Darmstädter Tagblatt 1923


16. September 1923

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alſe Poſſämter. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
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des Bezugspreiſes. Beſtellungen und Abbeſtel=
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Heſſiſche Neueſte Nachrichten

Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Nummer 256
Sonntag, den 16. September 1923 186. Jahrgang

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Ww II.

Die Erfaſſung der Oeviſen.
Berlin, 15. Sept. (Wolff.) Geſtern nachmittag belegten
Beamte des Deviſenkommiſſars in der Depoſitenkaſſe König=
ſtraße
der Kommerz= und Privatbank alle Stahlfächer und die
im Bankreſſort aufbewahrten Pakete mit Beſchlag. Der Depo=
ſitenkaſſe
wurde aufgegeben, niemand an die beſchlagnahmten
Gegenſtände heranzulaſſen. Die Beſitzer der Stahlfächer und
Pakete wurden benachrichtigt, daß ſie Montag die Safes und Pa=
kete
im Beiſein der Reviſionsbeamten des Deviſenkommiſſars zu
öſſnen hätten. Wie der Deviſenkommiſſar, Geheimrat Fellinger,
mitteilt, erfolgte die Beſchlagnahme ohne ſein Wiſſen und durch=
aus
gegen ſeinen Willen. Es handelte ſich um eine Kompetenz=
überſchreitung
der erſt ſeit kurzem im Amt befindlichen Beamten.
Der Deviſenkommiſſar ſteht grundſätzlich auf dem Standpunkt,
daß ſolche Eingriffe in das Privateigentum zu verwerfen ſind.
Er veranlaßte ſofort, daß die Maßnahme rückgängig gemacht
werde.
Einführung der Roggenwährung.
Berlin, 15. Sept. (Wolff.) Der Zeit zufolge ſoll nach
einem Kabinettsbeſchluß eine Roggenwährung geſchaffen
werden, die als Uebergangswährung mit Gültigkeit bis
zum Schluß des erſten Jahres gedacht ſein ſoll. Alsdann ſoll
dieſe Währung gegen Zahlungsmittel der Goldnotenbank einge=
tauſcht
werden. Die Roggenwährung ſei in der Hauptſache als
Zahlungsmittel zum Kauf landwirtſchaftlicher Produkte gedacht.
Franzoſen und Arbeiter.
Münſter, 15. Sept. (Wolff.) Am 12. September wurde
der Tagearbeiter Simon aus Gladenhorſt auf dem Nach=
hauſeiveg
beim Paſſieren der von den Franzoſen beſetzten Bahn=
unterführung
von einem franzöſiſchen Poſten erſchoſſen. Si=
mon
, der eine zahlreiche Familie hat, war ſofort tot. Die Leiche
blieb bis zum nächſten Morgen am Tatort liegen.
In Wirten beſetzten die Franzoſen am 14. September in
ganz überraſchender Weiſe, wahrſcheinlich infolge Verrats,
die Eiſenbahnwerkſtätten, wo ſoeben die Löhnung der Ar=
beiter
in Höhe von 400 Milliarden Mark ausgezahlt wor=
den
war. Die Franzoſen beſetzten die Ausgänge und
nahmen den Arbeitern die geſamten Lohnzah=
lungen
wieder ab.
Raub= und Ausweiſungen.
Elberfeld, 15 Sept. (Wolff.) Die Franzoſen fahren
fort, Gelder für die Eiſenbahnbedienſteten wegzunehmen. In
Coblenz wurden 75 Milliarden fortgenommen. Bei dieſer Gele=
genheit
ſind zwei Bedienſtete verhaftet worden. Auch die Aus=
weifungen
gehen weiter. Aus Mühlheim=Ruhr und Mühlheim=
Styrum wurden am 13. September 6 Familien mit zuſammen
16 Perſonen, aus Düſſeldorf und Umgebung weitere 13 Eiſenbah=
ner
mit ihren Familien, zuſammen 48 Perſonen ausgewieſen.
Belgiſche Kritik an der Streſemann=Rede.
TU. Brüſſel, 15. Sept. Der Miniſterpräſident Theunis,
der ſich ſeit kurzem wieder in Brüſſel aufhält, hat geſtern wieder
mit ſeinen Arbeiten begonnen. Obwohl die Rede Streſemanns
von dem offenbaren Wunſch nach Verſöhnlichkeit zeugt, be=
dauert
man in hieſigen Kreiſen, daß der Kanzler auch weiter=
hin
das Zugeſtändnis gewiſſer noch ungenau formulierter Ver=
günſtigungen
an die deutſchen Induſtrieunternehmungen von der
Räumung des Ruhrgebiets abhängig macht. Ferner beklagt
man, daß er ſich nicht zu einer Erklärung über die Einſtellung
des paſſiven Widerſtandes herbeilaſſe. In den maßgebenden
Kreiſen herrſcht die Meinung vor, daß man mit einem definitiven
Urteil über die Rede zurückhalten müſſe, da ſie hauptſächlich für
das Publikum berechnet ſei und in weſentlichen Stellen abſicht=
lich
unklar (2) gehalten wäre. Man vertritt im übrigen den
Standpunkt, daß eine raſche Löſung der gegenwärtigen Lage auf
Grund der letzten Streſemann=Erklärungen nicht ohne weiteres
zu erhoffen ſei (!). Andererſeits gibt man zu, daß die Beſprech=
ungen
zwiſchen Streſemann und dem belgiſchen Geſandten in
Berlin fortgeſetzt werden.
Poincaré antwortet.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Wie das Echo de Paris mit=
teilt
, wird Miniſterpräſident Poincaré am Sonntag in Dun=
ſur
=Meuſe aus Anlaß der Enthüllung eines Kriegerdenkmals
das Wort ergreifen. Es ſei wahrſcheinlich, daß er über die Be=
dingungen
ſprechen werde, unter denen Frankreich
bereit iſt, mit Deutſchland zu verhandeln. Die
erſte dieſer Bedingungen, die conditio sine aua non,
ſei, daß Reichskanzler Streſemann ſich endlich entſchließt,
Offentlich alle Ordon nanzen ſeines Vorgängers hin=
ſichtlich
des paſſiven Widerſtandes zurückzunehmen. Ohne
die völlige Aufgabe des paſſiven Widerſtandes, ſo fügt das
Blatt hinzu, werde die franzöſiſche Regierung feſt wie ein Felſen
auf ihrem Standpunkt beharren und keine Verhandlungen mit
Berlin einleiten. Das ſoll man dem Berichterſtatter des natio=
naliſtiſchen
Blattes als den Standpunkt der franzöſiſchen Regie=
rung
bezeichnet haben.
Baldwins Reiſe nach Paris.
* Paris, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Nach einer Meldung der
Information trifft Baldwin am 18. September in Paris ein
und ſtattet wahrſcheinlich am Tage darauf Poincaré einen Be=
luch
ab. Am 20. September wird er dann ſeine Reiſe nach Lon=
Don fortſetzen. Man glaubt, daß es ſich nur um einen formellen
Höflichkeitsbeſuch des engliſchen Miniſterpräſidenten bei Poin=
caré
handelt. Nichts läßt jedenfalls darauf ſchließen, daß die
beiden Staatsmänner bei dieſer Gelegenheit eine politiſche Aus=
prache
miteimander haben werden.

Vom Tage.

Wie uns die Reichsbahndirektion mitteilt, werden vom 18. Sep=
tember
ab die Tarife im Perſonen= und Güterzug=
verkehr
auf das Neunmillionenfache erhöht. Die
viertägige Gültigkeit der bereits verher gelöſten Fahrkartcn wird dabei
nicht berührt.
Profeſſor Einſtein wird Ende September in Moskau
erwartet.
Wie wir hören, wird eine Verordnung der Reichsregierung er=
ſcheinen
, welche die Aufforderung zur Verweigerung
der Steuerzahlung unter Gefängnisſtrafe ſtellt.
Wie wir hören, werden am Montag 500=Millionen=
Banknoten und im Laufe der nächſten Woche Eine=
Milliarde=Mark=Noten in den Verkehr gebracht werden.
Reichskanzler Dr. Streſemann wird am nächſten Montag
nachmittag die Vertreter der ausländiſchen Preſſe zu
einem Tee im Garten der Reichskanzlei empfangen.
Nach einer Havasmeldung aus Newyovk iſt der ehemalige
Reichskanzler Dr. Cuno dort angekommen. Er ſei nach den Ver=
einigten
Staaten weder wegen eines interalliierten Anleiheprojektes
im Intereſſe Deutſchlands noch wegen Schiffahrtsangelegenheiten ge=
kommen
.
Nach einer Havasmeldung aus Mexiko lehnk die mexikaniſche
Regierung es ab, ſich der lateiniſch=amerikaniſchen Delegation beim
Völkerbunde anzuſchließen, mit der Begründung, daß die diplo=
matiſchen
Beziehungen mit Großbritannien nicht wieder aufgenommen
ſeien.
Miniſterpräſident Poincaré hat den italieniſchen und den
ſpaniſchen Botſchafter empfangen.
Der Leiter des Außenhandelskommiſſariats Kraſſin teilte der
ruſſiſchen Telegraphen=Agentur mit, daß die Sowjetregierung beſchloß,
nach Schweden keine Beſtellungen mehr zu geben. Der
Beſchluß wird damit begründet, daß Schweden ſich geweigert hat, mit
dem Sowjetbunde ein Handelsabkommen abzuſchließen.
In der Nähe Londons ſtürzte ein Flugzeug des Luftpoſt=
dienſtes
MancheſterLondon ab, wobei fünf Perſonen, darunter der
Führer und ſein Gehilfe, den Tod fanden.

Die Lage auf dem Balkan.
TU. Athen, 15. Sept. Wie von der Grenze berichtet wird,
wird die Tätigkeit der Komitadſchis in Mazedonien immer reger.
Der jugoſlawiſche Geſchäftsträger in Athen erklärte, jugoſla=
wiſche
Truppen ſeien bereits in dieſem Gebiete zuſammengezogen
worden, um das überhandnehmende Banditenweſen zu bekämp=
fen
. Die Truppen hätten den Befehl bekommen, wenn es nötig
wäre, ſogar die bulgariſche Grenze zu überſchreiten (2). Hier
laufen überhaupt phanmſtiſche Gerüchte über die Stärke der Ko=
mitadſchis
um. Man ſpricht davon, daß 50 000 Mann neu rekru=
tiert
ſind. Die Serben beharren übrigens auf der Wahrheit der
Nachricht, daß die Italiener in Warna Waffen und Munition
ausladen.
Wie aus Belgrad gemeldet wird, erwartet man in Jugo=
ſlawien
eine italieniſche Invaſion aus dieſer Richtung kaum,
da Jugoſlawien in der Lage ſei, eine Armee von zwei Millionen
Mann auf die Beine zu ſtellen, d. h. jeden 6. Einwohner des
Landes. Weiter heißt es gerüchtweiſe, daß Jugoſlawien in den
letzten Tagen eine Anzahl von Unterſeebooten geliefert bekam,
die von einem kleinen adriatiſchen Hafen aus operieren ſollen.
Die Fiumefrage.

London, 15. Sept. (Wolff.) Der Sonderberichterſtatter der
Daily Mail in Rom ſchreibt, jegliche Gefahr einer ſofortigen Kriſe
in der Finmefrage ſei abgewendet. Ihm wurde von maß=
gebender
Stelle mitgeteilt, daß die italieniſche Regie=
rung
vollkonmen neue Vorſchläge für die Regelung der ſchwie=
rigen
Frage machte, und daß die Erörterung darüber demnächſt
beginne. Sowohl Italien als Südſlawien ſtimmten jetzt darin
überein, daß direkte Verhandlungen wünſchenswert ſeien.
Die ſüdſlawiſche Regierung habe die Abſicht aufgegeben, den
Schiedsſpruch Poincarés oder des Schweizer Bundespräſi=
denten
anzurufen. Der ſüdſlawiſche Außenminiſter werde in Bel=
grad
aus Genf am Montag eintreffen und dem Premierminiſter
Paſchitſch die Einzelheiten der neuen italieniſchen Vorſchläge
überbringen. Alsdann würden direkte ſüdſlawiſch=italieniſche Er=
örterungen
beginnen.
Griechiſche Entſchuldigungen bei den Alliierten.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Blättermeldung
aus Athen hat die griechiſche Regierung den Kriegsmini=
ſter
dazu beſtimmt, in der franzöſiſchen, engliſchen und italie=
niſchen
Geſandtſchaft die Entſchuldigungen der griechi=
ſchen
Regierung vorzubringen, während die Trauerfeier für
General Tellini und die übrigen Mitglieder der italieniſchen
Miſſion ſtattfindet.
Die Schweiz und der Völkerbund.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Das Oeuvre erfährt von ſeinem
Berichterſtatter in Genf, daß Bundesrat Schultheß beauftragt
worden ſei, ſich mit dem ſchweizeriſchen Delegierten im Völker=
bund
, Motta, in Verbindung zu ſetzen, damit, wenn möglich, der
Bundesrat zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werde,
die am Samstag oder Montag vormittag ſtattfinden ſoll. Es
würden mehrere Fragen, betr. des Völkerbunds, zur Verhand=
lung
kommen, u. a. die Fiumeangelegenheit. In den Kreiſen des
Völkerbundes werde verſichert, daß die italieniſche und die ſüd=
ſlawiſche
Negierung nicht die Zuſtimmung der ſchweizeriſchen Re=
gierung
nachgeſucht hätten, als ſie in den Vertrag von Rapallo
die Beſtimmung aufnahmen, daß im Falle eines Konflikts der
ſchweizeriſche Bundespräſident als Schiedsrichter in Anſpruch ge=
nommen
würde. Der Bundesrat würde dementſprechend jeden
Schiedsitruch kategoriſch gblehnen.

* (*8 geht um das Reich!
(Von unſerem ſtändigen Münchener Korreſpondenten.)
g. München, 15. September.
Wer an den ſtillen Ufern baheriſcher Seen, in den Einſam=
keiten
der Berge Bayerns und Tirols, dieſer beiden trotz un=
watürlicher
Grenzpfähle zuſammengehörenden und zuſammen=
ſtrehenden
deutſchen Länder, wenige Wochen rühigen Aus=
ſpannens
verbringen konnte, wird, heimgekommen ins Reich,
nur mit gelindem Entſetzen ſchauen können, mit welch raſender
Schnelligkeit das Rad der Zeit die deutſche Wirtſchaft und mit
ihr auch die Politik dem Abgrund näher geführt hat. Eine Sturz=
flut
hat die Mark ihrer letzten kümmerlichen Geltung als inter=
nationaler
Wertmeſſer beraubt die Einſtellung der Mark=
notierung
an der Baſeler Börſe zum erſten Male auch dem
Blindeſten deutlich werden laſſen, wie weit ſich die deutſche Lage
der vielverſchrienen des bolſchewiſtiſchen Rußland bereits ange=
nähert
hat. Der Kanzler des Widerſtandes iſt gegangen, und in
ihm der Mann, dem es die Geſchichte einſt als größte Tat an=
vechnen
wird, daß er feindlichem Diktat als erſter deutſcher
Staatsmann der nachrevolutionären Zeit ein Nein! ent=
gegenzurufen
wagte. Mit dem neuen Mann am Ruder des deut=
ſchen
Schiffes zogen Steuerleute auf, denen der deutſche Süden
it einiger Sbepſis gegenüßerzutreten allen Grund hat. Namen
wie Radbruch und Hilferding, die in ſich ein feſtumriſſe=
nes
, parteipolitiſch eng abgegrenztes Programm bedeuten, muß=
ten
ſelbſt den ſchrecken, der in der großen Koalition aller
zum Widerſtand gegen Feindeswillkür Entſchloſſenen grundſätz=
lich
nicht von vornherein ablehnend gegenüberſtand.
Wenige Wochen des neuen Regimes haben ohne deſſen
Verſchulden genügt, um darzutun, daß das deutſche Volk
abermals an eine Schickſalswende geſtellt iſt, furchtbarer noch
vielleicht als die, mit der im Strudel des verlorenen Krieges
und der Revolution das deutſche Kaiſertum verſank. Wir im
deutſchen Süden, die der Schrecken der Räterepublik hellhöriger
werden ließ, wiſſen es heute nur zu genau, daß die neuen ſchwe=
ren
Entſcheidungen, vor die das deutſche Volk in den nächſten
Wochen geſtellt ſein wird, mehr bedrohen als Kaiſerthron und
Fürſtenſtühle. Es geht um das Reich heute, wie 1871 um
ſein Werden, ſo jetzt um ſein Leben oder Sterben
und es will uns faſt als das ſchlimmſte Faktum in dieſer un=
heilſchwangeren
Zeit erſcheinen, daß heute den großen, größten
Baumeiſter aller Zeiten der Raſen deckt, in dem die Eichen des
Sachſenwaldes feſtgewurzelt ſtehen, während dem durch ihn ge=
einten
und zuſammengeſchweißten Volke keiner mehr erſtanden
iſt, der wie er die deutſchen Nöte meiſtern, das deutſche Volk
wieder zum wahren äußeren und inneren Frieden führen könnte.
Es war zweifellos weniger die Perſönlichkeit des neuen
Reichskanzlers Dr. Streſemann, der ſich als Mann und
Politiker auch in Bayern einen keineswegs engen Kreis tveuer
Freunde und Gefolgsleute auch außerhalb ſeiner Partei zu ſchaf=
fen
wußte, die das bayeriſche Kabinett unmittelbar nach
dem Amtsantritt des neuen Mannes bereits veranlaßte, zu
einem Miniſterrat zuſammenzutreten. Man weiß, daß hier
ſehr gewichtige Bedenken zur Sprache kamen, die namentlich
durch die ſchon genannten Namen Radbruch und Hilferding,
vermehrt um den des ſozialiſtiſchen Innenminiſters Dr. Soll=
mann
, hinſichtlich des zukünftigen Reichskurſes gehegt werden
konnten. Die Zuſammenkunft des Kanzlers mit dem bayeriſchen
Miniſterpräſidenten in Mittenwald ſcheint dieſe Bedenben zu
einem guten Teile ausgeräumt zu haben. Auch die klugen Er=
klärungen
des Kanzlers und einzelner ſeiner Mitarbeiter über
die Politik des Reiches zu den Ländern konnten wanches vor=
gefaßte
Mißtrauen beſeitigen. Dennoch aber hieße es den Kopf
in den Sand ſtecken, wollte wan leugnen, daß die allgemein=
politiſche
Entwicklung Phaſen zudrängt, die ſchwerſte Ge=
fahrpunkte
bergen.
Beratungen des Miniſterrates, Fraktionsſitzungen aller maß=
geblichen
politiſchen Parteien, interfraktionelle Beſprechungen
der Koalitionsparteien mit der Staatsrogierung alles dies
noch, während der Landtag als ſocher offiziell vertagt und in
den Ferien iſt konnten auch dem politiſch nicht Eingeweihten
verraten, daß man in den verantwortlichen Führerkreiſen ernſter
Sorge voll iſt. In der Tat iſt auch nach unſerem Dafürhalten
aller Anlaß gegeben, die gegenwärtige Entwicklung in all ihren
Phaſen ſorgſam zu überwachen. Dabei ſoll eindeutig feſtgeſtellt
werden, daß wir alle Gerüchte über Putſchpläne, wie ſie
von einer gewiſſen Parteipreſſe wieder und wieder kolportiert
werden, für aufgelegte Schwindelmanöver halten, nur
beſtimmut, die Verwirrung dieſer ohnehin wild bewegten Zeit
zu ſteigern und dabei für ſich ſelbſt im Trüben zu ſiſchen. Wir
ſehen die Gefahrpunkte und glauben, daß das gleiche auch für
die verantwortlichen Regierungs= und Parteiinſtanzen gelten
dürfte vielmehr in anderem als in problematiſchen Putſch=
abſichten
, denen wenigſtens heute noch die Uneinigkeit in den
aktiviſtiſchen Gruppen als oberſtes Hindernis entgegenſteht. Wir
nennen den wirtſchaftlichen Niederbruch in erſter
Linie, weil aus ihm, ſollte er Tatſache werden, zwangsläu=
fig
politiſches Unheil größten Ausmaßes heraufbeſchworen
werden müßte, das auch vor dem Beſtand des Reiches nicht halt=
wachen
würde.
Der Reichstag hat die noch der Regierung Cuno zuzurech=
nenden
großen Steuervorlagen mit einer ſeltenen Ein=
müttigbeit
verabſchiedet. So ſehr wohl als richtig unterſtellt wer=
den
mmß, daß hierbei Härten im Vollzug in Erſcheinung treten
können, die der Geſetzgeber kaum gewollt hat, ſo wenig können
wir es angeſichts der kataſtrophalen Not des Reiches billigen,
wenn dieſe Steuern nun zum Ausgangspunkt einer an ſich zwar
waßvollen, in ihren Auswirkungen aber unüberſehbaren
Steuerfronde gemacht werden, wie ſie von der regierenden
Bayeriſchen Volkspartei gegenwärtig in Szene geſetzt wird.
Schon konnte man in Verſammlungen der ihr zuzurechnenden
Bauern wieder die Rufe hören, die in der Parole Los von Ber=
lin
! das Allheilmittel gegen alle Not der Zeit zu ſehen glau=
ben
. Gewiß: die Führer warnen vor dieſer Parole wie
vor einem Steuerſtreik, zu dem verſchiedentlich bereits aufge=
reizt
wurde. Man wird abzuwarten haben, wie weit ihre
Macht geht, Dinge zu verhindern, die in ihren Folgen unüber=
ſehbar
wären.
Und weiter: Man darf ſich nicht verhehlen, daß jeder Fehl=
ſchlag
des außenpolitiſchen Kurſes der Reichsleitung die
ſchwerſten innerpolitiſchen Konſequenzen auslöſen könnte. Ein
führendes Mitglied der Bayeriſchen Volkspartei hat dieſen Be=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September. 1923.

Nummer 256.

U ien ece
nach dem mutmaßlichen Sturz Streſemanns eine Links=
regierung
vorhergeſagt, die wieder von illegalen Gewalt=
habern
abgelöſt würde. Dann (ſo der Redner) ſei für Bayern
der Augenblick gekommen, in dem es dieſe Regierung nicht
anerkennen könne getreu der Parole: Deutſchland iſt in
unſerem Lager! Wir wiſſen nicht, ob dieſe Aeußerungen Obſerver:
in dieſem Augenblick von der Parteiführung als ſolche gedeckt
und vergutwortet werden. Aber wir glauben zu wiſſen, daß ſie, Sofa in einem deutſchen Konſulat Schleſiens ſaß, faſſen Sie
ſollte einmal die Reichspolitik in das Fahrwaſſer bolſchewiſtiſch= ſich; ich kann es nicht mehr mit anſehen, in dem Augenblick
ſozialiſtiſcher Zeitgrößen wie des ſächſiſchen Herrn Dr. Zeig= trat der Beamte ein. Frau X. war mit einem tſchechiſchen Berg=
Einheit des Reiches höher ſteht als Partei und Land.
ſpannt, alle Volksgenoſſen, einerlei welcher Partei und welchen Land zu verlaſſen. Ich fragte, ob dies geſetzlich ſei; die Angeſtell=
ſchirmen
, in Reich und Ländern aufgerufen werden. Der baye= ſie, entſetzt über meine Unwiſſenheit. Der Herr gehört wohl
riſche Kronprinz hat es in dieſen Tagen erneut in die
deutſche Welt hinausgerufen, daß es heute nicht um dyna=
Reich und Land geht. Er hat in politiſch bedeutſamer Rede
liche Eignung Führer ſein zu wollen, und endlich die Offi=
ziere
, zu denen er ſprach, an ihren Fahneneid erinnert. Seine an ihr, da ihr Mann tot war; die Polen brauchten die drei
gehört und beachtet, zur Richtſchnur allen politiſchen Handelns. Solche Fälle kamen täglich vor, erklärte der Konſul. Ueber ganz
gemacht werden, wenn das Reich, um das es heute wie niemals
geht, als letztes Erbe einer beſſeren und Unterpfand einer größe= naturaliſiert worden, ohne gefragt zu werden durch den Ver=
ren
Zeit erhalten bleiben ſoll!

Die Bewegung in Spanien.
London, 15. Sept. (Wolff.) Der Daily Expreß erhielt
von dem Führer der ſpaniſchem Millitärrevolution Primo
de Rivera, der vom König mit der Bildung der neuen Re=
gierung
beauftragt worden iſt, ein Telegramm, worin der Gene=
ral
verſichert, die Bewegung in Spanien verfolge keine anderen
Zwecke als die Wiederherſtellung der Moral im
politiſchen und Verwaltungsſyſtem. Die Bewe=
gung
halte die Treue zum König unbedingt feſt.
Der Präſident des Militärdirektoriums.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Havas=Meldung
aus Madrid von geſtern nachmittag 2 Uhr werden die zurück=
tretenden
Miniſter bis zur Neubildung des Kabinetts die laufen=
den
Geſchäfte führen. Der Generalkapitän und die Generäle Cal= hatte der älteſte Sohn ihn zu Boden geſchlagen. Dieſer war
dacanti, Saro, Daban und Berenguer, die am Sitze des General=
kapitäns
verſammelt waren, haben ſich gleichzeitig nach dem Pa=
laſt
begeben. Es wurde bemerkt, daß ſie alle einigermaßen er=
regt
ſchienen.
Nach einer ſechs Stunden ſpäter datierten Havas=Depeſche aus
Madrid iſt General Munos Cobo zum Präſidenten des
neuen Militärdirektoriums ernannt worden und hat
Millan de Priego, den ehemaligen Generaldirektor der Madrider dieſem Zufall verdankt Polen die Zuteilung der vermutlich älte=
Polizei zum zeitweiligen Innenminiſter beſtimmt.
Keine Shmpathie mit der zurückgedrängten Regierung.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Der Madrider Berichterſtatter
des Temps ſchreibt ſeinem Blatte über den Eindruck des Pro=
nuneiamento
. In der Madrider Bevölkerung hat man nicht eine
ſehen, aber auch keinen Hochruf auf die neue Regierung gehört.
Die Gleichgültigkeit ſei reſtlos, und das Publikum mache ſich
keine großen Hoffnungen, was das Werk anbelange, das dieſe
auf politiſchem Gebiet etwa zuwege zu bringen vermöge.
Das ſozialiſtiſche Komitee und der geſchäftsführende Aus=
ſchuß
des Gewerkſchaftskartelles ſeien in der Wohnung des
ſchloſſen, den Generalſtreik auszurufen, wenn die Milita=
riſten
tatſächlich die Regierung übernehmen ſollten.
Zur Lage in Spanien.
EU. Paris, 14. Sept. In gut unterrichteten Kreiſen wird
angenommen, daß die augenblickliche Kabinettskriſe durch die Er=
nennung
einer proviſoriſchen Regierung mit dem Generalhaupt=
mann
von Madrid an der Spitze beendet werden ſoll. Später
wird die Führung der Geſchäfte von einer endgültigen patrioti=
ſchen
nationalen Regierung übernommen.
Den letzten Meldungen zufolge iſt General=Martinez Amido
ſtandsbewegung von Erfolg gekrönt ſein wird, in das Direkto= die Karte von Europa eine Augenblickslaune.
rium der neuen Regierung eintreten ſoll. Die Bewegung liegt
und Cabauellas.

Neue Entdeckungen aus Kretas goldenem Zeitalter.
* Die Wunderwelt einer helleniſchen Frühkultur auf Kreta
iſt von dem engliſchen Archäologen Sir Arthur Evans der Welt
in jahrzehntelangen Ausgrabungen erſchloſſen worden. Evaus
hat nun in dieſem Jahre neue Ausgrabungen auf der Stätte der
alten Hauptſtadt von der Inſel Kreta unternommen und groß=
artige
Funde gemacht, über die er in mehreren Aufſätzen der
Times berichtet. Außer der Wiederherſtellung der großen
Treppe an der Weſtſeite des Königspalaſtes und der Unter=
ſuchung
verſchiedener unterirdiſcher Galerien, die an das ge=
heimnisvolle
Labyrinth gemahnten, legte er in dem Korridor,
der ſich von dem Staatseingang des Palaſtes aus eröffnet, Frag=
mente
eines Freskenſchmuckes frei, die unglücklicherweiſe durch
Verbrennung beſchädigt waren. In den rauchgeſchwärzten Zeich=
nungen
ließen ſich jedoch Szenen erkennen, die mit der berühm=
ten
Gruppe der Damen in Blau verwandt ſind. Ein weiteres
Ergebnis der Durchforſchung der unterirdiſchen Galerien war
die Entdeckung eines Steinbruches aus ſehr früher minoiſcher
Zeit, aus dem eine beſondere rote Erde für die kretiſchen Bau=
ten
und Töpfereien gewonnen wurde. Verſchiedene Funde von
Bronzen und Gefäßen boten neue Aufſchlüſſe über die religiöſen
Vorſtellungen jener kretiſchen Frühzeit, und auch die Straßen=
verhältniſſe
, die das alte Kreta durchkreuzten, konnten aufgehellt
werden. Am ertragreichſten aber war die Ausgrabung eines
Streifen Landes, der an der weſtlichen Grenze des Palaſtgebietes
liegt und dicht mit gutgebauten Stadthäuſern beſetzt war, die
dem Anfang des ſpäten minoiſchen Zeitalters angehörten. Ein
einziges dieſer Häuſer wurde genauer durchſucht und lieferte
einen koſtbaren Freskenfund, der die Kunſt des goldenen Zeit=
alters
von Kreta in ſchönſter Blüte zeigt. Die Fresken waren
von den Wänden losgelöſt worden, wahrſcheinlich, weil man
ſpäter in dem Haus eine neue Dekoration anbringen wollte, und
befanden ſich in aufeinander gelegenen Haufen, ſo daß ſie ſich
vortrefflich erhalten hatten. Die Trümmer füllten 84 große
Käſten, und da ſie einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von
Räumen angehörten, war es möglich, die wichtigſten Teile von
drei oder vier ganzen Szenen zuſammenzuſetzen und die Mehr=
zahl
der übrigen Trümmer ſo miteinander zu verbinden, daß ſie
über die Darſtellung Aufſchluß gewährten.
Die Malereien haben einen friſchen und kühnen Charakter,
der durchaus mit den anderen aufgedeckten Fresken dieſer beſten
Zeit der kretiſchen Kunſt übereinſtimmt; ſie ſtammen aus der
Zeit um etwa 1600 v. Chr. Ihre einzigartige Bedeutung liegt
aber darin, daß ſie noch ihre ganze Farbeypracht beſitzen, wäh=
rend
bei den meiſten übrigen Funden die Farben durch Feuer
zerſtört ſiud. Die Landſchaftsmalerei, die von deu Kretern zu=

Die Wanderdüne der Friedenszeiten.
Die weinenden Frauen Europas.
Unter obiger Ueberſchrift ſchreibt Auſtin Harriſon im
Liebe Frau X., ſagte ich zu der Frau, die weinend auf dem
ner einſchwenken, eine erdrückende Mehrheit ſelbſt derer hinter mann verheiratet, der 20 Jahre in Deutſch=Polen gearbeitet
ſich haben müßten, denen der groß deutſche Gedanke und die hatte und geſtorben war, ohne ſich naturaliſieren zu laſſen. Ihre
drei Söhne waren auch Bergleute. Die Polen ließen ihr und
Solche Entwicklung abzuwenden, müſſen alle Kräfte ange= ihren Söhnen die Wahl, entweder polniſch zu werden oder das
Standes, ſoweit ſie willens ſind, das Reich zu erhalten und zu ten und die arme Frau lächelten. Heilige Mutter Gottes! rief
zum Völkerbund!
Sie war das Opfer der Selbſtbeſtimmung. Wohin gehörte
ſtiſche Fragen, ſondern um die Wohlfahrt von ſie? Ihr Mann war Tſcheche geweſen und hatte in einem Teil
von Deutſchland gelebt, der ſpäter am Polen fiel. War er Oeſter=
mit
denen abgerechnet, die ſich heute berufen fühlen, ohne jeg= reicher, Tſcheche, Pole oder Deutſcher? Nichts; er war tot. Was
aber war ſeine Frau? Die Tſchechen hatten kein Intereſſe mehr
Parole möge auch draußen, jenſeits der bayeriſchen Grenzen Söhne für ihr Heer; die Deutſchen brauchten ſie als Deutſche.
Europa ſind Zehntauſende von Frauen naturaliſiert und ent=
trag
von Verſailles. Dieſer Frau blieb nichts anderes übrig
als auszuwandern. Ich fragte, was ſie zu tun gedächte. Sie
antwortete: Lieber ſterben, als polniſch werden!
Das iſt der Geiſt! An einem anderen Ort, ſprach ich drei
deutſche Knaben, die gerade auf ihren Vater warteten, nette
Jungen; der älteſte war etwa 14 Jahre alt. Was willſt Du
werden? fragte ich den kleinſten. Soldat! antwortete er,
nund Du? Auch Soldat. Und Du? Soldat natürlich.
Trotz des Krieges? Wegen des Krieges, erwiderten ſie. Als
ich dem Vater ſpäter von dem kriegeriſchen Sinn ſeiner Söhne
erzählte, ſagte er: Wir ſind aus Schleſien. Sie müſſen entweder
Polen oder Deutſche ſein. Was kann man anders erwarten?
und wieder ſah ich eine weinende Frau. Ihre Lage war ver=
zweifelt
. Ihr Mann war ein Pole, der erſt Deutſcher und ſpäter
wieder Pole geworden war; ſie war in Deutſchland geboren und
hatte fünf Kinder. Ihre Söhne waren alſo Deutſche, durch den
Friedensvertrag aber Polen, trotzdem ſie nie ein Wort polniſch
geſprochen hatten. Nach dem Geſetz mußte ſie ihrem Mann fol=
gen
, aber die Kinder weigerten ſich und wurden mit Ausweiſung
bedroht. Ihr Mann hatte die kleinen Söhne geprügelt, darauf
drei Tage ſpäter von einem Trupp polniſcher Terroriſten miß=
handelt
worden, deſſen eines Mitglied man ein paar Tage dar=
auf
halbtot auf dem Felde fand.
Der Wiener Kongreß hatte mit Herrſchern zu tun gehabt: Rückſprache gehalten. Heute abend wird er ſich mit Beneſch be=
Verſailles legte die Axt an die Wurzeln der Nationalität, Früher gegnen. Au der Unterredung der beiden Staatsmänner, wird
fragte man: Unter welchem Fürſten? So entſchied ſich Danzic auch der ungariſche Außenminiſter teilnehmen. Das Problem der
einſt für Polen, um die wilden teutoniſchen Ritter loszuwerden; ungariſchen Anleihe wird ſomit ſo gut wie geregelt angeſehen.
ſten und typiſchſten proteſtantiſch=deutſchen Stadt auf dem Kon=
tinent
. (S. Carlyles Friedrich der Große‟.) Der Korridor
iſt vielleicht die ſchwerſte Wunde, die je ein Friede offengelaſſen
hat. Ein Franzoſe in Danzig ſagte mir: Dieſes Elſaß= aus Tokio wird die zu Wiederaufbau von Tokio
Lothringen wird noch Jahrzehnte lang bluten.
kein Polen, kein Rußland gibt; es gibt nur Deutſche, Polen, ſich zur Bildung eines Syndikats zuſammengeſchloſſen, das die
Sympathiekundgebung für die zurückgedrängte Negierung ge= Ruſſen als Kriegsflüchtlinge über ganz Europa verſtreut. Wür= Negierung beim Wiederaufbau der zerſtörten Städte unterſtützen
den die Kartenzeichner Geſchichte vom Raſſenſtandpunkt ſtudieren, ſoll. Das Shndikat wird ſich das über die zur Verfügung ſtehen=
ſo
könnte vielleicht eine praktiſche Löſung gefunden werden.
bannte ſind, ohne Zuſammenhang; ſelbſt die Polen hängen nicht Verſicherungsgeſellſchaften und das Publikum haben bis jetzt
zuſammen. Frankreich hat jetzt angefangen, ſie zu koloniſieren. 50 Millionen Yen zu dem Hilfswerk beigeſteuert. In Oſaka wird
Lille iſt heute eine polniſche Stadt. Das bedeutet, daß Krieg in nach einer weiteren Havas=Meldung offiziell mitgeteilt, daß die
Sozialiſtenführers Igleſias zuſammengetreten und hätten be= der Luft liegt. Napoleon hat ſeine Sache beſſer verſtanden. Er in den heimgeſuchten Gebieten wohnenden Perſonen völlig oder
baute Straßen. Wir bauen Wanderdünen.
Ich hatte ein intereſſantes Geſpräch mit einem einſtmals Unternehmungen befreit werden.
reichen Ruſſen, der zuerſt gegen Rußland kämpfte, weil er das
Zarentum haßte, dann unter dem republikaniſchen Rußland
gegen Deutſchland, und endlich unter Koltſchak gegen den Bol=
ſchewismus
. Zum Schluß hatte er alles verloren und war
Schweizer geworden. Und Rußland? fragte ich. Nußland, ſich Aufſätze über die innere und äußere Lage Deutſchlands, die
zugrunde gehen. Unſer Feldherr iſt die Zeit. Wir haben die Zeilen lieſt man eine gewiſſe Schadenfreude über den kataſtro=
Oſtſee verloren, wir haben Konſtantinopel verloren. Es iſt gut phalen Sturz der deutſchen Reichsmark. Man rechnet allgemein
ſo. Wir haben jetzt ein nationales Ziel, wenn Marx genügend mit einer Kapitulation der deutſchen Regierung in der
Ruſſen getötet hat, während wir vorher nur ein ſozialiſtiſches Ruhrfrage vor Frankreich. Gleichzeitig geht aus der bolſche=
int
Automobil nach Madrid aufgebrochen, wo er, falls die Auf= Ziel hatten. Ueber Polen regen wir uns nicht auf. Ohne uns iſt wiſtiſchen Preſſe hervor, daß mit großen umwälzungen
jetzt in den Händen der Generäle: Berenger, Cavaleati, Saro denn ſie beſteht lediglich aus Ueberbleibſeln und Anzeichen. Man Internationale und der Noten Gewerkſchaftsinternationale zu
ſpricht nur über dieſe oder jene Ausnahmeerſcheinung. Alle ſtim= den kommenden Ereigniſſen bereit ſind.
V n nnnn nnnn n nmnmnnmngn mnnnn mn nnnn gmmmmn mnmngnnn mmmmnmmmng
Wirklichkeitsſtil ausgebildet wurde, offenbart ſich hier in ihrem auch noch andere wichtige Funde gemacht, ſo eine reich bemalte
ganzen Reichtum. Blumen des Landes und des Meeres ſind Kanne, ein ſteinerner Schöpflöffel und anderes. Es iſt bemer=
zwiſchen
Felſen dargeſtellt, und bei den Steinformen hat man kenswert, daß dieſer reiche Schmuck aus dem verhältnismäßig
Intarſiawerk kopiert, wie wenn die Felſen aus Edelſteinen, z. B. kleinen Hauſe eines gewöhnlichen Bürgers ſtammt. Nichts ver=
Agath. Sardonix, Malachit uſw., zuſammengeſetzt wären. In mag eine beſſere Anſchauung von der hohen Kulturblüte zu
den Seeſtücken ſieht, man zwiſchen glatten Steinen und geben, die ſich in Kreta zu Anfang des 16. vorchriſtlichen Jahr=
goldenem
Sand Korallen und Schwämme, ſowie verſchie= hunderts entfaltet hatte.
dene Arten von Meduſen und anderen Meerespflanzen. Manche
Pflanzen ſind von den Künſtlern in kühner Weiſe umgeformt,
ſodaß mit den Blättern, der einen Pflanze die Blüten einer
andern verknüpft ſind, wodurch ganz phantaſtiſche Formen ent=
ſtehen
. Büſchel von verſchiedenfarbigen Krokuſſen und Lilien
ſind genau zu erkennen, ebenſo eine weiße Blume mit ſpitzen
Blumenblättern, die unzweifelhaft Pancratica maritimum iſt.
Sodann laſſen ſich Iris feſtſtellen, Wicken, Sternblumen, in empfangen. Eine tauſendköpfige Menſchenmenge erwartete uns
Ephen und andere Kletterpflanzen, kurz eine Flora, die die Bahnhofsreſtauration geleitet. Es blieb kein Auge tränenleer,
intereſſanteſten botaniſchen und klimatologiſchen Fragen eröffnet. Ein Vertreter der württembergiſchen Regierung und andere hiel=
Eine: Szene enthält in der Mitte auf einem Felſen einen ten patriotiſche Reden, die von den Eiſenbahnern und der
blauen Vogel, während an der Seite ein Roſenbuſch in voller Menge mit Begeiſterung aufgenommen wurden. Mit Worten
Blüte ſteht, zweifellos die älteſte Roſendarſtellung, läßt ſich dies überhaupt nicht ſchildern. Wir waren hierauf nicht
die es gibt. Die Blütenkrone, der der Künſtler ſechs Blumen= vorbereitet. Die Schwaben ſind deutſch bis auf die Knochen.
blätter gegeben hat, iſt von goldener Färbung mit einem ge= Bis Mitwoch blieben wir in Stuttgart. Am Donnerstag fuh=
ſprenkelten
roten Innern, Uieberraſchend iſt auch die Darſtellung ren wir nach Tailfingen. Hier empfing uns der Pfarrer, der
eines Springbrunnens, des erſten, dem wir in der Kunſt= Schultheiß und der Fabrikant Hackemüller. In einem Hotel war
geſchichte begegnen. Nicht minder bedeutſam ſind die Tiere der der Mittagstiſch gedeckt. Es koſtete uns keinen Pfennig, und ſo
Fresken, und beſonders die Affen, unter denen die Gattung eſſen wir noch heute dort, ohne daß man uns bezahlen läßt. Es
Cercopitheeus genau feſtzuſtellen iſt. Dieſe Affen werden nicht iſt eben nichts zu machen. Der Schultheiß hat der Wirtin ſtrenge
näher an Kreta als im Sudan gefunden, und es iſt anzunehmen, Anweiſung gegeben, uns kein Geld abzunehmen. Der Fabrikant
daß die kretiſchen Prieſterkönige ſie von den Pharaonen als Hackmüller hat uns eine vollſtändig neu ausmöblierte Drei=
Geſchenk erhielten. Ihre charakteriſtiſche und ſichere Darſtellung zimmerwohnung mit Küche zur Verfügung geſtellt. Dauernd
zeigt, daß die kretiſchen Künſtler mit den Tieren ſeit langem laufen Liebesgaben für uns ein, ſo daß es uns beinahe unheim=
vertraut
waren. Für den engen Zuſammenhang der kretiſchen lich wird in dem Gedanken, wie man dies den Leuten wieder
zwei Speeven bewaffneter, in ein geſticktes Kleid und eine ſchwarze Schwaben. Es iſt einfach nicht zu beſchreiben. Wenn es gegen
machen läßt. Dieſe Soldaten, von denen zwei Figuren erhalten Nächſte Woche werde ich mich zum Dienſt in Ebingen, was un=
ſind
, haben kohlſchwarze Haut. Minos hatte alſo Neger gefähr eine Viertelſtunde Bahnfahrt von hier entfernt iſt, mel=
als
Söldner in ſeinem Dienſt, die von der gegenüberliegenden den. Hier iſt es ſehr kalt. Tailfingen liegt ungefähr 850 Meter
libyſchen Küſte kamen, und von ihm gegen ſeine Feinde in Grie= hoch. Die Gegend iſt unfruchtbar, weswegen hier in der Haupt=
chenland
verwendet wurden. Außer dem Freskenſchmuck zeigte ſache Induſtrie iſt. Die Fabrikanten ſind ſteinreich. Sie wiſſen
bis zu 13 cm hohe Buchſtaben in leuchtender Orangefarbe ſorg= Euch ein ungefähres Bild von unſerem unfreiwilligen Aufent=
fältig
aufgemalt waren. Die Schrift zeigt bereits einen fortge= halt hier machen. Die Sache wird hoffentlich nicht allzulange
ſchrittenen linearen Charakter und enthielt wohl Anrufungen an dauern, denn für immer würde es uns doch hier nicht gefallen,
eine Hausgöttin, deren Kult auch ſonſt in minoiſchen Wohnun=

men Wberein daf ein Eungben, in dem S. 5 Zol. Min. 1u1
Sprachgrenzen gibt, die ganze Lebenshaltung auf eine niedrigere
Stufe bringen muß, aber daß es noch zu früh iſt, darum zu kämp=
fen
. Diplomatie iſt nichts als Nachkriegs=Finanzwirtſchaft.
Die Frage iſt: Werden die Deutſchen Deutſche bleiben, die
Ruſſen Nuſſen? Das hängt von den Frauen ab. Der Kompf
um Sprache und Selbſtbeſtimmung wird in der Familie ausge=
fochten
. Nationalität wird nicht mehr von Fürſten beſtimmt,
Das gedruckte Wort iſt die Zaubermacht, und darum ſind die
Konſulate angefüllt mit weinenden Frauen, die ſich weigern,
ihre Nationalität aufzugeben. Ein typiſcher Fall iſt die Ukraine,
Der Kampf um die rutheniſche Sprache eine Miſchſprache
hat Sowjetrußland geſpalten. Sein Einfluß reicht bis weit im
Polen und die Tſchechoflowakei hinein; dies künſtliche lite=
rariſche
Experiment hat 39 Millionen Ruſſen geeinigt. In die=
ſem
durch die Sprache zuſammengeſchmiedeten Slawentum können
wir ſchon die Keime eines neuen Rußland erkennen, das ohne
Zweifel nach Weſten und in den Weſten hineinwachſen wird,
Seine Flagge iſt die Sprache; ſeine Offiziere ſind Gelehrte: ſeine
Feldherrn ſind die Mütter; ſein Kriegswerkzeug iſt die Wiege.
Die nächſte große Gefahr iſt vielleicht das weiße, neu aufgeſchloſ=
ſene
demokratiſche Rußland.
Polen hat die deutſchen, öſterreichiſchen und zariſtiſchen Me=
thoden
überlebt durch ſeine Frauen. Sollten die Deutſchen
und Ruſſen weniger zäh ſein?, Fragt die europäiſchen Konſuln!
Auf dem Gipfel des Hügels bei Lemberg, von dem aus der
öſterreichiſche Generalſtab 1914 die für Oeſterreich ſo unheilvolle
Schlacht leitete, zeigte mir ein polniſcher Profeſſor ein paar
Blumen, die die Ruſſen gepflanzt hatten. Die Ruſſen kamen,
dann kamen wieder die Oeſterreicher, 1918 entwaffneten polniſche
Jünglinge die öſterreichiſchen Offiziere auf der Straße. Sie
ſagten Geht!, und die Oeſterreicher gingen, und Frauen mit
Kindern auf dem Arm nahmen die Waffen auf. Das empfehle
ich der Aufmerkſamkeit des Völkerbundes als 15. und nicht un=
wichtigſten
Punkt.
Oeſterreich.
Wien, 15. Sept. (Wolff.) Aus den Beſprechungen, die der
Generalkommiſſar Dr. Zimmermann mit dem Vertreter der
italieniſchen Negierung und den Vertretern franzöſiſcher Obligatio=
näre
der Südbahngeſellſchaft über das Südbahnabkom=
men
hatte, ergaben ſich verſchiedene weſentliche Erleichterungen
für Oeſterreich in bezug auf die Laſten, die ihm aus dem in Nom
geſchloſſenen Uebereinkommen erwachſen waren. Auf Grund der
erzielten Ergebniſſe teilte der Generalkommiſſar der öſterreichi=
ſchen
Niegierung mit, daß er ſeinerſeits gegen die Ratifizierung
des SüdbahnAbkommens durch den Nationalrat keine weiteren
Einwendungen zu erheben habe.
Die Anleihe=Bemühungen des Grafen Beihlen
C. Genf, 15. Sept. Graf Bethlen hatte heute früh mit


Gr
A

Mitgliedern des Völkerbundes über die Anleihe für ungarn
Japans Wiederaufbau.
Paris, 15. Sept. (Wolff.) Nach einer Havas=Meldung
und Yokohama erforderliche Summe auf annähernd 10.
Die Geſchichte zeigt, daß es in Wahrheit kein Deutſchland, Milliarden Yen geſchätzt. Sämtliche Banken Japans haben
den Kapitalien hinaus erforderliche Geld durch eine auswärtge
Die Folge iſt, daß Deutſche und Ruſſen nichts als Ver= und eine innere Anleihe verſchaffen. Die japaniſchen Banken und
teilweiſe von der Einkommenſteuer und der Steuer auf die
Die bolſchewiſtiſche Preſſe über die Lage Deutſchlands.
In der geſamten bolſchewiſtiſchen Preſſe Rußlands finden
ſagte er, geht nicht zugrunde, auch wenn noch ſo viele Ruſſen übereinſtimmend als troſtlos bezeichnet wird. Zwiſchen den
in Deutſchland gerechnet wird, und daß die Sowjetregierung
Es iſt ſinnlos, im heutigen Europa über Politik zu reden, und ihre Beauftragten, das Exekutivkomitee der kommuniſtiſchen
Brief eines Ausgewieſenen.
Nachfolgender Brief eines ausgewieſenen Eiſen=
bahnbegmten
wird uns aus unſerem Leſerkreis zur
Verfügung geſtellt:
In Stuttgart wurden wir von der Reichswehrkapelle
einem Fall merkwürdig mit glockenförmigen Blüten verbunden, und unter den Klängen eines deutſchen Liedes wurden wir zur
Kultur mit Afrika ſpricht auch ein Fresko, auf dem ein mit gutmachen ſoll. Eine Stimmung herrſcht überhaupt unter dieſen
Ziegenfellmütze gekleideter Hauptmann ſeine Truppe Dauerlauf die Franzoſen ginge, von dieſen Leuten bliebe keiner zurück.
das Haus dieſes kretiſchen Bürgers auch Inſchriften, deren nicht, wie ſie ihr Geld unterbringen ſollen. So, nun könnt Ihr
Eyer Kurt
Mit den beſten Grüßen 1447.

A

[ ][  ][ ]

Nummer 256.

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Das vorläufige Ergebnis der Goldanleihe.
* Berlin, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Wie von zuſtändiger
Stelle mitgeteilt wird, beträgt das vorläufige Ergebnis der
Goldanleihe 75 Millionen Goldmark. Das Ergebnis,
das ſich unmitdelbar vor Zeichnungsſchluß durch die Erfaſſung
der Deviſen noch erhöhen wird, wird als befriedigend bezeichnet.
Sofort nach Schluß der Zeichnung wird der Börſenhandel in die
Wege geleitet. Im Gegenſatz zu den Dollarſchatzanweiſungen
wird der Kurs der Goldanleihe an fünf Tagen der Woche, mit
Ausnahme des Samstags, gehandelt. Etwa 3000 Sparkaſſen, die
der Girozentrale angeſchloſſen ſind, werden ihre Goldkonten auf
Grund der Goldanleihe fortlaufend berichtigen. Durch Verein=
barungen
mit den Banken iſt Vorſorge getroffen, daß dieſe für
den Handel mit Goldanleihe nur die für die Staatspapiere
üblichen Proviſionen berechnen. Die Regierung wird außer=
dem
dafür ſorgen, daß der Kurs der Goldanleihe ihrem inneren
Wert nach in Parallele mit dem Dollar gehandelt wird.
Wiederum neue Poſigebühren.
TU. Berlin, 15. Sept. Geſtern abend wurde im Reichs=
poſtminiſterium
beſchloſſen, die Telegramm= und Telephongebüh=
ren
, die am morgigen Tage in Kraft treten ſollen, infolge der
weiteren Währungsverſchlechterung nochmals zu verdoppeln. Es
koſtet alſo von morgen ab ein Telephongeſpräch bis 5 Km.
500 000 Mk. Die Telegramm=Grundgebühr beträgt 800 000 Mk.
für Ferntelegramme und 400 000 Mk. für Ortstelegramme, die
Wortgebühr 400 000 Mk. für Ferntelegramme und 200 000 Mk. für
Ortstelegramme.
Wertbeſtändigkeit im Gerichtsweſen.
* Berlin, 15. Sept. (Priv.=Tel.) Der Rechtsausſchuß des
Reichstages genehmigte den Entwurf einer zweiten Verordnung
zur Entlaſtung der Gerichte. Es wird für die Zuſtändigkeit der
Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten eine Erhöhung
der bisher geltenden Wertgnenze um das rund 150fache, für die
Reviſionsſumme um das 200fache und für die übrigen Wert=
grenzen
im entſprechenden Maße vorgenommen. Die Verordnung
tritt am 1. Oktober in Kraft. Reichsjuſtizminiſter Dr. Radbruch
erklärte, daß das Reichsfinanzminiſterium demnächſt zu den
wertbeſtändigen Abgrenzungen übergehen werde unter der Vor=
ausſetzung
, daß dieſe Maßnahme durch die geplante Währungs=
reform
nicht überholt ſein wird. Darauf vertagte ſich der
Ausſchuß.
Proletariſche Hundertſchaften in Mannheim.
Mannheim, 15. Sept. (Wolff.) Wie die Arbeiterzeitung
mitteilt, ſoll bei der Firma Benz (neues Werk), Mannheim,
eine Betriebsverſammlung einſtimmig beſchloſſen haben, ſofort
proletariſche Hundertſchaften auszubilden. Nach einer Mittei=
lung
des Arbeiterrats ſei von der Betriebsverſammlung der
Arbeiterrat mit der Organiſation der proletariſchen Hundert=
ſchaften
beauftragt worden. Wie der Arbeiterrat weiter mitteilt,
ſei durch die Staatsanwaltſchaft die Bekanntmachung des Ar=
beiterrats
, die den Beſchluß der Bildung der proletariſchen
Hundertſchaften kundgab, mit ſcharfen Worten kritiſiert worden.
Die Volksſtimme bemerkt dazu, wenn die Staatsamwaltſchaft
dies getan habe, hätte ſie in Uebereinſtimmung mit der badiſchen
Regierung (und zwar aus beſten Gründen) auf dem Standpunkt
geſtanden, daß die geſamten Selbſtſchutzorganiſationen, gleich=
gültig
, ob rechtsradikal oder von Kommuniſten organiſiert, nicht
geduldet werden könnten.
Die Beuthener Unruhen.
Hauptbahnhof zu Anſammlungen. Aus der Menge fielen Erbach zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt Heppenheim
Schüſſe, die von der Schupo erwidert wurden; doch wurde nie=
mand
verletzt. Schupoſtreifen und Panzerautos ſperrten, den
Bahnhofsplatz ab und alle Zugangsſtraßen nach dem Ring.
Beendigung des Leipziger Bankbeamtenſtreiks.
TU. Leipzig, 15. Sept. Der Streik im Leipziger Bank=
gewerbe
, der ſich im Geſchäftsleben ſchon ſehr fühlbar machte, iſt
beendet. Nach mehrſtündigen Verhandlungen in der Kreishaupt= ab in gleicher Dienſteigenſchaft und als Lehrförſter in die Forſtwartei
mannſchaft iſt eine Verſtändigung erzielt worden. Die Leipziger
Bauken haben ſich bereit erklärt, über dieſe Abkommen hinaus= der ordentliche Profeſſor in der juriſtiſchen Fakultät der Landesuni=
gehend
die Verrechnungen der zur Auszahlung gebrachten Zu=
ſchüſſe
erſt nach Feſtſetzung des endgültigen Septembergehaltes
vorzunehmen Die Bankangeſtellten haben hierauf die Arbeit am
Freitag nachmittag bereits wieder aufgenommen.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.

Seite 3.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 16. September.
Deutſche Notgemeinſchaft.
Deutſchlands Schickſalsſtunde naht heran. Mit unſagbarem
Druck auf unſere Volksgenoſſen an Ruhr und Rhein ſucht Frank=
reich
uns zu reſtloſer Unterwerfung zu zwingen, und der Mark=
ſturz
mit ſeinen vernichtenden Folgen für Volkswohlfahrt und
Volksmoral geht immer raſcher von einer ungeahnten Tiefe zur
anderen. Es wird wohl nur noch wenige Volksgenoſſen geben,
die ſchlafen und träumen: es iſt bisher gegangen, es wird auch
weiter gehen um dann an einem Donnerſchlag, der ſie trifft,
zu erwachen! Die meiſten fragen ſich ſorgenvoll: wie ſoll das
enden? Und ſchon rüſten ſich viele auf die Loſung Rette ſich,
wer kann als ob es noch einen Weg zur Rettung gebe, wenn
der Boden unter unſeren Füßen einbricht. Es gibt aber auch
Menſchen, und nicht wenige, die ſich freuen, wenn der Zuſam=
menbruch
kommt. Das ſind nicht nur die, denen 20 Millionen
Deutſche zu viel leben; es ſind auch Deutſche darunter: die
Schlauen, die ihre Suppe an jedem Feuer zu kochen wußten, an
dem des Krieges wie der Revolution und der allgemeinen Ver=
elendung
, und die Wahnſinnigen, die lachen beim Anblick ihres
brennenden Hauſes und ſelber noch Oel in die Flammen gießen,
weil ſie glauben, daß aus der Brandſtätte von ſelbſt ein wunder=
bares
Feenſchloß heraufwachſen werde. Alle, die noch halbwegs
bei Sinnen ſind, müſſen ſich eindringlich die Frage vorlegen, wie
ſie nachher auf den Trümmern ihr Leben friſten und mit ihren
Volksgenoſſen weiterhin zuſammenleben wollen. Jede mutwil=
lige
Zerſtörung von Gütern und Menſchenleben häuft die Er=
bitterung
und gefährdet den Aufbau. Darum iſts nicht nur wahn=
ſinnig
, es iſt frevelhaft, mit dem Gedanken des Bürgerkriegs zu
ſpielen. Es gibt keinen anderen Weg zur Rettung
und zum Aufſtieg als ausdauernde, entſagungsvolle Arbeit,
ausgleichende Gerechtigkeit und ſoziale Hilfe und opferbereiten,
verſöhnenden Zuſammenſchluß zur deutſchen Not=
gemeinſchaft
! Der zerfleiſchende Parteihader ſollte end=
lich
verſtummen vor der Einſicht, daß wir Laſt, Schuld und
Schickſal unſeres Volkes gemeinſam tragen müſſen, und jeder
ſollte jetzt erkennen, daß Selbſtſucht nichts anderes iſt als Selbſt=
entehrung
und Selbſtmord. Dazu aber bedarf es einer innerſten
Erneuerung unſeres geſamten Volkslebens. Mit vollem Recht
hat der Reichskanzler erinnert an das Wort König Friedrich
Wilhelms III. nach der zerſchmetternden Niederlage Preußens
von Jena im Jahre 1806: Was wir an wateriellen Kräften
verloren haben, müſſen wir an ſittlichen Kräften ge=
winnen
. Dieſer Loſung läßt ſich ohne Unterſchied der Par=
tei
und Klaſſe zuſtimmen und nachleben. Ob’s aber nicht ſchon
zu ſpät iſt? Ob wir nicht trotz Aufbietung aller Kräfte in den
Abgrund ſtürzen? Niemand weiß, was die nächſten Wochen
Zweiſel lähmen laſſen. Dürfen die Geſchwüre weiter freſſen,
wird die Operation abgelehnt, weil ſie mißlingen kann, ſo iſt
bis zum Aeußerſten anzuſpornen? Gibt es neben dieſer Gewiß= meroper, das bereits für Dienstag, den 25. September, im
Wert des Guten und den Sinn des Leidens, an ſeine eigene
nicht gewachſen, die ihm aufgelegt ſind und werden; namentlich ſtadt geben. Joachim von der Goltz, der kraftvollſte Ver=
aber
kann es jetzt weniger als jemals in ſeiner Geſchichte die treter deutſcher Dramatik, der vielumſtrittene und vielgefeierte
frohe Botſchaft von der Verſöhnung und der Wiedergeburt ent=
behren
, die ihm das Chriſtentum gebracht. Rufen wir darum in
einer Stunde ſchwerſter Verantwortlichkeit jedem Volksgenoſſen köſtlichen Werte der deutſchen Dichtung der Romantik ſoll ein
das Wort eines Ernſt Moritz Arndt zu, des Leidensgenoſſen
tiefſter Erniedrigung Deutſchlands und Mitarbeiters einer kraft=
vollen
Auferſtehung: Am Himmel und am Vaterland
ſoll man niemanls verzweifeln!

bel, bis zur Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit mit Wirkung vom
1. Oktober 1923 unter Anerkennung ſeiner dem Staate geleiſteten
Dienſte.
Erledigt iſt eine Lehrerſtelle für einen evangeliſchen Lehrer an
der Volksſchule in Alsfeld. Dienſtwohnung iſt nicht vorhanden, Woh=
nung
für einen verheirateten Lehrer kann auch vorläufig nicht beſchafft
werden.
Der zum Kaiſerlich Japaniſchen Generalkonſul in Hamburg er=
nannte
Herr Shiro Hanaoka, dem das Reichsexequatur erteilt
wurde, iſt zur Ausübung konſulariſcher Dienſtverrichtungen im Volks=
ſtaat
Heſſen zugelaſſen worden.
Kindergärtnerinnen=Prüfung. Freitag, den 14. September,
fand im Kindergärtnerinnen=Seminar des Alicevereins für Frauen=
bildung
und Erwerb die ſtaatliche Prüfung der Kindergärtnerinnen
ſtatt. Die acht Anwärterinnen beſtanden die Prüfung. Die Ausſtellung
der Handfertigkeitsarbeiten derſelben iſt Sonntag und Montag vor=
mittag
im Seminar, Martinſtr. 28, geöffnet. Der neue Kurs beginnt
im Oktober.
Steuerabzug, Bewertung der Sachbezüge. Wir verweiſen auf
die im amtlichen Teil veröffentlichte Bekanntmachung, wonach die Er=
mäßigung
beim Steuerabzug nach 8 46 Abſ. 2 des Einkommenſteuer=
geſetzes
und die Bewertungsſätze für Sachbezüge mit Wirkung vom
16. September 1923 ab verdoppelt werden. Für land= und forſtwirt=
ſchaftliche
Bezüge gelten beſondere Wertſätze, die bei den Finanzämtern
zu erfahren ſind. Nachſtehendes Zahlenbeiſpiel ſoll als Anleitung
dienen:
a) bei weiblichen Hausangeſtellten
b) bei Hauslehrern
monatlicher Barlohn
38 400 000 . 120 000 000
Geldwert der freien Station . . . . 38800 000 48000 000

zuſammen:
Hiervon 10 v. H.:
Ermäßigung ab 16. September 1923:
für Pflichtigen ſelbſt
720 000
für Werbungskoſten . . . 6 000 000 6 720 000

67 200 000 168 000 000 .
672000 16800 000

Ernannt wurden: am 7. September: Heinrich Arnold aus
Waldmichelbach i. O. zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
Veuthen, 15. Sept. (Wolff.) Geſtern abend kam es am Alzey mit Wirkung vom 19. Mai 1923, Johann Peter Lulay aus
mit Wirkung vom 2. Juni 1923, Friedrich Diegel aus Ehringshauſen,
Kreis Alsfeld, zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
Gießen mit Wirkung vom 26. Juni 1923, und Leonhard Philipp Rapp
aus Habitzheim zum Pfleger an der Landes=Heil= und Pflegeanſtalt
Philippshoſpital zu Goddelau mit Wirkung vom 3. September 1923
an: Steuerpraktikant Georg Seibert zu Oppenheim zum Oberſteuer=
ſekretär
.
Verſetzt wurde: am 11. September 1923 der Förſter der Forſt=
wartei
Schönbrunn, Ernſt Heller zu Schönbrunn, vom 1. April 1923
Schotten=Süd der Oberförſterei Schotten.
Aus dem Staatsdienſt entlaſſen wurde: am 10. September 1923
verſität Gießen, Dr. Adolf Zycha, auf ſein Nachſuchen mit Wirkung vom
1. Oktober 1923 an.
In den Ruheſtand verſetzt wurde: am 7. September 1923 der
Oberaſſiſtent bei der Staatsanwaltſchaft Darmſtadt, Ludwig Schrö=

6 720000
Steuerabzug:
10 080 000
Die neuen Steuergeſetze. Vom Finanzamt wird uns geſchrieben:
Es ſind in den letzten Tagen von Berufsverbänden und aus Berufs=
kreiſen
aller Art zahlreiche Eingaben und Proteſte gegen die Durch=
führung
der neuen Steuergeſetze beim Reichsfinanzminiſterium ein=
gegangen
. Zum großen Teil wird darin Abänderung der einzelnen
Geſetze oder wenigſtens Hinausſchiebung der Zahlungsfriſten vor der
Durchführung der Steuer verlangt. Das Reichsfinanzminiſterium
nicht in der Lage, dieſe Geſuche im einzelnen zu beantworten. Statt=
geben
könnte es überdies den Wünſchen doch nicht, da es als Verwal=
tungsbehörde
lediglich die Aufgabe hat, die von dem Reichstag übrigens
einſtimmig angenommenen Geſetze beſchleunigt zur Durchführung zu
bringen. Außerordentlichen Härten im Einzelfall wird im Rahmen
der beſtehenden Geſetze Rechnung getragen werden. Eine große Reihe
Steu=rbflichtiger hat ferner unmittelbar beim Reichsfinanzminiſterium
um Stundung oder Erlaß nachgeſucht. Dieſe Geſuche ſind den Landes=
finanzämtern
zur zuſtändigen Erledigung überſandt worden. Es wird
aber darauf hingewielen,, daß durch die Einreichung ſolcher Geſuche
die Verpflichtung zur Zahlung nicht aufgeſchoben wird und daß im
Falle der Ablehnung der Geſuche die Folgen der verſpäteten Zahlung
(Zuſchläge uſw.) nicht vermieden werden. In dieſem Sinne ſind auch
die Geſuchſteller vom Reichsfinanzminiſterium vorbeſchieden worden.
Die Freie Literariſch=Künſtleriſche Geſellſchaft hat für dem
bringen, aber ſicher ſind wir verloren, wenn wir uns durch dieſe kowmenden Winter ein hervorragendes Programm aufgeſtellt.
Mit den Schätzen der Vergangenheit verbindet ſich die Einfüh=
rung
in die jüngſte Kunſt der Gegenwart. Der Spielplan wird
der Tod gewiß. Genügt das nicht, um uns zur Pflichterfüſlung eröffnet durch ein Geſamtaaſtſpiel der Münchener Kam=
heit
von ſchneidendem Ernſt noch eine hoffnungsvolle? Das iſt Kleinen Haus des Landestheaters vongeſehen iſt und die Auf=
eine
Frage des Glaubens. Ohne den Glauben an den führung der reizenden Opern Die Magd als Herrin von Per=
goleſe
und Der Schauſpieldirektor von Mozart bringen wird.
weltgeſchichtliche Bedeutung und Zukunft, ohne echtes Gottver= Als eine der begabveſten unter den jüngeren Tänzerinnen wird
tnauen iſt unſer Volk auf die Dauer den Opfern und Prüfungen, die 17jährige Trude Moos einen erſten Tanzabend in Darm=
Dichter des Friederieus=Schauſpiels Vater und Sohn hat zu=
geſagt
, über Die Wiedergeburt des Glücks zu ſprechen. Die
Romäntiſcher Abend leuchten laſſen, zu dem ſich Wil=
helm
Michel und Eliſabeth Stieler, die beliebte Heldin des
Landestheaters, vereinigen. Heitere Volkskunſt bringen Robert
Kothe und Lies Engelhardt auf der Laute. Vilma
Mönckeberg=Hamburg, die ſo reizvoll Märchen zu erzählen
weiß und ſich vor zwei Jahren die Herzen gewann, wird ihren
Beſuch wiederholen. In die Gebiete der Kunſt und Philoſophie
ſollen Vorträge von Profeſſor Hans Weichelt=Marburg
(Nietzſche=Zarathuſtra) und Dr. Zeh=Heppenheim einführen.
Das reichhaltige und wertvolle Programm dürfte einen ſtarken
Andrang zu dem außergewöhnlich billigen Abonnement bewir=
ken
. Anmeldungen nimmt die Buchhandlung A. Bergſträßer,
Rheinſtraße 6, entgegen. (Siehe Anzeige.)
Führertagungen des Evangeliſchen Reichs=Elternbundes. Auf
einer Führertagung am 19. September in Quedlinburg wird der Eo.
Neichs=Elternbund zur ſchulpolitiſchen Lage Stellung nehmen und ein
Aktionsprogramm beſchließen. Daran anſchließend treten am 20. Sep=
tember
die Vertreter des Wartburgbundes Deutſcher Volkshochſchulen
(Geſchäftsſtelle beim Evang. Preßverband für Deutſchland, Berlin=
Steglitz, Beymeſtraße 8) in Quedlinburg zu einer erſtmaligen Aus=
ſprache
zuſammen. Am 21. Sevtember tagt ebendort der Geſchäfts=
führende
Ausſchuß des Evang. Preßverbandes für Deutſchland.
e. Stadtmiſſion. Heute Vormittag 9 Uhr wird wiederum eine Wald=
andacht
gehalten und zwar an den Hirſchköpfen. Die Anſprache hält
Miſſionskandidat Neuber.

Die Münchener Kammeroper in Heſſen.
Der Zentralſtelle für Volksbildung und Jugendpflege iſt
B gelungen, die Münchener Kammeroper für eine Gaſtſpielreiſe
m Heſſen zu gewinnen. Das Unternehmen wird für die Kunſt=
Eflege unſeres Landes von außerordentlicher Bedeutung ſein.
Die Münchener Kammeroper iſt eine kleine Geſellſchaft von Be=
rufsſängern
und Muſikern, die mit leichbeweglichem Apparat
von Ort zu Ort reiſt und Vorſtellungen gibt. Sie hat ſich zur
Aufgabe geſetzt, in vollendet küinſtleriſcher Weiſe, die den muſi=
kaliſchen
Darbietungen der ſtehenden Theater nichts nachgibt, das
Singſpiel und die heitere Oper zu pflegen. Ihre Arbeit iſt von
vollem künſtleriſchem Verantwortungsgefühl getragen. Sie legt
Wert auf ſorgfältige Regie, vorzügliche Orcheſterleiſtung (unter
Leitung eines Kapellmeiſters: zwei Violinen, Bratſche, Cello,
Klavier und Harmonium) und ſelbſtverſtändlich auf vollendet
durchgebildete Sangeskräfte. Bei dieſem erſten Kommen er=
ſcheint
von Pergoleſe die entzüchende Serva padrona (Die
Magd als Herrin) und von Mozart das reizende Singſpiel Der
Schauſpieldirektor, alſo Meiſterwerke heiterer Kunſt, die eine
entzüchende Rokokolinie einzuhalten wiſſen, beſeelt von allen
guten Geiſtern der Anmut, der ſchalkhaften Laune, der ſieg=
reichen
, leuchtenden Heiterkeit. In allen Städten, die die Münche=
ner
Kammeroper bisher bereift hat (Bayern, Deutſchöſterreich
und Tſchechoſlowakei) gab es nur eine Stimme der unein=
geſchränkten
Dankbarkeit und freudigſten Anerkennung.
Für Heſſen bedeutet das Gaſtſpiel der Kammeroper eine
Fortſetzung der Arbeit der Heſſiſchen Landeswanderbühne, eine
wertvolle Ergänzung der Schauſpielaufführungen, die auch in
dieſem Winter durch unſere ſtehenden Bühnen in Zuſammen=
arbeit
mit der Zentralſtelle ins Land hinausgetragen werden
ſollen. Mit Operndarbietungen war bisher die Provinz noch
viel kläglicher bedocht, als mit Darbietungen des Schauſpiels.
Opernkunſt, zumal in ausgezeichneter Darbietung, iſt ihr faſt
noch nie gezeigt worden. Es gereicht der Zentralſtelle zur aufrich=
tigen
Genugtuung, daß ſie dieſe Lücke endlich auszufüllen ver=
mag
. Wohl wiſſend, daß die Zeit ſchwer auf den Gemütern
laſtet und die Genußfreudigkeit beeinträchtigt, hält die Zentral=
ſtelle
gerade wegen der Schwere der Zeit es für ihre Pflicht,
alles zu tun, um wenigſtens für kurze Stunden reinſten Genuſ=
ſes
und ungetrübter Heiterkeit Leid und Sorgen des Alltags
vergeſſen zu machen. Die Erfahrungen, die ſie ſeit Jahren bei
Erfüllung dieſer Pflicht wachen durfte, ermutigt ſie, auf dieſem
Wege fortzufahren; ſie weiß ſich der Empfänglichkeit und Dank=
barbeit
der Volksgenoſſen ſicher.
Das Gaſtſpiel wird ſtattfinden in Darmſtadt, Offenbach,
Bensheim, Viernheim und Michelſtadt in der Zeit vom 24. Sep=

tember bis 29. September dieſes Jahres. Oberheſſen und, wenn
möglich, Rheinheſſen ſollen im nächſten Frühjahr Gelegenheit er=
halten
, die Münchener Kammeroper kennen zu lernen.

C.K. Das höchſte Hotel. Das höchſte Hotel der Welt und
zugleich eines der großartigſten, die es überhaupt gibt, wird jetzt
in der Nähe des Gipfels der Jungfrau errichtet werden. Die
Grundmauern werden gegenwärtig aus den Felſen des Jung=
frau
=Joches in einer Höhe von 11 840 Fuß herausgehauen. Ein
kurzer Fußpfad, der durch einen Tunnel geht, wird von der
Jungfrau=Bahn zu dieſem neuen Gebäude geführt werden. In
dem Hotel auf der Jungfrau wird alles elektriſch betrieben:
Kochen, Heizen, Reinigen, Beleuchtung und natürlich auch Tele=
graphie
und Telephonie. Man wird alſo in dieſer Region des
wigen Schnees imſtande ſein, durch drahtloſe Telephonie ein
Konzert zu hören, das von der Sendſtation einer Großſtadt ver=
breitet
wird. Das Hotel wird in den Berg hineingebaut, deſſen
Felſen Rückwand und Seitenwände des Gebäudes bilden. Man
wird von dem Hotel die großartigſte Ausſicht über die Rieſen=
erhebungen
des Berner Oberlandes genießen und über das
weite Schneefeld des Aletſch=Gletſchers hin die Alpiniſten beob=
achten
können, die, mit ihren Führern angeſeilt, zu der Konkordia=
hüte
hinter dem Schreckhorn oder zu der kleinen Bergli=Hütte
emporkraxeln.
C.K. Die neueſten Pelzmoden. Der Pelz wird in dieſem
Winter eine noch größere Beliebtheit finden, als in allen frühe=
ren
Jahren. Am modernſten ſind hellfarbige Pelze, und nach
ſolchen hellen Pelzen iſt die größte Nachfrage. Herwelin wird
ſehr viel getragen werden, beſonders zur Abendtoilette, und
Hermelinmäntel, =Jacken und =Stolen bedeuten die höchſte Ele=
ganz
. Viel verarbeitet wird auch chineſiſches Kaninchen, ein Er=
ſatz
für Hermelin. Andere Pelzarten, die in erſter Linie modern
werden, ſind kanadiſcher Nerz, Kolinsky, Zobel und Chinchilla.
Der letztere Pelz iſt gegenwärtig außerordentlich ſelten, ſo daß
ein Chinchillamantel von Londoner Firmen mit 3500 Pfund be=
rechnet
wird. Aſtrachan wird zu langen Mänteln verarbeitet, die
bis über die Fußknöchel reichen. Man trägt die Pelzmäntel ent=
weder
ganz lang oder aber ſo kurze Pelzjacken, daß ſie nur bis
an die Taille reichen.
C.K. Stiefel muß ſterben . . . Stiefel muß ſterben, iſt noch
ſo jung, jung, jung! Dieſes altbeliebte Studentenlied, das in
weiten Kreiſen geſungen wird, iſt ſeinem tieferen Sinne nach
ſo dunkel, daß man es in die Klaſſe des höheren Blödſinns
eingereiht hat. Die Entſtehung des Liedes hat aber eine ſehr
ernſte Veranlaſſung, wie in Ueber Land und Meer mitgeteilt
wird. Zu Luthers Zeiten lebte in der Nähe von Witzenberg ein

Pfarrer Stiefel, der 1533 den Weltuntergang vorausſagte. Er
wußte ſeine Bauern von dem Eintreffen des jüngſten Gerichts
an einem beſtinmnten Tag ſo zu überzeugen, daß ſie all ihr Hab
und Gut vergeudeten. Als aber an dem vorausgeſagten Tag der
Weltuntergang nicht eintraf, wurden ſie gegen ihren Pfarrer
aufgebracht, ergriffen ihn und führten ihn gebunden nach Witten=
berg
, wo ſie verlangten, daß er hingerichtet werde. Aus dieſem
Anlaß, der in Wittenberg viel Aufſehen erregte, dichtete ein
Student das Lied vom Stiefel muß ſterben, das ſeine Beliebt=
heit
bis auf unſere Tage erhalten hat.
C.K. Der Bubenkopf als Scheidungsgrund. Bei einem Lon=
doner
Eheſcheidungsgericht iſt dieſer Tage ein Fall verhandelt
worden, in dem ein Mann ſich von ſeiner Frau trennen wollte,
weil ſie ſich ihre Haare kurz geſchnitten hatte. Dieſe Tatſache
war nun freilich nicht der einzige Grund, aber ſie ſchlug ſozu=
ſagen
dem Faß den Boden aus. Vor Gericht führte der Ehe=
mann
aus, daß eine Frau mit langem Haar eine andere ſei als
eine ſolche mit kurzem. Der Bubenkopf verändere den Charak=
ter
, und er könne zu einer Frau, die ſo etwas getan habe, nicht
mehr das für die Ehe nötige Vertrauen aufbringen. Damit iſ
eine ſchwierige Frage vor den Richter gebracht, die zu den tief=
ſinnigſten
Betrachtungen Anlaß geben kann. Man ſtelle ſich
einen Mann vor, der, glücklich über den Beſitz einer Frau mit
ſchönem langem Haar, abends einſchläft und am anderen Mor=
gen
ſtatt deſſen einer fremden Dame mit kurzem Wuſchelkopf
ſich beim Frühſtückstiſch gegenüber findet. Muß nicht ſein gan=
zes
Frauenideal jäh zuſammenſtürzen? Es iſt die umgekehrte
Geſchichte wie bei Simſon und Delila, denn mit dem Haar ver=
liert
die Frau ihre Kraft, die ſie über den Mann ausübte. Und
was für trübe Ausſichten eröffnet dieſer Buberkopf. Er zeigt,
daß die Frau nun die Herrſchaft im Haus übernehmen will. Zum
kurzgeſchnittenen Haar gehört Zigarettenrauchen, zum Ziga=
rittenrauchen
das Herumſitzen in Cafés und damit das Gleiten
auf der ſchiefen Ebene. So bricht dem Mann mit dem Klirren
der Schere, die den Hauptſchmuck der Gattin frißt, zugleich das
Eheglück zuſammen. Eine Frau mit Bubenkopf wird ſich nicht
mehr an den Kochherd ſtellen, wird nicht mehr die Kinder war=
den
. Kurz, es iſt nicht mehr dieſelbe Frau und deshalb läßt
man ſich ſcheiden. Aber wie iſt es mit einem Manne, der ſich
plötzlich ſeinen Bart abraſieren läßt? Bietet er nicht auch einen
Scheidungsgrund? Der Bart gehört ebenſo zum Weſen des
Mannes wie das lange Haar zu dem der Frau. Vielleicht liebt
die Gattin ihren Eeheliebſten gerade um des Bartes willen. Nicht
minder ſchwierig liegt die Sache, wenn ein Herr, der mit glatt=
raſiertem
Geſicht heiratete, ſich nun ein Bärtchen ſtehen läßt.
Alles Scheidungsgründe! Wenn dieſe Auffaſſung von der ent=
ſcheidenden
Wirkung der Haar= und Varttracht duuchdringt, wer
d
die Ehegerichte viel zu tun h

[ ][  ][ ]

Nummer 256.

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.

Vertagung des Deutſchen Enangeliſchen Kirchentages. Mit Rück=
ſicht
auf die ſchweren Bedrängniſſe, unter denen die evangeliſchen
Kirchen und insbeſondere die chriſtlichen Liebeswerke leiden, hat der
Deutſche Evangeliſche Kirchenausſchuß trotz ſchwerer Bedenken be=
ſchloſſen
, den für 5. bis 7. Oktober in Bethel=Bielefld in Ausſicht ge=
nommenen
3. Deutſchen Evangeliſchen Kirchentag bis auf weiteres zu
vertagen.
Ein machtvoller Auftakt zum Darmſtädter Alkoholgegnertag.
Man ſchreibt uns: Das war ein Erlebnis, dieſe Jugendverſammlung,
zu der viele Hunderte aus allen Lagern und Bekenntniſſen herbeige=
ſtrömt
waren. Schon rein äußerlich arbeitete Avemaries Organiſation,
der im Auftrage der Zentralſtelle für Volksbildung und
Jugendpflege und der Arbeitsgemeinſchaft Darmſtädter Jugend=
verbände
die Scharen zuſammgerufen hatte, glänzend. Ohne Störung
klang der ſtarke Akkord. Dr. Strecker ſprach über das amerika=
niſche
Alkoholverbot und die Jugend. Nobert
Schmidt, der Reichswirtſchaftsminiſter, hat erklärt, wir könnten keine
Wohnungen mehr herſtellen, da nicht genug Kohlen da wären. Man hat
ihm vorgerechnet, daß die Kohlen für die Brauereien zum Brennen von
Backſteinen für 140 000 Häuſer reichen würden. Wo bleiben da unſere
Regierungen und Parlamentarier! Im Kriege wurden 54 Millionen
Zentner Getreide und 160 Millionen Zentner Kartoffeln zu Bier und
Schnaps verdorben. Die Lebensmittel werden täglich knapper, die Not
wächſt ins Grauenhafte. Und doch der Tanz auf den Leichenſchädeln der
Verhungerten oder Verkrüppelten, denen das Brot fehlte! Amerika,
Finnland und Irland haben das Alkoholverbot eingeführt, Norwegen
verſchließt den Brantweinkonſum. In Amerika geht im öffentlichen
Leben die Anſchauung um, wenn man den deutſchen Mitbürgern den
Biertopf verſpricht, dann wählen ſie alles. Wir wollen unſer eigen
Fleiſch und Blut nicht ſchlecht machen; denn ſie opfern für uns in un=
ſerer
Not und ſparen ſichs vom Munde ab. Aber die Deutſch=Amerikaner
ſollen nachdenklich werden, wenn ſie hören, wie wir in unſerer Lage koſt=
bare
Lebensgüter verderben. Das Staatsverbot hat ſich in Amerika
noch nicht reſtlos durchgeſetzt. Dazu iſt die Zeit zu kurz. Aber in
einem amerikaniſchen Hoſpital iſt z. B. ſeit 1915 die jährliche Aufnahme=
ziffer
= von Alkoholkranken um 90 Prozent gefallen, während Kräpelin
für die Münchener Pſhchiatriſchen Kliniken für 1914 199 Aufnahmen,
1921 134 und 1922 264 meldet. Aus früheren Kneipen ſind in
Amerika ſaubere Geſchäfte für Lebensmittel, Bekleidung uſw geworden.
Die Weintrauben werden zu Roſinen, Tafelobſt und alkoholfreien Saft
verwandt. Viele unſerer Weinberge können als Acker benutzt werden.
Gaſtſtätten muß es immer geben. Der Vorwurf, wir wollten die Ange=
ſtellten
brotlos machen, iſt alſo unſinnig. Um die Brauereien aber brau=
chen
wir uns keine Sorgen zu machen. Die ſorgen ſchon für ſich.
Rückforth z. B. rechnet bereits mit der neuen Jugend und produziert
neben Likören auch Konſerven. Alle modern eingeſtellten amerikaniſchen
Politiker ſtehen für das Verbot. Sie erkennen die Nüchternheit als
Grundlage von Vernunft und Verantwortung. Dort wie hier ringt
eine ſenile untergehende Welt mit der neu aufkommenden, friſchen, freien,
ſauberen. Ihr Jungen habt ſchon gewählt! Euch vertrauen wir die
Zukunft unſeres Stagtes und Volkes! Mit kräftigem Lied ſchloß die
Verſammlung, deren Bekenntnis Avemarie in die Worte goß: Wir
Jungen wollen einen Staat des Friedens, der Brüderlichkeit und der
Liebe. Wir wollen nachdenken und die großen Aufgaben mutig in die
Tat umſetzen! Trotz aller Verſchiedenheiten unter uns wollen wir in den
großen Fragen gemeinſam handeln. Nüchternheit iſt die Grundlage
aller Bildung und Menſchlichkeit. Wir wiſſen, daß die Edelgeſinnten in
Deutſchland und im Ausland auf uns ſehen! Drum wollen wir Prak=
tiſches
und Feſtes ſchaffen nicht aus Ruhm= oder Propagandaſucht
für uns ſondern aus dem heiligſten Wunſche, unſerem Volk zu helfen!
Sterbekaffe. Man ſchreibt uns: Durch die fortgeſetzte Geldent=
wertung
erwachſen den Familienvätern doch ernſte Sorgen, wie ſie bei
einem Sterbefall die ungeheuren Ausgaben hierfür bezahlen ſollen.
Wenn auch die Stadt Darmſtadt die ſogenannten Sterbekonten emp=
fiehlt
, ſo iſt es doch in heutiger Zeit ſehr ſchwer, wenn nicht für viele
unmöglich, mit den Einlagen für die Sterbekonten Schritt zu halten.
Durch die Eindeckung mit Kartoffeln und Kohlen uſw. für kommenden
Winter, mit den ſtets ſteigenden Preiſen, iſt an Rücklagen für das
Sterbekonto nicht zu denken. Der ältere Sterbekaſſen=Verein, gegr. 1870,
enthebt ſeine Mitglieder der Sorge, indem er nach einem neuen Beſchluß
bei einem Sterbefall von jedem Mitgliede Mk. 1 Mill. einzieht. Dafür
werden ab 1. Oktober ds. Js. bei einem Sterbefall Mk. 150 Mill. an
Sterbegeld ausgezahlt. Für laufende Verwaltungskoſten werden gleich
pro Mitglied Mk. 100 000 miterhoben. Auf dieſe Art fällt es den Mit=
gliedern
nicht ſchwer, ſich das Geld für eine Beerdigung in einfacher
Weiſe zu ſichern. Nähere Auskunft hierüber geben: Der erſte Vor=
ſitzende
: W. Deuſſinger, Kaupſtr. 52, der zweite Vorſitzende, H. Wagner,
Dieburgerſtr. 4, der Rechner, D. Bergoint, Schützenſtr. 18, bei den Her=
ren
: L. Greb, Schuhknechtſtr. 48, Joh. Herche, Gervinusſtr. 43 und N.
Kraſinsky, Marktſtr. 1.
Perſonentariferhöhung zum 18. September 1923. Vom
18. September d. J. ab wird die Schlüſſelzahl für den Perſonen=
und Gepäckverkehr auf 9 Millionen erhöht. Auf bis jetzt gelöſte
Monats= und Schülermonatskarten findet Nacherhebung nicht
ſtatt. Die viertägige Geltungsdauer der Fahrkarten wird aus
Anlaß der Tariferhöhung zum 18. September nicht beſchränkt.
Mit dieſen Fahrkarten kann die Fahrt wie üblich innerhalb der
Geltungsdauer angetreten werden, ſie muß jedoch innerhalb der
viertägigen Geltungsaduer beendet ſein. Im Intereſſe einer
glatten Abwicklung des Verkehrs können Fahrkarten mit Gül=
tigkeit
vom 17. d. Mts. ab bereits am 15. und 16. September ge=
löſt
werden.
Konzert des Buſch=Quartetts. Die Preiſe ſind 0,50 bis 1,50 Mk.
Grundpreis mal 9 Million Buchhändlerſchlüſſelzahl.
Orpheum Neues Operettentheater Frankfurt a. M. Heute
Sonntag, 16. Sept., letzte Aufführung der Operette Der Vetter aus
Dingsda‟. (Näheres ſiehe Anzeige.)
Zauberſchau Bellachini jr. im Städt. Saalbau. Die zweite Vor=
ſtellung
vom heutigen Abend erfüllte voll und ganz die Erwartungen,
mit denen man zum Saalbau gegangen war, um ſich den Zauberer
und ſeine Kunſt anzuſehen. Die glänzende Ausſtattung und das gut
gewählte Einleitungsſtück ließen ſofort im Anfang des Abends das
Gefühl=aufkommen, daß man das Eintrittsgeld im Verhältnis zu
allen anderen Preiſen übrigens überraſchend billig nicht leichtſinnig
ausgegeben hatte. Nach einigen überraſchenden kleineren Darbietungen
zeigte ſich Bellachini als Telepath. Er verſtand es gut, ſeine Zuhörer
n Erſtaunen zu ſetzen. Als Beiſpiel für das bekannte Gebiet der
Hypnoſe gelang es ihm in wenigen Minuten, einen wilden Hahn in
ein willenloſes Objekt zu verwandeln. Er fand reichen Beifall. Die
Senſation des Abends iſt die Flucht aus dem Saratogakoffer‟. Ein
junger Mann, an beiden Händen gefeſſelt, wird in einen Sack geſteckt
der zugebunden und verſiegelt und in einen Koffer eingeſchloſſen!
Wenn der Koffer wieder geöffnet wird, iſt er leer, der junge Menſch
verſchwunden. Die Erklärung dafür mag ſich jeder ſelbſt ſuchen, ob
Illuſion, Maſſenſuggeſtion oder Geſchicklichteit. Der Beifall war
natürlich dem Erfolg entſprechend. Bellachini ſollte es nicht unterlaſſen,
ſich öfter zu zeigen! Wer für wenige Stunden ſich aus den drückenden
Sorgen des geſchäftigen Alltags und des Dollarkurſes retten will,
ſollte die Vorſtellung beſuchen. Ein näheres Eingehen auf das reich=
haltige
Programm, aus dem wir nur weniges brachten, iſt aus Mangel
an Raum nicht möglich. Wir werden gebeten, mitzuteilen, daß
Herr Kapellmeiſter Weber die muſikaliſche Leitung übernommen habe
und daß die Karten wegen des großen Andranges an der Abendkaſſe
im Laufe des Tages in der Muſikalienhandlung Arnold, Wilhel=
minenſtraße
9, zu haben ſind.
Lokale Veranftaltungen.
Die hierunfer erſchelnenden Notizen ſind ausſchfießlich als Hinweiſe auf Anteigen zu betrachien,
in leinem Falle irgendwie als Beſprechung oder Krick.
e. v. Bodelſchwingh und ſein Lebenswerk wird
heute Vormittag um 11 Uhr für Altpenſionäre, Kleinrentner und ſolche,
koſtenlos vorgeführt, die nicht in der Lage ſind, den Eintrittspreis von
einer halben Million zahlen zu können. Von Nachmittag 2 Uhr bis
Abends 5 Uhr ſind fortlaufende Schülervorſtellungen, ebenſo am Montag
Nachmitag. Für Erwachſene findet je ein Vortrag am Sonntag und
Montag um 8½ Uhr ſtatt. Dauer etwa 2 Stunden. Karten ſind noch
in den bekannten Vorverkaufsſtellen zu haben. Sämtliche Veranſtaltun=
gen
finden im großen Saal der Stadtmiſſion, Mühlſtraße 24, ſtatt.
Die Promenadenmufik im Herrngarten hat
folgende Vortragsordnung: 1. Choral Valet will ich dir ſagen;
2. Duvertüre zu Pique Dame‟, Fr. v. Suppé; 3. Volksſzene aus
Evangelimann von W. Kienzl; 4. Menuett von L. v. Beethoven;
5. Tanz der Bajaderen von G. Chriſten; 6. Morgenblätter, Walzer, von
Joh. Strauß, u. a. m.

Skilauf im Film.
Sportliche und techniſche Leiſtungen.
Das breite Publikum nicht nur, ſondern auch der größte Teil
der Durchſchnittsſportleute werden niemals ganz in der Lage ſein, den
wahren Wert eines erſtklaſſigen Sportfilms ganz zu würdigen, wie
es der Film Fuchsjagd durch Engadin (zweiter Teil des Films Die
Wunder des Schneeſchuhs) iſt. Ja, das Publikum ſoll gar nicht das
Empfinden haben, daß jene herrlichen Sprünge der Norweger an der Monatskalender des Vereins für Aquarien= und
Julierſchanze, die ſteilen Schußfahrten Schneiders über kaum noch be=
fahrene
Hänge, die Schwungfahrten im Gletſchergebiet Leiſtungen ſind,
bei denen den Regiſſeur die Angſt vor ſchweren Unglücksfällen niemals
ganz verließ. Würde ihm das doch die Freude und Harmloſigkeit dem
Film gegenüber rauben.
Wie ſehr gerade die beſten Sportsleute nach immer größerer Voll=
kommenheit
des Sportfilms ſtreben, beweiſt am beſten die Tatſache,
daß für den zweiten Teil des Schneeſchuhfilms die großen Norweger
in erſter Linie deshalb verpflichtet wurden, weil die deutſchen Meiſter
Baader und Schneider erklärten, ohne Wiedergabe der muſterhaften
norwegiſchen Sprungtechnik könne der Film keinen Anſpruch darauf
machen, den Skiſport repräſentativ zu vertreten. Die praktiſche Zu=
ſammeuarbeit
hat dann gezeigt, daß in der Tat die Deutſchen von den
Norges ſehr viel für den Sprung zu lernen haben, daß aber die

Runſk und Reramik
Heinz Heberer
Darmſtadt
Luiſenplatz
eröffner die neuen Räume
Sonntag,
16. September
1923
vormittags IIUhr

Norweger ebenſo viel von ihren deutſchen Sportskollegen im Gelände=
lauf
lernen können. Sicher aber iſt: der Film erhält ſeinen ſport=
lichen
Wert dadurch, daß er eben die fabelhaften Sprünge eines Carlſen
und Helland neben der meiſterhaften Fahrtechnik eines Schneiders und
Schneebergers zeigt.
Hier muß darauf hingewieſen werden, welche nicht zu über=
ſchätzende
Dienſte die Zeitlupe dem Sportfilm leiſtet. Bewegungs=
phänomene
, wie die Sprünge der Norweger, von denen jeder einzelne
in ſeiner Art einzig iſt und nie wiederkehrt, können nur mit dieſem
Wunderapparat der Mit= und Nachwelt erhalten werden. Man wird
binnen kurzem feſtſtellen können, welchen entſcheidenden Einfluß die
Exiſtenz dieſer Aufnahmen im Wunder des Schneeſchuhs auf die
Entwicklung der deutſchen Sprungtechnik ausübt.
Erfordert der Sportfilm einerſeits höchſte ſportliche Meiſterſchaft,
ſo muß der Darſteller darüber hinaus es verſtehen, ſich den Bedingun=
gen
der Aufnahmetechnik anzupaſſen. Man bedenke nur einmal, wie
ſchwierig es für einen Skiläufer iſt, auf kilometerlanger Fahrt durch
ein Gelände, das in keiner Weiſe markiert werden darf, um die Jung=
fräulichkeit
der unberührten Schneeflache nicht zu zerſtören, ſich ſo genau
innerhalb der durch den Apparat bedingten räumlichen Grenzen zu
halten, daß er nicht ein einziges mal aus der Bildfläche verſchwindet.
Unerreicht in dieſer Fahrdiſziplin iſt Schneider, der die ſchwierigſten
Abfahrten nach einem Plan lief, der ungefähr folgenden Inhalt hatte:
Linke Bildgrenze: die Verlängerung eines von oben kommenden
Schattenkeils zum Apparat. Rechte Bildgrenze die fiktive Linie zwiſchen
einem Felſen und einer beſtimmten Tanne. Erſter Schwung rechts
zwei Meter vor dieſer Tanne, zweiter Schwung links zwiſchen dieſer
Tanne und einer Einſenkung, dann 50 Meter ſcharf an der Schatten=
grenze
entlang, dann Kehrſchwung links, Schußfahrt auf den Felſen
los, drei Meter vor ihm abſtoppen, Umſprung in der Richtung auf
den Apparat. Sechs Meter vor dem Apparat abſtoppen, haſtig nach
den Verfolgern umſehen und ſchnell ab, rechts einen Zentimeter am
Stativ vorbei, ohne den Operateur zu ſtreifen. Die Verfolger laufen
nach einem ähnlich feſtgelegten, wenn auch nicht ſo ſchwierigen Plan.
Nun muß man bedenken, daß ſo präziſes Programmfahren an
ſich ſchon eine Meiſterleiſtung iſt. Es kommt aber noch hinzu, daß die
Gebrauchsanweiſung vom Standort des Apparates aus gegeben wird,
während ſich die Sache vom Ausgangspunkt des Läufers oben auf dem
Hang ganz anders ausnimmt. Es ſtellt eine beträchtliche geiſtige
Leiſtung des Läufers dar, wenn er während des Aufſtiegs ſich ein an=
nehmbares
Kompromiß zuſammenzimmert zwiſchen dem, was man
von ihm verlangt, und jenem, das ſich als möglich erweiſt. Die ver=
einbarten
Erkennungszeichen folgen zudem bei der Schußfahrt ſo ſchnell
aufeinander, daß oft Bruchteile einer Sekunde zu Entſchluß und Tat
ausreichen müſſen. In raſender Fahrt geht es z. B. auf jenen Mar=
kierungsfelſen
zu, zehn Meter vor ihm wird der Chriſtiania angeſetzt,
zwei Meter vor dem ſicheren Zerſchellen ſtehen die Skier mit unfehl=
barer
Sicherheit quer zur Fahrtrichtung, faſt ſchon im Halten werden
ſie in vollendetem Umſprung einen Meter hoch emporgeriſſen, und nun
geht es in ſteiler Schußfahrt direkt auf den Apparat zu, daß der Schnee
in langer Fahne aufſtäubt. Dreißig Meter vor dem Stativ (das iſt
eine Sekunde Fahrt) ſtäubt plötzlich eine rieſige Schneewolke auf, den
Läufer für kurze Zeit verhüllend dann ſteht Schneider genau ſechs
Meter vor dem Apparat, mit der Skiſpitze keine 20 Zentimeter von
dem kleinen Schneeball entfernt, der die äußerſte Näherungsgrenze
markiert.
Arnold Franck.
Kunffnotizen.
Ueber Werte, Künffler und künffleriſche Veranſfaltungen, deren im Nachſiehenden Erwähnung
geſchleht, behäſt ſich die Redaltion ihr Urtel vor.
Palaſt=Lichtſpiele. Vom 17. bis 20. wird im Palaſt=
Theater der große Monumentalfilm Samſon und Delila vorgeführt
werden. Dieſer Film gibt unter der Regie von Alexander Corda den
Roman einer berühmten Opernſängerin, die in der Oper Samſon
und Delila die Rolle der Delila zu verkörpern hat. Die Schilderung
eines alten Rabbis machen in ihr die Bilder des bibliſchen Dramas
lebendig. Nach erfolgreicher Premiere wird die große Diva durch den
Lauf der Handlung in die Lage gebracht, das ſoeben auf der Bühne
verkörperte Delila=Spiel im Leben zu erproben. Hier aber findet ſie
in gefahrvoller Lage auf einer Yacht, die jeden Augenblick in die Luft
geſprengt werden ſoll, ihren Meiſter. Die atemraubende Handlung
gibt Maria Corda, der großen Charakterdarſtellerin, den Anlaß zur
vollen Entfaltung ihres bezaubernden Könnens. In der bibliſchen
Epiſode ſteht Alfredo Galaor als Samſon an ihrer Seite.

Aus den Parteien.
Demokratiſche Jugendgruppe. In der Demokratiſchen
Jugendgruppe ſpricht am nächſten Mittwoch, den 19. September, Herr
Rektor Reiber. Das Thema wird am Abend bekannt gegeben. Alle
Jugendfreunde werden erwartet. Die Parteimitglieder jind hierzu
freundlichſt eingeladen.
Terrarienkunde Hottenia‟=Darmſtadt.
Mit Anfang September iſt die Zuchtperiode zu Ende, da die Jung=
ſiſche
infolge der kürzer und kühler werdenden Tage ſchwer aufzuziehen
ſind, auch geht das Naturfutter für die Jungfiſche zu Ende, und iſt die
Aufzucht derſelben um ſo ſchwieriger. Da ferner die Zuchttiere durch das
mehrmalige Ablaichen während des Sommers bereits geſchwächt ſind
würde man nur Kümmerlinge züchten, die während des Winters faſt
kein Wachstum zeigen und leicht eingehen. An den manchmal im Sep=
tember
auftretenden heißen Tagen verhindere man etwaige Laichgelüſte
durch Trennung der Paare. Eine Ausnahme bilden natürlich die lebend=
gebährenden
Zahnkarpfen, deren Laichgeſchäft an keine Jahreszeit ge=
bunden
iſt. Sinkt in den Nächten die Temperatur ſehr, ſo muß die Hei=
zung
in Betrieb geſetzt werden, da die Jungfiſche ſehr empfindlich gegen
Temperaturſchwankungen ſind. Bei den meiſten Liebhabern wird wohl
die künſtliche Heizung aus Sparſamkeitsrückſichten fehlen. In ſolchen
Fällen muß der Aquarienfreund, wie er es auch im Vorjahre getan, ſeine
Pfleglinge in der geheizten Küche unterbringen.
Die Pflanzen haben nun ihr Wachstum zum größten Teil beendet,
und iſt an vielen Arten ſchon das Abſterben zu beobachten. Die Riccia
iſt zwar eine einjährige Pflanze, ſie hält aber in warmſtehenden Aqua=
rien
auch während des Winters aus. Für Zucht=Aquarien iſt die Riccia
eine ſehr empfehlenswerte Pflanze; ihr iſt vor allen anderen Schwimm=
pflanzen
wie Azolla, Lemnua=Arten und dergleichen der Vorzug zu ge=
ben
. Deshalb ſollte es ſich jeder Züchter angelegen ſein laſſen, ſich die
Aiccia dauernd zu erhalten. Wer ſeine Fiſche bisher nur mit lebendem
Futter aus Teichen gefüttert haben ſollte, muß es ſich jetzt angelegen
ſein laſſen, dieſelben auch an rohes, geſchabtes Fleiſch, Regenwürmer
(ſchnell abgetötet und klein zerhackt) und auch an die beliebten Enchy=
träen
zu geröhnen. Eine neue Laichabgabe kommt jetzt im Aquarium
nur noch felten vor. Dieſe junge Nachzucht aber aufzubringen, erfor=
dert
viel, viel Mühe. Der Fall kann aber eintreten. Sind es wertvolle
Tiere, die ſich jetzt erſt zum Ablaichen bequemen, ſo iſt lebendes Futter
aus den Teichen nur ſehr ſchwer zu beſchaffen; die Brut muß dann
mit gehackten Enchyträen oder Regenwürmern, oder auch mit geſchabtem
Fleiſch aufgezogen werden. Mehrfach wurden auch ſchon durch Ein=
gießen
mehrer Tropfen guter Milch ſchöne Erfolge erzielt.
Der Beſitzer von Seewaſſer=Aquarien kann, falls nun kühle Wit=
terung
einſetzt, bereits daran denken, das im Sommer eingegangene zu
erſetzen, da der Verſand von Seetieren wieder in größerem Maßſtabe
aufgenommen wird.
Der Terrarienfreund hat jetzt noch für die Schlangen und andere
größere Reptilien fleißig Winterfutter einzufangen; noch bietet ſich Ge=
legenheit
, einen größeren Vorrat von Eidechſen, Blindſchleichen und
Fröſchen zu beſchaffen. Da die Fliegen zu Ende gehen, müſſen Laub=
fröſche
und Chamäleons an Mehlwürmer gewöhnt werden. Die Ter=
rarien
mit exotiſchen Tieren müſſen bei kühler Witterung geheizt werden.
Wer der Natur folgen will, denke auch allmählich an die Inſtandſetzung
der Ueberwinterungskäſten. Der Winterſchlaf iſt jedenfalls trifft dies
nach den gemachten Erfahrungen bei allen Amphibien und Reptilien der
kaiten und der gemäßigten Zone zu das natürlichſte und das rat=
ſamſte
.
(Mitgeteilt vom Verein für Aquarien= und Terrarienkunde Hot=
tonia‟
=Darmſtadt. Austauſch von Erfahrungen und Beobachtungen jeden
erſten und dritten Samstag im Monat im Vereinslokal Heſſiſcher Hof,
Wilhelminenſtraße 1, abends 8 Uhr. Reichhaltige Bibliothek und Präpa=
ratenſammlung
vorhanden. Gäſte ſtets willkommen.)
P. K.

O Heppenheim, 15. Sept. Erhöhte Hundeſteuer. Wi
überall in den Orten des Kreiſes ſo nehmen auch hier die Hundehalter
immer mehr überhand. Der hieſige Gemeinderat hat ſich deshalb ver=
anlaßt
geſehen, die Hundeſteuer wie folgt für das zweite Halbjahr 1933
zu erhöhen: Für den 1. Hund 5 Millionen, für den 2. 10 Millionen, für
den 3. und jeden weiteren auf 15 Millionen Mark. Die Zahlung hat
längſtens bis 1. Okt. d. J. zu geſchehen. Nach dieſem Zahlungstermin
iſt für jeden Monat das Doppelte zu bezahlen,
O Aus dem Kreiſe Heppenheim, 15. Sept. Weitere unge=
heuve
Milchpyeiserhöhung wurde wieder vorgenomment
Nachdem vor kaum drei Wochen dieſe noch 40 000 Mark pro Liter koſtete,
wurde der Preis kurz nacheinander auf 80 000, 180000 560 000, und
dieſer Tage ſogar auf 1,4 Mill. Mk. erhöht, bei den Händlern auf 1,8
Mill. Mk. Horrende Obſtpreiſe. Bei den kürzlich vorgenom=
menen
Obſtverſteigerungen an den Kreisſtraßen wurden ganz fabelhafte
Preiſe erzielt. Manche Loſe kamen auf mehr als 100 Millionen. Stei=
gerer
waren meiſtens Leute aus dem Arbeiterſtande.
7) Von der Bergſtraße, 15. Sept. Obſtbaumplünderungen.
Die Plünderungen von Obſtbäumen, die ſchon ſeit der Kirſchenernte ge=
trieben
werden, nehmen einen immer größeren Umfang an. So wurde
einem Kriegsinvaliden in Großſachſen neuerdings ein reichbehangener
Pfirſichbaum vollſtändig geleert. Der Schaden geht in die Millionen.
h. Von der Bergſtraße, 13. Sept. Von nächſtem Montag ab koſtet
der Laib Markenbrot (1800 Gr.) 1 750 000 Mk. im Kreie Bens=
heim
. Die Bäcker=Zwangsinnung des Kreiſes Bensheim hat folgende
Preiſe mit ſofortiger Wirkung feſtgeſetzt. Es koſten: 1 Brötchen 400 000
Mk. 1 Weißſtolle 4 Mill., 1 Kornbrot 65proz., 10 Mill., 1 Brot, 85proz.,
8 Mill., 1 Pfund Brot zu backen 100 000 Mk., 1 Obſtkuchen zu backen
250 000 Mk. Die Weinberge in den Gemarkungen Zwingenberg,
Auerbach und Bensheim ſind geſchloſſen und ſind für nötige Arbeiten
nur Dienstags und Freitags geöffnet. Bei dem ſehr günſtigen Wetter
entwickeln ſich die Trauben in prächtiger Weiſe. In dem benachbarten
Reichenbach iſt die Maul= und Klauenſeuche ausgebrochen. Ge=
markungsſperre
iſt über den Ort verhängt.
Erbach i. O., 12. Sept. Die außerordentlichen Verhältniſſe unſe=
rer
Zeit bringen es mit ſich daß hie und da mehr oder minder wilde
Gerüchte über politiſche Ereigniſſe u. a. über Anſchläge
auf die Reichsregierung oder auf die eine oder andere leitende Perſönlich=
keit
auſtauchen und verbreitet werden. Meiſt werden derartige Gerüchte,
die durchaus der Wahrheit entbehren, von gewiſſenloſen Leuten ausge=
ſtreut
und genährt, die in irgend einer Weiſe für ſich oder die von ihnen
vertretenen Beſtrebungen trüber Art Vorteile aus der Beunruhigung
zu ziehen glauben, die jene Gerüchte naturnotwendig im Gefolge haben
müſſen. 6s kann nicht dringend genug davor gewarnt werden, allen Ge=
rüchten
, die nicht verbürgt ſind, mit größtem Mißtrauen Glauben, zu
ſchenken. Bei der heutigen Entwicklung des Preſſeweſens und der Be=
ſchleunigung
der Nachrichtenübermittelung iſt mit höchſter Wahrſchein=
lichkeit
anzunehmen, daß alle Nachrichten, die nicht auf dem ſchnellſten
Wege durch die Preſſe beſtätigt werden, leere und unbegründete Gerüchte
ſind, denen kein Glauben beizumeſſen iſt. Leider gibt es noch allzu=
viele
gewiſſenloſe Leute, die aus den unſicheren Zeiten ſich noch einen
beſonderen Vorteil zu verſchaffen ſuchen. Am vergangenen Sonntag
kehrte eine Schar Mannheimer Wanderer in einem bekannten Städtchen
des Odenwaldes ein, um eine Taſſe Kaffee zu ſich zu nehmen. Aufs un=
angenehmſte
überraſcht waren die Wanderer, als man ihnen für die
Taſſe Kaffee nicht weniger als 800 000 Mark abverlangte, während bei=
ſpielsweiſe
in Mannheim für eine Taſſe Kaffee nur 300 000 Mark gefor=
dert
wurden. Schnell entſchloſſen begaben ſich die Wanderer zur Gen=
darmerie
, die alsbald Anzeige wegen Wuchers erſtattete. Die nehmefreu=
digen
Wirtsleute ſehen nunmehr der gerechten Beſtrafung entgegen, die
ein abſchreckendes Beiſpiel für alle die ſein mag, die glauben, ihre Mit=
menſchen
wucheriſch ſchädigen zu dürfen.
Aus Oberhefſen, 13. Sept. Gegen das flegelhafte Be=
tragen
gewiſſer Wanderer will das Kreisamt Gießen jetzt
nachdrücklich einſchreiten. Es macht im neueſten Amtsverkündigungs=
blatt
bekannt, von ſeiten der Bevölkerung, werde vielfach mit Recht
darüber Klage geführt, daß von einem Teil Wandervögel grober Unfug
verübt, das Publikum auf den Bahnhöfen und in den Zügen beläſtigt
wird, unanſtändige Lieder geſungen werden, in den Wäldern Hütten,
Wegweiſer, Markierungen mutwillig zerſtört oder beſeitigt werden und
manche Wanderer ſich nicht ſcheuen, unmittelbar an belebten Wegen
Luft= und Sonnenbäder vder Flußbäder zu nehmen. Um dieſem Un=
fug
ein Ende zu machen, hat das Kreisamt den Polizeiorganen und der
Gendarmerie aufgegeben, gegen ſolche Ausſchreitungen und Beläſtigun=
gen
des Publikums energiſch und ohne jede Rückſicht vorzugehen. Wie
das Kreisamt in ſeiner Bekanntmachung noch betont, haben die
Jugendbewegung und die in ihr ſtehenden Jugendvereine bereits in
energiſcher Weiſe die Bekämpfung der Wanderuſitten betrieben.

[ ][  ][ ]

Rummer 256.

Darmſtädter Tagblatt, Sonutag, den 16. September 1923.

Seite 5.

Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Zudem Verbrechen im Perſonenzug, dem der Direktor
Krehßig zum Opfer gefallen iſt, wird mitgeteilt, daß in dieſem Falle die
unausgeſetzten Nachforſchungen der Kriminalpolizei noch keine greifbare
Spur zutage gefürdert haben. Im Gegenſatz zu den drei anderen Ver=
brechen
fließen hier die Mitteilungen aus dem Publikum nur ſehr ſpär=
lich
. Die Ruths Wärmeſpeicher A.=G., deren Direktor der Ermordete
war, hat auf die Ergreifung der Verbrecher eine Belohnung von 500 Mil=
lionen
Mark ausgeſetzt. Die Eiſenbahndirektion, die Plakate zur Auf=
findung
des Verbrechers anſchlagen läßt, hat ihre Belohnung jetzt auf
150 Millionen erhöht. Die Geſamtbelohnung beträgt alſo 650 Millionen
Mark und wird wertbeſtändig zugeſichert. Die Leiche des Ermordeten
wird im Laufe des heutigen Freitags obduziert werden. Mitteilungen
irgendwelcher Art, die zur Aufklärung dienen können, werden an die
Kriminalkommiſſare Dr. Riemann und Dräger im Zimmer 83a des
Polizeipräſidiums dringend erbeten.
Eine Abteilung der berühmten Weddingkolonne ſtand in
dem Schmied Hermann Trieloff, dem Schloſſer Mathias Girms, dem
Friſeur Adolf Groſciel und der Frau Liesbeth Zipter vor dem Schöffen=
gericht
Berlin=Mitte. Seit mehr als Jahresfriſt wurde ein größerer
Teil der Berliner Gemeindeſchulen durch nächtliche Einbrüche heim=
geſucht
. In einer Schule wurde nicht weniger als 16 mal eingebrochen.
Endlich gelang es am 9. März d. J., die drei erſten Angeklagten auf
friſcher Tat zu ertappen. Man fand bei ihnen ein ganzes Warenlager
von Sachen, die die Rektoren als aus den Schulen zuſammengeſtohlen
bezeichneten. Die Diebe hatten in vandaliſcher Weiſe in den Schulen
gehauſt. Sie hatten ſich nicht bloß mit den Diebſtählen begnügt, ſon=
dern
auch rückſichtslos alles, was irgendwie erreichbar war, zerſtört.
Mit Rückſicht auf die Gemeingefährlichkeit und den Vandalismus hielt
Amtsgerichtsrat Neumann eine ſehr ſchwere Strafe für notwendig.
Trieloff und Groſciel erhielten je drei Jahre Zuchthaus, Girms zwei
Jahre Zuchthaus, außerdem wurden allen dreien die bürgerlichen
Ehrenrechte auf fünf Jahre aberkannt. Frau Zipter erhielt wegen
Hehlerei vier Monate Gefängnis.
Ein Milliardendiebſtahl iſt mit ungewöhnlicher Dreiſtig=
keit
auf dem Packhof des Zollamtes am Lehrter Bahnhof verübt wor=
den
. Dort lagerten u. a. in dem Gebäude an der Moltkebrücke große
Mengen Talg, der nur für techniſche Zwecke verwendbar iſt, in Fäſſern
von je 5 Zentnern. Davon ſind 22 Fäſſer mit 110 Zentnern verſchwun=
den
. Man hatte keine Erkärung dafür, bis ein Kutſcher angehalten
wurde, der gerade eine Anzahl Fäſſer abrollte. Jetzt zeigte ſich, daß
er die fünfte Fuhre geſtohlenen Talg abholte. Mitglieder einer noch
unbekannten Bande hatten jedesmal irgendeinen Kutſcher, den ſie mit
leerem Wagen auf der Straße trafen, angeſprochen, und ſie erſucht, raſch
eine Gelegenheitsfuhre für ſie zu machen. Der unbekannte Auftraggeber
gab dem ahnungsloſen Kutſcher, der in gutem Glauben handelte und
ſich einen Nebenverdienſt verſchaffen wollte, jedesmal die Weiſung, vom
Hofe einſtweilen hinauszufahren. Er habe noch etwas zu beſorgen,
werde auf der Straße zu ihm kommen und ihm das Ziel angeben. Be=
vor
der Mann erſchien, wurde der zuletzt von ihm gemietete Kutſcher an=
gehalten
. Jetzt ließ ſich der Auftraggeber, der das Mißgeſchick wahr=
genommen
haben muß, nicht mehr ſehen. Wo der geſtohlene Talg der
früheren Fuhren geblieben iſt, weiß man noch nicht. Die Kriminalpolizei
vermutet, daß er irgendwo in einem größern Lagerraum einer Spedition
oder dergleichen einſtweilen untergeſtellt worden iſt. Die Fäſſer, deren
Boden grüngelb geſtrichen iſt, tragen die Aufchrift Weddel u. Co.,
Buenos=Aires.
Der lange Arm der Gerechtigkeit.
* Aus München wird von einem Fall berichtet, bei dem nach
12 Jahren ein Mann wegen eines Mordes, den er begangen haben ſoll,
verhaftet wurde. Der Arm der Gerechtigkeit reicht aber noch weiter
zurück, und erſt kürzlich wurde in Lancaſhire ein Arbeiter wegen eines
Mordes verurteilt, den er 31 Jahre vorher begangen hatte. Solcher
dramatiſcher Vorgänge, bei denen noch nach Jahrzehnten Die Sonne
es an den Tag brachte, weiß die Kriminalgeſchichte gar manche zu er=
zählen
. Vor wenigen Jahren wurde in Sydney in Neu=Süd=Wales
einer der angeſehenſten und reichſten Bürger unter der Anklage eines
Mordes verhaftet, der 50 Jahre zurücklag. So lange man ſich erinnern
konnte, war der Verhaftete, Mr. John, das Muſter eines frommen
und ehrlichen Mannes geweſen. Da traf ihn eines Tages auf der
Straße ein alter Bergarbeiter, Jim Harker, und erkannte in ihm den
Mann, der vor 50 Jahren ſeinen beſten Freund auf dem Goldgräberfeld
von Ballarat ermordet und um große Mengen Goldſtaub beraubt hatte.
Harker meldete die Sache der Polizei, und ſo wurde John als Mörder
verhaftet. Am nächſten Morgen fand man ihn tot in ſeiner Zelle. Noch
aufregender iſt die Geſchichte von John Plane, der in ſeiner Jugend
einen Mann in ſeinem Heimatdorf im Departement der Haute Marne
erdolchte. Er floh nach Paris, wurde unter falſchem Namen Journaliſt,
ſtudierte Jura und brachte es ſchließlich zum Richter. Einige Dutzend
Jahre ſpäter leitete er einen Mordprozeß in Lyon, als ein bejahrter
Zeuge vernommen wurde. Als dieſer dem Richter gegenüberſtand, ſah
er ihn eine Zeitlang ſtarr an, richtete dann ſeinen anklagenden Finger
gegen den Richter und rief: Jean Planc! Leichenblaß und vor Auf=
regung
zitternd, ſchrie er: Das iſt der Mann, der vor mehr als 40
Jahren meinen Bruder ermordete! Alle Augen wandten ſich auf den
Richter, aus dem ein Angeklagter geworden war und der ſtarr vor
Schrecken daſaß. Dann ſprang er von ſeinem Sitz und ſtürzte hinaus.
Wenige Minuten ſpäter hörte man einen Schuß und fand ihn tot in
ſeinem Zimmer. In ſeiner linken Hand hielt er einen Papierfetzen, auf
dem mit Bleiſtift gekritzelt war: Mein Schickſal hat mch ereilt. Ich er=
ſcheine
vor einem höheren Richter. In einem ſüdafrikaniſchen Gefäng=
nis
ſühnt ein Mann ein Verbrechen, das er 45 Jahre früher und 10 000
Kilometer entfernt beging. Im Jahre 1878 war Alexander Beamter
einer ſchottiſchen Bank, geriet in Spielerkreiſe und unterſchlug, um ſeine
Schulden zu bezahlen, 8000 Pfund. Er floh, und ſeitdem war jede Spur
von ihm verwiſcht, bis ihn nach 45 Jahren ein früherer Polizeibeamter
in Johannesburg wieder erkannte. Der Schotte hatte ein abenteuer=
liches
Leben geführt, war Cowboy in Arizona, Holzfäller in Kanada,
Bamter auf der auſtraliſchen Eiſenbahn geweſen und hatte ſchließlich in
Transvaal in den Goldgruben ein großes Vermögen erworben. Bei
ſeiner Verhaftung war er einer der reichſten und angeſehendſten Leute
in Süd=Afrika.
Der gleiche Tod durch drei Generationen.
Vor einigen Jahren machte der italieniſche Gutsbeſitzer Osvaldo
Tommaſſini aus Val=Trabaglia ſeinem Leben gewaltſam ein Ende,
indem er ſich von dem Gipfel eines hohen Felſens in die Tiefe ſtürzte.
Als ſich der Tag dieſes Ereigniſſes jährte, erklomm ſein Sohn den=
ſelben
Felſen und ſuchte und fand auf gleiche Weiſe den Tod. Als nun
vor kurzem, wie aus Rom gemeldet wird, der Sohn und Enkel der
beiden Lebensmüden zu dem verhängnisvollen Gipfel kletterte, um hier
das Andenken ſeiner Väter durch Niederlegung einiger Blumen zu
ehren, glitt er aus und verſchwand in dem Abgrund.
Die Warnung des heiligen Berges.
Eine Nummer des Japan Advertiſer vom 28. Juli, die in dieſen
Tagen in Paris eingetroffen iſt, macht folgende intereſſante Mitteilung:
Ein ſtarker Niedergang des Waſſerſtandes iſt in den letzten Tagen in
den fünf kleinen Seen, die am Fuße des Berges Fuji gelegen ſind,
eingetreten. Dieſer Niedergang hat in der ganzen Gegend einen ge=
wiſſen
Alarm hervorgerufen, da man ihn als ein Vorzeichen für ein
bevorſtehendes ſchweres Erdbeben anſieht. Jedesmal, wenn in der
Vergangenheit ein derartiger Niedergang eintrat, folgte ein Erdbeben.

Ai ainfere Poſtadonnenten WOtdor und Lund.
Der Bezugspreis für die zweite Hälfte des Monats
September wurde auf 6 Millionen Mark feſtgeſetzt.
Die Poſt hat für die
Nacherhebung von Zeitungsbezugsgeldern
für Monat September eine neue Regelung eingeführt und
zwar geſchieht dieſe im Wege des Poſtnachnahmeverfahrens.
Wir bitten unſere Bezieher, den Betrag bereit zu halten,
die Nachnahme wird zwiſchen Montag und Donnerstag
vorgezeigt.
Wer die Einlöſung der Nachnahme verweigert, wird
aus den Bezieherliſten geſtrichen. Soll keine Unterbrech=
ung
im Bezug der Zeitung eintreten, ſo muß die Nach=
nahme
eingelöſt werden. Die Verweigerung der Zahlung
gilt als Abbeſtellung und iſt in dieſem Falle für die erſte
Monatshälfte noch eine Nachzahlung von 2225 000 Mk.
auf unſer Poſtſcheckkonto Frankfurt a. M. 1301 einzuzahlen.
Der Verlag des Darmſtädter Tagblatt.
7567)

Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Spielabteilung Union T. G. B. gegen S. C. Olympia=Lorſch.
(Kreisligamannſchaften.)
Mit dieſem Treffen eröffnet die Kreisligamannſchaft der Spielabtei=
lung
Union heute nachmittag 3 Uhr, auf dem Sportplatz an der Hei=
delbergerſtraße
, ihre Verbandsſpiele. S. C. Olympia=Lorſch iſt ein al=
ter
Bekannter Unions, die beide ſtets um die Siegespalme rangen.
Erſt vergangenes Jahr lieferten ſich beide Mannſchaften ganz hart=
näckige
Qualifikationsſpiele. Es ſei nur an das Spiel in Bensheim er=
innert
, das nach einer Spielzeit von 120 Minuten wegen Dunkelheit
abgebrochen werden mußte und an einem anderen Tag fortgeſetzt wurde.
Kürzlich war dem Darmſtädter Sportpublikum die Gelegenheit geboten,
die ſympathiſchen Lorſcher gegen die hieſigen V. f. R. zu ſehen. Es gibt
wenig Mannſchaften, die ſich ſo raſch den Anhang der Zuſchauer erwer=
ben
, wie Olympia‟. Durch ihr friſches, ungekünſteltes Spiel erwerben
ſie ſich Sympathie. Die Mannſchaft pflegt ein raſches Paßſpiel, und
hierin ſind ganz beſonders die beiden Flügel vorbildlich. Fur Union
heißt es einen guten Anfang machen und alles herausgeben. Ein jeder
muß ſeinen Mann ſtellen, denn es geht um die Ehre des Vereins.
Union hat es fertig gebracht, ſich in der kurzen Zeit ihres Beſtehens
die Ligazugehörigkeit zu erwerben. Dies zeugte von dem feſten Willen
und dem Geiſt der in den Spielern ſteckte. Hoffen wir, daß dieſe Einig=
keit
, wie ſie beſtand, auch fernerhin der Spielabteilung Union zu eigen
bleibt, und daß, wenn es gilt, alles auf ſeinem Platze iſt, und das
ausgeſchaltet wird, was nicht zum Wohle unſerer Jugend, der Volks=
geſundheit
und unſeres Fußballſports beiträgt. Da die beiden anderen
Darmſtädter Kreisligavereine ihre heutigen Verbandsſpiele auswärts
austragen, iſt einem jeden Anhänger unſeres Sportes die Gelegenheit
geboten, ſich dieſes Ligatreffen anzuſehen. Die Ligaerſatzmannſchaft be=
gibt
ſich zu Sportverein 98, um ebenfalls ihr erſtes Verbandsſpiel zu
abſolpieren.
plat.
Viktoria=Griesheim Vgg. Amicitia 09=Viernheim.
Qualifikationsſpiel um den Aufſtieg, zur Kreis=
Liga.
Die Kreisliga des Odenwaldkreiſes, die 10 Vereine umfaßt und die
die hieſigen Vereine: Sportv. 98, Verein f. Raſenſpiele, Spielabt.
Union der Turngemeinde Beſſungen, ferner Germania 03= Pfung=
ſtadt
, F.V. Weinheim, Olympia=Lorſch, VfR. Bürſtadt und Sppgg
Sandhofen zugeteilt ſind, iſt noch nicht vollſtändig, weshalb ſich 5 A=
Vereine zurzeit für die zwei reſtlichen Plätze qualifizieren. Dieſe haben
bisher 23 Spiele ausgetragen und ſich wie folgt plaziert:
Spiele gew. verl. unent. Punkte

F. V. Hofheim
Olympia Lampertheim
Sportvgg. Arheilgen
Amicitia Viernheim
Viktoria Griesheim

Die Qualifikationsſpiele nehmen heute ihren Fortgang. Auf dem
Platze des VfR. (Exerzierplatz) ſtehen ſich nachmittags Viktoria= Gries=
heim
und Vgg. Amicitia=Viernheim gegenüber. Beide werden beſtrebt
ſein, ſich von ihren Plätzen am Tabellenende zu entfernen. Nach den
letzten Reſultaten (HofheimGriesheim 0:0, ViernheimHofheim 1:2),
iſt eine Vorausſage des Sieges ſchwer. Wenn Griesheim jedoch mit
dem letztſonntäglich gezeigten Eifer an die Aufgabe herangeht, ſollte ihm
ein Sieg möglich ſein, zumal es ſich auf dem VfR.=Platz auf nicht unbe=
kanntem
Boden bewegt. Dem Spiel, dem ein Spiel der zweiten Mann=
ſchaften
des Sportv. 98 und VfR.=Darmſtadt vorausgeht, iſt ein recht
zahlreicher Beſuch zu wünſchen, zumal die Finanzen der bedrängten
Griesheimer eine Sanierung vertragen können.
A.H.
Eintracht‟, Darmſtadt. Auf dem Sportplatz am Finanzamt findet
heute vormittag das erſte A=Klaſſe=Meiſterſchaftsſpiel ſtatt. Die beiden
Gegner ſind die erſten Mannſchaften von F. V. Germania=Eberſtadt
und Eintracht‟=Darmſtadt. Eberſtadt befindet ſich, wie deſſen letzte Pri=
datſpielergebniſſe
beweiſen, zurzeit in Hochform, doch auch Eintracht hat
ſich ſeit den vorjährigen Verbandsſpielen verbeſſert. Spielbeginn:
10 Uhr.
H.

Nur mit Schaumpon mit dem schwarzen Kopf! Der Name
bürgt für die beste Wirkung bei absoluter Unschädlichkeit. Die-
verschiedenen
Zusätze, wie Ei, Teer, Kamille, Peru-Tannin uncss
Brennessel ermöglichen es jedem, sein Haar nach der Beschaffenheilg
ganz individuell zu behandeln, je nachdem es trocken oder fettig
blond oder braun ist. Beim Einkauf verlange man ausdrücklich
Schaumpon mit dem schwarzen Kopf und weise Nach-
ahmungen
zurück. Millionenfach bewährt. Uberall erhältlich.

Kraftfahren.
Krähbergrennen des H.A.C.
Der Heſſ. Automobilklub bringt ſoeben die Ausſchreibung für das
am 14. Oktober d. J. ſtattindende Krähbergrennen, offen für Automobile
und Motorräder heraus. Ausſchreibungen und Meldeformulare ſind von
dort zu beziehen. 1. Meldeſchluß: 3. Oktober, 2. Nachmeldeſchluß 10.
Oktober. Es ſtehen wertvolle Ehrenpreieſe in Ausſicht. Bei der Be=
liebtheit
dieſer alljährlichen Veranſtaltung dürfte auch in dieſem Jahre
wieder mit einem ſtarken Meldeergebnis zu rechnen ſein; zumal es die
letzte diesjährige Konkurrenz iſt.
Hocken.
Der Darmſtädter Hockehklub (Abteilung des Darmſtädter Schwimm=
klubs
Jungdeutſchland) hat den Uebungsbetrieb wieder aufgenommen.
Für die kommende Spielzeit ſind Wettſpiele gegen eine ganze Reihe erſt=
klaſſiger
Mannſchaften abgeſchloſſen. Uebungsſpiele: Mittwochs und
Samstag Nachmittags 4 Uhr. (Böllenfalltor.) Intreſſenten bitten wir
ſich dort einzufinden. Unere Mitglieder machen wir nochmals auf die
am Mittwoch, den 19. September, ſtattfindende Hauptverſammlung auf=
merkſam
. Näheres ſiehe Sporthaus Adelmann.

Vertreter: Aures & Co., Darmſtadt, Rundeturmſtraße 12.

Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(Für die Veröffentliſchungen umter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaltion keinerlei Ver=
antwortung
; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Umfange
der Einſender verantwortlſch.) Einfendungen, die nicht verwendei werden, fönnen nicht
zurückgeſandt, die Ablebnung nicht begründet werden.
Der Herr Obermeiſter (frühere Regimentsſchneider) L. war nichſt
glücklich beraten, als er den Weg der Flucht in die Oeffentlichkeit
betrat und ſeine Klagen über den Dank des Vaterlandes, unzu=
reichende
Verſorgung und ungenügende Arbeit des Verſorgungsamtes
als Eingeſandt anbrachte. Wenn er ſich einmal perſönlich an den
Leiter des Verſorgungsamtes gewandt hätte, würde er wohl beſſer
beraten worden ſein. Nun hat er ſich an das Hauptverſorgungsamt,
Kriegsminiſterium, Verſorgungsgericht und Reichsverſorgungsgericht,
an das Reichsarbeitsminiſterium, jetzt wiederum mit einer Berufung
gegen ſeine Umanerkennung nochmals an das Verſorgungsgericht und
zugleich mit ſeinem Eingeſandt an die Preſſe gewandt.
Jeder Einſichtige und Kenner von Verſorgungsverhältniſſen lieſt
ſchon aus ſeinem Artikel ohne weiteres ſofort heraus, daß bei dem
echten, alten pflichttreuen Bürger (Hausbeſitzer und Geſchäftsinhaber)
ſelbſt die Hauptſchuld an der ſeiner Anſicht nach ungenügenden Ver=
ſorgung
liegt. Für ferner Stehende behält ſich das Verſorgungsamt
vor, zur Erläuterung des Falles Einzelheiten mitzuteilen, ſobald die
am 15. September 1923 beim Hauptverſorgungsamt Frankfurt a. M.
angeforderten Akten dem hieſigen Amte zur Feſtſtellung der Daten
wieder einmal auf kurze Zeit zur Verfügung ſtehen.

Min aue
unſere Auftraggeber einſchließlich
Behörden.
Bei Aufgabe von Inſeraten jeglicher Art
muß ab heute der Betrag ſofort bezahlt werden. Rech=
nungserteilung
iſi uns infolge der ſtündlich weiterſchrei=
tenden
Geldentwertung nicht mehr möglich.
Die Darmſtädter Tageszeitungen
Darmſtädter Tagblatt
HeſſiſcheLandeszeitung -
Täglicher Anzeiger
Heſſiſcher Volksfreund

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Dingsda‟. Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
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11 Uhr: Promenadekonzert (Leitung: Hauske)
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Stammholzverſteigerung vorm. 10 Uhr auf der Bürgermeiſterei
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Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. Al. Fleiſchmann, ſämtlich in Darmſtadt.
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[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 16. September 1923.

Rummer 256.

Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
36)
(Nachdruck verboten.)
Herr Collin ſah auf ſeine Uhr und ſagte:
Wiſſen Sie, was wir uns aber jetzt wirklich verdient haben?
Meiner Anſicht nach ein ausgiebiges Frühſtück, und zwar ſo raſch
als möglich. Seit achtzehn Stunden habe ich nichts anderes
zu mir genommen als einen Abſinth. Ich bin ſo hungria wie
ein Wolf, und ich glaube, Sie können von ſich dasſelbe ſagen.
Mit der Toilette können wir uns ſpäter befaſſen.
Er reichte ihr den Arm und führte ſie in den Speiſeſaal des
Hotels, beſtellte ein veichliches Frühſtück und entſchuldigte ſich für
ein paar Augenblicke bei ihr.
Ich expediere unſere Botſchaft an Jaques lieber gleich, ſagte
er, und reſerviere uns Zimmer. Wollen Sie inzwiſchen etwas
zu leſen haben, ſo ſind hier die geſtrigen Zeitungen, die ich noch
aus dem Café de la Paix bei mir habe. Viel friſchere Neuig=
keiten
werden ſie hier auch nicht haben.
Er reichte ihr die Blätter und verſchwand.
Herr Collin war in ſeinem Leben ſelten erſtaunder geweſen
als in den Stunden, die ſeit dem Auftauchen dieſer jungen Dame
im Café de la Paix am vorhergehenden Tage verfloſſen waren.
Seit er vor ſechs Jahren den Staub Schwedens von ſeinen
Füßen geſchüttelt hatte, war ſein Leben voll von Ereianiſſen ge=
weſen
, aber es waren zumeiſt Ereigwiſſe, bei denen er ſelber die
Initiative ergriffen hatte und bei denen die handelnden Per=
ſonen
Männer geweſen waren. Die Frauen hatten eine ge=
ringeve
Rolle in ſeinem Leben geſpielt. Und die ihm der Zufall
oder das Schickſal jetzt in den Weg geführt hatte, war die ver=
wirrendſte
, die ihm noch begegnet war. Er konnte kaumm ſagen,
warum er ſich ihr zuliebe in Angelegenheiten gemengt hatte, die
ihn gar nichts angingen und ſich bemühte, Perſonen naszufüh=
ren
, die, wenn er ihr Glauben ſchenken durfte, die Luſt wie die
Macht hatten, ſich zu rächen. Apropos wer zum Teufel war
doch der Mann, den er in der Gare de Lyon geſehen hatte? Daß
er das Geſicht kannte, darauf konnte er einen Eid ablegen, aber
obgleich er dieſe Nacht die längſte Zeit damit verbracht hatte,
ſein von Natur vortreffliches Gedächtnis zu durchforſchen, war

es ihm doch nicht gelungen, den Namen zu finden, nach dem er
ſuchte. Das Mädchen ſelbſt vermied es nicht nur, irgendwelche
Aufſchlüſſe über ſich zu geben, ſondern hatte ihn überdies noch ge=
zwungen
, von jedem Verſuch, etwas herauszubekommen, abzu=
ſtehen
. Das war übrigens ganz im Einklang mit ihrem Charak=
ter
, wie ſie ihn gezeigt hatte. Hätte er eine Analyſe von ihr ent=
werfen
ſollen, ſie hätte gelautet: ſehr gute Erſcheinung, unge=
wöhnlich
große Unſchuld (u. a. bewieſen durch die Art, wie ſie ſich
ihm im Café in die Arme warf), Herrſchſucht im Verein mit
angeborener Liebenswürdigkeit, und ein wunderliches Gemiſch
von Scheu und Abenteuerluſt. Ihr Sinn für Humor ſchien
nicht beſonders entwickelt zu ſein, und es machte den Eindruck,
als ob ſie die Welt hauptſächlich aus Romanen kennen würde
eine andere Erklärung hatte er z. B. nicht für die wunderlichen
Worte finden können, mit denen ſie ihre Bekanntſchaft ein=
geleivet
hatte: Behandeln Sie mich, als ob ich Ihre Freundin
wäre. Jetzt am Mongen, als ſie im Marſeiller Bahnhof aus=
geſtiegen
waren, war ſie ſehr verſtimmt geweſen, was ja nach
all ihren Abenteuern erklärlich genug war. Er hatte verſucht,
ſie in der Weiſe aufzumuntern, die er am geeignetſten fand
ein bißchen Neckerei und ſehr viel Rückſicht; ſeiner Auffaſſung
nach ſchadete es nicht, wenn ein Raſſepferd hie und da die Spo=
ren
ein wenig zu fühlen bekam.
Wenig darauf gefaßt, welche Ueberraſchungen ihn noch von
ihrer Seite erwarteten, kehrte er nach fünf Minuten mit einem
großen Veilchenſtrauß in der Hand in den Speiſeſaal zurück.
Alles in Ordnung, Madame, ſagte er. Ich habe Zimmer
für uns im erſten Stock beſtellt, und eine Annonce an die Pariſer
Zeitungen telegraphiert. Im Vorübergehen habe ich dafür ge=
ſorgt
, daß Sie ein paar Toiletteſachen auf Ihr Zimmer bekom=
men
. Darf ich Ihnen dieſe Veilchen überreichen, zum Zeichen,
daß wir in das Land des Frühlings gekommen ſind?
Sie nahm das Sträußchen mit einem zerſtreuten Lächeln
entgegen, er warf einen Blick auf ſie und ſah, daß ſie in eine
ſeiner Zeitungen vertieft daſaß. Excelſior oder Matin, dachte er,
im ſelben Augenblick ſah er zu ſeinem Erſtaunen, was für eine
Zeitung ſie gefeſſelt hatte. By Jove, der Financial Leader!
Was in aller Welt! Eine engliſche Börſenzeitung!
Spekulierte die neugebackene Madame Pelotard in Aktien?
Jenſeits des Kanals war augenblicklich eine Craze in Gummi,
und ein erheblicher Teil der Spekulanten waren Damen, das
wußte er. War ſie eine von dieſer Sorte? Bevor er noch Zeit

hatte, ſich weitere Fragen zu ſtellen, wurde er durch den Gegen=
ſtand
ſeiner Grübeleien ſelbſt unterbrochen, ſie fragte mit leicht
gerunzelten Augenbrauen:
Sagen Sie mir, haben Sie dieſe Zeitung geleſen?
Ja, Madame.
Die Zeitung war Mr. Erneſt Jſaacs ſpezielles Organ, und
Philipp las ſie regelmäßig, da ihre Leitartikel ihm mehr Amüſe=
ment
bereiteten als der Punch. Aber dieſe Nummer hatte be=
ſondere
Voausſetzungen, ihn zu intereſſieren.
Wollen Sie mir einen Artkel hier erklären?
Gerne. Welchen?
Er beugſte ſich raſch vor, überzeugt, ſie in einen der opti=
miſtiſch
poetiſchen Artikel verteft zu finden, mit denen Mr.
Iſaaes Sekretär, Mr. Baß, die Geburt einer neuen Geſellſchaft
zu begrüßen pflegte. Seine Verblüffung war ſo groß, daß er faſt
umgefallen wäre, als er ſah, wohin ihr kleiner Finger wies.
Dieſen Artikel, ſagte ſie, über die Staatspapiere von
Minorca!
By Jave! By Jove! Philipp ſtarrte fünfzehn lange Se=
kunden
das dunkelhaarige Köpfchen an ſeiner Seite an. Minorca.
Was in allen Sternenwelten konnte dieſe junge Dame für ein
Intereſſe an Minorca haben? Wie um Himmels willen konnte
der Artikel über Minorca und ſeine Staatspapiere ſie intereſſie=
ren
? Der Artikel, der ihm am Tage vorher auf dem Trottoir=
rand
des Café de la Paix ein ſo ſelbſtzufriedenes Lächeln ent=
lockt
hatte! Minorca! Als ihm der Name und der Artikel
wieder unter die Augen kam, hätte er faſt laut aufgelacht. Vor=
geſtern
war der größte Coup ſeines Lebens vom Stapel gegangen,
den er vor ein paar Wochen Mr. Iſaaes in ſeinem Kontor vor=
geſchlagen
und zu dem dieſer Geld vorgeſtreckt hatte. Der kühnſte
Plan, den ſein erfindungsreiches Hirn bisher ausgeheckt hatte
und vor dem ſogar Mr. Iſaaes erzittert war; die ganze Staats=
ſchuld
eines unabhängigen Reiches aufzukaufen und ſich zum
Herrn über all ſeine Schickſale zu machen allerdings ein klei=
nes
Reich, aber zum Teufel, dafür mit um ſo größerer Staats=
ſchuld
! Dieſe ganze Staatsſchuld oder nahezu die ganze auf=
zubaufen
(zu 42einhalb Prozent!), die blutſaugeriſchen Wucherer
zu prellen, die des Profits ſo ſicher geweſen waren, und die
übrige Welt zu verblüffen, die eine Ahnung hatte, daß dieſer
Verdienſt exiſtierte.
(Fortſetzung folgt.)

Kaufen Sie keine zbilligen Waſchmitteleauch
wenn ſie äußerlich ſchön ausſehen, ingendwo

rächt ſich die minderwertige Gualität doch.
Feuvio enthält 80% Fett, iſt daher die
mildeſte und ſparſamſte Haushaltſeife.

I.St. 7558

Familiennc jrichten

1 S. September
1923
Darmstadt / Ernst-Ludwiostrasse k2

te glückliche Geburt eine=
L gesunden BUBEN zeigen in
großer Freode an
Verwaltungsinspektor
Ludwig Hacholdt u. Frau
Gustel, geb. Weingarten,
15. September 1923.
(*25029

Statt Karten.

Die glückliche
Geburt eines gesunden
/ Mädels zeigen an
Hans Günther
und Frau Johanna
geb. Roß.
Darmstadt, 15. Septbr. 1923.
(*25044

Grete Kuhl
Leo Kraemer
VERLOBTE
Darmstadt, 16. Sept. 1923
Wh

Klara Hil
Hermann Röder
VERLOBTE
Darmstadt, September 1923

Anna Bayer
Peter Weihert
VERLOBTE
Darmstadt
Altheim
16. September 1923
Aſß0

Mlinna Schneider
Ludwig Tramer
VERLOBTE
Darmstadt, 16. Sept. 1923
Hoffmannstr. 12 Mällerstr. 41
W0
Mariechen Müller
Erich Georg
VERLOBTE
Sonntag, 16. Sept. 1923
Wiebelsbach 1. O. Heubach t. O.
(*24952

Allen EM.,
EM., AH., AH.
und Bb. Bb. die
traurige Nach=
richt
, daß am
11. Septbr. 1923
unſer lieber
Alter Herr
Guſtav le Bell
(aktiv 92/94)
im eben vollendeten 50. Lebens=
jahre
geſtorben iſt.
Wir werden ſeiner ſtets in Treue
gedenfen.
(*25012
Der Akademiſche Verein
Darmſtadt im W. V.

Nachruf.
Heute früh verſchied plötzlich und unerwartet
unſer Prokuriſt
Herr

aus Darmſtadt.
Wir verlieren in Herrn Oehlſchläger einen
äußerſt tüchtigen Mitarbeiter, der durch ſeine außer=
gewöhnlichen
Befähigungen zur Entwicklung unſeres
hieſigen Zweigunternehmens ſeit der Neugründung
desſelben erheblich beitrug.
Auch hat ſich Herr Oehlſchläger durch ſeinen
lauteren und ſelbſtloſen Charakter ſtets die Wert=
ſchätzung
und Hochachtung ſeiner Mitarbeiter und
(*25020
Kollegen erworben.
Ein dauerndes Gedenken iſt ihm gewiß.
Pasquay=Werke A. 8., Saarbrücken
Zweigniederlaſſung Griesheim b. 2.
und die Arbeiter nnd Angeſtellten.
Griesheim b. D., den 15. September 1923.

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[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt

16. September 1923Nr. 256

Handelsblatt

* Vierte Deutſche Erfindungen=, Neuheiten=
und Induſtrie=Meſſe in Mannheim.
Von
Dr. Brixner=Mannheim.
Der Reichsverband Deutſcher Erfinder, dem die ſüdweſtdeutſche
Handels= und Induſtriemetropole Mannheim ihre Einreihung in die
Zahl der Meſſeſtädte verdankt, veranſtaltet gegenwärtig in Mannheim
ſeine vierte Deutſche Erfindungen=, Neuheiten= und Induſtrie=Meſſe.
Trotz der allgemeinen wirtſchaftlichen Depreſſion hat die Meſſekommiſſion
den im Mai d. J. gefaßten Plan, den für zu groß gehaltenen einjährigen
Abſtand der Meſſen durch Veranſtaltung einer Herbſtmeſſe zu verringern
und dadurch den Erfindern zur Verwertung, zum Verkauf ihrer Schutz=
rechte
oder der nach dieſen hergeſtellten Waren zu verhelfen, nunmehr in
die Tat umgeſetzt. Die gegenwärtige vierte Meſſe iſt zugleich die erſte
Herbſtmeſſe. Vielleicht hat gerade die ſchwierige Wirtſchaftslage das Be=
dürfnis
nach kürzeren Abſtänden der Meſſen hervorgerufen, da unſere
fluktuierenden Verhältniſſe einen öfteren Kontakt der zumeiſt etwas
ſonderlichen kleinen Erfinder, deren Förderung ſich die Meſſe ganz be=
ſonders
angelegen ſein läßt, mit den wirtſchaftlichen Wirklichkeiten not=
wendig
macht. Daneben verſpricht ſich auch die Induſtrie von der Ver=
ringerung
der Zwiſchenräume Vorteile, weil dadurch die für Baden und
die Nachbargebiete gebotenen Möglichkeiten, mit Neuheiten vor einen
internationalen Intereſſentenkreis zu treten, erheblich vermehrt werden.
Jeder deutſche Erfinder, auch wenn er dem Reichsverband Deutſcher
Erfinder nicht angehört, ſowie zahlreiche unbemittelte Kleingewerbe=
treibende
erhielten je nach Wunſch und Ausſtellungsgegenſtand Freiplätze
bis zu einem Quadratmeter mit entſprechender koſtenfreier Ausſtattung.
Eine nach der äußeren Darbietung wie nach dem praktiſchen Wert ſtreng
getroffene Auswahl bürgt für die qualitative Höhe der gezeigten Artikel.
Die gegenwärtige Ausſtellung bietet auf den verſchiedenſten Ge=
bieten
viel Neues, Intereſſantes und für den gewöhnlichen Sterblichen
Unerſchwingliches. Von luxuriöſen Wohnungseinrichtungen bis zum
Sicherungsſchloß Angſtfrei der Firma Emil Schwarz in
Darmſtadt iſt alles in Modell und Zeichnung oder als Fertigfabrikat
vertreten, was deutſcher Erfindergeiſt in raſtloſer Arbeit ſchuf. Neben
den Fabrikaten der Ofenbautechnik, die einen ſtattlichen Platz einnimmt,
findet man Neuheiten auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und des
Bauſtoffmarktes, auf dem Gebiete des Kunſtgewerbes, der Elektrotechniik
und des Maſchinenweſens. Lehrmittel und Muſikinſtrumente wechſeln
ab mit chirurgiſchen, ortopädiſchen Artikeln und Apparaten, ſanitären
Anlagen und Toiletteartikeln. Spietwaren und Reklameartikel erfreuen
das Auge des Beſuchers, der mehr für auffällige Aeußerlichkeiten Sinn
hat. Landwirtſchaftliche Maſchinen, die Zeugen der Intenſivierung der
Landwirtſchaft, ſind in großer Zahl und Mannigfaltigkeit. vertreten.
Den meiſten Raum in der Ausſtellung nehmen die Erzeugniſſe der Büro=
möbelinduſtrie
für ſich ein. Dieſe Tatſache dürfte ohne Zweifel typiſch
ſein für die Ueberbürokratiſierung unſerer geſamten Wirtſchaft und Ver=
waltung
und damit für die Umſchichtung der Berufsgruppen zum Nach=
teil
der Produktivität der deutſchen Volkswirtſchaft. Neben Adreſſier=
und Schnelladdiermaſchinen ſieht man da eine Schnellrechenmaſchine, die
dem Menſchen das Denken abnimmt und ihn zum ſtaunenden Bewun=
derer
ihrer Fähigkeiten macht; ſie multipliziert, ſubtrahiert, addiert und
dividiert mit einer verblüffenden Schnelligkeit und Genauigkeit, die
jedem Zahlenakrobaten Konkurrenz macht.
Es iſt natürlich nicht möglich, im Rahmen dieſes Berichtes auf alle
die kleinen Erfindungen und Neuheiten näher einzugehen, die in reichem
Maße geboten werden und die nicht immer auf den erſten Blick die Fülle
des Schaffens, Strebens und Suchens erkennen laſſen, die in ihnen ver=
borgen
liegt. Gewiß wird manches Surrogat bleiben, was als Neuheit
gezeigt wird; aber ſicher wird auch manches vom Konſum willkommen
aufgenommen werden, und man wird bald vergeſſen, daß es Surro=
gar
iſt.
Zahlenmäßig ſind die Mannheimer Ausſteller am ſtärkſten vertreten,
was nicht nur durch den Orr der Ausſtellung, ſondern auch durch die
Vielſeitigkeit der Mannheimer Induſtrien begründet iſt. Daneben iſt
aber auch Württemberg, nachdem ſich vor kurzem der Württembergiſche
Erfinderverein dem Reichsverband Deutſcher Erfinder angeſchloſſen hat,
mit ſehenswerten Neuheiten am Platz, und auch Heſſen und die an=
deren
deutſchen Länder fehlen nicht, um die Fortſchritte ihrer Gebiete zu
zeigen.
An praktiſchen Vorführungen übt beſonders eine Empfangsſtation
für drahtloſe Telephonie ihre anziehenden Wirkungen aus. Die Be=
ſucher
der Ausſtellung können ſich im Nibelungenſaal des Mannheimer
Roſengartens eine gut zu vernehmende Oper der Pariſer Opera an=
hören
, die während der Vorſtellung im Pariſer Opernhaus von einer
radiotelegraphiſchen Empfangsſtation aufgenommen und durch Send=
ſtationen
in alle Welt geſchickt wird. Ein gleichfalls vorgeführter ſinn=
reich
konſtruierter Rettungsanzug Poſeidon ſchützt ſeinen Beſitzer vor
jeglicher Gefahr des Ertrinkens, wenn es mit ſeiner Schwimmkunſt noch
ſo ſchlimm ſteht. Für um ihr Leben beſorgte Menſchen iſt er alſo bei
Seereiſen ein unentbehrlicher Begleiter.
Alles in allem, kann die Ausſtellungsleitung mit ihrem Erfolg zu=
frieden
ſein. Wenn auch die Ausſtellung nicht den impoſanten Eindruck
einer großen deutſchen Meſſe auf ihre Beſucher macht, ſo wird ſie doch
ihrem Hauptzweck gerecht, dem kapitalſchwachen Erfinder den verdienten
Lohn ſeiner Mühe und Sorge zu ſichern, ſoweit es in ihren Kräften
liegt. Durch die Belebung des Außenhandels aber, der durch die Schau=
ſtellung
der Errungenſchaften des deutſchen Erfindergeiſtes erzielt wird,
trägt auch die vierte Deutſche Erfindungs=, Neuheiten= und Induſtrie=
Meſſe zum Aufbau unſerer darniederliegenden Volkswirtſchaft bei, wird
zur nationalen Tat und verdient Beachtung und Förderung.

Handel und Wandel in Heſſen.
Ein neuer Induſtriezweig ſieht in den nächſten Tagen
ſeiner Vollendung entgegen. Eine Gruppe von Geſchäftsleuten, unter
denen die Firma Friedr. Ganß, Darmſtadt, Brennmaterialienhandlung,
beteiligt iſt, läßt zurzeit eine Brikettfabrik errichten. Mit der Fabrika=
tion
dürfte in den nächſten Tagen begonnen werden und ſteht zu erwar=
ten
, daß mit dieſer Neugründung auf erträglich billigem Wege der
Brandbeſchaffungsfrage für Haushalt wie auch Induſtrie Rechnung ge=
tragen
wird.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
h Voigt & Häffner A.=G., Frankfurt a. M. Der Auf=
ſichtsrat
beſchloß, einer auf den 29. September einberufenen außer=
ſordentlichen
Generalverſammlung die Erhöhung des Grundkapitals
um 100 Millionen Mark durch Ausgabe neuer Inhaberaktien zur Be=
ſchlußfaſſung
vorzulegen. 40 Millionen Mark ſollen durch Vermittlung
eines Konſortiums den bisherigen Aktionären im Verhältnis 5:1 zu
einem Kurſe angeboten werden, der dem Gegenwert eines halben Dol=
lars
entſpricht, während der Reſt zur freien Verwertung verbleibt.
Das Kapital beträgt gegenwärtig 190 Millionen Mark Stammaktien,
10 Millionen Mark Vorzugsaktien und 20 Millionen Mark Namens=
vorzugsaktien
. Die Zwiſchenbilanz per 30. Juni weiſt auf in Millionen
Mark: Waren 10 700 (letzte Hauptbilanz 31. Dezember 1 373 01), Bank=
guthaben
3720 (114,13), geleiſtete Anzahlungen 1400 (101,62), Debitoren
4600 (893,27), erhaltene Anzahlungen 6900 (343,4), Kreditoren 2820
(983,52) und Akzepte 2520 (174,83). Das Unternehmen iſt zurzeit in faſt
allen Betrieben voll beſchäftigt; mit Rohmaterialien iſt es entſprechend
eingedeckt.
h. Baldur=Pianofortefabrik A.=G. Frankfurt
am Main. Die Hauptverſammlung beſchloß Sitzverlegung nach
Deggendorf in Niederbayern. Die ſeitherige Hauptniederlaſſung
Frankfurt a. M. bleibt als Zweigniederlaſſung beſtehen.

Waggon= und Maſchinenfabrik A.=G. borm.
Buſch, Bautzen. Die Geſellſchaft bietet einen Teilbetrag der neu
zur Ausgabe gelangenden Aktien bis zum 28. September einſchließlich
derart zum Bezug an, daß auf nominal 1000 Mk. alte Stammaktien
oder Vorzugsaktien Lit. A eine neue Vorzugsaktie Lit. A zu nominal
1000 Mk. zu 2000 Prozent zuzüglich Bezugsrechtsſteuerpauſchale und
Börſenumſatzſteuer bezogen werden kann.
* Elektrizitäts=A.=G. vorm. Schuckert u. Co.
Nürnberg. Die Geſellſchaft erklärt ſich bereit, die zum 1. Oktober
1925 gekündigten Schuldverſchreibungen von 1909 ſchon jetzt einzulöſen.
In dieſem Fall vergütet ſie für jede Schuldverſchreibung das 100 fache
des Nominalbetrages und hält ſich an dieſes Angebot bis zum
31. Oktober d. J.
* Hermann Meyer u. Co. A.=G., Berlin. 15. Mill. Mk.
neue Stammaktien mit Dividendenberechtigung ab 1. Januar 1923 wer=
den
den Aktionären im Verhältnis 1:1 zu 10 000 Prozent zuzüglich
Bezugsrechts= und Börſenumſatzſteuer zum Bezug angeboten. Das Be=
zugsrecht
iſt bis zum 29. September einſchließlich auszuüben.
* Mechaniſche Weberei Zittau. Die G.V. ſetzte die
Dividende auf 5000 Prozent feſt und beſchloß Erhöhung des Grund=
kapitals
um 4 Mill. Mk. Stammaktien, die im Intereſſe der Geſell=
ſchaft
Verwertung finden.
* Ottenſer Eiſenwerke A.=G., Altona=Ottenſen.
Die Geſellſchaft hatte am 26. Mai den Beſchluß gefaßt, aus der Kapital=
erhöhung
den Aktionären ein Bezugsrecht im Verhältnis 4: 1 zu 3000
Prozent einzuräumen. Eine Aufforderung zur Ausübung des Bezugs=
rechts
iſt jedoch bisher nicht erfolgt. Nunmehr beruft die Geſellſchaft
ao. G.V. zum 6. Oktober ein, die über den Ausgabekurs der den
Aktionären anzubietenden jungen Aktien erneut Beſchluß faſſen ſoll.
* Dr. Paul Meyer A.=G., Berlin. Die Geſellſchaft ſah
ſich in der vergangenen Woche zur Einſchränkung des Betriebes ge=
zwungen
. Es wurde nur an vier Tagen gearbeitet. Die Geſellſchaft
iſt mit Aufträgen noch verſehen, doch macht ſich auch bei ihr eine gewiſſe
Stagnation geltend.
* Goldmavk=Stahlpreiſe. Vom deutſchen Stahlbund
wird mitgeteilt: Die Entwicklung der wirtſchaftlichen Verhältniſſe in
der letzten Zeit hat den gemeinſchaftlichen Richtpreis=Ausſchuß veran=
laßt
, die Richtpreiſe in Goldmark feſtzuſetzen. Ab 11. September 1923
gelten folgende Richtpreiſe: Für 1000 Kilo in Thomas= oder Siemens=
Martin=Handelsgüte mit bekannten Frachtgrundlagen. Für Inlands=
geſchäfte
: Rohblöcke 165,9 Mk. Für mittelbare Ausfuhrgeſchäfte 117,5
Mark, Vorblöcke 189,6 bezw. 134,5 Mk., Knüppel 202,4 bezw. 143,4 Mk.,
Platine 210,1 bezw. 141,8 Mk., Formeiſen 239,2 bezw. 169,4 Mk., Stahl=
eiſen
240 bezw. 170 Mk., Univerſaleiſen 258,3 bezw. 182,9 Mk., Band=
eiſen
299,1 bezw. 210,9 Mk., Walzdraht 254,3 bezw. 180,2 Mk., Grob=
bleche
, 5 Millimeter und darüber, 270,5 bezw. 191,6 Mk., Mittelbleche
unter 5 Millimeter 302,2 bezw. 214,1 Mk., Feinbleche bis unter 3 Milli=
meter
359,4 bezw. 254,6 Mk., Feinbleche unter 1 Millimeter 410 bezw.
283,4 Mk. Von jeder Lieferung werden 70 Prozent zu den Preiſen
für Inlandsgeſchäfte und 30 Prozent zu den Preiſen für mittelbare
Ausfuhrgeſchäfte berechnet. Die Rechnungsbeträge zu Inlandspreiſen
ſind in Papiermark, die zu mittelbaren Ausfuhrpreiſen möglichſt in
Auslandswährung zu zahlen. Die Marküberpreiſe der ſeit Auguft 1922
geltenden Ueberprciſe (Grundpreiſe ohne Zuſchlag) ſind durch 100 zu
dividieren und ſtellen dann Goldmarkbeträge dar. Für die Umrech=
nung
der Rechnungsbeträge in Papiermark gilt der Berliner Mittel=
kurs
für das Pfund Sterling. (1 Schilling 1 Goldmark.)
* Karoſſerie=Werke Schebera A.=G. Die Geſellſchaft
bietet die bereits vor Monaten zur Ausgabe beſchloſſenen neuen Stamm=
aktien
zu dem damals feſtgeſetzten Kurs von 500 Proz. den alten Aktio=
nären
im Verhältnis 1:1 zuzüglich Börſenumſatz= und Bezugsrechtsſteuer
zum Bezug an, und zwar ein Teilbetrag von 45 Mill. Mk. Das Be=
zugsrecht
iſt bis zum 28. September einſchließlich auszuüben. Reſtliches
Aktienpaket ſoll zum Tauſch bezw. zu Angliederungszwecken Verwendung
finden.
* Erleichtevungen des Deviſenverkehrs in Un=
garn
. Das Neue Wiener Tagblatt meldet aus Budapeſt, daß die un=
gariſche
Regierung, nachdem ſie von der Schweiz einen Vorſchuß von
Fr. 20 Millionen für das Importgetreide erhalten hat, zu einer ſogen.
kleinen Deviſenform ſchreiten wird. Die Deviſenzentrale ſoll weiter
beſtehen, jedoch den Großbanken der Deviſen=Privatverkehr geſtattet
werden. Das ungariſche Finanzminiſterium wird eine diesbezügliche
Enquette einberufen.
Banken.
h. Paul Dirlewanger u. Co., Frankfurt a. M. Die
ſeitherige Frankfurter Zweigniederlaſſung des Stuttgarter Bankhauſes
Paul Dirlewanger u. Co. iſt in ein ſelbſtändiges Bankhaus umgewan=
delt
worden. Teilhaber dieſer offenen Handelsgeſellſchaft ſind: Ban=
kier
Paul Dirlewanger (Stuttgart) und Bankier Wilhelm Gentſch
(Frankfurt a. M.).
Neugründungen.
h. Fahrzeug= und Motorenfabrih A.=G., Mann=
heim
. Gegenſtand des neuen Unternehmens iſt die Herſtellung und
der Vertrieb von Sportfahrzeugen jeglicher Art ſowie von Betriebs=
maſchinen
zu ſolchen, auch der Handel mit Roh=, Halb= und Fertig=
waren
dieſer Branche. Das Grundkapital beträgt 100 Mill. Mk. und
iſt in 20000 Inhaberaktien zu 5000 Mk. eingeteilt und werden zu
125 Prozent ausgegeben. Die Gründer, die ſämtliche Aktien über=
nommen
haben, ſind: Kaufmann Fritz Müller (Mannheim), Ingenieur
Heinrich Eder (Frankfurt a. M.), Kaufmann Karl Müller ( Rhein=
gönnheim
), Fabrikant Ludwig Nagel (Mannheim), Diplom=Ingenieur
Arthur Graff (Mannheim), Virginie und Marie Graff, beide in Wies=
baden
, Ingenieur Karl Höhn (Schwetzingen). Die Gründer Karl Höhn,
Arthur, Virginie und Marie Graff bringen die Geſchäftsanteile an
der Firma Ernſt Burkhardt, G. m. b. H. in Mannheim, in die Aktien=
geſellſchaft
ein, die die Einlage gegen Zahlung von 10 Mill. Mk. über=
nimmt
. Mitglieder des erſten Aufſichtsrates ſind die vorgenannten
Gründer Nagel und Eder ſowie Rechtsanwalt Dr. Karl Eder ( MMann=
heim
).
Anleihen.
* Plan einer langfriſtigen Anleihe Amerikas
für Rumänien. Der rumäniſchen Zeitung Argos zufolge ſoll die
Morgangruppe der rumäniſchen Regierung eine erſt in der Zeit zwi=
ſchen
1973 und 2023 rückzahlbare Anleihe von 10 Millionen Dollar für
Eiſenbahnzwecke, Wiederaufbau in der zerſtörten Zone und Stützung des
Leikurſes angeboten haben. Die Morgangruppe würde den Betrag, der
durch die Monopoleinnahmen ſicher zu ſtellen wäre, teils in der Form
von rumäniſchen Schatzſcheinen, teils in Leiwährung hergeben. Der
Zins würde ſich auf 4,7/8 Proz., der Ausgabekurs auf 96½ Proz, ſtellen.
Dividendenvorſchläge.
* Vereinigte Thüringeu Metallwarenfabrik
A. G., Cella=Mehlis. Die Geſellſchaft, die bereits G.V. ein=
berufen
hat, iſt mit dem Dividendenvorſchlag noch nicht in die Oeffent=
lichkeit
getreten. Es ſoll eine Dividende in Ausſicht genommen ſein in
Höhe von 1 Goldmark, umgerechnet zum Dollarkurs vom 30. Juni d. J..
wozu jedoch die Zuſtimmung des Aufſichtsrates nötig iſt. Auf der
Grundlage des damaligen Dollarkurſes von 154 000 Mk. dürfte ſich die
Dividende auf 3678 Prozent gegen 60 Prozent im Vorjahr belaufen.
* Emaillier= und Stanzwerk, urm. Ullrich Mai=
kammer
(Rheinpfalz). Die Geſellſchaft erzielte im abgelaufe=
nen
Geſchäftsjahr einen Nohgewinn von 251 Millionen Mark (i. V.
3 Millionen Mark), für Abſchreibungen wurden 0,150 Millionen Mark
verwandt, der ordentlichen Reſerve 1,55 Millionen Mark zugeführt,
ſodaß ein Reingewinn von 249 Millionen Mark verbleibt, woraus eine
Dividende von 200 Prozent auf ein Aktienkapital von 20 Millionen
Mark zur Ausſchüttung gelangen ſoll, (i. V. 20 Prozent auf 5,5 Milli=
onen
Mark, wovon 3 Millionen Mark zur Hälfte dividendenberechtigt
waren).
Warenmärkte.
h. Mannheimer Wochenberichte. Getreide. Trotz=
dem
ſich die politiſchen Verhältniſſe, mit denen immer die weitere Mark=
entwertung
begründet wurde, ſich etwas gebeſſert haben, erlitt die Mark
eeinen weiteren, ſehr ſtarken Verfall und trieb die Preiſe an den Waren=
märkten
zu unerſchwinglichen Höhen. Wenn man ſchon ſeitens der
Käufer gegenüber dieſen hohen Preisforderungen ſtarke Zurückhaltung

beobachten konnte, ſo ſind auch die Abgeber, beſonders die landwirtſchaft=
lichen
, mit der Abſtoßung ihrer Ware aus neuer Ernte ſehr vorſichtig
und ſelbſt die neuen Steueren wie Landabgabe uſw. bringen nicht viel
Material heraus. Man klagt und läuft Sturm gegen dieſe Steuern,
bringt ſie aber ſchließlich doch auf, ohne große Verkäufe vornehmen zu
müſſen, was der Anſicht weiter Kreiſe Recht gibt, daß in der Landwirt=
ſchaft
immer noch viel bares Geld ſteckt. Daß unter den gegenwärtig
ſchwierigen, beſonders aber unſicheren Verhältniſſen niemand das Riſiko
eines Geſchäftsabſchluſſes auf ſich nehmen will, iſt nicht verwunderlich,
und ſo vollzog ſich die Berichtswoche in zwar aufgeregten, aber geſchäfts=
loſen
Bahnen. In den Waren iſt eine gut 100prozentige Verteuerung
eingetreten, ſo bei Weizen von 120150 auf 285300, bei Roggen auf
200, bei alter Gerſte von 7585 auf 200235, bei neuer Gerſte von
90100 auf 250260, bei altem Hafer von 85 auf 200, bei neuem Hafer
von 90 auf 220240, alles in Millionen Mark pro 100 Kilo bahnfrei
Mannheim. Bei Weizen war die Steigerung geringer als bei den üb=
rigen
Getreidearten, da ſeitens der Mühlen gar keine Kaufe vorgenommen
werden, während in den anderen Artikeln immer ſich noch etwas In=
treſſe
zeigt. Beſonders in Gerſte ſuchen die Brauereien ihren diesjäh=
rigen
Bedarf zu erlangen und in Hafer iſt die verarbeitende Induſtrie
am Markte.
Mehl. Nachdem man am Mehlmarkt beſchloſſen hat, nur noch
zum Dollarkurs zu verkaufen, haben die Mehlpreiſe eine ſtärkere Stei=
gerung
als Weizen erfahren. Bei dem nun erreichten hohen Stande von
640 Mill. Mk. pro Doppelzentner für Weizenmehl Spezial Null bei den
Mühlen haben die Hamſterkäufe endlich aufgehört, da man auch in dieſen
Kreiſen glaubt, den Höhepunkt erreicht zu haben. Die beſſere Zufuhr
von Kartoffeln haben auch einen Rückgang des Einkaufs von Mehl. ſei=
tens
des Konſums verurſacht. Die zweite Hand verkaufte zuletzt Weizen=
mehl
ab Mühlenſtation zu 550600 gegen 200250 und Roggenmehl zu
420 gegen 150 Mill. Mk. in der Vorwoche.
Futtermittel. Das Marktgebiet wird immer enger begrenzt,
da die Verkäufer mit ihren Angeboten zurückhalten. Zu Anfang der
Woche waren noch Malzkeime zu 75 und Trockenſchnitzel zu 4853 Mill.
pro 100 Kilo angedient, gegen Ende der Woche lag aber nur noch
Weizenkleie mit 130140 Mill. Mk. am Markt. Roh=Melaſſe wurde mit
120 Mill. Mk. nominell notiert und für Raps forderte man 290300
gegen 120140 Mill. Mk. in der Vorwoche. Von Rauhfuttermitteln
fehlte Wieſenheu und Luzernekleeheu ganz, Preßſtroh wurde mit 3536
gegen 1314 und Bundſtroh mit 2830 gegen 11,512,5 Mill. Mk. pro
Doppelzentner waggonfrei Mannheim gehandelt.
Kolonialwaren. Die Tendenz war auch weiterhin ſehr feſt,
das Geſchäft aber ſehr ruhig. Der Konſum wird immer kleiner bei den
unerſchwinglich hohen Preiſen.
Tabak. Die Ernte iſt in vollem Gange. Schon viele Aecker ſiehr
man ganz abgeblattet. Der Ertrag iſt zufriedenſtellend und wird eine
gute Mittelernte bringen. Das Wetter war für die Aberntung und für
die noch nicht ganz reifen Tabake ſehr günſtig. In den Scheunen der
Tabakbaugebiete wird fleißig an dem Einnähen und Aufhängen der heim=
gebrachten
Tabakblätter gearbeitet. Der Verkauf von Vorbruch, Sand=
blatt
und Grumpen, wie er ſeit einigen Jahren ſchon um die Erntezeit
in grünem Zuſtande üblich war, ruht bis jetzt noch vollſtändig. Die
Pflanzer wollen von einem Verkauf nichts wiſſen, einmal wegen dem
ſchlechten Markwert, zum anderen, um nicht wieder die vorjährige Er=
fahrung
durch allzueilig vorgenommenen Verkauf zu machen. Auch in
alten Tabaken war Geſchäftsſtille, da kein Eigner Ware feilbietet. In
den Fabrikaten war in der vergangenen Woche die Preisſteigerung ganz
beſonders ſprunghaft. Im Kleinhandel ſind zwar noch Zigarren zu
300 000 Mk. pro Stück zu haben, während die Fabrikation zu dieſem
Satze ſchon nichts mehr abgibt. In Rippen war nur wenig Angebot,
deſto ſtärkere Nachfrage trotz ſteigenden Preiſen.
Obſt. Mögen die Zufuhren zu den Obſtmärkten noch ſo groß ſein,
ſie finden alle ſchlanke Abnahme, ſelbſt bei den höchſten Forderungen.
Am Freinsheimer Obſtgroßmarkt wurden bezahlt für Kochäpfel 6080,
Tafeläpfel 200400, Kochbirnen 80100, Tafelbirnen 220580, Zwetſch=
gen
250300, Mirabellen 400, Reineclauden 250280, Tomaten 500 bis
520, Pfirſiche 300760 in Tauſenden von Mark pro Pfund.
Wein. Bis jetzt hat ſich der Siedemonat der Trauben ſehr gut an=
gelaſſen
und bringt die Trauben ſchnell der Reife entgegen. Die Portu=
gieſer
färben ſich ſtark und können bald geerntet werden, die weißen
Trauben werden immer heller, an bevorzugten Stellen ſchon gelblich.
Bleibt das Wetter weiter ſo warm, dann werden die Trauben einen
hohen Zuckergehalt haben, der nahe dem 1921er kommen dürte. Bei den
Milliardenpreiſen legte man ſich im Einkauf etwas Zurückhaltung an.
Bei der Weinverſteigerung in Deidesheim wurden für 1922er Weiß=
weine
pro 100 Lter 5,118,6 Milliarden Mark, für 1920er Flaſchen=
Weine 6,211,6 Mill. Mk., für 1921er Flaſchenweine 12,837 Millionen
Mark pro Flaſche erzielt.
wb. Berliner Produktenbericht. Am Produktenmarkt
kamen durch die weitere Steigerung der Deviſen wiederum höhere
Notierungen heraus. Trotzdem war das Inland mit dem Angebot
wieder zurückhaltend. Auch iſt das Geſchäft infolge der durch die
enormen Preiſe immer ſchwieriger werdenden Kapitalfrage, beſonders
ſoweit es die direkten Käufe betrifft, außevordentlich erſchwert. Für
Weizen blieben die Mühlen weiter als Käufer am Markt, wenn auch
die Forderungen nicht immer zu erzielen waren. Roggen ging zu
weſentlich geſteigerten Notierungen weiter an Firmen, die für die
Reichsgetreideſtelle kauften. Beſondere Nachfrage für Roggen und
Gerſte lag aus Bremen vor. Hafer lag ſehr feſt bei weiterer Nach=
frage
ſeitens der Provinzämter. Mehl zog im Preiſe weiter ſcharf
an. Futterſtoffe wurden gleichfalls weſentlich teurer bezahlt.
Börſen.
* Frankfurter Börſenbericht vom 10. bis 15. Sep=
tember
1923 (mitgeteilt von der Deutſchen Bank, Filiale Darm=
ſtadt
). Die in immer beſtimmterer Form auftretenden Nachrichten
über Verhandlungen zwiſchen der deutſchen Regierung und Vertretern.
Frankreichs, die zur Beilegung des Ruhrkonflikts und zur Regelung
der ganzen Reparationsfrage zurzeit geführt werden ſollen, blieben
auf die Stimmung der Börſe in der Berichtswoche ohne erkennbaren
Einfluß. Dagegen ſtand dieſe ſtark unter dem Eindruck der neuen
Währungspläne, die trotz der Regierungserklärung, wonach die Papier=
mark
als geſetzliches Zahlungsmittel beibehalten werden ſoll, die
Markfluchtbewegung zum Hauptmotiv der Börſe machten. Das führte
am Deviſenmarkt zu einer neuen Verdoppelung der Kurſe im Verlaufe
der Woche und ließ den Dollarkurs auf über 100 Millionen in die
Höhe ſchnellen. Noch ſtärker war die Wirkung an den Effektenmärkten.
Die Spekulation vertrat hier vielfach die Meinung, daß die Einfüh=
rung
einer Goldwährung früher oder ſpäter unvermeidlich ſein werde
und zog aus den in Goldmark umgerechnet noch immer ſehr niedrigen
Effektenkurſen die Anregung zu lebhaften Käufen. So kam es, daß
zum erſten Male ſeit längerer Zeit die Kurserhöhungen an den
Effektenmärkten noch über die Niveauſteigerung der Deviſen hinaus=
gingen
, ſo daß ſich alſe die Preiſe für ſehr viele Papiere auch unter
Berückſichtigung der gleichzeitigen Geldentwertung weſentlich erhöhten.
Die allgemeine Vorliebe für Rohſtoffwerte führte beſonders wieder dem
Montanmarkt außerordentlich zahlreiche Kaufaufträge zu, und die Kurs=
ſprünge
auf dieſen und anderen Gebieten wurden um ſo größer, als
die Märkte beinahe völlig leergekauft ſind. So wurden beſonders an
der Mittwochbörſe Kurſe erreicht, die häufig das Drei= und Vierfache
der letzten Notierung darſtellten, und wenn auch in einigen Fällen die
Höchſtkurſe ſpäter nicht voll behauptet werden konnten, da die wieder
fühlbar werdende Geldknappheit nicht unbedeutende Realiſationen ver=
anlaßte
, ſo war doch bis zum Wochenende im allgemeinen eine weitere
Steigerung des Niveaus zu konſtatieren. Die Börſe übertrug ihre
Einſchätzung der Wertpapiere in Goldmark übrigens auch auf den
Rentenmarkt, ſo daß auch hier eine äußerſt lebhafte Nachfrage, beſon=
ders
nach älteren Anleihen des Reiches und der Bundesſtaaten,
entſtand.
wb. Berliner Börſenbericht. Im heutigen Deviſen=
verkehr
herrſchte vorwiegend eine feſte Stimmung, wozu die Bekannt=
gabe
der Berichte über die Verhandlungen im Reichswirtſchaftsrat
beitrugen. Unter leichten Schwankungen ſetzten die Preiſe ihre
Aufwärtsbewegung fort. Allerdings blieben die höchſten Notierungen
nicht voll behauptet. Es wurden ſchließlich folgende Kurſe genannt:
Amſterdam 46.7, Brüſſel 5.90, Kopenhagen 21.80, Italien 5.40, Lon=
don
550.00, Newyark 121.00, Paris 7.10, Schweiz 21.60, Prag 3.65.
Es fehlte an Angebot bei andauernd lebhafter Nachfrage.
* Schließung der Deviſenbörſen in Polen. Aus
Warſchau wird berichtet daß nach Verordnung des Finanzminiſteriums
vom geſtrigen ab ſämtliche Geld= und Deviſenbörſen Polens bis auf
weiteres geſchloſſen ſind.

1ILDer FUrV
DarllIStdUr
Bankgeschaft
1 Luisenplatz 1
Fernsprecher 1308, 1309
S Aktien / Renten / Deuisen / Sorten

[ ][  ][ ]

Seite 8.

Daritſtädter Tunblalt, Suntiilan, beit 10. Seuleinber 1023,

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=Heiraten u. Uin=
beiraten
ſotv, Tellhaber=
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erfolgrelih Gr. F.
Marx, Matuz=Mombach,
Hörverſtr. a. (1 V,0u74
Waldige
Heirat
wünſcht rüſt. Herr,
Enbe 40, m. gutem
Einkommt., frelbenk.
arbeits= und lebens=
freubig
, int. Fräulein
ob. Frau, gleich to.
Staubes, doch Herz=
unb
Gemültsbilbung,
eigene Abohnung, We=
ingung
. Wertrauens=
volle
Angeb. erbitte
u. W 75 Geſchſt. (*W00
(eb. einfacher Maun,
kath., Mitte u0, all=
genehmes
Aeußere,
wünſcht imit Frl. ob.
Witwvein Werbinvung
zu trete
zuueaks Heirat.
Gefl. Angeb, erbitt
unter / 44 an di
Geſchäftsſt. (*2400

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Hypothokon Wortboständlgo
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(TV,7408

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IF IE WMT WM MWWW VOHEK
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Doppolochraubouda mpſor Cauoplo 14207 t 28. Sopt. v. Dromon
Drolsohraubondampfor Plttsburgh‟ (uouar Da mpſor)
10 899 t 10. Okt.
Doppolochranbondampfor Canople‟ 14 207 4 b. Hov. v. Hamburg
Drolschrauboudamupfor Plttsburgh‟ (nouor Dampfor)
10 949 1 20. Mov.
befördern Pasanglere in KCajute und III. Klanso.
Ganzilge Gologonhelt für ITolsonde nnah Ungland,
Dampfer l0schon in New Vork City (Manhattan)
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Durchoonnongemenle, Durchfracht. u. Parcol /aoolpt=
Iiogelmäßige Vorbindung nb Liverpool, bozw.
Houthnmnton nach
Wew Vork, Boston, Philadelnhia u. Canada
vormitlolst der modernalen und großlen Bahnoll-
dampfer
der Welt.
Malostlc 56551 t Olympla 46 439
Homorle 34350 t Adrlatlo 24 5411
Die Winrlchtung der I. und II. Klasso übertrict dle
luxurlösoston IIotele; dlo III. Klauno in Käummorn
eingotollt, mit Spelseraal, Iiauahzimmer und Inmon-
alon
, entspricht nuf dlesen Dampfern der lüinrich-
tung
der früheren 1. v. 11. NClauss der Alleron Dampfer.
Dio Expoditlon im Anachluß an dle von England
abfahronden Dampfer orfolg!
(TV,5004
von Hamburg joden Uianstag, Donnarstag u. Bonnabend
Bromon jeden Mittwooh und Bonnabend.

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Dauten
zu aut. Abendtiſch
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FFrſakvollen aiduns=
hnlbev
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feinft
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ſehriwachſatt, ail ber=
kaufell
, Fürderer, Wha=
traße

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bunkel ( Hrukabilpreſ=
ſung
) verloven ubeu
liegeit geblieben. Huhe
Weiohnang. viſte
(ügs Friebhufen
Wtieefte. 10,If. (apwwl

au Hlein, Wlatz, iuit Mütche ober Ankell, ſehle
arbeitabzugeben. Zulaute Wezahlung, zeitgeit. Wbfindunn, ſof
voit ja- Ehepanr in guteit wauſe (Willn
ob. aub.) geſucht.
Hirchſtr. 19. 1. (*24004 Eilangeb. u. K 508 an PlasHagſenſtein
F Boaler, Granrfurt a. W.
(LL,BM

FMagerkeit
Eihdne vulle wütler=
formebaunſ
.prientnf.
Kraftwillen (f. Dauen
hervorrageuh ſhüue
Wüſte), wreisgeke. m.
aofe, aulebaille U.
Upreudiplowen, FFü H.0
Aüwchen v. u0 Mfv.
Mun; Gar, auſhdbl.
Werntl. einpf. Eireng
veell. kllele Bauk=
ſthreib
. Wreist Hucke
(1aust)Kraudsasftbl
zuz. urto (Hoſtann.
vb. Machn.) Fabu, B.
BrautEteinerkäv.,
W. . B. 0., Verliv,
Wn0/az1.
Fu Darmiſtaht nu
haben beit aiebistwall=
Drog. Fr. W. WechenhauV,
Schufſtraße, (1,2010

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U.-1. München 1923, 0 Alio
Labyrintlt dles Crauens, 0 Allio
inih Lucle Doralne, (7573
Der Kampfum d. Riflliarcle n-
1.-I.
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Der Streit mmt eillo Rulnen, 5 Xlcto.
G.-T. Mia Tran mit d. Millionon, III. I.
Joo Martin will Maunah wordon.

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(TT.A006
Kohlenpreiſe der Grube
Prinz von Heſſen
Die Kohlenpreiſe betragen von Montag
den 17. bs. Mts. ab, für den Zentuer frei
Grube:
(st7669
Großſtülck. Hausbrandkohle Mr. 10000000
Kkeinftückige
9800000
Jnduſtriekoſle . .
6000000)
Gelnkohle . . . . . . . 2000000
Der Prelsfür die Wbgabe auf Schwimm=
bad
beträgt 13 Mik.
Die Verwaltung der Grube.
Prinz von Heſſen.
Behanntmachung.
anitAdirkung vontt 16. September 1927
ab ſind die Grmäſtigungen beim Steuer=
abzug
nach 8 40, Moſ. 2 des Einkomien=
ſteuergeſetes
und die Wewerkungsſäte
für Sachbezllge allgeiltein verboppelt
vorben.
(7606
fur eingelueit wirb auf die Wekannt=
machung
u. 30, B. 1923 Bezuctk geitomtierf.
Darmſtadt, 14. Septeitber 1023.
Fiuanzamt
Darmſtadt Viadt.
Geutlſe Elutrilge Iit dad Haudels=
reniſter
II bei der Firiteit: Joſef Keipa
* Uo., Wleſellſchaft mit beſchräukter
Haftung, Darmſtadt: Die Geſentſchaft
iſt aufgelöſt. Blonys Kollmann, Kauſ=
mann
in Darmſtadt, iſt Piuidator.
Gilddeutſche illnswverke, (leſelſwhaft
mit beſchriukter Haftuna, Barin=
ſtabt
: Wuchhalter Lubwit Gappel in
Darmſtadt iſt zum Wroruriſtei beſtellt
verart, baß er berechtigt iſt, die Geſeil=
ſchaft
geiteinſchaftrich uift einent ( dle=
ſchafteführer
ober einent anbereit Mra=
kuriſten
zu verkreteif.
(7501
Barinſtabt, beit 12. Sept. 1020.
Matsgerlcht Biuriuſtabt I.
Da8 Aufahrent bwfr 100 WUgnnuns
aualzſchotter und 15 Manuuns nüali-
arus
, ſoldie die Mnliefernna von
W0 sbernt zualzſaud auf bie Wreisftraſie
Darmſtadt-Kranſchſtein folk auf beur
Abege bes bffentrichent Angeboie vergebein
wverben.
Bile Webingungen Tegeit Iit beit Ule=
ſahdftercument
bes Hintergeichneteit, Meckar=
ſtraßte
1, nu beit Worinittagent uſſeil.
Schriftktihe Wugebute werbei big uan=
tag
, beit 94. I. Muts., voriittags 10ühe
eigegengereriert.
(760A
Bmriſtadt, beit 13. Seiteiber 10A3.
Der obers Manbenmie bei ber
Kreisverialtnna.

Von der Meiſe zuriiche!
Dr. A. Tretrop
waht. Tierarzt
5ilgelſtrahe un
Hel. 1270.

meit Führwerſt
geht in wütsſter Heil
wieberh.
Jac Fraukſurt,
Weitabangwiassiten
aueß für witetranast
aNdg
ertottuſcht.
Peter Walter
Witer wiheilgerlwen
Ferufde. BPYA

Aufthuter 1. Mihe untigr
FaMtr iit eHtDr IG A0Hch.
neheilt wverbeit.
WWtelnthertwelr FIgo5
Siteihfttnbeit in
Fesarfort w. Maten
Meute Miakugerstr. V
Ru. (Uinterinine
vrilcke), jeben wittte
Mwwih duft H1 Uihv,
Spezinfatzl
II, HHert. Zienelveih
früher Dre Miberte)t

Oeut

ind
W

[ ][  ][ ]

Antergmtmmgsviätt une Mauenftennng

Nummer 37

Darmſtädter Tagblatt

16. September 1923

6oo
Ke

Deutſche Gegenwartsſchriftſtellerinnen.
Von Dr. Ella Menſch.
KK.
Clara Blüthgen.
Wir würden in eine Sackgaſſe geraten, wollten wir heute die
Jungen und die Alten nach ihren Kalenderjahren von einander
unterſcheiden. Im Grunde genommen gibt es nur ſtarke und
ſchwache Kräfte in der Literatur. Und gar vieles, was mit dem
Anſpruch auſtritt: Ich bin die Jugend, mir alſo gehört die
Zukunft! trägt oft einen ſo greiſenhaften Zug an der Stirn, daß
die ganze Zukunft zu einem frühen Sterben wird, wogegen die
ſcheinbar Alten ſich eine Lebensfriſche wahrten, die ſie immer
wieder jung erſcheinen läßt. Zu dieſen möchte ich im gewiſſen
Sinne Clara Blüthgen rechnen. Ihre Romane und Erzählungen
ſind keineswegs immer bis ins Einzelne hinein durchgefeilt, ver=
ſagen
auch zuweilen bei der Durchführung der Charaktere, ſind
aber doch ſtets mehr als Alltagskoſt.
Auf dem Gebiet der Liebe und der Ehe liegt die ſchrift=
ſtelleriſche
Stärke Clara Blüthgens. Dem alten Thema weiß ſie
immer neue Geſichtspunkte abzugewinnen. Ganz vorzüglich iſt
die Darſtellung des Menſchen in dem Buch Zwiſchen zwei
Ehen‟. Der noch junge und eigentlich in glücklicher Ehe lebende
Mann, der freilich für ſein braves Ehegeſpons nicht mehr die feu=
rige
Zärtlichkeit der erſten Jahre empfindet, wird von einer ganz
raffinierten Kokette, die, nach einer ſchon ſtark angekränkelten Ver=
gangenheit
, plötzlich von der Anſchlußpanik ergriffen iſt, zur Schei=
dung
und zweiten Heirat gedrängt. Ganz ausgezeichnet, mit
größter Beobachtungsſchärfe entwickelt die Verfaſſerin vor den
Augen des Leſers dieſen Gimpelfang, der an einem Mann voll=
zogen
wird, der im Geſchäftsleben ſehr gut ſeinen Poſten ausfüllt,
nichts weniger als ein verliebter Narr iſt und der doch in dem
ſpäten Rauſch, der ihn befällt, keinen Vernunfteingebungen mehr
zugänglich iſt. Die Kinder aus erſter Ehe, die der Vater doch
nur ſchweren Herzens aufgibt, tragen zum Teil die Koſten dieſer
Verirrung.
Als die Blüthgen ſich unmittelbar nach dem Weltkrieg daran
machte, unter einem Decknamen (Gagliardi) die Dichtermalerin
Hermione von Preuſchen vorzuführen, unerſtützte ſie bei
dieſer Aufgabe ſehr weſentlich der Umſtand, daß ſie mit der ver=
ſtorbenen
Künſtlerin jahrelang befreundet geweſen war und die=
ſer
ſchon bei Lebzeiten einige Kapitel ihres Romans vorgeleſen
hatte. Die Umwelt der Preuſchen, ihre Ausſtellunghallen, ihre
Villa in Lichtenrade bei Berlin, die exotiſchen Feſte, die ſie in
dieſen Räumen gab, all das iſt entſchiedem in einem der Her=
mione
von Preuſchen ebenbürtigen warmen und leuchtenden
Kolorit gehalten aber ein Letztes bei der Begründung dieſes
Frauenſchickſals, das mit einem ſeltenen Reichtum von Gaben
ausgeſtattet, in der Kunſt doch nicht das Höchſte erreicht hat, iſt
Clara Blüthgen uns ſchuldig geblieben. So auch manchen lie=
benswürdigen
Zug im Weſen der Preuſchen, der die Menſchen
immer von neuem anzog, die der Blumen= und Stillebenmalerin
ſchon in ihrem Darmſtädter Jugendland nahe getreten
waren. Letzthin hat Clara Blüthgen einen Roman Götzen=
dienſt
(Union, Deutſche Verlagsgeſellſchaft, Stuttgart) ver=
öffentlicht
. Dieſe Geſchichte einer Leidenſchaft, als Ganzes nicht
ſehr erquicklich, in einzelnen Teilen mit blendender Virtuoſität
gemalt, hie und da getragen von einer fortreißenden Kunſt der
Sprache, weiſt eine pathologiſche Unterſtrömung auf. Die Heldin
Jutta, obwohl ſie im Eingang friſch und urwüchſig anmutet, kann
man kaum noch zu den geiſtig Geſunden rechnen, wenn ſie in
ihrem erotiſchen Taumel Unklugheit auf Unklugheit häuft. Faſt
immer führt es zur Kataſtrophe, ſobald dies naturgemäße Ver=
hältnis
von Werben und Umworbenſein ſich verſchiebt, ſobald die
Frau als Jäger, der Mann als Wild auftritt. Im Blüthgen=
ſchen
Götzendienſt iſt dieſer Mann, ein berühmter, ſchon
in reiferen Jahren ſtehender Rezitator, noch zum Ueberfluß ein
Menſch, der alle erotiſchen Emotionen durchgekoſtet hat und für
große Leidenſchaftsſtürme kaum mehr zu haben iſt. Dieſer gar
nicht ſo ſeltene Typ, der im winklichen Leben häufiger vorkommt
als der des nimmerſatten Don Juan, iſt von der Blüthgen an=
ſchaulich
herausgearbeitet worden. Im Drama hat ſich Clara
Blüthgen nicht nur verſucht, ſondern iſt auch aufgeführt worden,
was bei einem weiblichen Autor beſonders zu unterſtreichen wäre.
Der Einakter Am Tage der goldenen Hochzeit ſtreift

Sage nicht, daß Du geben willſt, ſondern gieb;
Die Hoffnung befriedigſt Du nie.
Goethe.

die Tragödie des alternden Mädchens, das alle ſeine perſönlichen
Neigungen den mit den Jahren immer egoiſtiſcher werdenden El=
tern
hat opfern müſſen und ſo um ſein eigenes Leben gekommen
iſt. Dies iſt zum mindeſten die Anſicht all der Weltkinder, die an
der Ueberzeugung feſthalten, daß wir in erſter Linie für uns da
ſind. Und das führt uns zu einer anderen Schriftſtellerin:
Gabriele Reuter,
die am Ausgange des 19. Jahrhunderts mit dem Tendenzroman
Aus guter Familie einen ſogenannten Bombenerfolg er=
zielte
und gut und gern mit Lord Byron ſprechen konnte: Eines
Morgens wachte ich auf und war berühmt! Dieſe Berühmtheit
hat auch vorgehalten, wenngleich die Schriftſtellerin mit keinem
anderen Buch wieder den Reſonnanzboden fand wie mit ihrem
Erſtling, der Gedanken und Stimmungen zum Ausdruck brachte,
die damals in der Luft lagen. In den letzten Jahrzehnten iſt der
Typus des verkümmerten, um Jugend und Lebensinhalt betro=
genen
Mädchens aus guter Familie, das hundert Standesrück=
ſichten
zu nehmen hat, eigentlich verſchwunden: Auf die Paſſivität
iſt in der Frauenwelt eine große Aktivität gefolgt.
Gabriele Reuter hat ſich verſchiedenen anderen Problemen
zugewandt. Da ſie keine Fabuliſtin mit unbegrenztem Stoffkreiſe
iſt, greift ſie nur das auf, was ſie ſelbſt innerlich beſchäftigt und
ihrem unmittelbaren Erfahrungskreiſe angehört. So hat ſie
jüngſt eine Jugendgeſchichte Das große Stadtkind ge=
ſchrieben
es iſt wohl die Entwickelungsgeſchichte des eigenen
Kindes, die einen ſonnigen Humor ausſtrahlt. Nicht die übliche
Backſiſchgeſchichte, auch nicht die erheiternden Flegeleien der Ber=
liner
Range, wenn ſchon hie und da auch von ſolchen die Rede
iſt. Das Ganze wird getragen von einem ſo herrlichen, geſunden
Wirklichkeitsſinn, daß man gerade als erwachſener Menſch und
beſonders als Jugenderzieher ſeine helle Freude an dem Buch
haben kann, in dem auch das ſchöne, ſtolze Berlin aus der Kaiſer=
zeit
ſeine Rolle ſpielt.
Durch welche Entwickelungsſtadien die Verfaſſerin als Weib
wie als Künſtlerin, gegangen iſt, welche geiſtigen Prozeſſe ſie
durchgemacht hat, erzählt ſie uns in ſchlicht vornehmer Weiſe in
der Selbſtbiographie Vom Kinde zum Menſchen, die zu=
gleich
ein Zeitſpiegel iſt, in dem wir noch einmal das Bild des
alten Deutſchland gewahren, das dem Einzelnen wohl auch ſein
Sorgenpäcklein auflud, nebſt Verhältniſſen und Hemmungen, die
zu überwinden den Nichtdurchſchnittsnaturen keineswegs immer
leicht wurde, in dem doch aber des Lebens Güter gleichmäßiger
verteilt, der Tiſch für Alle gedeckt war. Wie unendlich viel an
Bildungs= und Erholungsmöglichkeiten ſich früher auch die Leute
mit ſehr beſcheidenen Mitteln leiſten konnten, erzählt faſt jedes
Kapitel der Reuterſchen Erinnerungen. Es iſt gut, daß ſolche
Bücher auf den Markt gelangen; ſie erteilen gleichſam An=
ſchauungsunterricht
.
Carry Brachvogel.
Die ſympathiſche Schilderung, die Ernſt von Wolzogen in
ſeinem Erinnerungsbuch Wie ich mich ums Leben brachte von
dieſer Münchener Schriftſtellerin und ihrem Kreiſe entwirſt, wird
ihr als Menſch wie als Fabuliſtin in vollem Maße gerecht. Sie
verdient einmal Beachtung als Eſſahiſtin, Verfaſſerin von Mono=
graphien
und zweitens als Romanſchriftſtellerin. Ihre Art, ge=
ſchichtliche
Perſönlichkeiten, namentlich Frauen, unter die Lupe
zu nehmen, iſt, wenn auch abbiegend von dem Stil ſtrenger hiſtori=
ſcher
Forſchung, von einem eigenen Charme. Man könnte von fran=
zöſiſchem
Eſprit ſprechen, wenn nicht letzten Endes doch deutſche
Gewiſſenhaftigkeit die oberflächliche Plauderei in angemeſſenen
Schranken hielte. Wie ſie das enge Hirn und die liebebedürſtige
Seele der katholiſchen Maria von England ableuchtet, die ſich
mit ihrer Brandfackel als Werkzeug Gottes erſchien und in dem
ſpaniſchen Philipp den geliebten Heros erblickte, zeigt von großem
pſychologiſchen Spürſinn. Dieſen findet man auch in den kleinen
Büchern über die Pompadour und die Zweite Katharina von

Rußland, die ſich wie flotte, pikante Novellen leſen, ohne dabei
etwa den Eindruck des willkürlich Erdichteten zu hinterlaſſen.
Unter den Romanen der Brachvogel möchte ich den Preis zuer=
kennen
dem in dieſem Jahr erſchienenen Buch. Das Haus
mit dem goldenen Giebel‟. Er iſt ein Theaterroman,
der dieſer reich ausgebauten Gattung eine neue Note zuführt,
weil er ſich mit der Pſyche der ringenden, kämpfenden, ſich durch=
ſetzenden
und auch wiederum ſcheiternden Schauſpielerinnen be=
faßt
, unter Geſichtspunkten, die doch eben nur wieder einer Frau
geläufig ſein können. Die beiden Frauen: Anna und Irma, die
eine ihrer Veranlagung nach im bürgerlichen Leben mehr
Soubrette, die andere nach dem Muſter der Sentimentalen ge=
formt
, ſind von der Verfaſſerin gut geſchaut und konſequent
durchgeführt. An der bitteren Logik der Tatſachen drückt ſich das
Buch nicht vorbei. Lichter und Schatten ſind in ihm entſprechend
verteilt.

Wiſſenſchaft und Technik

nk. Fortſchritte im motorloſen Flug. Das Problem des
müheloſen Segelfluges der Vögel war lange durch die rapide
Entwicklung des Motorfluges in den Hintergrund gedrängt, aus
dem es erſt durch die Erfolge im Segelflug von 1920 und 1921
(Rheinſegelflugwettbewerb) wieder mehr hervortrat. Zur Er=
klärung
der dabei beobachteten, ſo merkwürdigen Phänomene
wurden zahlreiche Theorien aufgeſtellt, die W. Klempner im
Taſchenbuch für Flugtechniker und Luftſchiffer von Moedebeck
(Verlag M. Krayn, Berlin), in Umriſſen andeutet. Jedenfalls
dürfen wir auf eine baldige experimentelle Löſung des Segel=
flugproblems
hoffen und die regen Beſtrebungen in dieſer Rich=
tung
werden ſicher auf die Entwicklung des ſchwachmotorigen
Kleinflugzeuges von nachhaltigem Einfluß ſein. In techniſcher
Beziehung iſt das Ergebnis von 1922 die abſolute Ueberlegenheit
aller ſolchen Konſtruktionen, welche ärodynamiſch jedes Raffine=
ment
verwenden, alle Vorſprünge und Lücken in glatten Luft=
abflußlinien
vermeiden und den Wiederſtand auf alle nur mög=
liche
Art zu vermindern wiſſen. Wenig iſt aber noch geklärt die
Frage nach der günſtigſten Flügelform und vorteilhafteſten
Steuerungsmethode. Für ärodynamiſch hochwertige Flugzeuge
ſcheint nach allem die Möglichkeit für dauernden Segelflug nach
einiger Uebung anſpruchsloſer zu ſein, als man früher glaubte,
und ſo wäre aller Grund vorhanden zu einer rapiden Entwick=
lung
des motorloſen Flugweſens.
Dr. B. I.

Der Naturfreund

nk. Blattläuſe und Schmetterlinge. Die Vorliebe der
Ameiſen für die ſüßen Ausſcheidungen der Blattläuſe ſind be=
kannt
. Daß auch Schmetterlinge von Blattläuſen befallene
Bäume aus dieſem Grunde, wie eben die Ameiſen, in großer
Zahl aufſuchen, darauf macht neuerdings Julius Stephan
in der Natur aufmerkſam. Stephan erzählt von einem wilden
Kirſchbaum, der über und über mit Faltern bedeckt war. Es
waren hauptſächlich Eulen aus den Gattungen Agroris und
Hadena. Wie ſich herausſtellte, war der Buſch ſehr ſtark von
Blattläuſen heimgeſucht. Die ſüßen Ausſcheidungen der Aphi=
den
ließen ſich die Falter nun gut ſchmecken, wobei ſie allerbimgs
nicht wie es bei den Ameiſen der Fall iſt mit den Blatt=
läuſen
in unmittelbare Berührung kamen, ſondern nur den auf
den Blättern zurückgelaſſenen (und von einem vorher nieder=
gegangenen
Regen gelöſten) Saft ſchlürften. In Ungarn haben
ſich Schmetterlingsſammler dieſer Tatſache ſchon lange bei ihrer
Liebhaberei bedient. Schon am Tage bezeichnete man Bäume
und Sträucher, an denen Aphiden in größerer Anzahl lebten.
Die Ameiſen dienten hierbei als Wegweiſer. Abends wurden
dieſe Stellen aufgeſucht. Der Sammler kletterte wohl auch auf
den Stamm hinauf, wo er ſich anfangs einige Minuten im
Finſtern ruhig verhielt, um die durch die Erfchütterung ver=
ſcheuchten
Falter ſich wieder ſammeln zu laſſen. Dann wurde
ein Licht entzündet, bei deſſen ſchwachem Schein man die unge=
betenen
Gäſte der Blattläuſe fing. Als vorzügliche Fundorte er=
wieſen
ſich Weidenbäume, insbeſondere ſolche, die nahe am
Waſſer ſtanden.

Abrechnung.
Skizze von Robert Rothe.

* Jedenfalls haben Sie in der ganzen Organiſation des
paſſiven Widerſtandes eine ſolche Umſicht und Energie bewieſen,
daß Ihnen nicht nur der Dank unſerer Geſellſchaft, ſondern der
unſeres ganzen Vaterlandes gebührt. Mein lieber Herr Matthies,
wir werden Ihnen das niemals vergeſſen! Ich möchte Ihnen nur
wünſchen, daß Sie von den perſönlichen Strafmaßnahmen unſerer
Feinde verſchont bleiben möchten. Bitte, nehmen Sie ſich doch
noch eine Zigarre. Sie fahren mit dem letzten Hochbahnzug zu
Ihrem Hotel? Ach, da haben Sie noch eine gute halbe Stunde
Zeit. Freilich iſt es ſchon ſpät geworden und Sie werden von
der langen abenteuerlichen Reiſe ermüdet ſein. Famos, wie Sie
ſich da durch die Verkehrsſperre geſchlagen haben! Aber ich möchte
gern, daß Sie noch bis zum telephoniſchen Anruf unſerer C.= Fi=
liale
bei mir bleiben. Da hören Sie gleich das Neueſte aus dem
beſetzten Gebiet, vor allem, ob die Verkehrsſperre wiederum ver=
längert
wird. Muß Sie doch ſchließlich intereſſieren. Wo waren
Sie eigentlich während des Krieges? fragte der Generaldirektor

lötzlich.
Ingenieur Matthies bedauerte, darüber wenig Heldentaten
rzählen zu können; ſchon Mitte 1915 ſei er in franzöſiſche Geſan=
genſchaft
geraten, nach Algier transportiert, beim Wegebau ver=
vandt
, bis ihm dann, nach zwei Jahren martervollſten Daſeins,
e Flucht geglückt ſei unter phantaſtiſchen Umſtänden, auf
nem ſpaniſchen Handelsdampfer.
Na, da haben Sie ja den franzöſiſchen Charakter ſchon da=
tals
am eigenen Leibe zu fühlen bekommen. Ja, ſo etwas ver=
gißt
man nicht! Aber Sie, als Weſtfälinger, habens mit Ihrer
Zähigkeit ſchließlich noch leichter geſchafft als ſo mancher andere.
Telephon? Ja das wird C.=Filiale ſein. Leute ſind von einer
abelhaften Pünktlichkeit, ſagen ſich, daß man doch ſchließlich auch
einmal ſchlafen muß, aber doch nicht ruhig ſchlafen kann, wenn
nan nicht weiß, wie’s an der Front ſteht. Halloh! Ja hier
Zeneraldirektor Zumbuſch. Bitte ich ſchreibe. Eine Welle
jiefen Mißmuts lief ſogleich über ſein Geſicht. Das iſt ja un=
glaublich
! Weiter bitte ſo hatte ich längſt befürchtet ſcha=
det
nichts was? noch einmall gleich zehn Mann vom
Zetriebsvorſtand? langſam die einzelnen Namen Teufel
auch ja, das iſt ſehr peinlich ſonſt alles ruhig? Kinder,
nur Nerven behalten! Keine Dummheiten machen! Ja In=
genieur
Matthies iſt eben bei mir. Iſt Müller II ſoweit im
bilde, daß er ſogleich 2 Verſuchen wir’s eben! Es muß
gehen. Danke! Rufen Sie gleich morgen, das heißt heute
früh gegen neun Uhr an! Ich muß dauernd auf dem Laufenden

E H H
Schweiß von der Stirn. Er ſah Matthies mit großen ernſten
Augen an. Ahnte der vielleicht ſchon? Hatte ihn ſeine Stimme
am Telephon verraten? Das beſte war: jener erfuhr es gleich.
Aber in ſeinen Augen ſtand ſchon ſtarr das eine furchtbare Wiſſen.
Ausgewieſen, Herr Generaldirektorks Auch ich?
Zumbuſch nickte ſtumm und reichte ſeinem Mitarbeiter kräftig
die Hand. Zuſammen mit Dann nannte er weitere neun
Namen. Und es war Matthtes, als ob neun ſchwere Erdſchollen,
zu denen er ſelbſt als zehnte kam, auf einen Sarg geworfen wür=
den
. Gott ſchließlich war er ja auf dieſes Schickſal gefaßt ge=
weſen
, hatte es immer ſein müſſen ſeit Wochen. Aber nun, da
es ihn wirklich traf, wollte es ihm faſt wie ein narrender Traum
erſcheinen, aus dem man ſich jeden Augenblick wach kütteln konnte,
ſo man nur wollte.
Wollen Sie hier ſchlafen, Matthies? Wollen wir noch ein
Glas Wein zuſammen trinken? Sonſt ich fürchte, daß Sie
Ihren letzten Zug verpaſſen.
Ich gehe lieber, Herr Generaldirektor. Ich darf morgen
früh gegen neun Uhr wieder hier ſein? Ich muß ſelbſtverſtändlich
weiter arbeiten für uns gegen den Feind!
Ingenieur Matthies kam am Hochbahnhof an, als juſt die
elektriſchen Lichter erloſchen. Vor einer Minute war der letzte
Zug gefahren. Der ganze Weg ja, mit zwei Stunden Wan=
derung
durch die dunkle Nacht würde es wohl kaum zu ſchaffen
ſein. Und ein Auto 2. Schließlich hatte man ſein Geld
jetzt noch mehr denn früher für andere Dinge des Lebens not=
wendig
. Doch der Schlaf. Schon ließ er ſich verleiten, nach der
Halteſtelle der Automobile hinüberzugehen, wo ein Herr mit
einem Chauffeur wegen einer Fahrt zum Askaniſchen Platz am
Anhalter Bahnhof verhandelte. Dieſes Wort fing ſein Ohr auf.
Vielleicht weil er ſelbſt zufällig, in dieſe Stadtgegend wollte,
mußte. Es konnte dem Fremden, der eben nach dem ungefähren
Fahrpreis fragte, doch nur angenehm ſein, wenn er nur die Hälfte
der großen Summe zu bezahlen haben würde, wenn er, Mat=
thies

Schon ſtellte er ſich vor, fragte, ob es erlaubt ſei, mitzufahren
ſelbſtverſtändlich Bezahlung halb und halb. Der andere nickte,
ſtteg zuerſt in den Wagen, der ſogleich anſprang. Laternenlicht
huſchte unheimlich ſchnell über ein Geſicht, das plötzlich dem In=
genieur
irgendwie bekannt vorkam, das er dennoch in ſeiner Er=
innerung
nicht gleich an Zeit und Ort einordnen konnte bis
ſich der Fremde und der gleichzeitig doch ſo gut Bekannte eine
Zigarette anzündete.
Wie wenn ein Menſch aus einer Erzählung, aus meinen Er=
lebniſſen
, die ich im Krieg hatte, von denen ich vor einer halben

Stunde noch ſprach, Leib und Leben erhalten könnte! ſuchte
Matthies zu begreifen. Dieſes Geſicht, dieſer Schnurrbart, dieſes
ſtehende Grinſen um die Unterlippe ja, ja, das war in Algier
geweſen, zwei Jahre lang das konnte nur der franzöſiſche Feld=
webel
ſein, der brutale Peiniger, der Menſchenſchinder hier
ihm, dem damals Geheinigten, Geſchundenen wie zur Abrech=
nung
in die Gewalt gegeben juſt in der Stunde, da ein Ge=
waltſpruch
dieſes feindlichen Volkes wiederum ſein Leben zu ver=
nichten
drohte! In der Taſche der Revolver wo war der Zeuge,
der nachher das Gegenteil beweiſen konnte, wenn man auf der
Polizei angab: man ſei von einem Franzoſen im Auto ange=
fallen
; im Kampf um die Geldtaſche wäre die Schußwaffe die
letzte Rettung geweſen! Abrechnung! dieſes Wort ſtöhnte
ſtumm in dem Ingenieur auf. Und wie ſein Gegenüber entzün=
dete
auch er ſich eine Zigarette, das Streichholz mit Vorbedacht
ſo lange wie möglich brennen laſſend.
Der Franzoſe zuckte zuſammen. Er hatte geſehen er hatts
erkannt. Er begriff die Gefahr. Er ſchien die Gedanken zu er=
raten
, die hinter der entſchloſſenen Stirn ſeines ehemaligen Ge=
fangenen
aufgeſtiegen waren. Er verſuchte, das Fenſter zu öff=
nen
, dem Chauffeur ein Haltl Halten! zuzurufen. Eine eiſerne
Fauſt legte ſich um ſein Handgelenk. Er begann zu ſtottern. Er
fing an zu zittern. Er ſtammelte etwas von Gerechtigkeit.
Verachtung ließ Matthies den Gegner freigeben. Gerechtig=
keit
oh dieſes Wort war, wie oft in jenen fernen, jetzt wieder
ganz nahen Algier=Tagen, von manchem verzweifelten Mund an
das Ohr jenes Feiglings gekommen, der ſich jetzt da in die Polſter
flüchtete, der nichts als erbärmlichſtes Zittern war, der nichts von
dem neuen großen Schmerz wußte, mit dem ſeine edle Nation
gerade eben ſein Opfer von einſtmals bedacht hatte! Bitterſter
Ekel ſtieg in dem Ingenieur auf, der ſeinerſeits jetzt ein Halt!
aus dem Wagen rief, ohne ſeinen Mitmenſchen auch nur eines
Blickes zu würdigen. Abrechnung das war für ihn dieſe Ge=
nugtuung
: ſeinen Widerſacher in letzter Niedrigkeit vor ſich ge=
ſehen
zu haben, jetzt vor Uebelkeit auf die Straße ſpeien zu kön=
nen
und dann ſeinen Weg, allein durch die dunkle Nacht, fort=
zuſetzen
ſeinem Schickſal entgegen. In dem waren das
fühlte er in frohem Vertrauen genau ſo viel helle Sterne, wie
ſie eben hinter der abziehenden ſchwarzen Wolkenwand frei
wurden. Und plötzlich lachte er. Ein Lied hüpfte auf ſeine Lip=
pen
, wie einſtmals in Jugendtagen, da er in ſeligem Sommer
durch die heimatlichen Berge ſeines geliebten Sauerlandes zog.
Einer Heimat, aus der ihn kein feindlicher Machtſpruch ausweiſen
konnte. Wie jene Algierzeit würde auch das Heute ein törichter
Traum ſein. Abrechnung die mochte einem Größeren, Gewal=
tigeren
überlaſſen bleiben!

[ ][  ]

Nummer 37

Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung

Jahrgang 1923

Die Welt der Frau

Was die Eltern bei der Berufswahl ihrer
Kinder berückſichtigen müſſen?

Schwerer denn je laſtet auf den Eltern herangewachſener
Kinder die Sorge um die Zukunft derſelben. Nirgends ſteht
mit Sicherheit feſt, daß der erwählte Beruf auch eine zukünf=
tige
gute Exiſtenz bietet, oder ob nicht mancher Beruf durch neue
wirtſchaftliche Umwälzungen völlig ſeine Exiſtenzberechtigung
verliert. In ihren Gewiſſensnöten klammern ſie ſich deshalb
mit um ſo größerer Zuverſicht an die öffentliche Berufsberatung
in der Hoffnung, daß dieſe ſchon gründlich genug orientiert ſein
müſſe, um dem Jungen, dem Mädel, das vorzuſchlagen, was
für ſie nach ihrer Anlage, Neigung und körperlichen und geiſtigen
Eignung am meiſten in Frage kommt. Sind doch neuerdings
an der Berufsberatung nicht nur Arbeitsnachweis und Innung,
ſondern auch Arzt, Pſychologe und Schule intereſſiert. Da muß
nach Meinung vieler Eltern doch unbedingt das Beſte für ihr
Kind aus dieſer Geſamtarbeit um ſein Wohlergehen erſprießen,
das ihnen die Schwere dieſer Sorge erleichtert.
Seit aber die Zeiten vorbei ſind, da der Junge ebenfalls
das wurde, was der Vater iſt, alſo, wie Hans Sachs ſagt: Der
Vater Schuhe flickt, der Sohn den Leiſten drückt, der Vater ein
Metzger worden, der Sohn von demſelben Orden, ſind aber
auch faſt unzählige neue Berufe erſtanden, nach der Berufswahl=
liſte
von 1907 rund 16 016, darunter Berufe, die zu jenen Zeiten,
als der Vater vor der Berufswahl ſtand, in ihrer Mehrzahl noch
gar nicht exiſtierten. Die meiſten davon ſind den Kindern, den
Frauen daheim mit ihren Anforderungen gar nicht bekannt. Für
den Vater ſind ſie nur eine Quelle des Erwerbs, die Pflichten,
die ſie ihm auferlegen, ſind ihm ſo wenig intereſſant und wich=
tig
, daß er nur ſelten zu ſeiner Familie davon ſpricht. So iſt
denn auch die große Intereſſeloſigkeit der heutigen Kinder am
Berufe ihres Vaters zu erklären. Weiter aber auch die große
Unentſchloſſenheit der Eltern und Kinder vor der Wahl eines
Berufes für dieſe.
Kann aber auch die beſte Berufsberatung die Mithilfe der
Eltern dabei entbehrlich machen? Ja, iſt dieſe überhaupt dabei
zu miſſen? Väter und Mütter, denen das Wohl ihres Kindes
am Herzen liegt, die es allezeit mit ſorgender Liebe umgaben,
es bei ſeinem Tun und Laſſen immer wieder beobachten, lernen
auch an der Art der Betätigung des Kindes ſeine beſonderen
Neigungen kennen. Sie, die, wenn bei der Wahl eines Berufes
berückſichtigt, erſt die wahre, befriedigende und beglückende Be=
rufsfreudigkeit
wecken, ohne die nun einmal ſelbſt der einträg=
lichſte
Beruf ſchal und nichtig für den Ausübenden bleibt.
G. Wolff ſagt denn auch über dieſen Punkt ſehr richtig in der
Erziehungszeitſchrift. Der Elternbeirat (Verlag Kaſſel): Der
Wunſch und der Wille des Kindes muß ſorgfältig beobachtet
und berückſichtigt werden. Es gibt eine Elternliebe, die Kinder
nie ſelbſtändig werden läßt, eine Elternfürſorge, die dem Kinde
den Beruf allein beſtimmt. Auch hier kann ſchwer geſündigt
werden aus Liebe. Da gilt es, ſauber zu unterſcheiden zwiſchen
flüchtigen Launen und wirklicher Neigung, zwiſchen Augen=
blickswünſchen
und ernſtem Willen, und es wird nur der ſein
Kind richtig beurteilen, der ihm Vater oder Mutter in
Erika Menzel.
der tiefen Bedeutung des Wortes war.

C. K. Das ſtärkere ſchwächere Geſchlecht‟. Die Frauen
werden zwar das ſchwächere Geſchlecht genannt, aber ſie er=
weiſen
ſich in vielen Fällen ſtärker als die Männer, die ſich
ſtolz das ſtarke Geſchlecht nennen. Ein englicher Beobachter
Jannart Mortimer hat am Badeſtrand feſtgeſtellt, daß die Frauen
viel kühnere und ausdauerndere Schwimmer ſind, als die Männer,
und daß das weibliche Geſchlecht ſich noch bei der kälteſten Witte=
rung
in die eiſigen Fluten wagt, während die Mäner ſich ſchau=
dernd
in dicke Mäntel hüllen. Er ſtimmt einem alten Fiſcher zu,
der behauptet, die Damen vertrügen das kalte Waſſer viel beſſer
als die Männer, und zieht daraus weitgehende Schlüſſe, die das
ſchwächere Geſchlecht in vieler Hinſicht überhaupt als das ſtärkere
erſcheinen laſſen. Einer der wichtigſten körperlichen Unterſchiede
zwiſchen Mann und Frau ſchreibt er, iſt der, daß der Mann
hauptſächlich aus Muskeln und Nerven beſteht, während die Frau
ſehr viel reicher mit Fett verſehen iſt. Je größer die Fettſchicht
des Schwimmers iſt, deſto weniger wird er durch die Waſſerkälte
beeinflußt und da viele Frauen mehr als 10 % mehr Fett haben,
als der durchſchnittliche Mann, ſo läßt es ſich daraus erklären,
daß die zarte Frauenwelt Kälte ſo viel leichter erträgt. Wir
müſſen uns ja überhaupt von dem Vorurteil befreien, daß Frauen
zarter und empfindlicher ſind als Männer. Jeder Arzt wird
uns verſichern, daß die Frau im Ertragen von Schmerzen ſehr
viel ſtandhafter iſt als das ſtarke‟ Geſchlecht und daß ſie in der
Lebenszähigkeit dem Manne auch weit überlegen iſt. Eine Frau
hat ein leichter erregbaes Herz als ein Mann; ſie ermüdet leichter.
Dafür erholt ſie ſich aber ſehr viel ſchneller als ein Mann, und es
iſt erwieſen, daß ſie unter Schmerzen weniger leidet. Die Stärke
der Frau im Ertragen von körperlichen Qualen, ihre Widerſtands=
kraft
gegen Krankheiten iſt oft betont worden. Ein Schmerz, der
den Mann raſen läßt, wird von der Frau oft geduldig ausge=
halten
. Hat ſie mehr Willenskraft oder iſt ſie weniger empfindlich?
Die Wiſſenſchaft gibt darauf keine beſtimmte Antwort, aber jeden=
falls
iſt das ſchwächere Geſchlecht in vieler Hinſicht das ſtärkere.

Der zeitgemäße Haushalt.
Schnelles Auffriſchen von Geſellſchafts=
bluſen
. Bekanntlich iſt der Hauptreiz duftiger Voile= Chiffon=
und leichter Seidenbluſen ihr klares Ausſehen. Sobald ſie nur
irgendwie angeſchmutzt erſcheinen oder die Spuren längerer Ge=
brauchsdauer
zeigen, nützt auch die ſchönſte Qualitätsarbeit oder
der reizvollſte Durchbruch, Spitzenein= und =anſätze ihrem Aus=
ſehen
nichts mehr. Sie verleihen ihrer Trägerin den Eindruck
der Vernachläſſigung. Deshalb ſollte jede Beſitzerin heller Bluſen
oder duftiger, hellfarbiger Chiffon= und Voileärmel in dunklen
Kleidern unter Jakett oder Mantel unbedingt ein kurzes Schutz=
jäckchen
tragen, das ſie vor Berührung mit dem Innenfutter die=
ſer
Kleidungsſtücke ſchützt, die ja bald auf dunklen, bald auf hellen
Kleidern getragen, leicht etwas Farbe laſſen. Die Reinigung
der hellfarbigen Bluſen und Aermel ſelbſt iſt auf nachfolgende
Weiſe ſehr raſch auch im Hauſe auszuführen. Nachdem etwa vor=
handene
dunkle Beſätze abgetrennt wurden, bereitet man aus
etwa 2 Liter handwarmem Waſſer und 1Eßlöffel Quedlin ( Dro=
gerie
) eine Waſchlauge, die man bis zu ſtarkem Schäumen gut
quirlt. Dieſe gießt man über die glatt in ein trockenes Gefäß
gelegte Bluſe und läßt ſie unberührt zugedeckt ½ Stunde darin
ziehen. Kragen und ſchmutzige Stellen beſtreut man dann leicht
mit dem Pulver, reibt es mit den Fingerſpitzen ins Gewebe, fügt
noch 1 Liter laues Waſſer dazu und läßt noch ¼ Stunde weiter
ziehen. Dann ſchwenkt und drückt man loſe und vorſichtig die
Bluſe im Waſchwaſſer durch, ſpült ſie, bis das letzte Waſſer rein
bleibt, hängt ſie triefend naß auf und wickelt ſie gut abgetropft
in trockene Tücher, um ſie nach einer halben Stunde fadengerade
mit einem mittelheißen Eiſen zu bügeln.
L.
Schleſiſche Birnenkartoffelnalsſättigendes
Mittagsgericht. (Fleiſchlos.) Geſchälte und geviertelte Koch=
birnen
werden mit leichtem Eſſigwaſſer, fingergliedlang Zimt und
2 Eßlöffel heißaufgelöſtem Süßſtoff, ſolange gekocht, bis ſie rot
ausſehen. Inzwiſchen koche man nicht zu mehlige Kartoffeln gar,
gibt die Birnen ohne den Zimt dazu, verdickt das Gemüſe durch
eine kräftige braune Schwitze, aus Speck, Zwiebeln und Mehl
bereitet, ſchmeckt mit dem nötigen Salz ab und reibt zuletzt etwas
Pfeffer darüber.
R.
Speiſezettel.
Sonntag: Weißkrautrollen mit Fleiſchfülle. Birnenkompott.
Montag: Haferſlockenbrei mit geſchmorten Pflaumen.
Dienstag: Linſen.
Mittwoch: Bohnen.
Donnerstag: Möhren mit Kartoffeln.
Freitag: Geb. Prinzeßkartofſeln.
Samstag: Birnenkartoffeln.

Schach

Nummer 18

Aufgabe 35
Joſ. Cumpe in Münchengrätz.
(1. Preis im Turnier der Deutſchen Arbeiter=Schachzeitung 1914)
b c d e
h

Prüfſtellung:! Weiß: Kc2 Da5 Sd7 Ba2 e3 e6 (6);
Schwarz: Kc4 Th5 Lg8 h4 Bc7 d6 e7 g3 g5 g6 (10); 3+,
Schwierig und wunderſchön!
Aufgabe 36
Sam Loyd
Baltimore Herald 1880.
Weiß: Kh1 Dc2 Lb4 c4 Sa3 b3 (6);
Schwarz: Ka2 Tb2 (2).
Matt in zwei Zügen.
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die Schriftleitung
des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift Schach.

Spiel und Rätſel

Figuren=Rätſel Ein Zeppelin

6

93 107 114 106 89 116 91 96 88 94 95 92 97 98 99 100 101 102 110 105 104 90 86 109 84 111 112 1o

Silbenrätſel:
1. Dunajee, 2. Eulbach, 3. Rauſchgelb, 4. Kirſche, 5. Ingwer,
6. Reichenberg. Der Kirchberg
Streichholz=Rätſel.

Rätſel: 556. Kopf, Kropf. 557. Bitterſüß. 558. Erbe.
Zitaten=Rätſel.
Die Unſchuld hat im Himmel einen Freund.

Verantwortlich: Max Streeſe.

Des Herdes geſellige Flamme.

Von Wanda Jcus=Rothe.
* Hul’ mir emol en Well! rief Lisbeth, unſere alte Wirt=
ſchafterin
, mit ihrer greinerlichen Altweiberſtimme, die aber nicht
durch Unglück und Sorgen, ſondern durch eine gewiſſe Angewohn=
heit
ſo verroſtet war. Wir gehorchten nicht immer dieſer Stimme
aufs Wort, aber wenn ſie eine Well verlangte, ſo war das ſchon
eine andere Sache, dann hatte ſie irgend etwas Gutes auf dem
Herd, meiſtens Waffeln, die auf hurtigem Feuer gebacken werden
mußten, wozu ſie dann noch nebenbei einen dreidrähtigen
Kaffee mit köſtlicher Sahne bereitete. Ich ſehe noch immer, wie
ihr rotbackiges Holzapfelgeſichtchen über den zuckenden Flammen
ſtand und wie ſie mit geſchäftigen Händen den ſchaumigen Teig
in die heiße Pfanne tat, daß ein helles Ziſchen durch die Küche
ging. Hul mir emol en Well!
Es war nicht etwa eine Welle Waſſer, die ſie von uns ver=
langte
, ſondern eine Welle Holz. Das heißt: ſo richtig als Holz
galten die Wellen auch nicht; es war Abfall, den die Gemeinde
zu beſtimmten Zeiten um ein Geringes verteilte. Schon im
Walde wurde er klein gehackt, mit Strohſeilen in dicke Bündel
gebunden und mit den Kühen heimgefahren, die Pferde hatten
Beſſeres zu tun. Und nun ſahen die dürren Reiſer, die noch vor
kurzem grün und leicht beſchwingt vom Winde hin und her ge=
trieben
wurden, ſchwarz und düſter genug aus.
Aber von der Poeſie ihrer Heimat im dichten Hochwald, wo
die alten Buchen wie Säulen in einem Dom ſtanden, war ihnen
doch manches geblieben. Wo ließ es ſich ſchöner ſpielen, als in
ſolch einem Reiſighaufen?! Weite Gänge und Höhlen bauten
wir uns hinein und ſaßen geſchützt vor Regen und Wind warm
und weich darin. Auch der Blitz könne nicht hinein, verſicherte
Lisbeth, aber wenn einer Fixfeuer im Sack hätte, dann täte es
der Donner herausſchlagen, daß er gleich auf der Stelle verbren=
nen
müßte. Wir häteten uns denn auch, Streichhölzer mit in
unſere Burg zu nehmen, wie verlockend es auch manchmal war.
Lisbeth war eine ganz Schlaue, aber das erfuhren wir erſt ſpäter.
Jetzt hatten wir noch jeden Tag ein neues Feſt zu feiern; das
ſchönſte, deſſen ich mich noch entſinne, war, als wir die jungen
Katzen tauften, die ihre Alte unter die Wellen geſchleppt hatte.
Dieſes Feſt dquerte drei Tage, die Kinder aus dem ganzen Dorf

amen zuſammen, täglich wurden es mehr, ſogar die von den Köh=
lerhütten
oben im Wald kamen herunter. In den Reiſigwellen
war kein einziges Strohſeil mehr heil, alles befand ſich in einer
wilden Auflöſung, bis Lisbeth zornentbrannt erklärte, wenn jetzt
die miſerable Wirtſchaft nicht aufhöre, trüge ſie die Katzen in die
Bach‟. Das half, und die kleinen Tierchen durften nun ohne
tägliche Taufe, Segen und Kirchenlieder groß werden. Ein ander=
mal
fanden wir ein Neſt mit vielen Eiern, die ein brüteluſtiges
Huhn (nicht ein beuteluſtiges, ſie waren damals noch nicht durch
den Weltkrieg mit nachfolgendem Dollar verdorben) für den
Zugriff der Hausfrau entzogen hatte. Was war das für eine
Freude, als wir die Mutter, Lisbeth und jeden, der es ſehen
wollte, herzuholten! Nachher haben wir’s ſelbſt mit dem Eier=
egen
verſucht, aber da trotz allen Gackerns nichts ins kunſt=
gerechte
Neſt fallen wollte, warfen wir immer einen ſchön gerun=
deten
weichen Wackeſtein hinter uns. Lisbeth jedoch hielt gar
nichts davon und meinte, wir ſollten lieber unſere Aufgaben
machen, als ſolche dummen Dinge treiben. Das waren peinliche
Sticheleien, und ſo unterließen wir das Eierlegen fortan, zumal
ja buchſtäblich nichts dabei herauskam!
An ſchönen Sommerabenden trieb das junge Volk ſeinen
Schabernack um die meiſt an der Giebelſeite der Häuſer aufge=
ſtapelten
Reiſighaufen. Geht ihr aus de Well! wie oft rief es
eine erboſte Alte, deren Leben ſo dürr geworden wie die Reiſer,
in die dörfliche Stille des ſinkenden Sonntagabends. Und dann
erſcholl ein Kichern und ein hurtiges Davonhuſchen.
Was haben wir doch mit den Wellen für eine Freude gehabt!
Oben im Hochwald ſtand ein kleines Forſthaus mit einer win=
zigen
Stube und einem noch kleineren Speicher. Auch dort lagen
Wellen aus dürrem Tannenreiſig, in ſo kleinen Bündeln, daß
man ſie mit einer Hand umſpannen konnte. Sonſt könnten ſie
nicht die Leiter hinauf auf den Speicher marſchieren, hatte uns
der Waldarbeiter, der ſie gemacht, mit ſchalkigem Geſicht geſagt.
Herunter kamen ſie nicht von ſelbſt, man mußte ſie holen, aber
kaum im kleinen Kanonenöfchen, ſprühten ſie rote Glut, und das
Kaffeewaſſer ſprudelte, daß die Spritzer wie Klicker auf der hei=
ßen
Platte tanzten.

Und ein Haufen Wellen im Herbſte in den Kartoffelfeldern.
Wie hat er gen Himmel geloht, und wie köſtlich ſchmeckten die

Krumbieren, die in ſeiner Aſche brieten! Auch Spießbraten
wurde auf dieſe Weiſe gemacht, nur mußte dann auch in die
lodernde Glut noch etwas Buchenſcheitholz, ſonſt hielt die Hitze

nicht lange genug. Zwanzig Pfund Fleiſch am Spieße über der
Wellenglut und Kartoffeln, ſoviel das Herz nur begehrte,
darunter, da konnte man lachen.
Und wenn Bine, die Jungmagd, im Winter morgens in
unſer kaltes Schlafzimmer kam, deſſen Fenſter ſo dick gefroren
waren, daß ſie wie mattes Kriſtall wirkten, Hann legte ſie erſt
eine kleine Welle in den Ofen, die brauſte und polterte, daß man
dachte, das Rohr müſſe herausfallen. Da lachte Bine, daß ihre
Zähne mit den Flammen um die Wette blitzten, ſchob noch ein
paar dicke Buchenkloben in den weiten Rachen, ſo daß man nicht
nur Luſt bekam, aufzuſtehen, ſondern auch das Waſchen nicht gar
zu ſchwer fiel. So ganz weit über die Ellenbogen war ja auch
nicht jeden Tag nötig, denn wer ſah es?
Und abends in den Spinnſtuben, wenn wir um die hängende
Petroleumlampe ſaßen, die Alten ſpannen und wir ſtrickten oder
mit glühenden Backen dem Märchenerzähler hinter dem Ofen
lauſchten.

Jetzt wurden keine Wellen gebrannt, die gehörten auf den
Herd in die Küche, jetzt brannte gutes Buchenſcheitholz und
machte die niedere Stube ſo warm, daß der Schweiß von den
Fenſtern rann. Hinter den weiten Schranktüren hoppelten die
Kartoffelſcheiben und Aepfel auf der heißen Platte, und über
dem Ofenrohr, das in der Küche in den offenen Schornſtein ging,
hingen die Schinken und Würſte. Von Zeit zu Zeit ſchob die alte
Bäuerin einen Wachholderzweig in die Kohlenglut; das war gut
gegen allerhand Unglück, aber auch Schinken und Würſte profi=
tierten
von dem langſam verſchwelenden Aroma. Da konnte der
Nordoſt ums Haus toben und den Schnee in dichten Maſſen vor
die Haustür fegen, er kam nur bis zur Schwelle, dahinter war
ſeine Macht zu Ende; Wellen und Buchenholz geboten ihm Halt.
Bis zur Decke, türmte es ſich im regengeſchützten Schuppen.
Zugeſchloſſen wurde er nicht; wer hätte etwas an ſich ſo Wertioſes
wie Brennholz ſtehlen ſollen! Davon hatte ja jeker mehr als
genug; die Kohlen, die eine kleine Fabrik aus Saarbrücken be=
kam
, waren ſo tief verachtet, daß ſie kein Menſch anſah. Sie
lagen unter freiem Himmel, nur die Schweine, die täglich daran
vorbeitrieben, taten ſich manchmal gütlich daran. Für dieſe
Schweinerei hauten wir ſie aber mit dem Beſen, wenn wir es
ſahen, nicht, weil wir die Kohlen vor ihnen retten wollten, ſon=
dern
, weil wir fürchteten, ſie könnten ſich mit dem ekelhaften
ſchwarzen Zeug den Magen verderben.

be, berg, bir, er, er, frei, ge, ge, grin, i, ich, hen, le, lie, lig, lo, luſt,
man, mit, mon, nach, neu, rath, ſer, tag, tel, ters, trau, un, und.
Obige Silben ſchreibe man in die Felder des Zeppelin, ſodaß
die wagrechten Reihen Wörter von folgender Bedeutung enthalten:
1. Oper von Wagner. 2. Berühmter Berg in Salzburg. 3. Deutſcher
Dichter. 4. Schmetterling. 5. Zwei, die vereint vieles können. 6.
Gebirge in Pr.=Schleſien. 7. Tageszeit. 8. Kleines Raubtier. 9.
Baum. Die Anfangsbuchſtaben nennen etwas, das auf dem
Papier ſchon lange beſteht, deſſen Uebertragung in die Wirklichkeit
aber den Flugzeugen vorbehalten bleibt.
Carl Deubel.
Darmſtädter Silbenrätſel.
bern, burg, dan, e, e, e, ga, gie, lu, mi, nenz, on, re, re, rung, ta,
ti, ton, vo.
Aus vorſtehenden Silben ſind 6 Wörter von folgender Bedeutung
zu bilden: 1. Franzöſiſcher Revolutionsheld. 2. Geiſtlicher Ehren=
titel
. 3. Organ der Staatsgewalt. 4. Italieniſche Hafenſtadt. 5.
Andere Bezeichnung für politiſchen Umſturz. 6. Berühmte Burg
bei Bad=Kreuznach.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben ergeben, beide von oben nach
unten geleſen, ein altes Darmſtädter Herkommen, das auch in
jüngſter Zeit wieder geübt wurde.
Th.
Buchſtaben=Scharade.
Der Erſte macht ein geiſtiges Getränk zum Tier,
Der Zweite ein Papier zur ſauern Frucht,
Der Dritte was Abwechslung ſchafft aus Körnerfrucht,
Der Vierte was uns ſehr erfriſcht, zur Zier,
Der Fünfte einen Körperteil zu dem, was Lind’rung ſucht.
Das Ganze macht aus Teilchen, winzig klein,
Was jedermann gar köſtlich ſchmeckt und fein.
Carl Deubel.
Auflöſungen.
Zahlenrätſel.
3
2