als die Blüthgen ſich unmittelbar nach dem Weltkrieg daran
machte, unter einem Decknamen (Gagliardi) die Dichtermalerin
Hermione von Preuſchen vorzuführen, unerſtützte ſie bei
dieſer Aufgabe ſehr weſentlich der Umſtand, daß ſie mit der
ver=
ſtorbenen Künſtlerin jahrelang befreundet geweſen war und
die=
ſer ſchon bei Lebzeiten einige Kapitel ihres Romans vorgeleſen
hatte. Die Umwelt der Preuſchen, ihre Ausſtellunghallen, ihre
Villa in Lichtenrade bei Berlin, die exotiſchen Feſte, die ſie in
dieſen Räumen gab, — all das iſt entſchiedem in einem der
Her=
mione von Preuſchen ebenbürtigen warmen und leuchtenden
Kolorit gehalten — aber ein Letztes bei der Begründung dieſes
Frauenſchickſals, das mit einem ſeltenen Reichtum von Gaben
ausgeſtattet, in der Kunſt doch nicht das Höchſte erreicht hat, iſt
Clara Blüthgen uns ſchuldig geblieben. So auch manchen
lie=
benswürdigen Zug im Weſen der Preuſchen, der die Menſchen
immer von neuem anzog, die der Blumen= und Stillebenmalerin
ſchon in ihrem Darmſtädter Jugendland nahe getreten
waren. Letzthin hat Clara Blüthgen einen Roman „
Götzen=
dienſt” (Union, Deutſche Verlagsgeſellſchaft, Stuttgart)
ver=
öffentlicht. Dieſe Geſchichte einer Leidenſchaft, als Ganzes nicht
ſehr erquicklich, in einzelnen Teilen mit blendender Virtuoſität
gemalt, hie und da getragen von einer fortreißenden Kunſt der
Sprache, weiſt eine pathologiſche Unterſtrömung auf. Die Heldin
Jutta, obwohl ſie im Eingang friſch und urwüchſig anmutet, kann
man kaum noch zu den geiſtig Geſunden rechnen, wenn ſie in
ihrem erotiſchen Taumel Unklugheit auf Unklugheit häuft. Faſt
immer führt es zur Kataſtrophe, ſobald dies naturgemäße
Ver=
hältnis von Werben und Umworbenſein ſich verſchiebt, ſobald die
Frau als Jäger, der Mann als Wild auftritt. Im
Blüthgen=
ſchen „Götzendienſt” iſt dieſer Mann, ein berühmter, ſchon
in reiferen Jahren ſtehender Rezitator, noch zum Ueberfluß ein
Menſch, der alle erotiſchen Emotionen durchgekoſtet hat und für
große Leidenſchaftsſtürme kaum mehr zu haben iſt. Dieſer gar
nicht ſo ſeltene Typ, der im winklichen Leben häufiger vorkommt
als der des nimmerſatten Don Juan, iſt von der Blüthgen
an=
ſchaulich herausgearbeitet worden. Im Drama hat ſich Clara
Blüthgen nicht nur verſucht, ſondern iſt auch aufgeführt worden,
was bei einem weiblichen Autor beſonders zu unterſtreichen wäre.
Der Einakter „Am Tage der goldenen Hochzeit” ſtreift
Sage nicht, daß Du geben willſt, ſondern gieb;
Die Hoffnung befriedigſt Du nie.
Goethe.
die Tragödie des alternden Mädchens, das alle ſeine perſönlichen
Neigungen den mit den Jahren immer egoiſtiſcher werdenden
El=
tern hat opfern müſſen und ſo um ſein eigenes Leben gekommen
iſt. Dies iſt zum mindeſten die Anſicht all der Weltkinder, die an
der Ueberzeugung feſthalten, daß wir in erſter Linie für uns da
ſind. Und das führt uns zu einer anderen Schriftſtellerin:
Gabriele Reuter,
die am Ausgange des 19. Jahrhunderts mit dem Tendenzroman
„Aus guter Familie” einen ſogenannten Bombenerfolg
er=
zielte und gut und gern mit Lord Byron ſprechen konnte: „Eines
Morgens wachte ich auf und war berühmt!‟ Dieſe Berühmtheit
hat auch vorgehalten, wenngleich die Schriftſtellerin mit keinem
anderen Buch wieder den Reſonnanzboden fand wie mit ihrem
Erſtling, der Gedanken und Stimmungen zum Ausdruck brachte,
die damals in der Luft lagen. In den letzten Jahrzehnten iſt der
Typus des verkümmerten, um Jugend und Lebensinhalt
betro=
genen Mädchens aus guter Familie, das hundert
Standesrück=
ſichten zu nehmen hat, eigentlich verſchwunden: Auf die Paſſivität
iſt in der Frauenwelt eine große Aktivität gefolgt.
Gabriele Reuter hat ſich verſchiedenen anderen Problemen
zugewandt. Da ſie keine Fabuliſtin mit unbegrenztem Stoffkreiſe
iſt, greift ſie nur das auf, was ſie ſelbſt innerlich beſchäftigt und
ihrem unmittelbaren Erfahrungskreiſe angehört. So hat ſie
jüngſt eine Jugendgeſchichte „Das große Stadtkind”
ge=
ſchrieben — es iſt wohl die Entwickelungsgeſchichte des eigenen
Kindes, die einen ſonnigen Humor ausſtrahlt. Nicht die übliche
Backſiſchgeſchichte, auch nicht die erheiternden Flegeleien der
Ber=
liner Range”, wenn ſchon hie und da auch von ſolchen die Rede
iſt. Das Ganze wird getragen von einem ſo herrlichen, geſunden
Wirklichkeitsſinn, daß man gerade als erwachſener Menſch und
beſonders als Jugenderzieher ſeine helle Freude an dem Buch
haben kann, in dem auch das ſchöne, ſtolze Berlin aus der
Kaiſer=
zeit ſeine Rolle ſpielt.
Durch welche Entwickelungsſtadien die Verfaſſerin als Weib
wie als Künſtlerin, gegangen iſt, welche geiſtigen Prozeſſe ſie
durchgemacht hat, erzählt ſie uns in ſchlicht vornehmer Weiſe in
der Selbſtbiographie „Vom Kinde zum Menſchen”, die
zu=
gleich ein Zeitſpiegel iſt, in dem wir noch einmal das Bild des
alten Deutſchland gewahren, das dem Einzelnen wohl auch ſein
Sorgenpäcklein auflud, nebſt Verhältniſſen und Hemmungen, die
zu überwinden den Nichtdurchſchnittsnaturen keineswegs immer
leicht wurde, in dem doch aber des Lebens Güter gleichmäßiger
verteilt, der Tiſch für Alle gedeckt war. Wie unendlich viel an
Bildungs= und Erholungsmöglichkeiten ſich früher auch die Leute
mit ſehr beſcheidenen Mitteln leiſten konnten, — erzählt faſt jedes
Kapitel der Reuterſchen Erinnerungen. Es iſt gut, daß ſolche
Bücher auf den Markt gelangen; ſie erteilen gleichſam
An=
ſchauungsunterricht.
Carry Brachvogel.
Die ſympathiſche Schilderung, die Ernſt von Wolzogen in
ſeinem Erinnerungsbuch „Wie ich mich ums Leben brachte” von
dieſer Münchener Schriftſtellerin und ihrem Kreiſe entwirſt, wird
ihr als Menſch wie als Fabuliſtin in vollem Maße gerecht. Sie
verdient einmal Beachtung als Eſſahiſtin, Verfaſſerin von
Mono=
graphien und zweitens als Romanſchriftſtellerin. Ihre Art,
ge=
ſchichtliche Perſönlichkeiten, namentlich Frauen, unter die Lupe
zu nehmen, iſt, wenn auch abbiegend von dem Stil ſtrenger
hiſtori=
ſcher Forſchung, von einem eigenen Charme. Man könnte von
fran=
zöſiſchem Eſprit ſprechen, wenn nicht letzten Endes doch deutſche
Gewiſſenhaftigkeit die oberflächliche Plauderei in angemeſſenen
Schranken hielte. Wie ſie das enge Hirn und die liebebedürſtige
Seele der katholiſchen Maria von England ableuchtet, die ſich
mit ihrer Brandfackel als Werkzeug Gottes erſchien und in dem
ſpaniſchen Philipp den geliebten Heros erblickte, zeigt von großem
pſychologiſchen Spürſinn. Dieſen findet man auch in den kleinen
Büchern über die „Pompadour” und die „Zweite Katharina von
Rußland”, die ſich wie flotte, pikante Novellen leſen, ohne dabei
etwa den Eindruck des willkürlich Erdichteten zu hinterlaſſen. —
Unter den Romanen der Brachvogel möchte ich den Preis
zuer=
kennen dem in dieſem Jahr erſchienenen Buch. Das Haus
mit dem goldenen Giebel‟. Er iſt ein Theaterroman,
der dieſer reich ausgebauten Gattung eine neue Note zuführt,
weil er ſich mit der Pſyche der ringenden, kämpfenden, ſich
durch=
ſetzenden und auch wiederum ſcheiternden Schauſpielerinnen
be=
faßt, unter Geſichtspunkten, die doch eben nur wieder einer Frau
geläufig ſein können. Die beiden Frauen: Anna und Irma, die
eine ihrer Veranlagung nach im bürgerlichen Leben mehr
Soubrette, die andere nach dem Muſter der Sentimentalen
ge=
formt, ſind von der Verfaſſerin gut geſchaut und konſequent
durchgeführt. An der bitteren Logik der Tatſachen drückt ſich das
Buch nicht vorbei. Lichter und Schatten ſind in ihm entſprechend
verteilt.
Wiſſenſchaft und Technik
nk. Fortſchritte im motorloſen Flug. Das Problem des
müheloſen Segelfluges der Vögel war lange durch die rapide
Entwicklung des Motorfluges in den Hintergrund gedrängt, aus
dem es erſt durch die Erfolge im Segelflug von 1920 und 1921
(Rheinſegelflugwettbewerb) wieder mehr hervortrat. Zur
Er=
klärung der dabei beobachteten, ſo merkwürdigen Phänomene
wurden zahlreiche Theorien aufgeſtellt, die W. Klempner im
Taſchenbuch für Flugtechniker und Luftſchiffer von Moedebeck
(Verlag M. Krayn, Berlin), in Umriſſen andeutet. Jedenfalls
dürfen wir auf eine baldige experimentelle Löſung des
Segel=
flugproblems hoffen und die regen Beſtrebungen in dieſer
Rich=
tung werden ſicher auf die Entwicklung des ſchwachmotorigen
Kleinflugzeuges von nachhaltigem Einfluß ſein. In techniſcher
Beziehung iſt das Ergebnis von 1922 die abſolute Ueberlegenheit
aller ſolchen Konſtruktionen, welche ärodynamiſch jedes
Raffine=
ment verwenden, alle Vorſprünge und Lücken in glatten
Luft=
abflußlinien vermeiden und den Wiederſtand auf alle nur
mög=
liche Art zu vermindern wiſſen. Wenig iſt aber noch geklärt die
Frage nach der günſtigſten Flügelform und vorteilhafteſten
Steuerungsmethode. Für ärodynamiſch hochwertige Flugzeuge
ſcheint nach allem die Möglichkeit für dauernden Segelflug nach
einiger Uebung anſpruchsloſer zu ſein, als man früher glaubte,
und ſo wäre aller Grund vorhanden zu einer rapiden
Entwick=
lung des motorloſen Flugweſens.
Dr. B. I.
Der Naturfreund
nk. Blattläuſe und Schmetterlinge. Die Vorliebe der
Ameiſen für die ſüßen Ausſcheidungen der Blattläuſe ſind
be=
kannt. Daß auch Schmetterlinge von Blattläuſen befallene
Bäume aus dieſem Grunde, wie eben die Ameiſen, in großer
Zahl aufſuchen, darauf macht neuerdings Julius Stephan
in der „Natur” aufmerkſam. Stephan erzählt von einem wilden
Kirſchbaum, der über und über mit Faltern bedeckt war. Es
waren hauptſächlich Eulen aus den Gattungen Agroris und
Hadena. Wie ſich herausſtellte, war der Buſch ſehr ſtark von
Blattläuſen heimgeſucht. Die ſüßen Ausſcheidungen der
Aphi=
den ließen ſich die Falter nun gut ſchmecken, wobei ſie allerbimgs
nicht — wie es bei den Ameiſen der Fall iſt — mit den
Blatt=
läuſen in unmittelbare Berührung kamen, ſondern nur den auf
den Blättern zurückgelaſſenen (und von einem vorher
nieder=
gegangenen Regen gelöſten) Saft ſchlürften. In Ungarn haben
ſich Schmetterlingsſammler dieſer Tatſache ſchon lange bei ihrer
Liebhaberei bedient. Schon am Tage bezeichnete man Bäume
und Sträucher, an denen Aphiden in größerer Anzahl lebten.
Die Ameiſen dienten hierbei als Wegweiſer. Abends wurden
dieſe Stellen aufgeſucht. Der Sammler kletterte wohl auch auf
den Stamm hinauf, wo er ſich anfangs einige Minuten im
Finſtern ruhig verhielt, um die durch die Erfchütterung
ver=
ſcheuchten Falter ſich wieder ſammeln zu laſſen. Dann wurde
ein Licht entzündet, bei deſſen ſchwachem Schein man die
unge=
betenen Gäſte der Blattläuſe fing. Als vorzügliche Fundorte
er=
wieſen ſich Weidenbäume, insbeſondere ſolche, die nahe am
Waſſer ſtanden.
Abrechnung.
Skizze von Robert Rothe.
* „Jedenfalls haben Sie in der ganzen Organiſation des
paſſiven Widerſtandes eine ſolche Umſicht und Energie bewieſen,
daß Ihnen nicht nur der Dank unſerer Geſellſchaft, ſondern der
unſeres ganzen Vaterlandes gebührt. Mein lieber Herr Matthies,
wir werden Ihnen das niemals vergeſſen! Ich möchte Ihnen nur
wünſchen, daß Sie von den perſönlichen Strafmaßnahmen unſerer
Feinde verſchont bleiben möchten. Bitte, nehmen Sie ſich doch
noch eine Zigarre. Sie fahren mit dem letzten Hochbahnzug zu
Ihrem Hotel? Ach, da haben Sie noch eine gute halbe Stunde
Zeit. Freilich iſt es ſchon ſpät geworden und Sie werden von
der langen abenteuerlichen Reiſe ermüdet ſein. Famos, wie Sie
ſich da durch die Verkehrsſperre geſchlagen haben! Aber ich möchte
gern, daß Sie noch bis zum telephoniſchen Anruf unſerer C.=
Fi=
liale bei mir bleiben. Da hören Sie gleich das Neueſte aus dem
beſetzten Gebiet, vor allem, ob die Verkehrsſperre wiederum
ver=
längert wird. Muß Sie doch ſchließlich intereſſieren. Wo waren
Sie eigentlich während des Krieges?” fragte der Generaldirektor
lötzlich.
Ingenieur Matthies bedauerte, darüber wenig Heldentaten
rzählen zu können; ſchon Mitte 1915 ſei er in franzöſiſche
Geſan=
genſchaft geraten, nach Algier transportiert, beim Wegebau
ver=
vandt, bis ihm dann, nach zwei Jahren martervollſten Daſeins,
e Flucht geglückt ſei — unter phantaſtiſchen Umſtänden, auf
nem ſpaniſchen Handelsdampfer.
„Na, da haben Sie ja den franzöſiſchen Charakter ſchon
da=
tals am eigenen Leibe zu fühlen bekommen. Ja, ſo etwas
ver=
gißt man nicht! Aber Sie, als Weſtfälinger, habens mit Ihrer
Zähigkeit ſchließlich noch leichter geſchafft als ſo mancher andere.
Telephon? Ja — das wird C.=Filiale ſein. Leute ſind von einer
abelhaften Pünktlichkeit, ſagen ſich, daß man doch ſchließlich auch
einmal ſchlafen muß, aber” doch nicht ruhig ſchlafen kann, wenn
nan nicht weiß, wie’s an der Front ſteht. Halloh! Ja — hier
Zeneraldirektor Zumbuſch. Bitte — ich ſchreibe.‟ Eine Welle
jiefen Mißmuts lief ſogleich über ſein Geſicht. „Das iſt ja —
un=
glaublich! Weiter — bitte — ſo hatte ich längſt befürchtet —
ſcha=
det nichts — was? — noch einmall — gleich zehn Mann vom
Zetriebsvorſtand? — langſam — die einzelnen Namen — Teufel
auch — ja, das iſt ſehr peinlich — ſonſt alles ruhig? — Kinder,
nur Nerven behalten! — Keine Dummheiten machen! — Ja
In=
genieur Matthies iſt eben bei mir. — Iſt Müller II ſoweit im
bilde, daß er ſogleich —2 — Verſuchen wir’s eben! Es muß
gehen. — Danke! — Rufen Sie gleich morgen, das heißt heute
früh gegen neun Uhr an! Ich muß dauernd auf dem Laufenden
E H H
Schweiß von der Stirn. Er ſah Matthies mit großen ernſten
Augen an. Ahnte der vielleicht ſchon? Hatte ihn ſeine Stimme
am Telephon verraten? Das beſte war: jener erfuhr es gleich.
Aber in ſeinen Augen ſtand ſchon ſtarr das eine furchtbare Wiſſen.
„Ausgewieſen, Herr Generaldirektorks Auch ich?”
Zumbuſch nickte ſtumm und reichte ſeinem Mitarbeiter kräftig
die Hand. „Zuſammen mit — Dann nannte er weitere neun
Namen. Und es war Matthtes, als ob neun ſchwere Erdſchollen,
zu denen er ſelbſt als zehnte kam, auf einen Sarg geworfen
wür=
den. Gott — ſchließlich war er ja auf dieſes Schickſal gefaßt
ge=
weſen, hatte es immer ſein müſſen — ſeit Wochen. Aber nun, da
es ihn wirklich traf, wollte es ihm faſt wie ein narrender Traum
erſcheinen, aus dem man ſich jeden Augenblick wach kütteln konnte,
ſo man nur wollte.
„Wollen Sie hier ſchlafen, Matthies? Wollen wir noch ein
Glas Wein zuſammen trinken? Sonſt — ich fürchte, daß Sie
Ihren letzten Zug verpaſſen.”
„Ich gehe lieber, Herr Generaldirektor. Ich — darf morgen
früh gegen neun Uhr wieder hier ſein? Ich muß ſelbſtverſtändlich
weiter arbeiten — für uns — gegen den Feind!”
Ingenieur Matthies kam am Hochbahnhof an, als juſt die
elektriſchen Lichter erloſchen. Vor einer Minute war der letzte
Zug gefahren. Der ganze Weg — ja, mit zwei Stunden
Wan=
derung durch die dunkle Nacht würde es wohl kaum zu ſchaffen
ſein. Und ein Auto —2. Schließlich hatte man ſein Geld
jetzt noch mehr denn früher — für andere Dinge des Lebens
not=
wendig. Doch der Schlaf. — Schon ließ er ſich verleiten, nach der
Halteſtelle der Automobile hinüberzugehen, wo ein Herr mit
einem Chauffeur wegen einer Fahrt zum Askaniſchen Platz am
Anhalter Bahnhof verhandelte. Dieſes Wort fing ſein Ohr auf.
Vielleicht weil er ſelbſt zufällig, in dieſe Stadtgegend wollte,
mußte. Es konnte dem Fremden, der eben nach dem ungefähren
Fahrpreis fragte, doch nur angenehm ſein, wenn er nur die Hälfte
der großen Summe zu bezahlen haben würde, wenn er,
Mat=
thies —
Schon ſtellte er ſich vor, fragte, ob es erlaubt ſei, mitzufahren
—ſelbſtverſtändlich Bezahlung halb und halb. Der andere nickte,
ſtteg zuerſt in den Wagen, der ſogleich anſprang. Laternenlicht
huſchte unheimlich ſchnell über ein Geſicht, das plötzlich dem
In=
genieur irgendwie bekannt vorkam, das er dennoch in ſeiner
Er=
innerung nicht gleich an Zeit und Ort einordnen konnte — bis
ſich der Fremde und der gleichzeitig doch ſo gut Bekannte eine
Zigarette anzündete.
Wie wenn ein Menſch aus einer Erzählung, aus meinen
Er=
lebniſſen, die ich im Krieg hatte, von denen ich vor einer halben
Stunde noch ſprach, Leib und Leben erhalten könnte! ſuchte
Matthies zu begreifen. Dieſes Geſicht, dieſer Schnurrbart, dieſes
ſtehende Grinſen um die Unterlippe — ja, ja, das war in Algier
geweſen, zwei Jahre lang — das konnte nur der franzöſiſche
Feld=
webel ſein, der brutale Peiniger, der Menſchenſchinder — hier
ihm, dem damals Geheinigten, Geſchundenen — wie zur
Abrech=
nung in die Gewalt gegeben — juſt in der Stunde, da ein
Ge=
waltſpruch dieſes feindlichen Volkes wiederum ſein Leben zu
ver=
nichten drohte! In der Taſche der Revolver — wo war der Zeuge,
der nachher das Gegenteil beweiſen konnte, wenn man auf der
Polizei angab: man ſei von einem Franzoſen im Auto
ange=
fallen; im Kampf um die Geldtaſche wäre die Schußwaffe die
letzte Rettung geweſen! Abrechnung! — dieſes Wort ſtöhnte
ſtumm in dem Ingenieur auf. Und wie ſein Gegenüber
entzün=
dete auch er ſich eine Zigarette, das Streichholz mit Vorbedacht
ſo lange wie möglich brennen laſſend.
Der Franzoſe zuckte zuſammen. Er hatte geſehen — er hatts
erkannt. Er begriff die Gefahr. Er ſchien die Gedanken zu
er=
raten, die hinter der entſchloſſenen Stirn ſeines ehemaligen
Ge=
fangenen aufgeſtiegen waren. Er verſuchte, das Fenſter zu
öff=
nen, dem Chauffeur ein Haltl Halten! zuzurufen. Eine eiſerne
Fauſt legte ſich um ſein Handgelenk. Er begann zu ſtottern. Er
fing an zu zittern. Er ſtammelte etwas von Gerechtigkeit.
Verachtung ließ Matthies den Gegner freigeben.
Gerechtig=
keit — oh dieſes Wort war, wie oft in jenen fernen, jetzt wieder
ganz nahen Algier=Tagen, von manchem verzweifelten Mund an
das Ohr jenes Feiglings gekommen, der ſich jetzt da in die Polſter
flüchtete, der nichts als erbärmlichſtes Zittern war, der nichts von
dem neuen großen Schmerz wußte, mit dem ſeine edle Nation
gerade eben ſein Opfer von einſtmals bedacht hatte! Bitterſter
Ekel ſtieg in dem Ingenieur auf, der ſeinerſeits jetzt ein Halt!
aus dem Wagen rief, ohne ſeinen Mitmenſchen auch nur eines
Blickes zu würdigen. Abrechnung — das war für ihn dieſe
Ge=
nugtuung: ſeinen Widerſacher in letzter Niedrigkeit vor ſich
ge=
ſehen zu haben, jetzt vor Uebelkeit auf die Straße ſpeien zu
kön=
nen und dann ſeinen Weg, allein durch die dunkle Nacht,
fort=
zuſetzen — ſeinem Schickſal entgegen. In dem waren — das
fühlte er in frohem Vertrauen — genau ſo viel helle Sterne, wie
ſie eben hinter der abziehenden ſchwarzen Wolkenwand frei
wurden. Und plötzlich lachte er. Ein Lied hüpfte auf ſeine
Lip=
pen, wie einſtmals in Jugendtagen, da er in ſeligem Sommer
durch die heimatlichen Berge ſeines geliebten Sauerlandes zog.
Einer Heimat, aus der ihn kein feindlicher Machtſpruch ausweiſen
konnte. Wie jene Algierzeit würde auch das Heute ein törichter
Traum ſein. Abrechnung — die mochte einem Größeren,
Gewal=
tigeren überlaſſen bleiben!
Nummer 37
Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung
Jahrgang 1923
Die Welt der Frau
Was die Eltern bei der Berufswahl ihrer
Kinder berückſichtigen müſſen?
Schwerer denn je laſtet auf den Eltern herangewachſener
Kinder die Sorge um die Zukunft derſelben. Nirgends ſteht
mit Sicherheit feſt, daß der erwählte Beruf auch eine
zukünf=
tige gute Exiſtenz bietet, oder ob nicht mancher Beruf durch neue
wirtſchaftliche Umwälzungen völlig ſeine Exiſtenzberechtigung
verliert. In ihren Gewiſſensnöten klammern ſie ſich deshalb
mit um ſo größerer Zuverſicht an die öffentliche Berufsberatung
in der Hoffnung, daß dieſe ſchon gründlich genug orientiert ſein
müſſe, um dem Jungen, dem Mädel, das vorzuſchlagen, was
für ſie nach ihrer Anlage, Neigung und körperlichen und geiſtigen
Eignung am meiſten in Frage kommt. Sind doch neuerdings
an der Berufsberatung nicht nur Arbeitsnachweis und Innung,
ſondern auch Arzt, Pſychologe und Schule intereſſiert. Da muß
nach Meinung vieler Eltern doch unbedingt das Beſte für ihr
Kind aus dieſer Geſamtarbeit um ſein Wohlergehen erſprießen,
das ihnen die Schwere dieſer Sorge erleichtert.
Seit aber die Zeiten vorbei ſind, da der Junge ebenfalls
das wurde, was der Vater iſt, alſo, wie Hans Sachs ſagt: „Der
Vater Schuhe flickt, der Sohn den Leiſten drückt, der Vater ein
Metzger worden, der Sohn von demſelben Orden”, ſind aber
auch faſt unzählige neue Berufe erſtanden, nach der
Berufswahl=
liſte von 1907 rund 16 016, darunter Berufe, die zu jenen Zeiten,
als der Vater vor der Berufswahl ſtand, in ihrer Mehrzahl noch
gar nicht exiſtierten. Die meiſten davon ſind den Kindern, den
Frauen daheim mit ihren Anforderungen gar nicht bekannt. Für
den Vater ſind ſie nur eine Quelle des Erwerbs, die Pflichten,
die ſie ihm auferlegen, ſind ihm ſo wenig intereſſant und
wich=
tig, daß er nur ſelten zu ſeiner Familie davon ſpricht. So iſt
denn auch die große Intereſſeloſigkeit der heutigen Kinder am
Berufe ihres Vaters zu erklären. Weiter aber auch die große
Unentſchloſſenheit der Eltern und Kinder vor der Wahl eines
Berufes für dieſe.
Kann aber auch die beſte Berufsberatung die Mithilfe der
Eltern dabei entbehrlich machen? Ja, iſt dieſe überhaupt dabei
zu miſſen? Väter und Mütter, denen das Wohl ihres Kindes
am Herzen liegt, die es allezeit mit ſorgender Liebe umgaben,
es bei ſeinem Tun und Laſſen immer wieder beobachten, lernen
auch an der Art der Betätigung des Kindes ſeine beſonderen
Neigungen kennen. Sie, die, wenn bei der Wahl eines Berufes
berückſichtigt, erſt die wahre, befriedigende und beglückende
Be=
rufsfreudigkeit wecken, ohne die nun einmal ſelbſt der
einträg=
lichſte Beruf ſchal und nichtig für den Ausübenden bleibt.
G. Wolff ſagt denn auch über dieſen Punkt ſehr richtig in der
Erziehungszeitſchrift. „Der Elternbeirat” (Verlag Kaſſel): „Der
Wunſch und der Wille des Kindes muß ſorgfältig beobachtet
und berückſichtigt werden. Es gibt eine Elternliebe, die Kinder
nie ſelbſtändig werden läßt, eine Elternfürſorge, die dem Kinde
den Beruf allein beſtimmt. Auch hier kann ſchwer geſündigt
werden aus Liebe. Da gilt es, ſauber zu unterſcheiden zwiſchen
flüchtigen Launen und wirklicher Neigung, zwiſchen
Augen=
blickswünſchen und ernſtem Willen, und es wird nur der ſein
Kind richtig beurteilen, der ihm Vater oder Mutter in
Erika Menzel.
der tiefen Bedeutung des Wortes war.
C. K. Das ſtärkere „ſchwächere Geſchlecht‟. Die Frauen
werden zwar das „ſchwächere Geſchlecht” genannt, aber ſie
er=
weiſen ſich in vielen Fällen ſtärker als die Männer, die ſich
ſtolz das ſtarke Geſchlecht nennen. Ein englicher Beobachter
Jannart Mortimer hat am Badeſtrand feſtgeſtellt, daß die Frauen
viel kühnere und ausdauerndere Schwimmer ſind, als die Männer,
und daß das weibliche Geſchlecht ſich noch bei der kälteſten
Witte=
rung in die eiſigen Fluten wagt, während die Mäner ſich
ſchau=
dernd in dicke Mäntel hüllen. Er ſtimmt einem alten Fiſcher zu,
der behauptet, die Damen vertrügen das kalte Waſſer viel beſſer
als die Männer, und zieht daraus weitgehende Schlüſſe, die das
ſchwächere Geſchlecht in vieler Hinſicht überhaupt als das ſtärkere
erſcheinen laſſen. „Einer der wichtigſten körperlichen Unterſchiede
zwiſchen Mann und Frau” ſchreibt er, „iſt der, daß der Mann
hauptſächlich aus Muskeln und Nerven beſteht, während die Frau
ſehr viel reicher mit Fett verſehen iſt. Je größer die Fettſchicht
des Schwimmers iſt, deſto weniger wird er durch die Waſſerkälte
beeinflußt und da viele Frauen mehr als 10 % mehr Fett haben,
als der durchſchnittliche Mann, ſo läßt es ſich daraus erklären,
daß die zarte Frauenwelt Kälte ſo viel leichter erträgt. Wir
müſſen uns ja überhaupt von dem Vorurteil befreien, daß Frauen
„zarter” und empfindlicher ſind als Männer. Jeder Arzt wird
uns verſichern, daß die Frau im Ertragen von Schmerzen ſehr
viel ſtandhafter iſt als das „ſtarke‟ Geſchlecht und daß ſie in der
Lebenszähigkeit dem Manne auch weit überlegen iſt. Eine Frau
hat ein leichter erregbaes Herz als ein Mann; ſie ermüdet leichter.
Dafür erholt ſie ſich aber ſehr viel ſchneller als ein Mann, und es
iſt erwieſen, daß ſie unter Schmerzen weniger leidet. Die Stärke
der Frau im Ertragen von körperlichen Qualen, ihre
Widerſtands=
kraft gegen Krankheiten iſt oft betont worden. Ein Schmerz, der
den Mann raſen läßt, wird von der Frau oft geduldig
ausge=
halten. Hat ſie mehr Willenskraft oder iſt ſie weniger empfindlich?
Die Wiſſenſchaft gibt darauf keine beſtimmte Antwort, aber
jeden=
falls iſt das „ſchwächere Geſchlecht” in vieler Hinſicht das ſtärkere.”
Der zeitgemäße Haushalt.
Schnelles „Auffriſchen” von
Geſellſchafts=
bluſen. Bekanntlich iſt der Hauptreiz duftiger Voile= Chiffon=
und leichter Seidenbluſen ihr klares Ausſehen. Sobald ſie nur
irgendwie angeſchmutzt erſcheinen oder die Spuren längerer
Ge=
brauchsdauer zeigen, nützt auch die ſchönſte Qualitätsarbeit oder
der reizvollſte Durchbruch, Spitzenein= und =anſätze ihrem
Aus=
ſehen nichts mehr. Sie verleihen ihrer Trägerin den Eindruck
der Vernachläſſigung. Deshalb ſollte jede Beſitzerin heller Bluſen
oder duftiger, hellfarbiger Chiffon= und Voileärmel in dunklen
Kleidern unter Jakett oder Mantel unbedingt ein kurzes
Schutz=
jäckchen tragen, das ſie vor Berührung mit dem Innenfutter
die=
ſer Kleidungsſtücke ſchützt, die ja bald auf dunklen, bald auf hellen
Kleidern getragen, leicht etwas „Farbe” laſſen. Die Reinigung
der hellfarbigen Bluſen und Aermel ſelbſt iſt auf nachfolgende
Weiſe ſehr raſch auch im Hauſe auszuführen. Nachdem etwa
vor=
handene dunkle Beſätze abgetrennt wurden, bereitet man aus
etwa 2 Liter handwarmem Waſſer und 1Eßlöffel Quedlin (
Dro=
gerie) eine Waſchlauge, die man bis zu ſtarkem Schäumen gut
quirlt. Dieſe gießt man über die glatt in ein trockenes Gefäß
gelegte Bluſe und läßt ſie unberührt zugedeckt ½ Stunde darin
ziehen. Kragen und ſchmutzige Stellen beſtreut man dann leicht
mit dem Pulver, reibt es mit den Fingerſpitzen ins Gewebe, fügt
noch 1 Liter laues Waſſer dazu und läßt noch ¼ Stunde weiter
ziehen. Dann ſchwenkt und drückt man loſe und vorſichtig die
Bluſe im Waſchwaſſer durch, ſpült ſie, bis das letzte Waſſer rein
bleibt, hängt ſie triefend naß auf und wickelt ſie gut abgetropft
in trockene Tücher, um ſie nach einer halben Stunde fadengerade
mit einem mittelheißen Eiſen zu bügeln.
L.
Schleſiſche Birnenkartoffelnalsſättigendes
Mittagsgericht. (Fleiſchlos.) Geſchälte und geviertelte
Koch=
birnen werden mit leichtem Eſſigwaſſer, fingergliedlang Zimt und
2 Eßlöffel heißaufgelöſtem Süßſtoff, ſolange gekocht, bis ſie rot
ausſehen. Inzwiſchen koche man nicht zu mehlige Kartoffeln gar,
gibt die Birnen ohne den Zimt dazu, verdickt das Gemüſe durch
eine kräftige braune Schwitze, aus Speck, Zwiebeln und Mehl
bereitet, ſchmeckt mit dem nötigen Salz ab und reibt zuletzt etwas
Pfeffer darüber.
R.
Speiſezettel.
Sonntag: Weißkrautrollen mit Fleiſchfülle. Birnenkompott.
Montag: Haferſlockenbrei mit geſchmorten Pflaumen.
Dienstag: Linſen.
Mittwoch: Bohnen.
Donnerstag: Möhren mit Kartoffeln.
Freitag: Geb. Prinzeßkartofſeln.
Samstag: Birnenkartoffeln.
Schach
Nummer 18
Aufgabe 35
Joſ. Cumpe in Münchengrätz.
(1. Preis im Turnier der Deutſchen Arbeiter=Schachzeitung 1914)
b c d e
h
Prüfſtellung:! Weiß: Kc2 Da5 Sd7 Ba2 e3 e6 (6);
Schwarz: Kc4 Th5 Lg8 h4 Bc7 d6 e7 g3 g5 g6 (10); 3+,
Schwierig und wunderſchön!
Aufgabe 36
Sam Loyd
Baltimore Herald 1880.
Weiß: Kh1 Dc2 Lb4 c4 Sa3 b3 (6);
Schwarz: Ka2 Tb2 (2).
Matt in zwei Zügen.
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die Schriftleitung
des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift „Schach”.
Spiel und Rätſel
Figuren=Rätſel „Ein Zeppelin”
6 93 107 114 106 89 116 91 96 88 94 95 92 97 98 99 100 101 102 110 105 104 90 86 109 84 111 112 1o Silbenrätſel:
1. Dunajee, 2. Eulbach, 3. Rauſchgelb, 4. Kirſche, 5. Ingwer,
6. Reichenberg. „Der Kirchberg”
Streichholz=Rätſel.
Rätſel: 556. Kopf, Kropf. 557. Bitterſüß. 558. Erbe.
Zitaten=Rätſel.
Die Unſchuld hat im Himmel einen Freund.
Verantwortlich: Max Streeſe.
Des Herdes geſellige Flamme.
Von Wanda Jcus=Rothe.
* „Hul’ mir emol en Well!” rief Lisbeth, unſere alte
Wirt=
ſchafterin, mit ihrer greinerlichen Altweiberſtimme, die aber nicht
durch Unglück und Sorgen, ſondern durch eine gewiſſe
Angewohn=
heit ſo verroſtet war. Wir gehorchten nicht immer dieſer Stimme
aufs Wort, aber wenn ſie eine Well” verlangte, ſo war das ſchon
eine andere Sache, dann hatte ſie irgend etwas Gutes auf dem
Herd, meiſtens Waffeln, die auf hurtigem Feuer gebacken werden
mußten, wozu ſie dann noch nebenbei einen „dreidrähtigen”
Kaffee mit köſtlicher Sahne bereitete. Ich ſehe noch immer, wie
ihr rotbackiges Holzapfelgeſichtchen über den zuckenden Flammen
ſtand und wie ſie mit geſchäftigen Händen den ſchaumigen Teig
in die heiße Pfanne tat, daß ein helles Ziſchen durch die Küche
ging. „Hul mir emol en Well!”
Es war nicht etwa eine Welle Waſſer, die ſie von uns
ver=
langte, ſondern eine Welle Holz. Das heißt: ſo richtig als Holz
galten die Wellen auch nicht; es war Abfall, den die Gemeinde
zu beſtimmten Zeiten um ein Geringes verteilte. Schon im
Walde wurde er klein gehackt, mit Strohſeilen in dicke Bündel
gebunden und mit den Kühen heimgefahren, die Pferde hatten
Beſſeres zu tun. Und nun ſahen die dürren Reiſer, die noch vor
kurzem grün und leicht beſchwingt vom Winde hin und her
ge=
trieben wurden, ſchwarz und düſter genug aus.
Aber von der Poeſie ihrer Heimat im dichten Hochwald, wo
die alten Buchen wie Säulen in einem Dom ſtanden, war ihnen
doch manches geblieben. Wo ließ es ſich ſchöner ſpielen, als in
ſolch einem Reiſighaufen?! Weite Gänge und Höhlen bauten
wir uns hinein und ſaßen geſchützt vor Regen und Wind warm
und weich darin. Auch der Blitz könne nicht hinein, verſicherte
Lisbeth, aber wenn einer Fixfeuer im Sack hätte, dann täte es
der Donner herausſchlagen, daß er gleich auf der Stelle
verbren=
nen müßte. Wir häteten uns denn auch, Streichhölzer mit in
unſere Burg zu nehmen, wie verlockend es auch manchmal war.
Lisbeth war eine ganz Schlaue, aber das erfuhren wir erſt ſpäter.
Jetzt hatten wir noch jeden Tag ein neues Feſt zu feiern; das
ſchönſte, deſſen ich mich noch entſinne, war, als wir die jungen
Katzen tauften, die ihre Alte unter die Wellen geſchleppt hatte.
Dieſes Feſt dquerte drei Tage, die Kinder aus dem ganzen Dorf
amen zuſammen, täglich wurden es mehr, ſogar die von den
Köh=
lerhütten oben im Wald kamen herunter. In den Reiſigwellen
war kein einziges Strohſeil mehr heil, alles befand ſich in einer
wilden Auflöſung, bis Lisbeth zornentbrannt erklärte, wenn jetzt
die miſerable Wirtſchaft nicht aufhöre, trüge ſie die Katzen in „die
Bach‟. Das half, und die kleinen Tierchen durften nun ohne
tägliche Taufe, Segen und Kirchenlieder groß werden. Ein
ander=
mal fanden wir ein Neſt mit vielen Eiern, die ein brüteluſtiges
Huhn (nicht ein beuteluſtiges, ſie waren damals noch nicht durch
den Weltkrieg mit nachfolgendem Dollar verdorben) für den
„Zugriff” der Hausfrau entzogen hatte. Was war das für eine
Freude, als wir die Mutter, Lisbeth und jeden, der es ſehen
wollte, herzuholten! Nachher haben wir’s ſelbſt mit dem
Eier=
egen verſucht, aber da trotz allen Gackerns nichts ins
kunſt=
gerechte Neſt fallen wollte, warfen wir immer einen ſchön
gerun=
deten weichen Wackeſtein hinter uns. Lisbeth jedoch hielt gar
nichts davon und meinte, wir ſollten lieber unſere Aufgaben
machen, als ſolche dummen Dinge treiben. Das waren peinliche
Sticheleien, und ſo unterließen wir das Eierlegen fortan, zumal
ja buchſtäblich nichts dabei herauskam!
An ſchönen Sommerabenden trieb das junge Volk ſeinen
Schabernack um die meiſt an der Giebelſeite der Häuſer
aufge=
ſtapelten Reiſighaufen. Geht ihr aus de Well!” wie oft rief es
eine erboſte Alte, deren Leben ſo dürr geworden wie die Reiſer,
in die dörfliche Stille des ſinkenden Sonntagabends. Und dann
erſcholl ein Kichern und ein hurtiges Davonhuſchen.
Was haben wir doch mit den Wellen für eine Freude gehabt!
Oben im Hochwald ſtand ein kleines Forſthaus mit einer
win=
zigen Stube und einem noch kleineren Speicher. Auch dort lagen
Wellen aus dürrem Tannenreiſig, in ſo kleinen Bündeln, daß
man ſie mit einer Hand umſpannen konnte. Sonſt könnten ſie
nicht die Leiter hinauf auf den Speicher marſchieren, hatte uns
der Waldarbeiter, der ſie gemacht, mit ſchalkigem Geſicht geſagt.
Herunter kamen ſie nicht von ſelbſt, man mußte ſie holen, aber
kaum im kleinen Kanonenöfchen, ſprühten ſie rote Glut, und das
Kaffeewaſſer ſprudelte, daß die Spritzer wie Klicker auf der
hei=
ßen Platte tanzten.
Und ein Haufen Wellen im Herbſte in den Kartoffelfeldern.
Wie hat er gen Himmel geloht, und wie köſtlich ſchmeckten die
„Krumbieren”, die in ſeiner Aſche brieten! Auch Spießbraten
wurde auf dieſe Weiſe gemacht, nur mußte dann auch in die
lodernde Glut noch etwas Buchenſcheitholz, ſonſt hielt die Hitze
nicht lange genug. Zwanzig Pfund Fleiſch am Spieße über der
Wellenglut und Kartoffeln, ſoviel das Herz nur begehrte,
darunter, da konnte man lachen.
Und wenn Bine, die Jungmagd, im Winter morgens in
unſer kaltes Schlafzimmer kam, deſſen Fenſter ſo dick gefroren
waren, daß ſie wie mattes Kriſtall wirkten, Hann legte ſie erſt
eine kleine Welle in den Ofen, die brauſte und polterte, daß man
dachte, das Rohr müſſe herausfallen. Da lachte Bine, daß ihre
Zähne mit den Flammen um die Wette blitzten, ſchob noch ein
paar dicke Buchenkloben in den weiten Rachen, ſo daß man nicht
nur Luſt bekam, aufzuſtehen, ſondern auch das Waſchen nicht gar
zu ſchwer fiel. So ganz weit über die Ellenbogen war ja auch
nicht jeden Tag nötig, denn wer ſah es?
Und abends in den Spinnſtuben, wenn wir um die hängende
Petroleumlampe ſaßen, die Alten ſpannen und wir ſtrickten oder
mit glühenden Backen dem Märchenerzähler hinter dem Ofen
lauſchten.
Jetzt wurden keine Wellen gebrannt, die gehörten auf den
Herd in die Küche, jetzt brannte gutes Buchenſcheitholz und
machte die niedere Stube ſo warm, daß der Schweiß von den
Fenſtern rann. Hinter den weiten Schranktüren hoppelten die
Kartoffelſcheiben und Aepfel auf der heißen Platte, und über
dem Ofenrohr, das in der Küche in den offenen Schornſtein ging,
hingen die Schinken und Würſte. Von Zeit zu Zeit ſchob die alte
Bäuerin einen Wachholderzweig in die Kohlenglut; das war gut
gegen allerhand Unglück, aber auch Schinken und Würſte
profi=
tierten von dem langſam verſchwelenden Aroma. Da konnte der
Nordoſt ums Haus toben und den Schnee in dichten Maſſen vor
die Haustür fegen, er kam nur bis zur Schwelle, dahinter war
ſeine Macht zu Ende; Wellen und Buchenholz geboten ihm Halt.
Bis zur Decke, türmte es ſich im regengeſchützten Schuppen.
Zugeſchloſſen wurde er nicht; wer hätte etwas an ſich ſo Wertioſes
wie Brennholz ſtehlen ſollen! Davon hatte ja jeker mehr als
genug; die Kohlen, die eine kleine Fabrik aus Saarbrücken
be=
kam, waren ſo tief verachtet, daß ſie kein Menſch anſah. Sie
lagen unter freiem Himmel, nur die Schweine, die täglich daran
vorbeitrieben, taten ſich manchmal gütlich daran. Für dieſe
Schweinerei hauten wir ſie aber mit dem Beſen, wenn wir es
ſahen, nicht, weil wir die Kohlen vor ihnen retten wollten,
ſon=
dern, weil wir fürchteten, ſie könnten ſich mit dem ekelhaften
ſchwarzen Zeug den Magen verderben.
be, berg, bir, er, er, frei, ge, ge, grin, i, ich, hen, le, lie, lig, lo, luſt,
man, mit, mon, nach, neu, rath, ſer, tag, tel, ters, trau, un, und.
Obige Silben ſchreibe man in die Felder des Zeppelin, ſodaß
die wagrechten Reihen Wörter von folgender Bedeutung enthalten:
1. Oper von Wagner. 2. Berühmter Berg in Salzburg. 3. Deutſcher
Dichter. 4. Schmetterling. 5. Zwei, die vereint vieles können. 6.
Gebirge in Pr.=Schleſien. 7. Tageszeit. 8. Kleines Raubtier. 9.
Baum. — Die Anfangsbuchſtaben nennen etwas, das auf dem
Papier ſchon lange beſteht, deſſen Uebertragung in die Wirklichkeit
aber den Flugzeugen vorbehalten bleibt.
Carl Deubel.
Darmſtädter Silbenrätſel.
bern, burg, dan, e, e, e, ga, gie, lu, mi, nenz, on, re, re, rung, ta,
ti, ton, vo.
Aus vorſtehenden Silben ſind 6 Wörter von folgender Bedeutung
zu bilden: 1. Franzöſiſcher Revolutionsheld. 2. Geiſtlicher
Ehren=
titel. 3. Organ der Staatsgewalt. 4. Italieniſche Hafenſtadt. 5.
Andere Bezeichnung für politiſchen Umſturz. 6. Berühmte Burg
bei Bad=Kreuznach.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben ergeben, beide von oben nach
unten geleſen, ein altes Darmſtädter Herkommen, das auch in
jüngſter Zeit wieder geübt wurde.
Th.
Buchſtaben=Scharade.
Der Erſte macht ein geiſtiges Getränk zum Tier,
Der Zweite ein „Papier” zur ſauern Frucht,
Der Dritte was Abwechslung ſchafft aus Körnerfrucht,
Der Vierte was uns ſehr erfriſcht, zur Zier,
Der Fünfte einen Körperteil zu dem, was Lind’rung ſucht.
Das Ganze macht aus Teilchen, winzig klein,
Was jedermann gar köſtlich ſchmeckt und fein.
Carl Deubel.
Auflöſungen.
Zahlenrätſel.
3
2