Darmstädter Tagblatt 1923


30. Juli 1923

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtattet.
Nummer 208
Montag, den 30. Juli 1923
186. Jahrgang

27 mm breite ?
Finanz=Anzei
breit 16000 M
Finanz=Anzei
Feile 24000 .
ſtelle Rhein
expeditionen.
Aufruhr,
auf Erfüllun
von Schaden
Beitreibun
Deutſche Ba

Ruhiger Verlauf des geſtrigen
Sonntags.
TU. Berlin, 29. Juli. Die kommuniſtiſchen De=
monſtrationen
ſind in Berlin und Potsdam, wie auch im
ganzen Reich, mit Ausnahme von Neu=Ruppin, wo es zu ernſten
Zwiſchenfällen kam, ruhig verlaufen. Königsberg, München,
Nürnberg, Augsburg, Leipzig, Dresden, Frankfurt, Weimar,
Köln und Hamburg berichten keine weſentlichen Ereigniſſe. Mün=
chen
ſteht ganz im Zeichen des Feuerwehrtages. In Leipzig
wurde in den Verſammlungen für Max Hölz geſprochen, in Dres=
den
führte ein Redner aus, daß die kommende zweite Revolution
nicht nötig ſei, wenn man 1918 den Faſzi;zen nicht nur die Achſel=
ſtücke
, ſondern auch die Köpfe abgeriſſen hätte. In Berlin iſt es,
abgeſehen von kleinen Plänkeleien mit Demonſtranten, zu keiner=
lei
beſonderen Beunruhigungen zekommen.
Berlin, 29. Juli. (Wolff.) Nach an amtlicher Stelle bis=
her
vorliegenden Meldungen verlief der heutige Tag ſowohl in
Berlin wie im Reiche durchaus ruhig. Im einzelnen liegen fol=
gende
Nachrichten vor:
In Hamburg ruhiger Verlauf bei ſchwacher Beteiligung
an den komimuniſtiſchen Parteiverſammlungen. Keinerlei Demon=
ſtrationen
.
In Bremen gleichfalls ruhiger Verlauf. An der von der
kommuniſtiſchen Partei einberufenen Verſammlung nahmen etwa
8000 Mann teil.
München, 29. Juli. Die hier angekündigt geweſenen
Demonſtrationen der Kommuniſten haben nicht ſtattgefunden.
Der Tag iſt ruhig verlaufen.
Köln, 29. Juli. (Wolff.) Auch hier iſt der heutige Tag
ohne jeden Zwiſchenfall ruhig verlaufen. Es fanden keine Um=
züge
oder Demonſtrationen ſtatt.
In Mecklenburg=Schwerin keinerlei Störung der
Ordnung. Die kommuniſtiſchen Verſammlungen waren ſchwach
beſucht.
In Sachſen ruhiger Verlauf. In Leipzig Demonſtrations=
zug
mit Beteiligung von ungefähr 10000 bis 12000, in Dresden
mit Beteiligung von ungefähr 5000 Perſonen. Die Züge zerſtreu=
ten
ſich nach kurzen Anſprachen. Es ſind keinerlei Zwiſchenfälle
eingetreten.
In Thüringen fanden in allen größeren Orten Demon=
ſtrationen
ſtatt, die überall ruhig ohne Zwiſchenfälle verliefen.
Auch in Braunſchweig verlief der Tag durchaus ruhig. An
den geſchloſſenen Verſammlungen nahmen ungefähr 1200 Perſo=
nen
aus dem ganzen Freiſtaat teil.
In Württemberg ruhiger Verlauf bei ſchwacher Betei=
ligung
an den kommuniſtiſchen Verſammlungen.
Die Zahl der Verhafteten in Berlin.
* Berlin, 30. Juli. (Priv.=Tel.) Insgeſamt wurden am
geſtrigen Sonntag wegen Beteiligung an verbotenen Veranſtal=
tungen
in Verbindung mit Widerſtand und verſuchter Gefange=
nenbefreiung
108 Perſonen verhaftet. 98 wurden nach
F=ſtſtellung der Perſonalien entlaſſen, die reſtlichen 10 wurden
der Abteilung 1a zugeführt und nach Feſtſtellung des Tatbeſtan=
des
auf freien Fuß geſetzt.
Unruhen in Neuruppin.
2 Tote, 7 Schwreverletzte.
EU. Berlin, 29. Juli. In Neu=Ruppin iſt es am
Samstag vor dem Gefängnis zu heftigen Unruhen gekommen.
Bei dem Zuſammenſtoß zwiſchen der Schutzpolizei und den Tu=
multuanten
wurden zwei Perſonen getötet und ſieben ſchwer
verletzt. In der Nacht zum Sonntag mußte von Potsdam Poli=
zei
in Kraftwagen herangeholt werden.
Im Einzelnen erfahren wir dazu folgendes: In Neu=Ruppin
war zum heutigen Sonntag eine Kundgebung von der Kommu=
niſtiſchen
Partei einberufen worden. Schon am Samstag nach=
mittag
rotteten ſich am Markt und in den Straßen große Mengen
Tumultuanten zuſammen, die von der Regierung Maßnahmen
gegen die Teuerung verlangten. Im Anſchluß an dieſe Kund=
gebung
wurden fünf Lebensmittelgeſchäfte ausgeplündert. Nach
einer Verſammlung der Kommuniſtiſchen Partei zogen ungefähr
3000 bis 4000 Menſchen vor das Gefängnis, um dort die Frei=
laſſung
der politiſchen Gefangenen zu verlangen. Die Beamten
verſchloſſen die Türen und zogen ſich in das Haus zurück. Gleich=
zeitig
wurden telephoniſch in Potsdam polizeiliche Verſtärkungen
verlangt. Vor dem Gefängnis kam es zu immer ſtärkeren Auf=
tritten
. Gegen 11 Uhr abends verſuchte die Menge das Gefäng=
nis
zu ſtürmen. Die Schutzpolizei, die gegen die Menge zuerſt
eine blinde Salve abgegeben hatte, ſchoß, als dies nichts half,
ſcharf gegen die Anſtürmenden. Dabei wurden zwei Leute getötet
und ſieben ſchwer verletzt. Ein Teil der Leichtverletzten nahm
privatärziliche Behandlung in Anſpruch, um ſich vor ſtrafrecht=
licher
Verfolgung zu ſchützen. Etwa 15 Perſonen wurden verhaf=
tet
und in das Gefängnis eingeliefert.

Vom Tage.

Infolge der Beſetzung der Reichsbank in Eſſen ſind bei der Firma
Krupp und anderen großen Firmen große Schwierigkeiten in der Lohn=
zahlung
entſranden.
Nach einer Meldung der D. A. Z. trifft die Nachricht, Reichsbank=
präſident
Havenſtein weile zurzeit in London, nicht zu. Er beabſichtige
auch nicht, ſich in nächſter Zeit dorthin zu begeben.

Nie wieder Krieg!

Nach dem Petit Journal wird Poincaré
Paris zurückerwartei.

erſt am Mittwoch in

Als Rexreſſclie gegen die Ausweiſung mehrerer Franzoſen aus
Georgien ordnete die franzöſiſche Regierung die Ausweiſung des Ver=
treters
der Transkaukaſiſchen Sowjetrepubliken in Paris, Marſeille,
Kadſchar an.
Nach einer Meldung aus Buenos Aires wurde in der Provinz
Jurujuy ein umfangreiches Petroleumfeld endeckt, über deſſen
Ausdehnung und ſpätere Ausbeutung noch verhandelt werden ſoll.
Wie aus Konſtantinopel gemeldet wird, ſoll die türkiſche
Militärbehörde die Demobilmachung bis auf drei Jahrgänge an=
geordunet
haben.

Lonkon, 29. Juli. (Wolff.) Geſtern wurde im Heydepark,
wie alljährlich, eine große Kundgebung gegen den Krieg veran=
ſtaltet
. Zahlreiche Redner hielten von 10 Tribünen herab An=
ſprachen
an die Menge. Eine Entſchließung wurde angenommen,
in der der Ausbau des Völkerbundes zur Verhinderung ſpäterer
Kriege gefordert wurde. An den Kundgebungen beteiligten ſich
auch zahlreiche Arbeiterkörperſchaften. Aus allen Teilen der Welt
waren telegraphiſche Kundgebungen eingelaufen.
Wien, 29. Juli. (Wolff.) Heute Vormittag fand hier, unter
der Parole Nie wieder Krieg, eine von 18 pazifiſtiſchen Ver=
einen
einberufene Veranſtaltung ſtatt, an die ſich ein Demonſtra=
tionszug
anſchloß. In deſſen Verlauf kam es zu einem Zuſam=
menſtoß
mit Nationalſozialiſtiſchen Gruppen. Die Polizei ver=
hinderte
Tätlichkeiten,

Der Inhalt der beigiſchen Note im Gegenſatz
zu der franzöſiſchen.
* Paris, 30. Juli. (Priv.=Tel.) Die belgiſche Antwort=
note
die im Quai d’Orſay von dem belgiſchen Geſandten
d’Heſterey überreicht wurde, weicht, den Blättermeldungen zu=
folge
, in verſchiedener Hinſicht von dem franzöſiſchen Antwort=
entwurf
ab. Die belgiſche Regierung hat Wert darauf gelegt, die
Selbſtändigkeit ihrer Meinung hierin kund zu tun, um den in der
letzten Zeit laut gewordenen Kritiken zu begegnen. Dem diplo=
matiſchen
Berichterſtatter des Temps zufolge hofft die belgiſche
Regierung, daß die Reparationsfrage endgültig gelöſt werde,
und vertritt deshalb folgende Geſichtspunkte:
1. Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Reform der deut=
ſchen
Finanzen.
2. Regelung der interalliierten Schulden im Zuſammenhang
mit einer Verminderung der deutſchen Reparationslaſt.
3. Feſtſetzung der Mindeſtforderungen der alliierten Regie=
rungen
, wobei alle Länder mit verwüſtetem Gebiet Prioritäten
zugeſagt werden.
4. Nutzbärmachung von Mitteln zur Schaffung ſtändiger
Einnahmequellen, ohne daß hierdurch den Budgets des Reiches
Gefahr diohe.
5. Regelung der Sicherheiten für Frankreich und Belgien
durch den Entwurf eines gegenſetigen Garantievertrages.
Franzöſiſche Verhandlungsverſuche mit England.
Paris, 29. Juli. (Wolff.) Der Umſtand, daß Curzon
bei ſeiner Reiſe zur Kur in den franzöſiſchen Badeort Bagnolles
de IOrne von keinem Sekretär begleitet ſein werde, veranlaßt
das Echo de Paris zu der Annahme, daß die Unterredung
zwiſchen ihm und Poincaré nicht weniger als ſicher
ſei. Man glaubt allerdings zu wiſſen, daß die belgiſchen
Miniſter, die in den letzten Tagen einen Augenblick daran ge=
dacht
hätten, nach London zu gehen, um dort Verhandlungen zu
improviſieren, es dem engliſchen Miniſter nahelegten, mit Poin=
caré
ſich zu beſprechen. Gewiſſen Informationen zufolge wolle
jedoch Curzon, bevor er dieſen Rat befolgte, Gewißheit haben,
daß die Unterredung mit Poincaré irgend ein praktiſches
Ergebnis erwarten laſſe. Der Brüſſeler Korreſpondent des
belgiſchen Blattes ſtellt feſt, man bedauere belgiſcherſeits ſehr,
daß die Umſtände eine Zuſammenkunft zwiſchen Poincaré, Bald=
win
und Theunis vor Abfaſſung der franzöſiſch=belgiſchen Ant=
wortnoten
verhindert hätten. Es ſei zwar die Rede von einem
demnächſtigen Zuſammentreffen der genannten Staatsmänner.
Aber es wäre beſſer geweſen, wenn man ſich verſtändigt hätte,
bevor jetzt die von jeder der drei Mächte geltend gemachten Auf=
faſſungen
zu Papier gebracht waren. In Ermangelung einer
derartigen Ausſprache müſſe man zugeſtehen, daß die Repara=
tionsfrage
von neuem in Gefahr ſei, feſtzufahren.
Uebermittlung der Antwort auf die engliſche Note.
Paris, 29. Juli. (Wolff.) Nach dem Brüſſeler Korreſpon=
denten
des Petit Pariſien wurde die Antwort auf die eng=
liſche
Note noch geſtern abend nach Paris übermittelt. Einer
Brüſſeler Meldung der Havas=Agentur zufolge iſt das Eintreffen
der belgiſchen Antwort in Paris für heute morgen in Ausſicht
geſtellt. Das franzöſiſche und belgiſche Dokument werden aller
Wahrſcheinlichkeit nach Montag oder ſpäteſtens Dienstag im
Foreign Office überreicht. Jedenfalls beſchäftgt ſich Poin=
caré
heute in Sampigny mit dem belgiſchen Schriftſtück. Ueber
den Inhalt der belgiſchen Antwort bemerkt der Petit
Pariſien u. a.: Da er aller Wahrſcheinlichkeit nach in allen Punk=
ten
der in Paris bereits mitgeteilten Brüſſeler Auffaſſung ent=
ſpreche
, ſei anzunehmen, daß er keine neuen Verhandlungen er=
forderlich
machen werde, daß ſeine Faſſung als endgültig betrach=
tet
werden könne. Das Echo de Paris ſtellt feſt, daß die franzö=
ſiſche
und belgiſche Antwort ziemlich verſchieden von einan=
der
ſeien. Die belgiſche Antwort genüge zwar im Prinzip der
hohen Politik, trage aber im höchſten Grade den engliſchen Vor=
ſchlägen
Rechnung, namentlich hinſichtlich des von Deutſchland
angebotenen Garantieſyſtems und der erneuten Ab=
ſchätzung
der deutſchen Zahlungsfähigkeit.
Getrennte Antworten.
Paris, 29. Juli. (Wolff.) Der Brüſſeler Korreſpondent
des Petit Pariſien meldet, man ſei ſich klar darüber, daß die
belgiſche Regierung das Problem zu erweitern trachte in dem
Sinne, daß ihre Antwort als Verhandlungsgrund=
lage
für den allgemeinen Reparationsplan dienen könne. Der
Brüſſeler Berichterſtatter des Echo de Paris ſagt, es erſcheine
nicht ausgeſchloſſen, daß jedes der beteiligten Länder nach vor=
heriger
Verſtändigung der deutſchen Regierung geſondert
ſeine Auffaſſung mitteilen werde. Dieſe Annahme, ſo ſei ihm
erklärt worden, dürfe wegen der etwaigen Haltung Italiens
nicht von der Hand gewieſen werden, die ſehr wohl Ueber=
raſchungen
bringen könne.

Die aufgehobene, nichtaufgehobene
Verkehrsſperre.
I.. 8. In der Nacht vom 25. zum 26. Juli iſt die am 2. Juli
durch einen Willkürbefehl der franzöſiſchen Beſatzungsbehörde
angeordnete hermetiſche Abſperrung des beſetzten Gebietes nach
nahezu vierwöchiger Wirkſamkeit offiziell wieder aufgehoben
trorden. Der lückenloſe Poſtenkordon, der die Grenze, die wider
alles Recht und alle Gerechtigkeit durch urdeutſches Land geführte
Grenze, erſt ſo recht deutlich zur Anſchauung brachte, iſt zurück=
gezogen
, die verſchiedenen Straßen, Brücken, Eiſenbahnlinien
ſind dem Verkehr unter den vor dem 2. Juli beſtehenden Beſtim=
mungen
wieder geöffnet, die erſten Züge mit Reiſenden aus dem
unbeſetzten Deutſchland in das beſetzte Gebiet hereingelaſſen wor=
den
. Trotzdem kann kaum von einer effektiv völligen Aufhebung
der Verkehrsſpere geſprochen worden. Nicht nur, daß die Grenze
zwiſchen dem beſetzten und unbeſetzten Gebiet nur tagsüber geöff=
net
, jedoch von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens weiter geſperrt
iſt, auch in der Erteilung von Aus= und Einreiſegenehmigungen
herricht noch immer ein Zuſtand, der einem Weiterbeſtehen der
Verkehrsſperre verzweifelt ähnlich ſieht. So wird in Aachen nach
einer Verfügung des Kreisdelegierten der Stempel für die Aus=
reiſe
bis zum 15. Auguſt nur erteilt, wenn ernſte Gründe vorlie=
gen
, welche die Anweſenheit des Antragſtellers im unbeſetzten
Gebiet unbedingt erforderlich machen. Was die Franzoſen unter
ſolchen ernſten Gründen verſtehen, oder beſſer nicht verſtehen,
zeigt treſſend der Fall einer Düſſeldorfer Bürgers, der während
der nun angeblich offiziell aufgehobenen Sperre um Ausreiſege=
nehmigung
nachſuchte, da er ſeine in einem Krankenhaus des un=
beſetzten
Gebietes auf dem Sterbebette liegende Frau noch ein=
mal
vor ihrem Tode ſehen wollte. Bekanntlich wurde dem Un=
glücklichen
dieſer nur zu berechtigte Wunſch als nicht genug ern=
ſter
Grund abgeſchlagen und ihm die Ausreiſe erſt dann geſtattet,
als ſeine Frau wirklich geſtorben war. Welche Bedeutung unter
dieſen Umſtänden die Verfügung des Aachener Kreisdelegierten
hat, iſt ohne weiteres klar. Sie bedeutet die praktiſche Verlänge=
rung
der Sperre für den Aachener Bezirk bis zum 15. Auguſt.
Kein Wunder, wenn unter dieſen Umſtänden ſich auch in ande=
ren
Teilen des beſetzten Gebiets weite Kreiſe der Bevölkerung
tveigern, an eine effektive Aufhebung der Sperre zu glauben. So
wird z. B. aus dem Ruhrgebiet gemeldet, daß der Grenzverkehr
trotz Aufhebung der Sperre auffallend ſchwach wiedereingeſetzt
hat, offenbar infolge des tiefen Mißtrauens der Bevölkerung, die
auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit nach kurzer Zeit ein=
ſetzenden
neuen, womöglich noch ſchärferen, Druckmaßnahmen
rechnet und bei Ueberſchreiten der Grenze fürchtet, nicht mehr zu=
rückkehren
zu können. Infolgedeſſen beſchränkt ſich der Verkehr in
der Hauptſache auf die Rückreiſe in beiden Richtungen.
Das Mißtrauen der Bevölkerung iſt unſtreitig berechtigt.
Man braucht ſich gar nicht an die beſtehenden Tatſachen, wie die
Verfügung des Aachener Kreisdelegierten, das Weiterbeſtehen der
Sperre während der Nachtſtunden zu halten, ein Blick auf die po=
litiſche
Lage genügt, um die aufkeimenden Zweifel, ob es denn die
Franzoſen wirklich ehrlich mit der Aufhebung der Sperre meinen,
zu einer Gewißheit werden zu laſſen, zu der Gewißheit, daß das
Maß des Leidens für das deutſche Volk im Weſten noch nicht voll,
daß eine Wiederholung der Verkehrsſperre zu erwarten iſt. In
dem Dilemma zwiſchen ſeinen eigenen Verſchleppungsabſichten
und dem offenſichtlichen Drängen ſeines engliſchen Alliierten
auf raſche Entſcheidung der Ruhr= und Reparationsfrage ſieht
Frankreich in der Forcierung ſeiner Rheinlandpläne den einzigen
Wege zur Erreichung ſeiner machtpolitiſchen Hegemonieträume,
wird die Erzwingung einer Kapitulation Deutſchlands binnen
kürzeſter Friſt zur Zwangsvorſtellung der franzöſiſchen Regie=
rung
. Zur Erreichung dieſes Zieles wurde die Verkehrsſperre
verhängt und wieder verlängert. Mag man mit ihr zunächſt be=
zweckt
haben, was man will, die Verdeckung der ſeparatiſtiſchen
Umtriebe, die Unierbindung des Perſonenverkehrs oder die Sa=
botierung
der Lebensmittelzufuhr: die Brechung des deutſchen
Widerſtandes, die Kapitulation Deutſchlands ſtand als erhofftes
indirektes Endziel hinter all dieſen mit der Verkehrsſperre ver=
folgten
direkten Zielen. So iſt es daher auch gleichgültig, ob
dieſe direkten Ziele erreicht wurden oder nicht die Ausrufung
der Rheinland=Republik iſt z. B. wohl infolge des Bruderſtreites
im Separatiſtenlager noch nicht erfolgt, während ſich andererſeits
die Franzoſen rühnten können, die Ernährungslage des Ruhrge=
bietes
bis zur Kataſtrophe getrieben zu haben ſicher iſt, daß
alle dieſe angeſtrebten oder erreichten Ziele nur als Etappen auf
dem großen Wege zum Endziel, zur Kapitulation Deutſchlands,
gedacht waren. Dieſes Ziel ſteht allen Poincarés und Degouttes
nach wie vor vor Augen, und nach wie vor iſt man in Paris
durchdrungen von der Auffaſſung, daß es forciert werden müſſe.
Nicht umſonſt ſchickt die franzöſiſche Propaganda immer wieder
geheimnisvoll andeutende Meldungen in die Welt von dem dicht
bevorſtehenden Zuſammenbruch des deutſchen Abwehrwillens,
von überraſchenden Aenderungen binnen einer Woche uſw.
Nicht umſonſt unterſtreicht auch das franzöſiſche Nach=
richtenblatt
in Düſſeldorf die Gerüchte von einer bal=
digen
Wiedereinführung der Sperre. Wenn auch nicht alle
Blütenträume reiften und vor allem das Hauptziel, die Brechung
des paſſiven Widerſtandes, nicht erreicht wurde, ſo wird man ſich
doch im Eſſener Hauptquartier, im Koblenzer Bureau des Rhein=
landkommiſſars
und in den Korridoren des Quai d’Orſay mit
einer gewiſſen Befriedigung darauf äufmerkſam machen, daß es
ſchließlich immerhin gelungen ſei, mit ſeiner Sperre den hart=
näckigen
Boches recht unangenehm zu werden, und daß man
immerhin die Leiden der Bevölkerung des beſetzten Gebietes be=
ſonders
durch die Intenſivierung des Hungerkrieges recht erheb=
lich
erhöht habe. Und vielleicht wird man in eben demſelben
Augenblick ſchon nach dem neuen Vorwand ſuchen, die Sperre
wieder in Kraft zu ſetzen. So liegt denn die Befürchtung nahe,
daß der jetzige Zuſtand der nicht einmal völlig aufgehobenen Ver=
kehrsſperre
nur eine Atempauſe, nur eine Zeit der Ruhe vor dem
Sturm darſtellt, indes man in Paris, in Koblenz, in Eſſen zu
neuem Schlage ausholt.

Unſere heutige Nummer enthält den Sport des Sonntags

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Seite 2.

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 30. Juli 1923.

Rummer 208.

Gegen Lloyd George.
London 29. Juli. (Wolff.) Der Unterſtaatsſekretär im
Auswärtigen Amt, Miſter Neill, richtete geſtern in einer Rede
vor mr konſervativen Zuhörern heftige Angriffe gegen Lloyd
George wegen ſeiner Angriffsrede gegen Poincaré, die Neill als
Hetzrede bezeichnete. Wohl beſtänden zwar Meigungsverſchie=
denheiten
zwiſchen England und Frankreich, doch ſeien das
keinerlei tiefere Gegenſätze.
Geiſeln in Franzoſenzügen.
verkehrenden Militärzügen muß für je 2 Wagen ein Deutſcher nahmeberordnungen oder =Geſetze, ſondern lediglich um die An=
als
Geiſel mitgeführt werden. Die Geiſeln dürfen den Zug wendung der beſtehenden Beſtimmungen auch auf polniſche
nicht verlaſſen, ſie ſtehen unter ſtrenger Aufſicht.
Beſchlagnahmevon StinneskohleninRheinau. freundſchaft erkennen läßt. Wenn die polniſche Regierung z. B.
Mannheimer Hafen Rheinau ſind von den Franzoſen beſchlag=
nahmt
worden, um abgefahren zu werden.
Druck auf die Banken.
Koblenz hat die Rheinlandkommiſſion den Oberkommandierenden den Vorfall zum willkommenen Anlaß für die Durchführung des
der allierten Beſatzungsarmee Vollmacht erteilt, die im beſetzten längſt vorgezeichneten Weges der zwangsweiſen Entdeutſchung
Gebiet etablierten Banken dahin anzuweiſen, daß ſie die von
belgiſche oder engliſche Währung berechneten Kurſe öffentlich an=
zuſchlagen
haben.
Kohlenzwangswirtſchaft.
Mannheimer Handelskammer in der Frage der Kohlen=
zwangswirtſchaft
eie Entſchließung, in der u. a. geſagt wird:
Die Zwangswirtſchaft wurde ſeinerzeit eingeführt, als Deutſch=
land
durch die von der Entente verhängte Blockade vollkommen
iſoliert war und keine Möglichkeit beſtand, Kohlen einzuführen.
Man mag ihr für dieſe Zeit eine Berechtigung zugemeſſen
haben. Heute hat ſich die Kohlenzwangswirtſchaft nach Wegfall hier wäre bereits die Quelle, von der die Einflüſſe nach War=
dieſer
Blockade vollkommen überlebt, denn ſobald die inländiſche
Produktion insbeſondere wegen der Reparationsleiſtungen nicht ſchauer Politik gegenüber Deutſchland beeinfluſſen. Gewiß, die
Kohle eingeführt werden. Daran kann auch die Zwangswirt= immer mit dem Schein umgeben wollen, als faſſe man ſeine Be=
ſchaft
nichts ändern, denn ſie kann keine fehlenden Mengen
ſchaffen. Die Kohlenzwangswirtſchaft, die ſich überlebt hat, koſtet barn, ohne jede Beeinfluſſung; dann aber würde natürlich eine
nach dem augenblicklichen Stande viele Milliarden im Monat, Unterſtreichung der intimen Beziehungen des Polenbundes mit
die von der Allgemeinheit getragen werden müſſen. Aus dieſen
Gründen halten wir es für eine Pflicht, dem Gedanken eines, einer Diskreditierung der polniſchen Regierung führen müſſen.
Die neuen Steuergeſetze.
Opfer, das Steuerzinsgeſetz und verſchiedene Verbrauchsſteuer= trauensmänner ſitzen hat. und aus dieſen Kreiſen geht die Auf=
änderungen
angenommen hat, wird heute oder am Montag er= forderung nach Warſchau, jedes wenn auch noch ſo berechtigte
Dr. Hermes vorgelegten Geſetzentwurf zur Aenderung der Ver= regeln gegen Deutſche in Polen zu beantworten.
mögens=, Erbſchafts= und Umſatzſteuer zu beſchließen. Es han=
delt
ſich dabei um eine Aenderung der mit der Geldentwertung Einſchüchterung der Reichsregierung, der natürlich das Wohler=
nicht
mehr im Einklang ſtehenden Tarife und um eine Verſchär= gehen der Deutſchen in Polen am Herzen liegt und die alles zu
dieſer drei Steuern maßgebend ſind.
Baldwin gegen den Sozialismus.
Baldwin ergriff geſtern abend auf einer Sitzung des Konſerva= Teutſchland zugereiſten, und die aus den Kreiſen des Polenbun=
tiven
Klubs in Edinburg das Wort und lenkte im Verlauf ſeiner des vollkommen freies Feld für ihre Tätigkeit, die ſich nach den
Rede die Aufmerkſamkeit ſeiner Zuhörer auf die ſoziali= Richtlinien des Duowskiſchen Programms auf die Losreißung
ſtiſche Gefahr. Stanley Baldwin, gab der Ueberzeugung Oſtpreußens vom Reiche, den Raub der reſtlichen Teile Ober=
Ausdruck, daß das Vereinigte Königreich gegen die ſozialiſtiſche ſchleſiens, Weſtpreußens und Poſens bewegt. Als Mittel zum
die Verſprechungen des Sozialismus ſeien und fügte hinzu, daß dieſer Richtung den geplanten Vorſtoß ſichern kann.
die Stärke Groß=Britanniens heute die geeinigte Unioniſtiſche
fahr laufe, die ſoziale Maſchine zu zerbrechen.
* U=Boot=Greueltaten?
zu Los Angeles.
Sicherheit ſchleppen, ſo haben ſie ſtets mittelſt Funkentelegraphie verſucht.
andere Schiffe von der genauen Lage des beſchädigten Fahr=
zeuges
benachrichtigt.
keit, ſo fährt das Blatt fort, verdiente ſie unendlich mehr Platz
und weit größere Ueberſchrift, als ſie ſonſt irgend einem Leit=
ſcheint
ſie mit Ausnahme einer kurzen, unfreundlichen Erwäh=
nung
im Neu=York World von den Zeitungen und Preſſe=
Vereinigungen unbeachtet geblieben zu ſein. Dagegen hatten
dieſe Organe Raum genug für beträchtliche Auszüge aus den
Kriegsbereitſchaft der Marine forderten.
jetzt von einem hochgeſtellten Kriegsteilnehmer über das Auf= und ſeine Auteilnahme an der allgemeinen Belügung des ame=
treten
der Deutſchen zur See und über die lügneriſche Propa= rikaniſchen Volkes bekenne. Danach ſo meinen wir ſchreit
forderung der Ungntaſtbarkeit und Wahrhaftigkeit unſerer Aber wir können weder den Verluſt unſchuldiger Männer,
Preſſe!

* Die Urſache der polniſchen
Repreſſalienpolitik.
Von Paul Deparade.
Ein beredtes Zeichen der antideutſchen Orientierung der pol=
niſchen
Politik in den letzten Monaten, die Sikorski in Poſen,
Woyciechowski in Karthaus und Gdingen und der jetzige Außen=
miniſter
Seyda in den verſchiedenen Reden ankündigten, iſt die
Anwendung von Repreſſalien auf deutſcherſeits durchgeführte
Paris, 30. Juli. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung Maßnahmen, die im Intereſſe der Staatsraiſon beſchloſſen wer=
aus
Vewvier wird berichtet: In den zwiſchen Aachen=Haupt= den mußten. Eben weil Deutſchland nicht an beſondere Schi=
bahnhof
, München=Gladbach, Neuß, Krefeld und Aachen=Nord kanen gegenüber den Polen denkt, handelte es ſich nie um Aus=
Staatsangehörige, deren Verhalten mehr als das der anderen
Fremden eine mißbräuchliche Ausnutzung der deutſchen Gaſt=
die
Ausweiſung von insgeſamt vier wegen ſtrafwürdiger Ver=
Mannheim, 28. Juli. Die Stinnes=Kohlenlager im gehen angeklagter und verurteilter Perſonen und nicht, wie
von polniſcher Seite behauptet wurde, 78 Polen zum Anlaß
nahm, den Befehl zur Vertreibung von 136 Deutſchen zu geben,
ſo iſt aus dieſer Maßregel allein der Wille zu erkennen, durch
die Schikanierung der Deutſchen in Polen einen Druck auf die
Geſtaltung der innerdeutſchen Angelegenheiten auszuüben, weni=
Paris, 28. Juli. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus ger die Abſicht, einen in jedem Staate faſt täglich zu verzeichnen=
der
Weſtprobinzen zu nehmen. Für die beabſichtigten Auswei=
ihnen
für An= und Verkauf von Papiermark gegen, franzöſiſche, ſungen würde die polniſche Politik andere Scheingründe finden.
Nicht anders verhält es ſich mit der Einführung der Kaution für
Reiſende nach Polen, angeblich als Gegenmaßnahme auf die
Sonderbehandlung der Polen durch die deutſchen Paßſtellen in Vertreter der Staaten der Kleinen Entente wurde fol=
Polen. Und doch handelt es ſich deutſcherſeits nur um eine von
Die Mannheimer Handelskammer gegen die den zweifelhaften Reiſenden geforderte Sicherheitsleiſtung, die Meinungsausdauſch über die allgemeine Lage ſtatt, wobei ſich
Mannheim, 30. Juli. In ihrer letzten Sitzung faßte die die polniſche Repreſſalie ohne Veranlaſſung, ſo daß, wie in der der Solidarität und des Friedens bekundete ſich ſomit aufs neue.
Jünſchen gefügig zu machen.
Der Beginn der polniſchen Repreſſalienpolitik fällt zuſammen Stellungnahme erforderlich iſt.
mit dem Erſtarken der Macht der Polen in Deutſchland nach dem
Zuſammenſchluß im Bund der Polen in Deutſchland, Und X Das Ergebnis der panamerikaniſchen Konferenz.
ſchau gehen. Im Polenbunde ſitzen die Faktoren, die die War=
ausreichte
, mußte ſeit Ende des Krieges und auch in Zukunft Initiative wird in Warſchau ergriffen, denn dort wird man ſich Santiago de Chile ihre Verhandlungen. Bei dieſer Gelegenheit
ſchlüſſe, vor allem in der Politik gegenüber dem weſtlichen Nach=
Warſchau zu peinlichen Eingriffen der deutſchen Regierung und
Abbaues der Zwangsbewirtſchaftung ſofort näher zu treten. Aber die Richtlinien, in denen ſich die Deutſchenpolitik zu bewe=
gen
hat, werden von der Zentrale des Bundes nach Warſchau
Vertretungen in Deutſchland. Die Beſtätigung für dieſe An=
TU. Berlin, 28. Juli. Das Reichskabinett, das in ſeiner nahme liegt mit in der Tatſache, daß der Polenbund in jedem
geſtrigen Sitzung die drei Geſetzentwürfe über die Rhein=Ruhr= polniſchen Konſulat in Deutſchland einen oder mehrere Ver=
neut
zuſammentreten, um über den vom Reichsfinanzminiſter. Vorgehen gegen einen Polen im Reiche mit verſchärften Maß= geben, daß ſich Südamerika die Vormundſchaft, welche die Ver=
fung
der Bewertungsvorſchriften, die bisher durch die Erhöhung vermeiden gedenkt, was ſich zum Schaden dieſer Deutſchen aus=
wirken
könnte. Indem die Reichsregierung durch die polniſchen
Deutſchland mit einer außergewöhnlichen Duldung zuzuſehen, war es nicht immer möglich, eine Uebereinſtimmung zu erzielen.
TU. London, 28. Juli. Der Premierminiſter Stanley Wiſſen der polniſchen Regierung und ihrer Vertretungen in artikel ihre Leſer auf die nächſte Konferenz in Habang.
Politik, die ſeiner Meinung nach das britiſche Volk nur ſchwäche Zweck dient den Agitatoren die Verleumdung der Regierungen, Royal Air Force beſchäftigt und iſt dabei zu Schlußfolgerungen
und zerbröckele, eine geſchloſſene Front bilden müſſe. Der die Untergrabung der Autorität durch Lächerlichmachung der gelangt, die zwiſchen der Admiralität einerſeits und dem Briti=
Premierminiſter ſetzte in klarer Weiſe auseinander wie trügeriſch Lage Deutſchlands, wohl wiſſend, daß nur eine Vorbereitung in ſchen Luſtſchiffdienſt andererſeits zu einer ernſthaftenAuseinander=
Partei ſei, deren Führer zu ſein er den Vorzug habe. Die Unio= nimmt die polniſche Regieung zu den Repreſſalien Zuflucht, teidigungsausſchuß hatte in ſeinem Bericht erklärt, eine Fort=
niſtiſche
Partei wünſche ebenſoſehr, wie alle diejenigen, die im Dieſe Annahme wird in der letzten Zeit durch das Organ des Po= dauer dieſes Zuſtandes wäre wünſchenswert. Die Admiralität
Namen des Sozialismus ſprächen, es an nichts fehlen zu laſſen, lenbundes, die Gazeta Olsztynska beſtätigt, die u. a. weil es nahm ſich jedoch vor, alleina uf das Marine=Luſtſchiffweſen eine
um die Daſeinsbedingungen des Volkes zu verbeſſern, und wenn zum Programm gehört, für die weitgehende Poloniſierung der Kontrolle auszuüben und Admiral Beatty ſowie mehrere ſeiner
es Leute gäbe, die den Klaſſenkampf entfeſſeln wollten, ſo würde oſtpreußiſchen Schulen eintritt. Der Schutz, den die Polen in der Mitarbeiter hätten geſtern mit ihrer Demiſſion gedrobt, wenn
die Unioniſten dieſe Herausforderung aufreizen, wobei ſie des Repreſſalienpolitik Warſchaus zu finden glauben, verführt die ihnen die Beaufſichtigung der Luftſtreitkräſte nicht zugeſtanden
Sieges gewiß ſeien, da ſie einen ſehr harten Schädel und ein Zeitung, eine deutlichere Sprache zu reden. In Nr. 145 ſagt das würde. Der Kriegsminiſter ſeinerſeits verlangt in dieſem Falle.
großes Herz beſäßen. Zum Schluß ſagte Baldwin, daß, wenn Blatt, ein einziges Wolfftelegramm (eine amtliche deutſche Mit= ebenfalls in dem Luftſchiffweſen ſelbſtändige Entſcheidungen
man die induſtrielle Entwicklung zu ſehr beſchleunige, man Ge= keilung) würde dann melden (nämlich wenn den polniſchen Wün= treffen zu können. Die Situation iſt mithin ſehr verwickelt und
ſchen in Oſtpreußen nicht entſprochen wird; d. Red.), daß in kann ſich folgenſchwer geſtalten.
der meiſten unſerer Tageszeitungen von Propaganda=Nach= booten an Kälte oder Ausſetzung ſtarben oder mit ihren Schiffen
Es gibt keinen authentiſchen Bericht über irgend eine im Kriege Lügen, Betrug, Mord und Verbrechen aller Art kein Tadel dieſer Unterbringungsmethode zur See anhaftet, dann
Greueltat, die jemals vom Kommandanten oder von der Be= ſind Krieg. Nun aber iſt der Krieg vorüber, lebt da in der mag es uns bekannt gemacht werden, nicht nur, damit den
ſatzung eines deutſchen U=Boots begangen wäre! So äußerte amerikaniſchen Preſſe nicht Mannhaftigkeit genug, um die Deutſchen Gerechtigkeit widerfahre, ſondern damit wir vielmehr
ſich der amerikaniſche Admiral William S. Sims im City=Club hiſtoriſchen Tatſachen richtig zu ſtellen? Wir hofften, dem wäre genau ſehen, was für ein verteufeltes Ding das Keigsſpielen iſt!
Die Preſſeberichte über die entſetzlichen Greueltaten waren ſeinen Widerruf veröffentlichte, ſeine Rechtfertigung für ſeinen kommiſſion im Senat, Guſtave de Kergquenec, bei, indem wir für
nichts als Propaganda fuhr er fort. Die britiſchen Flotten= Anteil an dem Lügenfeldzug und an der Wahrheitsverdrehung, Verringerung der Zahl der Kriegsſchiffe, wie überhaupt für Be=
berichte
und unſere eigenen ſind voll von Meldungen, welche be= die die Vereinigten Staaten in den Krieg hetzten, denn die ſeitigung aller Flotten eintreten. Denn ſie ſind ſo lange eine
weiſen, daß die deutſchen U=Boot=Kommandanten bei der Ret= Preſſe brachte Sir Philipps Bekenntniſſen einige Beachtung ent= Peſtbeule, als mit ihnen ſolche rechtmäßigen Heldentaten mög=
tung
von Mannſchaften und Paſſagieren der von ihnen verſenk= gegen. Uebrigens haben die Deutſchen dieſen Feldzug durch lich ſind, wie ſie die Deutſchen und Allierten auf hoher See
ten Schiffe Hilfe leiſteten. Konnten ſie die Schiffe nicht ſelbſt in ähnliche Mittel ohne Erfolg zu überſtehen, ja zu übertreffen verübten.
geſtändnis des Admirals Sims tun?. Wir möchten glauben, daß daß mit verſchwindenden Ausnahmen keine Zeitung für die Rich=
gie
ameritaniſche Zeitung, der ich dieſe Aeuferung des ſie es übergehen werden, genaul ſo wie ſe die weſentlichſten Tatz jgſtellung der Wahheit einrit. Der Grund liect durin deß
oberbefellsbabers der amerikaltiſchen Flote während desgries ſachen über die Entiſtehung des Krieges noch übergehen, die brite mn einſach nicht wiſſen vill wie ſehr man mit den entſetlichen
Zentnelme ſißt binzu, daß dieſe erſtaunlche Nachricht auf ben mit ſo viel Fleiß aus den Achlten ausgenaben werden Sigen an der Naſe herungeſihrt worden iſt. Aiemand hert geru
ener imneren Seſt der Neuschart Trthune vom 4. Anril ſieht, und die eine ſolche Fut von Licht auf die Enzſehung der Katze daß er dumm warl Andererſeits berimmert ſich der Amerkäaner
ealrime vr u behauten wagen unter 1000 nicht ein ſtrobhe werſen. Belche gmerfkaniſche Sageszetung hat denn den m algemeinen biel zu wenig um Bolitil, insbeſondere um aus=
zeier
ſe enchect hit Sieſſtauchin keinerweiteren Neu Yorker Schnfſten des Profeſars Sidneh Fch bon dem Snith Golege wärtige Angelegenheiten, als daß er der Aufruhrung von längt
Deiuf eſchlenen und doch wäre ſie lirnglos eine der wichtigs gelthrende Aufmertſamket geſchenlt Welches amerilaniſche Verzangenen igendwelches Intereiſe entgegenbräichke. Dus be=
deu
Nöchichen die ſeit 1Wf auſgetaucht fid. Alein als Neugs Dat hat die Enthülungen des Suchenlinen=Brngelſies ernſte Leutet ir unß, daß Dir aus dieſen vereingelten Eineſkäandns
haft beachtet, oder die Iswolski=Saſanow=Korreſpondenz, die ſo ſchmeichelhaft und günſtig es für uns iſt keine optimiſt=
e
tel dericthune m ienem Tage gegben wuche. Denach triehe mit den Miltariſten gufdecken, oder al die aderen Dohe belundet in den Vereinigen Stadten recht wenig Aiutereiſe barftit,
mente, welche die prinzivpielle Frage von Deutſchlands alleimger ob wir am Kriege ſchuld hatten oder nicht, und ob wir jetzt Un=
Schuld am Kriege beleuchten?
Wenn man ſich vergegenwärtigt, welche endloſen Spalten der
Reden des Admirals, welche die Pazifiſten angriffen und größere ihres Anſehens willen von Wahrheitsliebe ganz abgeſehen! gewonnen haben. Wir haben alſo in unſerem jetzigen Kampfe
geſchloſſen fordern müßten, daß Admiral Sims offiziell ſeine Be= um das Ruhrgebiet mit keinerlei Hilfe von jenſeits des großen
So bleibt das ſtaunenerregendſte Eingeſtändnis, das bis hauptung widerrufe, oder daß das Marineminiſterium ihn decke Waſſers zu rechnen!
ganda der Allierten gemacht wurde, faſt ganz unbemerkt. Einige der Fall. Offengeſtanden teilen wir Admiral Sims Anſicht nicht, durchſickert, und daß ſie ſchließlich, wenn auch ungern, doch zu=
Verleger werden ſich ſicher noch ſcheuen, ſo etwas zu drucken, aus Es mag ſein, daß das Verhalten der Deutſchen mit den Kriegs= gegeben werden muß. Unſern U=Boot=Helden muß es eine Ge=
Furcht, als Deutſchen=Freunde verrufen zu werden. Viele wol= geſetzen abſolut in Einklang geſtanden hat, daß ſie im U=Boot= uugtuung ſein, daß ein kompetenter Gegner ihnen Gerechtigkeit
len es nicht ſehen, und doch enthält es die ſchwerſte Heraus= Krieg ſo human wie Seeleute nur irgend konnten verfuhren, widerfahren läßt. Darum iſt uns das amerikaniſche Bekenntnis
Frauen und Kinder auf der Luſitanig und auf anderen

Polen ſo und ſo viel deutſche Schulen geſchloſſen wurden. Wenn
ſich das Blatt hier noch vorſichtig ausdrückte, ſo wird es in
Nr. 147 eindeutiger. Wiederum befaßt ſich das Polenblatt mit
den Schulwünſchen und ſagt dann wörtlich: Indem wir in die=
ſe
Angelegenheit entſchieden und energiſch vorgehen, unterſtützen
wir nicht nur die Intereſſen der polniſchen Minderheit in
Deutſchland, ſondern bedrohen auch die Intereſſen der deutſchen
Minderheit in Polen. Ja, wenn wir nicht die gleichen Rechte
erhalten, die die Deutſchen in Polen haben, dann bedrohen wir
die Intereſſen der deutſchen Minderheit in Polen. Und in
Nr. 149: Wir wünſchen uns eine polniſche Regierung, die nicht
gleichgültig zuſehen wird, wenn uns hier Unrecht (!) zugefügt
wird.
Es iſt natürlich ein müßiges Geſchwätz der Polenzeitung, von
bedrohten Rechten, der Polen in Oſtpreußen zu ſprechen. Die
Schulwünſche der Polen ſind derart übertrieben den gerechten
Forderungen iſt längſt entſprochen , daß ſie nichts weiter be=
zwecken
, als die Poloniſierung der Grenzmark. Das Organ des
Polenbundes läßt offen durchblicken, daß es Repreſſalien in
Warſchau veranlaſſen wird und berechtigt zu der Schlußfolge=
rung
, daß die bisherigen Repreſſalien ebenfalls vom Polenbunde
ausgingen.
Trotzdem die Einſchüchterungsverſuche dürfen nicht einen
Rücklzug vor den polniſchen Unverſchämtheiten zur Folge haben.
Wichtig für Deutſchland iſt, die Treibereien des Polenbundes
und ſeines Organs, der Gazeta Olsztynska zu unterbinden, zu
verhindern, daß nach Warſchau weiter Richtlinien gegeben wer=
den
, die die Intereſſen der deutſchen Minderheit in Polen be=
drohen
. Nur, weil Deutſchland durchaus nicht zuſehen will, wie
polniſche Hetzer den Boden für einen neuen Ueberfall Polens
auf die Oſtmark vorbereiten.

Einigkeit der Kleinen Entente.
Sinaja, 28. Juli. (Wolff.) Nach der erſten Sitzung der
gende amtliche Mitteilung ausgegeben: Es fand ein eingehender
nicht nur von den Polen verlangt wurde, ſondern in allen Stac= ein= völlige Uebereinſtimmung in allen Punkten er=
ten
, von denen eine Ueberſlutung Deutſchlands drohte. Auch hier gab. Die vollſtändige Einigcheit der Kleinen Entente als Faktor
Aus zeiſungsaffäre die Abſicht erkennbar wird, durch einen Druck Die Erörterungen werden morgen fortgeſetzt. Es werden ver=
deutſche
Bevölkerung die Berliner Regierung den polnis ſchiedene Fragen geprüft, die für die Kleine Entente von beſon=
derem
Intereſſe ſind und zu deren Behandlung eine gemeinſame
Aus Chile wird uns geſchrieben:
Am 3. Mai beendigte die panamerikaniſche Konferenz in
ſchrieb Chiles größte Zeitung, die Nacion: Es iſt ſicher, daß
die praktiſchen Ergebniſſe dieſer Konferenz viel größer hätten
ſein können, als es der Fall iſt. . . . Man mag dagegen ein=
wenden
, daß der Platonismus von heute morgen zu einer Reali=
tät
werden kann. Aber dieſe Betrachtungen können einen auf=
merkſamen
und wohlwollenden Beobachter nicht darüber hin=
wegtäuſchen
, daß ein großer Mangel in der Vorbeneitung, der
gegeben, teils direkt, in der Hauptſache jedoch über die polniſchen Organiſation und der Leitung der Konferenz beſtand, auf welche
ſo große Hoffnungen geſetzt worden ſind ...
So wird denn die Konferenz auch von der führenden chile=
niſchen
Preſſe als geſcheitert angeſehen. Die Preſſe der übrigen
ſüdamerikaniſchen Staaten ſtellt ſich nicht anders zur Konferenz=
Die Oeffentlichkeit aber hat mit dürren Worten zu verſtehen ge=
einigten
Staaten von Nordamerika im Bunde mit Braſilien
Der Polenbund verſpricht ſich von dieſem Vorgehen eine darüber ausüben möchten, nicht gefallen laſſen will. Keine der
wirklichen Lebensfragen für Südamerika iſt auf der Konferenz
auch nur annähernd einer Löſung zugeführt worden, weder die
Entwaffnung, noch die Neuorganiſierung der Panamerikaniſchen
Uniog in Waſhington, noch die Frage eines ſüdamerikaniſchen
Repreſſalien gezwungen wird, den Machenſchaften der Polen in Völkerbundes. Aber ſelbſt in rein techniſchen Angelegenheiten
haben natürlich die polniſchen Agitatoren, die aus Polen mit So vertröſtet denn auch die Nacion im oben angeführten Leit=
Differenzen im engliſchen Luftkommando.
London, 28. Juli. (Telunion.) Der Reichsverteidigungs=
ausſchuß
hatte auf Erſuchen der Regierung ſich mit der Frage der
ſetzung Anlaß geben. Bekanntlich hängen die engliſchen Luftſtreit=
Nur um die polniſche Agitation in Deutſchland zu ſchützen, kräſte einzig und allein von dem Luftſchiffminiſter ab. Der Ver=
Jeder erinnert ſich, daß während des Krieges die Spalten / Dampfern vergeſſen, noch alle die Seeleute, die in den Rettungs=
richten
überfloſſen. Das ſind unvermeidliche Begleiterſcheinungen untergingen. Wenn das in Kriegszeiten gerechtfertigt iſt, wenn
ſo geweſen, als der engliſche Schriftſteller Sir Philipp Gibbs Stimmen wir dann dem Präſidenten der franzöſiſchen Marine=
Soweit der Artikel in dem amerikaniſchen Blatt, den ich in
Was aber wollen unſere Zeitungen jetzt mit dieſem Ein= Ueberſetzung hier gab. Danach iſt es traurig, aber bezeichnend,
Poincarés leichtfertiges Spiel mit dem Kriege und ſeine Um= ſchen Schlüſſe für unſere auswärtige Politik ziehen dürfen. Man
recht leiden oder nicht.
Wenngleich die Franzoſen, namentlich ſeit dem Fiasko von
Aufbauſchung der angeblichen U=Boot=Greuel gewidmet waren, Clemenceaus Vortragsreiſe, ſehr an Sympathie verloren haben,
ſollte man meinen, daß die führenden Tagesblätter ſchon um ſo heißt das durchaus nicht, daß wir in gleichem Maße an ſolchen
Eins aber iſt erfreulich, daß die Wahrheit allmählich boch
von beſonderer Wichtigkeit, möge es bei uns Verbreitung finden!
Frhr, b. Mehienbug.

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Nummer 208.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 30. Juli 1923.

Seite 3.

Frankreichs Finanzlage.
Die franzöſiſche Finanzpolitik, wie ſie ſeit Wiederherſtellung
des Friedenszuſtandes, vor allem aber ſeit Uebernahme der
nationaliſtiſchen Diktatur, durch Raymond Poincaré betrieben
wird, ſteht und fällt mit dem Leitſatz: Le boche paiera tout.
Deutſchkand wird alles bezahlen, was kümmert es da die ver=
antwortlichen
Leiter der franzöſiſchen Wirtſchaft, was beſonders
den rückſichtslos ſeine imperialiſtiſche Außenpolitik verfolgenden
Miniſterpräſidenten, ob der Franken zeitweilig fällt, die franzö=
ſiſchen
Rentner (einſt der Solz ihres Volkes) verarmen und die
Induſtrie ihre Hochöfen ausblaſen muß. Der franzöſiſche Staats=
haushalt
weiſt ein ſtattliches Defizit auf. Dies wird in Frankreich
nicht nur offen zugegeben, ſondern ſagar immer wieder vorge= einen ausführlichen Bericht über die Arbeiten des letzten Jah=
wieſen
, um darzutun, wie ſchwer das ſiegreiche Frankreich zu
tragen habe, während es dem beſiegten Deutſchland durchaus
gut gehe. Dies iſt auch der Leitgedanke, den Herr Poincaré in
ſeinen zahlreichen Reden anläßlich der Einweihung irgend eines
Kriegerdenkmales immer wieder ausſpinnt. Warum ſtehen wir
heute vor einem ſolchen Defizit?, ſo führte auch der franzöſiſche
Finanzminiſter unlängſt in einer Kammerrede aus. Weil
Deutſchland den Vertrag von Verſailles nicht erfüllt. Bevor wir
vom franzöſiſchen Volke neue Opfer fordern, muß die franzöſiſche
Regierung alle Mittel anwenden, um Deutſchland zur Wieder=
gutmachung
der von ihm angerichteten Schäden zu zwingen.
So bertröſtet man das unter dem allmählichen, doch ſtändigen
Rückgang der Wirtſchaft leidende Volk Frankreichs immer wie=
der
auf den Eingang großer Reparationsſummen, während ſo
gut wie nichts für die innere Geſundung des Wirtſchaftskörpers
getan wird. In der Zeitſchrift für Politik (Bd. 12, Heft 3) macht
der Kieler Univerſitätsprofeſſor Dr. Oswald Scheider die fran=
zöſiſche
Finanzwirtſchaft zum Gegenſtand ſehr beachtenswerter
eingehender Betrachtungen. Aus ihnen geht u. a. hervor, daß
das jährliche Minus des franzöſiſchen Staatshaushaltes von
0,2 Milliarden Franes im Jahre 1913 auf 24,6 Milliarden Fres.
im Jahre 1922 geſtiegen iſt. Frankreichs Finanzbedarf betrug im
letzten Friedensjahr etwa 5 Milliarden Franes und ſteigerte ſich
bis 1920 auf 58 Milliarden Franes, um erſt in den letzten Rech=
nungsjahren
einen unbedeutenden Rückgang aufzuweiſen. Nach
dem Voranſchlag für das laufende Jahr betragen die Einnahmen
nur ein Drittel der zu erwartenden Geſamtausgaben. In Wirk=
lichkeit
wird mit Rückſicht auf den ſeit dem Ruhreinbruch ſich
immer mehr bemerkbar machenden Konjunkturrückgang das Ver=
hältnis
ſich heute noch weit ungünſtiger ſtellen. Nach vorſich=
tiger
Schätzung franzöſiſcher Wirtſchaftler dürfte das franzöſiſche
Defizit für 1923 alles in allem 31,6 Milliarden Franes ergehen.
Dazu wurde vom franzöſiſchen Finanzminiſterium noch eine
ziemlich durchſichtige Verſchleierung vorgenommen, indem unter
dem Titel Dépenſes recouvrables die von Deutſchiand einzit=
treibenden
Reparationsſchulden als feſter Poſten in das Bud=
get
eingeſtellt wurden. Frankreichs Staatsſchuld bezifferte ſich
1913 auf 34 Milliarden Francs. Sie beträgt zurzeit nach Abzug
der Verſchuldung ausländiſcher Staaten an Frankreich runk 300
Milliarden Franes. Hierzu kommen die ſeit dem Jahre 1913
bereits auf das Zehnfache angewachſenen Ausgaben für die Ver=
zinſung
und Tilgung dieſer Schulden (1913: .3 Milliarden
Francs: 1922: 13 Milliarden Francs). Im Hinbli=k auf die
immer wieder betonte glücklichere Lage des deutſchen gegen=
über
dem franzöſiſchen Staatsbürger iſt es angebracht, feſtzu=
ſtellen
, daß eine allen angeblichen Reformen Hohn ſprechende,
unzulängliche Steuerfaſſung ſo gut wie nichts zur Erhöhung der
Staatseinnahmen Frankreichs beitragen konnte, wohingegen das
deutſche Volk durch den leider notwendigen Aufbau eines durch=
greifend
harten Steuerſyſtems immer ſchwerer belaſtet und in
ſeiner Lebenshaltung beſchränkt wird.
Wirtſchaftliche WiederherFelſung.
Paris, 29. Juli. (Wolff.) Mehrere hundert Delegierte
der der Internationalen Handelskammer ange=
ſchloſſenen
Finanz=, Induſtrie= und Handelsvereimigungen von 36
Ländern nahmen geſtern in Paris eine Reſolution, betreffend
wirtſchaftliche Wiederherſtellung der Welt, einſtimmig an. Die
Durchführung der Beſchlüſſe, über deren Inhalt nichts näheres
verlautet, wurde einem internationalen Ausſchuß übertragen,
der ſich zuſammenſetzt aus Sir Felix Schuſter=London, Fred
J. Kent=Neu=York, Maurice Despret=Brüſſel, Maurice
Lewandowski=Paris, Alberto Pirelli=Rom, Wal=
lenberg
=Stockholm, Weſtermann=Rotterdam und dem
Vorſitzenden der Internationalen Handelskammer, dem Amerika=
ner
Willis H. Booth. In der vorletzten Sitzung beſchloß der
Ausſchuß, wie bereits gemeldet, eine Enquete über die deut=
ſchen
Auslandsguthaben.
London, 29. Juli. (Wolff.) Nach einer Reuter=Meldung
aus Neu=York nimmt man dort an, daß Morgan während ſei= ziehung werden zu laſſen, iſt Sache reifer Menſchen,
ner Europareiſe ſich mit europäiſchen und amerikaniſchen augen=
blicklich
in Europa weilenden Bankiers über die wirtſchaftlichen
Verhältniſſe der Welt beſprechen will.
G

Der deutſche Studententag in Würzburg.

Vierter Bericht unſeres A.-K.=Sonderberichterſtatters.

Würzburg, 28. Juli.
Nach dem Vortrag von Geheimrat Dr. Quaatz=Eſſen, M. d.
R., Volk, Staat und Student der das Thema des ganzen
Tages voraufzeigte, gab der Geſchäftsführer der Wirtſchafts=
hilfe
der deutſchen Studentenſchaft:
Aſſeſſor Dr. Schairer
res. Er legte dar, daß der oberſte Grundſatz ſtudentiſcher
Selbſthilfe, die unbedingte Neutralität in politi=
ſchen
, weltanſchaulichen und religiöſen Fragen
bisher in keiner Weiſe verletzt worden ſei. Auf den geſchicht=
lichen
Rückblick und den Bericht über den Stand der Organiſa=
tion
brauchen wir in dieſem Rahmen nicht näher eingehen, da
wir darüber früher ſchon fortlaufend berichtet haben. Einige
Angaben mögen genügen: Neben der Wirtſchaftshilfe
der deutſchen Studentenſchaft, die als Zentral=
organiſation
in engſter Fühlung mit allen Wirtſchaftskreiſen,
mit 43 ſelbſtändigen rechtsfähigen Wirtſchaftskörpern der geſam=
ten
Studentenſchaft wirtſchaftliche Unterſtützung angedeihen
läßt, beſteht ſelbſtändig die Darlehnskaſſe der deutſchen
Studentenſchaft. Die umfaſſendſte Arbeit, die Studenten=
ſpeiſung
, wurde im vergangenen Semeſter von 35 000 Stu=
denten
ausgenutzt. Die Preiſe betrugen durchſchnittlich ein
Drittel des Preiſes eines normalen Gaſthauseſſens. Das zweite
Hauptgebiet iſt die Bedarfsdeckung, deren Organiſationen an
faſt allen Hochſchulen ſtark ausgebaut ſind, wo nicht Rückſicht auf
örtliche Handelskreiſe einen weiteren Ausbau nicht für förder=
lich
hielt. Die Bücherbeſchaffung liegt allerdings noch ſehr im
Argen. Neuerdings iſt auch die Möglichkeit der wertbe=
ſtändigen
Anlage von Erſparniſſen von Studenten ge=
ſchaffen
worden. Als bemerkenswert mögen die Beſtrebungen
erwähnt werden, die darauf hinausgingen, die Studenten von
dem Nebenerwerb fernzuhalten, der ſich mit dem Charakter
des Akademikers nicht in Einklang bringen läßt. So konnten
70 Prozent aller Erwerbstätigen in der Induſtrie beſchäftigt
werden. Danach ergriff Herr
Dipl.=Ing. Gerloff
das Wort zu einer in akademiſchem Geiſte gehaltenen Kritik;
er anerkannte die unermüdliche Arbeit, die geleiſtet wurde, be=
tonte
jedoch, daß er mit weſentlich anderen Gedanken an die
wirtſchaftliche Arbeit heranginge, als augenſcheinlich die in die=
ſer
Arbeit ſtehenden Männer. Die Wirtſchaftshilfe dürfe nicht
Selbſizweck ſein, ſondern eine beſondere Art der Verwirk=
lichung
eines poſitiven nationalen völkiſchen Gedankens. In
längeren Ausführungen legte er die ungeheure Bedeutung des
Studentenlebens und des Standes, dem es angehört, des Mit=
telſtandes
, für den kulturellen Wiederaufbau, der Vorbedingung
für den Wiederaufftieg iſt, dar und zog daraus die Folgerung,
daß der Staat die unbedingte Pflicht habe,
die Studentenſchaft in ausreichender Weiſe
zu unterſtützen und lebensfähig zu halten. Die
Wirtſchaftshilfe muß alſo mit Forderungen an den
Staat treten und nicht betteln gehen: Der Redner legte
dar, wie kläglich die Unterſtützung bisher geweſen ſei (4½ Mil=
liarden
Mark in 2 Jahren) im Vergleich zu dem, was täglich
an Arbeitsloſenunterſtützungen gezahlt würde. Er zeigte, daß
die Studentenſchaft keine unterſtützung für
ſich, ſondern letzten Endes die Erhaltung der
deutſchen Kultur fordert, daß ſie das, was
heute der Einzelne bekommt, ſpäter an ideel=
len
Werten tauſendfach zurückerſtatten wird.
Weitergehend zeigte der Redner, daß es doppelt peinlich
wirke, wenn man (die Wihi) im Auslande Verſtändnis für
praktiſche Hilfe verlange, wo das deutſche Volk und
ſeine eigene Regierung verſagt haben, weil man
gebeten hatte, wo man fordern mußte, um dann zum Problem
des Werkſtudententums überzugehen, und die Gefahren
zu zeigen, die dem werktätigen Studenten in ſeinen Studien
und ſeiner Entwicklung drohen. Er legte dar, daß das Werk=
ſtudententum
nicht ein Idealzuſtand wie ihn die
Wihi geprieſen hatte ſondern ein Notzuſtand ſei,
und daß es das Ziel der Wihi ſein miſſe, durch berechtigve
Forderungen durchzuſetzen, daß nicht 100 Prozent, ſondern
0 Prozent der deutſchen Studentenſchaft ihr Brot durch Hand=
arbeit
verdienen. Niemand könne zween Herren dienen. Ein
ſyſtematiſches Studium laſſe keine Zeit für Handarbeit, und
wenn, ſo ſoll dieſe der Pflege des Körpers, der Erholung ge=
widmet
ſein. Anſchließend bezeichnete er den Werk=Studenten
als Helfer beim ſozialen Ausgleich, als eine Utopie. Die rich=
tige
Einſtellung von Menſch zu Menſch zu finden die die
Vorausſehung jeden ſozialen Ausgleichs bildet die Fähigkeit,
dem anderen als deutſchen Volksgenoſſen ſein Recht in jeder Be=
die
im Leben, im Berufe ſtehen, und nicht Angelegen=
heit
ſtudentiſcher Experimente. Gerloff ſchloß mit der Beton=
ung
, daß der Werkſtudent im Augenblick nicht zu entbehren ſei,
weil eine große ſtaatliche Hilfe fehle, daß er aber ein Zeichen

der Not ſei und daß man aus dieſer Not keine Tugend machen
dürfe.
Die Verſammlung hatte durch mehrmaligen Beifall gezeigt,
daß auch ſie der Arbeit der Wirtſchaftshilfe nicht kritiklos gegen=
überſtand
. In höchſte Erregung verſetzt wurde ſie, als
Herr Beck als Vorſtandsmitglied der Wihi
das Wort ergriff. Mit ſcharfen Worten wandte er ſich gegen die
in der Pauſe verteilte neueſte Folge der Deutſchen Hochſchul=
zeitung
mit einem Aufſatz des Herrn Gerloff gegen die Wirt=
ſchaftshilfe
. Er erklärte erregt, daß die Worte Gerloffs eine in
wahrhaft akademiſchem Geiſte gehaltene Kritik geweſen, daß es
ihm aber auf Grund dieſes Aufſatzes unmöglich ſei, an den wei=
teren
Verhandlungen teilzunehmen. Nachdem dann nach län=
gerer
heftiger Debatte Herr Gerloff die in dem Aufſatz gemach=
ten
Ausführungen zurückgenommen hatte, ſtellte Herr Beck feſt,
daß die Wihi immer das gewollt hätte, was die Deutſche Stu=
dentenſchaft
, der ſie unterſtellt ſei, von ihr fordere. Sie hätten
immer gefordert, daß der Staat, die Induſtrie, größere Un=
terſtützungen
gäbe, ſie hätten aber nicht warten können, bis die
Deutſche Studentenſchaft verhungert geweſen ſei. Nur die
Selbſthilfe und das Werkſtudententum hätten ſo=
fort
helfen können. Die Werbung im Auslande hätte dem deut=
ſchen
Volke nicht geſchadet, denn nur da wäre geworben worden,
wo der Wille iwar zu helfen, wo man ſich verantwortlich fühlte.
Auch die Wirtſchaftshilfe ſähe das Werkſtudententum ſo
wie es heute iſt als nicht richtig an. Auch ſie könnte es
niemals für gut halten und ideal, daß der Student ein oder zwei.
Semeſter ausſetzen Füßte, um ſeinen Lebensunterhalt zu ver=
dienen
. In einem allerdings vertrete er eine andere Anſicht
als der Vorredner: das Werkſtndententum währed, der gro=
ßen
Ferien iſt kein notwendiges Uebel, iſt ſelbſtver=
ſtändliche
Studentenarbeit.
Blitzartig waren die Spannungen aufgetaucht, die ſeit lan=
gem
zwiſchen Wirtſchaftshilfe und Studentenſchaft beſtanden,
blitzartig hatten ſie ſich entladen. Es ſchloß ſich eine Ausſprache
an, als deren Ergebnis eine enge Zuſammenarbeit zwiſchen bei=
den
Organiſationen zu betrachten iſt, und das zum guten Teil
auf das vermittelnde Eingreifen des
Prof. Hedemann=Jena
zurückzuführen iſt. Er führte aus, daß wir nicht vergeſſen ſoll=
ten
, daß die angeſchnittenen Fragen alle ihre zwei Seiten hätten.
Man ſprach von der Werbung im Ausland. Es kommt auf das
Wie des Werbens und des Gebens an. Man will mehr vom
Staate verlangen. Man ſoll dabei nicht die Summen ver=
geſſen
, die vom Staate für das geſamte Hochſchulweſen als ſol=
ches
ausgeworfen werden. Ausführlich zeigte er, daß in dieſen
und den anderen Fragen niemals das Extreme das richtige ſei,
daß der Mittelweg gefunden werden müſſe.
In innerer Fortſetzung dieſer Wirtſchaftsfragen begann die
Nachmittagsſitzung mit einer Auseinanderſetzung von
Prof. Brauer=Karslruhe: Student und Arbeiter.
Ausgehend von der Notwendigkeit der Einigkeit formulierte
er den Unterſchied zwiſchen Student und Arbeiter dahin, daß
der Student ſich gern der Vergangenheit zuwendet und der Ar=
beiter
der Zukunft. Dabei gibt es Studenten, denen die Ver=
gangenheit
über Gegenwart und Zukunft geht, eine zweite
Gruppe, die beruflich die Vergangenheit durchforſcht. Die dritte
und größte Gruppe will aus der Vergangenheit für Gegenwart
und Zukunft lernen und Kraft und Anregung und Richtung aus.
ihr ſchöpfen. Auch bei der Arbeiterſchaft entſpringt die über=
wiegende
Zukunftsbetrachtung verſchiedenen Motiven. Dieſer
Gegenſatz bedingt noch keine unüberbrückbare Kluft, wie der
Weltkrieg und jetzt der Ruhrkampf beweiſen, wo das überzeu=
gende
Nationalgefühl ſich zeigte, das auch im Arbeiter
lebt. Dieſes Nationalgefühl iſt die wichtigſte Gemeinſamkeit.
Die Jugendbewegung hat hier anknüpfend mit der bewußten
Annäherung begonnen. Und wiederum iſt die Arbeiterjugend
hier zuerſt entgegengekommen. Fällt erſt Nationalismus und
Formalismus, ſo findet ſich Menſch zu Menſch. In der Studen=
tenſchaft
iſt es nächſt der Jugendbewegung der Werkſtudent, der
dieſe menſchliche Gemeinſchaft herſtellt und nach beiden Seiten
vermittelt. Um aber den Weg zum Arbeiter zu
finden, muß, jeder Gebildete ſich wahrhaftige
Herzensbildung aneignen. Nur in dem Streben da=
nach
liegt die Hoffnung für den inneren Aufbau der Volksge=
meinſchaft
. Wir wollen die Schwätzer ſchwätzen laſſen, wollen
zuſammen arbeiten, zuſammen ſchaffen!
Nach Einſetzung verſchiedener Ausſchüſſe für Wirtſchafts=
fragen
, Preſſeangelegenheiten uſw., wurde der Tag mit einem
feinſinnigen Kolleg von Prof. Lie. Kapp=Freiburg i. Br. über
Student und Preſſe beſchloſſen.

Konzeri.

F.N. Einer der älteſten Darmſtädter Männergeſangvereine,
die Teutonia feierte dieſer Tage ihr 70jähriges Beſtehen.
Ein würdiger Feſtkommers leitete am Samstag im Saal des
Rummelbräu die Feier ein, dem am Sonntag ein großes Som=
merfeſt
folgte. Zahlreiche Vereine aus der Stadt und von aus=
wärts
wirkten bei den Veranſtaltungen mit und halfen, der
Feier ein Gepräge zu geben, das ſich weit über den Charakter
einer Vereinsfeſtlichkeit erhob und wie eine ſtarke Kundgebung
des Kultur= und Volksbildungswillens der Männerchöre wirkte.
Auf die einzelnen Leiſtungen der Vereine einzugehen, würde zu
weit führen, alle Darbietungen trugen den Stempel ſorgſamſter
Arbeit, künſtleriſcher Abrundung und freudiger Begeiſterung.
Nach einer Begrüßungsanſprache des Präſidenten Herrn Karg
ergriff Herr Direktor Haſſinger das Wort und ließ in ſeiner
inhaltsreichen Feſtrede die 70 Vereinsjahre in Gedanken vor=
übergleiten
, die für dem Verein ein Weg raſtloſen Bemühens,
aber auch mancher Kämpfe und Schwierigkeiten geweſen ſind. Er
betonte die Wichtigkeit aller ſolcher Volksorganiſationen in der
heutigen verzweifelten Not, denn durch ſie wird wichtige Kultur=
arbeit
in der Pflege deutſchen Liedes, in der Hebung der Ge=
ſchmackskultur
und in der Verbindung aller Kreiſe und Schichten
zu gemeinſamem Wirken geleiſtet. Wenn fo die im Volk liegen=
den
Schätze des Gemütes und der Kunſt geweckt und erhalten
werden, ſo wird auch dies wieder dazu beitragen, dem deutſchen
Namen in der Welt Anerkennung zu ſchaffen. Aber der leitende
Gedanke für alle Vereine muß ſein: alles für des Vaterlandes
und Volkes Wohl. So iſt es notwendig, daß die Vereine ſich
heute mehr denn je ihrer hohen Aufgaben bewußt ſind, daß ſie
an der Geſchmacksbildung und künſtleriſchen Volkserziehung teil=
nehmen
. Dann wird der Männerchorſache die tatkräftigſte Unter=
ſtützung
von ſeiten des Landesamtes für das Bildungsweſen
zuteil werden. Herr Direktor Haſſinger überbrachte ferner die
Glückwünſche des Staatsminiſteriums und des Landesamtes für
das Bildungsweſen, es ſchloſſen ſich an Gratulationen von der
Vereinigung der Darmſtädter Männergeſangvereine und dem
Fachausſchuß, dann wurden zahlreiche langjährige Mitglieder
der Teutonia, vor allem aber ihr verdienſtvoller Chormeiſter
Herr Kammermſiker Guſtav Wendorf geehrt. In zahlreichen
fünſtleriſchen und praktiſchen Gaben zeigte ſich die große Zunei=

gung und das Vertrauen, das ihm allſeits entgegengebracht wird.
Der Ehrenvorſitzende gedachte dann noch verdienſtvoller früherer
Dirigenten, dann wurde die muſikaliſche Vortragsfolge fort=
geſetzt
, in der ſich als Soliſt der Lautenſänger Herr Rich. Hinz
auszeichnete. Seine beſondere Domäne iſt der Humor, und er
weiß durch geſchickten Gebrauch ſeiner ſchönen Stimmittel und
durch pointierten Vortrag ſeine hübſchen Lieder zur ſtärkſten
Wirkung zu bringen. Leider wurden an dem Abend einige Chor=
lieder
vorgetragen, die durch die Verquickung von billiger Tragik
und ſentimentaler Walzerrührſeligkeit wenig den Idealen wirk=
licher
Kunſt entſprachen, wogegen die übrige Auswahl ernſter
und heiterer Lieder recht gelungen war. Wir wünſchen der Teu=
tonia
weitere gute Erfolge und ſegensreiches Wirken.

C.K. Was heißt Strohwitwer? In dieſer Reiſezeit, wo der
Mann häufig in ſeinem Bureau feſtgehalten wird, während Frau
und Kinder in der Erholung weilen, iſt die Zahl der Stroh=
witwer
groß, blühen ihre Freuden und ihre Leiden. Gar man=
cher
, der als Strohwitwer ein paar Wochen mehr oder weniger
vergnügt durchs Leben wandert, ſo manche Strohwitwe, die das
ehemannsloſe Daſein deshalb doch nicht zu Hauſe vertrauert,
werden ſich ſchon die Frage vorgelegt haben, woher dieſe wun=
derliche
Bezeichnung kommt, was ſie, wenn auch ſeine Frau
oder ihr Mann verreiſt iſt, deshalb gerade mit Stroh zu tun
haben. Die Gelehrten wiſſen auch nicht recht, von wo ſie dieſe
Bezeichnung herleiten ſollen, die bereits gegen Ende des 18.
Jahrhunderts in dem Wörterbuch von Adelung verzeichnet wird.
Lange Zeit hat man geglaubt, daß das Wort Strohwitwe, das
früher aufgekommen iſt als die Benennung des männlichen
Teils, mit dem Strohkranz zuſammenhängt, den ſolche Mädchen
im Volksgebrauch tragen müſſen, die den bräutlichen Myrten=
kranz
durch ihr Vorleben verwirkt haben. Wie man aber von
dieſem Strohkranz auf die Strohwitwe kommen ſoll, hat nie=
mand
recht erklären können. Schrader hat daher die anſprechende
Deutung gegeben, daß die Bezeichnung mit dem Wort Stroh für
Bett zuſammenhängt. In den einfacheren Zeiten der Vergangen=
heit
, da man noch keine Roßhaarmatratzen kannte, war der Stroh=
ſack
die ſelbſtverſtändliche Unterlage des Schlafenden. Allmählich
aber wurde das Stroh doch nur noch von armen Leuten im
Bett verwendet, und auf dem Stroh liegen war gleichbedeu=

tend mit in Not und Armut ſein. Man ſpricht noch vot
Strohtod, den man im Bett erleidet im Gegenſatz zu der
ehrenvollen Reitertod auf grüner Heide, den der Deutſche
gern in ſeinen Liedern verherrlicht. Der Mann, der ſeine Fra=
verließ
, brachte ſie ins Unglück, ließ ſie auf dem Stroh liege=
Die Strohwitwe iſt alſo eine verlaſſene Frau. So ſagt Fra=
Marthe im Fauſt: Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
hat an mir nicht wohlgetan. Geht er ſtracks in die Welt hinei
und läßt mich auf dem Stroh allein. Strohwitwe iſt alſo zu
nächſt etwas ſehr Trauriges, indem es das Los der Frau, derer
Mann in der Ferne weilt, als ein unglückliches ſchildert. Er
ſpäter haben Strohwitwe und Strohwitwer jenen luſtigeren Bei
geſchmack bekommen, den der Engländer mit der Bezeichnu
Mock=Widow, d. h. Spott=Witwe, ausdrückt.
C.K. Schirmextreme. Eine der auffälligſten Erſcheinungen
in der Straßentoilette der eleganten Dame iſt jetzt der Schirm
der ein kleines Ungeheuer geworden iſt von unförmig dicke
keulenartiger Geſtalt, das man wie ein ſchweres Paket im Arr
trägt oder wie eine Schleuderwäffe ſchwingt. Der Schirm iſt i=
letzter
Zeit immer dicker geworden und immer kürzer. Das Ge
ſtell, das früher achtteilig geweſen war, ſchwoll auf 12 Teil
an, und während man früher ſeinen Stolz darein ſetzte, eine
möglichſt ſtraff und ſchlank zuſammengerollten Schirm zu tragen
flattert er nun in unbändiger Maſſe um den dicken Stock herum
Die Verzierungen wurden ebenfalls auf das Maſſige, Gebauſcht
und Gewundene berechnet. Der Stock drehte ſich in Ausbuch
tungen wie eine barocke Säule, die Spitzen und Volants rauſch
ten in Wellenform herum, und die Griffe waren mit dicken
Knöpfen, mit allen möglichen wohlbeleibten Figuren, wie
Buddhas und anderen Fetiſchen, gekrönt. Aber dieſe Schirm=
mode
ſcheint, kaum daß ſie ſich allgemeiner eingebürgert hat
ſchon wieder ihr Ende zu finden, und der Schirm kehrt wieder
zu dem Ideal der dünnen Schlankheit zurück, dem er ſo lange
gehuldigt. Die neueſten Schirme, die wir in dieſem Sommer
finden, verfallen in das andere Extrem. Sie haben ganz lange,
ganz dünne Stöcke ohne jede Verzierung, und an dieſem langen
Stock ſitzt ein winzig kleiner Schirm, der ſeine Trägerin nur
ſehr unvollkommen gegen die Sonnenſtrahlen ſchützt. Der Schirm,
der eben noch wie ein Baby im Arm getragen und gewiegt
wurde, iſt plötzlich zum Stockerſatz geworden, mit dem ſeine Be=
ſitzerin
ruhig in die Berge beigen kanm.

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 30. Juli.
Mehr Fürſorge für die Kinder des Ruhrgebiets.
Die andauernde Beſetzung des rheiniſch=weſtfäliſchen In=
duſtriegebieies
droht der heranwachſenden Jugend unermeßlichen
Schaden zu bringen. Die Lebensmittelzufuhr iſt ins Stocken ge=
raten
. Milch, Eier und andere Kräftigungsmittel, die für die
Kinder ſo bitter notwendig ſind, werden immer ſeltener. Wohl
ſind bereits eine ganze Anizahl von Knaben und Mädchen in
den verſchiedenen Provinzen unſeres Vaterlandes untergebracht,
aber noch warten viel unterernährte Kinder auf die Bereitſtel=
lung
neuer Plätze. Zu dieſen Kindern, deren baldige Unterbrin=
gung
ſo ſehr no wendig iſt, zählen in erſter Linie, die ſchulent=
laſſenen
14jährigen Knaben und Mädchen. Von dieſen ſind auf
Grund der ſchulärztlichen Unterſuchung über 60 Prozent nicht be=
rufsfähig
. Es muß daher ihrer Berufszuführung ein Landaufent=
halt
in friſcher Luft, bei guter Koſt und mäßiger Arbeit voran=
gehen
, wo ſie ſich kräftigen können. Für die anderen Kinder, die
zur Uebernahme einer Lehrſtelle in der Lage ſind, bieten ſich im
beſetzten Gebiet infolge des völligen Darniederliegens von Hand=
werk
, Gewerbe und Handel keine Einſtellugsmöglichkeiten. Jede
Arbeitsloſigkeit iſt aber zumal für die Jugend mit den größten
ſittlichen Gefahren verbunden, denen mit allen Mitteln begegnet
werden muß. Im Ruhrabwehrkampf hat augenblicklich die deut=
ſche
Schickſalsgemeinſchaft, wie kaum nie zuvor, ihre Feuerprobe
zu beſtehen. Aufgabe des unbeſetzten Deutſchlands muß es daher
ſein, der körperlichen und ſittlichen Verwahrloſung der Kinder
des beſetzten Gebietes vorzubeugen. Die Ermittlung und Bereit=
ſtellung
neuer Lehr= bzw. Landerholungsſtellen iſt geradezu eine
baterländiſche Notwendigkeit geworden, an der ſich alle Kreiſe,
Lihrerſchaft. Geiſtlichkeit, Arbeitgeber und Arbeitnehmer betei=
ligen
müſſen.
Zur Aufnahme der ſchulentlaſſenen Induſtriekinder kommen
nicht nur Landwirte in Frage, ſondern auch Handwer=
ker
, Kaufleute, Gewerbetreibende und Beamte.
Die Kinder ſind in ihrem vorgeſchrittenen Alter ſo weit, daß ſie
ſich bei den Arbeiten verſchiedenſter Art nützlich machen können,
und jeder einſichtige Familienvater und jede Hausfrau werden
ſchon von ſelbſt wiſſen, wie weit ſie in dieſer Hinſicht gehen dür=
fen
und welche Arbeiten ſie einem unterernährten Kinde ohne
Schädigung ſeiner Geſundheit zumuten können.
Zweckdienliche Mitteilungen über Unterbringungsmöglichkei=
ten
ſchulentkaſſener Ruhrkinder wolle man richten an das zuſtän=
Ferienarbeit für höhere Schüler und Studenten ſind erwünſcht, verjüngte und der als alter Herr ſeine Jugendzeit zum zweitenmal er=

RDV. Die Reiſe nach Baſel. Während der Verkehr nach der
Schweiz über StuttgartSchaffhauſen und München-Lindau ohne jede
Behinderung von ſtatten geht, müſſen die Züge nach Baſel zweimal um=
geleitet
werden, um das franzöſiſche Einbruchsgebiet zu vermeiden; trotz
dieſer, teilweiſe ſehr ſchwierigen Umleitungen, iſt die Fahrtdauer nach
Baſel gegen den normalen Zuſtand nur um drei Stunden verlängert
worden (Berlin-Baſel 21. gegen 17 Stunden) und führt dafür durch ein
landſchaftlich höchſt intereſſantes Gebiet, den badiſchen Schwarzwald,
deſſen kunſtvoll erbaute und ausſichtreiche Höllentalbahn von den durch=
gehenden
Zügen befahren wird. Die ſchnellſte und bequemſte Verbin=
dung
nach der Schweiz über Baſel ſtellt D 44 dar: ab Berlin Anh. Bhf.
2.03 Uhr nachm., an Hanau 11.02 Uhr nachm.; in Hanau wartet der
Anſchlußzug nach Baſel (da die Strecke FrankfurtDarmſtadt geſperrt
iſt!) und fährt über Darmſtadt, Karlsruhe, Pforzheim, Villingen, Donau=
Eſchingen, Freiburg nach Baſel, an 11.18 vorm.; ab Baſel 7.35 nachm.
auf dem gleichen Wage nach Hanau, wo die Anſchlußzüge nach Berlin,
Hamburg und Holland warten. Außer dieſem D=Zugpaar, das auch über
die Schwarzwaldſtrecken bequeme D=Zug=Wagen führt (der Schlafwagen
FrankfurtHinterzarten mußte wegen Ueberlaſtung ausfallen), verkehrt
noch ein Eilzugpaar Mannheim-Baſel, das in Eutingen Anſchluß an
den D=Zug BerlinStuttgart-Zürich-Mailand (mit Schlafwagen!)
ſchafft: ab Verlin Anh. Bhf. 5.40 Uhr nachm., an Eutingen 9.01 Uhr
vorm., ab 10.55 Uhr vorm., an Baſel 4.23 Uhr nachm; ab Baſel 10.45
Uhr vorm. an Eutingen 4.58 Uhr nachm., ab 7.00 Uhr nachm., an Ber=
lin
Anh. Bhf. 9,08 Uhr vorm. Dann beſteht aus Frankfurt a. M. noch
eine Schnellzugsverbindung ab 7.38 Uhr vorm. bis Freiburg, mit Per=
ſonenzuganſchluß
nach Baſel, an 9.26 Uhr nachm. Selbſtverſtändlich
werden für dieſe Umleitungsſtrecken nur die Tarife der Hauptſtrecken
erhoben, ſo daß eine Verteuerung für die Reiſenden nicht eintritt.
n. Ferienſtrafkammer. Den eines Fahrraddiebſtahls beſchuldigten
Hündler Georg Vohn 4. aus Seeheim hatte das Schöffengericht nur
wegen Hehlerei zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt, was die Staatsan=
waltſchaft
aufocht. Dieſe Berufung war von Erfolg, und man erachtete
den Angeklagzen der fraglichen, hartnäckig geleugneten Entwendung für
überführt. Sie war in Gernsheim geſchehen, während die Eigentümerin
das Rad vor einem Ladengeſchäft auf die Straße geſtellt hatte und einen

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 30. Juli 1923.

Cinkauf mackte. V. trieb ſich dort umher, ſprach auch ſelbſt in dem Laden
vor und wollte ſpäter das damals verſchwundene, in einer Waldſchutz=
hütte
einſtweilen verborgene Nad von da holen. Hierbei gebrauchte er
uannigfache Vorfpiegelungen und verſchanzte ſich zuletzt hinter den an=
geblichen
Erwerb von dem großen Unbekannten. Das Berufungsgericht
trug der Gemeiugefährlichkeit gerade derartiger Diebſtähle eines wich=
tigen
Verkehrsmitels im gewohnter Weiſe ſtrafſchärfend Rechnung und
bedachte den Angeklagten mit 1 Jahr. 2 Monaten Gefängnis, abzüglich
2 Monate Unterſuchungshaft.
Lofale Veranſtaltungen.
Die hſerunter erſcheinenden Notlzen ſind ausſchließſich ats Hinweife auf Anzeigen zu betrachten,
in keinem Falle irgendwie als Bewrichung oder Kritik.

Wartburg=Verein

Rit=Heidelberg im Union=Theater.
* Ueber 20 Jahre ſchon hält ſich dieſes Schauſpiel auf den deutſchen
Bühnen mit ſtets gleichem großem Erfolg, wenn auch mehr Kaſſenerfolg
als künſtleriſchem. Das Stück iſt die dramatiſierte Form des gleich=
namigen
Romans; der Film reiht ſich als dritte Form gleichwertig an.
Jede dieſer Formen hat ihre eigenen Vorzüge und techniſche Mängel.
Das Schauſpiel iſt gebunden an fünf Szenenbilder, in die die reiche
Handlung gezwängt werden mußte: Sprache, Bewegung und künſtleriſche
Wiedergabe bringen die ſtärkſte Belebung. Der Roman erſchöpft die
Detailmalerei und läßt der Phantaſie weiteſten Spielraum, ſich die Per=
ſonen
und Bilder nach eigenem Geſchmack vorzuſtellen. Dem Film fehlt
die Flüſſigkeit des Dialogs, aber er bringt durch ſeine Freiheit in Raum
und Zeit das bewegteſte Leben hinein und vermag dadurch am beſten
den weſentlichſten Inhalt zu geſtalten: die unvergleichliche und unver=
gängliche
Romantik von Heidelberg.
Was das bedeutet, kann nur der ganz mitfühlen, der das deutſche
Studentenleben der Vorkriegszeit miterlebt hat; die ſtrenge Zucht der
Korps mit ihren hohen Erziehungswerten, verbunden mit dem freien,
ſorgloſen Genießen der Burſchenjahre. Heidelberg und Studentenleben
ſind ein untrennbarer Begriff. Der Film zeigt, wie es früher dort war,
und wie es in ähnlicher Form wiederkehren mag, wenn Zeiten kommen,
die ein ſolches Genießen der Jugendjahre auch wieder erlauben.
Reichlich ſentimental iſt die Handlung: die Geſchichte eines jungen
Prinzen als Korpsſtudent und das Ende dieſer Herrlichkeit mit ſeiner
Thronbeſteigung. Der Film der bekannten Cſerépy=Film=Geſellſchaft
iſt eine tadelloſe Leiſtung. Die Bilder reihen ſich in logiſcher Folge an=
einander
, die Handlung wird durch kurze und klare Texte leichtfaßlich.
Am beſten gelungen ſcheinen mir die Szenen ſtudentiſchen Lebens, ſie
ſind voll Jugendübermutes und treffend in ihrer Art. Von den Dar=
ſtellern
ſpielen einige mit ganz hervorragenden Qualitäten. Da iſt
dige Berufs= und Wohlfahrtsamt in Eſſen. Auch Angaben über vornan Werner Krauß als Prinzenerzieher Dr. Jüttner, den Heidelberg
lebt; neben ihm Eugen Rex als Korpsdiener Kellermann mit famoſer
Charakteriſierung ſeiner Rolle. Sympathiſch und gur geſpielt iſt der
Prinz Karl Heinz von Paul Hartmann. Der Käti der Eva May fehlt
ein wenig an jugendlicher Lieblichkeit. Der ganze Film iſt einheitlich
auf gleicher Höhe, nur möchte man gern im erſten Akt das ins Lächer=
liche
gezogene Prinzenexamen miſſen; es fällt aus dem Rahmen und
gehört eigentlich nicht dazu.
Die zum Film gehörige Muſik brachte zumeiſt allbekannte Studen=
tenlieder
, wie man ſie in Heidelberg in jeder Sommernacht überall hört.
Das deutſche Kommersbuch iſt ein ewiger Jungbrunnen von unvergäng=
lichem
Wert. Es war ein guter Gedanke, während der Vorführung
einige der ſchönſten Lieder von kleinem Männerchor ſingen zu laſſen;
wennn es auch im Raum des Kinotheaters einen etwas fremden Bei=
klang
hat, ſo gehört es doch zur ganzen Stimmung.
Jeder Beſucher dieſes Alt=Heidelberg dürfte reichen Genuß haben,
wenn er den Wunſch hat, im Film ein Stück deutſcher Romantik unſerer
Zeit zu erleben. Leider wird es auch Viele geben, die im Korpsſtudenten
nur Entartung zu ſehen vermögen, und ſich darum nicht unbefangen
der Vorführung hingeben können; ſie verſagen ſich damit ſelbſt die
Freude unbefangenen Genießens.
-Fis,
+ Arheilgen, 29. Juli. Heute vollendete unſer älteſter Mitbürger,
Herr Heinrich Traſer, Bahnwärter i. R. ſein 92. Lebensjahr. Das
Geſamtergebniz der Sammlung für den hieſigen Kriegergedenk=
ſtein
ergab die Summe von 10 777380 Mark. Der größte Teil der
Summe wurde für den Stein ſelbſt und für Arbeitsleiſtungen verausgabt
und der Neſt wird für gärtneriſche Anlagen Verwendung finden. Das
Schulgeld der Kleinkinderſchule wurde auf wöchentlich 1000
Mark für ein Kind erhöht. Kinder von Witwen zahlen die Hälfte. Bei
Vedürftigkeit tritt weitere Ermäßigung ein. Die Roggenernte iſt
hier in vollem Gange und fällt nach Güte und Menge zufriedenſtellend
aus.
r. Von der Bergſtraße, 28. Juli. Der Kommunalverband
Bensheim, hat den Preis des Markenbrotes (1800 Gramm) auf
7200 Mark erhöht. Vorausſichtlich aber wird dieſer Preis ſchon in aller
Kürze abermals eine ganz bedeutende Erhöhung erfahren. Man glaubt,

Nummer 208.

daß der Laib auf 10 000 Mark kommt. Die Bäcker=Zwangsinnung
Bensheim hat ſchon wieder ihre Preiſe erhöht und wie folgt feſtgeſetzt:
Brötchen 1500 Mark, 1 Weißſtollen 15 000 Mk., 1 Roggenbrot (65 Proz.)
35 000 Mk., 85 Proz. 25 000 Mk., 1 Pfund Mehl 18 000 Mk., 1 Pfund
Bror zu backen 800 Mk., 1 Kuchen zu backen 4000 Mk. Die Müller=
Zwangsinnung des Kreiſes Bensheim hat folgende Preiſe feſtgeſetzt:
Mahllohn 8 Proz. Molter oder 40 000 Mk. bar neben 5 Proz. Schwund,
Schrotlohn 4 Proz. Molter oder 20 000 Mk. bar neben 3 Proz. Schwund,
für 50 Kilo Getreide.
N Zuterflockenbach. 29. Juli. Der 15jährige Sohn des hieſigen Ar=
beiters
Bauknecht wollte auf der Landſtraße zwiſchen Gorxheim und
Nixpert von einem herabſauſenden Fahrſtuhl am Kopf ſchwer verletzt,
er ab, kam unter die Kinterräder und wurde auf der Stelle getötet.
Birkenau, 25. Juli. Im Filialwerk der Maſchinenfabrik
Badenia, im Virkenauer Tal, wurde der 25jährige Schloſſer. Adam
Mippert von einem herabſaußenden Fahrſtuhl am Kopf ſchwer verletzt.
Ins Heidelberger Krankenhaus übergeführt, erlag Rippert bald darauf
ſeinen Verletzzingen.
* Aus dem vorderen Odenwald, 28. Juli. Die Wertbeſtän=
digkeit
der Löhne und Gehälter, die für die Arbeiter und Beamten
des Staates endlich eingeführt worden iſt, kennt man in der Entlohnung
der Organiſation der evangeliſchen Kirche ſchon ſeit mindeſtens Jahres=
friſt
. Man entlohnt nach Roggen, Holz, Schuhen uſw. Der Kirchen=
diener
einer beſtimmten Gemeinde verlangt als Jahresgehalt für ſeine
Dienſte ein Paar gewöhnlicher Sonntagsſchuhe im Friedenswerte von
etwa zehn Mark. Es iſt gewiß nicht zuviel verlangt, und man wird ſie
dem beſcheidenen Manne geben müſſen. Ein Organiſt erhält für die
muſikaliſche Verſchönerung des Gottesdienſtes zweimonatlich einen Zent=
ner
Roggen. Der Wert wird in Papiermark umgerechnet, da es in der
bäuerlichen Gemeinde merkwürdigerweiſe Schwierigkeiten macht, die be=
nötgte
Roggenmenge aufzubringen. Ein zweiter Organiſt, und zwar
derjenige in Oberklingen, wurde bisher mit Holz entlohnt. Für ſeine
Kunſt bekam er jährlich vier Meter Buchenholz, die man im Frieden für
50 Mark erſtehen konnte. An Geld erhielt er vor dem Kriege das Drei=
fache
. Die Gemeinde erklärt aber nun, die vier Meter Holz aus dem
Gemeindewald nicht mehr abgeben zu können, und deshalb trat der Or=
ganiſt
, der als Lehrer zu dem Amte eines Organiſten geſetzlich nicht
mehr verpflichtet iſt, auch ſeinerſeits von dem Vertrage mit der Kirche
zurück.
Habitzheim, 28. Juli. Am 23. Juli ſtarb, nach kurzem Kranken=
lager
, Herr Lehrer Seeger zu Habitzheim. Er war geboren am
2. September 1861 zu Brandau, Kreis Dieburg, und beſuchte das Semi=
nar
zu Bensheim. Kurze Zeit war er in Neunkirchen und Steinbach i.
O. tätig und wirkte 37 Jahre in dem ihm ſo lieb gewordenen, unver=
geßlichen
Habitzheim. Sein Leichenbegängnis am 26. Juli legte beredtes
Zeugnis ab von der Wertſchätzung, die die Gemeinde ihrem Lehrer be=
wahrt
hatte. Die Gemeinde, vertreten durch den Herrn Bürgermeiſter,
der Schulvorſtand, die Lehrer des Dortes der Geſang= und Turnverein
und die einzelnen Schulklaſſen beider Konfeſſionen ließen Kränze nieder=
legen
, und Herr Dekan Keil ſchilderte in ſeiner Gedächtnisrede in er=
greifender
Weiſe die hohen Verdienſte des Entſchlafenen, des Lehrers
und Wohltäters der Gemeinde. Faſt ein halbes Jahrhundert hat er hier
in dem friedlichen Habitzheim gewirkt; drei Geſchlechter hatten Anteil
an ſeinem Unterricht, an ſeiner Erziehung. Mit Recht wurde am offenen
Grabe von Herrn Dekan Keil, Herrn Kreisſchulrat Gunderloch, den ver=
ſchiedenen
Vertretern der Lehrerſchaft, der Gemeinde, den verſchiedenen
Korporationen auf ſein muſtergültiges Leben und Wirken hingewieſen.
Lehrer Seger verdiente dieſe Hochachtung und Liebe in vollſtem Maße,
er war ein vorzüglicher Lehrer, ein aufrichtiger, offener und ehrlicher
Charakter. Er war ein Mann, ein Lehrer. Sein Andenken wird nie er=
löſchen
, Tod und Grab wird es überdauern. Möge Gott ihm ſein pflicht=
eifriges
, geſegnetes Wirken reichlich belohnen. Er ruhe in Frieden!
* König, 27. Juli. Als ein Opfer der franzöſiſchen Schreckens=
herrſchaft
im Rheinlande muß der Oberingenieur Schmidt bezeichnet
werden, der am Mittwoch von einem Perſonenzuge unweit unſeres
Bahnhofes überfahren wurde. Schmidt wurde vor einigen Wochen von
den Franzoſen aus Bingerbrück ausgewieſen und hatte hier mit ſeiner
Schweſter ein vorläufiges Unterkommen gefunden. In den letzten Tagen
zeigte er Spuren von Schwermut.

Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für den 31. Juli:
Keine weſentliche Aenderung der herrſchenden Witterung.

Tageskalender Montag, 30 Juli.
Sommerſpielzeit Bruno Harprecht, abends 74/, Uhr:
Komteß Guckerl. Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt= Licht=
ſpiele
: Kino=Vorſtellungen.
Verſteigerungskalender Dienstag, 31. Juli.
Mobiliarverſteigerung, vorm. ½10 Uhr und nachm. /3 Uhr,
Ernſt=Ludwigſtraße 9.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: i. V.:
Ad. Fleiſchmann, ſämtlich in Darmſtadt.

Die hentige Rummer hat 6 Seiten.

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1. Teil: Der Unterg. d. RioGrande
2, Teil: Die Flammen des Todes
12. Akte! In der Hauptrolle:
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Dienstag, 31. Juli 1923, abends 8Uhr:
Groß. Elite=Konzert
50 Muſiker
Infanteriemuſik
Dirigent:
Herr Aug. Rühlemann.
Eintritt: 8000 Mk. mit Steuer und
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7 Uhr ab an der Kaſſe zu haben. (6358

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[ ][  ][ ]

Darmftädter Tagblatt
30. Zuli 1923 Nr. 208
Derdioten Somſägn
Die Süddeutſchen Leichtathletikmeiſterſchaften. Aulis gewinnt das Sierſtorpffrennen. Gauſchwimmfeſtin Babenhaufen.

Leichathiletik.
Süddeutſche leichtathletiſche Meiſterſchaften.
Von unſerem Sonderberichterſtatter.
* Auf dem idealen Sportplatz des Turnvereins Mannheim 1846 am
neuen Luiſenpark wurden geſtern und heute die ſüddeutſchen Meiſter=
ſchaften
zum Austrag gebracht. Das abgekühlte, aber doch freund=
liche
Wetter machte ſich auch hier genau wie bei der Regatta des Süd=
deutſchen
Ruderverbandes, die ganz in der Nähe auf dem Neckar vor
ſich ging, wohltuend bemerkbar. Wie zu erwarten war, heimſten die
Mürchener, Frankfurter und Mannheimer Vereine, in denen die beſte
deutſche Leichtathletiklaſſe vertreten iſt, die Haupterfolge ein. Die Ver=
anſtaltung
hatte eine ſtarke Beſucherzahl angelockt. Wir veröffentlichen
nachſtehend die Einzelergebniſſe:
100 Meter=Lauf: 1 Ehms, Eintracht=Frankfurt, 11,3 Sek.,
2. Neumann, Mannheimer Turngeſellſchaft, 11,4 Sek., 3. Eiſele, Sport=
verein
Wiesbaden, 115 Sek. Süddeutſcher Meiſter 1929: Weider,
Frankfurt.)
200 Meter=Lauf: 1. Apfel, Turngeſellſchaft Mannheim,
22,9 Sek., 2. Möbus, Stuttgarter Kickers, 2,1 Sek., 3. Schmidt, Turn=
und Sportverein München, 23,1 Sek. (1922: Burkhard=Ludwigshafen.)
400 Meter=Lauf: 1. Apfel, Turngeſellſchaft Mannheim,
52,3 Sek., 2. Berchtold, Männerturnverein München, 52,4 Sek., 3. Küh=
ner
, Kraftſportverein Stuttgart, 52,6 Sek. (1922: Neumann, Mann=
heim
.)
800 Meter=Lauf: 1. Kleeham, Turn= und Sportverein
München, 2:2,8 Min., 2. Schötter, T.= u. Sp.=V. München, 2:3,4 Min.,
3 Schmid, T.= u. Sp.=V. München. (1922: Wellenreuther, Maunheim.)
Die Münchener führen über die ganze Strecke und ſiegen nach ſchönem
Sport ziemlich ſicher.
1500 Meter=Lauf: 1. König. T.= u. Sp.=V. München,
4:188 Min, 2. Jenuwein. T.= u. Sp.=V. München, 4:19 Min, 3. Not=
helfer
, Vereinigte Turnerſchaft München, 4:21 Min. (1922: Schneider,
Frankfurt.)
5000 Meter=Lauf: 1. Kettner, Sp.=V. Stuttgart, 16:02,1
Min, 2. Gebweiler, Wiesbaden, 16:08,4 Min, 3. Montag, Saarbrücken.
(1222: Kettner=Stuttgart) Der vorjährige Sieger muß ſeinen Titel
hart verteidigen. Kurz vor dem Ziel vermag der Stutgarter den Sieg
für ſich zu entſcheiden.
10 000 Meter=Lauf: 1. Jenuwein, T.= u. Sp.=V. Mün=
chen
, 34:06 Min, 2. Göhrig, Leutershauſen, 34:51 Min, 3. Boſch, Turn=
verein
Kaltental, 300 Meter zurück. (1922: Jenuwein, München.)
110 Metey=Gürdſenkauf: 1. Troßbach Eintracht=
Frankfurt, 15,6 Sek., 2. Hebel, Mannheimer Turngeſellſchaft, 17 Sek.
(1922: Troßbach, Frankfurt.)
400 Meter=Hürdenlauf: 1. Amberger, Phönig=
Karlsruhe, 1,7 Min., 2. Hebel, T.=G. Mannheim, 1,7 Min., 3. Schramm,
Phönis=Karlsruhe, 1 Meter zurück. (1922: Hebel, Mannheim.)
48100 Meter=Staffel: 1. Eintracht=Frankfurt
43,8, 2. T.G. Mannheim 44,2, 3. T.V. Frankfurt 44,6. (1922: Fuß=
ballverein
Frankenthal.)
3X1000 Meter=Staffel: 1. T.= u. Sp.=V. München 8:11,2
Min, 2. Verein für Raſenſpiele Heilbronn 8:17,8 Min., 3. Sportklub
Saar 8:27 Min. (1922: T.= u. Sp.=V. München.)
Hochſprung: 1. Hausmann, Stutgarter Kickers, 1.68 Meter,
2. Kraft, T.=G. Mannheim, 1,63 Meter, 3. Lauſcher. T. u. F.=C. Lud=
wigshafen
, 1,69 Meter. 1922: Krauß, München.) Hausmann war der
beſſere Springer und gewann verdient.
Weitſprung: Schmid, T.= u. Sp.=V. München, 6,50 Meter,
2. Hausmann. Stuttgarter Kickers, 633 Meter, 3. Zeh. Stuttgarter
Kickers, 6.13 Meter. (1922: Schmidt, München.)
Stabhochſprung: 1. Reng,. Eintracht’=Frankfurt, 3,40
Meter, 2. Borne, V. f. R. Landau, 3. Meisner, Turnverein Brühl,
3,20 Meter. (1922: Lochner. München.)
Kugelſtoßen: 1. Haymann, T. u. Spp. München, 13,35;
2. Wenninger=Pirmaſens 13,24; 3. Schlenker, Stuttgarter Kickers, 12,15.
(1922: Wenninger=Pirmaſens.)
Diskuswerfen: 1. Steinbrecher, Tv. Frankfurt, 44.80;
2. Dr. Oſchmann Tade. Mannheim, 33,86; 3. Amann, Sportklub Saar,
33,75. (1922: Steinbrecher=Frankfurt.)
Speerwerfen: 1. Buchgeiſter, F.=C. Freiburg, 57,23
Meter, 2. Salomon, T.=V. Frankfurt, 51,86 Meter, 3. Junium, T.=G.
Mannheim, 50,/41 Meter. (1922: Junium, Mannheim.)

Pferdeſport.
Rennen zu Hoppegarten.

1. Preis Delbeere, 4300 Mark, 1600 Meter. 1. Lewins Rot=
dorn
(Grüdener); 2. Liaze; 3. Dorotheg. Ferner: Lavinia, Fuchs=
major
, Melanoſſa, Benno: Totaliſator: 21:10; Platz: 10.11:10.
Traumrennen, 11 000 Mark, 1800 Meter. 1. Sklareks Eigel= (Noſtenberger); 2. Aberglaube. Totaliſator: 15:10. Kopf 2ſ.
Länge. SierſtorpffrRennen, 21000 Mark, 1000 Meter.
1. A. u. L. ven Weinbergs Aulis (D. Schmidt): 2. Monfalcone;
3. Puppchen. Ferner: Sonnenkönigin, Faſur u. a. Totaliſator: 30:10.
Platz 1581:10. 2ſ, Längen, 2 Längen. Delilarennen 4300
Mark, 1400 Meter. 1. A. u. L. von Weinbergs Farneſina (D. Schmidt),

2. Tripora, 3. Frabalyi. Ferner Alavid Halunke, Palario. Totaliſator:
23:10, Platz 1558 117:10. 2 Längen, 1 Länge. Hartausgleich,
5800 Mark, 2800 Meter. 1. Sklareks Wellau (Raſtenberger): 2. Klug=
ſchnitt
, 3. Ilberſtadt. Ferner= Vergleich, Ordensritter, Paris, Narr,
Totaliſator: 51:10. Platz: 19,19,97:10. 11, Länge, s Länge. Auch
heute ſiegte der Stall Weinberg in zwei Rennen. In der Hauptnummer
des Tages, im Sierſtorpffrennen, verſagte der Favorit Faſur aus dem
Geſtüt Weil. Aulis gewann ſpielend. Auch im Delilarennen hatte Far=
neſina
aus dem Stall Weinberg wenig Mühe, über 8 Gegner einen
glasten Sieg davonzutragen.
Hannover.
Preis der Stadt Hannover, 15000 Mk. 1300 Meter.
1. Graf Lehndorffs Steinort, Flüchtling (Schmidt), 2. Anfang, 3. Honeſta.
Totaliſator 14:10. Platz 12:18:10. Ferner Otto, Schneekönig. 2/, Längen,
2ie Längs.
Schwimmen.
Gauſchwimmfeſt des Main=Rhein=Gaues der D. T. in Babenhauſen.
* Die junge Schwimmabteilung des T.V. Babenhauſen hatte
das diesjährige Gauſchwimmfeſt übernommen und entledigte ſich
ihrer Aufgabe in geradezu muſtergültiger Weiſe. Die Beteiligung war
gut, wenn auch infolge der meiſt ſchlechten Schwimmgelegenheiten die
Landvereine noch etwas im Rückſtande ſind.
Ergebniſſe:
1. 50 Meter Bruſt für Anfänger der V. v. W.:
1. Gg. Will (Tv. Babenhauſen), 2. Diehl (Tv. G.=G.), 3. E. Göbel
(Babenhauſen), 4. Gg. Hartmann.
2. 400 Meter Bruſt (Gaumeiſter): 1. A. Dahmer (T.G. 46),
2. Burchardt (T.G. 46), 3. N. Engel (Vorwärts=Langen).
3. Streckentauchen: 1. A. Dahmer (T.G. 46), 2. R. Graß=
mann
(T.G. 46), 3. Barth (V.=Langen).
4. 50 Meter Rücken für Schwimmer: 1. Fr. Weiß
(T. G. 46), 2. Fr. Müller (T.G. 46).
5. 400 Meter Bruſt für Schwimmerinnen: 1. E.
Uhde (T.G. 46), 2. Schubkegel (T.G. Beſſungen).
6. Bruſtſtaffel 3850 Meter: 1. T.G. 46 1. Mannſchaft,
2. T.G. 46 2. Mannſchaft.
7. Vereinslagenſtaffel 4X50 Meter: 1. T.G. 46 erſte
Mannſchaft, 2. T.G. 46 zweite Mannſchaft.
8. 50 Meter Bruſt für Schwimmerinnen: 1. G. Uhde
(T. G. 46), 2. M. Dierſen (T. G. 46), 3. E. Wagner (T. G. 46), 4. Noth=
nagel
(2. G. 46).
9. 50 Meter=Seiteſchwimmen (Gaumeiſter): 1. Heini
Petri (T. G. 46), 2. H. Ober T.G. 46), 3. Ollivier (T.G. Beſſungen).
10. 50 Meter Bruſt für Anfänger: 1. K. Schmitt (Tgeſ.
Darmſtadt), 2. F. Hoffmann T.G. 46), 3. A. Böckner (T. G. 46),
4. H. Schönwolf (T. G.46), 5. P. Werner (Vorw.=Langen), 6. Stroh
(Tgeſ. Darmſtadt).
11. 50 Meter Rückenſchwimmen für Schwimme=
rinnen
(Gaumeiſter): 1. M. Dierſen (T.G. 46), 2. E. Schwarz (T.
G. 46).
12. 100 Meter Bruſt: 1. H. Ober (T.G. 46), 2. A. Dahmer
C.G. 40), 3. E. Büdinger (Tv. Offenbach).
13. Bruſtſtaffel für Schwimmerinnen, 3,50 Meter:
1. T. G. 46, 2. T.G. Beſſungen.
14. Mehrkampf (50 Meter Bruſt. Tauchen, drei Sprünge):
1. R Graßmann (T.G. 46), 2. Schwarz (T.G. 46).
15. 50 Meter Bruſt für Schwimmerinnen von V.
v. W.: 1. M. Ehrhardt (Vorw.=Langen), 2. G. Kons (Vorw.=Langen),
3. Stolz=Babenhauſen.
16. 50 Meter beliebig: 1. Fr. Weiß, 2. V. Trumpfheller.
3. H. Petry, 4. H. Roth (alle T.G. 46), 5. H. Trupp (Tv. Offenbach).
17. Mehrkampf für Schwimmerinnen: 1. Nothnagel
C.G. 40).
18. 50 Meter Bruſt (Gaumeiſter): 1. H. Ober, 2. Burkardt,
3. K. Müller (alle T. 6. 48).
19. 50 Meter Bruſt für Schwimmerinnen: 1. G.
Höhn=Offenbach, 2. E. Uhde (T. G.46).
Schwerathletik.
Sportfeſt der Kraftſportvereinigung 1895.
Schülerringen A: 1. Gries, 2. Sturmfels, 3. Hoffmann. Schüler=
ringen
b: 1. Heß, 2. Schäfer, 3. Egly. Gewichtheben: Bantamgewicht:
1. H. Rühl 250 Pfd., Federgewicht: 1. L. Rühl 310 Pfd. (außer Kon=
kurrenz
), Groh 330 Pfd. Leichtgewicht: Otto jun. 330 Pfd. Leicht=
mittelgewicht
: 310 Pfd. Mathes, Schwermittelgewicht: 360 Pfd. Heß.
Geſamtgewicht (Zweikampf). Herausforderungskämpfe im Ringen:
Sattig Dieburg (Mittelgew.) gegen Otto jun. (Leichtgew.); intereſſanter
Kampf, welcher nach 10 Minuten unentſchieden bleibt. Schaub=Dieburg
gegen Groh=Darmſtadt (Federgew.), vom Stemmen ermüdet; der Kampf
bleibt nach 10 Minuten unentſchieden. Im Bantamgewicht kämpfen
Weißbäcker=Dieburg gegen Borowski=Darmſtadt ſehr ſchön. Borowski
wurde in 4,5 Minuten Sieger. Die Muſterriege führte ihre ſechs Uebun=
gen
in wunderbarer Weiſe vollſtändig fehlerfrei durch. Im Ringen um

* Die Bedeutung des Sports.
Von Dr. H. Dambmann.
Sport und Turnen konnten ſich ſchon vor dem Kriege einer
ſtetig zunehmenden Anhängerſchaft erfreuen, aber erſt die Ent=
wicklung
der letzten fünf Jahre brachte einen Aufſchwung, der
die Leibesübungen zu einem blühenden Zweig unſeres Kultur=
lebens
werden ließ. Es iſt eine wertvolle völkerpſychologiſche
Erſcheinung, daß gerade ſchwere Zeiten, Zeiten, in denen der
Kampf ums Daſein des Volkes und des Individuums immer
ſchärfere Formen annimmt, der körperlichen Tüchtigkeit des
Einzelnen einen höheren Wert beimeſſen, daß Wohlleben und
Luxus wohl als Begleiterſcheinungen auftreten, daß dieſe aber
nicht als dem Volkskörper eigentümlich angeſehen werden können.
Ueberall zeigt ſich der Drang nach ſportlicher Betätigung, immer
feſter prägt ſich in unſer Volksbewußtſein die Wertſchätzung der
körperlichen Uebungen auf dem Raſenplatz. Wenn wir heute
eineinhalb. Millionen Turner und über eine Million Fußball=
ſpieler
haben, und all die vielen von der Statiſtik nicht erfaßten,
nichtorganiſierten Wanderer, Schwimmer, Winterſportler, Rad=
fahrer
und andere Sporttreibende hinzuzählen, iſt der Schluß
wohl berechtigt, daß heute jeder zehnte Deutſche Leibesübungen
betreibt. Und wenn wir bedenken, daß wir erſt am Anfang der
Entwicklung ſtehen, dann ergibt ſich aus dieſem Ueberblick eine
Zukunftshoffnung, die den Glauben an unſer Deutſchtum von
neuem ſtärkt.
Dem in Zimmerluft ſitzend arbeitenden Städter bedeutet
der Sport ein viel notwendigeres Kraftverjüngungsmittel als
dem in freier Natur wirkenden Landwirt. Außerdem hat auch
die große Sportvereinigung der Stadt eine weit größere Aus=
wahl
als der kleine Landverein. Die Stadt wird deshalb das
Zentrum der ſportlichen Betätigung bleiben, aber auch auf dem
Land haben ſich nie geahnte Entwicklungsmöglichkeiten gezeigt.
Die Dorfjugend hat ſich von ihrem oft auf alkoholiſcher Grund=
lage
baſierenden Vergnügungen der Vorkriegszeit befreit, einen
Turnplatz oder einen Fußballplatz kann jetzt bald die
kleinſte Gemeinde aufweiſen. Aber auch die Leiſtungen der
kleinen Vereine zeigen ein erfreuliches Ausmaß an Können.
Wieviel ländliche Fußballvereine ſpielen in hochwertiger Klaſſe,
wieviel Preiſe kommen bei Turnfeſten aufs Land, das kleine
Butzbach ſchlägt den Deutſchen Meiſter im Handballſpiel. Im=
mer
feſteren Boden faßt die berechtigte Wertſchätzung der Leibes=
übungen
, die Idee entwickelt ſich zum Gemeingut. Das Jung=
bad
der Leibesübung ſchwemmt die Schlacken geiſtigen Zuſam=
menbruchs
hinweg.
Noch ſind wir weit vom Ziel entfernt, noch fehlt es an tat=

Eah
ganiſation müßte nach angelſächſiſchem Muſter auch in Deutſch=
land
geſchaffen werden. Einen ſelbſtändigen großen Zuſammen=
ſchluß
haben die Sportverbände im deutſchen Reichsausſchuß für
Leibesübungen geſchaffen, der die gewaltige Zahl von rund
zwei Millionen Mitgliedern aufweiſen kann. Der deutſche
Hochſchultag verpflichtet jeden Studierenden zur Ausübung von
Leibesübungen, auf eine hundertjährige ſtraffe Organiſation
blickt die deutſche Turnerſchaft zurück. Aber noch fehlt es an
Vielen, die teilnahmslos oder gar ablehnend fernſtehen. Wenn
auch dieſe gewonnen ſind, wenn die Leibesübungen den in un=
ſeren
Reihen ſchon immer herrſchenden Gedanken der Volksge=
meinſchaft
allgemein praktiſch durchgeführt haben, dann haben
wir ein Ziel erreicht, das die Schäden des verlorenen Krieges
in vielen Beziehungen ausbeſſern wird.
Ein kurzes Wort gelte an dieſer Stelle dem bedauerlichen
Riß, der durch die ungerechtfertigte Spaltung in Turnen und
Sport entſtanden iſt. Beides ſind Wege, die zum Ziel führen;
und die organiſche Trennung kann kein Dauerzuſtand ſein. Wie
die Leichtathletik ihren Urſprung aus dem volkstümlichen Turnen
hat, ſo haben ſich auch umgekehrt die Turnvereine durch Gründung
von Fußball=, Schwimm=, Fecht= und Leichtathletikabteilungen
wieder an die Sportbewegung anpaſſen müſſen. Darum hinweg
mit allen Trennungsverſuchen, die den Weg zur großen Einheit
doch nicht aufhalten können!
Ueber Zweck und Ziel, Technik und Ausübung der Leibes=
übungen
haben wir bereits eine ſtattliche Literatur. Auch die
mediziniſche Wiſſenſchaft ſteht mit ihren Veröffentlichungen zu
Gunſten des Allgemeinwohles hier in erſter Linie. Vor mir liegt
ein Buch von Dr. T. H. Lorentz, dem Leiter der ſporthygieniſchen
Unterſuchungsſtelle des Hamburger Ausſchuſſes für Leibesübun=
gen
, einem geborenen. Darmſtädter, (Sporthygiene, Verl. J.
Springer, Berlin 1923), das dem Sportfreund wertvolle wiſſen=
ſchaftliche
Grundlagen in allgemeinverſtändlicher Form bietet.
Das Streben nach Höchſtleiſtungen, nach Rekorden, birgt ja ge=
rade
deshalb leicht große Gefahren, da hierbei einzelne Körper=
funktionen
beſonderen Anſtrengungen unterliegen, die leicht zu
Funktionsſtörungen führen können. Sinngemäßes Training,
dem jede narkotiſchen Exzeſſe fremd ſind, iſt wichtigſte Vorbeding=
ung
. Kenntnis der inneren Organe, Muskeln, Herz, Lunge,
Nerven, ſportliche Ernährung und Körperpflege laſſen Ueber=
reizungen
ausſchalten, laſſen das Maß der Anforderungen für
jeden Einzelnen erkennen. Eine ſehr weſentliche Bedeutung
kommt auch der geiſtigen Ausbildung zu. Wie Gehirn und
Nerven aus den Leibesübungen weitgehende Vorteile ſchöpfen,
ſo ſchafft die abſolute Beherrſchung des Körpers durch die Ner=
ven
das frohe Gefühl eines ſicheren Selbſtbewußtſeins. Wenn

die Vereinsmeiſterſchaft wurden jeweils 1. Sieger: im Federgewicht:
Dariel Heß, im Leichtgewicht: Otto jun. Im Boxen traten die ver=
bflichteten
Iſenburger leider nicht an, was jedenfalls mit der Sperre
zuſammenhängt. Es kämpften deshalb nur Vereinsmitglieder, und
zwar als erſter Paar Kurtz gegen Becker. Sieger: Becker nach inter=
eſſantem
, ziemlich ausgeglichenem Kampf. Als zweites Paar kämpften
Kreismeiſter im Fliegergewicht Bock gegen Jordan. Trotz größerer Ge=
wichtsdifferenz
zuungunſten Bocks konnte dieſer jede Nunde für ſich
buchen und wurde verdienter Punktſieger. Als drittes Paar kämpfte
Weber gegen Boeckh; zwei gleichwertige Gegner, was auch das Reſultat
Unentſchieden nach drei Nunden beſagt. In der Zuſatzrunde ſiegte
dann Boeckh. Als letztes Paar führten die beiden Weltergewichtler
Scholz (Meiſter 22 und 23) und Mathes (Meiſter 21) einen ſchönen,
über drei Runden führenden Schaukampf vor. Im Ningen der Jugend=
klaſſe
4 wurde nach ſchönen Kämpfen 1. Sieger Weckbach, 2. Sieger Bock,
3. Sieger Veith. In der B=Klaſſe wurde 1. Sieger nach harten Kämp=
fen
Krummel, 2. Sieger Reeſch, 3. Sieger Lortz.
Lawn=Tennis.
Zwiſchenrunde Medenpokal. Die für Sonntag auf den Plätzen des
Sportklubs 1880 an der Adickes=Alle angeſetzte Zwiſchenrunde zuiſchen
Köln und Mannheim konnte nicht zum Austrag kommen, da
die Kölner Mannſchaft aus bisher unbekannten Gründen nicht erſchien.
Der Tennisklub wird vorausſichtlich ſeine Entſcheidung dahin treffen,
daß er der Mannheimer Mannſchaft den Sieg ohne Spiel zuſpricht.
Dieſe wird dann an einem der nächſten Sonntage gegen Hannover an=
treten
.
Radfahren.
Berlin=Treptow. 3 Stunden=Mannſchaftsfahren: 1. Häußler=Meher
116.580 Klm. 16 Punkte; 2. Orkew=Tietz=Dohnke, eine Runde zurück;
3. Rütt=Stichel.
Regatten.
Hanauer Stadtachter.
Sonnkag nachmittag fand in Hanau die Entſcheidung zwiſchen der
Hanauer Rudergeſellſchaft 1879 und dem Hanauer Ruderklub Haſſia um
den Stadtachter ſtatt. Der Sieger wird am kommenden Sonntag mit
dem Sieger des Offenbacher Stadtachters um das Offenbach-Hanauer
Städterennen über die Strecke Mainkur-Bürgel fahren. Den Sieg
des heutigen Tages trug die Rudergefellſchaft davon.
Offenbacher Stadtachter.
Der den Bürgern der Stadt Offenbach geſtiftete Wanderpreis wurde
aur geſtrigen Sonntag zum 8. Male ausgetragen. Bis jetzt hat die Offen=
bacher
Rudergeſellſchaft Undine den Preis ſechsmal errungen und Ruder=
verein
Hellas=Offenbach zweimal. Nach Zeiten gemeſſen war das Er=
gebnis
folgendes: 1. Undine 6:04,2; 2. Hellas 6:18: 3. Nuderverein
6:28. Gefahren wurde das Rennen auf der zwei I gekrümmten Strecke
Mainkur-Bürgel. Sofort nach Beendigung des Rennens erfolgte im
Bootshaus Undine die Preisverteilung.
42. Regatta des Süddeutſchen Ruderverbandes in Mannheim.
Von unſerem Sonderberichterſtatter.
* Von herrlichem Wetter begünſtigt, fand am geſtrigen Sonntag auf
der Neckarrennſtrecke die 42. ſüddeutſche Verbandsregatta
ſtatt, die 14 Vereine am Start ſah. Die größte Anzahl der gefahrenen
Nennen entſchieden die Mainvereine zu ihren Gunſten. Einen
intereſſanten und ſcharfen Kampf brachte der Große Achter, in
den der Favorit, Vorwärts=Mannheim, ſeinen ſcharfen Rivalen, Offen=
bacher
Ruderklub Vorwärts, mit einer Bootslänge ſchlug. Die Mann=
heimer
Vorwärts=Mannſchaft konnte erſt vor 14 Tagen auf der Regatta
des Norddeutſchen Verbandes im Großen Achter gewinnen, und mit
Spannung ſieht man deshalb den ſüddeutſchen Meiſterſchaften entgegen,
die am kommenden Sonntag in Frankfurt ſtattfinden werden. Alle Vor=
ausſetzungen
für einen ſicheren Sieg dieſer Mannſchaft ſind gegeben.
Es muß noch hervorgehoben werden, daß im Gegenſatz zu den ver=
gangenen
Regatten im diesjährigen Mannheimer Rennen alle Ruderer
techniſches Können offenbarten und die rohe Kraft nicht immer den Aus=
ſchlag
gab. Die Hauptergebniſſe:
Gaſt=Vierer: 1. Offenbacher Ruderverein Vorwärts 7.50, 2.
Ruderklub Haſſia=Gießen 7:58. 3. Frankfurter Ruderverein Alemannig
(aufgegeben). Bord an Bord=Kampf, dann holt Offenbach auf und fährt
mühelos ein.
Anfänger=Vierer= 1. Mühlheimer Rudervereinigung Frei=
heit
7:49,6. 2. Waſſerſportverein Hellas=Gießen 7:55. 3. Ruderverein
Vorwärts=Offenbach 7:58, 4. Ruderverein Vorwärts=Mannheim 8:08.
Schönes gleichmäßiges Rennen, Freiheit=Mühlheim ſichert den Sieg ab
1000 Meter.
Junior=Einer: 1. Julius Wießker (Haſſia=Gießen) 7:39, 2.
Adolf Baumann (Hellas=Gießen). Wießker übernimmt ſchon am Start
die Führung.
Großer Achter: 1. Vorwärts=Mannheim 6:42,2, 2. Vorwärts=
Offenbach 6:48,2, 3. Haſſia=Gießen 6:50. Mannheim führt vom Stark
an und ſiegte mit einer Bootslänge.
(Schluß folgt.)

der Stilätufer winterliche Höhen erlimmt und vor der Abfahrt
über ſtäubende Schneefelder die Bindung prüft, wenn der Läu=
fer
als erſter das Band berührt, wenn dem Turner als erſtem
der Eichenkranz aufs Haupt gedrückt wird, dann umfängt ihn
das ſtolze Gefühl des körperlichen Erfolges, Körper und Geiſt
vereinen ſich in ſchöner Harmonie gehobenen Ichbewußtſeins.
Körperkultur iſt nationale und ethiſche, aber auch kulturelle
Pflicht. Das Ideal menſchlicher Schönheit drückt ſich nicht nur
in edler durchgeiſtigter Geſichtsbildung aus, ſondern auch im
Ebenmaß und in der vollendeten Form des Körperbaues. und
dieſe Schönheit der Linie erzielen wir nur durch Leibesübungen,
in denen die Schönheit der Linie zum Ausdruck kommt, Laufen,
Turnen, Springen, Tanz. Wie wir die unerreichten Werke grie=
chiſcher
Bildhauerkunſt bewundern, ſo ſoll auch unſerem Volke
auf dem Weg über die Leibesübungen wieder das Gefühl für.
die Schönheit des menſchlichen Körpers erſtehen.
Die uns erhaltenen plaſtiſchen Bildwerke. Altgriechenlands
ſind von einer Vollendung, welche die helleniſche Kunſt auf den
höchſten Stand von Schönheit und Harmonie erheb:. Dieſes
Schönheitsgefühl, das Tempel und Paläſte mit auserleſenen
Kunſtwerken ſchmücken ließ, beſchränkte ſich jedoch nicht
auf einzelne Bevorzugte, ſondenr war der ganzen Nation eigen=
tümlich
. Denn dieſe Nation ſchützte geiſtige und körperliche Aus=
bildung
, geiſtige und körperliche Reife in gleichem Maße. In den
Gymnaſien wurde der Diskuswerfer neben dem Dichter geehrt,
der Schnelläufer neben dem Philoſophen. Und die olympiſchen
Spiele, die Glanztage griechiſchen kulturellen Lebens, zeichneten
die geiſtigen und die ſportlichen Leiſtungen gleichmäßig mit der
höchſten Auszeichnung, dem ſchlichten Olivenzweig. Alle vier
Jahre trafen ſich hier die Beſten im Fünfkampf, und die Dithy=
ramben
eines Pindar und Simonides zeugen von der hohen
Wertſchätzung ſportlicher Tätigkeit und ihrer nationalen Be=
deutung
.
Wenn wir den Hellenismus als den Höhepunkt kulturell=
äſthetiſcher
Entwickelung anſehen, ſo müſſen wir lebhaft be=
dauern
, daß wir uns weit von dieſem Ideal entfernt haben. In
falſche Bahnen geleitetes Moralempfinden ließ das Nackte
obſzön werden, ließ Körperkraft als Roheit erſcheinen, der
Athlet wurde zur Jahrmarktsfigur. Die Folgen haben ſich in
erſchreckender Form an unſerem Volkskörper gezeigt, als er
immer widerſtandsunfähiger wurde gegen die Flut der körper=
lichen
, geiſtigen und moraliſchen Krankheiten. Darum bedeutet
das Aufblühen der Gymnaſtik, der ſchulmäßigen Allgemeinvor=
bereitung
des Körpers unter beſonderer Berückſichtigung geſund=
heitlicher
und ſchönheitlicher Forderungen einen Fortſchritt, den
zu fördern und mit allen Mitteln zu unterſtützen alle die der=
pflichtet
ſind, denen die weitere kulturelle Emporentwickelung
Deutſchlands am Herzen liegt.

[ ][  ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblalt, Mentag. den 30. Juli 1923.

Rummer 208.

Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintierzucht und Siedlangsweſen

Auguſtarbeit im Obſi= und Gemüſegarten.
* Die Ernte hat in dieſen Jahren infolge des ungünſtigen
Wetters im Frühling und Vorſommer ſpäter begonnen als ſonſt,
trag einzelner Pflanzenarten müſſen wir uns durch Nachbeſtel=
lung
noch möglichſt entſchädigen. Für den Verbrauch in dieſem monaten ihre Schuldigkeit tun. Alle älteren Tiere und ſonſt
Jahre können wir im Auguſt noch ſaen: Spinat, Nadies, Herbſt=
rüben
und Monatsrettich. Nüben brauchen zu ihrer Entwick=
lung
nicht mehr als zwei Monate und ſind deshalb beſonders
muß. Bei Kopfſalat iſt der Erfolg ſo ſpäter Saat ſchon unſicher.
Dagegen empfiehlt ſich die Ausſaat von Feldſalat oder Rapünz=
chen
, der, mit leichtem Froſtſchutz verſehen, gut überwintert und.
wie auch der Spinat, während der kalten Monate nach Bedarf Stoppeln. Sie machen ſich durch Vertilgen von allerlei Schäd=
friſch
geerntet werden kaun.
Um im nächſten Frühjahr rechtzeitig friſches Gemüſe zu
haben, ſäe man Mohrrüben und Mangold. Auch Peterſilie und
Schwarzwurzeln werden vorteilhaft ſchon jetzt ausgeſät. Die haben, zu trinken.
leider noch zu wenig bekannte Frühlingszwiebel liefert, in dem
Monat Auguſt ausgeſät, ſchon im Frühjahr fertige Zwiebeln.
Ferner kann man Ende des Monats neue Saatbeete mit Rot=
kohl
=, Weißkohl= und Wirſingſamen beſtellen, um im Frühjahr
zeitig neue Setzlinge zu haben. Dazu gehören jedoch gute Vor=
richtung
zur Ueberwinterung, wie Fenſterbeete u. dgl., auch muß
man ſich um ſolche Kulturen im Winter kümmern können.
Pflanzen können wir im Auguſt noch Roſenkohl und frühe Sor=
ten
von Kohlrabi. Für Grünkohl iſt jetzt die Hauptpflanzzeit.
Ausdauernde Würzkräuter, die ſchon mehrere Jahre auf
bemſelben Platz ſtanden, ſchneidet man zurück, verteilt und ver=
pflanzt
ſie. Zwiebeln, deren Kraut durch Gelbwerden die Reife
anzeigt, werden an trockenen Tagen geerntet. Tomaten nimmt
man das beſchattende Laub, ſoweit nötig, nicht im Uebermaß.
Ende Auguſt ſchneidet man auch die Spitzentriebe ab. Ausgereifte
Buſchbohnen, die zur Samengewinnung beſtimmt ſind, werden
in Büſchel zuſammengebunden und trocken hängend aufbewahrt.
Gurken, von denen man Samen gewinnen will bezeichnet man,
damit ſie nicht vorzeitig abgeſchnitten werden. Die regelmäßigen
Verrichtungen des Hackens, Jätens und Gießens ſetzt man nach
Bedarf fort, namentlich die Kohlarten verlangen dieſe Pflege.
Die Raupen und Eier des Kohlweißlings und der Kohleulen
ſind abzuleſen und zu vernichten. Gemüſe, das kurz vor der
Ernte ſteht, darf nicht mehr gejaucht werden; dagegen iſt jetzt die
richtige Zeit, Spargel und Rhabarber gut zu düngen. Auf das
Unkraut iſt zu achten. Blühendes und Samen tragendes Unkraut
bedeutet zehnfache Arbeit im nächſten Jahr.
Die Hauptpflanzzeit für Erdbeeren naht jetzt, man pflanze
ſehr gute Sorten auf gedüngte Beete. Die Johannis= und die
Stachelbeerernte iſt beendet; es reifen noch Himbeeren und
Brombeeren. Die abgetragenen, aus dem Vorjahr ſtammenden
Ruten dieſer Sträucher ſind nach der Ernte zu entfernen. Von
den halb ausgereiften Trieben der Stachel= und Johannisbeer=
ſträucher
werden Stecklinge geſchnitten. Zur Anzucht von Hoch=
ſtämmen
werden Veredelungen auf die Ruten der Goldjohannis=
beere
vorgenommen. Bei der Ernte der Baumfrüchte iſt vor=
ſichtig
zu verfahren, damit nicht Fruchtholz und Blütentriehe
geknickt oder abgeriſſen werden. Frühes Kernobſt läßt man nicht
am Baum voll ausreifen. Man pflückt es einige Tage vorher
und lagert es kühl. Die Entwicklung des Winterobſtes kann
man bis zu Beginn des letzten Monatsdrittels durch Düngung
unterſtützen. Solche iſt jedoch nur für Bäume mit ſchwachem
Trieb ratſam. Starktreibende Arten würden durch Jauchedüng=
ungen
zu neuem Trieb angeregt werden und dann leicht durch
Froſt Schaden erleiden, da das jüngſte Holz nicht mehr ausreifen
kann. Sehr voll hängende Bäume müſſen geſtützt werden; wenn
nötig, nimmt man einen Teil der Früchte ab. Das Fallobſt
wird täglich geſammelt und verwendet. Zum Anlegen der
Madenfalle in Geſtalt von Fanggürteln iſt es jetzt höchſte Zeit.
Kleintier=, Geflügel= und Bienenpflege
im Auguſt.
möglichſt viel Gelegenheit zum Aufenthalt im Freien bekommen,
damit ſie ſich durch Bewegung in Licht und Luft kräftigen. Na=
dabei
Futter und den Tieren tut der freie Auslauf ſehr gut. Im
Menge Samen, die die Ziegen gern freſſen und die man als eine
Art Kraftfutter anſehen kann. Auf abgetriebene Kuhweiden
bringe man die Ziegen nicht. Der Geruch des Kuhdüngers iſt
Leiſtung zurück, weil ſie nicht genug freſſen. Rohes Obſt freſſen
viele Ziegen gern; ſie bekommen aber oft längere Zähne davon,
auch bleiben leicht Früchte im Schlunde ſtecken. Auch um dem
vorzubeugen, laſſen man das Fallobſt nicht unter den Bäumen
liegen. Durch Streichen und ſanftes Drücken kann man die der=
ſchluckten
Früchte in den Magen gleiten laſſen.
Für den Winter ſammele man fleißig Futter. Der Garten
bietet im Auguſt eine Fülle von Futterſtoffen: Das Stroh der
abgeernteten Erbſenbeete, Blätter von Möhren, Unkraut aus den pflanzen. Er trägt jedes Jahr, wenn der Boden nur irgend Nah=
Kartoffelfeldery, Erdbeerbüſche von Beeten, die eingehen ſollen,
u. a. m. All dies bildet ein ausgezeichnetes Rauhfutter. Auch
Laubheu und Laubreiſig kann noch geſammelt werden. Mit chere Ernte und größere Früchte.
dem Verfüttern der Kartoffelſchalen ſei man vorſichtig. Man
gebe nie zu viel davon auf einmal und am beſten nur gekocht, widmen, verrichten wir am beſten bald nach der Ernte. Vor allem

Den Zuchtböcken meſſe man den Futterhafer etwas reichlicher
zu und warte nicht damit bis zum Beginn der Deckzeit.
Vorgang ſind ſie durch möglichſt ausgiebiges eiweiß= und kalk=
um
ſo mehr drängt jetzt die Arbeit, denn für ungenügenden Er= haltiges Futter zu kräftigen. Nur Tiere, die kräftig und voll Triebe bringt es hervor, deſto kümmerlicher zeigen ſich Blätter
befiedert in den Herbſt eintreten, werden auch in den Winter=
men
werden ſollen, ſind vor der Mauſer abzuſchaffen. Gut iſt
es, wenn man jetzt die Geſchlechter trennen kann. Eine Ruhe=
wertvoll
für den Kleintierzüchter, der viel Grünes verfüttern, pauſe iſt beiden Teilen nur dienlich. Für ſtändig friſches Trink= wickelung der Augen für die neuen Triebe verzögert ſich, je länger
wvaſſer und ſchattigen Auslauf iſt nach wie vor zu ſorgen. Ebenſo
iſt auf Reinheit und Ungeziefer zu achten. Wer es kann, der
bringe ſeine Hühner nach dem Abernten der Felder auf die
lingen dort nützlich und der Beſitzer ſpart Futtermittel. Das=
daß
die Tiere bei ſolchem Weidegang genügend Gelegenheit eine Düngung mit Jauche. Aelteren Sträuchern führt man einen
ſchnellſten über die auch bei ihnen jetzt eintretende Mauſer hin=
weg
. Die Tauben ſollen jetzt tüchtig feldern. Im Schlag füttern
wir deshalb knapp und geben nur abends eine Handvoll.
Ein ähnlicher Vorgang wie die Mauſerung bei den Hühnern
iſt der Haarwechſel bei den Kaninchen. Er vollzieht ſich regel=
mäßig
im Frühjahr und Herbſt. Im Herbſt tritt der Wechſel
mitunter ſchon Ende Auguſt ein. Auch hier bedürfen die Tiere
kräftiges Futter und ſorgfältige Pflege, damit ſie ohne Schaden
über dieſe Zeit hinwegkommen. Häſinnen laſſen ſich beim Nahen
der Haarungszeit oft nicht mehr decken. Man zwinge ſie dann
auch nicht dazu. Im übrigen höre man mit dem Belegen gegen
Ende des Monats allgemein auf: die letzten Würfe fallen ſonſt
zu nahe an die rauhe Jahreszeit. Wer Holthanti angepflanzt
hat, kann Blätter und Stengel nun verfüttern, die Kaninchen
freſſen ſie gern. Schlachttiere bekommen neue Kartoffeln und
deren Schalen mit Obſtreſten und Schrot oder Kleie zu einem
ſteifen Brei vermengt. Sie ſetzen dadurch ſchnell Fleiſch und
Fett an.
In der Bienenzucht iſt der Auguſt von entſcheidender Be=
deutung
für das kommende Frühjahr. Die in dieſem Monat
erzeugten Bienen bilden den überwinternden Stamm des Vol=
kes
. Der Imker ſucht deshalb die Königin noch einmal zu ſtarker
Eiablage zu reizen. Das wird durch Zuführung einer neuen
Tracht oder durch künſtliche Reizfütterung erreicht. Wenn mög=
lich
, wandere man mit ſeinen Bienen in die Heide. Bei gutem
Honig. Für den, der dies kann, wird die Honigernte in der erſten
Auguſthälfte als abgeſchloſſen gelten. Man vergewiſſere ſich,
danach gegen Ende des Monats oder Anfang September die
Winterauffütterung vornehmen kann. Ein gutes Volk braucht
1215 Kilogramm Wintervorrat, wovon etwa Zweidrittel in
Futter und nehme die Futtergeſchirre am Morgen wieder fort.
Gegen Ende des Monats beſeitigen geſunde Völker die Drohnen.
Zieht ſich dieſer Vorgang ungewöhnlich lange hin, ſo iſt dies ein
müſſen dann mit anderen vereinigt werden, ſonſt gehen ſie im
Winter zugrunde.
Arbeiten im Kleingarten.
Gemüſegarten: Abgeräumtes Frühkartoffelland mit
Blätterkohl, Kohlrabi, den erſten Endivien (Eskariol), Blumen= ſaftigen Spargel, er ſei ein gemeiner Salat der Walen und
ratbeeten bepflanzen. Die letzten Buſchbohnen (Frühſorten)
legen und die erſten Herbſtrüben ſäen. Der Spinat für den
gebracht. Alle ſchwachen Blütenköpfe an den Artiſchocken ſchnei=
den
wir zugunſten der ſtärkeren jetzt fort. Küchenkräuter ab=
ſchneiden
, bündeln und zum Trocknen ſchattig aufhängen.
ſtöcken. Abgetragenes Holz aus den Himbeeren ſchneiden. Obſt= gab ſich jedenfalls alle erdenkliche Mühe, die auch in ſeinen Gär=
wildlinge
okulieren. Bei Dauerregen iſt das Beſprühen der ten in Maſſen gezogenen Möhren möglichſt im ganzen Lande ein=
* Alle Tiere müſſen, ſo lange die warme Jahreszeit dauert, Bäume gegen Pilzkrankheiten ein nichtsnutziges Geſchäft.
machen. Es werden Göldlack, Nelken, Veilchen und andere
mentlich die Ziegen ſchicke man fleißig auf die Weide. Man ſparr Staudenſämlinge gepflanzt, die Stiefmütterchen=Jungpflanzen
Spätſommer reifen überall an Wegen, Rainen und Hecken eine len und verpflanzen. Fuchſien, Chryſanthemen und ſonſtige
junge Topfgewächſe umtopfen. Alte Topf= und Kübelpflanzen, telalter noch eine dritte Abart den Kopfſalat als Genoſſen erhiel=
Dung. Geranien vermehren. Ich habe mir von den ſchönen würzen immer ſchmackhafter zubereitet wurden, worin auch wie=
den
Ziegen unangenehm, und ſie gehen im Gedeihen und in der neuen winterblühenden Stiefmütterchen Viola tricolor, Nieſen= der die Klöſter vorangingen, fand auch der Salatgenuß immer
Weltrekord Stecklinge gemacht. Das gibt nachher ſtarke, reich= mehr Verbreitung. Der Blumen=, Rot= und Weißkohl war eben=
blühende
Pflanzen, die mich dann in den kommenden blumen=
aumen
Monaten, in welchen die gewohnten Winterblüher noch
knapper als in den Vorjahren ſein werden, erfreuen ſollen.


Der Johannisbeerſtrauch gehört zu den anſpruchloſeſten Nutz=
rung
bietet. Er duldet die größte Vernachläſſigung, aber er be=
lohnt
die Pflege, die man ihm angedeihen läßt, ſofort durch rei=
a

Die Hauptarbeiten, die wir unſeren Johannisbeerſträuchern dem Großen ſorgſam kultiviert und ſeinen Landsleuten zum An=

ſei an das Verjüngen der Sträucher erinnert. Die ſchönſten Trau=
ben
entwickeln ſich ſtets an jenen Trieben, die dem zwei= bis drei=
Die Hühner treten nun bald in die Mauſer ein. Für dieſen jährigen Holze entſpringen, auch die Blätter ſind an dieſen be=
ſonders
groß und geſund. Je älter das Holz wird, deſto dünnere
und Blütentrauben. Dieſe Erſcheinung lehrt uns, daß jedes Jahr
etwas altes Holz herausgeſchnitten werden muß, damit junges
überzählige, die nicht mit in das neue Zuchtjahr hinübergenom= tragfähiges Holz nachwächſt. Dieſes Verjüngen wird vorteilhaft
gleich nach der Ernte vorgenommen. Das überflüſſige Holz ninmt
ja dem Nachwuchs nur Licht und Nahrung weg. Auch die Eut=
das
alte Holz ſtehen bleibt. Man kann dieſes bis auf den Boden
zurückſchneiden oder auch, der Form des Strauches entſerechend,
zwanzig bis fünfzig Zentimeter lange Stümpfe ſtehen laſſen.
Auch die Düngung der Johannisbeeren nimmt man zweck=
mäßig
bald nach der Ernte vor, weil die Sträucher dann den mei=
ſelbe
gilt von Gänſen und Truthühnern. Man achte nur darauf, ſten Nutzen davon haben. Ganz beſonders vorteilhaft iſt jetzt
größeren Vorrat von Nährſtoffen zu, indem man dreißig Zenti=
Zuchtenten gehören aufs Waſſer. Dort kommen ſie am meter vom Stamm entfernt, rings um den Strauch die Erde
einen Spatenſtich tief heraushebt und den Graben mit guter Kom=
poſterde
oder mit friſcher Erde, die zur Hälfte mit verrotteten
Miſt vermiſcht wurde, füllt. Ungenügende Ernährung iſt bei den
Johannisbeerſträuchern meiſt die Urſache der Blattfallkrankheit,
des Auftretens des Roſtpilzes und der Blattlausplage.
Die langen Jahrestriebe der guternährten Sträucher werden
im Frühjahr oder Winter zurückgeſchnitten. Das iſt notwendig,
da ſolche Triebe nur an der Spitze austreiben. Der Strauch wird
kahl und trägt ſchlecht. Wer Johannisbeerſträucher verdflanzen
will, kann es von Anfang Auguſt an tun. Die Sträucher wachſen
dann noch bis zum Herbſt an und bringen ſchon im nächſten
Jahr einen kleinen Ertrag. Alle kahlen Triebe werden dabei
kräftig zurückgeſchnitten, die jungen Triebe des Sommers aber
erſt im Winter, jedenfalls nach beendetem Laubfall.
Aus der Geſchichte unſerer Gemüſe.
Sie beſitzen gar keinen beſonderen Nährwert, denn bei faſt
93 Prozent Waſſer iſt kaum 1= Prozent Fett in ihnen vorhanden,
aber die eigentümlichen Würzſtoffe wie Amidin, ätheriſche Oele,
organiſche Säuren, Aſparagin u. a. m. machen ſie der Zunge und
dem Gaumen begehrenswert. Dazu kommt, daß ſie mit und ohne
Fleiſch in vielfältigſter Weiſe zubereitet, ſowohl als Suppe und
Mus, wie als Salat und ſelbſtändiges Gericht, neuerdings wie=
Wetter erzielt man dadurch noch eine größere Nachernte an der wie in alter Zeit vielfach als Miſchgericht, ſtändig größte Ab=
wechſelung
im täglichen Speiſezettel bieten und bald in dieſer,
bald in jener Form beſondere Anerkennung bei Alt und Jung
wiebiel Honig den einzelnen Völkern verblieben iſt, damit man finden. Die Möhre ſcheint die älteſte Gemüſepflanze überhaupt
zu ſein. Wurde ſie doch ſchon bei den Pfahlbauern kultiviert,
wie aufgefundene Samenreſte beweiſen. Auch Paſtinaken, Erb=
ſen
und Linſen, die letzteren aus der Bronzezeit ſtammend, er=
Zuckerlöſung gegeben werden können. Man gebe nur abends freuen ſich ſchon in uralter Zeit der Vorliebe der Menſchen. Aber
erſt die alten Griechen und Römer nahmen ſich des Gemüſebaues
in beſonderer Weiſe an und kultivierten die verſchiedenen Arten
mit glücklichem Erfolg. Bei den alten Aegyptern iſt der Spargel
Zeichen von Volksſchwäche oder Weiſelloſigkeit. Solche Völker ebenfalls ſchon ſehr beliebt geweſen, wie altägyptiſche Zeichnun=
gen
beweiſen. In Griechenland wurde den Spargelſproſſen ſogar
geheimnisvolle Kraft zugeſchrieben, und man trug ſie aus dieſem
Grunde als Amulett unter der Kleidung. Trotz ſeiner Beliebt=
heit
bei Griechen und Römern, fand er jedoch im nördlichen,
Europa wenig Anklang, und ſelbſt der deutſche Geiſtliche Hyroni=
muis
Bock ſchrieb noch 1539 in ſeinem New=Kräuterbuch vom
kohl, (Erfurter Zwerg), auch noch mit Roſenkohl von den Vor= Hiſpanier, der nunmehr auch wie andere Leckerbiſſen ins Deutſch=
land
kommen iſt. Im 17. Jahrhundert wurde er zumeiſt um
ſeiner beſonderen Heilkraft willen angebaut, und erfreut ſich erſt
Herbſtgebrauch wird in den nächſten Tagen auch in den Boden, ſeit dem 19. Jahrhundert ſeiner ſtändig zunehmenden Beliebtheit.
Die ſchon erwähnte Möhre, in beſonderem Umfange von den =
mern
, namentlich ſchon unter Kaiſer Tiberius angebaut, wuchs
zunächſt in Deutſchland wild, bis ſie, von dieſen eingeführt, in
Obſtgarten: Heft= und Schneidearbeiten an den Wein= den Militärkolonien am Rhein gezogen wurde. Karl der Große
zuführen. Aber die Germanen vorzugsweiſe an Fleiſchkoſt ge=
Blumengarten: Roſen okulieren. Roſenſtecklinge wöhnt, verhielten ſich dieſem Gemüſe gegenüber ſehr ablehnend.
Das gleiche gilt vom Salat. Anfänglich zuerſt in italieniſchen
Klöſtern gebaut und verzehrt, wurde dieſes aus Weſtaſien ſtam=
verſtopft
und Silenen geſät. Starke Pfirſichroſenſtöcke jetzt tei= mende Gemüſe zunächſt noch wenig beachtet. Erſt als die ver=
feinerten
Arten, ſowohl zartblättrige wie krauſe Sorten. im Mit=
auch
die Raſenflächen erhalten neue Nahrung durch flüſſigen ten, und durch Vermiſchung mit Oel, feinen Kräutern und Ge=
falls
ſchon den alten Griechen und Römern bekannt. Der erſtere
kam aber erſt Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts
über die Levante, Italien und die Schweiz nach Deutſchland.
Während der Rotkohl ſchon im 12. Jahrhundert in Deutſchland
Der Jobannisbeerſirauch nach der Ernte. auf verſchiedene Weiſe zubereitet wurde. Am raſcheſten hat ſich
wohl von allen Gemüſen der Weißkohl beliebt gemacht, der, na=
mentlich
eingeſäuert, alſo mit Salz und verſchiedenen Gewürzen
eingelegt, das ganze Mittelalter hindurch in Maſſen verzehrt
wurde und ſeine Beliebtheit bis auf den heutigen Tag nicht ein=
büßte
. Er kann ſich in dieſe noch mit dem Sellerie teilen, der
aus den Mittelmeerländern ſtammend, ebenfalls ſchon von Karl
bau empfohlen wurde.
K.GI.

Der junge Tod.

Roman von Fritz Demuth.
(Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung des Herrn Verfaſſers und
der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in Stuttgart u. Berlin.)
(Nachdruck verboten.)
73)
Günter rief mich telephoniſch an, er möchte mich ſogleich
ſprechen. Ich wehrte mich erſt; als er auf ſeinem Wunſche be=
ſtand
, ließ ich ihn kommen, er traf bald darauf ein, ſtand erregt
und verlegen vor mir.
Nun, was willſt Du, Günter?
Ich habe von Mutters Beſuch bei Ihnen gehört, ich hatte
keine Ahnung davon, daß ſie gewiſſermaßen er führte den
Satz nicht zu Ende und fuhr fort: Das würde ja geradezu=
gegen
mein Ehrenwort verſtoßen.
Wenn Du mir ſagſt, daß Du nichts wußteſt, iſt die Sache
ja erledigt.
Wo ich mein Ehrenwort gegeben habe!
Er betonte das Ehrenwort ſo ſtark, es kam mir ſehr verkehrt
vor, daß ich es ihm abgenommen hatte. Was konnte ſolch Junge
in ſeinem vielleicht verſtiegenen Ehrgefühl für törichte Folgen
aus einem Zufalle ziehen, durch den er ſein Wort verletzt wähnte.
Ich ſagte: Das Ehrenwort, Günter, darauf lege ich keinen be=
ſonderen
Wert, das gebe ich Dir gern zurück.
Wie meinen Sie das?
Nun, ich erwarte, daß Du Dich auch ohne ſolche Bindung
ricſtig benehmen wirſt, ich habe das Vertrauen zu Dir.
Ja, das werde ich auch.
Günter dachte nach. Sie müſſen nicht glauben, ſagte er,

daß dies Abrücken von dem Vorgehen meiner Mutter einen Ver=
zicht
bedeutet, nein, den könnte ich nicht ausſprechen, wirklich
nicht, das könnte ich nicht
Marie Louiſe erſchien in der Tür, wir bemerkten ſie beide
und ſchwiegen; ſie blieb im Eingange des Zimmers ſtehen und
beobachtete uns, dann ſtürzte ſie ſich in heftiger Bewegung mit
weit ausgebreiteten Armen auf Günter zu, umſchlang ihn, der
hielt ſie feſt in den Armen, und nun küßten ſich die beiden vor
meinen Augen.
Ich ſtand und blickte auf Marie Louiſe und Günter, faſſungs=
los
zuerſt, dann überlegend, wie der Szene am beſten ein Ende
zu bereiten wäre, und dann plötzlich hingeriſſen von der Leiden=
ſchaft
und Stärke und Schönheit dieſes Empfindens, das da ſich
offenbarte.
Alles, was in mir jung war und ſehnſüchtig zum Herzen
ſtrömte, gewann Leben und drängte ins Bewußtſein, ich konnte
kaum dieſen Anſturm bewältigen.
Was nutzte das ganze Daſein, wenn einer nicht ſolchen
Augenblick auskoſten konnte, was war alle Weisheit gegen dieſe
Bejahung, alles Plänemachen gegen ſolchen Entſchluß.
War das nicht ſo etwas wie der heilige Geiſt, gegen den man
ſich nicht verſündigen darfs
Nun löſten die beiden ſich voneinander, ſtanden verwirrt da,
ſahen ſich an, Günter betrachtete mich mit einem ſcheu huſchenden
Blick, Marie Louiſe ſchaute zu mir hin, und dann zu Boden.
Die Lage erforderte ſchnelles und entſchiedenes Handeln um
aller Beteiligten willen. Ich ging ans Fenſter, ſchaute hinaus,
wandte den beiden den Rücken, um mich zu ſammeln und ihnen
Zeit zu geben, das Gleiche zu tun. Dann kehrte ich mich wieder
zu Marie Louiſe und Günter um, die ihre Haltung nicht verän=
dert
hatten. Setzt Euch hierher. Sie folgten der Aufforderung,
und auch ich nahm mir einen Stuhl.

Von neuem begann ich: Ich habe Euch gewarnt, und Ihr
habt nicht auf mich gehört. Ich glaube auch heute nicht, daß eine
Ehe zwiſchen Euch zum Guten führen würde, und könnte meine
Zuſtimmung dazu nicht ausſprechen. Das iſt ſo und bleibt ſo.
Und ſonſt gebe ich Euch frei. Tut, was Ihr für recht haltet, findet
Euren Weg ſelbſt, bedenkt, vor allem Du, Marie Louiſe, bedenke,
daß Ihr jetzt die volle Verantwortung für Euch tragt.
Marie Louiſe ſah mich an, fragend, ungewiß.
Und nun, ſagte ich, iſt es zwiſchen uns klar. Ich ſtand
auf, Günter trat zu mir, noch nicht frei von der Bedrückung. Es
war unrecht, ſagte er. Nun zürnen Sie mir?
Du mußt mich nicht mehr Sie nennen, Günter, ſagte ich.
Solch ein einſeitiges Duzen unter Erwachſenen geht nicht an, ich
wollte es Dir immer ſchon vorſchlagen.
Günter wurde ſehr rot, er erfaßte meine Hand, die ich ihm
reichte, mit einem Druck, der mich ziemlich ſchmerzte.
Ich blieb dabei in den Tagen, die nun kamen, ich hatte den
beiden die Führung ihres Geſchickes überlaſſen, ich wollte nicht
mehr darin eingreifen.
Marie Louiſe ſaß am Gartentiſch über ein Blatt gebeugt.
An wen ſchreibſt Du? fragte ich. Marie Louiſe ſah mich ver=
legen
an. An niemand. Was iſt das denn?
Ein Gedicht, ſagte Marie Louiſe.
Kann ich’s ſehen? Marie Louiſe nickte zuſtimmend, und
ich nahm das Blatt. Es waren hübſche Verſe, gut gereimt und
wahr empfunden, von Sommer, Sonne, Wäldern und Blumen.
Nett, ſagte ich. Haſt Du noch mehr? O ja. Marie Louiſe
nahm eine Reihe Blätter zur Hand, prüfte ſie, wählte
aus,
dann noch ein paar, legte mehrere davon wieder zut1
gab
mir die übrigen.
(Fortſetzung folgt.)