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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 250
Montag, den 10. September 1923
186. Jahrgang
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Aufruhr, Streik uſw., erliſcht jede Verpflichtung
auf Erfüllung der Anzeigenauſträge und Leiſtung
von Schadenerſatz. Bei Konhurs oder gerichtlicher
Beitreibung fält jeder Rabatt weg. Bankkonto
Deutſche Bank und Darmſtädter 8 Nationalbank
Paris, 9. Sept. (Wolff.) Nach Havas hielt Poincaré
heute bei der Einweihung eines Kriegerdenkmals in Damvillers
eine Rede, in der er u. a. ſagte:
„Wir würden ſicherlich Verrat üben an dem letzten Willen
dieſer Gefallenen, wenn wir nichtheute von Deutſchland
vollſtändige Reparation der Schäden verlangen
wür=
den, die es hier und in ſo vielen anderen Gegenden Frankreichs
unterzeichnet wurde. Wir warten noch immer darauſ, daß
Deutſchland leiſtet, was es uns ſchuldig iſt. Es zwang uns
nicht nur durch Ausflüchte als ſchlechter Schuldner, ſelbſt
Pfän=
der zu ergreifen, ſondern auch die Haltung, die es nach unſerem
Einrücken ins Ruhrgebiet annahm, war für ſeine eigenen
Ju=
tereſſen verhängnisvoll. Es brauchte, anſtatt uns in lohaler
Weiſe Lieferungen anzubieten, die es an uns auszuführen in
der Lage geweſen wäre und ſtatt ſich mit uns zu verſtändigen,
wie wir von ihm verlangten, um die regelmäßige Leiſtung
die=
ſer Lieferungen ſicherzuſtellen, unſinnige Summen, um den
Widerſtand zu organiſieren, der, wie es glaubte, uns
entmutigen mußte, über den wir aber nach und nach
triumphie=
ren und der von ſelbſt zuſammenzubrechen beginnt.
Wenn der Reichswirtſchaftsminiſter v. Raumer oder der
deutſche Finanzminiſter verſichern, daß es für Deutſchland
eine finanzielle Sanierung nur nach Beendigung des Kampfes
im Ruhrgebiet gibt, ſo darf man ihnen alſo die Antwort geben,
daß, wenn dem ſo iſt, ſie dieſe Heilung in der Hand haben. Sie
müſſen nur noch aufhören, Milliarden Mark ins Nuhrgebiet zu
werfen, um die Arbeiter zum Streik zu ermutigen. (!) Sie
brau=
chen nur noch der Bevölkerung die Freiheit zu geben, ihren
eige=
nen Neigungen zu folgen. Dieſe Bevölkerung wünſcht nur zu
arbeiten, ſich mit uns wegen der Lieferungen, die uns geſchuldet
werden, zu verſtändigen. Ich höre allerdings, daß der neue
Reichskanzler uns jetzt andere Pfänder vorſchlägt, als das
Ruhr=
gebiet und die Eiſenbahnen des beſetzten Gebiets, aber
wir ziehen es vor, etwas in der Hand zu haben, als einer
Sache nachzulaufen.
Die Garantien, von denen man da ſpricht, würden der
allgemei=
nen Hypothek auf ſämtlichen Beſitz des deutſchen Staates, die der
Verſailler Vertrag den Alliierten gibt, nichts hinzufügen. Wir
ziehen die poſitiven Pfänder, die wir in der Hand haben, vor
und werden ſie nicht gegen generelle Pfänder freigeben, die
viel=
leicht auf dem Papier ausgezeichnet wären, deren Ertrag uns
aber entgehen würde. Wir wollen Realitäten, und
wirwerdenerſtabziehen, wennwir bezahlt ſind.
Streſemann erklärt nachdrücklich, daß ein enges
Zuſam=
menarbeiten zwiſchen einander ergänzenden Induſtrien
Deutſchlands und Frankreichs eine ausgezeichnete Einleitung zur
Regelung der Reparationen und zu einem endgültigen
Friedens=
ſtatut wäre. Schon im Dezember 1922 ließ Cuno mir durch den
Botſchafter Verhandlungen mit deutſchen Induſtriellen
anbie=
ten, um Abmachungen mit franzöſiſchen Induſtriellen
vorzuberei=
ten. Es trifft allerdings zu, daß die Induſtrien der beiden
Län=
der, da Deutſchland Kohlen, wir Eiſenerz fördern, eines Tages
ein Intereſſe daran haben werden, ſich miteinander zu
verſtän=
digen. Aber die Franzoſen, die an dieſen wirtſchaftlichen
Unterhaltungen am meiſten intereſſiert ſind, haben
begrif=
fen, daß ſie, bevor ſie an deren Vorbereitung gehen, der
fran=
zöſiſchen Regierung Zeit laſſen müſſen, bezüglich des
Reparationsproblems Sicherheiten und reale Ergebniſſe zu
er=
langen.
Die Frage, die alle anderen beherrſcht, die Frage, die in
erſter Linie alle unſere Sorgen erfordert, iſt in der Tat der
Wie=
deraufbau unſerer zerſtörten Gebiete. Wenn wir ſehen, daß
Deutſchland aufrichtig entſchloſſen iſt, dieſe Fragen zu regeln,
uns für unſere Sicherheit etwas anderes als Verſprechungen
zu geben, dann werden wir ohne Voreingenommenheit die
Mög=
lichkeit ins Auge faſſen, Wirtſchaftsverträge abzuſchließen. Aber
dann möge Deutſchland beginnen, ſein Verhalten zu ändern und
endlich guten Willen zu zeigen. Dann möge Deutſchland
auf Vorwände und Zweideutigkeiten verzichten. Dann möge
Deutſchland ein= für allemal ſich entſchließen, ernſthafte
Anſtren=
gungen zu machen und ſich in die Lage zu verſetzen, ſeine
Schul=
den zu bezahlen! Bisher haben wir nicht feſtſtellen können, daß
ſeine Abſichten ſich in fühlbarer Weiſe geändert hätten. Der Ton
hat ſich geändert, aber das Lied iſt das gleiche geblieben.
Wenn die deutſche Regierung ſich einmal damit beſchäftigen
würde, die Korreſpondenz von Thiers mit dem Grafen Saint=
Valier und Manteuffel nachzuleſen, dann würde ſie beſſer
be=
greifen, wie eine Nation, die die beſte Abſicht hat, ſich von ihren
Verpflichtungen zu befreien, ſich betragen kann und muß.
Deutſchland ſteht am Kreuzweg.
Wenn es ſich retten will, iſt dazu noch Zeit, wenn es weiter bei
ſeinen Methoden bleibt, dann wird es Kataſtrophen auf
ſich herabziehen, für die wir nicht verantwortlich
ſein werden.
Eine zweite Rede Poincarés.
Paris, 9. Sept. (Wolff.) Poincaré hat heute Nachmittag
in Houdainville bei der Enthüllung eines Kriegerdenkmals
einte zweite Rede gehalten, worin er die Anklage gegen
Deutſch=
land, ſeine jetzige Notlage ſelbſt geſchaffen zu haben, wiederholte,
um mit der folgenden Erklärung zu ſchließen:
An die Bedingungen, die wir öffentlich geſtellt haben, iſt nicht
zu rühren. Sie ſind wiederholt von den franzöſiſchen Kammern
gebilligt worden. Es hängt weder von der gegenwärtigen noch von
einer anderen Regierung ab, ſie abzuändern. Die Deutſchen, die
glauben, daß der franzöſiſche Miniſterpräſident anſpruchsvoller iſt
als ſein Land und die ſeinen Sturz wünſchen, machen eine ſehr
alten Geiſtes eingegeben iſt, der unter dem Kaiſerreich herrſchte.
Bei uns gibt es keine Herren und keine Knechte. Wir ſind eine
freie Demokratie. Bei uns iſt eine Regierung, wie ſie auch immer
ſein möge, nur der Dolmetſch des ſouveränen Volkes. Es hat aber
ein Volk niemals klarer und entſchiedener einen Willen gehabt.
Ich habe das tönende Echo dieſes Willens alle Tage hören
kön=
nen, und nicht nur in den zerſtörten Gebieten, ſondern erſt geſtern
am anderen Ende Frankreichs, in der treuen und patriotiſchen fängnis verurteilte Telegrapheninſpektor Bartſcher in Mainz iſt
drucksvollen Empfang bereitet hat. Was Frankreich will, iſt, be= laſſen worden.
Vom Tage.
Der ehemalige deutſche Reichskanzler Wirth und Abgeordneter Haas
ſind von Moskau wieder nach Berlin abgereiſt.
Wie der Deutſche Buchdruckerverein mitteilt, iſt die Schlüſſelzahl für
das deutſche Buchdruckgewerbe ab 8. September auf 240 feſtgeſetzt
wor=
den. Gleichzeitig ſind die Zahlungs= und Lieferungsbedingungen dahin
abgeändert worden, daß Rechnungsbeträge nach der am Tage der
Zah=
lung geltenden Schlüſſelzahl zu begleichen ſind.
Verſchiedene Morgenblätter melden aus Mainz: Heute vormittag
anrichtete. Jetzt iſt es mehr als vier Jahre her, daß der Frieden 11 Uhr findet in Bonn ein Kongreß der rheiniſchen Sonderbündler
ſtatt, wobei, wie erwartet, wichtige Beſchlüſſe gefaßt werden ſollen.
Der Kreisverband Oberfranken der Demokratiſchen Partei hat in
Bahreuth ſeinen gut beſuchten Parteitag abgehalten. Abg. Graf v.
Bern=
ſtorff, der den Hauptvortrag hielt, erörterte und unterſtützte die auf
Verſtändigung gerichtete Politik der neuen Reichsregierung.
Die Note der Botſchafterkonferenz wurde dem japaniſchen Miniſter
des Aeußern durch den franzöſiſchen Geſchäftsträger überreicht. Die
griechiſche Regierung wird heute antworten.
Petit Pariſien glaubt zu wiſſen, daß der japaniſche Militärattaché
Oberſt Shibuya von der Botſchafterkonferenz zum Vorſitzenden der
grie=
chiſchen Kontrollkommiſſion in Ausſicht genommen worden ſei.
Kommiſſar Bucharin teilte in einer Volksverſammlung in Tiflis mit,
daß der ſchnelle Fortſchritt in der Geneſung Lenins die Aerzte überraſche.
Allerdings mache ſein Zuſtand noch einige Ruhe notwendig.
zahlt zu werden. Es hat nach dem Mittel gegriffen, um dieſe
Bezahlung zu erhalten. Frankreich erwartet, daß man ihm
Ge=
nugtuung gibt. Nicht Frankreich iſt es, das weichen
wird.
Berlin, 10. Sept. (Wolff.) Die Rede Poincarés
wird von den Morgenblättern inſofern als ein Fortſchritt
gewertet, als ſie im Ton gegenüber Deutſchland gemäßigter ſei
als die früheren Reden. Sie ſcheine den Weg zu den angebahnten
Unterhandlungen offenhalten zu wollen. Die Blätter ſcheinen zu
wiſſen, daß der Reichskanzler ſehr bald Veranlaſſung nehmen
wird, ſich dazu zu äußern, wie es zu Verhandlungen zwiſchen
beiden Ländern kommen könnte.
Die Rede Poincarés findet in der franzöſiſchen Preſſe
wieder rückhaltloſe Zuſtimmung.
Der Temps findet, daß Poincaré heute wieder in einer
ſei=
ner meiſterhaften Reden die Auffaſſung des ganzen Landes
wie=
dergegeben habe.
Das Journal des Débats hält das Gerücht von einem
bevor=
ſtehenden deutſchen Verhandlungsangebot nach wie vor fehr
wahrſcheinlich erklärt aber, daß jeder deutſche Schritt in dieſer
Richtung zwecklos ſei, wenn er nicht von der Erklärung begleitet
ſe, daß der paſſive Widerſtand bedingungslos aufgegeben
werde. Frankreich müſſe, bevor es mit Deutſchland verhandeln.
könne, zunächſt einen Beweis des guten Willens Deutſchlands
haben. Sei dieſer Beweis erbracht, dann ſei die franzöſiſche
Re=
gierung bereit, jeden deutſchen Vorſchlag wohlwollend in
Erwä=
gung zu ziehen.
Die Journée Induſtrielle konſtatiert mit großer Befriedigung,
daß die wirtſchaftliche und finanzielle Zerrüttung den
Separa=
tismus im Rheinland Rieſenfortſchritte machen laſſe. Dieſer
Erfolg ſei weit weniger der franzöſiſchen Politik als vielmehr
dem finanziellen Wahnwitz des Kabinetts Cuno zu danken, das
von der Geſchichte einſt den Namen „das Kabinett des nationalen
Selbſtmordes” erhalten werde. Da die Rettungsaktion, die das
Kabinett Streſemann eingeleitet habe, keinerlei Ausſicht auf
Er=
folg habe, ſo würde das Rheinland unfehlbar und ſchneller als
man vielleicht erwartet, Frankreich in die Arme fallen. Das Blatt
richtet an die Regierung die Mahnung, rechtzeitig alle
Vorberei=
tungen für dieſen Augenblick zu treffen, wenn ſie nicht großen
Schwierigkeiten aller Art und insbeſondere einem neuen Konflikt
mit England ſich ausſetzen wolle.
Dr. Streſemann und Poincaré.
* Berlin, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Der Reichskanzler
wird Poincaré antworten. In hieſigen politiſchen
Krei=
ſen meint man, daß die Rede Poincarés nicht als eine Abſage
an Dr. Streſemann aufzufaſſen iſt, ſondern daß ſie vielmehr die
Fortſetzung der deutſch=franzöſiſchen Ausſprache ermöglicht. Man
glaubt insbeſondere, eine Mäßigung im Ton gegenüber
Deutſch=
land feſtſtellen zu können, der als Fortſchritt gebucht zu werden
verdiene. Der Hanzler wird in den nächſten Tagen bereits
Ge=
legenheit nehmen, ſich zu der Rede Poincarés und zu der Frage,
unter welchen Umſtänden eine Verſtändigung mit Frankreich zu
erzielen ſein dürfte, zu äußer.
Beſatzung und Separatiſten.
* Eſſen, 8. Sept. (Priv.=Tel.) Wegen der bekannten
Vorfälle bei den letzten Separatiſten=Verſammlungen in
München=Gladbach wurde, wie uns gemeldet wird, der dortige
Oberbürgermeiſter Gielen, die höchſten Polizeibeamten, der
Generalpräſes der katholiſchen Arbeitervereine Deutſchlands,
Prälat Dr. Otto Müller, und der erſte Vorſitzende des
chriſtlichen Metallarbeiterverbandes, Gewerkſchaftsſekretär Bruno
Krawinski, ausgewieſen. Dieſe Ausweiſung iſt der beſte
Beweis dafür, daß die Separatiſtenbewegung eine
von der franzöſiſchen Regierung ausgehaltene Aktion
iſt, wenn auch Poincaré offiziell behauptet, daß die franzöſiſche
Regierung der Bewegung fernſteht.
Eine Pariſer Tartarennachricht.
* Paris, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Die Pariſer Bläter
brin=
gen aus Koblenz eine Meldung, wonach die Ausrufung der
ſelbſtändigen rheiniſchen Republik durch die
Ab=
fallpartei unbedingt bevorſtehe. Die Bläter meinen, daß auch der
falſche Rechnung, die ihnen zweifellos durch den letzten Reſt des Kongreß, der von der Smeets=Partei abgehalten wurde und der
auch von den Vertretern der anderen Parteien beſucht worden
ſei, hochwichtige Beſchlüſſe gefaßt habe.
Aus der Haft entlaſſen.
* Mainz, 8. Sept. (Priv.=Tel.) Der am 14. März von
dem franzöſiſchen Kriegsgericht in Mainz zu 6 Monaten. Ge=
Bretagne, die mir bei meiner Durchreiſe überall einen ſo ein= am 28. Auguſt, nach Verbüßung ſeiner Strafe, aus der Haft ent=
Die Inſlation und ihre Nutznießer.
Von
Dr. Walter Croll=Berlin.
Die Nöte des Tages haben viele Deutſche, die aus der
fort=
dauernden Währungsverſchlechterung Nutzen zogen, verhindert,
zu erkennen, daß es doch eine jämmerliche Situation ſein muß,
in welcher große Teile eines Volkes an dem Tode der
natio=
nalen Währung intereſſiert ſind. Reichskanzler Dr. Streſemann hat
in ſeiner vielbeachteten Rede in Stuttgart am vorletzten Sonntag
das Ziel ſeiner währungspolitiſchen Beſtrebungen dahin
zuſam=
mengefaßt, daß wieder alle Teile des Volkes an der
Feſtigung des Markkurſes intereſſiert werden
müßten. Nun hat der Kanzler allerdings gleichzeitig bekannt
gegeben, daß die deutſche Warenausfuhr in den letzten Monaten
furchtbar abgenommen hat. Die erteilte Ausfuhrgenehmigung
im Monat Mai hatte einen Wert von etwa 610 Millionen
Gold=
mark, die im Monat Juli nur eine ſolche von 105 Millionen.
Trotz des Dollarſtandes von 10 bis 12 Millionen Mark ſind alſo
die deutſchen Gewerbeprodukte auf dem Weltmarkt immer
unver=
käuflicher geworden. Der Geſchäftsmann, der bisher durch jede
neue Dollarhauſſe neue Exportkonjunktur erhielt, hat ſich
inzwi=
ſchen überzeugen können, daß die inländiſchen Produktionskoſten
(Rohſtoffe und Kohlenpreiſe, ſowie Löhne) dem Dollarkurs
folg=
ten wie ein Schatten, und daß die kreditvermittelnden Banken
ſich weigern, ihren Kunden durch Hingabe von billigem Leihgeld
rieſenhafte Inflationsgewinne zuzuſchuſtern. Der Rückgang der
deutſchen Exportfähigkeit bei gleichzeitig ſtark anſteigendem
Dollarkurſe iſt ein Beweis dafür, daß die glänzende
Export=
konjunktur der letzten Jahre nicht echt war, ſondern mit Verluſten
der Kredit=Vermittlungsſtellen bzw. der ganzen Volkswirtſchaft
erkauft werden mußte.
Es wäre töricht, wollte man von dem reformfreudigen
Ka=
binett Streſemann erwarten, daß es innerhalb kürzeſter Friſt den
Neudruck und die Neuausgabe von Banknoten zum Stehen
bringt. Man hat ja gerade dem verantwortlichen Leiter des
deutſchen Währungsweſens, Reichsbankpräſident Havenſtein, den
Vorwurf gemacht, er habe es nicht verſtanden, dem Verkehr die
erforderlichen Mengen von Umlaufsmitteln zuzuführen. Es iſt
auch gewiß keine vernünftige Bekämpfung des Fiebers, wenn
man dem Kranken den löſchenden Trunk verweigert; der
bren=
nende Durſt erreicht vielmehr mit Aufhören des Fiebers von
ſelbſt ſein Ende. Täglich werden alſo noch 60 bis 80 Millionen
Papiermark neu in Umlauf gebracht. Sobald dann die
Bargeld=
panik vorüber iſt, und der derzeitige Bargeldbeſitzer weiß, daß
er ſeine Geldſcheine ruhig zum Zweck von Käufen oder Anlagen
aus der Hand geben und im Bedarfsfalle Bargeld in gewünſchter
Menge bei ſeiner Bank erhalten kann, beſteht Ausſicht auf einen
plötzlichen Rückſchlag der Inflation. In dieſem Augenblick wird
ſich auch die wertſichere Reichsanleihe wirkſam erweiſen, indem
das im Umlauf nicht mehr benötigte Papiergeld in dieſen auf
dem Gegenwert von Dollar lautenden Papieren Anlage ſuchen
wird. Der Zahlenwahnſinn, von dem ſo viele Deutſche in
den letzten Jahren beſeſſen waren, ſcheint ſeinen Höchſtſtand
über=
ſchritten zu haben. Wer ſein Geld wertſicher angelegt hat, wird
nicht mehr frohlocken, wenn der wertſicher gezeichnete Gegenwert
von 10 Dollar ſtatt früher 100 Millionen, einmal 200 oder 300
Millionen Papiermark ausmachen ſollte. Das neue
wertbeſtän=
dige Umlaufsmittel, deſſen baldige Schaffung Dr. Streſemann
in Ausſicht ſtellte, wird das Intereſſe aller Kreiſe der Wirtſchaft
an einer weiteren Entwertung der Papiermark zum Erlöſchen
bringen. Der Kanzler hat recht getan, daß er die Schaffung einer
neuen wertbeſtändigen Währung als das „zweite Ziel” ſeiner
Reformarbeit bezeichnet hat. Das erſte Ziel wird die Schaffung
einer ſoliden Grundlage für dieſe Währung ſein. Die wichtigſten
Mauerſteine dieſer Grundlage werden der Ausgleich in den
öffentlichen Finanzen, äußerſte Sparſamkeit im öffentlichen und
privaten Leben, ſowie ſtärkſte Belebung der inländiſchen
Pro=
duktion ſein. Sobald einmal ſtetige Währungsverhältniſſe bei
uns eingekehrt ſein werden, wird ſich herausſtellen, wie viel
ruhi=
ger ſich unſer Leben abſpielen und wie viel nutzloſe Arbeit uns
dann erſpart bleiben wird.
Eine Reſolution des Gewerkſchaftsbundes.
Der Bundesausſchuß des Allgemeinen Deutſchen
Ge=
werkſchaftsbundes hat ſich mit der gegenwärtigen
wirt=
ſchaftlichen und politiſchen Lage befaßt. Die von dem Ausſchuß
zur Währungsfrage beſchloſſene Reſolution hat
fol=
genden Wortlaut:
„Die Deckung des Etatdefizits durch ſtaatliche Inflation, im
Zuſammenhang damit die private Inflation haben den
Zuſam=
menbruch der deutſchen Finanzwirtſchaft vollendet, die
Verelen=
dung der auf Papiermark ſitzen gebliebenen Volkskreiſe und
da=
mit infolge der geſunkenen Kaufkraft eine kataſtrophale Kriſe der
Volkswirtſchaft herbeigeführt. Die Inflation wird zum
Totengräber der Republik. Die Annahme der
Papier=
mark wird immer mehr verweigert. Das hat ſchon jetzt große
Verſorgungs= und Arbeitsſchwierigkeiten zur Folge. Der Verkauf
von Nahrungsmitteln gegen ein als Werterhalter untauglich
gewordenes Papiergeld vom Land her erfolgt zögernd und
un=
zulänglich, die Preiſe erhöhen ſich, die gewerbliche
Warenherſtel=
lung ſchrumpft auch wegen Unſicherheit des Gegenwertes
zu=
ſehends ein. Die Arbeitsloſigkeit wird vermehrt und zwecks
Um=
gehung der Lohnſummenſteuer noch künſtlich geſteigert. Für
weite, wichtige Volkskreiſe ſchwindet überhaupt die Möglichkeit
der Verſorgung. Die deutſche Wirtſchaft braucht, ſoll eine
allge=
meine Wirtſchaftskataſtrophe vermieden werden, eine neue
wert=
beſtändige Währung. Der Bundesausſchuß des Allgemeinen
Deutſchen Gewerkſchaftsbundes verlangt deshalb die Schaffung
einer wirklichen Goldwährung, weil nur dadurch der
Staats=
haushalt ins Gleichgewicht, die Wirtſchaft wieder in Ordnung
gebracht, die Kaufkraft der Löhne und Gehälter wieder
her=
geſtellt und geſichert werden kann und ſomit die Grundlagen für
eine innere Geſundung geſchaffen werden. Zur Sicherung einer
ſolchen Währung kann nicht der unbeſtimmte Begriff des
geſam=
ten ſteuerbaren Vermögens ausreichen, ſondern es möſſen reale,
in der Macht des Staates gelegene Vermögensobjekte als
Grund=
lage dienen.”
Unſere heutige Nummer enthält den Sport des Sonntags
Zu
Heller Halberg=Hamburg.
In einer ihrer luſtigen Erzählungen aus Alt=Weimar
be=
ſchreibt Helene Böhlau den Kampf eines unglücklichen
Ge=
heimrats mit den Reienlichkeitsbedürfniſſen ſeiner Umwelt, das
heißt, ſeiner Gattin und ſeiner Magd, die den aus Schmutz und
Staub, Schnupftabak und Perückenpuder, Aſche und Ueberreſten
geſetzten Schreibtiſches ihres Gebieters einen „zum Himmel
ſtinkenden Miſthaufen” nenner und mit ihm während der
Ab=
weſenheit des gelehrten Juriſten ihrer Naur gemäß verfahren.
Es mag ein Zeichen der Einehe und der Beweis von der
unbedingten Ueberlegenheit der Frau über das traurige
Manns=
geſchlecht ſein, die wunderſchöne Verbindung von Gelehrſamkeit,
Schnupſtabak, Rauchtabak, Aſche, Perückenpuder und Staub
zer=
ſtören zu müſſen, das Behagen zu verſcheuchen, den ſeenlenvollen
Zuſtand eines unaufgeräumten Schreibtiſches zu vernichten und
an Stelle hiſtoriſch gewordener Arbeitsharmonie kalte Oede,
naſſe Dielen, ohne Sinn und Verſtand zuſammengeraffte
ſoge=
nannte Ordnung zu ſetzen.
Welcher Ehegatte kennte das nicht! Es wäre auch nicht
wei=
ter bemerkenswert, wenn nicht die Magd der Welt gegenüber
Tun und Laſſen nur in dem eizigen Gedanken, die Schmach ihres
Herrn, den ſogenannten „Miſthaufen”, vor den Augen der Welt will die Richtigkeit dieſer Behauptung nicht zugeben, aber ſie
zu derbergen, den edlen und gelehrten Rat vor den Menſchen
draußen als ein Muſter von Sauberkeit und Ordnungsliebe
er=
ſcheinen zu laſſen. Da war kein Opfer und keine Mühe groß
genug.
Helene Böhlau fügt hier den nachdenklichen Satz ein: Nichts
macht den Menſchen mehr Spaß, ſcheint es, als eine Lüge zu
verteidigen, eine Lüge groß zu ziehen, an eine Lüge zu glauben
und glauben zu machen, eine Lüge am Leben zu erhalten, für
eine Lüge zu leben und zu ſterben.”
Dieſe Erkenntnis, aus dem ganz kleinen, altmodiſchen
Aus=
ſchnitt eines Menſchenlebens geboren, iſt ſchrecklich wahr. Zu
mindeſtens 95 Prozent kämpfen die Menſchen der Welt im gro=
Prozent triumphiert dieſe Lüge über die Wahrheit. Man ſagt
zwar oft, daß die Wahrheit letzten Endes doch ſiege daß die
Zeit für den endgültigen Sieg der Wahrheit arbeite. Das mag,
im Endlichen iſt es falſch. Es macht den Menſchen nicht nur ſtarrt und alle Künſte und Finten eines Waffenganges kennt
ſchen eingeboren. Und die Lüge iſt faſt immer Siegerin!
jenigen, die in ihrem Beruf oder beſſer us ihrem Beruſsleben
heraus die größten Skeptiker bezüglich ze3 —— zmaheß der
Ge=
rechtigkeit und Wahrheit im hürgerlichen „=ensko=mpf
gewor=
den ſind, im Leben zwiſchen den Stagten ohne zueitenes noh an
die allein ſeligmachende Kraft der Wahrheit glausen.
Ich ſprach neulich einen nicht unbedeutenden Samburger noch nicht einſehen.
Rechtsanwalt, der innerhalb einer Viertelſtunds folgende zwei
allen Ernſtes, daß über neun Zehntel allex a zbängig gemachten
Prozeſſe falſch entſchieden würden, da die Vahrheit und Ge= zu hewegen und zu ſtreiten, wie alle deine Feinde ringsum!
rechtigkeit faſt niemals in einem Prozeß zum Siege gelange.
Zehn Minuten ſptäer behauptete er in dem auf das Politiſche
geleiteten Geſpräch, wenn wir in unſerem außenpolitiſchen
Den=
keii und Handeln in der bismarckiſchen und wilhelminiſchen
Zeit immer durchaus wahr und aufrichtig geweſen ſeien, dann
wären wir niemals in die Wirren des Weltkrieges
hineinge=
kommen.
Das traunige Fazit des Berufslebens wurde alſo in der
politiſchen Anſchauung ſofort umgeſchaltet und für die Politik
ein Idol aufgeſtellt. Das iſt echt deutſch, aber eigentlich für
einen klugen Mann recht unverſtändlich.
Es gibt kein Volk der Erde, das ſo gutgläubig und naib
ethiſche Werte in ſein politiſches Denken und Handeln
hinein=
trägt, als das deutſche; auch kein anderes Volk der Erde hat
den anſcheinend unbeſiegbaren Drang, an das Dogma vom
Mo=
raliſchen als der Grundlage alles politiſchen Geſchehens zu
glau=
ben. Die anderen Völker ringsum vertreten in der Politik den
Grundſatz des „als ob”, ſie tun nur ſo, als ob ſie einem
Welt=
gewviſſen, einer emminenten Gerechtigkeit und Wahrheit in ihren
politiſchen Handlungen dienten, ſie ſetzen einen edlen Schein für
ihr egozentriſches Sein.
Der Franzoſe gebärdet ſich als der Vertreter einer höher
gearteten „aulture”, während er im Innern franzöſiſcher
Chau=
viniſt und Imperigliſt iſt. Der Engländer ſagt bekanntlich „
Re=
ligion”, wo er „Flanell” meint, der Amerikaner iſt ihm darin
ähnlich und ſetzt neben dieſen ſogenannten „eant” noch die
Be=
tonung ſeiner über alles Europäiſche triumphierenden „
Frei=
heit”, mit der er das verſklavte Europa beglücken zu wollen vor=
gibt. Der Ruſſe wird ſelbſt da, wo er weltrebolutionären
Träu=
men nachjagt, ſehr ſchnell imperialiſtiſch und verſteckt ſeine
all=
ruſſiſche Seele nur recht mühſam und unvollkommen hinter das
Schlagwort einer bald kommenden Weltrevolution, die ihm
aber gar nicht Selbſtzweck iſt, fondern nur Mittel zum Zweck
wird der Aufrechterhaltung der heuugen allruſſiſchen Oeſpotie
einiger Weniger.
Nur der Deutſche, wie früher ſchon immer trägt im
Ver=
trauen auf die künftige Beſſerung ſeines Schickſals den
Glau=
bensſatz vom Sieg und Triumph der Wahrheit über die
allge=
meine Weltlüge vor ſich her. Er verbindet Ethos und Politik in
bewußter Abſicht und Ueberzeugung miteinander, während die
der Lichtputzſchere Tintenflecken und Gelehrſamkeit zuſammen= anderen das Ethos als Propagandamittel benutzen. Jene
ge=
brauchen Namen und Gewand der Wahrheit, um ihr Ziel zu
verſchleiern und zu verbergen, wir ſind immer noch im
poli=
tiſchen Weltwald der Parzifal, der die Wahrheit als ſolche
brün=
ſtig liebt, gläubig umwirbt, freudig bekennt und für ſie allein
kämpfen und ſterben will.
Das mag groß ſein und erhaben, politiſch klug iſt es nicht,
zu einem politiſchen Erfolg hat es noch niemals geführt. Das
Bekenntnis iſt vielleicht heute gefährlich, es wird ſicher verkannt
und mißbraucht, aber trotzdem ſei es geſagt, Macchiavell hat in
ſeiner Schrift „Der Fürſtenſpiegel” mit der Erkenntnis und der
Behauptung doch nicht ganz unrecht, daß eine Voranſtellung
ethiſcher Werte und Forderungen im politiſchen Haushalt von
Uebel ſei, und daß denjenigen, der nur mit ethiſchen Mitteln
unter einer Zwangsvorſtellung ſtände. Sie handelt in all ihrem auf politiſchem Gebiete kämpft, letzten Endes die Hunde beißen.
Die Verſtellung und Heuchelei früherer und heutiger Zeiten
bleibt trotzdem ſehr wahr.
Damit ſoll nadürlich nicht geſagt werden, daß nicht auch im
Politiſchen ewige Wahrheiten und hohe menſchliche, völkiſche und
ſtaatliche Ideale aufgeſtellt werden müßten, nach denen zu
ſtre=
ben für Staat, Volk und Individuum heiligſte Pflicht und
hei=
ligſtes Recht iſt. Aber wie der einzelne Menſch, erdgeboren und
erdgebunden, trotzdem eine geiſtige Flamme in ſich trägt und je
nach Vermögen und Kraft brennen und leuchten läßt, ſo iſt auch
eine Verbindung von irdiſchen Notwendigkeiten und göttlichen
Kräften.
Es erſcheint falſch, dies gefliſſentlich überſehen zu wollen,
ßen und im kleinen für oder um eine Lüge. Zu mindeſtens 98 und in dem ſtaatlichen und politiſchen Kampfe, den wir Politik
neunen, zu dergeſſen oder auszuſchalten, wie eng wir an die niſſe des neuermannten Deviſenkommiſſars, bekannt wurden,
Man geht auch in den politiſchen Kampf mit einem Gegner,
an der Ewigkeit gemeſſen und ihren ewigen Werten, richtig ſein, der bis an den Hals gerüſtet und geſchient iſt, der von Waffen
„Spaß”, wie die Dichterin ſagt, eine Lüge groß zu ziehen, an und zu nutzen bereit iſt, nicht waffenlos wie der reine Tor, ohne
eine Lüge zu glauben und glauben zu machen, es iſt den Men= Kenntnis von des anderen Fechtkunſt oder gar, wie heute den Auslandsbörſen wird in London mit immer hartnäckiger werden=
Deutſchen es gelehrt wir”, mit bewußtem Außerachtlaſſen aller
Dabei iſt es ſeltſam, daß unter den Deutſesen gerade die= kämffeniſchen Regeln, die der andere unbedingt anwendet. Man
ſiegt nicht nur mit dem Blicke biquäugiger Treuherzigkeit und
lockentvallender Milde, man entwaffnet den liſtenreichen Gegner
nicht mit Bruderwort und Güte, zan wird totgeſchlagen.
Das geht den Deutſchen ſeit 1918 ſ:, und er will es immer
Dazum, Deutſcher, wach auf aus dem Traum! Reibe dir
Sätze aufſtellte: Er ſtrach zunächſt über ſeinz Pigris und meinte den Esh=af aus den Augen, greif zu den Waffen, die Natur und
Geiſt dir gegeben, und lern, auf dem politiſchen Kampfplatz dich
Kriegsgerichtsurteiſe.
Kriegsgericht in Trier hat den Regierungsrat Kaehler zu drei
Jahren und den Kreisverwalter Grafen Spee aus Wavern zu
ſechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Wieder ein Bluturteil.
Paris, 9. Sept. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Düſſeldorf hat das Kriegsgericht den Studenten Raabe, der am
4. Auguſt eine Handgranate in eine Abteilung franzöſiſcher
Jäger zu Fuß, die die Wache am Stahlhof übernehmen wollte,
geworfen haben ſoll, zum Tode verurteilt.
Düfſeldorf, 9. Sept. (Wolff.) Der Verteidiger des
Studenten Raabe hat gegen das Todesurteil des
franzöſi=
ſchen Kriegsgerichts Reviſion eingelegt.
Japaniſcher Wiederaufbaubedarf.
* London, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Wie aus Neu=York
ge=
weldet wird, wurde Präſident Coolidge davon in Kenntnis
ge=
ſetzt, daß Japan zum Wiederaufbau des Erdbebengebietes zwei
Monate hindunch je 10 Millionen Dollar benöige. Die
Vereinig=
ten Stacten ſollen ſich bereit erklärt haben, eine beträchtliche
Sume davon zu zeichnen.
Noch keine Entſcheidung in der Währungsfrage
* Berlin. 10. Sept. (Priv.=Tel.) Alle Meldungen und
Gerüchte, die von einer Entſcheidung des Kabinetts über das
Währungsproblem wiſſen wollen, eilen den Ereigniſſen
voraus. Sie erwecken den falſchen Eindruck, als ob bereits eine
grundſätzliche Feſtlegung der verantwortlichen Inſtanzen erfolgt
ſei. Dieſen vielleicht nicht ganz planloſen Ausſtreuungen
gegen=
über iſt äußerſte Reſerve geboten. Es iſt anzunehmen, daß die
grundſätzliche Entſcheidung in der nächſten Kabinettsſitzung am
Montag abend fallen wird.
Finanzierungsprobleme.
Köln, 9. Sept. (Wolff.) In einem Artikel mit der
Ueber=
ſchrift „Neuer Kurs — Das Gebot der Stunde” fordert die „Köln.
Zeitung” im Handelsteil die Regierung auf, gründlich die Frage
zu prüfen, ob die Induſtrie nicht allein in der Lage ſei, auf
Grund der angeſammelten Deviſenbeſtände den Abwehrkampf an
der Ruhr zu finanzieren, da der Staat unfähig ſei, die geſamten
rieſigen Ausgaben dafür zu tragen. Daneben hätten auch die
Banken, ebenſo bis zu einem gewiſſen Grade der Handel, ihren
Anteil an den unbedingt notwendigen Opfern, aufzubringen.
In Verbindung damit müſſe ſchließlich die Bevölkerung den
Ar=
beitern, Angeſtellten und Beamten die Durchhaltung des
Ruhr=
unternehmens erleichtern. Es ſei zu erwägen, ob man nicht von
den Vollbeſchäftigten einen Bruchteil ihrer Bezüge in Form
einer Rhein= und Ruhrſteuer beanſpruchen ſollte. Schließlich
fordert der Artikel Leiſtung von Mehrarbeit bei gleichbleibender,
nenn nötig, ſogar bei verminderter Entlohnung, um dadurch eine
aktive Handelsbilanz zu erzielen, die alsdann jede Notwährung
überflüſſig machen würde.
Berlin, 8. Sept. Wie der „Berliner Börſen=Courier”
mitteilt, brachte die Markbeſſerung in Neu=York viel
Material auf den Berliner Deviſenmarkt. Während noch gegen
4 Uhr nachmittags ein Dollarkurs von 52 Millionen genannt
ein Volk und ein Staat nicht nur etwas Göttliches, ſondern wurde, ging der Dollar gegen 6 Uhr bereits auf 45 Millionen
zurück. Das engliſche Pfund wurde gegen 6 Uhr zu 200
Millio=
nen gehandelt. Als in den ſpäteren Abendſtunden in Berlin
Einzelheiten über die von der Regierung beſchloſſenen
Maß=
nahmen zur Deviſenerfaſſung, insbeſondere über die Befug=
Erde gebunden, wie ſtark wir dem Irdiſchen verſchworen ſind, brach in gewiſſen Spekulantenkreiſen eine wahre Panik aus.
In dem von dieſen Leuten beſuchten Cafs Friedrichſtadt am
Kur=
fürſtendamm wurde der Dollar mit 25 Millionen
ange=
boten.
TU. London, 8. Sept. Die Markverbeſſerung an den
den Gerüchten von bevorſtehenden Ruhr= und
Reparationsver=
handlungen begründet. „Daily Mail” behauptet heute mit
gro=
ßer Beſtimmtheit, in Paris erwarte man in den allernächſten
Tagen eine direkte deutſche Note an die Pariſer und Brüſſeler
Re=
gierung, worin die Eröffnung direkter Ruhrverhandlungen
vor=
geſchlagen würde. Man bereite in Paris alles für eine demnächſt
akut werdende Erörterung der deutſch=franzöſiſchen induſtriellen
Zuſammenarbeit vor.
Genexalgpell der roten Armeen in Sachſen.
U. Dresden. 10. Sept. Mit Wiſſen der Regierung und
in Anweſenheit des Miniſterpräſidenten Zeigner und unter
Teil=
nahme von Regierungsvertretern hielt heute die kommuniſtiſche
und ſozialiſtiſche Selbſtſchutzorganiſation auf der Dresdener
Vogelwieſe ihren ſeit Wochen vorbereiteten Generglappell ab.
Frankfurt a. M., 8. Sept. (Wolff.) Das franzöſiſche Oie Kommuniſten und Sozialiſten übten unter dem Kommando
s Generaliſſimus des Selbſtſchutzes, Stadtbaurat Sierks=
Dresden, der im Krieg Offizierſtellvertreter geweſen war. Nach
etwa zweiſtündigem Exerzieren hielt dieſer eine Anſprache, in der
er under anderem folgendes ſagte: Schon die nächſten Tage
wer=
den zeigen, ob die Republik zu retten iſt oder nicht. Wenn nicht,
ſo behält Streſemann recht mit ſeiner Behauptung, daß das
jetzige Kabinett das letzte iſt, dann kommt nach dieſem Kabinett
das Chaos und damit die Diktatur von rechts oder links. Wir
ſind dazu da, die Diktatur von links zu ſchützen. Wir ſind leider
nur 8000 Mann, aber wvenn nicht bald die große Maſſe der
Ar=
beiter ſich uns freiwillig anſchließt, dann werde ich ſie mit allen
Mitteln herausholen, nötigenfalls mit Gewalt. (Stürmiſches
Bravo.) Es verbleiben den Arbeitern nur noch ganz wenige
Tage Zeit, ſich freiwillig zu melden. Es iſt immer noch beſſer, wir
holen ſie heraus, als wenn die Hitlerbanden das tun. Zwei
Schritte vom Redner entfernt ſtanden die Vertreter der ſächſiſchen
Staatsgewalt, Polizeipräſident Menke und Regierungsrat Lotze,
die in den Beifall lebhaft einſtimmten. Unter den vielen
Hun=
derten Zuſchauern wandten ſich die meiſten empört ab und
ver=
ließen den Platz. Nach Beendigung ſeiner Rede befahl Sierks,
daß die Anweſenden die Kopfbedeckungen abnahmen und ließ ſie
ſchwören: Wir wollen als einige Kameraden feſt zuſammenſtehen,
was auch immer kommen mag.
Der Pädagog der Aufflärung.
(Zu Baſedows 200. Geburtstag, 11. September.)
Des Pädagogen Baſedows derb ungefüge Geſtalt iſt uns
aus Goethes klaſſiſcher Schilderung in „Dichtung und Wahrheit”
bekannt. Unvergeßlich iſt der unaufhörliche Redner mit ſeiner
heiſeren Stimme hier charakteriſiert, der bei all ſeiner
Unrein=
lichkeit an Körper und Kleidung auch noch ewig nach Tabak ſtank,
der ein großer Biertrinker und ſtarker Eſſer war und daneben
der Apoſtel der natürlichen Religion, der weltkluge Prophet eines
neuen Erziehungsideals. Dieſer praktiſche Aufklärer, deſſen letzte
Worte waren: „Ich will zum Wohl der Menſchheit ſeziert
wer=
den!” ſteht im Gegenſatz zu dem ſanften Schwärmer Lavater,
eine ebenſo bezeichnende Erſcheinung jener merkwürdigen Sturm=
und Drangtage, da die moderne Weltanſchauung geboren wurde.
Ueber den abſtoßenden Aeußerlichkeiten Baſedows, wie ſie Goethe
feſtgehalten hat, darf man aber ſeine große Bedeutung für die
Geſchichte der Erziehung nicht vergeſſen. Dieſer Mann, der als
Reformator der Pädagogik auftrat, hat Ideen ausgeſprochen und
verteidigt, die auch heute wieder von unſeren Erziehern erhoben
weiden, hat auf den Spuren Rouſſeaus von der Jugend das
ſchwere Joch genommen, das Jahrhunderte auf ihr aufgebürdet
war. Um die wunderliche Miſchung von Fdegliſten und
Schie=
ber, von genialem Anreger und großem Faulpelz zu verſtehen,
die in dieſem neuen „Lehrer Deutſchlands” lag, muß man ſeinen
Lebensgang kennen. Er war am 11. September 1723 als Sohn
eines Perückenmachers in Hamburg geboren und wohl von
väter=
licher und mütterlicher Seite her erblich belaſtet. Der Vater ließ
ihn ſtudieren; bald mußte er ſich als Hofmeiſter ſein Brot
ver=
dienen und gefiel ſich hier darin, den Knaben das Latein auf
eine neue leichte Weiſe beizubringen. Dieſe pädagogiſchen
Ver=
ſuche führten ihn auf die Erneuerung der
Erziehungswiſſenſchaf=
ten, denen er ſich nun mit ganzer Seele widmete. Rouſſeaus
„Emil” erweckte in ihm den Beruf, der Reformator der Erziehung
zu werden, und mit „Geiſt= und Feuerſchritten” ging er ans
Werk. Seine 1678 erſchienene „Vorſtellung an Menſchenfreunde
und vermögende Männer über Schulen, Studien und ihren
Ein=
fluß in die öffentliche Wohlfahrt” wird von Theobald Ziegler
in ſeiner Geſchichte der Pädagogik als dasjenige Werk bezeichnet,
das ſeit Luthers Sendſchreiben an die Ratsherren die deutſche
Oeffentlichkeit am entſcheidendſten wieder auf die Bedeutung der
Schule hinwies. Was Baſedow forderte, war die Befreiung
des Unterrichts von dem ſeelenloſen Zwang und der
geiſtöten=
den Schematik der letzten Jahrhunderte. Der Erzieher ſollte als
Menſch auf den Menſchen wirken, ihm ſeinen Willen aufzwingen,
aber ohne jede Gewalt. Auf die „Bildung des Herzens” die
Ausprägung des Charakters, legte er den größten Wert. „Nicht
viel, aber mit Luſt,” ſollte gelernt werden, körperliche Uebungen
und Spiele wurden in den Vordergrund geſtellt, weil eine
ge=
ſunde Seele nur in einem geſunden Körper ſich entfalten kann.
Gar vieles von dem, was Baſedow in ſeinen grundlegenden
Schriften ſagte, könnte auch heute geſchrieben ſein und wird noch
heute geſchrieben. Aber die praktiſche Verwirklichung dieſer
ge=
nialen Anſchauungen ließ bei der merkwürdigen Perſönlichkeit
dieſes Erziehers viel zu wünſchen übrig. Fürſt Leopold
Fried=
rich Franz von Deſſau ſchuf ihm in dem Deſſauer Philanthropin
eine Stätte des Wirkens, die ganz Deutſchland, ja ganz Europa
mit größtem Intereſſe beobachtete. In ſeinem „Elementarwerk”,
das nicht nur um der ſchönen Chodowickiſchen Kupferdrucke willen
den Neudruck vor einigen Jahren verdiente, ſchuf Baſedow eine
Kulturgeſchichte des 18. Jahrhunderts, indem er alle die Dinge
aufzählte, die den Kindern allmählich beigebracht werden müßten.
Der Höhepunkt ſeiner praktiſchen Tätigkeit war das große
öffent=
liche Examen, das 1776 ſtattfand. Die Kinder erſchienen ohne Zöpfe
und ohne Halsbinde mit offenem Hals, ſchon in der Tracht die
Befreiung von dem Zwang des Rokoko anzeigend, der die
Kin=
der zu kleinen Greiſen gemacht hatte. Und die Prüfung beſtand
aus — Spielen, bei denen die Kinder in Antworten miteinander
wetteiferten. Das Paradeſtück aber war Baſedows 7jährige
Toch=
ter, das Wunderkind Gmilie, das er ganz nach dem Rouſſeauſchen
Ideal erzogen hatte. Die großartige Neklame dieſer Prüfung
verfehlte nicht ihren Eindruck; ſie half dem neuen Geiſt der
Er=
ziehung zum Siege, und ſelbſt Kant forderte zur tätigen
Unter=
ſtützung des Unternehmens auf. Aber das zügelloſe Weſen
die=
ſes Mannes, der das große Geheimnis gelöſt haben wollte, ohne
Arbeit zu lernen und ohne Anſtrengung tugendhaft zu ſein,
hemmte die Entwickelung ſeiner Anſtalt, ſo daß ſie 1793 zugrunde
ging. Baſedow war zweifellos ein Idealiſt, der für ſeine Sache
ehrlich begeiſtert war und ſelbſt ſeine ſchlimmſten
Uebertreibun=
gen ernſthaft durchführen wollte; aber er war reizbar bis zum
Krankhaften, ungeduldig bis zur Tollheit, und ſo hat er nur die
Samenkörner ausgeworfen in das weite Land der
Menſchen=
erziehung, während andere, die nach ihm kamen, die Saat
pfleg=
ten und zur Ernte brachten. Seine Ideenwelt wirkt fort bis auf
den heutigen Tag.
GK. Eine Statiſtik der Welthandelsflotte.
Die Welthandelsflotte beſtand nach Zahlen, die in „Werft,
Reede=
rei, Hafen” mitgeteilt werden, Mitte 1923 aus 33 507 Schiffen mit
65 166 238 Tonnen. Danach hat ſich die Flotte von Mitte 1929
bis Mitte 1923 um den Tonnagebetrag von etwa 800 000
Ton=
nen vergrößert. Außer Deutſchland und Oeſterreich, die ihre
Handelsflotten durch die Friedensverträge verloren, weiſt nur
noch Griechenland einen Tonnageverluſt gegenüber der
Vorkriegs=
zeit auf. Deutſchland hat gegenwärtig ſchon wieder den
7. Platz in der Reihe der Schifahrtsſtaaten der Welt erobert.
Sein Beſitz an ſtählernen Dampfern und Motorſchiffen hat die
Hälfte des Vorkriegsumfanges erreicht. Die Handelsflotten Eng=
lands, Frankreichs, Italiens und der Vereinigten Staaten
um=
faſſen eine beträchtliche Tonnage, die ehemals deutſch war. Der
Anteil der neuen, in den letzten fünf Jahren gebauten Schiffe iſt
ſehr verſchieden; er beträgt bei den Vereinigten Staaten 573
Prozent, bei Deutſchland 52,6 Prozent, bei Großbritannien
da=
gegen nur 21,1 Prozent. Erheblich zugenommen hat gegenüber
der Vorkriegszeit der Beſtand an Dampfern und Motorſchiffen
über 4000 Tonnen. Die großen Liniendampfer über 15000
Ton=
nen machen etwa 3 Prozent der Geſamtwelttonnage aus.
Konzert.
F.N. Das Theater eröffnete ſeine Pforten wieder mit einem
Beethoven=Abend zum Beſten des Witwen= und
Waiſen=
fonds des Landestheater=Orcheſters. Die 2. Sinfonie leitete ein,
von Balling in feiner Abtönung wiedergegeben, vom Orcheſter
anfangs etwas matt, ſpäter aber mit größerer Wärme
vorgetra=
gen. Es folgte das Violinkonzert, das Adolf Buſch über alles
Lob erhaben ſpielte. Im erſten Satz erſtaunte die kühne
Tempo=
nahme, welche alle zum Hauptthema gehörigen Teile beſonders
ſtraff und energiſch erſcheinen ließ und dadurch den Gegenſatz
zu den zurückgehaltenen lyriſchen Stellen bedeutend verſchärfte.
Den zweiten Satz trug Buſch ſo herrlich vor, daß man kaum zu
atmen wagte, und in wundervoller Friſche erklang der Schlußſatz.
Gehört das Violinkonzert nicht nur zu den bedeutendſten Werken
Beethovens, ſondern auch zu den hervorragendſten Stücken der
Konzertliteratur überhaupt, ſo tritt dagegen das Tripelkonzert
für Klavier, Violine und Cello mit Orcheſter zurück. Zwar
er=
kennt man in allen Einzelheiten die Meiſterſchaft Beethovens,
die bedeutende thematiſche Arbeit und den Reichtum an
Einzel=
ſchönheiten, als Ganzes genommen reicht es jedoch an
Bedeut=
ſamkeit der Gedanken und Geſchloſſenheit des formenden
Wil=
lens nicht an die drei letzten Klavierkonzerte und das
Violin=
konzert heran. Adolf Buſch, Paul Grümmer und Rudolf
Serkin verliehen ihm ein Leben und eine Reichhaltigkeit, wie
man ſie ſonſt in der Wiedergabe des Konzertes kaum hören dürfte.
Ihre ſouveräne Beherrſchung der Technik und des Vortrags ließ
ſie alle Feinheiten des Satzes, jedes reizvolle Antwortſpiel
zwi=
ſchen den Inſtrumenten in einer Weiſe hervorheben, daß auch
Unſcheinbares Bedeutung erhielt. Mit beſonderem Humor und
unbeſorgter Keckheit wurde der Schlußſaß vorgetragen, das
un=
gemein raſche Tempo ſtellte an die Soliſten rieſige Forderungen,
die ſie ſpielend bewältigten. Meiſter Balling begleitete mit
unſe=
rem vorzüglichen Orcheſter in feiner Anpaſſung und in den
lang=
ſamen Sätzen mit prachtvoll weichem Klang. In bezug auf
Phraſierung ſtand beſonders im Violinkonzert nicht alles auf der
Höhe, die wir gewohnt ſind. Das Haus war ausverkauft, und
die Hörer ſpendeten den Künſtlern begeiſterten, nicht enden— —
en=
den Beifall.
1
R
Kte
Rummer 250
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. September 1923.
Seite 3.
Gebühren für Auslandstelegramme.
Stundungsmöglichkeiten.
— Auf Beſchwerden ſeiner Mitglieder über die Höhe der
Ge=
bühren für Auslandstelegramme hat ſich der Zentralverband des
deutſchen Großhandels an das Reichspoſtmimiſterium gewandt.
Das Reichspoſtminiſterium hat daraufhin dem Zentralverband
des deutſchen Großhandels etwa die nachſtehenden Mitteilungen
gemacht:
Die Gebühren für Auslandstelegramme ſind allgemein auf
Goldfrank=Sätzen aufgebaut und müſſen — bis auf ganz geringe
Anteile der Reichstelegraphenverwaltung — an fremde
Verwal=
tungen weitergegeben werden. Bei der Abrechnung mit den
frem=
den Verwaltungen muß entſprechend den Beſchlüſſen des
Madri=
der Poſtkongreſſese von 1920 in amerikaniſchen Dollars gezahlt
werden. Die Reichstelegraphenverwaltung muß alſo für die an das
Ausland zu leiſtenden Zahlungen rechtzeitig Dollardeviſen
an=
kaufen. Das geſchieht jetzt bis zur Mitte jeder Woche, und der
jeweilige Kaufpreis dient als Grundlage für die Feſtſetzung der
Auslandsgebühren in der folgenden Woche. Bei ſprunghaftem
Steigen des Dollars kann die Telegraphenverwaltung der
Auf=
wärtsbewegung immer erſt nach einigen Tagen folgen, ſo daß bei
dem geſchilderten Verfahren Verluſte für die
Reichstelegraphen=
verwaltung und ſomit Vorteile der Telegrammauflieferer
ent=
ſtehen. Fällt andererſeits der Dollar nach Feſtſetzung der
Wochen=
ſchlüſſelzahl, ſo kann dieſe Schlüſſelzahl in der ganzen folgenden
Woche zum Schaden der Auflieferer über den Tageskurſen liegen.
Eine ſchnellere Aenderung des deutſchen Erhebungsſatzes iſt
ver=
waltungstechniſch ſchwierig, doch wird zurzeit erwogen, die
Zeit=
räume, für welche die jeweilige Schlüſſelzahl gilt, weiter zu
ver=
kürzen. Um aber die Telegrammauflieferer, die ſtändig einen
großen Auslandsverkehr unterhalten, in die Lage zu ſetzen, ſich
von dem jeweiligen Erhebungsſatz in Papiermark unabhängig
zu machen, iſt das Reichspoſtminiſterium bereit, ihnen auf
An=
trag zu geſtatten, die aufkommenden Telegraphengebühren
ſtun=
den zu laſſen und ſie am Monatsſchluß in Dollardeviſen zu
be=
zahlen. Die näheren Einzelheiten dieſes Verfahreis teilt die
zu=
ſtändige Oberpoſtdirektion mit.
Tagung des kommuniſtiſchen Betriebsrätekongreſſes.
* Berlin, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Die Kommuniſten haben,
obwohl nach außen hin ein Beſchluß gefaßt worden war, den vom
Miniſter Severing verbotenen Betriebsrätekongreß
fal=
len zu laſſen, es doch vermocht, die Tagung, wenn auch in
be=
ſchränktem Umfange, ſtattfinden zu laſſen. Am Samstag wurden
die Obleute der einzelnen Bezirke benachrichtigt, daß ſie ſich am
Sonntag morgen an beſtimmter Stelle einzufinden hätten. Etwa
500 kommuniſtiſche Betriebsräte fanden ſich ein, die nach Velten
fuhren. Das urſprünglich für den Kongreß beſtimmte
Verſamm=
lungslokal war polizeilich bewacht worden. Hier fanden ſich nur
einige Delegierten ein, im übrigen füllte die kommuniſtiſche
Ju=
gend den Saal, die gegen das Verbot proteſtierte. In Velten
wurde inzwiſchen der Kongreß für eröffnet erllärt. Der
Ver=
ſammlungsleiter erklärte, daß man ſich auch in Zukunft nicht
durch ähnliche Verfügungen des Miniſters Severina abhalten
laſſen würde, zu tagen. Es folgten einige Referate mit den
üblichen Forderungen und Hinweiſen auf Rußland. Das
Ber=
liner Polizeipräſidium hatte inzwiſchen von der Tagung
Kennt=
nis erhalten. Es wurden mehrere ſtarke Abteilungen nach Velten
entſandt. Als dieſe hier erſchienen, löſte ſich der Kongreß ſofort
auf. Gelegentlich eines anſchließenden Demonſtrationszuges kam
es zu Zuſammenſtößen; es wurde jedoch niemand verletzt.
Koglitionskriſe in Bayern.
* Berlin, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Der Berliner
Lokal=
anzeiger meldet aus München: Inverhalb der Koalition der
Regierung ſind Unſtimmigkeiten entſtanden, die in den
letzten Tagen Gegenſtand längerer Ausſprachen unter den
Partei=
führern geweſen ſind. Urſache der Unſtimmigkeit iſt die
Unzufrie=
denheit der Bayeriſchen Volkspartei und der Bageriſchen
Mittel=
partei mit der Führung des Landwirtſchaftsminſteriums durch
den dem Bauernbund angehörigen Miniſter Wurtzlhofer. Es
wird ihm vollſtändige Paſſivität gegenüher der auf dem
Lebens=
mittelmarkt herrſchenden Preisanarchie zum Vorwurf gemacht.
Ob die Differenzen ausgeglichen werden können oder zum
Rück=
tritt des Miniſters führen oder eine Koalitionskriſe zur Folge
haben werden, ſteht noch nicht feſt.
Muſſolinis Pfänderpolitik.
Rom, 9. Sept. (Wolff.) Stefani. Muſſolini hat dem
ita=
lieniſchen Botſchafter in Paris folgendes Telegramm mit der
Weiſung überſandt, es der Botſchafterkonferenz zu übermitteln:
Ich bitte, der Botſchafterkonferenz mitteilen zu wollen, daß
die königliche Regierung von der Note der Botſchafterkonferenz
an Griechenland Kenntnis genommen hat, und daß ſie annimmt,
unter erneuter Betonung ihres Entſchluſſes, Korfu und die
be=
nachbarten Inſeln zu räumen, ſobald Griechenland alle
verlang=
ten Reparationen in vollem Umfange und endgültig
erfüllt haben wird.
Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)
30)
Ein paar Augenblicke lang, die ihm plötzlich endlos ſchienen, ſah
es aus, als wollte es ſtehen bleiben, ſeine weiße Signallaterne
funkelte kalt und drohend, halb dem Boulevard des Capucines
zugewandt, dann flog es wieder vorwärts, hinter dem roten
Auto her, das von der Place de lOpera ein ſchrilles
Signal=
geſchrei ausſtieß. Es war klar, daß das andere Auto nur infolge
irgendeines Verkehrshinderniſſes ſtecken geblieben war und daß
der Plan der Unbekannten geglückt war. Unwillkürlich atmete er
erleichtert auf und wandte ſich ihr dann zu, um ſie zu
beglück=
wünſchen.
Er tat es gerade, zur rechten Zeit, um zu ſehen, wie ihre
Augenlider ſich unter dem Schleier ſchloſſen, während der Griff
um ſeinen Arm ſich plötzlich löſte. Im ſelben Augenblick, in dem
das ſchwarze Auto verſchwand, war die Unbekannte ohnmächtig
geworden!
Der junge Herr ſchlang blitzſchnell und ohne ſichtliche
Ab=
neigung ſeinen rechten Arm um ihre Schultern und zog mit der
andern Hand raſch und behend ihren Schleier in die Höhe. Eine
Waſſerkaraffe ſtand auf dem Tiſch, er tauchte ein
Seidentaſchen=
tuch hinein und führte es raſch über das blaſſe Antlitz neben ſich,
während er mit den Augen die Schönheit verſchlang, die ſich ihm
plötzlich enthüllte. Das Geſicht unter dem Schleier war jung und
ſriſch, aber totenbleich, das Haar unter dem Autohut ſchwer und
ſchwarz. Die Augenbrauen waren gerade und fein in einer
klei=
nen Falte an der Naſenwurzel faſt zuſammenſtoßend, ſo als
wären ſie es gewöhnt, ſich in Befehlen zuſammenzuziehen. Die
Lippen woaren feſt und formvollendet, aber nun beinahe
kreide=
bleich. Welche Farbe die Augen hatten, war unmöglich zu ſagen,
da die Lider noch immer regungslos darüber geſenkt lagen.
„Garcon,” rief der junge Herr, „un ſine — ein Glas Kognak,
aber etwas plötzlich! Sehen Sie nicht, daß Madame ohnmächtig
geworden iſt?”
Während er fortfuhr, ihre Stirn mit Waſſer zu benetzen,
jagten die Gedanken durch ſeinen Kopf. Wer war ſie? Welcher
Nation gehörte ſie an? Die Stimme, die ſo heiß und flehend in
ſein Ohr geflüſtert hatte, hatte ein tadelloſes Franzöſiſch
geſpro=
chen, aber er hatte doch einen fremden Akzent zu bemerken
ge=
glaubt. Was meinte ſie mit ihren Worten, als wäre ich Ihre
Freundin? Sprechen Sie mit mir, als wäre ich Ihre
Freun=
din .. Und was waren das für Feinde, die dieſes entzückende
junge Weſen mitten auf den Pariſer Boulevands verfolgten? Er
erinnerte ſich) plötzlich des Manövers, wodurch ſie ſie überliſtet
Die griechiſche Antwort überreicht.
Athen, 10. Sept. (Wolff.) Die griechiſche Antwort iſt
geſtern mittag der engliſchen und der italieniſchen Geſandtſchaft
übermittelt worden. Griechenland nimmt ſämtliche Forderungen
der Botſchafterkonferenz an, beſteht aber auf ſeiner ſchon früher
an dieſe gerichteten Forderung, die Räumung Korfus ſo
bald als möglich ſicherzuſtellen.
Die Suche nach den Mördern.
Paris 9. Sept. (Wolff.) Nach dem Korreſpondenten des
„Eleftheros Tyzos” in Janina kommen die griechiſchen
Be=
hörden zu der Ueberzeugung, daß das Verbrechen an der
italie=
niſchen Miſſion von Mitgliedern des albaniſchen geheimen
Komitees „Satun” begangen worden iſt, das ſeinen Sitz in
Skutari habe. Man glaube, daß, wenn Albanien die Fortſetzung
der Unterſuchung auf ſeinem Gebiet geſtatten würde, die
Wahr=
heit feſtgeſtellt werden könne. Man hebe hervor, daß die
griechi=
ſchen Epiroten klug genug ſeien, um zu begreifen, daß ihre Sache
durch Ermordung der Grenzkommiſſion nur häte leiden können.
Rom, 9. Sept. (Wolff.) Stefani. Eine Blättermeldung
beſagt: Griechenland ſoll an Albanien ein
Ultima=
tum geſandt haben, worin es innerhalb von fünf Tagen die
Namhaftmachung der für die Mordtat von Janina
Verantwort=
lichen verlangt. Mit dieſem Schritt verſuche die griechiſche
Re=
gierung ihre Politik fortzuführen, um der Verantwortlichkeit zu
entgehen.
Griechiſches Ultimatum an Albanien.
* Rom, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Die Agenzia Stefani teilt
mit: Nach Blättermeldungen hat Griechenland an Albanien ein
Ultimatum geſandt, in dem es binnen fünf Tagen die
Nam=
haftmachung der für die Mordtat in Janina Verantwortlichen
verlangt. Mit dieſem Schreiben verſucht die griechiſche Regierung
ihre Politik fortzuführen, um die Verantwortlichen zu ermitteln.
„Entente cordiale‟.
London 9. Sept. (Wolff.) Lloyd George kritiſierte
heute in einer Rede in Wales ſcharf die Politik Frankreichs. Er
wandte ſich gegen die Geringſchätzung der britiſchen Stärke, die
gegenwärtig auf dem Kontinent wie eine Epidemie um ſich greife.
Dabei wären die Staaten des Kontinents ohne die Intervention
Großbritanniens heute Vaſallenſtaaten. Poincaré habe neulich
in einer Rede angedeutet, daß Deutſchland England vernichtet
hätte, wenn Frankreich nicht geweſen wäre. Würden denn aber,
ſo fragte Lloyd George, die deutſchen Heere zu uns
herüber=
geſchwommen ſein? Napoleon ſei es nicht geglückt, wie hätte es
Kaiſer Wilhelm gelingen ſollen? England habe ein rieſiges
Heer ausgerüſtet, um Frankreich und Belgien vor vollſtändiger
Vernichtung zu retten. Großbritannien ſei nicht ſo ohnmächtig,
wie ſich ſeine Freunde af dem Kontinent einhildeten.
Die deutſche Geſandtſchaft in Japan gerettet.
* Berlin, 10. Sept. (Priv.=Tel.) Der japaniſche
Botſchaf=
ter in Waſhington hat ein Telegramm aus Tokio erhalten, in
dem mitgeteilt wird, daß ſämtliche Mitglieder der deutſchen
Ge=
ſandtſchaft wohlbehalten ſind. Ein Teil des
Geſandtſchafts=
gebäudes wurde zerſtört. Ein von Botſchafter Dr. Solf
einge=
troffenes Telegramm beſtätigt, daß das Eefandtſchaftsperſonal
gerettet wurde. Der deutſche Generalkonſul in Yokohama meldet,
daß der Kanzler des Konſulats Maerkl und der Sekretär
Chriſtian und Familien, die in Kamakurg weilten,
wahr=
ſcheinlich unverſehxt ſeien. Der Botſchaftsrat in Tokio,
Geheim=
rat Trautmann, iſt dort eingetroffen. Die Feſtſtellungen über
das Schickſal der weiteren Deutſchen ſind ſehr erſchwert und
zeit=
raubend, es iſt aber nicht zu befürchten, daß noch mehr Deutſche
in Tokio und Yokohama ums Leben gekommen ſind.
Die Feſtſtellungen über das Schickſal der weiteren Deutſchen
ſind außerordentlich ſchwer und zeitraubend. Es iſt aber kaum
zu befürchten, daß noch mehr Deutſche in Tokio und Yokohama
umgekommen ſind.
Waſhington, 9. Sept. (Wolff.) Die japaniſche Botſchaft
erhielt ein Telegramm aus Tokio, worin mitgeteilt wird, daß
ſämtliche Mitglieder der deutſchen Botſchaft in
Tokio wohlbehalten ſind. Ein Teil des Botſchaftsgebäudes
iſt zerſtört. Ein vom Botſchafter Dr. Solf in Berlin
eingetroffe=
nes Telegramm beſtätigt, daß er, ſeine Familie und das geſamte
Perſonal gerettet ſind.
hatte, und er zitterte, halb aus Beſorgnis für ſie, halb vor
Be=
wunderung für ihre Kühnheit. Wahrhaftig, nicht jede junge
Dame machte ihr dieſe Leiſtung nach! — Sie mußte Freunde in
dem roten Auto gehabt haben — es war ein Privatauto, kein
Taxi, das war ſicher. Was ſollte er tun? Sie verlaſſen oder ſie
zu ihren Freunden bringen? Sie war vielleicht eine ganz
ge=
wöhnliche Abenteurerin . aber ſie war ſo jung und ſchön . . .
und ſein Zug ging um halb neun Allons man mußte . . .
„Ihr Kognak, Monſieur.‟ Der Kellner war halb laufend mit
dem Beſtellten wiedergekommen. „Iſt Madame noch nicht beſſer?
Soll ich einen Arzt holen, Monſieur, oder einen Pharmazeuten?”
Ohne zu antworten, nahm der junge Herr das Kognakglas
und verſuchte, ſeinen Inhalt zwiſchen die halbgeöffneten Lippen
der jungen Tame zu preſſen. Es gelang ziemlich mittelmäßig,
aber kaum hatte das ſtarke Fluidum den Mund der Unbekannten
befeuchtet, als ſie ſich raſch emporrichtete, und die Augen
auf=
ſchlug. Der junge Herr ſah zu ſeinem Entzücken, daß ſie tiefblau
tparen.
„Wo bin ich?” murmelte ſie. „Ah, ich weiß ſchon . . . mir
iſt ſchon beſſer danke, Sie waren ſehr gütig gegen mich .. ."
Der Kellner ſtand noch immer da.
„Soll ich um einen Arzt ſchicken, Monſieur, oder um einen
Pharmazeuten?"
Die Unbekannte ſchüttelte heftig den Kopf und antwortete
ſelbſt auf ſeine Frage.
„Gewiß nicht,” ſagte ſie kurz. „Ich befinde mich jetzt
voll=
kommen wobl. Ich werde bezahlen und gehen.”
Sie machte eine automatiſche Handbewegung nach dem linken
Arm, wie um nach einem Täſchchen zu greifen, aber riß im
näch=
ſten Moment die Augen weit auf und wurde blutrot im Geſicht.
Der linke Arm war leer. War die Taſche irgendwo, dann
offen=
bar im Auto.
Der junge Herr flüſterte dem Kellner raſch zu, ſich zu
ent=
fernen.
„Es iſt gut,” ſagte er. „Kommen Sie wieder, wenn ich
klopfe.”
Er wandte ſich der Unbekannten an ſeiner Seite zu, die von
ihrer Entdecklung ſichtlich halb betäubt war, und lächelte
ehrerbie=
tig und zugleich humoriſtiſch.
„Madame,” ſagte er. „Ihre Flucht aus dem Auto hat
Ihnen keine Zeit gelaſſen, an Ihr Gepäck zu denken. Wenn Sie
es geſtatten, wird es mir ein Vergnügen ſein, Sie als meinen
Gaſt betrachten zu dürfen. Nichts wäre mir lieber, als wenn es
nicht das letzte Mal wäre. Laſſen Sie mich nun wiſſen, was ich
ſonſt für Sie tun kann.”
„Sie ſind zu gütig,” ſagte ſie kurz. „Sie nehmen mich
viel=
leicht zu ſehr beim Wort” — er erinnerte ſich wieder ihrer
eigen=
tümlichen Worte, wie Ihre Freundin! — „Wollen Sie wollen
Sie einen Ring als Pfand für das nehmen, was Sie bezahlen?
Die durchgehende Arbeitszeit.
Eine private und volkswirtſchaftliche Notwendigkeit.
* Die neuen Steuern und letzten Endes dadurch mit
beding=
ten Erhöhungen ſämtlicher Bedarfsartikel haben ſelbſt den
Stumpfſten under uns jäh aus dem bisherigen Dämmerzuſtand
geſchreckt. Zahlen, nichts als Zahlen, mit ſchier endloſer
Kett=
von Nullen hinter ſich, umgaukeln uns vom Erwachen bis zum
Niederlegen.
Zahlen, die wir ſelbſt aufbringen, Zahlungen, die wir ſelbſt
leiſten ſollen. Zu den bisherigen Entſagungen neuer Verzicht;
neue Abſtriche von gewohnten Annehmlichkeiten. Wie, wo und
wann beginnen, das bitter notwendige Gleichgewicht zwiſchen
Einnahmen und Ausgaben herzuſtellen? Das iſt die Frage, die
uns heute alle, ohne Ausnahme, bewegt. Sie hat nicht nur für
den Einzelnen, ſondern in weit höherem Maße auch für die
All=
gemeinheit größtes Intereſſe, und da ſcheint uns jetzt die rechte
Zeit zu ſein, auf eine Gelegenheit hinzuweiſen, die beides,
pri=
vates und öffentliches Sparen, gleicherweiſe verheißt: Die
all=
gemeine Einführung der durchgehenden
Ar=
beitszeit.
Wieſo?. Wir ſehen erſtaunte Geſichter, fragende Mienen.
Gemach. Raſch ſind ihre Vorzüge knapp und ſcharfumriſſen
dar=
gelegt. Dort, wo ſie ſchon eingeführt wurde, kann ſich der
da=
hinterſtehende Privathaushalt mit ſeiner geſamten
Arbeitseintei=
lung naturgemäß anders einſtellen als bei einer Teilung der
Arbeitszeit durch eine Mittagspauſe. Haben verſchiedene
erwach=
ſene Angehörige der Familie, wie es leider heute bei den völlig
unregelmäßigen Arbeitszeiten der Fall iſt, zu verſchiedenſten
Zei=
ten Mittagspauſen, alſo um 12, 1 oder 2 Uhr, und das
Familien=
oberhaupt ſelbſt durchgehende Arbeitszeit, dann erwächſt der
Hausfrau nicht nur ein bedeutendes Mehr an Arbeit, alſo Raub
an koſtbarer Zeit, ſondern, was in volkswirtſchaftlichem Sinne
noch ungleich ſchwerer wiegt, der einzelnen Haushaltskaſſe eine
ganz beträchtliche Mehrausgabe für Feuerungsmaterial; bei den
heutigen Preiſen ſchon in einigen Wochen eine Rieſenſumme. Bei
geteilter Arbeitszeit wird aber auch während des Winters in der
ſtillen Mittagspauſe ungenützt koſtbare Heizung verſchwendet, wie
am Spätnachmittag bei früh hereinbrechender Dämmerung
Un=
ſummen für Licht ausgegeben, die bei allgemein
einge=
führter durchgehender Arbeitszeit beide den
Ar=
beitgebern erhalten blieben.
Die ethiſchen Werte, die bei allgemeiner Einführung der
durchgehenden Arbeitszeit jede einzelne Familie erringen würde,
dürften neben den angeführten großen Erſparniſſen ebenfalls
nicht unerſwähnt bleiben. Die jetzt, bei dem Chaos der
verſchie=
denen Arbeitszeiten, völlig auseinandergeſprengte und in ihren
gemeinſamen Intereſſen zerriſſene Familie bekäme wieder den
gewünſchten Zuſammenſchluß durch die gemeinſam verzehrte
Hauptmahlzeit des Tages. Die ungeſtörte Ruhe, deren ſich alle
erwerbstätigen Glieder der Familie nach beendeter durchgehender
Arbeitszeit erfreuen könnten, würde ganz ſicher auch auf ihre
nächſte Tagesleiſtung äußerſt günſtig einwirken, ſelbſt wenn —
was wir als ſelbſtverſtändlich vorausſetzen — ein Teil derſelben
den Vergnügungen und Zerſtreuungen wie bisher gewidmet wird.
Konzerte, Thegter, Vorträge und ſonſtige feſtliche Veranſtaltungen
könnten bei einheitlich durchgeführter Arbeitszeit ſämtlich
viel früher beginnen und ſchließen, wodurch der
Nachtſchwärme=
rei, dadurch frühzeitiger Entnervung unſerer jungen und älteren
Leute, ein wirkſamer Riegel vorgeſchoben würde. Alſo auch hier,
neben Heizungs= und Lichterſparnis in öffentlichen und pribaten
Lokalen und Vergnügungsſtätten, Unſummen an Geſundheit und
Körperkraft, die unſerem Volke erhalten blieben.”
Wie ſehr unſerem Volke eine Umkehr auf dem heute
beſchrit=
tenen Wege außerhäuslicher Vergnügungsſucht nottut, ſoll hier
gar nicht noch beſonders betont werden. Vielleicht wendet man
uns ein, daß bei der durchgehenden Arbeitszeit und dieſer
an=
gepaßten Tageseinteilung im Hauſe die Kinder in der Familie
zu kurz kommen würden. Daß das nicht der Fall zu ſein braucht,
beweiſt, um nur ein Beiſpiel anzuführen, Holland, wo ganz
all=
gemein die Hauptmahlzeit am Nachmittag nach Beendigung jeder
Berufstätigkeit eingenommen wird.
In Anſehung aller angegebenen Faktoren, zu denen noch die
kommunale Erſparnis für die bisher zu ſtark verlängerte
Be=
leuchtung und Heizung ſämtlicher öffentlicher Gebäude und volle
Beleuchtung der Straßen während der Geſchäftszeiten zu rechnen
ſind, wird wohl der Allgemeinheit einleuchten, daß ein Wechſel
der Arbeitsdauer, alſo Einführung der durchgehenden
Arbeits=
zeit für alle Beteiligten, nur Vorteile bringen könnte. Ob wir
uns daran gewöhnen werden? Nun, wir meinen, darum ſollte
uns nicht bangen, denn „die Gewohnheit nennt er ſeine Amme‟
* X
wie Schiller ſagt.
Sie haben leider recht. Ich muß mein Täſchchen im Auto
ver=
geſſen haben . ..
Sie verſtummte bei ſeinem Blick.
„Madame,” ſagte er kalt, „vorhin, als Sie die Freundlichkeit
hatten, an meinem Tiſche Platz zu nehmen, hielten Sie mich für
einen Gentleman, auf jeden Fall bin ich kein Pfandleiher. Ich
bitte Sie noch einmal, mir zu ſagen, was ich für Sie tun kann —
aber nur, wenn Sie Ihre erſte Auffaſſung von mir beibehalten.”
Es kam keine Antwort.
Er ſah ſie an. Sie ſaß ſtumm, regungslos da, mit geſenkten
Augenlidern. Die Ahnung einer Träne ſchimmerte in ihrem
Augenwinkel. Er wurde gerührt und vergaß ſofort ſeinen kleinen
Groll.
„Madame,” ſagte er raſch und bittend, „verzeihen Sie mir.
„Ich bin ein brutaler Dummkopf. Ich vergeſſe, daß Ihre Nerven
überreizt ſind, obwohl ich ſelbſt einen Teil deſſen mit angeſehen
habe, dem ſie ausgeſetzt waren. Noch einmal, ich bitte Sie um
Eutſchuldigung, und verfügen Sie über mich, gleichviel welche
Auffaſſung Sie von mir haben.”
Zwei Augenlider hoben ſich langſam über zwei feuchten,
tief=
blauen Augen. Ene Träne glänzte noch ganz tief innen, aber ſie
ſchmolz raſch wie Schnee vor einem Frühlingsſonnenlächeln, das
über ihr Geſicht zu huſchen begann.
„Sie haben keinen Anlaß, ſich zu entſchuldigen,” ſagte ſie und
reihte ihm über den Tiſch die Hand. „Ich war dumm und bitte
Sie um Verzeihung. Sie hatten ganz recht, und Sie waren ſehr
gut gegen mich, Sie haben keinen Augenblick an mir gezweifelt —
woher wiſſen Sie ſchließlich, daß ich keine „Verbrecherin bin, die
vor der Polizei durchgeht?”
Er faßte die kleine Hand: in ſeinem Kopfe drehte ſich alles
im Kreiſe. Eine Verbrecherin — woher er wußte, daß ſie keine
Verbrecherin war? Ihr Götter, welche Idee! Er lachte munter
zur Antwort auf ihr Lächeln, wurde aber dann wieder ernſt.
„Madame,” ſagte er, „verzeihen Sie, wenn ich Ihre
Aufmerk=
ſamkeit auf etwas Unangenehmes lenke. Sind Sie denn ſicher,
daß Ihre Feinde in dem ſchwarzen Auo nicht zurückkommen?
Sie ſitzen unverſchleiert an einem der verkehrsreichſten
Boule=
vards von Paris.”
Sie zuckte zuſammen und beeilte ſich, den Schleier
herabzu=
ziehen, konnte ſich aber eine kleine Replik nicht verſagen.
„Sie ſehen mich alſo lieber verſchleiert?”
„Wenn Ihre Wohlfahrt es erfordert. Madame — obwohl
ich ein großer Egoiſt bin.”
Sie knüpfte den Schleier, und er fuhr fort:
„Alſo, was geſtatten Sie, daß ich tue? Ich ſtehe ganz zu
Ihrer Verfügung.”
(Fortſetzung folgt.)
Stadt und Land.
Darmſtadt, 10. September.
Die Durchführung des Reichsmietengeſetzes. Nach den bisherigen
ge=
ſetzlichen Beſtimmungen waren die Hundertſätze im Sinne des
Reichsmietengeſetzes durch die Gemeinden feſtzuſetzen. Um den
Gemeinden Arbeit zu erſparen und eine gewiſſe Einheitlichkeit zu
gewähr=
leiſten, hatte ſich im Kreiſe Erbach die Uebung herausgeſtellt, daß das
Kreisamt nach Anhörung von Vertretern der Gemeinden, der Mieter
und der Vermieter allmonatlich „Richtlinien” herausgab, die der weitaus
überſviegende Teil der Gemeinden des Kreiſes als für ſich maßgebend
an=
erkannte. Nunmehr iſt mit Wirkung vom 1. September an eine
grund=
fätzliche Neuregelung in der Art eingetreten, daß die Hundertſätze
ein=
heitlich für das ganze Land durch das Miniſterium für Arbeit und
Wirt=
ſchaft in Darmſtadt feſtgeſetzt werden. Die Hundertſätze für September
ſind in folgender Höhe beſtimmt worden: a) für Steigerung der Zinſen
500 Proz., b) für die Verwaltungskoſten 299 500 Proz., c) für die
lau=
fenden Inſtandſetzungsarbeiten 9000 000 Proz., d) für die großen
In=
ſtandſetzungsarbeiten 6 000 000 Proz., zuſammen: 15 300 000 Prozent.
Wie wohl für die meiſten anderen Gegenden, ſo wird auch für den Kreis
Erbach die vorgenannte Feſtſetzung eine erhebliche Erhöhung der Mieten
bedeuten. Es muß indeſſen in Betracht gezogen werden, daß die
Hun=
dertſätze, namentlich diejenigen für die laufenden und großen
Inſtand=
ſetzungsarbeiten, den tatſächlchen Verhältniſſen Rechnung tragen müſſen.
Bekanntlieh ſind gerade auch die Preiſe für handwerkliche Arbeiten ganz
gewaltig geſtiegen, ſo daß für die kleinſte Reparatur unter Umſtänden
ſehr erhebliche Summen aufgewendet werden müſſen. Die Neufeſtſetzung
der Zuſchläge ſetzt den Hausbeſitzer in den Stand, die notwendigen
Aus=
beſſerungsarbeiten vornehmen zu laſſen, andererſeits wird der
Hausbe=
ſitzer ſich ſeiner geſetzlichen Verpflichtungen, die Wohnung in einem
ent=
ſprechenden Zuſtand zu erhalten, nunmehr unter keinen Umſtänden
ent=
ziehen dürfen. Es ſteht zu hoffen, daß ſich die Neuregelung, die einen
billigen Ausgleich zwiſchen den Intereſſen der Mieter und der Vermieter
ſchafft, als zweikmäßig erweiſen wird. — Mit Wirkung vom 1.
Septem=
ber d. J. an iſt Gendarmeriewachtmeiſter Hofmann von Hainſtadt
nach Höchſt verſetzt, während nach Hainſtadt Gendarmeriewachtmeiſter
Fröhlich von Darmſtadt ernannt worden iſt.
Reichsbank Darmſtadt. Es ſei auch an dieſer Stelle darauf
hin=
gewieſen, daß die hieſige Reichsbankſtelle, die in den letzten Wochen
ge=
zwungen war, infolge der anßerordentlichen Arbeitshäufung die
Dienſtſtunden bis tief in die Abend= bezw. Nachtſtunden auszudehnen,
mit Rückſicht auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Betriebes und
auf den Geſundheitszuſtand des Perſonals, gezwungen iſt, vorab jeden
Mittwoch und Samstag um 10 Uhr ihre Geſchäftsräume für das
Pub=
likum zu ſchließen. Aus dem gleichen Grunde können die ſich täglich
mehrenden telephoniſchen Anfragen über den Dollarſtand pp., die ſich
im Büro erledigen laſſen, ſoweit ſie nicht aus dem Anſchlag zu erſehen
ſind, nicht beantwortet werden.
—Der Brotpreis mußte wegen der weiteren Steigerung der.
Löhne, des Brenmaterials uſw. abermals erhöht werden. Der
große Laib koſtet jetzt 410 000 Mark, ein Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl 18 000 Mark. (Siehe Anzeige.)
— Darmſtädter Keglerverband. Bei dem geſtern in
Offen=
bach ſtattgehabten Schlußkampf erzielte die Darmſtädter Mannſchaft
2441 Holz, die Offenbacher 2516 Holz. Geſamtreſultat von den beiden
Kämpfen: Darmſtadt 4996, Offenbach 4770 Holz, mithin blieb
Darm=
ſtadt mit 206 Holz Sieger. Beſter Offenbacher: Eſchert mit 265, beſter
Darmſtädter: Hübner mit 269 Holz, der die vom Verband Offenbach
ge=
ſtitete Medaille erhielt.
n. Ferienſtrafkammer. Ein aus ſchnöder Gewinnſucht erwachſener,
höchſt ekelerregender Handel, der aber zum Glück für die dazu
auserle=
ſenen Verbraucher noch im letzten Augenblick vereitelt worden war,
be=
ſchäftigte nunmehr die Berufungsinſtanz. Das Schöffengericht hatte auf
Grund des § 12 Nahrungsmittelgeſetzes die hieſigen Pferdemetzger
Kon=
rad Oerterer und Nikolaus Schmitt zu je 9 Monaten Gefängnis,
ſowie den Landwirt Johann Mehl 3. aus Fehlbach und Pferdehändler
Ludwig Schuſter 3. von Schwanheim zu je 1 Million Mark
Geld=
ſtrafe ev. je 100 Tagen Gefängnis verurteilt, auch Veröffentlichung des
Urteilstenors nach Rechtskraft durch Aushang am Verkaufslokal jener
beiden erſteren Angeklagten bzw. an der Hofreite der letzteren
ange=
ordnet. In Betracht kommt ein dem M. und Schuſter gemeinſam
ge=
hörendes erkranktes Pferd, und deſſen von Oerterer und Schmitt
erwor=
benes, ungenießbares Fleiſch ſollte damals, im März d. J., an Kunden
abgeſetzt werden. Anerkennenswerterweiſe zeigte ſich der bei Schmitt
beſchäftigte Geſelle Karl Oſter weniger weitherzig als ſein Meiſter,
ihn wandelte bei Zerlegung der ſchon in Zerſetzung begriffenen Ware
Abſcheu an, und er veranlaßte das polizeiliche Einſchreiten. Das
be=
ſchlagnahmte und tierärztlich unterſuchte Fleiſch wurde daraufhin
ver=
nichtet und es erfolgte die jetzige Anklage, die ſeitens ſämtlicher
Betei=
ligter beſtritten wird. Schuſter hatte das Pferd in Mehls Stall
ge=
bracht, und dieſer nahm angeblich Notſchlachtung vor, während nach
Anſicht des Sachverſtändigen das Tier krepiert iſt oder im Stadium des
Verendens noch zum Schein den Gnadenſtoß erhielt. Dafür ſpricht u. a.
der blutgefüllte Zuſtand der Venen, und dieſe Umſtände führten zu
übereinſtimmende Rechtsauffaſſung, daß Mehl und Schuſter im Sinne
des § 12 Nahrungsmittelgeſetzes und unter Verſtoß gegen die Fleiſih=
Fleiſchbeſchau entzogenen) Kadaver für 240000 Mark an die zwei
Mit=
angeklagten los. Letztere leugnen ebenſo, die Verdorbenheit des
Flei=
ſches erkannt zu haben, obwohl ſie ja Fachleute ſind und bei den
Ab=
machungen mit jenen die etwa notwendige Verwendung an den
Zoolo=
giſchen Garten Frankfurt a. M. von ihnen ſelbſt hinſichtlich des Preiſes
erwähnt worden ſein ſoll. Hiernach ergab ſich in beiden Inſtanzen die
übereinſtimmende Rechtsauffaſſung, daß Mehl und Schutzer im Sinne
des § 12 Nahrungsmittelgeſetzes und unter Verſtoß gegen den
Fleiſch=
beſchau vorſätzlich das verdorbene, ekelerregende und
geſundheitsſchäd=
liche Fleiſch in den Verkehr gebracht, Schmitt und Oerterer ſich des
gleichen Vergehens im Verſuch (aber ſtrafwürdiger als erſtere) ſchuldig
gemacht haben. Ihre Berufung wurde demgemäß verworfen und nur
das Urteil dahin abgeändert, daß die Geldſtrafen Mehls und Schuſters
auf je 10 Millionen Mark (bei Uneinbringlichkeit mit 3 Monaten
Ge=
fängnis zu verbüßen) erhöht, Schmitt und Oerterer mit Gefängnis
be=
legt wurden. Alle erkannten dies an. — Sehr übel hatte ſich die 20
jäh=
rige, bisher unbeſtrafte Stütze Karoline Wiemer aus Erfelden in einer
hieſigen Stelle bewährt. Schon bald nach ihrem Eintritt daſelbſt im
vergangenen Frühjahr fing ſie mit fortgeſetzter Dieberei an, und der
Wert der ſo entwendeten Schmuckſachen uſw. beläuft ſich nach früheren
Schätzungen auf mehrere Millionen Mark. Es befanden ſich darunter
auch Zwanzig= und Zehnmarkſtücke nebſt Silbermark. In geriebener
Weiſe wußte die Angeklagte teils ſelbſt, teils durch andere an
verſchie=
denen Stellen die Beute (mitunter mittels Urkundenfälſchung)
abzu=
ſetzen, und der hohe Erlös diente ihr zu Anſchaffungen und flottem
Leben. Sie iſt geſtändig und wurde zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.
Reich und Ausland.
Aus den Parteien.
Deutſche Volkspartei. Die Ortsgruppe Darmſtadt der
Deutſchen Volkspartei veranſtaltet am Donnerstag, den 13.
Septem=
ber, abends 8 Uhr im „Städtiſchen Saalbau” eine öffentliche
Verſammlung, zu der bei freiem Eintritt Jedermann eingeladen
iſt. Der Vorſitzende, Landtagsabgeordneter Rechtsanwalt Dingeldey,
wird über das Thema: „Die Regierung Streſemann”
ſprechen.
— Deutſche Demokratiſche Partei, Frauengruppe.
Am Mittwoch, den 12. ds. Mts., nachmittags 4 Uhr, findet ein
gemüt=
liches Zuſammenſein der Frauengruppe ſtatt. Es handelt ſich um die
Feier des 50. Geburtstags von Dr. Gertrud Bäumer. Die Anſprache
hält Frau Direktor Buckſath aus Mainz. Rezitationen von Frau Scheidt
„Der alte Fluch” (Verf. G. Bäumer). Zum Schluſſe politiſche
Erörte=
rungen und Beſprechung der nächſten Veranſtaltungen. Die Feier findet
im Parteilokal, Waldſtraße 45, ſtatt.
Dautſche Demokr. Partei
Organiſationsaus=
ſchuß. Die Mitglieder und Vertrauensleute des
Organiſationsaus=
ſchuſſes werden für Dienstag, den 11. ds. Mts., zu einer dringenden
Sitzung eingeladen, abends 8¾ Uhr im Parteilokal.
Mainz, 9. Sept. Von der Schiffahrt. Der Mainzer
Brückenpegel verzeichnet noch einen Stand von 40 Zentimeter, ſo daß
das Beladen der größeren und mittleren Kähne immer mehr
einge=
ſchränkt werden muß. Die amtlich ermittelte Tiefe des Fahrwaſſers
durch die Koſtheimer Schleuſe beträgt noch 2,30 Meter. Mangel an
Schleppkraft beſteht nicht. Auch eine Anzahl von deutſchen Booten hat
ihre Fahrten wieder aufgenommen. Die Zufuhr engliſcher Kohlen iſt
wieder reger geworden.” Sonſt kommt meiſt Brennholz, Koks und
Stückgut heran. Zu Tal werden in der Hauptfache Kalkſteine,
Eiſen=
konſtruktionsteile und Zement verfrachtet. Mangel an leeren Kähnen
beſteht ebenfalls nicht. Die Frachten haben wefentliche Aenderungen
nicht erfahren. Infolge der Verkehrsſperre iſt das Paſſieren deutſcher
Kähne mit deutſchem Perſonal durch die Höchſter Schleuſe nicht
ſtatt=
haft. Umſomehr herrſcht Nachfrage nach holländiſchem Kahnraum. Die
Schiffahrt auf der Moſel ruht infolge des geringen Waſſerſtandes faſt
vollſtändig. Die Mainſchiffahrt iſt den Verhältniſſen entſprechend noch
ziemlich rege. Die Oberrheinſchiffahrt muß bei dem fallenden Waſſer
eingeſchränkt werden. Verkehr nach Holland iſt reger geworden;
aus=
geführt werden Brückenteile, Steine und Zement.
Mainz, 9. Sept. Einen nicht erwarten Erfolg hatte ein
Mannheimer Viehtreiber, der fünf ſette Schlachtrinder, welche er in
den Viehhof Ludwigshafen verbringen ſollte, unterſchlagen hatte. Er
ließ die Tiere in Ludwigshafen mit der Bahn verladen und wollte ſie
nach dem Saargebiet verbringen, um ſie dort zu verkaufen. Da ihm
keine Weiterleitung nach der Saar genehmigt wurde, mußte er die
Rin=
der in Mainz ausladen. Er beſuchte einen ihm bekannten Viehhändler
und bot ihm die Rinder im Auftrage eines Viehhändlers aus Eberbach
zum Kaufe an. Der Händler ging auf den Kauf ein und ſtellte dem
Viehtreiber einen Scheck (allerdings mit einer Randbemerkung) aus, und
zwar auf den Betrag von 4 Milliarden. Das Vieh nahm er hierauf in
ſeinen Verwahr und ſtellte ſofort den Händler feſt, der das Vieh auf
dem Stuttgarter Wochenmarkt erhandelt hatte. Auch der Polizei machte
er ſofort von dem merkwürdigen Kauf Anzeige. Inzwiſchen kam auch
der rechtmäßige Beſitzer hierher und ſuchte nach ſeinem Vieh, das er
alsbald bei ſeinem Kollegen in Empfang nehmen konnte.
Eine norwegiſche Grönlandexpedition eingefroren.
Kriſtiania. Die norwegiſche Expedition, die im Sommer von
dem geophyſiſchen Inſtitut in Trömſö ausgeſchickt wurde, um in
Weſt=
grönland meteorologiſche Unterſuchungen anzuſtellen, iſt im nördlichen
Eiſe eingefroren. Das norwegiſche Miniſterium erwägt, eine
Hilfs=
expedition auszuſchicken.
Die Arbeitsloſigkeit in Petersburg.
An der Petersburger Arbeitsbörſe wurden am 1. Auguſt 107000
Arbeitsloſe regiſtriert gegen 115 000 Arbeitsloſe am 15. Juli. Die
Ver=
minderung der Zahl der Arbeitsloſen iſt jedoch nur eine fiktive. Der
Rückgang der Zahl der Arbeitsloſen erklärt ſich dadurch, daß die
Ar=
beitsbörſe ſchonungslos ſolche Leute von der Liſte der Arbeitsloſen
ſtreicht, die ſich nicht neu regiſtrieren laſſen.
Deutſche Buchausſtellung in Moskau.
Moskau. Am 3. September iſt in Moskau die deutſche
Buch=
ausſtellung, die vom Leipziger Verband der Verleger und Buchhändler
und der Aktiengeſellſchaft „Meſhdunaronaja kniga”, (internationales
Buch) veranſtaltet wird, eröffnet worden. Die Ausſtellung ſoll eine
Schau über die in den Jahren 1914/1923 erſchienenen deutſchen Bücher
ſein. — Der ſtellvertretende Volkskommiſſar für Außenhandel, M. J.
Frumkin, äußerte Preſſevertretern gegenüber über dieſe deutſche
Buch=
ausſtellung in Moskau, die Einfuhr von Büchern nach Rußland ſei im
Wachſen begriffen. Die Geſchäftsbeziehungen zu Deutſchland feſtigten
und erweiterten ſich. Das augenblickliche Aufblühen des wirtſchaftlichen
Lebens in Rußland zwingt die ruſſiſchen Wirtſchaftler, ſich ſchnellſtens
mit allen Errungenſchaften der Wiſſenſchaft und Technik des Weſtens
be=
kannt zu machen. Die Ausſtellung ſoll auch ein Bild der Entwickelung
des Druckweſens in Deutſchland geben. Die Ausſtellung hat nicht nur
kulturelle Bedeutung, betonte Fromkin, ſondern ſie werde auch
weſent=
lich zur Feſtigung der deutſch=ruſſiſchen Geſchäftsbeziehungen im
Buch=
handel beitragen.
Die amerikaniſchen Frauen in der Induſtrie.
Eine Ueberſicht des Frauen=Bureaus in Waſhington wirft ein neues
Licht auf die Beſchäftigung der Frau in der Induſtrie. Es iſt ſeit 1910
der erſte derartige Bericht. Mehr und mehr treibt die Frau den
Er=
werbsgebieten zu, die vor 25 Jahren von den Männern als
ausſchließ=
liche Domäne betrachtet wurden. Mehr als irgendwoanders zeigen ſich
die Frauen in der Verkehrsinduſtrie. Die 106 625 Frauen, die in 1910
in den verſchiedenen Unterabteilungen dieſer Art beſchäftigt waren,
hat=
ten ſich bis 1920 beinahe verdoppelt. In acht Beſchäftigungen, als Clerk,
Stenographiſtin, Maſchinenſchreiberin, Buchhalterin, Kaſſiererin,
Lehre=
rin, Telephoniſtin und Krankenpflegerin, betrug die Zunahme 50
Pro=
zent oder mehr. In den Handwerken iſt der weibliche Vormarſch weniger
auffällig. Der Bericht führt dies auf die Tatſache zurück, daß die Frauen
zögern, eine vierjährige Lehrlingszeit als Elektriker, Maſchiniſt oder
Tiſchler durchzumachen. Die gelernten Baugewerke ſind faſt die einzigen
Gewerbe die dem Manne noch ein Monopol geben. Die Frauen in
Bun=
desdienſtſtellungen haben ſich, von den Poſtmeiſterinnen ganz abgeſehen,
von N5 auf 652 vermehrt. Es gibt acht weibliche Flieger, 27
Erfin=
derinnen, 41 techniſche Ingenieure und 137 Architekten.
Geſchäftliches.
Die Fleiſch= und Fettmengen wie früher zu beſchaffen, iſt
heute nicht mehr möglich. Da treten Maggi’s altbewährte Erzeugniſſe:
Maggi’s Würze, Maggi’s Fleiſchbrühwürfel, Maggi’s kochfertige Suppen
in die Lücke. Sie ſind billig im Gebrauch. Man achte auf den Namen
Maggi.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, 11. September?
Nach leichter vorübergehender Trübung iſt weiterhin mit weiterem
trockenen Wetter zu rechnen.
Gültige Lebensmittelmarken vom 10.—15. September 1923 einſchl.
Nr. 89 und 90 mit je 800 gr Brot.
(st7411
Verſteigerungskalender. — Dienstag, den 11. September.
Obſtverſteigerung, 1 Uhr nachm., bei Adolf Müller, Hofguß
Georgenhauſen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und Land”
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. A. Fleiſchmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 6 Seiten
Bankgeschaft
Fernsprecher 1308, 1309
11—2PON 2OTN
Aktien / Renten / Deuisen / Sorten
DarfPsotder
1 Luisenplatz
(3478a
Familiennachrichten
Dr. med. vet.
Karl Schuchmann
Käte Schuchmann
geb. Ewald
VERMAHLTE
Darmstadt, 9. Sept. 1923.
Wilhelminenplatz 12.
224
Dankſagung.
Für die Teilnahme und vielen
Blumen bei dem Tode unſeres
lie=
ben Entſchlafenen ſage ich allen
herzlichen Dank. Beſonders danke
ich Herrn Pfarraſſiſtent
Gerſten=
maier und der Heſſiſchen
Auto=
mobil=Geſellſchaft, A.=G.,
Darm=
ſtadt, und allen denen, die mich
wäh=
rend der Pflege unterſtützten. (B7421
Im Namen der Familie:
Anna Stroh, geb. Hoffmann.
Sch reibmaschinen
und sämtliche Büromaschinen
werden rasch und fachmännisch
repariert bei
A. Lächler, Bürobedarf
Darmstadt — Karlstrasse 1
Telephon 1489. (7066a
Sol. Student, älter
Sem., ſucht möbliert.
Zimmer. (1 oder 2
Zeitgem. Bezahlung
Mögl. Nähe
Heidel=
bergerſtr. Angeb. an
N. Stoikoff,
Heidelber=
ſtr. 100, I. (*24515g
Sehr ruhiger Studen=
Ausländer
ſucht 1-2 gut möbl.
Zimmer mit elektr
Licht in gut. Hauſe
geg. hohe Bezahlung
Angebote unt O. 19
Geſchäftsſt, (*2449
Nachruf.
Am 7. September 1923 verſchied im
Diakoniſſen=
haus zu Frankfurt a. M. der langjährige Vorſitzende
und Ehrenvorſitzende unſeres Kreisverbandes und
ehe=
malige Landtagsabgeordnete
Herr
Juſtizrat Calman
fern von ſeiner Heimat und ſeinem jahrzehntelangen
Wirkungskreis.
Die durch ſeine Ausweiſung aus dem beſetzten
Gebiet verurſachten ſeeliſchen Aufregungen und Leiden
haben ſeinen Tod für uns ſo unerwartet ſchnell
her=
beigeführt. Wir bedauern in ihm einen Mann, der
ſowohl in der Deutſchen Volkspartei als auch in der
alten Nationalliberalen Partei des Wahlkreiſes Alzeh—
Bingen lange Jahre hindurch ein von hohen Idealen
beſeelter Führer geweſen iſt.
Seine außergewöhnlichen Geiſtesgaben und ſein
unertüdlicher Fleiß, verbunden mit ſeinem lauteren
und ſelbſtloſen Charakter haben ihm die Wertſchätzung
und Hochachtung weiter Kreiſe über unſere Partei
hinaus eingetragen.
Sein Name wird mit unſeren Wahlkreis für alle
Zeiten unlöslich verbunden ſein,
(7422
Im Namen des Vorſtandes der Deutſchen Volkspartei
des Kreiſes und der Stadt Alzey:
Lindemann, 1. Vorſitzender.
Steno=
typiſtin
durchaus perf. erſte
Kraft, an flott. ſelbſt.
Arbeiten gewöhnt,per
1. Oktober geſucht.
Ang. unt. N 77 a.
die Geſchſt. (7314ds0
Tücht. Waſch= u.
Putz=
frau f. regelmäß. geſ.
Näh. Geſchſt, (*24486
Gardinenwagen,
Mö=
belrolle. Möbelwager
wird tageweis verliehen.
Hügelſtr. 15, Laden (2*
Zahnarzt Dr.
Schifferdeller
1 Gasherd, neu, m.
Tiſch, zu verk. od. geg.
4=räd. Handwagen zu
tauſchen. Zu erfrag.
Geſchäftsſt. (*24490
Rheinſtr. 35, I.
Jagdflinte
hat wied.
Sprech=
ſtund. von 9-12 u. //Selbſtſpanner,Kal. 16,
2½-5½ U. Fern= zu kaufen geſ. (7277t
ruf 868, (umto /! Angebote m. Preis
u. N 47 Geſchäfts
Mehl= und Brotpreiſe.
Wegen der weiteren Steigerung der
Unkoſten wurden die Preiſe für Mehl und
Brot durch die Beſchlüſſe der
zuſtändi=
gen Ausſchüſſe vom 10. ds. Mts. ab wie
folgt feſtgeſetzt:
A. Mehlpreis.
Abgabepreis der Mehlverteilungsſtelle.
Einheitspreis für ſämtliche
Mehlarten für d.
Doppel=
zentner ohne Sackpfand Mk. 15094400
B. Brotpreis.
1. 1600 g Brot . . . . . Mk. 410000.—
2. 800 g Brot. . . . . Mk. 205000.—
3. Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl im Gewicht von
50 g .. . . . . . . . Mk. 18000.—
Darmſtadt, den 7. Sept. 1923.
Lebensmittelamt. (st7412
Kohlenpreiſe der Grube
„Prinz von Heſſen”
Von Montag, den 10. d8. Mts. ab
be=
trägt der Preis ab Grube pro Zentner:
Großſtück. Hausbrandkohle Mk. 3000000
290000
Kleinſtückige
1800000
Induſtriekohle . .
600000
Feinkohle .. .
Für den Preis iſt der Tag der
Zah=
lung maßgebend.
Darmſtadt, den 10. Sept. 1923. (st7398
Verwaltung der ſtädtiſchen
Braun=
kohlengrube „Prinz von Heſſen
bei Darmſtadt.
Teicllate Haigel
bleiben unsere Geschäfte
am 11., 12. und 20. ds. Mts.
Bentänals scschossen
Brillanten
An- und Verkauf
von Edelmetallen
Adolf Aßmus
Schustergasse 16 (lad) Tel. 2300
G. m.
Darmstadter Kaufhaus b.t.
Gebrüder Höslein
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Geschäftshaus U. Rehfeld
Lauer 8 Co., O. m. b. H.
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Otto Nietschmann Macht. bt.
D. Rehfeld 8 Co.
Hermann Rosenthal
G. m.
Joseph Stade Nacnt. bb.
(7420
Ri
7,S. M.
ter:
232.3
Tor
Darmftädter Tagblatt
10. Sept. 1923 Nr. 230
Dedotder Tomägt
Mitteldeutſchland: Weſtdeutſchland 3:0. — Darmſtädter Schwimmkämpfe. — Die Mannheimer Herbſtrennen.
Bezirks=Schwimmen.
— Bei dem geſtern von der Schwimmabteilung der Turngemeinde
1845 Darmſtadt veranſtalteten Bezirksſchwimmfeſte wurde durchweg guter
Sport geboten. Auch die Organiſation und die Durchführung der
Wett=
kämpfe klappten vorzüglich. Dies gereicht der genannten
Schwimmab=
teilung und ihren Schwimmwart, Herrn Graßmann, der faſt durchweg
nur junge Leute zur Seite hat, zur großen Ehre. Selbſtverſtändlich
do=
minierte der Schwimmklub „Jung=Deutſchland” mit ſeinem vorzüglichen
Material, aber auch die anderen zwei Vereine, hauptſächlich der
Feſtge=
ber können mit ihren Erfolgen zufrieden ſein. Dieſes Feſt muß der
Schwirmerjugend von Darmſtadt ein weiterer Anſporn zum Schaffen
gefveſen ſein, ſonſt hat es ſeinen Zweck verfehlt.
Nachſtehend die Ergebniſſe der Wettkämpfe ſelbſt:
Vormittags.
I. Jugendbruſtſtaffel 4 X 50 Meter: 1 Jungdeutſch=
IF. Knabenlagenſtaffel, 4 X 50 Metert 1. Jungd.,
land, Zeit: 2,52,2 Min. 2. Turngemeinde 1846, Zeit: 2.,58,4 Min.
II. Knabenſeiteſchwimmen, 50 Meter: 1. Gimbel,
S.S. Möte 45.2 S.; 2. Totes Rennen zwiſchen Erich Hanſt, T.G.D.,
und 8. Ctzold, Jungdeutſchland.
III. Mädchenbruſtſchwimmen, 50 Meter 1. Hinrichs,
Jurgd., 49 S., 2. J. Winkler, Jungd., 517 S., 3. Hoffmann, T.G. D.,
52 S.
IV. Jugendiuniorrückenſchwimmen, 100 Meter:
1. Orlemann, Jungdeutſchl., 1.33.2 Min. 2. Fitting. Jungd., 1.44 Min.
V. Knabenſpringen: 1. Adolf Maher, T.G D., 262, Punkte.
2. Fritz Hanſt, T. G. D., 26 P. 3. K. Jung, Jungd., 25 P.
Vl. Damenjugendiuniorbruſtſchwimmen, 100
Me=
ter: 1. Made, Jungd. 1.44 Min. 2. Dierßen, T.G.D., 1.49.,5 Min.
3. Bero, Jungd., 1.51 Min.
FII. Juniorlagenſtaffel, 4 X 50 Meter: 1. Jungd.,
2.32,2 Ptin. 2. T.G. D., 2.38,3 Min.
IIII. Knabenrückenſchwimmen, 50 Meter: 1. von
Touſſaint, Jungd., 43/ Sek. 2. Frommann, T. G. D., 474½ Sek.
X. Mädchenbruſtſtaffel, 4 X 50 Meter: 1. Jungdtſchl.,
1. Mannſchaft, 3.21 Min. 2. Turngemeinde 3.37 Min.
k. Jugendſpringen: 1. A. Jüngling, T.,G.D, 321s P.
2. A. Rückert Jungd. 32 P.
XI. Damenjugendjun.=Rückenſchw., 100 Meter:
1. Dierßen, T.G. D., 1.49 Min. 2. Reitinger Jungd. 1.54 Min.
XIl. Jugendjuniorſeiteſchw., 100 Meter: 1. F. Petry,
Möwe, 1.23.2 Min. 2. K. Ortemann, Jungd., 1.30 Min.
Nachmittag.
1. Jugendlagenſtaffel, 4 X 50 Meter: 1. Jungd., 2.35
Min.
II. Knabenbruſtſchw., 50 Meter: 1. Förſter, Jungd.,
441½, Set. 2. Sonnthal, T. G. D., 45 Sek. 3. Peterſſon, Jungd., 452/ Sek.
4. Frommann. T. G. D., 49), Sek.
III. Mädchenrückenſchw., 50 Meter: 1. Hinrichs, Jungd.,
524, 2. Cramer, Jungd., 534 Weber, 544/=
2.551, Min.
V. Jugendjuniorbruſtſchw., 100 Meter: 1. K.
Mül=
ler, T. G. D., 1.33,2 Min. 2. H. Walther, Jungd., 1.39,.2 Min.
II. Damenjugendhruſtſtaffel, 4 X50 Meter: 1.
Jung=
dtſchl., 3.15 Min. 2. T.G.D., 3.20 Min.
VII. Juniorbruſtſtaffel, 4 X 50 Meter: 1.
Schwimm=
ſportv. Möwe, 2.,52 Min.
(III Beliebigſchwimmen für gnaben, 50 Meter:
1. H. Förſter, Jungd., 37, Sek. 2. Baumann, Jungd., 39. Sek. 3.
Beh=
erzapf. Jungd., 417½ Sek.
IK. Jugendjunior=Beliebigſchw., 100 Meter: 1. Sack,
Jungd., 1.15 Min. 2. H. Petry, T. G. D., 1.23.1 Min.
K. Damenjugend=Beliebigſchw., 100 Meter: 1. E.
Uhde, T. G. D., 1.35 Min. 2. A. Müller, Jungd., 1.35.4 Min.
kl. Anabenbruſtſtaffel, 4 X 50 Meter: 1. Jungd.,
3.13.3, 3. T. G. D., 3.15.2
XII. Juniorbeliebigſchw, 3 X 50 Meter: 1. Jungd.,
1.45.4.
XIII. Jugendbeliebig=Staffel, 4 X 50 Meter:
1. Jungd. 1.42,3.
Waſſerballſpiel: S.S. Möve — Komb. Herren=Jugend
T.G. D. 1846 — 5:2. Infolge der körperlichen Ueberlegenheit der S.S.
Möve, die von dieſer unglaublich Gebrauch zu machen wußten, war das
Spiei ein leichter Sieg des S.S. Möve.
Schul=Staffelſchwimmen.
— Bei dem am Samstag nachmittag in der Woogsſchwimmbahn
ſtattgehabten 10X50 Meter Schul=Staffelſchwimmen um den
Wander=
preis, veranſtaltet vom Amte für Leibesübungen Darmſtadt, traten in
den Staffeln für Schüler über 14 Jahren 2 und in denjenigen unter
14 Jahren 11 Schulen an. Unter der techniſchen Leitung des
Bezirks=
vertreters der deutſchen Lebensrettungsgeſellſchaft. Herrn A.
Gieß=
mann, und den ſich in dankenswerter Weiſe zur Hilfeleiſtung als
Zeit=
nehmer und Kontrolleur bereit gefundenen Herren: Profeſſor
Kalb=
fleiſch, Dr. Friedrich, R. Graßmann, Hoffmann, Hedtler und
Heck=
mann, gingen die Kämpfe raſch und glatt von ſtatten. Zahlreich war
der Beſuch vom Darmſtädter Publikum, auch verſchiedene Behörden
hatten Vertreter beordert. Doch Darmſtadts Jügend war am ſtärkſten
vertreten, war doch ein friedlicher Wettkampf unter Darmſtädter
Schulen auszutragen und manch aneifernder Zuruf galt den
kämpfen=
den Schulkameraden. Es wurden bei dieſem erſten Verſuche derartige
Wettkämpfe auszutragen, recht gute Reſultgte erzielt, wenn man
be=
denkt, daß den zuſammengeſtellten Staffeln zum Trainieren faſt keine
Gelegenheit geboten war. In beiden Staffeln ſiegten die Schüler des
Realgymnaſiums und wurden dem Herrn Direktor Nitzert durch den
Kommt zu uns!
Ein Aufruf für die Körperſportvereine.
Der folgende Aufruf iſt gedacht als ein Werbeſchreiben,
wie es alle ernſten und gutgeleiteten Körperſportvereine
verſtreuen ſollten in die breite Oeffentlichkeit. Ein Plakat ſoll
er ſein, wie ein Plakat wirken, daß einem auf Schritt und
Tritt vor den Augen funkelt und mahnt und ruft:
Kommt zu uns!
W. Herbert Köhler.*)
Wir Sportvereine, die wir draußen vor der Stadt im Grünen und
freien unſere Heimat haben, wir rufen Euch, die Ihr uns noch fern ſteht,
nd Euch, die Ihr uns feindlich und mißtrauiſch gegenüberſteht. Ihr
ennt uns ja noch nicht, unſere Macht, unſere Bedeutung, unſere Seele,
und unſer Leben und Streben. Wir haben ſo vieles in uns, was Euch
gemd und unbekannt iſt, was Ihr nicht verſtehen könnt. Kommt zu
uns und Ihr werdet unſer ureigenes, tiefſtes Weſen kennen lernen. Ihr
ſerdet die geheimen Quellen finden, aus denen unſere Lebensfreude,
nſer friſcher Geiſt Euch entgegen=, Euch überſtrömt! Lernt erſt kennen
nd ſucht zu verſtehen und dann urteilt. Oder darf man denn als
ver=
ünftiger Menſch etwas verurteilen, was man nicht kennt2. Und Ihr
ennt uns noch nicht; uns Sportvereine und den Sport. Habt Ihr Euch
voch nicht geſagt, daß es doch Urſachen und tiefere Beweggründe haben
nuß, wenn wir ſo wunderhaft ſchnell, ſo berauſchend gewachſen ſind?!
ind all die jungen und auch älteren Menſchen nur ganz blindlings und
ohne ſeeliſche Bewegung zu uns gekommen?. Nein, nein, die Gründe
dafür liegen tief in der menſchlichen Seele, ihrer Macht und ihrer
Sehn=
ſucht nach Freiheit. Aber nicht nur in der Seele; auch der Körper, der
rme, beiſeite gelaſſene Körper Eures Lebens, der einſeitig überlaſtete
und übernährte Körper verlangt ein Recht, eine Genugtuung von der
tatur, und das hat ſie den Weg finden laſſen zu uns und unſeren
Hei=
matſtätten.
Ihr ſaht viel, was Euch abſchreckte auf freien Plätzen zwiſchen
Häu=
rmauern oder in den Straßen, und Ihr hörtet das Wort Sport”
da=
ei. Aber es iſt arg Mißbrauch getrieben worden mit dieſem ſchönen,
inhaltsreichen Wort und leider, leider; es wird noch viel Mißbrauch
ge=
rieben damit. Aber kommt zu uns und Ihr werdet das Wort und
ſeine geheime Bedeutung, ſeine Begeiſterungsfähigkeit kennen lernen.
Auch Ihr werdet es als ein Zauberwort zu Freude und friſchem
Le=
bensmut erkennen lernen! Gingt Ihr bisher nicht immer um unſere
ein=
gehegten Wieſen und Plätze herum, wie um Giftiges? Blieb Euch das
Dahinter und das Treiben hinter dem Zaune nicht fremd und unbekannt?
Oder gar: Ihr wolltet manchmal nicht in den Geldbeutel greifen für den
und Hockeh”.
27 Aus der leider eingegangenen Zeitſchriſt
Vorſtand des Amtes für Leibesübungen, Herrn Oberreallehrer Roth,
die wohlverdienten Siegespreiſe zuerkannt. Es ſind dies für die
Alters=
ſtufe über 14 Jahre, die von der Deutſchen Lebensrettungs=Geſellſchaft
geſtiftete Bronzeplakette und für die Jugendſtaffel unter 14 Jahre die
von der Darmſtädter Firma Stempel=Schulz geſtiftete Silberplakette.
Beiden Stiſtern ſei auch von dieſer Stelle aus herzlicher Dank geſagt
für das große Verſtändnis, das ſie unſerer Jugendpflege
entgegenge=
bracht haben. Ein weiterer Wanderpreis für die beſte Volksſchul=
Staffel iſt noch in Ausſicht geſtellt. Mit herzlichen Worten der
Aner=
kennung für die geleiſtete Arbeit der Schulen und der Schüiler ſelbſt
wurden die Preiſe übergeben und von dem Herrn Direktor Ritzert mit
einem Hurra auf Darmſtadts Jugendſport entgegengenommen.
Nun gilt es, „Darmſtädter Schuljugend”, den Wanderpreis, der
diesmal ſiegenden Mannſchaft ſtreitig zu machen, deshalb nicht geraſtet
und durch ſtetes Ueben in allen Schwimmſtilarten ſich zum ernſtlichen
Gegner für den nächſtjährigen Kampf vorzubereiten. Nachſtehend die
Reſultate: 2) 10250 Meter Staffel beliebig, für Schiller über 14
Jah=
ren: 1. Realaymnaſium 7 Mink 1i Sek. 2. Ludwigs=Oberealſchule 7
Min. 44,3 Sek. — b) 10850 Meter Staffel beliebig: 1. Realaymnaſium
9,37,3 Min., 2. Mittelſchule II 9.45,9 Min, 3. Stadknabenſchule II
10,18 Min., 4. Ludwigs=Oberrealſchule 10.202ſs Min., 5.
Stadtknaben=
ſchule 1 10 24 zo Min., 6. Ludwig=Georg=Gymnaſium 10,25,1 Min., 7.
Knabenmittelſchule 1 10,325),o Min., 8. Liebig=Obeu=Realſchule 10,45,2
Min, 9. Stadtknabenſchule III 12,40 Min, 10. Bezirksſchule IN 12,43
Min., 11. Garten=Arbeitsſchule 12,52,6 Min.
Leichtathletik.
Im Internationalen Leichathletikfeſt des Wiener
Athletik=Sportklubs ſiegte der Schweizer Imbach im 200 Meter Lauf
mit 22,3 vor ſeinem Landsmann Strebi und dem Ungarn Kuruczy.
Im 800 Meter Lauf wurde Peltzer ganz knapp von dem Schweizer
Scherr geſchlagen, der mit 1:58,9 gewann. In der 3X1000 Meter
Staffel ſiegte der Hamburger Sportverein mit 8:03,8 gegen Wien,
Athletik=Sportklub.
Fußball.
Sportverein Darmſtadt-Borufſia Frankfurt, 4:2.
e. Die Ligamannſchaft des Sportvereins lieferte in dem gegen den
Frankfurter Fußballklub Boruſſia fälligen. Rückſpiel
eins ihrer ſchärfſten Spiele. Gleich zu Beginn des Spieles war eine
Ueberlegenheit der Darmſtädter gegen den in Frankfurt als ſpieltüchtig
bekannten Verein zu erkennen, die auch bis zum Schluſſe anhielt.
Fort=
während ſucht Frankfurt ſich aus ſeiner Hälfte frei zu machen, das
vor=
zügliche Spiel ihres Gegners unterband jedoch jeden Verſuch.
Müll=
merſtadt ſchoß 3 Tore und Becker 1, denen die Frankfurter nur zwei
entgegen zu ſtellen vermochten. Mit dieſem Spiele haben die
Privat=
ſpiele der Ligamannſchaft in dieſem Jahre ihren Abſchluß gefunden.
Mit den beſten Hoffnungen auf ein gutes Gelingen tritt ſie am
kom=
menden Sonntag in die Verbandsſpiele ein. Ihr erſter Gegner iſt der
Fußballklub Weinheim. —. Im Spiel um die
Gaujugend=
meiſterſchaft trafen ſich Sportvereins erſte Jugend und diejenige
von Olympig=Lorſch. Die Darmſtädter Jugend gewann nach
beſſerem Spiel mit 5:1 und ſteht nunmehr mit 6 Punkten an erſter
Stelle. Sportverein IIa Mannſchaft gegen Liga=Erſatz Viktoria=
Aſchaffenburg 3:1. — Sportverein III Mannſchaft gegen zweite
Mann=
ſchaft Concordia Gernsheim 3:1
Sportv. IIIb Mannſchaft gegen Haſſia=Dieburg (komb. Mannſch.)
5:1. — Sportverein I. Schülermannſchaft gegen I. Jugendmannſchaft
Eintracht=Weinheim 2:0. — Sportverein I. Handballmannſchaft gegen
Domſchüler=Frankfurt I. Handballmannſchaft 6:2. — Sportverein gegen
Hellas=Friedbera 1:2.
Das fußballſportliche Hauptereignis des geſtrigen Tages,
Mittel=
deutſchland gegen Weſtdeutſchland, kam in Dresden zum Austrag. Die
mitteldeutſche Verbandsmannſchaft konnte mit 3:0 (3:0) den Sieg
da=
vontragen.
Stuttgarter Kickers — Phönix=Mannheim 1:0. — Fußballv.=
Frei=
burg — Sportklub=Stuttgart 3:2. — V. f. L.=Heilbronn — V. C.
Mühl=
heim 2:1. — M.T.V.=Fürth — T.V. 1860=München 1:0. —
Spielver=
einigung=Fürth — Schwaben=Augsburg 3:2. — Boruſſia=Neunkirchen
T.V.=Saarbrücken 3:1. — Sport=Saarbrücken — T.V.=Sulzbach 3:1.
Sport=Saarbrücken — 09=Neunkirchen 4:1. — Sportverein=Frankfurt
— V.f.R.=Iſenburg 1:0. — Offenbacher=Kickers — Union=Niederrad 4:1.
— Tennis=Boruſſia=Berlin — Union=Charlottenburg 3:3.
Union=Potsdam — Polizeiſportverein=Berlin 2il.
Flugſport.
Neuer Höhenweltrekord
wb. Paris, 9. Sept. Der franzöſiſche Flieger Sadi Lecointe
ſtellte geſtern einen neuen Weltrekord im Höhenflug auf, indem er eine
Höhe von 10 741 Metern erreichte.
Radfahren.
Rund um Sachſen, 300 Klm.
1. Nörenberg=Berlin 10:50:40; 2. Schinkel=Leipzig; 3. Huſchke; 4.
Aberger. Sämtliche folgten dicht auf.
Automobiſſport.
— Großer Preis von Europa. Im Hauptrennen über
800 Km. wpurde ein Fiatwagen erſter, der eine
Durchſchnittsgeſchwindig=
keit von 146 Km. pro Stunde fuhr.
Mannheimer Herbſtrennen.
(Von unſerem Mannheimer Sportberichterſtatter.)
Mannheim, 9. Sept. Dem Mannheimer Rennverein dürfte
am erſten Tag des Herbſtvrennens der große Sprung über die
finan=
ziellen Hinderniſſe, die gerade augenblicklich beſonders hoch ſind,
gelun=
gen ſein. Denn der Beſuch war, begünſtigt durch das ſonnigwarme
Herbſtwetter, ſehr gut: die Tribünen waren dicht beſetzt, ebenſo auch
die übrigen Plätze. Die Felder waren, mit Ausnahme von zwei Rennen,
gut beſetzt. Schon der Anfang war vielverheißend, denn das erſte
Rennen, der Prüfungspreis, hatte das ſtattliche Feld von ſechs Pferden.
Der Start ſelbſt war nicht fehr glücklich, ſodaß Gentian ſtehen blieb
und der Beſitzer von Feſtino Proteſt einlegte, der jedoch verworfen
wurde. Ein Mannheimer Pferd, Roſenfee, holte ſich mit einer Länge
das erſte Geld. Im Wachenburg=Hürdenrennen gab, es einen
über=
raſchenden Sieg von Major Krauſes Blau und Weiß, ein Sieg, der
vom Toto mit 44fachem Geld belohnt wurde. Das Neu=Oſtheim=Rennen
war eine ſichere Sache für Reiths Naive, die ihren Siegeszug vom
Früh=
jahrsrennen fortſetzte und mit vier Längen vor A. Webers Nonnenhof
gewann, und damit abermals dem Mannheimer Beſitzer das erſte Geld
eintrug. Florentiner war ſchon am Start weggebrochen und lief ein
Nennen für ſich, ſodaß ſie aus dem Rennen ausſchied. Das
höchſt=
dotierte Rennen des Tages, der Mannheimer Herbſtpreis, ein
Ausgleichs=
rennen ü r den Badeniakurs (4800 Meter), ſah wegen der ſchweren
Hinderniſſe, die bei den hohen Preiſen für Rennpferde ein großes Riſiko
für die Beſitzer ſind, und wegen des harten Geläufs nur 2 Pferde am
Start. Da S. Schmitts Konſul ſeiner Gewohnheit gemäß die
Hinder=
niſſe refuſierte und ſchließlich ſeinen Reiter in den Waſſergraben warf,
war Orne der Sieg ſchwer zu nehmen.
I. Prüfungspreis Ehrenpreis und 7000 Mk 1200 Meter:
1. S. Sachs” Roſenfee (W. Bölke), 2. Feſcher Teufel, 3. Strumen.
Ferner, liefen: Segicth. Staufia, Feſtino, China, Gentian (am Start
ſtehen geblieben). Totaliſator 40:10, Platz 17, 15, 26:10.
II. Wachenburg=Hürdenrennen, Ehrenpreis und 800
Mk. 3200 Meter: 1. Major Krauſes Blau und Weiß (Pfeiffer),
2. Jahn, 3. Yvonne. Totaliſator 44:10.
III. Neu=Oſtheim=Rennen, 13000 Mk., 1600 Meter: 1. H.
Reiths Naive (Hecker), 2. Strumen, 3. Sachsnot. Ferner:
Floren=
tiner ſam Start ſtehen geblieben). Totaliſator 14:10.
UV. Mannheimer Herbſtpreis, Jagdrennen, Ausgleich,
Ehrenpreis und 2500 Mk., 4800 Meter: 1. Dr. Lindenbergs Orne
(Seibert), 2. Conſul (ausgebrochen). Totaliſator 11:10.
V. Mainausgleich, Ehrenpreis und 8000 Mk. 2400 Meter:
1. R. Henrikes Pertikus (Dinter), 2. Perpetuer, 3. Roſario.
Fer=
ner: Belladonna II, Letis, Kofel. Totaliſator 18:10. Platz 17, 45:10.
UI. Mühlau=Jagdrennen, 800 Mk. 3400 Meter: 1.
Ma=
jor Krauſes Glückauf (Pfeiffer), 2. Cäſar, 3. Sambur. Ferner:
Donna, Fliegender Aar. Totaliſator 52:10. Platz 94. 22:10.
UII. Augarten=Rennen, 8000 Mk., 1450 Meter: 1. K.
Blüm=
mels Hexenmeiſter (Hecker), 2. Ingeborg II. 3. Domino. Ferner:
Trap=
per, Diana, Rübezahl, Erbfeind. Totaliſator 16:10, Platz 10, 10:10.
Karlshorſt.
Ekliptik=Jagdrennen 12 000 Mk., 2400 Meter: 1. Eich, 2. Herero,
3. Schnucki II. Ferner: Wetterſcheide. Totaliſator 26:10; Platz 12. 12:10.
Großes Jagdrennen, 50 000 Mk., 4000 Meter: 1. Paulus, 2. Phhllis,
3. Sommerflor. Ferner: Lobredner, Mulaſſe, Burgeritter, Falſiole,
Totaliſator 38:10, Platz 18, 21.21:10.
Wondern.
Main—Rhein-—Turngau.
— Der bei der Frühjahrs=Gauwanderung gefaßte Beſchluß, daß
ſich im Herbſt der ganze Gau nochmals zu einer Wanderung
zuſammen=
finden ſoll, läßt ſich durch die Ungunſt der Verhältniſſe leider nicht in
die Tat umſetzen. Als Erſatz für dieſe gemeinſame Wanderung ſollen
am 16. September Wanderungen in den einzelnen Bezirken
durchge=
führt werden. Es iſt deshalb beſtimmt, daß ſich jeder Bezirk auf ſeinem
Sammelplatz vereinigt. Um 11 Uhr müſſen die Vereine auf ihrem
Sammelplatz angekommen ſein. Die Sammelplätze für die einzelnen
Bezirke ſind: 1. Bezirk Philippseich, Schloß, Führer: Lorenz: 2. Bezirk
Schwedenſäule, Führer: Schick; 3. Bezirk Alsbacher Schloß, Führer:
Wehgandt; 4. Bezirk Forſthaus Einſiedel, Führer: Weber; 5. Bezirk
Felsbergturm, Führer: Becker. — Die Wanderbezirke ſind die gleichen
wie bei der Frühjahrsgauwanderun. Vereine, die aus irgendwelchen
Gründen den für ſie beſtimmten Sammelplatz nicht erreichen können,
ſchließen ſich einem Nachbarbezirk an. Die Bezirkswanderungen
wer=
den bei jeder Witterung ausgeführt. Caſthöfe follen, wenn nicht ſehr
ungünſtiges Wetter dazu zwingt, nicht aufgeſucht werden. Wimpel
und Liederbücher nicht vergeſſen! Die Mittagsraſt iſt auf etwa zwei
Stunden feſtgeſetzt und ſoll ausgefüllt werden mit gemeinſchaftlichen
Liedern, Volkstänzen. Turnſpielen ſowie Anſpracken der Bezirkswarte
für Geiſtesturnen. So ſollen bei den Wanderungen nicht nur
Mus=
keln, Herz, Lunge und Auge geſtärkt und erfreut, auch Geiſt und
Ge=
mit ſollen neu belebt werden. Alle Gauangehörigen, wie Turner,
Turnerinnen, Fechter, Wanderer, Sänger, Raſenſpieler, Schwimmer
und Sportler, insbeſondere die Turnerjugend, ſeien hiermit herzilchſt
eingeladen. Die Wettkampfzeit iſt vorüber und wird es deshalb allen
Turnſchweſtern und =Brüdern möglich ſein, den 16. September für die
Bezirkswanderung frei zu halten. Näheres über die
Bezirkswande=
rungen bringt die September=Gauzeitung. Dieſe kann ab 11. d3. Mts.
in der Gaugeſchäftsſtelle abgeholt werden. Gut=Heil!
H. II.
Bn nn nnn engnn ngmmn mm mnn n ngngn nn gngngnn mmmnnnnnngnnnnnn
um dafür ein Glas Bier mehr trinken zu können? Wars nicht ſo? Aber
Ihr kamt ja wohl auch nie zu den rechten Zeiten!
Wir haben für Alle ein Erfriſchungs=, ein Ermunterungs= oder ein
Heilmittel. Wir tragen die Geheimniſſe in uns, froh und geſund,
kör=
perfroh zu werden, zu vergeſſen und aufzuleben, aufzugehen in der
Na=
tur. Wir zeigen Euch, was Ihr ſeid, was in Euch iſt und von dem Ihr
oft ſelbſt nichts wißt. Wir lernen Euch jung zu ſein und zu bleiben,
wenn Ihr glaubt altgeworden zu ſein. Wir lernen Euch Vertrauen
ge=
winnen zu Eurem Körper und ſeiner Leiſtungsfähigkeit. Wißt Ihr denn,
was das bedeutet im täglichen Leben, Wißt Ihr, wie das z. B. manchen
die Strapazen des Militärs und des Krieges tragen und überwinden
halfd Und es geht weder auf Koſten des Geldbeutels noch der Nerven!
Wir rufen Euch! Ihr Erzieher, Pädagogen und Eltern,
Fabrik=
herren und Bureauchefs, bringt Eure Zöglinge zu uns, wenn Euch das
Wohl der Jugend und des Volkes am Herzen liegt, wenn Ihr Eure
Sor=
gen um das Wohl einer Kinderſeele und eines Jugendkörpers aufkeimen
fühlt. Wenn Ihr bangt, daß die Großſtadt und ihre Extreme Euren
Pflegebefohlenen zu ſehr anzieht und verdirbt, bringt die jungen
Men=
ſchen zu uns. Aber kommt auch ſelbſt mit und ſeht, wie ſie aufleben und
ausleben, ſich erfriſchend und erheiternd ſtärken und ſtählen; kommt zu
uns und freut Euch ſelbſt mit, ſpürt ſelbſt mit dem friſchen, lebendigen
Odem, den wir ausſtrömen; fühlt den Puls, der in uns ſchlägt! — Und
Ihr, die Ihr jahraus, jahrein die Kontorſchemel drückt und die Bruſt
zuſammenhockt vor dunklen Pulten und in ſtickigen Räumen, die Ihr
nur den Weg der Straße kennt und allenfalls ein Spaziergängchen —
kommt zu uns und bewegt Euch. Ihr wißt nicht, was Bewegung iſt
und wißt nicht, was Ihr ſündigt! — Ihr. die Ihr Kaffeehausbummel,
Varietebeſuch, Straßenkorſo, Sonntagsſchlaf und Tanzbodenrummel, gut
Eſſen, Kartenſpiel und Weingezeche Euer Vergnügen nennt — kommt
zu uns und erlebt das herrlichſte Vergnügen, das der körperlichen
Be=
wegung und Ausarbeitung in der freien Natur bis zur Ermüdung. Ihr
kennt ja noch nicht die taufriſchen Morgen, die Sonnentage im leichteſten
Kleid, an denen die Schweißtropfen Perlen gleichen, kennt noch nicht den
Geiſt unſeres Sports, der Freude, Mut und Vertrauen, gewonnen aus
dem eigenen Ich, heißt! — Ihr Aerzte und Gelehrten, die Ihr immer
noch glaubt, unſer Sport ſei roh, gefährlich und geſundheitswidrig, kommt
zu uns und unſeren Feſten; kommt vor allem auch zu unſeren freieren
Uebungstagen und ſeht die Menſchen da, ihren Geiſt, ihre Lebhaftigkeit,
ſehet ihre Geſtalten und das Tragen ihres Körvers, die Bewegungen, und
ſtudiert die Spiele! Laßt Eure Theorien und Berechnungen vor den Toren
unſerer Plätze und erlebt die Praris. Und dann ſeid ehrlich! Wir
brau=
chen keine Pillen und Arzneien, keine ſchönen Lehren, da wir alles Gute
aus uns ſelbſt gewinnen und aus unſerem Sport. Ermüdet ſein durch
Sport und ermüdet ſein durch Tanzgelage, Alkoholgenuß und
Ball=
abende iſt etwas ganz, ganz anderes! — Ihr Armen dann die Euch
Par=
teihader und widrige Zeitmenſchen anekeln, die Euch die Zeit anekelt mit
ihrem Schein, ihrer Unmäßigkeit, ihrer Falſchheit und ihrer
Ungerechtig=
keit — kommt zu uns. Wir treiben oder trieben alle Sport. Und was
Eeche in eie Manſchengengenſcit Uen in de. Scher Stant zefe.
werdet Ihr wohltuend erkennen lernen. Ihr werdet bald alle „
Ver=
einigungen” meiden, in denen nur Menſchen leichten Vergnügens halber
zuſammen kommen. Menſchen, die ſich maskieren voreinander und
heu=
cheln, wo Schöntuerei zu Hauſe iſt, wo Ihr feine Toiletten tragen müßt,
um angeſehen zu ſein, wo nur Worte und Eleganz Euer Menſchentum
ausmachen und Eueren Charakter vertünchen. Wo Ihr nicht wißt, wer
und was der andere iſt. Bei uns und unter uns muß Jeder ehrlich ſein
und werden, da er ganz aus ſich heraus muß, da Eleganz und ſchöne
Reden kein Wertmeſſer mehr ſind. Ihr müßt Euren nackten Charakter
bekennen in ernſtem Kampf und Spiel. Und Kameradſchaft und
Freund=
ſchaft findet Ihr wie vielleicht nirgendwo. Keine Parteien, keine „
Ge=
bildeten” und „Proleten”, keinen „feinen” oder „gewöhnlichen” Mann
findet Ihr — nur: Menſchen und Charaktere! Lockt Euch das nicht,
aus dem Gewühle, aus dem Zerſetzungsprozeß der Zeit?! — — Auch
Ihr, Ihr, die Ihr keine Herkuleſſe ſeid an Körperſchaft und
Geſund=
heit, ſcheut oder ſchämt Euch nicht, auch Ihr kommt ruhig zu uns.
Viel=
leicht traut Ihr nur Eurem Körper nichts zu, wißt gar nicht, was in
ihm ſteckt, was Ihr in ihm entfalten könnt. Auch Euch bringen wir
Freude und Erleichterung. Auch für Euch liegt viel Friedvolles in
un=
ſerem Wirken, unſerem Sport. Fragt nur mal nach in unſeren Reihen,
wie viele da ſind, die aus ihrem ſchwachen, verzagten, kränklichen
Kör=
per einen geſtählten hämmerten, wie ſie dabei Zutrauen zu ſich gewannen
und Stolz auf eine ſchöne Geſtalt, in die Elaſtizität und
Leiſtungsfähig=
keit kam. Wie ſie Strapazen ertragen lernten, die ſie ſich nie zugetraut
hatten. Kennt Ihr die Wunder des willensharten Trainings ber
ver=
nünftiger Enthaltſamkeit?! —
Und nicht zuletzt gemeint nun: Ihr Frauen und Mädchen, die Ihr,
dank der Leit, Euer Weibtum in die Kontore tragen müßt, oder die Ihr
hart arbeiten müßt wie Männer, aber auch Ihr „Glücklicheren”, die Ihr
glaubt ſchön und anmutig zu werden durch bloßes faulenzendes Pflegen.
Ruhen, Tändeln und „Kosmetieren”. — Ihr alle — lacht nicht — ſeid
nicht ſpröde — kommt zu uns. Wir ſind erſichtlich und bedacht genug,
nur das Euch zu bieten und zu lernen, was Euch ganz Frau bleiben und
wieder werden läßt, und was Eurem Körder nichts von ſeiner
Schön=
heit und Form raubt. Euer Weibtum ſoll bei uns als Höchſtes gewahrt
bleiben und werden. Auch Euer Körper ſelbſt ſoll der Spender Eurer
Lebensfreude und Eurer Freiheit ſein. Auch Ihr ſollt nicht fern ſtehen,
nicht im Kampf mit und gegen den Mann, ſondern im Bewußtſein
ge=
ſunder Körperpflege und =bewegung, in dem Erlebniis des beſeelten
Körpers, im freien, anmutigen Tragen der Geſtalt. Auch Ihr ſollt mehr
Zutrauen gewinnen zu Euch, Eurem Körper und ſeiner
Leiſtungsfähig=
keit! Das unnatürliche Los im Leben der Zeit wollen wir Euch mildern
helfen und verſchönern.
Ihr Alle alſo, Alle — ob arm, ob reich, ob gebildet oder
Arbeits=
mann, ob „links” „rechts” oder „Zentrum”, ob ſtark oder ſchwuach, und
ob. Frau oder Mann — kommt — und bringt die Kinder zu uns,
ver=
traut uns und glaubt uns, unſerem Rufen und Mahnen:
Kommt zu uns!
Seite 6.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. September 1923
Landwirtſchaft, Gartenbau, Kleintierzucht
Wie müſſen wir Angelleinen und Geräte
behandeln?
Von Wilhelm Dooſe.
Die Not der Zeit iſt groß und ſie geht auch nicht am Angler
vorüber. Wie der Gewerbsfiſcher darauf bedacht iſt, die
Lebens=
dauer ſeiner Netze nach Möglichkeit zu verlängern, ſo wird auch
der Angler danach ſtreben müſſen, ſeine Angelleinen pfleglich zu
behandeln, denn ſie ſtellen heute ein kleines Kapital dar. Nach
beendeter Angelpartie muß die Leine ſchon am Fiſchwaſſer
ge=
trocknet werden, was in der Weiſe geſchieht, indem man die Rute
in das Erdreich treibt, die ganze Leine von der Rute
herunter=
nimmt und den Haken an einem Grashalm oder dgl. befeſtigt.
Streng iſt darauf zu achten, daß die Leine nicht auf dem Erdboden
aufliegt, ſondern frei in der Luft ſchwebt, ſo daß ſie von allen
Seiten gleichmäßig trocknen kann. Viele Angler meinen, wenn
ſie bei ſonſt trocknem Wetter die Leine auf das Erdreich legen,
würde ihr die Feuchtigkeit enzogen. Dies iſt eine irrige
Auf=
faſſung. Die oberen Partien der Leine trocknen freilich, die
unte=
ren ſaugen aber die Feuchtigkeit des Erdbodens auf, ſodaß die
Seele der Leine nie ganz austrocknet. Bei Regenvetter iſt man
uun nicht in der Lage, ein gründliches Austrocknen der Angelleine
zu bewerkſtelligen und man muß das daheim beſorgen. Nie wickele
man ſeine Angelleinen auf Brettchen, wie es viele Petrijünger
tun; durch eine ſolche Maßnahme werden die Schnüre leicht brüchig.
Am beſten iſt es, ſie bleiben auf der Rolle. Viele Angler fertigen
ſich nun ſolche aus Holzſtäbchen an und auf dieſe wickeln ſie nach
beendeter Angelpartie die koſtbaren ſeidenen Schnüre auf.
Da=
heim angelangt, hängt man die Angelleinen in langen Strängen
auf Holzſtäbchen auf, nicht aber auf eiſernen Nägeln, wie das
leider viel geſchieht. Wenn man die Leine daheim trocknet, dann
tiehme man ſie alſo auch von der Rolle herunter, mit welcher
ge=
angelt wird. Nie ſoll die Leine in geſchloſſenen Räumen mit den
Sonnenſtrahlen in Berührung kommen; Zugluft iſt ihrer langen
Erhaltung am dienlichſten. Wer aber ſeine Angeigeräte (Schnur,
Haken, Schwimmer) im Ruckſack läßt bis zur nächſten
Angel=
partie, der iſt ein ſchlechter Jünger unſeres verklärten
Schutz=
patrons. Behandelt man in der an egebenen Weiſe ſeine
Angel=
leinen, ſo kann man ſich auf ſie a. verlaſſen, ſonſt aber hat man
manchen Verdruß. Stockt die Leine, ſo ſind ſolche Stellen mit dem
Auge nicht wahrnehmbar und man zerſchlägt ſie beim Anhieb
oder beim Drill.
Vor Beginn der Angelpartie, tunlichſt ſchon daheim, prüfe
man Leinen, Angeln, Ruten uſw. auf ihre Feſtigkeit, um ſich vor
Verluſten zu ſchützen. Pfleglich müſſen auch die Grundſchnüre
behandelt werden. Nie befeſtige man die ſeitlichen Leinen ſo an
der Hauptleine, daß ſie nicht abnehmbar ſind. Durch ein
geeig=
netes Knotenſyſtem laſſen ſich die kurzen Schnüre mit den Haken
leicht feſtmachen und wieder abnehmen. Gerade jene Stellen, wo
die nicht lösbaren Knoten an den Hauptleinen angebracht ſind,
ſtocken leicht. Grundſchnüre müſſen nach ihrem Einholen
gründ=
lich gewaſchen werden, worauf man die ſeitlichen Leinen abnimmt.
Da nun Legangeln zumeiſt aus Hanf genommen werden, folglich
viel Waſſer aufſaugen, ſo müſſen dieſe lange Zeit trocknen. „Viele
Angler fiſchen gern mit Kleingeräten, und auch dieſen muß eine
gewiſſenhafte Behandlung zuteil werden. Flügelreuſen, Hamen
u. dgl. hänge man luftig auf und werfe ſie nicht in irgend eine
Ecke, wo ſie bald ſtockig werden. Vor abem ſchütze man die
Klein=
geräte vor Mäuſefraß.
Um den Kleinnetzen eine möglichſt lange Lebensdauer zu
geben, ſollen ſie imprägniert werden, ſchon darum, um ſie gegen
die Zerſtörungswut des Sprocks zu ſchützen. Viele Angler und
auch Gewerbsfiſcher gebrauchen heute noch Geräte und Gezeuge,
welche noch aus Friedenszeiten herſtammen. Wehe, wenn über
kurz oder lang der Gewerbsfiſcher die Neuanſchaffung von Netzen
oder Geräten in die Wege leiten muß. Mancher von ihnen wird /
ſie nicht kaufen können. Plötzenbungen oder dgl. Geräte hänge
man tunlichſt an einer freiſtehenden Stange auf, damit der
Luft=
zug von allen Seiten das Garnwerk austrocknen kann. Auch
Puppen trockne man an der Luft, damit ihnen jegliche Feuchtigkeit
entzogen wird. Dies iſt einesteils nötig, um ſie beſſer
ſchwimm=
fähig zu erhalten, zum andern, um ihnen eine längere
Lebens=
dauer zu geben.
Selbſt die Ruten müſſen daheim getrocknet werden, um ihre
Bindungen möglichſt lange zu erhalten. Die meiſten Angler
be=
nutzen ein Landungsnetz, welches das Stiefkind vieler
Petri=
jünger iſt, weil es nach Beendigung der Angelpartie einfach in
den Ruckſack geſtopft wird und hier vielleicht den ganzen Sommer
über verbleiben muß. Wie verkehrt iſt eine ſolche
Behandlungs=
veiſe! Könnte man es nicht leicht aufhängen und trocknen, um
es ſo möglichſt lange gebrauchen zu können? Landungsnetze kann
der Angler ohne ſonderliche Mühe ſelbſt ausbeſſern, wenn Maſchen
geriſſen ſind. Wer ſeine Angelgeräre pfleglich behandelt, der kann
heute manchen Tauſendmarkſchein ſparen. Wenn letzterer auch
keinen großen Wert hat, ſo wende man ſeinen Angelutenſilien
mehr Sorgfalt zu, das gehört ſich. Vor allem muß der Angler
die Gewähr haben, daß er ſich auf ſein Geſchirr, ſeine Geräte
ver=
laſſen kann. Dies zu erreichen ſuchen, iſt der Zweck meines kleinen
Aufſatzes. Damit Petri Heil!
Vom Trocknen der Bohnen.
Das Trocknen der Schnittbohnen ſollte viel mehr ausgeführt
werden, nachdem das Steriliſationsverfahren infolge der hohen
Preiſe für Gläſer, Gummiringe und Brennmaterial ſo koſtſpielig
geworden iſt. Manchen Hausfrauen will aber das Trocknen gar
nicht gelingen, weil ſie aus Unkenntnis große Fehler machen.
Es wird dann meiſtens der Stab gleich über das ganze
Ver=
fahren gebrochen. Das iſt ſehr bedauerlich, denn richtig getrocknete
Bohnen ergeben im Winter ein vorzügliches Gemüſe, das dem
aus friſchen oder ſteriliſierten Bohnen zubereiteten an
Wohlge=
ſchmack, Zartheit und Schönheit der Farbe kaum nachſteht. Einer
der häufigſten Fehler iſt, daß manche Frauen die Bohnen roh
trocknen, ohne ſie vorher abzukochen. Solche Bohnen, die roh
getrocknet werden, werden nie mehr weich, auch wenn ſie hernach
ſtundenlang gekocht werden. Sie ſchmecken und riechen eher nach
Heu als nach Bohnen.
Die ſauber entfädelten und geſchnittenen Bohnen müſſen
einige Minuten im Waſſer vorgekocht werden; dann werden ſie
auf einem hölzernen Tiſch ausgebreitet. Erſt, wenn ſie ganz
ab=
gekühlt und ein wenig abgetrocknet ſind, werden ſie auf Horden
zum Trocknen gelegt. Dieſes kann, wenn es ſehr heiß iſt, an der
Sonne geſchehen, außerdem im Dörrapparat oder im Bratrohre.
Das erſte Verfahren iſt das ſichere; denn im Rohre oder im
Dörr=
apparat kann es mitunter vorkommen, daß die Bohnen zu ſtark
dörren, wodurch ſie wertlos werden. Die getrockneten Bohnen
dürfen nicht einmal gelblich, viel weniger bräunlich werden,
ſondern müſſen grün bleiben. Ein weiterer Grund des
Miß=
lingens der gettockneten Bohnen iſt, daß oft ſehr große, faſt ſchon
ausgewachſene Schoten zum Trocknen verwendet werden. Die
inneren Samenkerne ſollen höchſtens Linſengröße haben. Große
faſerige Schoten ſollte man lieber ausreifen laſſen, um die ſo
wertollen Kerne ernten zu können. Um ein gutes Bohnengericht
zu erhalten, iſt es vor allem geboten, nur ganz junge und zarte
Böhnchen einzuſchneiden. Werden ſolche dann kurz vorgekocht,
hierauf ſorgfältig getrocknet und in einem Säckchen hängend
trocken aufbewahrt, ſo iſt ein Mißlingen ganz ausgeſchloſſen.
Vor dem Gebrauch werden die Bohnen am Abend zuvor in
Waſſer aufgeweicht, damit ſie die verdunſtete Flüſſigkeit wieder
in ſich aufnehmen können. Sie werden dann in dem
Einweich=
waſſer weich gedünſtet oder, wenn ſie zu Salat gebraucht werden,
TfR4
Stickſioffdüngung auf Wieſen.
Auf ſehr humusarmen oder ſtark heruntergewirtſchafteten,
trockenen Wieſenländereien und dort, wo das Heu einen ſehr hohen
Marktwert hat, ſollte öfters eine Stickſtoffdüngung mit
organi=
ſchen oder mineraliſchen Düngern angewendet werden. Im
all=
meinen ſoll ſie ſonſt nur alle vier Jahre in Frage kommen. Auch
da, wo die Ober= und Untergräſer durch den Klee überholt werden,
iſt die Stickſtoffdüngung gut angebracht und es wird ſehr ſchnell
eine Beſſerung des Ertrages erzielt. Meiſtens gibt man die
Stickſtoffdüngung durch vergorene Jauche nach der Heuernte oder
im Herbſt und im Winter. Hierdurch wird der Gräſerbeſtand der
Wieſe in aufälliger Weiſe gebeſſert und das Verhältnis zum Klee
ausgeglichen. Wo dieſe organiſchen Dünger, auch Kompoſterde,
die beſonders wertvoll iſt, fehlen, muß man zum Natronſalpeter,
zum Kalkſtickſtoff und zum ſchwefelſaueren Ammoniak greifen, die
dann im zeitigen Frühjahr aufzubringen ſind. Man bedenke aber
bei der Stickſtoffdüngung, daß ſie nicht immer einträglich iſt, denn
die Schmetterlingsblütler ſollen eigentlich den Luftſtickſtoff
her=
beiſchaffen, den ſie durch ihre Wurzelknöllchenbakterien ſammeln
können.
Zur Vermehrung der Nelke.
Die gefüllt blühenden Remontantnelken werden hauptſächlich
durch Stecklinge und Ableger vermehrt. Die beſte Zeit dafür iſt
der Auguſt=September. Die Stecklingsvermehrung der Nelke
wird ſelten angewendet, hauptſächlich deshalb, weil bei falſchem
Schnitt des Stecklings die Wurzelbildung überhaupt nicht
ein=
tritt. Es kommt aber auch vor, daß man am Stock keine Abſenker
machen kann und deshalb zur Vermehrung aus
Steck=
lingen, ſeine Zuflucht nehmen muß. Zu dieſem Zwecke
wer=
den die kurzknotigen Seitentriebe am Wurzelhals der
Pflanze ausgebrochen, die Blätter etwas eingekürzt und am
unteren Ende der Stengel in der Mitte bis zum nächſten
Blatt=
knoten geſpalten. Um den Spalt offen zu halten, wird quer ein
Hölzchen eingeſchoben. Die Stecklinge ſind dann in mit ſandiger
Erde gefüllte Töpfe rings am Rand derſelben einzuſtecken und zur
Bewurzelung in ein kaltes Miſtbeet zu ſtellen. Man kann die
Stecklinge auch direkt ins Miſtbeet ſetzen. Notwendig iſt, daß die
Fenſter geſchloſſen werden, auch muß die Erde feucht und der
Kaſten bei Sonnenſchein ſchattiert gehalten werden muß.
Die Gärtner ziehen die Steclinge aus den kräftigen
Seiten=
trieben, ſchneiden ſie kurz zu einem Knoten quer durch und
ſtecken ſie in Sand in ein kaltes Miſtbeet, das mit Fenſter belegt
wird. Sobald ſie bewurzelt ſind, werden ſie in Töpfchen gepflanzt
und froſtfrei überwintert.
Zur Nelkenvermehrung durch Abſenker oder Ableger pflanzt
man die zum Ablegen beſtimmten Pflanzen im März=April auf
gut ges abene, lockere Beete aus. Der Boden darf nicht zu ſtark
gebingt gerden, da auf zu fettem Boden die Pflanzen oft
krän=
z ½ abſterben. Es werden zum Auspflanzen am beſten
kräf ge Ahleger vom Vorjahre verwendet. Im Juli oder
ſpäte=
ſtens Anfang Auguſt iſt die Zeit gekommen, Ableger zu machen.
Hierzu eignen ſich die jungen, nicht blühenden Seitentriebe, die
nicht weit vom Mutterſtock zwiſchen zwei Knoten länglich
einge=
ſchnitten auf dem vorher gelockerten Boden gut niedergeharkt und
dann am beſten mit geſiebter Erde leicht bedeckt werden. Anfangs
Oktober ſind die Ableger bewurzelt und man wird ſie nun mit
Ballen in kleine Töpfe pflanzen und froſtfrei, entweder in einem
hellen, trockenen Keller oder Kaſten ſtets reichlich luftig
über=
wintern.
Die Vermehrung der Nelke durch Abſenker iſt nicht immer
möglich, beſonders wenn die Triebe ſehr kurz ſind. Stecklinge
wachſen von manchen Sorten überhaupt ſchlecht. Da hilft man
ſich auf folgende Weiſe. Direkt unter den Blättern des Triebes
wird ein Längsſchnitt gemacht, der denſelben ſpaltet. Nun zieht
man den Trieb durch eine Tüte aus Wachspapier oder einen Topf
und zieht unten durch den Längsſchnitt ein Hölzchen oder eine
Nadel, die gleichzeitig die Tüte feſthält. Derartige Triebe müſſen
dann aufgebunden werden. Die Tüte oder das Töpfchen iſt mit
feinem Moos oder Erde zu füllen und ſtets feucht zu halten. Die
Bewurzelung geht ziemlich gut und raſch vor ſich. Schließlich wird
der Trieb unten abgeſchnitten, die bewurzelte Stecklingspflanze
nach Bedarf in einen größeren Topf geſetzt und mit dieſem in die
Erde eingeſenkt, damit die Feuchtigkeit gleichmäßig erhalten bleibt.
Sch.
Schutz= und Zierhecken.
Das Beſchneiden der Hecken wird zweckmäßig im Auguſt=
Septemeber vorgenommen. Der ſenkrechte Schnitt der Hecken iſt
ein veralteter Brauch, welcher lediglich darin zu bgründen iſt, daß
man früher in den Gärten franzöſiſchen Stils alle Laubengänge,
Hecken in ſteife Formen zwang und deshalb ab und zu noch ein
Ueberbleibſel dieſer veralteten Mode zu finden iſt. Die richtige
und dem natürlichen Wachstum der Pflanze entſprechende Form
iſt die Pyramide. Während beim ſenkrechten Schnitt das
Kahl=
werden der Hecke an den unteren Aeſten die unausbleibliche
Folge iſt, zeigt die Pyramidenform dieſen Fehler nicht. Sie bleibt
dicht und geſchloſſen. Ganz beſonders zu empfehlen iſt dieſer
Schnitt für Buchen=, Eichen=, Weißdorn= und andere
Laubholz=
hecken. Nadelholz muß von Jugend auf daran gewöhnt ſein.
Später iſt das ſtarke Zurückſchneiden der Aeſte nicht mehr ratſam.
Die oft geſtellte Frage, welche Sträucher ſich zur Anpflanzung
als Hecke eignen, iſt folgendermaßen zu beantworten. Es eignen
ſich zu hohen Hecken: Weißdorn (Cratgegus oxyacantha), eignet
ſich vorzüglich hierzu, beſitzt aber die ſchlechte Eigenſchaft, vom
Ungeziefer ſtark beſucht zu werden. Ferner der abendländiſche
Lebensbaum (Thuja occidentalis), der den Vorzug hat, auch im
Winter eine dichte grüne Wand zu bilden. Dasſelbe gilt von der
Weißtanne (Albies pectiata), der Rottanne oder Fichte (Pi=ea
excelſa), dem Wacholder (Juniperus virginiana) und der Eibe
(Taxus baccata). Alle vertragen den Heckenſchnitt. Weiter eignen
ſich zur Bildung hoher Hecken: die Schwarzerle (Alnuß glutinoſa),
die Hainbuche (Carpinus betulus), die Kornelkirſche (Cornus
mascula) und der Feldahorn (Acer campeſtre). 2. Für niedere
Hecken eignen ſich der baumartige Buchsbaum (Burus
ſemper=
virens), der gemeine Hartriegel (Cornus ſanguinea), die
Zwerg=
miſpel (Cotoneaſter vulgaris), die japaniſche Quitte (Cydonia
japonica), welche in mehreren ſchön blühenden Arten vorkommt.
Sie liebt etwas feuchten, kräftigen, tiefgründigen Boden und viel
Sonne. Andere niedere Heckenpflanzen ſind die Berberitze (
Ber=
beris vulgaris), die Rainweide (Luguſtrum vulgare), die Alpen=
Johannisbeere (Ribes alpinum) und der gemeine Pfeifenſtrauch,
auch falſcher Jasmin genannt (Philadelphus coronarius). Für
feinere Gartenanlagen empfiehlt ſich beſonders die ſchottiſche
Zaunroſe (Roſa rubiginoſa), welche früh und reich blüht.
Die Quecke
oder Päde (Triticum repens) iſt eines der läſtigſten Unkräuter.
Die Vertilgung verurſacht dem Landwirt viele Mühe und große
Koſten. Die geeignetſte Zeit zur Ausrottung iſt der Herbſt bei
trockner Witterung. Das vorherige Kreuz= und Queraufhacken
mit dem ſogenannten Hakenpfluge, der noch mit einer 15 bis
30 cm langen Eiſenſpitze verſehen iſt, hat ſich dabei gut bewährt;
die Wurzelſtöcke der Quecke werden auf dieſe Weiſe gehoben und
dann mit ſcharfzackigen Eggen zerriſſen und abgeſchüttelt, worauf
das Zuſammenharken in kleine Häufchen beginnen kann, die man
am beſten gleich abbrennt. Vor Winter gibt man dem Acker noch
eine tiefe Furche, damit die noch zurückgebliebenen Quecken
aus=
frieren. Ein Acker, der ſtark verqueckt iſt, wird durch Anbau von
Hackfrucht beſſer rein, als wenn man Hülſenfrüchte baut. Das
viele Arbeiten mit Pflug und Hand im Kartoffel= oder
Rüben=
felde, das Behacken, Behäufeln, Jäten vertreibt noch am ſicherſten
3 16.tise Unkraut.
Nummer 250.
iit Siemmnaswefen
Anweiſungen zur Samenernte.
Bei der Selbſtzucht von Sämereien iſt die Hauptſache, daß
man nicht wahllos jede Pflanze zur Samengewinnung verwendet.
Nur die kräftigſten, geſündeſten ſollen zur Fortpflanzung dienen.
Von Bohnen darf man keine grünen Hülſen pflücken, wenn man
reife Samen ernten will. Bei Spinat, Salat und den früheren
Kohlarten, Kohlrabi und dergl. ernte man keinen Samen von
Pflanzen, die nicht vollſtändig ausgebildet waren, ſondern
früh=
zeitig in Samen geſchoſſen. Dieſer Fehler führt zur Entartung
der Sorte, denn er vererbt ſich weiter. Ebenſowenig darf Samen
geerntet werden der nicht richtig reif wurde. Man muß den Samen
erſt völlig ausreifen laſſen, bevor man ihn abnimmt, wenn auch
ein kleiner Teil ausfallen ſollte. Iſt durch ungünſtige Witterung
keine Samenvollreife an der Pflanze eingetreten, oder wird es
wegen des leichten und plötzlichen Ausfallens des
vollreifgewor=
denen Samens notwendig, dieſen vor vollendeter Reife
einzuſam=
meln, ſo muß er in luftigen, ſonnigen Räumen nachreifen. Die
Nachreife kann ſo vor ſich gehen, daß man die Pflanzen aus dem
Boden zieht und zum Trockenwerden an vor Regen geſchützter,
luftiger Stätte aufſtellt. Hat man aber den Samen im Freien
ab=
nehmen müſſen, ſo wird er für ſich, wie auch an Stengeln in
Hülſen, Kapſeln uſw. noch befin lich, auf große Papierbogen,
Tücher, in flachen Holzgefäßen und dergl. ausgebreitet. Man läßt
ihn bis zum völligen Troc’nen und Reifen, d. h. bis zum
gänz=
lichen Dürrwerden ſeiner Hüllen liegen. Man kann auch die
Samenſtengel zur Nachreif= zu Bündeln zuſammenbinden und ſie
auf dem Dachboden aufhängen. Das hat hauptſächlich für
Kohl=
arten Bedeutung, während die anderen Samen, z. B. Möhren,
Salat u. dergl. ſchon früher reiſen. Auch Gurken, Melonen,
Kür=
biſſe, Tomaten u. dergl. Früchte reifen an warmen, trockenen und
hellen Plätzen leicht nach, wenn die Früchte bereits gut gefärbt
und entwickelt ſind.
Die Reife der Kürbiſſe.
Weder an der Färbung der Früchte noch am Geruch, wie bei
den Melonen, kann man bei den Kürbiſſen erkennen, ob ſie reif
ſind. Als Zeichen kommt hauptſächlich die Feſtigkeit der Frucht in
Betracht. Dies probiert man am beſten mit dem Fingernagel aus.
Läßt ſich die Schale mit dem Nagel durch leichten Druck noch
ein=
drücken, ſo iſt die Frucht noch nicht ausgewachſen. Geht aber der
Nagel nur durch ſtärkeren Druck hinein oder biegt um, ſo kann die
Ernte erfolgen. Will man Samen ernten, ſo empfiehlt es ſich,
den Kürbis noch eine zeitlang, wenigſtens ſo lange nicht
Nacht=
fröſte eintreten, liegen zu laſſen, damit die Kerne richtig
aus=
reifen. Ebenſo zeigen die tiefen Rillen und das Hartwerden des
Stieles die Reife 1r Frucht.
Zur Ausſaat der Frühjahrsblüher.
Bei der Ausſaat der Stiefmütterchen (Viola tricolor maxima),
Vergißmeinnicht und Silenen iſt zu beachten, daß ein
halb=
ſchattiger Platz in geſchützter Lage erforderlich iſt, wenn die
Keimung des Samens in zufriedenſtellender Weiſe erwartet wird.
Daß ausreichende Feuchtigkeit unerläßlich iſt, bedarf wohl keiner
beſonderen Begründung. Wer einen abgeernteten Miſtbeetkaſten
hat, ſät dieſen an, legt Fenſter auf, die bei ſonnigem Wetter zu
be=
ſchatten ſind und ſpritzt bei heißem Wetter nach Bedarf. Dann
wird die Saat befriedigend ausfallen. Sobald die Pflänzchen
er=
ſcheinen, muß gelüftet werden, und ſpäter ſind über Nacht und
dann am Tage die Fenſter wegzunehmen, damit die Sämlinge ſich
abhärten und möglichſt gedrungen wachſen. Rechtzeitiges
Ver=
ſetzen darf nicht verſäumt werden. Bei zu engem Stand
ent=
ſtehen nur ſchlechte Pflanzen, die ſich nach dem Verſetzen langſam
entvickeln. Deshalb ſollte ſchon möglichſt dünn geſät werden.
Das Verpflanzen der Setzlinge auf die Beete muß noch im
Sep=
tember=Oktober geſchehen, damit ſie vor Eintritt des Froſtes
an=
wachſen; andernfalls iſt es beſſer, bis zum Frühjahr damit zu
warten. Bei ſchneeloſem Wetter im Winter iſt eine Schutzdecke
aus Fichtenreiſig anzuraten.
W.
Die Bienenzüchter,
welche mit ihren Stöcken wandern, erhoffen noch einen günſtigen
Ertrag aus der Heide. Der Heidehonig läßt ſich jedoch nicht
ſchleudern, und man tut da am beſten, ihn in friſche ſelbſtgebaute
Waben tragen zu laſſen, um ihn als Scheibenhonig benutzen zu
können. Wer den Heidehonig als Winterfutter in den Stöcken
laſſen will, muß die Sicherheit haben, daß die Bienen darauf gut
überwintern. Es wird das von manchen Gegenden behauptet,
während man in anderen durchweg üble Erfahrungen damit
machte. Durch Füttern kleiner Mengen Kriſtallzuckerlöſung wird
für reichlichen Bruteinſchlag geſorgt, damit diele junge Bienen
in den Winter kommen. Mitte des Monats beginnt die
Einwinte=
rung. Wer noch Honig im Stock hat, dem er nicht traut, —
Blatt=
oder auch Tannenhonig —, der ſchleudere ihn aus und gebe dafür
Zuckerlöſung im Verhältnis 1:1, d. h. 1 kg Zucker auf 1 1 Waſſer.
Wer gute Heidetracht hat und Scheibenhonig herſtellen läßt, der
wartet bis ziemlich gegen Ende der Tracht, nimmt alsdann den
Wabenhonig fort und füttert dafür ebenfalls Zucker ein. Die
Men=
ge richtet ſich ganz nach der Volksſtärke. Der Durchſchnitt wird etwa
5 bis 6 kg Zucker — alſo 10 kg Löſung bekommen müſſen. Iſt
noch Honig im Stock, ſo gibt man entſprechend weniger. Geſundes
Winterfutter iſt allererſte Bedingung für gute Ueberwinterung.
Es gehören dazu noch einige andere Umſtände — ſtarke Völker,
junge Königin, geſunder Bau und warmhaltige Beute, die aber
erſt in zweiter Linie in Betracht kommen, wenn ſie auch nicht ganz
unbeachtet bleiben können. Will man ein ſchwaches Volk vielleicht
einer jungen Königin wegen mit in den Winter nehmen, ſo geht
dies ganz gut im Honigraum eines anderen Volkes, weil es dort
warm ſitzt. Je ſchwächer das Volk, je ſtärker die Verpackung. Doch
iſt man in der Einpackung nicht mehr ſo ängſtlich wie früher. Die
Bienen können ſchon ziemlich viel Kälte vertragen, wenn nur
ſenſt alles in Ordnung iſt. Auch der Bau ſelbſt trägt ſchon viel
zur Warmhaltigkeit bei. Die Bienen ſitzen ſehr ungern auf friſchen
Waben. Man hängt alſo in die Mitte des Stockes Waben, in
denen ſchon einmal gebrütet wurde. Da die Bienen ſich im Winter
in Kugelform zuſammenziehen, ſo darf der Bau keine Lücken auf=
„veiſen, die dieſe Zuſammenziehung hindern können. In ſolchen
Fällen müſſen die Lücken durch Wabenſtücke verſchloſſen werden.
Zur guten Ueberwinterung gehört ferner eine junge Königin,
da alte leicht in die Gefahr des Abſcheidens kommen, wodurch
die Winterruhe und die Frühjahrsentwicklung geſtört wird. Ueber
die ganze Einwinterung — Volksſtärke, Königin, Raſſe, Vorräte
— wird ſtreng Buch geführt, um Anhaltspunkte für ſpätere
Er=
fahrungen zu bekommen. Im September iſt die Zeit, Korbvölker
in Kaſten unterzubringen oder nackte Heidevölker aufzuſtellen.
Ratgeber.
— Schätzenswerte Eigenſchaft des
ſchwefel=
ſauren Ammoniaks. Viele Stickſtoffdünger haben den
Fehler, daß ſie zu ſchnell und dadurch auch zu kurz wirken und
infolge ihrer leichten Lösbarkeit beſonders in regenreichen Jahren
zu ſchnell im Boden verſchwinden. Dieſe Nachteile hat das
Ammoniak nicht. Es löſt ſich langſam und bleibt auch im gelöſten
Zuſtande im Erdboden aufgeſpeichert, bis es nach und nach von
den Kulturpflanzen aufgenommen wird. Auf dieſe Weiſe ſteht
der nötige Stickſtoff während der ganzen Vegetationszeit zur
Verfügung. Es gibt da kein ſcharfes Antreiben der jungen
Pflanzen und ſomit auch keine Lagerfrucht, andererſeits auch
kein plötzliches Stocken des Wachstums wegen Stickſtoffmangel.
Das ſchwefelſaure Ammoniak veranlaßt vielmehr eine ſich
gleich=
bleibende Vegetation und erzeugt ſowohl eine kräftige
Aus=
bildung der Stengel und Blätter als auch ein volles Ausreifen
der Frucht. Ebenſowenig verkleiſtert ſchwefelſaures Ammoniak
den Boden; es kann auf allen Böden angewandt werden.
Ein ?