Einzelnummzer 1000 Mark
Bezugspreis:
Bei wöchentl. 2 maligem Erſcheinen monatlich 49200 M.
und 800 M. Abtragegebühr, Abholen 49500, durch
die Agenturen 20000 M. frei Haus. Beſtellungen
nehmen entgegen: die Geſchäftsſtelle Rheinſfraße 23
(Gernſprecher 4, 2390 und 2394), die Agenturen und
olle Poſtämter. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
Anzeigen an beſimmten Tagen wird nicht
übernom=
men. Mſchterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur
Kür=
zung des Bezugspreiſes. Beſtellungen und
Abbeſtel=
lungen durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
poſſcheckonte: Franffurt a. M. 4301.
Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 204
Montag, den 23. Juli 1923
186. Jahrgang
Anzeigenpreis:
27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 2000 M.
Finanz=Anzeigen 3200 M., Reklamezeile (92 mm
breit) 8000 M. Anzeigen von auswärts 3000 M.,
Finanz=Anzeigen 4800 M., 92mm breite
Reklame=
zeile 12000 M. Anzeigen nehmen entgegen:
Geſchäfts=
ſtelle Rheinſtraße 23, die Agenturen und
Anzeigen=
erpeditionen. Im Falle höherer Gewalt, wie Krieg,
Aufruhr, Streiß uſw., erliſcht jede Verpfichtung
auf Erfüllung der Anzeigenaufträge und Leiſtung
von Schadenerſatz. Bei Konhurs oder gerichtlicher
Beitreibung fällt jeder Rahatz wer. Bankkonto=
Deutſche Bank und Darmſtädter 8 Nationalbank.
Sonderbündeleien.
Mainz, 22. Juli. (Wolff.) Das Werben um die
beutſchen Eiſenbahner hat aufs neue begonnen. Eine
nach Eltville einberufene Verſammlung hatte für die
Veranſtal=
ter einen Mißerfolg. In Mainz ſuchte der berüchtigte
ehemalige Eiſenbahnſrekretär Kirch zuſammen mit dem
Son=
derbündler Müller, dem ſogenannten „Klaviermüller”,
mehrere Eiſenbahner auf, von denen ihnen bekannt war, daß ſie
für die deutſche Sache fortwährend tätig ſind, um ſie zur
Ein=
berufung einer Verſammlung und zu Verhandlungen mit den
Franzoſen zu bewegen. Sie erklärten dabei, die Franzoſen ſeien
bereit, bei Arbeitsaufnahme die Inhaftierten in Freiheit zu
ſetzen und die Rückkehr der Ausgewieſenen zu geſtatten. Kirch
und Müller wurden mit ihrem Anſinnen ſelbſtverſtändlich
ab=
gewieſen.
Die in Mainz als geräumt gemeldeten Gefängniſſe
ſind faſt reſtlos mit verhafteten franzöſiſchen
Sol=
daten und deutſchen Eiſenbahnern belegt. Von
den für die Unterbringung von Gefangenen in Beſchlag
genom=
menen Schulen haben die Franzoſen noch keinen Gebrauch
ge=
macht.
Vom Tage.
Wie in eingeweihten Kreiſen verlautet, ſoll ſich der Präſident des
Staatsgerichtshofes, Dr. Schmidt, bereits ſeit einiger Zeit mit
Rück=
trittsgedanken tragen.
In Vohwinkel wurden für die engliſche
Beſatzungs=
zone beſtimmte Kohlenzüge von den Franzoſen
beſchlag=
nahmt. Ueber die Freigabe ſchweben zurzeit zwiſchen den Engländern
und Franzoſen Verhandlungen.
Im Zellengefängnis Moabit iſt am Samstag ſpät abends eine
Re=
volte ausgebrochen. Ein ſtarkes Aufgebot der Schutzpolizei mußte
ein=
greifen.
Wie aus Brüſſel gemeldet wird, hat van Oeurerlert ſein Amt als
Präſident der flämiſchen Kammergruppe niedergelegt. Man glaubt, daß
dieſer Zwiſchenfall mit militäriſchen und flämiſchen Fragen
zuſammen=
hängt, van Deurerlert war einer der gründlichſten Anhänger der
flä=
miſchen Sache.
Die in Italien aufgelegte Quote der öſterreichiſchen
Völkerbunds=
anleihe von 200 Millionen Lire iſt ungefähr ſechsmal überzeichnet worden.
Nach einer Havasmeldung aus Angora ſind die türkiſch=
polni=
ſchen Verhandlungen über einen Freundſchaftsvertag in Lauſanne
er=
folgreich abgeſchloſſen worden.
Wie Reuter aus Mexiko erfährt, wurde der bekannte
Rebeſſen=
führer Villa mit ſeinem Sekretär und drei anderen Begleitern
er=
ſchoſſen. Präſident Obregon ordnete an, Villa bei ſeinem
Be=
gräbnis militäriſche Ehren zu erweiſen.
Von
Profeſſor Dr. Melchior Palägyi.
Während die Tſchechoſlowakei, ja ſogar auch Jugoſlawien,
wenigſtens den Schein zu wahren ſuchen, daß ſie über die
weni=
gen Rechte der Minderheiten, die ihnen in den Verträgen mit den
Großmächten zugeſichert ſind, nicht ganz hinwegſehen möchten,
geht Rumänien ſo weit, ſeine nationalen Minderheiten einfach
als nichtſeiend zu betrachten. Rumänien ſteht derzeit bekanntlich
unter der Regierung der liberalen Partei des Herrn
Bra=
tianu, der wie es ſcheint, ſich ernſte Mühe gibt, den Begriff des
Liberalismus — falls dies noch notwendig ſein ſollte —
end=
gültig zu diskreditieren. Er hat Rumänien mit einer neuen
Ver=
faſſung beſchenkt, die nicht nur ihrer Entſtehungsweiſe, ſondern
auch ihrem ganzen Inhalte nach eine ſolche Parodie des
Libera=
lismus darſtellt und ſo Vollendetes auf dem Gebiete
byzantini=
ſcher Zweideutigkeit leiſtet, daß ſie ſchon aus dieſem Grunde
all=
gemeine europäiſche Beachtung verdienen würde. Wir wollen
nicht dabei verweilen, durch welche außergewöhnliche
Wahlmiß=
bräuche jenes Parlament zu Stande kam, das Rumänien dieſe
neue Verfaſſung beſcherte, denn es genügt uns vollauf, das mit
Mißachtung aller geſetzlichen Formen der Beratung
durchge=
peitſchtt liberale Verfaſſungswerk ſeinem charakteriſtiſchen Inhalt
nach zu betrachten. Da gibt es keinen einzigen bedeutenden
Ar=
tikel, der nicht je ein Freiheitsrecht, den es zu ſichern ſcheint,
hin=
terher durch geeignete Zutaten zurückzunehmen oder illuſoriſch
zu machen verſtände. Die Preßfreiheit wird durch
Strafbeſtimm=
ungen für ihre Mißbräuche, das Vereinsrecht durch den
Hinter=
gedanken einer geſetzlichen Beſtimmung der „juriſtiſchen Perſon”,
das allgemeine Wahlrecht durch unerhörte Anwendung des
Er=
nennungsrechts mit völliger Willkür eingeſchränkt oder
aufge=
hoben. Und was die Hauptſache iſt: die nationalen Minderheiten
werden durch dieſes liberale Verfaſſungswerk ſchon ihrem
Be=
griffe nach in einfachſter Weiſe aus der Welt geſchafft. Es werden
„Rumänen” von ſogen. „Fremden” unterſchieden (Romanii
und Strainii), wobei unter den „Fremden” eben die rumäiſchen
Statsbürger irgend einer nationalen Minderheit, aber eben ſo
ſehr auch die Bürger fremder Staaten verſtanden werden können,
ſo daß die Minderheiten durch ein bloßes Wortſpiel heimatlos
gemacht, entrechtet und um ihren Beſitz gebracht werden können,
wozu beſonders die ſogenante Agrarreform die bequemſte
Hand=
habe liefert. Kurz dieſe Verfaſſung iſt dazu erſonnen, die
Be=
griffe des Liberalismus und der Korruption zu identifizieren
und als Schule für die ſyſtematiſche Verwahrloſung des ganzen
öffentlichen Lebens zu dienen.
Wir ſind weit davon entfernt, die Verfolgung der
Minder=
heiten in Rumänien einſeitig aus den rumäniſchen
Volksinſtink=
ten erklären zu wollen, vielmehr ſind wir der Ueberzeugung,
daß für dieſe Barbarei in erſter Reihe die Großmächte der
En=
tente verantwortlich ſind. Sie haben die Nachfolgeſtaaten ohne
die geringſte Rückſicht auf organiſatoriſche Volkskräfte, ſowie auf
geographiſche und wirtſchaftliche Einheit aus einer Ueberfülle
von Minderheiten mechaniſch zuſammengeflickt, wobei ſie ſich
teils durch den dunklen Belohnungsgedanken der kleinen, ihnen
im Weltkriege dienenden Völker, teils auch durch die Abſicht, ſie
als Vaſallenſtaaten zu behalten, leiten ließen. Während nun
die Tſchechoſlowakei und Jugoſlawien tatſächlich in wachſende
Abhängigkeit von Frankreich gerieten, nimmt Rumänien eine
Sonderſtellung unter den Nachfolgeſtaaten ein, ſchon aus dem
Grunde, weil es ſich nicht als ſlawiſches, ſondern als „
romani=
ſches” Volk fühlt: mit wieviel Recht oder Unrecht, kommt hier
nicht weiter in Betracht. Zufolge dieſer romaniſchen Einſtellung
und ſeiner Verbindung mit Italien, fühlt es ſich viel freier den
Großmächten gegenüber, ſetzt ſich alſo über ihre ohnehin
ſchwäch=
lichen Forderungen hinſichtlich der Minderheitsrechte vollſtändig
hinweg und wagt es, die nationalen Minderheiten in der neuen
Verfaſſung einfach totzuſchweigen oder richtiger heimatlos zu
machen. So wird es denn verſtändlich, daß Rumänien zum
typi=
ſchen Lande der neuartigen und hoffnungsloſen
Minderheits=
fragen geworden iſt, die die Weisheit der Großmächte in die
Welt geſetzt hat. Wer alſo das Minoritätenproblem der
Nach=
kriegszeit in ſeiner konzentrierteſten Form ſtudieren will, kann
zunächſt alle übrigen Nachfolgeſtaaten beiſeite, ſchieben und ſich
auf den Muſterſtaat Rumänien, ja auch nur auf einen Teil
des=
ſelben, auf Siebenbürgen, einſchränken, denn hier findet
er alles beiſammen, was zur Vernichtung der nationalen
Minder=
heiten erſonnen werden kann.
Siebenbürgen (mit den angrenzenden Bezirken) iſt ein ganz
eigenartiges, ſehr fruchtbares und an Naturſchätzen reiches
Ge=
birgsland, das in der Geſchichte Ungarns eine ausgezeichnete und
ziemlich ſelbſtändige Rolle ſpielte, und beſonders während der
Türkenzeit, d. h. während des 16. und 17. Jahrhunderts,
gerade=
zu als der letzte Hort des allſeitig bedrängten und halb
ausge=
rotteten Magyarentums gelten konnte. Heute gehört es zu
Groß=
rumänien und es kommen in demſelben außer einer rumäniſchen
Mehrheit, zwei große Minderheiten in Betracht, namentlich die
deutſche Minderheit, mit den Siebenbürger Sachſen als
Hauptvertretern und die magyariſche Minderheit, die vorzüglich
durch das Széklervolk vertreten iſt. Bekantlich wurden die
„Sachſen” ſchon im 12. und 13. Jahrhundert in Siebenbürgen
koloniſiert und erhielten von dem ungariſchen Arpadenkönig
Andreas II. jenen wichtigen Freibrief, der ihre ſtaatsrechtliche
Stellung für mehrere Jahrhunderte regelte. Sie bildeten eine
eigene Station (Univerſitas Saxonum) mit weitreichender
Selbſt=
verwaltung, eigener Kirchenverfaſſung und hochentwickeltem
Schulweſen und zeichneten ſich durch außergewöhnliche
wirtſchaft=
liche Tugenden, Gewerbefleiß (Goldſchmiedekunſt, Erzauß und
Holzſchnitzerei), ſowie durch ausgeprägten Kunſtſinn aus. Was
nun dieſes alte Kulturvolk unter der neuen rumäniſchen
Herr=
ſchaft zu leiden hat, darüber möge ganz ſachlich ein rumäiſches
Blatt, der „Adeverul” vom 6. Juli Bericht erſtatten: „Es iſt
eine allbekannte Tatſache, daß unter den ſiebenbürgiſchen
Minder=
heiten gerade das ſächſiſche Element es war, das gegenüber dem
rumäniſchen Staat den ehrlichſten Beweis ſeiner Achtung vor
den Geſetzen lieferte. Jedoch, nachdem die liberale Regierung
mit unmöglichen Geſetzen und aſiatiſcher Verwaltung ſämtliche
Poincarés neueſte Sonntagsrede. — Aufpeitſchung der nationalen Leidenſchaften. —
Rede=
feldzug gegen Llond George. — Aufforderung an England, ſich an der Ruhraktion zu beteiligen.
Paris, 22. Juli. (Wolff.) Herr Poincaré hat heute
nach=
mittag bei der Enthüllung eines Kriegerdenkmals in Villers=
Cotterets eine Rede gehalten, in der er ſich wieder mit dem
Reparationsproblem beſchäftigte. Nach einer eingehenden
Schil=
derung der Kriegsereigniſſe des Jahres 1918, in deren
Mittel=
punkt die Gemeinde Villers=Cotterets ſtand, ging Poincaré dazu
über, von der eingehenden Zerſtörungsmethode des deutſchen
Heeres zu ſprechen und ſprach von dem Programm
wirt=
ſchaftlicher Sabotage, das der deutſche
General=
ſtab habe aufſtellen laſſen und von dem die franzöſiſche
Regie=
rung authentiſche Exemplare beſitze. Alles habe vernichtet
wer=
den ſollen, während in Deutſchland nicht ein Schornſtein
ver=
nichtet worden ſei.
Jetzt weigere ſich das Deutſche Reich, ſeine
Ver=
pflichtungen zu erfüllen und den angerichteten
Scha=
den zu reparieren. Dieſen Augenblick habe der ehemalige
Premierminiſter einer alliierten Nation
ausge=
ſucht, um zwiſchen Deutſchland und Frankreich Verwirrung
anzurichten und zu erklären, die verwüſteten Gebiete Frankreichs
ſeien wieder aufgerichtet und man habe nicht das Recht, ſich
über die Ausgaben der deutſchen Regierung zu beſchweren. Was
will Lloyd George damit ſagen? Wenn Deutſchland ſeine
Han=
delsflotte wieder aufrichtet, neue Kanäle baut und das
Eiſen=
bahnnetz entwickelt, handelt es ſich da nicht um Verbeſſerungen?
Geſchieht dies nicht zum Schaden der Forderungen
der Alliierten? Dies alles könne für Lloyd George
amü=
ſant ſein, für Frankreich ſei es traurig und unerträglich, wenn
man ihm vorwerfe, ſeine Induſtriegebiete nicht nach dem alten
Syſtem aufgebaut zu haben. Solle man da nicht zu ſeinem
Ruin auch noch das Verbot der Ausnützung des Fortſchrittes
hinzufügen? Gerade dieſe Paralyſe habe Deutſchland im Auge
gehabt, als es ſeine Vernichtungspläne aufſtellte.
Poincaré zitierte darauf einige Stellen aus der von ihm
angeführten deutſchen Broſchüre über die Vernichtung der
fran=
zöſiſchen Induſtrie und fragte, ob man dieſe intereſſante Tatſache
vergeſſen könne. Lloyd George habe dieſe Schrift im Verlaufe
des Jahres 1919, als man den Friedensvertrag ausarbeitete, in
Händen gehabt. Die Engländer würden gut daran tun, wenn
ſie ihr Augenmerk auf andere, näherliegende Dinge richteten.
Warum ſeien ſie denn nicht mit Frankreich in das Ruhrgebiet
eingedrungen? Sie würden dann viel beſſer und klarer die
Ge=
fahr der Zukunft erkennen. Sie müßten ſie in der
ungeheuer=
lichen Organiſation der deutſchen Induſtrie finden. Das
müß=
ten ſie erwägen. Es ſei nicht nur die ungeheuere horizontale
Organiſation, die die Unternehmer gleicher Produktionszweige
gründeten, es ſeien auch die ungeheueren Konventionen, die
nicht nur die Produzenten ein und desſelben Artikels, ſondern
von oben bis unten die Form der Produktion von
Rohmateria=
lien bis zu den Fertigfabrikaten einander näherbrächten. Sie
ſeien ungeheuere Kräfte, geſtärkt durch die Einheit der Leitung.
Die Bergwerke, Stahlwerke, Gießereien und alle
Produktions=
mittel würden ſo zuſammengefaßt, und dadurch hätten die
Kon=
zerne das Nationalvermögen in ihren Händen. Jeden Tag
ſetzten ſie ſich in den Beſitz von neuen Unternehmungen. Sie ſeien
die Herren der dentſchen Preſſe und der
deut=
ſchen Regierung, ſie machten die deutſche Republik einer
neuen Kaſte untertan, die ebenſo hochmütig ſei wie die der
Junker und die ſich ebenſo heftig gegen die Freiheit des
Vol=
kes wende.
Dies ſei ein Syſtem wirtſchaftlicher und
ſozia=
ler Uinterdrückung, das ſich als natürlicher Verbündeter
der militäriſchen Reaktion im Herzen Europas feſtſetze. Gebe
es etwas, was dem demokratiſchen Gedanken mehr zuwiderlaufe,
als deren Hüter ſich die beiden großen weſtlichen Demokratien
bezeichnet hätten? Wenn man jetzt die Unklugheit beſäße, in
einen feſten Rahmen die Zahlungsfriſten des Deutſchen Reiches
einzuſchließen, dann würde es ſich raſch den Maßnahmen der
Alliierten fügen und unter dem Einfluß der außerordentlichen
Entwicklung der Induſtriekräfte ſich bald emporarbeiten.
Deutſch=
land werde dadurch den wirtſchaftlichen Vorxang erobern und
zu gleicher Zeit in der Welt einen Skandal
rückſtändig=
ſter und unmoraliſchſter Beherrſchung erregen. Um
dieſe Gefahr zu beſchränken, müßten ſich England, Frankreich,
Belsier und Italien enger vereinigen. Sie wüßten es verſtehen,
hinter der Camouflage die Wahrheit aufzuſtöbern. Genügt es
nicht, um die Alliierten aufzuklären, daß ſie das Ruhrgebiet
be=
ſuchten und eine Reiſe nach dem Ruhrgebiet unternähmen?
Wenn ſie es geſehen hätten, wären ſie aufgeklärt. Wünſchen
wir, ſo ſchloß Poincaré, daß keiner unſerer Freunde eine kurze
Enquete unterläßt, die alle Menſchen mit geſundem Verſtand
durchführen können. Hoffen wir, daß man unter dem Vorwand,
einen unglücklichen Schuldner zu ſchonen, nicht den Betrug und
die Ungerechtigkeit ermutigt, daß man nicht die ruhmreichen
Er=
rungenſchaften des Krieges vergißt, daß man eine verwüſtete
Gegend nicht vernachläſſigt und für die Zukunft den Triumph
einer fremden Plutokratie vorbereitet. Wünſchen wir, daß es
ſpäter niemand zu bereuen habe, die Warnungen Frankreichs
überhört zu haben.
Paris hüllt ſich in Schweigen.
Paris, 22. Juli. (Wolff.) Havas teilt offiziell mit: Im
Miniſterium des Auswärtigen wahrt man ſtrengſtes
Stillſchwei=
gen über die engliſchen Dokumente, die geſtern mittag in Paris
eingetroffen ſind. Man geht ſo weit, daß man erklärt, die
Ver=
handlungen zwiſchen Paris und London würden unterbrochen
werden, wenn es zu Indiskretionen käme. Dementſprechend
hüte man ſich im Quai d’Orſay, irgendwie zu kommentieren oder
einen Eindruck irgendwelcher Art mitzuteilen.
Poincaré hatte geſtern nachmittag eine ziemlich lange
Unter=
redung mit dem engliſchen Geſchäftsträger, der den beurlaubten
Botſchafter vertritt. Nach dem politiſchen Redakteur der Havas=
Agentur iſt auch anzunehmen, daß Poincaré ſchon geſtern abend
ſeine Anſicht über die engliſchen Dokumente nach Belgien
mitge=
teilt hat, mit dem der Meinungsaustauſch auf diplomatiſchem
Wege zwecks Formulierung einer gemeinſamen Antwort
fort=
geſetzt werden ſolle. Das „Petit Journal” nimmt an, daß in
Brüſſel kein mündlicher Meinungsaustauſch, ſondern ein
ſol=
cher mit Hilfe ſchriftlicher Noten gewünſcht wird.
Der Matin befürchtet, daß Frankreich und Belgien
ge=
zwungen ſein könnten, Deutſchland in der Frage des paſſiven
Widerſtandes eine beſondere Antwort zu erteilen, was das
Ge=
genteil der von England ausgeſprochenen Hoffnung auf
Wieder=
herſtellung einer alliierten Einheitsfront wäre. Dieſen
Ge=
dankengängen gegenüber bringt nur die Ere Nouvelle
Ver=
ſtändnis für die engliſchen Bemühungen auf, die allgemeine
Frage der Reparationsprobleme gegenüber der Ruhrfrage im
engeren Sinne in den Vordergrund zu ſtellen.
Frankreichs Furcht vor der Oeffentlichkeit.
Poincaré droht mit Abbruch der
Verhand=
lungen, wenn Indiskretionen begangenwerden
ſollten.
TU. Paris, 23. Juli. Das vom Quai d’Orſay
aufgege=
bene Schweigeverbot, das engliſche Dokument betreffend, iſt bis
jetzt von der Pariſer Preſſe getreu befolgt worden. In
maß=
gebenden Pariſer Kreiſen wird in einer verblümten Mahnung
an England Gewicht auf die Feſtſtellung gelegt, daß man auf
franzöſiſcher Seite keine Indiskretionen vertragen könne. In
der Tat ſoll Poincaré gedroht haben, daß Indiskretionen das
Ende der Verhandlungen zur Folge haben würden.
Das engliſche Dokument in Amerika.
* London, 22. Juli. (Priv.=Tel.) Einer Meldung der
Morning Poſt aus Waſhington zufolge weigert ſich das
ame=
rikaniſche Staatsdepartement mit Rückſicht auf das
engliſche Erſuchen, über die engliſche Note eine Mitteilung zu
machen. Es beſchränkt ſich darauf, den Empfang der
Schrift=
ſtücke durch den amerikaniſchen Botſchafer in London zu
beſtäti=
gen. Das Staatsdepartement teilt außerdem mit, daß eine
In=
haltsangebe der Note an den Präſidenten, der ſich zurzeit in
Alaska aufhalte, gekabelt wurde. Der volle Wortlaut der Note
werde ihm bei ſeiner Ankunft zugeſtellt. Was die zukünftige
Haltung Amerikas anlange, ſo könne man, ſich nur in
Vermutungen ergehen. Wenn die Berichte verſchiedener
Blätter über den engliſchen Vorſchlag betreffend die
Einbe=
rufung internationaler Sachverſtändiger ſich
be=
wahrheiten, ſo dürfte dieſer Vorſchlag von Amerika günſtig
auf=
genommen werden, wenn er einem Hinweis, den Staatsſekretär
Hughes gemacht habe, entſpreche.
Unſere heutigeN
den Sport des Sonutags
Seite 2.
ſiebenbürgiſchen Elemente (alſo auch die
ſiebenbürgi=
ſchen Rumänen!) gegen ſich herausforderte, bringt nun Miniſter
Dr. Anghelescu, der bekannte Fremdenfreſſer, den Becher zum
Ueberlaufen, indem er verordnet, daß vom 1. September ab alle
ſächſiſchen Schulen die rumäniſche Unterrichtsſprache einzuführen
haben und die deutſchen Profeſſoren in dieſer Sprache
unter=
richten müſſen. Dieſer chauviniſtiſche Miniſter glaubt nicht
dar=
auf achten zu müſſen, daß die betreffenden Profeſſoren der
rumä=
niſchen Sprache nicht ſo weit mächtig ſind, und auch darauf nicht,
daß die Sachſen im Sinne des Karlsburger Abkommens das
Recht haben, in ihren eigenen Schulen ihre Mutterſprache zu
gebrauchen.‟ Der bekannte rumäniſche Patriot
Univerſitäts=
profeſſor Jorga gibt in der Hermanſtädter Deutſchen
Tages=
poſt eine bedeutſame Erklärung ab, die eine vollſtändige
Beſtä=
tigung der oben zitierten Auffaſſungen und die folgende
charakte=
riſtiſche Bemerkung enthält: „Die allerdümmſte Verordnung iſt
aber diejenige, welche die Schulen den Deutſchen entreißt, um
in dieſelben die rumäniſche Unterrichtsſprache einzuführen, denn
ſo wird man die Sachſen ſicherlich in die Arme der Magyaren
zurücktreiben."
Daß es den magyariſchen Minderheiten, insbeſondere den
Szeklern, womöglich noch ſchlimmer ergeht, braucht kaum noch
beſonders erwähnt zu werden: Sie unterliegen denſelben „
un=
möglichen Geſetzen” derſelben „aſiatiſchen Verwaltung” und
noch ſtrengeren Schulverordnungen, auch wird ihr Bodenbeſitz
durch die ſogenannte Agrarreform noch rückſichtsloſer enteignet.
Wir bemerken nur ergänzend über die Szekler, daß ſie ein
ſelb=
ſtändiger maghariſcher Stamm ſind, der ſich direkt von den
Hun=
nen ableitet und in der Geſchichte Ungarns von jeher wegen
ſei=
ner militäriſchen Eigenſchaften die Rolle eines „Grenzwächters”,
ſpielte, übrigens aber durch eigene Kultur und eigenes
Schul=
weſen hervorragt. So waren z. B. die beiden Bölyai, Wolfgang
und Johann (Vater und Sohn), Szekler und weltberühmte
Mathematiker, der jüngere Bölyai iſt überdies als Begründer
der nichtenklidiſchen Geometrie bekannt. Die Herren Clemenceau,
Lloyd George und Wilſon, die über das Schickſal
Sieben=
bürgens entſchieden, hatten ſicherlich keine Ahnung von der
Kul=
tur der Siebenbürger Sachſen und Szekler und durften mit
größter Seelenruhe ſolche Volksſtämme heimatlos machen und
ſie dem edlen „Liberalismus” eines Bratianu ausliefern.
Zum Schluß ſei hervorgehoben, daß gerade die in
Sieben=
bürgen zuſtändige rumäniſche Mehrheit über die gekennzeichneten
Minderheitszuſtände in tiefſter Seele entrüſtet iſt. Die Führer
der Siebenbürger Rumänen, Maniu und von Vaida, die
ehe=
dem dem ungariſchen Parlament angehörten, waren damals
rumäniſche Irredentiſten, die für eine Losreißung von Ungarn
und für den Anſchluß an Altrumänien ſchwärmten. Immerhin
haben ſie in der Siebenbürger rumäniſchen
Natio=
nalverſammlung in Karlssburg vom 1. Dezember 1918,
die die Vereinigung mit dem Königreich Altrumänien ausſprach,
jeder Minorität das Recht zuerkannt, in eigener Sprache durch
eigene Söhne unterrichtet, gerichtet und verwaltet zu werden,
Wahrlich, dieſe trefflichen rumäniſchen Patrioten dürfen
nun=
mehr aufrichtig beklagt werden, denn ſo ſehr ſie ſich dagegen
ſträu=
ben, müſſen ſie doch Schritt für Schritt erkennen, daß ſie
abendländiſch orientierte Rumänen ſind, die eine
weſentlich andere Auffaſſung von nationaler Kultur, nationaler
Regierung und Verwaltung haben, ja überhaupt einer anderen
Weltanſchauung huldigen, als ihre orientaliſch und balkaniſch
geſinnten Brüder in Altrumänien. Dadurch bewahrheitet ſich
die Theſe, die wir in vorausgehenden Artikeln verfochten, wonach
der Weltkrieg eine ganz neue Art von Minoritätsfragen
ge=
ſchaffen hat. In den Nachfolgeſtaaten ſpielen nicht die fremden
Minderheiten, ſondern die der herrſchenden Raſſe verwandte
Minderheit die Hauptrolle. Die Slowaken ſind die
eigent=
lichen Gegner der Tſchechen, die Kroaten, Slowenen und
Bos=
nier die eigentlichen Gegner der Serben. Und wie verhält es
ſich in Rumänien? Hier findet ein höchſt ſeltener und lehrreicher
Prozeß ſtatt. Hier ſpaltet ſich das rumäniſche Volk faſt mit
inne=
rer Notwendigkeit in zwei gegenſätzliche, wenn auch verwandte
Nationen. Rumänien will die fremden Minoritäten vernichten
und zertrümmert die eigene Raſſe. Man ſieht in Siebenbürgen
förmlich ein neuartiges abendländiſches Rumänenvolk erſtehen,
im vollen Gegenſatz zum byzantiniſchen Altrumänien. Hat die
Weisheit der Großmächte dieſen Erfolg ihrer genialen
Friedens=
verträge auch nur geahnt?
Günſtige Aufnahme der Note in Belgien.
* Paris 23. Juli. (Priv.=Tel.) Der Brüſſeler
Sonder=
berichterſtater des Intranſigeant hatte mit dem belgiſchen
Mini=
ſter des Aeußern Jaſpar eine kurze Unterredung, der ſich
je=
doch geweigert hat, irgendwelche Angaben über die engliſche Note
zu machen. In maßgebenden politiſchen Kreiſen wurden dem
Korreſpondenten jedoch folgende Informationen gegeben, die er
ſeinem Blatte drahtete: Die engliſche Note, die geſtern und
vorgeſtern vom balgiſchen Kabinett geprüft worden ſei, habe im
erſten Augenblick keinen ſchlechten Eindruck gemacht. Die Note
laſſe einen Weg zu Verhandlungen offen. Der Ton ſei günſtiger,
als man im allgemeinen angenommen habe. Gewiß ſeien
ver=
ſchiedene ſchwierige Punkte da, aber man dürſe nicht vergeſſen,
ſchreibt der Korreſpondent, daß der Text der Note nicht
unab=
änderlich ſei. Der Begleitbrief fordere dazu auf, den Text der
Note durch Vorſchläge Frankreichs un Belgiens abzuändern.
Dieſer Aufforderung werde man ſicherlich nachkommen. Die
wei=
teren Verhandlungen dürften zunächſt auf diplomatiſchem Wege,
ſpäter aber direkt ſtattfinden. Für den 23. Juli iſt ein belgiſcher
Miniſterrat einberufen, auf dem Theunis und Joſpar Bericht
er=
ſtatten werden. Eine direkte franzöſiſch=belgiſche Ausſprache
würde in der kommenden Woche noch nicht ſtattfinden. Zunächſt
würden auf dem üblichen Wege durch die Botſchafter
Beſprechun=
gen mit den Regierungen erfolgen. Es ſei große Ausſicht
vor=
handen, daß man ſchließlich zu einer Einigung gelangen könne.
Jedenfalls ſei nichts in dem engliſchen Vorſchlag vorhanden,
das im Gegenſatz zum Verſailler Vertrage ſtände. Die belgiſche
Lohalität müſſe Paris die Möglichkeit geben, auf die Hilfe der
Brüſſeler Regierung zu rechnen, um einen weiteren Druck
auf Deutſchland auszuüben.
Kabinettsrat in Brüſſel.
* Paris 23. Juli. (Priv.=Tel.) Die belgiſch=franzöſiſche
Fühlungnahme wird noch nicht dieſe Woche erfolgen, da die
bel=
giſchen Miniſter infolge der Kammerverhandlungen über die
flamiſche Frage in Anſpruch genommen ſind. Immerhin wird
ein erſter Meinungsaustauſch auf ſchriftlichem Wege erfolgen.
Morgen wird in Brüſſel ein Kabinettsrat zuſammentreten, der
ſich mit dem engliſchen Dokument beſchäftigen wird.
Abrüſtungsbeſprechungen.
London, 22. Juli. (Wolff.) Reuter meldet, daß der
Sonderausſchuß der zeitlichen gemiſchten Kommiſſion des
Völ=
kerbundes für die Verminderung der Rüſtungen dieſe
Woche unter dem Vorſitz Lord Robert Cecils tagte. Der
Ausſchuß ſtellte den Text fertig, der der Kommiſſion bei ihrer
Zuſammenkunft in Paris Ende des Monats vorgelegt, und, falls
er gebilligt wird, dem Völkerbundsrat und der
Völkerbundsver=
ſammlung unterbreitet werden ſoll. Der Sonderausſchuß prüfte
auch den neuen Vorſchlag Robert Cecils betreffend die
Errich=
tung von entmilitariſierten Zonen auf beiden
Seiten der nationalen Grenze. Zu den Mitgliedern dieſes
Son=
derausſchuſſes gehören u. a. der franzöſiſche Arbeiterführer
Jou=
haux, der italieniſche Botſchafter in Paris und General Sarrail.
Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Juli 1923.
Die britiſche Politik.
London, 22. Juli. (Wolff.) Der diplomatiſche
Bericht=
erſtatter des Daily Telegraph behauptet über den
Antwort=
entwurf an Deutſchland und die Mantelnote folgende
Angaben machen zu können:
Der Antwortentwurf enthalte eine grundſätzliche
Zuſtim=
mung der Forderung der deutſchen Regierung betreffs
Feſt=
ſtellung der deutſchen Zahlungsfähigkeit durch
einen internationalen Sachverſtändigenausſchuß, vermeide es
aber ſorgfältig, bezüglich der ſchließlichen Zuſammenſetzung
die=
ſer Körperſchaft ſich feſtzulegen. Er ſchlage vor, die drei Arten
der von Deutſchland angebotenen Garantien in Erwägung
zu ziehen, ohne ſich jedoch über die Frage ihrer Voſtſtändigkeit
oder Unzulänglichkeit auszuſprechen. Hinſichtlich der dritten
Forderung Deutſchlands, mit den Alliierten auf einer Konferenz
zu mündlichen Verhandlungen auf der Grundlage der
Gleichberechtigung zuſammenzutreffen, ſei der Entwurf vielleicht
etwas weniger präzis, jedoch nicht ungünſtig. Die Note enthalte
keine Verurteilung des paſſiven Widerſtandes.
Der Entwurf der Antwort enthalte anſcheinend eine Anſpielung
auf die Ruhr und den paſſiven Widerſtand, aber wenig mehr.
Das bedeute nicht, daß in England nicht der Wunſch nach einer
baldigen Einſtellung des paſſiven Widerſtandes weit verbreitet
ſei. Sollte dies eintreten, ſo müßte Deutſchland in der Lage
ſein, ſich auf Zuſicherung gerechter Behandlung
durch die Allierten verlaſſen zu können. Eine ſolche Zuſicherung
werde ſicherlich von der Mehrzahl der letzteren gegeben werden.
Außerdem ſoll in dem Entwurf ein britiſcher Vorſchlag über die
Mäßigung des franzöſiſchen Drucks im
Ruhr=
gebiet enthalten ſein. Der britiſche Standpunkt gegenüber der
Ruhrfrage werde, wie verlautet, ziemlich ausführlich dargelegt.
Die in der Parlamentserklärung in der vorigen Woche
vorge=
brachten Erwägungen politiſcher, wirtſchaftlicher, ſozialer und
moraliſcher Natur würden noch ausführlicher, überlegender und
überzeugender wiederhokt, ſowohl was die britiſchen, als auch
mehr die allgemeinen Intereſſen der Welt angehe.
Die Mantelnote wende ſich an das moraliſche
Ge=
wiſſen der Welt. Gleichzeitig ſei ſie praktiſch geſchäftsmäßig
und geſchickt und vermeide es, durch vorzeitige Erwähnung
nebenfächlicher Punkte, die unüberwindliche Hinderniſſe für eine
Einigung werden könnten, eine künſtliche Kriſe hervorzurufen,
und zwar in dem Gedanken daran, daß eine allgemeine
Verein=
barung über die weſentlichen und dauernden Faktoren
automa=
tiſch die ſekundären, aber unangenehmen
Meinungsverſchieden=
heiten beſeitigen könnte. Der praktiſche Angelpunkt der britiſchen
Theſ= ſei der Vorſchlag betreffs der Ernennung einer
Sachverſtändigenkommiſſion, die in dem vom
Ver=
ſailler Vertrag gegebenen Rahmen arbeiten könne. Dieſe
Kör=
perſchaft werde feſtzuſtellen haben, bis zu welchem Maß die
deut=
ſchen Hilfsquellen für die Reparationen herangezogen werden
ſollen, auch werde ſie die Zahlungsmethoden zu erwägen haben.
Einzelheiten, wie die Frage der interalliierten
Schul=
den würden in der Mantelnote nicht erwähnt. Dieſer
Punkt ſei Gegenſtand zur Verhandlung durch die wirtſchaftliche
Vollkonferenz. Außerdem erhebe man Einwände dagegen, daß
die Reparationsfrage mit der der alliierten Schulden an die
Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht werde. Zum
Schluß hebe die Mantelnote hervor, daß der Entwurf der
Ant=
wort an Deutſchland keinen endgültigen Text darſtelle, und daß
der Inhalt auf Grund von Beſprechungen under den Alliierten
geändert werden könne. Der Berichterſtatter ſchließt: Wenn trotz
des aufgewandten Taktes und der Verſöhnlichkeit der britiſchen
Diplomatie eine interalliierte Kriſe entſtehen ſollte, ſo werde die
Verantwortung nicht bei ihr liegen. Wenn dieſer Fall eintrete,
werde die Frage der Entwicklung einer
freimüti=
gen britiſchen Politik in den Vordergrund treten. Dieſe
Politik würde nicht nur von der britiſchen Regierung, ſondern
auch von den Regierungen der überſeeiſchen Dominions und
In=
diens, die ja den Friedensvertrag mitunterzeichneten, erwogen
werden. Ein Anfang hierzu wurde bei dem letzten
Meinungs=
austauſch zwiſchen London und den Regierungen der Dominions
über die enropäiſche Kriſe gemacht. Dies ſei ein Punkt, den die
Allierten nicht überſehen könnten.
Franzöſiſche Ableugnungsverſuche.
TU. London, 22. Juli. Die franzöſiſche Regierung hat
in den letzten Tagen hier die Erklärung abgegeben, daß ſie
keine Sonderbeſtrebungen im Rheinland unterſtütze und ſie in
bezug auf die Sicherſtellung der Grenze Frankreichs am Rhein
nicht über die Forderung hiausgehen werde, daß das
Rhein=
land ein Bundesſtaat mit den autonomen Rechten
wie Sachſen und Bayern innerhalb Deutſchlands werde.
Von den internationalen Handelskammern.
Das deutſche Eigentum im Auslande.
Paris, 21. Juli. (Wolff.) Hier hat geſtern der Ausſchuß
der internationalen Handelskammern unter deren neuem
Vor=
ſitzenden, dem Amerikaner Booth, ſeine Arbeiten aufgenommen.
Er nahm eine Reſolution an, die den Zweck hat, dem Ausſchuß
das ſtatiſtiſche Material aus ſämtlichen Ländern zu verſchaffen,
die Geſchäftsbeziehungen zu Deutſchland unterhalten. Das
Ma=
terial ſoll Angaben enthalten über den Umfang des Geſchäfts der
einzelnen Länder mit Deutſchland und möglichſt genaue Ziffern
über deutſchen Beſitz und Kredit in den verſchiedenen Ländern.
Tſchechiſch=franzöſiſcher Konfliktsſtoff.
TU. Prag, 22. Juli. Die Regiſtrierung der zur Zeit des
Weltkrieges von den Deutſchen aus Frankreich weggeſchafften
Textilmaſchinen, die von tſchechiſchen Firmen dann aus
deutſcher Hand angekauft und bezahlt wurden, iſt jetzt in Prag
beendet worden. Die franzöſiſche Regierung beſteht auf der
Herausgabe dieſer Maſchinen ohne Entſchädigung, während die
tſchechiſchen Spinnereien die Rückzahlung der von ihnen
bezahl=
ten Beträge verlangen. Die franzöſiſche Induſtrie fordert
des=
wegen zum Boykott der tſchechiſchen Garn= und
Textilinduſtriel=
len auf.
Ein Erfolg Muſſolinis.
Die Wahlreform angenommen.
Rom, 22. Juli. (Wolff.) Die Kammer beendete geſtern
die Erörterung des Geſetzentwurfes über die Wahlreform. Der
Text der Regierungsvorlage wurde bis auf unweſentliche
Ab=
änderungen in geheimer Abſtimmung mit 223 gegen 123
Stim=
men angenommen. Dieſes Ergebnis wurde vom Hauſe
leb=
haft begrüßt. Muſſolini erklärte die Kammer für bis auf
wei=
teres vertagt. Nach Schluß der Sitzung erfolgten begeiſterte
Kundegbungen für Italien, den König und Muſſolini.
Der Streik der Lodzer Textilarbeiter beendet
Warſchau, 21. Juli. (Wolff.) Polniſche
Telegraphen=
agentur: Nach längeren Beratungen zwiſchen Vertretern der
Arbeiter und der Fabrikanten, denen Arbeitsminiſter Darowski
präſidierte, wurde der Streik der Lodzer Textilarbeiter
beige=
legt. Nach der getroffenen Vereinbarung iſt eine ſofortige 67 Erhöhung der Löhne vorgeſehen; außerdem ſoll die
Höhe der Löhne alle zwei Wochen entſprechend der Teuerung
nach den Angaben der ſtatiſtiſchen Kommiſſion geregelt werden.
Der Vertrag iſt für Arbeitgeber und Arbeiter bis zum 1. Januar
1924 bindend.
Geſchäft und Verantwortung.
Von
Dr. Walter Croll, Berlin.
In dieſen Wochen bemühen ſich alle in Betracht kommenden
amtlichen und privaten deutſchen Stellen, ein Eingreifen der
Weltmächte in die mitteleuropäiſche Kriſis herbeizuführen.
Da=
bei ſollte es ſelbſtverſtändlich ſein, daß alle Aeußerungen
unter=
bleiben, welche die Erreichung dieſes Zieles ſtören könnten. Aus
einem Artikel der angeſehenen amerikaniſchen Handelszeitung
„Journal of Commerce” vom 21. Juni d. J. geht hervor, daß
im Ausland weilende deutſche Geſchäftsleute nicht immer
gewiſ=
ſenhaft genug wägen, was ſie den ſie ausfragenden Reportern
mitteilen. Unter der Ueberſchrift: „Deutſche hier, um
Induſtrie=
werke zu gründen” wird in fettgedruckter Schrift geſagt: „
Deut=
ſche Bankiers erklären, daß Deutſchland in Stücke gehen wird
als Folge der Beſetzung.” Aus dem Text geht hervor, daß es
ſich um drei angeſehene deutſche Bankiers handelt, die nach
Amerika gekommen ſind, um dort Filialen chemiſcher Fabriken,
beſonders für kosmetiſche Mittel, ins Leben zu rufen. Die
Aeußerungen, welche das „Journal of Commerce” in dem
ge=
nannten Artikel widergibt, ſchließen mit den peſſimiſtiſchen
Worten:„Es gibt keine Möglichkeit, Deutſchland jetzt zu retten.”
Der Leſer des Artikels erhält den Eindruck, daß die deutſchen
Bankiers die Gründungen in Amerika vornehmen, da
Deutſch=
land rettungslos verloren ſei.
Es wir ſchwer ſein, nachzuprüfen, ob der Korreſpondent des
„Journal of Commerce” die Aeußerungen der deutſchen
Ban=
kiers richtig wiedergegeben hat. Das eine ſteht aber unter allen
Umſtänden feſt: Angeſehene deutſche Finanzleute tragen
min=
deſtens durch Fahrläſſigkeit einen Teil der Schuld daran, wenn
in amerikaniſchen Finanz= und Wirtſchaftskreiſen Deutſchland
als hoffnungslos verloren angeſehen werden ſollte. Wenn ein
deutſcher Geſchäftsmann ſich im Auslande betätigen und damit
einen Teil des verlorenen deutſchen Einfluſſes wiedergewinnen
will, ſo muß er ſich doch ſtets bewußt bleiben, daß er nicht nur
als Geldverdiener, ſondern auch als Vertreter eines politiſch
aufs ſchwerſte bedrohten Volkes ſpricht und auch ſo bewertet
wird. Die Feſtſtellung, daß unſere Lage „ſchwarz” iſt, wie
gleichfalls in dem zitierten Zeitungsartikel geſagt wird, kann nur
dann das Ausland veranlaſſen, uns politiſch, wirtſchaftlich und
finanziell Hilfe zu gewähren, wenn die reiſenden deutſchen
Ver=
treter bei jeder ſich bietenden Gelegenheit der Zuverſicht
Aus=
druck geben, daß wir die Kriſe ſchließlich doch überſtehen werden,
und daß unſer Volk alles aufbieten wird, um einer Intervention
des Auslandes Erfolg zu verſchaffen. Aeußerungen der
Mut=
loſigkeit aus deutſchem Munde ſind in Amerika verhängnisvoller
als ſonſt im Auslande. Amerika hat im Laufe der letzten Jahre
ſichtlich an Intereſſe für Europa verloren. Die gute
wirtſchaft=
liche Konjunktur, die drüben herrſcht, veranlaßt die
maßgeben=
den politiſchen Stellen nicht, ſich eingehend mit den
Reparations=
intrigen der alden Welt zu beſchäftigen. Dies hat die
Waſhing=
touer Regierung zu der Erklärung veranlaßt, daß Amerika auch
weiterhin den Reparationsverhandlungen fern zu bleiben
ge=
denke. Dieſer Entſchluß kann nur dadurch wankend gemacht
wer=
den, daß wir nicht müde werden, den Amerikanern die
Bedeu=
tung der politiſchen Ereigniſſe in Mitteleuropa für alle
Welt=
völker zu zeigen, und daß wir uns hüten, unſerer Lage als
„geſichert” oder als „hoffnungslos” hinzuſtellen.
Barbaren!
Trier, 22. Juli. (Wolff.) Ein taubſtummes Kind,
das nach dem Verlaſſen der Kirche in eine Abteilung farbiger
franzöſiſcher Soldaten hineingeriet, wurde, weil es die
heran=
marſchierende Truppe nicht gehört hatte, von einem Spahi durch
einen Kolbenſchlag auf den Kopf getötet. Ein Paſſant,
der den die Abteilung führenden Offizier auf den Vorfall
auf=
merkſam machte, wurde ſofort verhaftet.
In Trier haben wieder Maſſenausweiſſungen
von Eiſenbahnern ſtattgefunden. Hierzu wurden
haupt=
ſächlich Spahis verwandt. Es wiederholten ſich die gewohnten
rohen Auftritte.
Zum Verbot des Katholikentags.
TU. Berlin, 21. Juli. Das Lokal=Komitee des Kölner
Katholikentages gab vor einigen Tagen eine Mitteilung des
Auswärtigen Amtes in Berlin bekannt, laut der die
Rheinland=
kommiſſion die Abhaltung des Katholikentages verbieten werde.
Zu dieſer Nachricht, die in dem geſamten katholiſchen
Deutſch=
land ſchmerzlichſte Ueberraſchung und größtes Befremden
hervor=
gerufen hat, erfahren wir von gut unterrichteter Seite, daß auf
Seiten der Interalliierten Rheinlandkommiſſion, in der
bekannt=
lich Frankreich den Ton angibt, ſeit langem bereits die Abſicht
beſtand, den Kölner Katholikentag zu verbieten. Da auch
offen=
bar die engliſche lokale Beſatzungsbehörde, keineswegs aus
Geg=
nerſchaft gegen den Katholikentag als ſolchen, ſondern aus
ver=
kehrstechniſchen Gründen, Bedenken gegen die Abhaltung hatte,
ſich aber ſcheinbar nicht an einem förmlichen Verbot beteiligen
wollte, ſcheint ſie in beſter Abſicht auf die deutſchen
Regierungs=
ſtellen eingewirkt zu haben, damit dieſe das Lokalkomitee von
dem Bedenken der engliſchen Behörde in Kenntnis ſetzten. Wenn
das Auswärtige Amt einer ſolchen engliſchen Anregung tatſächlich
entſprochen haben ſollte, ſo kann es nur in Würdigung des
eng=
liſchen Standpunktes und in Anerkennung der verkehrstechniſchen
Schwierigkeiten geſchehen ſein, die es der engliſchen Behörde in
der Tat ſchwer machten, ſich in dieſer Frage den franzöſiſchen
Ab=
ſichten, die ſelbſtverſtändlich in ganz anderen Erwägungen
be=
gründet waren, nicht entgegenzuſtellen.
Der Reichspräſident in Hamburg.
TU. Hamburg, 23. Juli. Anläßlich der Anweſenheit des
argentiniſchen Schulſchiffes „Preſidente Samiento” im
Hambur=
ger Hafen traf geſtern nachmittag Reichspräſident Ebert
in Begleitung des Admirals Behncke, des Staatsſekretärs
v. Maktzahn und des Miniſterialrats Waldhoff hier ein.
Oberbürgermeiſter Dr. Dieſterl empfing die Herren am
Bahn=
hof. Am Nachmittaa fand eine Hafenfahrt ſtatt, in deren Verlauf
der Reichspräſident dem argentiniſchen Schulſchiff einen Veſuch
abſtattete und herzliche Worde mit dem Berliner argentiniſchen
Geſandten, Exzellenz Molina, und dem Kommandanten des
argentiniſchen Schulſchiffes, Fregattenkapitän Brana
wech=
ſelte. Im Anſchluß daran beſichtigte der Reichspräſident mit den
argentiniſchen Herren die Schiffe der deutſchen Reichsmarine,
insbeſondere den Kreuzer „Berlin” Mit dem fahrplanmäßige
Zuge 6.36 Uhr kehrte der Reichspräſident nach Berlin zurück.
Der Abend vereinigte die argentiniſchen und deutſchen Offiziere
bei einem Eſſen an Bord des Kreuzers „Berlin”.
Lebensmittelunruhen in Gleiwitz.
TU. Gleiwitz, 22. Juli. Hier iſt es geſtern nachmittag
zu Lebensmittelunruhen gekommen. Die Maſſen
dran=
gen in einige Lebensmittelgeſchäfte ein und erzwangen die
Herabſetzung der Fettpreiſe. Die Erregung hält an. Zu
Aus=
ſchreitungen iſt es nirgends gekommen.
Ausſperrung in der ſchleſiſchen Holzinduſtrie.
Görlitz, 21. Juli. (Wolff.) Die Verhandlungen
zwi=
chen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern der „Holzinduſtrie
führten am Montag zu keinem Ergebnis. Nach abermaligem
Scheitern der Verhandlungen kam es zu Teilſtreiks,
die zur Ausſperrung der Arbeiter in der geſamten ſchleſiſchen
Holzinduſtrie führten.
Aber
29
Nummer 201.
Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Juli 1923.
Seite 3.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 23. Juli.
Die Sorge um die Rhein= und Ruhr=Eiſenbahner.
In den letzten Wochen iſt kaum ein Tag vergangen, an
dem=
nicht Hunderte oder gar Tauſende von Eiſenbahnern unter den
ſchroffſten und grauſamſten Formen aus dem beſetzten oder
dem Einbruchsgebiet ausgewieſen wurden; ganze Familien mit
unmündigen, hilflofen Kindern mußten innerhalb von zehn
Minuten Haus und Hof räumen, konnten kaum das
Notwen=
digſte zuſammenraffen, was ſie in beiden Händen tragen
konn=
ten, um den ſchmerzlichen Weg anzutreten, aus der Heimat in
eine dunkle, ſorgenvolle Zukunft.
Aber das Reich, das unbeſetzte Deutſchland vergißt nicht.
was es der unerſchütterlichen Pflichttreue ſeiner Eiſenbahner
ſchuldig iſt; es iſt eine ſchier unüberſehbare Aufgabe, Tauſende
von Vertriebenen bei der herrſchenden Wohnungsnot
unterzu=
bringen, innerhalb weniger Stunden oft für Dutzende von
Familien Unterkunft und Verpflegung herbei zu ſchaffen, denn
die Transporte kommen meiſt überraſchend, und es gilt, raſche
Arbeit zu leiſten.
In wenigen Wochen ward die Organiſation der
Vertrie=
benen=Fürſorge durch das Reichsverkehrsminiſterium
gründ=
lich ausgebaut, und eine Reiſe durch die Haupt=Zufluchtsgebiete
gab Gelegenheit, das Los und die Stimmung der
Vertriebe=
nen kennen zu lernen. Da iſt es beſonders der Bereich der
Reichsbahndirektion Caſſel, der, auf verſchiedenen Seiten an
das Einbruchsgebiet grenzend, den Hauptſtrom der
Vertriebe=
nen zunächſt aufnimmt. Täglich laufen hier ganze Züge ein
— man ſtellt den Vertriebenen möglichſt bequeme Wagen
zwei=
ter Klaſſe zur Verfügung —, die Eiſenbahner werden mit
Muſik empfangen, von dem Flüchtlingskommiſſar in einen
freundlich geſchmückten Speiſeſaal geleitet, wo ein kräftiger
Imbiß, wo Milch für die Kinder, ein ſtärkender Kaffee die von
der Reiſe Ermatteten erwartet. Es iſt erſchütternd, zu ſehen,
wie ſie, oft mit Txänen in den Augen, die deutſchen Lieder
mit=
ſingen, deren Klang ſie ſolange vermeiden mußten, wie ſie mit
großen, leuchtenden Augen deutſche Soldaten ſehen, wie ſie
empfinden, daß es noch ein Deutſchland gibt, das ihnen Schutz
bietet; und langſam hellen ſich müde Geſichter auf, glätten ſich
die Züge ängſtlicher Sorge in dem Gefühl der Geborgenheit.
Ein oder zwei Stunden nach ihrer Ankunft liegen ſie ſchon
in Quartieren, eine Nacht oder zwei, bis ſie in die endgültige
Zufluchtsſtätte gelangen; die Eiſenbahner=Erholungsheime, die
den Eiſenbahnervereinen gehören, haben ihre Einrichtungen
bereitwillig zur Verfügung geſtellt, der Not der Kollegen zu
begegnen; und es iſt, als hätte man die ſchönſten Erdenflecke
Deutſchlands gewählt, den bekümmerten Blick der Vertriebenen
zu beleben, ihnen durch landſchaftliche Schönheit den Reiz der
Heimat an Rhein und Moſel, an Ruhr und Wupper nach
Mög=
lichkeit zu erſetzen. Da ſitzen ſie in Wilhelmshöhe bei Caſſel,
in Hannoverſch=Münden, in dem lieblichen Caulshafen an der
Weſer, im Harz und in Thüringen, im Erz= und im
Rieſen=
gebirge, an der Oſtſee und auf Rügen. Neben den
Eiſenbahner=
heimen wurden Privatquartiere und ganze Hotels herangezogen,
um die nötigen Unterkünfte zu ſchaffen, nur im äußerſten
Not=
fall richtete man hier und da auch einmal ein Lazarett oder eine
Kaſerne als Zufluchtsheim ein, wenn die furchtbare
Wohnungs=
not trotz allen guten Willens keinen anderen Weg offen ließ.
Die Inhaber von Hotels und Penſionen zeigten ſich — mit
weni=
gen Ausnahmen, wie z. B. der Beſitzer eines Sanatoriums in
Wilhelmshöhe, der den Reichsſäckel auf Goldmarck=Baſis” zu
ſchröpfen verſucht! — im allgemeinen ſehr entgegenkommend,
wenn auch zuweilen die Bevölkerung das tiefe Verſtändnis für
die Lage der Ausgewieſenen ein wenig vermiſſen läßt, und es
wäre von Herzen zu wünſchen, daß jeder Einzelne, für den die
Eiſenbahner das ſchwere Los der Ausweiſung auf ſich nehmen,
ſich dieſer Opferwilligkeit ganz bewußt würde, daß jeder
Deutſche nach beſten Kräften beſtrebt wäre, das harte Schickſal
dieſer treuen „Frontkämpfer” zu lindern.
Die Stimmung in den Vertriebenen=Heimen iſt im
Allge=
meinen recht gut. Der Reichsverkehrsminiſter hat dafür geſorgt,
daß in der Bewilligung von Beſchaffungsvorſchüſſen nicht
klein=
lich oder bürokratiſch verfahren wird; zuweilen mag den
Ver=
triebenen ber klare Blick und die kühle Ueberlegung fehlen für
das, was ſie im Augenblick am nötigſten brauchen, und die
Vor=
ſchüſſe mögen in einzelnen Fällen nicht ganz wirtſchaftlich
an=
gelegt werden; da greifen dann die Flüchtlingskommiſſare
be=
ratend und mahnend ein, und im übrigen ſind es unſere
tap=
feren und treuen Eiſenbahnerfrauen, die der Familie auch fern
der Heimat die ſorgende Stütze ſind.
Nicht eindringlich genug kann es wiederholt werden: daß
das unbeſetzte Deutſchland alles tun muß, mutige Pflichttreue
durch aufopfernde Hilfe zu vergelten, und gerade in den
Sommerfriſchen ſollten die „Unbeſetzten” der Vertriebenen ſich
annehmen, ſollten die Kurgäſte freiwillig auf Milch und Eier
verzichten, zu Günſten der vertriebenen Kinder, die die Erholung
noch notwendiger baben als mancher, der ſich nur von den
Sor=
gen der Arbeit erholt. UInd man ſollte auch nie im Verſtehen
verzagen, wenn die Vertriebenen nervös ſind, wenn ihre
Wünſche zuweilen übertrieben ſcheinen oder von nagender
Un=
geduld diktiert; denn ſie alle mußten Haus und Möbel, mußten
ihr Stück Garten und Feld, ihr Vieh und Gerät, mußten
müh=
ſam Erarbeitetes, mußten die Heimat verlaſſen, und wenn auch
alles, alles geian wird, ihr Schictſal zu erleichtern: die Sehnſucht
nach der Heimat kann man ihnen nicht nehmen, das eigene Heim
ihnen nicht erſetzen. Das macht auch die Stärkſten unier ihnen
zuweilen ſchwach und ungeduldig, und dieſer Stimmung muß
man Rechnung tragen von jedem Deutſchen, der einem dieſer
Vertriebenen begegnet. Das iſt die ſchönſte und höchſte
Auf=
gabe des unbeſetzten Deutſchland: den Opferfrendigen, die alles
aufgaben in tapferer Treue, zu danken durch gleichen, einmütigen
Opferſinn, ihnen Heim und Heimat nach beſten Kräften zu
er=
ſetzen. Denn was wir ihnen tun, die als Opfer zu uns
kom=
men, das tun wir uns: damit ſtärken wir den Mut und die
Ge=
duld jener, die noch ausharren drüben, unter dem Druck
frem=
der Willkür!
Und einmal, wenn ſie zurückkehren in die alte Heimat, ſollen
ſie laut erzählen, daß das deutſche Volk und das Reich ſie nicht
vergaß und ihren Opfermut.
— Sommerſpielzeit Bruno Harprecht. Nach dem köſtlichen Schwank
„Der Meiſterboxer” erſcheint nun im Spielplan eine literariſch ernſter
zu nehmende Komödie und zwar Otto Ernſts „Flachsmann als Erzieher”
Die Komödie, die lange Jahre nicht im Spielplan des Darmſtädter
Theaters war, wird von dem bewährten Franz Sauer anläßlich des
50. Geburtstages des Autors neu einſtudiert. In den Hauptrollen
wirken mit, um nur einige Namen zu nennen, Bruno Harprecht, Frieda
Eichelsheim a. G., Franz Sauer, Rudolf Sang, Theo Bögel, Karl
Lindt, Eva Biſchoff, Eliſabeth Wigge und das geſamte übrige Perſonal.
Die Vorſkellung beginnt wieder um 7½ Uhr und fällt der
Montags=
miete zit.
—. Jungdeutſcher Orden. Am vergangenen Freitag hatte die
Vruderſchaft Darmſtadt des Jungdeutſchen Ordens zu einem öffentlichen
Vortrag im Saalbau eingeladen. Aus allen Kreiſen der hieſigen
Bevöl=
kerung hatte man der Einladung ſo zahlreich Folge geleiſtet, daß der
große Saal bis hinten voll beſetzt war. Als Redner des Abends war
der ſtellvertretende Comtur der Ballai Naſſau und gleichzeitige
Vertre=
ter des Hochmeiſters Mahraun, Studienrat Kauer=Wetzlar gewonnen
worden. In längeren Ausführungen verbreitete ſich der Redner über
Zweck und Ziele des Ordens. Durchdrungen von dem Gedanken, daß
über allem Parteigezänk unſerer Zeit und über allem Liebäugeln nach
Oſt und Weſr das Vaterland ſtehen müſſe, wurde 1920 in Kaſſel der
Or=
den gegründet. Er will alle die, denen trotz verlorenem Krieg und
Revolution Deutſchland ihr Vaterland geblieben iſt, in ſeinen Reihen
zuſaumenſchließen, um ſo eine große feſte Wehr gegen alles
Fremd=
läudiſche zu bilden! — In der kurzen Zeit ſeines Beſtehens hat ſich der
Orden über ganz Deutſchland verbreitet und zählt heute bereits 5400
örtliche Einheiten. — Toſender Beifall während und nach dem Vortrag
dankte dem Redner für ſeine wirklich aufklärenden Ausführungen.
Der vorbeſtellte Juni=Zucker, der in den nächſten Tagen
größten=
teils angefahren ſein dürſte, kann in den Geſchäften abgeholt werden.
Für Säuglinge und ſtillende Mütter erfolgt wieder eine
Sonderzuteilung auf Marken, die unter Vorlage der grünen
Milch=
ausweiskarte beim Lebensmittelamt abzuholen ſind. Bis Samstag, den
4. Auguſt, kann gleichzeitig der Zucker für den Monat Juli
voraus=
beſtellt werden. Um ihn möglichſt bald liefern zu können, muß der
Ab=
lieferungszeitpunkt der Marken durch die Geſchäfte genau eingehalten
werden. Es empfiehlt ſich deshalb die ſofortige Beſtellung. (Siehe
Anzeige.)
Der Brotpreis mußte wegen der Erhöhung des Mehlpreiſes und
der weiteren Steigerung der Löhne, des Brennmaterials uſw. abermals
erhöht werden. Der große Laib koſtet jetzt 7800.— Mark, ein Brötchen
aus gemiſchtem Brotmehl 320.— Mark. (Siehe Anzeige.)
wb. Tauſendmarkſtücke in Aluminium. Der Reichsrat hat einer
Vorlage über die Prägung von 240 Millionen Mk. in
Tauſendmark=
ſtücken aus Aluminium zugeſtimmt.
wb. Erhöhung der Bierſteuer. Der Reichsrat erkläxte ſich mit einer
Verfünffachung der Sätze des Bierſteuergeſetzes vom 1. Auguſt ab
ein=
verſtanden. Der Steuerſatz für eingeführtes Bier iſt von 16 500 Mk.
auf 25 000 Mk. erhöht worden. Dieſe neue Steuer ſoll auch die Anteile
der Freiſtaaten Württemberg, Bayern und Baden an der Bierſteuer
erhöhen.
— Druckfehlerberichtigung. Im Bericht über die 10. ordentliche
Generalderſammlung der Landesgenoſſenſchaftsbank muß es auf Zeile 64
von oben heißen: „Ständiger Krieg hat die letzten 10 Jahre
charak=
teriſiert”.
Aus den Parteien.
— Deutſche Demokratiſche Jugendgruppe. „Was
verſteht man unter Arbeitsſchule?” lautete das Thema, worüber Herr
Lehrer Hilsdorf am letzten Mittwoch abend in der Jugendgruppe ſprach.
Der Redner verſtand es, der zahlreich erſchienenen Jugend an Hand
von einigen Beiſpielen in Wort und Bild das Weſen, die Mittel und
die Ziele der Arbeitsſchule klarzulegen. In der Ausſprache wurde
all=
gemein zum Ausdruck gebracht, daß die alte Schule, die ſogen.
Lern=
ſchule, auf manchen Gebieten verſagt hat; daß vieles gelernt wurde,
was man im ſpäteren Leben nicht braucht, und daß das, was man
braucht, oft nicht gelernt wurde. Hier hat die Schule der Zukunft, die
Arbeitsſchule, viel gut zu machen, was früher in der alten Schule
ver=
ſäumt wurde. — Montag ½7 Uhr Vorſtandsſitzung.
— Von der Bergſtraße, 21. Juli. (Gebühren der
Hebam=
men.) Der Hebammenverband des Bezirks Weinheim ſetzte die
Ge=
bühren der Hebammen der Stadt und des Landbezirks auf 200 000 Mk.
feſt. — Verunglückt. Der Arbeiter Wilhelm Meng ſprang in
La=
denburg aus einem fahrenden Zug, wurde überfahren und erlitt ſehr
ſchwere Fußverletzungen.
— Aus dem Kreiſe Heppenheim, 21. Juli. Milchpreiſe. Nach
Vereinbarung mit den landwirtſchaftlichen Organiſationen wurde der
Preis für ein Liter Milch ab Stall von heute ab auf 4500 Mark
er=
höht. Von den Händlern bezogen oder im Stall abgeholt ſtellt ſich der
Preis noch bedeutend höher. Seitheriger Preis war 2500 Mark. —
Brot= und Mehlpreiſe. Der Laib Brot von 1800 Gramm
koſtet jetzt 7100 Mk., das Pfund Mehl 2200 Mk.
— Birkenau, 21. Juli. Erhöhte Hundeſteuer. Da das
Halten von Hunden in hieſiger Gemeinde immer mehr zunimmt, ſah ſich
der Gemeinderat veranlaßt, die Steuer für den erſten Hund auf 20000
Mk., für den zweiten auf 40000 Mk. und für den dritten auf 80 000
Mk. zu erhöhen.
0- Weiterſtadt, 20. Juli. An der Grenzſperre wurden
dieſer Tage von franzöſiſchen Poſten mehrere Perſonen angehalten, die
verſuchten, ins beſetzte Gebiet zu gelangen. Mehrere von ihnen wurden
nur vorübergehend gefangen gehalten, einige aber, darunter auch
Hoch=
zeitsgäſte, wurden nach Mainz abtransportiert.
r. Babenhauſen, 21. Juli. Ehemalige Mitglieder der Heſſiſchen
Landeswanderbühne gaben vergangenen Mittwoch und Donnerstag
abend hier zwei Gaſtſpiele, die ſehr gut beſucht waren. „Alt=Heidelberg”
und „Die 5 Frankfurter” kamen zur Aufführung und fanden den
leb=
hafteſten Beifall aller Zuhörer.
Worms, 21. Juli. In der letzten Stadtverordnetenſitzung vom 19.
d. M. wurde die Hundeſteuer bei Halten von einem Hund auf
20 000 Mk., bei zwei Hunden auf 40000 Mk., bei drei Hunden auf
60 000 Mk. für jeden Hund für die Zeit von einem Vierteljahr erhöht.
Die Erhöhung des Eintrittsgeldes für die Beſichtigung des Rathauſes
und des Cornelianums auf 100 Mk., Kinder 50 Mk., die Rückzahlung
ſtädtifcher Anleihen und die Zinsfußerhöhung der ſtädtiſchen Anleihen
wurden bewilligt.
Worms, 20. Juli. Feuer. Geſtern abend gegen 7 Uhr brach in
einem Magazin des ehemligen Gefangenenlagers Feuer aus, das durch
die darin befindlichen Vorräte leicht größere Ausdehnung hätte nehmen
können. Der raſch herbeigeeilten Abteilung der Freiw. Feuerwehr,
ſo=
wie der Wehren von Cornelius Heyl, Worms=Pfiffligheim und Worms=
Hochheim gelang es nach zirka zweiſtündiger Arbeit, das Feuer auf
ſeinen Herd zu beſchränken. Entſtehungsurſache iſt unbekannt.
nr. Bingen, 20. Juli. Römiſche Funde. Bei den
Grund=
arbeiten zu einigen Neubauten wurden hier wertvolle ſpätrömiſche
Funde gemacht. Die Vermutungen laſſen zu, daß man es hier wohl
mit einem zweiten Binger Mithräum zu tun hat. Mauerreſte und
Scherbenſtücke, z. T. aus konſtantiniſcher Zeit geben einigen Anhalt
da=
für, daß das Heiligtum noch um 350 benutzt war.
ht. Gaulsheim (Rheinh.), 21. Juli. Tödlicher Unfall. Aus
dem gegenüberliegenden Geiſenheim verunglückte hier ein junger Mann,
der ſo unglücklich ins Waſſer ſprang, daß er ſich das Rückgrat brach
und im Krankenhaus zu Bingen ſeinen Verletzungen erlag. — Im
hieſigen Freibad iſt ein 17jähriger junger Mann aus Gau=
Bickel=
heim, namens Hammer, beim Baden ertrunken.
R. Stockheim (Wetterau), 20. Juli. Erntebeginn. Allmählich
hat man hier und in der ſüdlichen Wetterau mit dem Schnitt der
Sommergerſte begonnen. Man rechnet allgemein mit einer guten
Kornernte.
Schlitz, 21. Juli. Bienenzucht. Die diesjährige gemeinſame
Wanderverſammlung des Kurheſſiſchen und oberheſſiſchen
Bienenzüchter=
vereins, verbunden mit einer bienenwirtſchaftlichen Ausſtellung findet
vom 4. bis 6. Auguſt in Schlitz ſtatt. Schlitz, das alte,
ſtandesherr=
ſchaftliche, mit Burgen gekrönte Städtchen, dieſe Perle unter den
Land=
ſtädten Oberheſſens, der Sitz des alten Grafengeſchlechtes von Schlitz
ge=
nannt von Görtz, in dem der Pädagoge Schlez gewirkt, der Geh.
Kirchen=
rat D. Dieffenbach ſeine unvergleichlichen Kinderlieder geſungen, die
dann die Weiſen des Lehrers und Organiſten Kern auf den Flügeln des
Geſanges in alle Welt getragen und dem Kantor Nanz ſein Schlitzer
Nationallied: „Im weiten Deutſchen Reiche gegeben hat (Dichter
Dieffenbach, Komponiſt Nanz), inmitten des lieblichen und geſegneten
Schlitzerlandes gelegen, einem Bezirk, deſſen biedere Einwohnerſchaft an
den väterlichen Sitten, ihrer Tracht und Sprache, feſthält, ladet alle
Imker und Imkerfreunde Heſſens, Kurheſſens und der Nachbarländer
freundlichſt ein, zu den Tagungen recht zahlreich zu erſcheinen und die
Ausſtellung reichlich zu beſchicken. Anmeldungen zur Ausſtellung ſind
an Herrn Leonhard Weppler, ſolche wegen Unterkunft an Herrn
Kammerſekretär Heidkamp, beide in Schlitz, bis 25. Juli zu richten.
Laubach (Kreis Schotten), 20. Juli. Dieſer Tage wurde bei einer
baulichen Ausbeſſerung im Hauſe des Bäckermeiſters Döll (Obere
Lange=
gaſſe) ein Topf mit verſchiedenen kleinen Silbermünzen aus der
Mitte des 18. Jahrhunderts gefunden. Er befand ſich im Kellerraum,
in den gewachſenen Grund eingegraben. Aus vermoderten Papierfetzen,
die beilagen, läßt ſich ſchließen, daß es ſich um die Beurkundung der
Erbauung handelt, wo nach früherer Sitte zeitgenöſſiſche Gegenſtände
beigegeben wurden. — Selbſtmord. Vor einigen Tagen verübte
der ſeit Jahren hier anſäſſige, aus Hamburg gebürtige Rentner Cäſar
auf dem hieſigen Friedhofe Selbſtmord. Nahrungsſorgen trieben
offen=
bar den Unglücklichen, der ſich früher in guten Verhältniſſen befand, in
den Tod.
Reich und Ausland.
Eine Kartoffelgeſchichte.
Auf dem Heidelberger Wochenmarkt war, dem Heil
berger Tagblatt zufolge, ein Bauersmann mit Kartoffeln erſchien
der offenbar keine Zeitung las und keine Ahnung hatte, was Kartof
jetzt koſten. Genug, er entwickelte ſich zunächſt zum Wohltäter der
denden Menſchheit und verlangte für das Pfund Kartoffeln 300 M=
Die Heidelberger Hausfrauen, die eine wunderbare Spürnaſe daf
haben, wo es etwas Billiges einzuhamſtern gibt, umdrängten bald d
Marktſtand des Braven, der, fröhlich ſchmunzelnd wähnte, ein gu=
Geſchäft zu machen. Als er aber plötzlich erfuhr, daß auf der amtlid
Marktpreisliſte für Kartoffeln ein Preis von 1000 Mark angeſetzt
verlangte er auf einmal für das Pfund 1600 Mark, womit er nicht 1
ſofort ſeine ganze liebenswürdige Kundſchaft in zornwilde Gegnerin:
verwandelte, ſondern ſich auch noch obendrein die Polizei auf den Ha
hetzte. Befragt, wie er dazu komme, 1600 Mk. zu verlangen, wo de
der Höchſtpreis nur 1000 Mk. ſei, erklärte er, er habe ja ſeine Kart
feln zunächſt viel zu billig verkauft. Jetzt müſſe er durch den erhöht
Preis den Schaden wieder gutmachen.
Deutſcher Studententag.
Die Deutſche Studentenſchaft hält vom 27. bis 29. Juli in Würzburg
den 5. ordentlichen Deutſchen Studententag ab. Für Freitag, 27. Juli,
ſind vorgeſehen ein Vortrag: „Deutſchland und Frankreich in der
Ge=
ſchichte”, Bericht des Ruhrausſchuſſes und der Sammelſtellen für
aus=
gewieſene Studierende. Bericht des Vollmachtsprüfungs=
Ausſchuſſes=
nachmittags der Vortrag: „Das deutſche Volk in der Weltpolitik”,
Be=
richt des Auslandsamtes der D. St., dann Vortrag: „Leibesübungen an
deutſchen Hochſchulen”, Bericht des Amtes für Leibesübungen; abends:
Gedächtnisfeier zu Ehren der gefallenen Kommilitonen. — Samstag
28. Juli, vormittags, Vortrag: „Volk, Staat, Student” Bericht der
Wirtſchaftshilfe, Vortrag: „Student und Arbeiter”; nachmittags die
Vor=
träge: „Studentiſche Ehrengerichtsbarkeit”, „Akademiſche
Gemeinſchafts=
pflege”, „Student und Preſſe”, dann Beſprechungen von Preſſefragen. —
Sonntag, 29. Juli: Tätigkeitsbericht des Vorſtandes der D. St.;
nach=
mittags: Stellung der Fachgruppen in der D. St., Ausſchußbericht,
Wahlen. — Wohnungsanmeldung bis 21. Juli an den „Vorbereitenden
Ausſchuß des Studententages 1923‟ Würzburg, Annaſtraße 9. Die
Verhandlungen des Studententages ſind, für Studierende und
Altaka=
demiker öffentlich. Anmeldungen von Preſſevertretern umgehend an die
Hauptgeſchäftsſtelle.
Der Rieſenverkehr während des Münchener Turnfeſtes.
Der Haupteiſenbahnverkehr des Turnfeſtes ſpielte ſich vom
Donners=
tag bis Montag ab. In dieſer Zeit liefn im Münchener Hauptbahnhof
1425 Züge ein, darunter 141 Turner=Sonderzüge, 8 Ferien=Sonderzuge
und 77 Doppelführungen von fahrplanmäßigen Zügen. Die Hallen
des Hauptbahnhofes verließen 1430 Züge, darunter 204 Sonderzüge. Die
Zahi der in dieſen Tagen angekommenen Reiſenden betrug 843 700,
dar=
unter 217 500 mit den Turner=Sonderzügen. Abgereiſt ſind in dieſen
Tagen 953 300 Perſonen, ſomit hatte der Hauptbahnhof einen
Geſamt=
verkehr von 1 788 000 Reiſenden. Die Einnahmen haben betragen am
Donnerstag 574 Millionen, Freitag 625 Millionen, Samstag 852
Mil=
lionen und Sonntag 777 Millionen Mark. Dann iſt eine plötzliche
Steigerung der Tageseinnahmen eingetreten für Montag auf
1 225 000 000. Dienstag 1 373 000 000 Mark und an den folgenden Tagen
hielten ſich die Einnahmen auf über 1 Milliarde.
Dieſer Rieſenverkehr, der zum größten gehört, der jemals im
Mün=
chener Hauptbahnhof zu verzeichnen war, ging ohne jeden Unfall vor
ſich. Das geſamte Perſonal hat bis zur äußerſten Grenze der
Leiſtungs=
fähigkeit ausgehalten, ſowohl das Rangierperſonal, das Stellwerk= und
Weichenſtellerperſonal, das Fahrperſonal und das Abfertigungsperſonal
im Fahrkarten= und Paketdienſt. Die geſamten Dispoſitionen für die
Abwicklung dieſes großen Verkehrs wurden von der Leitung des
Haupt=
bahnhofes durch eine Reihe von Maßnahmen, die ſich beſtens bewährt
haben, getroffen.
— Weinheim, 21. Juli. Zur Wahl eines zweiten
Bür=
germeiſters haben ſich bis heute acht Bewerber eingeſtellt, darunter
Juriſten, Volkswirtſchaftler, Techniker, Verwaltungsinſpektoren uſw.
Die Wahl des zweiten Bürgermeiſters wird anfangs Auguſt
vorgenom=
men werden.
Reiſen und Wandern.
RDV. Neue Schnellzüge. Seit dem 14. b. M. verkehren
wieder, wie die „Reichszentrale für Deutſche Verkehrswerbung”
mitteilt, zwei Schnellzugspaare, die zwar in den
Sommerfahr=
plan aufgenommen, aber zunächſt nicht gefahren wurden; das
Eilzugspaar E 129/130, das eine günſtige Verbindung von
Han=
nover nach dem Harz vermittelt: ab Hannover 9,34 vorm. über
Lehrte und Hildesheim nach Goslar, an 11,40 vorm., Bad
Harz=
burg 11,59 vorm., Wernigerode 12,50 nachm.; ab Wernigerode
5,20 nachm., Bad Harzburg 6,15 nachm., Goslar 6,40 nachm., an
Hannover 8,30 nachm. — Zwiſchen Hannover und Leipzig
ver=
kehrt ſeit dem gleichen Tage das D=Zugspaar D 135/136,
Han=
nober ab 6,08 nachm. über Braunſchweig=Vienenburg=
Halber=
ſtadt, an Leipzig 11,30 nachm.: ab Leipzig 6,52 vorm., an
Han=
nover 11,59 vorm.; es ſtellt von Leipzig den Anſchluß an die
D=Züge Berlin=Holland her.
O Zollabfertigung im „Münchener Hauptbahnhof. Im
Mittelbau des Münchener Hauptbahnhofes iſt, wie die „
Reichs=
zentrale für Deutſche Verkehrswerbung” mitteilt, auf der
Süd=
ſeite der großen Schalterhalle eine deutſche
Zollabfertigungs=
ſtelle eingerichtet worden, bei der die Zollbehandlung des in
München Hbf. nach außerdeutſchen Stationen oder von dort
nach München aufgegebenen Reiſegepäcks vollzogen wird. Von
Anfang Juli bis Ende September befindet ſich im gleichen
Raum auch eine öſterreichiſche Zollabfertigungsſtelle, die
zuſammen mit der deutſchen Stelle die öſterreichiſche
Einfuhr=
behandlung des zu den Schnellzügen über Salzburg=Kufſtein=
Mittenwalde=Lindau nach öſterr. Stationen ſowie die
Durchfuhr=
behandlung des über Kufſtein nach ital. Stationen
aufgegebe=
nen Gepäcks durchführt. Umgekehrt kann Reiſegebäck von
öſter=
reichiſchen Stationen in München behandelt werden; in beiden
Fällen bleibt dem Reiſenden auf der Grenzſtation die
Vorfüh=
rung und zollamtliche Durchſuchung des Reiſegepäcks erſpart.
Die Vorführung des zollpflichtigen Gepäcks muß ſpäteſtens 20
Minuten, des Gepäcks über Mittenwald ſpäteſtens 30 Minuten
vor Abgang des Zuges beendet ſein, und es empfiehlt ſich,
Zoll=
gepäck, das mit einem Morgenzug abgehen ſoll, bereits am
Nach=
mittag des Vortages abfertigen zu laſſen.
* Der Preismultiplikator für die Bäder und Kurorte
be=
trägt für dieſe Woche 23000.
52. Quittung
über in der Geſchäftsſtelle des Darmſtädter Tagblatts eingegangene
Spenden für die geſchädigte Ruhrbevölkerung:
Reg.=Nat Ed. Sch. von einem Vorbereitungskurs 150 000 Mk., Min.=
Rat Mangold 20 000 Mk., Pflicht=Fortbildungsſchule für Mädchen 52000
Mk., Oberbaurat Th. Wallek, Bonnland, Unterfranken, 20 000 Mk., Ferd.
Wetzel, 4. Rate, 25000 Mk., Lehrkörper der Viktoriaſchule, 5. Gabe,
660 000 Mk., N. N. 3000 Mk., Enoch, Alexanderſtraße 6, 6. Gabe, 2000
Mk., G. Kranz, 11. Rate, 1000 Mk., E. F. 5000 Mk., Archivrat Dr.
Herr=
mann, 4. Gabe, 10 000 Mk., Rechnungsrat Schreiner, 4. Rate, 10 000 Mk.,
Klaſſe 2, Ober=Ramſtadt, durch Herrn Lehrer Schaffnit, 6000 Mk.
1. Quittung 336 810 Mk., 2. Quittung 382 210 Mk., 3. Quittung
490 850 Mk., 4. Quittung 578 495 Mk., 5. Quittung 689 703 Mk., 6.
Quit=
tung 416 536 Mk., 7. Quittung 515 080 Mk., 8. Quittung 1 251 261 Mk.,
9. Quittung 688 429 Mk., 10. Quittung 1 146 238 Mk., 11. Quittung
525 881 Mk., 12. Quittung 557 984 Mk., 13. Quittung 1 577 273 Mk.,
14. Quittung 597 255 Mk., 15. Quittung 834 316 Mk., 16 Quittung
477 914 Mk., 17. Quittung 627 518 Mk., 18. Quittung 494 353 Mk., 19.
Quittung 765 358 Mk., 20. Quittung 570 580 Mk., 21. Quittung 936 478
Mk., 22. Quittung 2 736 219 Mk., 23. Quittung 504 042 Mk., 24.
Quit=
tung 341 900 Mk., 25. Quittung 620 271 Mk., 26. Quittung 439 447 Mk.
27. Quittung 536 085 Mk., 28. Quittung 631 221 Mk., 29. Quittung
240 065 Mk., 30. Quittung 719 917 Mk., 31. Quittung 393 980 Mk.,
32. Quittung 457 470 Mk., 33. Quittung 780 100 Mk., 34. Quittung
619 721 Mk. und 3 Silberkronen, 35. Quittung 937 138 Mk., 36.
Quit=
tung 129 115 Mk., 37. Quittung 933 855 Mk., 38. Quittung 366 149 Mk.,
39. Quittung 638 300 Mk., 40. Quittung 524 525 Mk., 41. Quittung
675 076 Mk., 42. Quittung 936 935 Mk., 43. Quittung 647 375 Mk.,
44. Quittung 798 986 Mk., 45. Quittung 502 500 Mk., 46. Quittung
1 368 305 Mk., 47. Quittung 740 030 Mk., 48. Quittung 485 000 Mk.,
9. Quittung 1 655 450 Mk., 50. Quittung 932 360 Mk. und 20 Dollar.
51. Quittung 908 850 Mk., 52. Quittung 964 000 Mk.
zuſ. 37 584 159.— Mk.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 24. Juli.
Heiter, trocken, warm. Es iſt mit weiterem Sommerwetter zu
hnen.
Tageskalender.
Sommerſpielzeit Bruno Harprecht (Kleines Haus) 7
Uhr: „Flachsmann als Erzieher”. — Union=, Reſidenz=,
Zentral=
theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik,
Wirtſchaft und Feuilleton: Rudolf Mauve; für „Stadt und Land”,
„Reich und Ausland”: i. V.: Andreas Bauer; für den
Inſeraten=
teil: i. V.: Ad. Fleiſchmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rymmer hat 6 Geiten.
Darmſtädter Tagblaft
Handel und Wandel in Heſſen.
* Falcon Werke A.G., Ober=Ramſtadt. Wie uns von
Seiten der Firma mitgeteilt wird, iſt unſere Notiz über die
bean=
tragte Kapitalserhöhung dahin zu berichtigen, daß die Geſellſchaft nicht
zum Tellus=Konzern gehört.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
wb. Der Ankauf von Gold für das Reich durch die
Reichsbank und Poſt erfolgt vom 23. ds. Mts. ab bis auf weiteres zum
Preiſe von 900 000 Mark für ein Zwanzigmarkſtück, 450 000 Mark für
ein Zehnmarkſtück. Für ausländiſche Goldmünzen werden entſprechende
Preiſe gezahlt. Der Ankauf von Reichsſilbermünzen durch die
Reichs=
bank und Poſt erfolgt bis auf weiteres zum 20 000fachen Betrage des
Nennwertes.
* Ausder Auto=Induſtrie. Unſere deutſche Auto=Induſtrie
iſt raſtlos bemüht, die Schnelligkeit der Fahrzeuge zu ſteigern. Sie hat
in dieſem Sommer auf den in= und ausländiſchen Rennen zu
wieder=
holten Malen die Feuerprobe beſtanden. Neuerdings bringen die
Käm=
pen der Renn= und Turnierveranſtaltungen ganz beſonderes Intereſſe
dem Betriebsſtoff entgegen. Sie haben erkannt, daß nicht nur die Raſſe
ihrer Maſchine, ſondern auch in hohem Maße der Brennſtoff, der ihren
Motor antreibt, von ausſchlaggebender Bedeutung iſt. Viele Köpfe
waren am Werk, um die dem Motor ſchmackhafteſte Speife zu finden.
Der beſte Gradmeſſer der Güte eines Brennſtoffes ſind nun bekanntlich
Nennveranſtaltungen und Turniere. Da dürften nun nachſtehende
Da=
ten jedem die Augen öffnen: Von ſämtlichen Preisträgern auf dem
Baden=Badener Automobil=Turnier 1923 fuhr die Hälfte mit Cohen=
Benzol, dem altbewährten unvermiſchten deutſchen Betriebsſtoff. Von
25 Siegern mit Cohen=Benzol wurden 30 Siege erfochten. Auch
Mei=
ſter Kappler, der Sieger und Beſitzer des Batſchari=Wanderpreiſes,
tankte Cohen=Benzol, und der muß ſchon wiſſen, was ſeinem Wagen
gut tut.
h. Heidelberger Straßen= und Bergbahn=A. G.
Die Geſellſchaft hat im abgelaufenen Geſchäftsjahr eine weitgehende
Erneuerung und Verbeſſerung ihrer ſämtlichen Anlagen und
Einrich=
tungen vorgenommen und das Material, das zur vollſtändigen
Aus=
geſtaltung des Oberbaues noch notwendig iſt, ſowie den geſamten
Be=
darf an Betriebsmaterialien für einen längeren Zeitraum beſchafft.
Mit den dadurch erzielten Erſparniſſen in Zuſammenhang mit den
der Geldentwertung angepaßten Fahrpreiſen kann die Lage des
Unter=
nehmens für die kommende Zeit als zuverſichtlich beurteilt werden. Die
Betriebseinnahmen betrugen 58 865 613 (9 807 469) Mk., die
Betriebs=
ausgaben 44 215 385 (7 663 492) Mk. Nach Abzug der Zinſen,
Abſchrei=
bungen, Rücklagen uſw. kann die Geſellſchaft einen Reingewinn von
2 287 347 Mk. (885 679 Mk. Verluſt) verzeichnen, der ſich um den Mk.
1511 229 betragenden Verluſtvortrag vom Vorjahr auf 776 118 Mk.
er=
mäßigt. Im Gegenſatz zu den kommunalwirtſchaftlich betriebenen
Straßenbahnen, deren Milliardendefizit immer größer wird, hat alſo
das privatkapitaliſtiſch betriebene Straßenbahnunternehmen es fertig
gebracht, nach zweijährigem Defizit einen Ueberſchuß zu erzielen, der
nicht nur den Verluſtvortrag deckt, ſondern noch eine
Dividendenaus=
ſchüttung von 20 % geſtattet. Dabei ſind die Fahrpreiſe in Heidelberg
billiger als bei den kommunalen Bahnen, und die Geſellſchaft beurteilt
die kommende Zeit zuverſichtlich, während man bei den kommunalen
Bahnen mit großer Sorge in die Zukunft ſchaut. Ferner hat ſich das
Pridatunternehmen noch für längere Zeit mit Betriebsmaterial zu
gün=
ſtigen Preiſen eingedeckt, während die kommunalen Betriebe die
Ma=
terialien erſt bei dringendem Bedarf kaufen. Der kaufmänniſche Betrieb
zeigt ſich alſo hier wieder am rentabelſten. Aus dem Gewinn werden
noch 21 106 Mk. Aufſichtsratstantiemen gezahlt, 200 000 Mk. der
Ruhe=
gehaltskaſſe zugeführt und 308 012 Mk. auf neue Rechnung vorgetragen.
Handelsblatt
23. Juli 1923 Nr. 201
In der Bilanz ſind die Straßenbahnen mit 67 302 010 Mk. bewertet, die
Kreditoren mit 64 954 891 Mk. verzeichnet. Wie ſchon gemeldet, ſoll das
Grundkapital um 100 Millionen Mk. Stamm= und 10 Mill. Mk.
Vor=
zugsaktien mit 10fachem Stimmrecht erhöhr werden.
h. Deutſche Luftſchiffahrts=A. G. in Frankfurt
a. M. Die Roheinnahmen betragen 8,25 (3,91) Mill. Mk. und 154 462
Mk. Zinſen. Nach 3,89 (3,5) Mill. Mk. Betriebsunkoſten, 272 950 Mk.
Geſchäftsunkoſten und Deckung des Verluſtvortrags von 73 426 Mk.
wer=
den 4 Mill. Mk. zurückgeſtellt und 159 257 Mk. auf neue Rechnung
vor=
getragen. In dem Geſchäftsbericht heißt es, daß das Unternehmen
auch während des ganzen Jahres 1922 genötigt war, ſich faſt jeglicher
Betätigung im Sinne ihrer eigentlichen Aufgaben zu enthalten. Die
deutſche Luftſchiffinduſtrie iſt ſowohl aus finanziellen als auch aus
poli=
tiſchen Gründen nicht in der Lage, mit eigenen Mitteln den Bau und
Betrieb von Verkehrsluftſchiffen zu unternehmen. Die ſchwebenden
Pläne, in Gemeinſchaft mit ausländiſchen Geſellſchaften einen ſolchen
Betrieb zu organiſieren, haben bisher noch nicht eine Verwirklichung
erfahren können. Es beſteht aber die begründete Hoffnung weiter, im
Anſchluß an die Ablieferung des auf der Werft des. „L. Z.” im Bau
befindlichen Luftſchiffes zu einer Betätigung mit Hilfe von Amerika zu
gelangen. Auch für die Delag würde ſich dann die erſehnte
Arbeits=
möglichkeit eröffnen. Vorübergehend wurde in geringem Ausmaß für
einen kleinen Teil des Delag=Perſonals Gelegenheit geboten, in Italien
an der Inſtandhaltung der abgelieferten Bodenſee” mitzuwirken.
Da=
bei wird die Gelegenheit benutzt, um die Fühlung mit ausländiſchen
Betriebsunternehmungen nicht zu verlieren. Auch gegenwärtig ſind
wieder einige Leute der „Delag” in Rom, um die „Bodenſee” wieder in
Fahrbereitſchaft zu ſetzen. Im übrigen wird das Fahrperſonal
beſchäf=
tigt, um Vorſtudien und Vorarbeiten, insbeſondere techniſcher Art, im
Zuſammenarbeiten mit dem „L. Z.” zu betreiben und an der
Ausrüſt=
ung des Amerika=Schiffes mitzuwirken. Das Hauptaugenmerk der
Ge=
ſchäftsführung mußte unter dieſen Umſtänden darauf gerichtet ſein,
Aktien, derart zum Bezuge angeboten, daß auf nom. Mk. 1200 alte
nach Möglichkeit für die Erhaltung des Vermögens der Delag beſorgt
zu ſein. Es dürfte dieſes wenigſtens in dem vor allem anzuſtrebenden
Umfange erreicht ſein, um die Erhaltung des wertvolleren Perſonals
und ſeiner Erfahrungen noch für eine geraume Zeit ſicherzuſtellen. In
der Bilanz erſcheinen Wertpapiere mit 9,45 Mill. Mk., Bankguthaben
mit 1,09 Mill. Mk. und Erneuerungsſtock mit 7,5 Mill. Mark. Die in
Friedrichshafen a. B. abgehaltene ordentliche 13. Generalverſammlung
genehmigte einſtimmig den vorſtehend beſprochenen Geſchäftsabſchluß für
das Jahr 1922.
* Harkortſche Bergwerke und Chem. Fabriken
A.=G., Gotha. Von den durch die a. v. G.=V. vom 21. 6. geſchaffenen
St. 62 500 auf den Inhaber lautenden Genußſcheinen zu je Mk. 1200
wer=
den St. 37 500 den alten Stamm=Aktionären, mit Ausnahme der durch
den Generalverſammlungsbeſchluß vom 28. 11. 22 ausgegebenen, früher
mit 25 Proz. eingezahlten und inzwiſchen vollgezahlten 21 Mill. Stamm=
Stamm=Aktien 1 Genußſchein über nom. Mk. 1200 zuzüglich
Börſenum=
ſatzſteuer und Bezugsrechtspauſchale bezogen werden kann. Das
Bezugs=
recht iſt bis 7. 8. auszuüben.
* Gewerkſchaft Steinkohlenbergwerk Graf
Bis=
marck, Gelſenkirchen=Bismarck. Der Abſchluß der
Geſell=
ſchaft per 1922, über deren Zuſammenſchluß mit der Deag wir kürzlich
berichteten, zeigt folgende Zahlen: Die Einnahmen ſtellen ſich auf Mk.
8 317 949 269 Mk. inkl. Vortrag aus 1921 in Höhe von 274 418 Mk., auf
insgeſamt 8 318 223 688 Mk. gegen 439 099 891 Mk. im Vorjahr.
Dar=
aus wurden verrechnet: Betriebsauslagen in Höhe von 8 229 869 326 M.
(i. V. 425 669 409 Mk.), Darlehenstilgung 79 445 Mk. (i. V. 76 204 Mk.),
Abſchreibungen wurden in Höhe von 2 624 224 Mk. vorgenommen (i. V.
2 579 859 Mk.), für Bergſchäden=Rücklagen wurden 20 Mill. Mk. zurück=
geſtellt (i. V. 2,5 Mill. Mk.) und für Ausbeute 65 Mill. Mk. (i. V.
8 Mill.) verwendet, während auf neue Rechnung 550 691 Mk.
vorgetra=
gen werden. Die Anlagekonten der Bilanz zeigen nur unerhebliche
Ver=
änderungen. Das Grundeigentum der Gewerkſchaft blieb mit 454,145
Hektar faſt unverändert. In 620 Wohnhäuſern befinden ſich 236
Be=
amten= und 2145 Arbeiterwohnungen. Infolge der Miet= und
Zwangs=
wirtſchaft hat die Verwaltung und Inſtandhaltung dieſer Wohnungen
wieder ſehr hohe Zuſchüſſe gefordert. Bei den Arbeiterwohnungen
über=
ſriegen ſie 20000 Mk. pro Wohnung. Ueber die Kohlenförderung ſagt
der Bericht, daß 1 617 950,5 To. gefördert wurden; der Selbſtverbrauch
betrug 126 551,25 To., der Abſatz einſchl. Koks=Kohlen 1 422 690 To. Die
Arbeiterzahl betrug im Durchſchnitt 9400, die Zahl der verfahrenen
Schichten 2 829 669. Mit der Kokerei und Schwelofenanlage wurden
er=
zeugt: Koks und Halbkoks 257 334,7 To., Teer 10071 To., Ammoniak
2599,2 To., Benzole und Leichtöle 2517,8 To. Die drei
Tonſchieferziege=
leien lieferten 17 257 500 Ziegelſreine, die beiden elektriſchen Zentralen
12714 Kilowattſtunden. Der Hafenumſchlag betrug 842000 Tonnen.
Um zu Zeiten ſchlechten Abſatzes größere Mengen Kohlen und Koks als
bisher ſtürzen zu können, wurde im Südkai des Hafens ein Lagerplatz
von 300 Meter Länge und 90 Meter Breite mit einer fahrbaren
Ver=
ladebrücke von 8,5 Meter lichter Höhe ausgeſtattet. Dieſe Brücke trägt
einen 10 To.=Drehkran für Klappkübel und Greiferbetriebe mit 12 m
Ausladung. Der Wagenpark wurde um 10 Kübelwagen und 10
Tal=
bott=Selbſtentlader von je 30 To. Nutzlaſt ergänzt. Die Einführung
mechaniſcher Hilfsmittel im unterirdiſchen Betrieb machte weitere
Fort=
ſchritte. Insbeſondere ſind die Sohlen=Benzollokomotiven in größerer
Zahl durch Hochdruck=Preßluftlokomotiven erſetzt worden.
*== Gegen die unzureichende Deviſenzuteilung
Der Vorſtand des Hamburger Einzelhandels richtete an den
Reichskanz=
ler ein Telegramm, in dem ohne Rückſicht auf die noch beſtehende
Deviſenverordnung eine ſofortige ausreichende Deviſenzuteilung für
alle lebensnotwendigen Einfuhrartikel erbeten wird, da ſonſt der
deut=
ſche Kredit vernichtet und die Verſorgung der Bevölkerung und auch
der Induſtrie gefährdet ſei.
*=d= Faſt alle Kalilager geräumt. In einer
Ausſchuß=
ſitzung des Kaliſyndikats wurde darauf hingewieſen, daß die
Finanz=
lage des Kaliſyndikats recht zufriedenſtellend ſei. Es wurde ferner
feſt=
geſtellt, daß die Lager faſt aller Werke durch den großen Verſand der
letzten Monate nahezu vollſtändig geräumt ſind, ſo daß Aufträge von
vielen Werken nur ſchleppend ausgeführt werden können. Es iſt das
erſte Mal ſeit Beſtehen des Kaliſyndikats, daß mitten in der
Sommer=
ſaiſon ein ſo großer Abſatz zu verzeichnen war. Die Werke wurden
aufgefordert, ihre Produktion nach Möglichkeit zu ſteigern, damit für
den Herbſt prompte Erfüllung der Lieferungsverträge möglich ſei.
*=d= Goldbuchführung bei der A. E. G. Während die
In=
duſtrie allgemein ſeit einiger Zeit die Goldkalkulation vornimmt, iſt die
A. E. G. hierin noch weiter gegangen und führt die Goldbuchführung
jetzt konſequent bis in das kleinſte Konto hinein durch. Wie wir hören,
wird der ordentlichen Generalverſammlung eine Verlängerung des
Ge=
ſchäftsjahres vorgeſchlagen werden, das künftig von Anfang Oktober bis
Ende September laufen ſoll.
Meſſen.
Der öſterreichiſche Weinbau auf der Wiener
Herbſtmeſſe. Außer Induſtrie und Gewerbe wird auch die
öſter=
reichiſche Landwirtſchaft bei der 5. Wiener Internationalen Meſſe (2.—8.
September 1923) mit einer ſtattlichen Schauſtellung vertreten ſein. In
einer beſonderen Abteilung werden die hervorragendſten
Weinbauge=
biete Oeſterreichs im Wettbewerb ihre erleſenſten Produkte darbieten.
Eine Auskunftsſtelle wird über den Produzenten, die Preiſe,
Verkaufs=
menge u. dgl. näher unterrichten.
Bankgeschaft
Eernsprecher 1308, 1309
—De —FUrV
Aktien / Renten / Delisen / Sorten
Darmstadt
1 Luisenplatz 1
Arſßg
Palast-Lichtspiele
Der Smaragd
des Radjah von Palanpur
2. und letzter Teil (02fsgo
Abenteuer eines Ermordeten.
Sensations-u. Abenteuerfilm in 6Akt. mit
Louis Ralph Heinrich Peer
Harry Piels schwerster Sieg
Letzter Teil: Reiter ohne Kopf
6 Akte mit HARRT Diel.
Paschen dnel Al
werden zum höchſten Tagespreiſe
angekauft. Händler Vorzugspreiſe
Zwichler
Keleph. 1760. (*20708go) Schwanenſtr. 12.
Hotel Schmitz
Rheinstr. 50 —— Telephon 192
Täglich
Garten-Konzert
Bei ungünst. Witterung in den Lokalitäten
Münchener Löwenbräu
Eis — Eis-Getränke
5675a)
Solange Vorrat reicht!
Noch preiswerte Poſten
Häkel=Jumpers, Trikot=Jumpers
Kinder=Kittel, gehäk.
Kinder=Wellins=Jäckchen
Herren=Golf=Weſten
Schlüpfer in K‟=Seide und Biſtra
ſowie Seidentrikot= und Eheviot=
Kleider, Bettgarnituren, Herren= und
Damen=Wäſche, Strümpfe, Schürzen,
Arbeiterkleidung
zu vorteilhaften Preiſen
H. Waſſerteil
Große Ochſengaſſe 30
neben Goldnen Anker. (6064
Samstags geſchloſſen!
Schreib maschinen
und sämtliche Büromaschinen
werden rasch und fachmännisch
repariert bei
A. Lächler, Bürobedarf
Darmstadt 1—: Karlstrasse 1
Telephon 1489, (2341a
An- und Verkauf
Brillanten von Edelmetallen
Adolf Assmus
Schustergasse 15 (Laden) (5938a) Telephon 2320 u. 426
Geſundheitspolizeiliche
Vorſchriften
für den Betrieb der
Bautererent
in Stadt und Land
ſind in unſerer Geſchäftsſtelle,
Rheinſtraße 23, zu haben.
Darmſtädter Tagblatt.
(1438dsi
Eine Wohltat
für korpulente und leidende Damen iſt unſer geſetzlich
geſch. Geſundheits=Binden=Korſett Eviva. Aerztlich
warm empfohlen bei Schwangerſchaft, ferner bei
Hängeleib, Nieren=, Magen= und Darmleiden, desgl.
nach Operationen. Die verſtellbare Leibbinde iſt
innen angearbeitet und ſchließt dadurch — im
Gegen=
ſatz zu ähnl. Artikeln (einſchl. Leibbinden) — ein
Hoch=
oder Niederrutſchen vollſtändig aus. Bietet dem
Körper bei voller Bewegungsfreiheit eine wirkſame
Stütze, verbeſſert gleichzeitig die Figur und iſt nach
Ausſage aller Trägerinnen eine Wohltat für den
Körper. Anprobe und Beſichtigung unverbindlich.
Geſchw. Sauerborn Nachf., Obere Wilhelminenſtr. 4.
(3572a
Tel, 1393.
Geschlechtsleiden
Blutuntersuchg. Ohne Berufsstörung. Kein Quecksilber.
Aufkl. Brosch. Nr. 21 gegen Eins. von 5000 Mk. -
Ambula-s
Spen.-Arat Dr. Hollaender 8 tortam
Frankfurt a. M., Bethmannstr. 5G.
—1: 471 —7 Sonnt. 10—
R
Get
erhaltenes Piano,
ein Drilling und eine
Doppelflinte (
Kali=
ber 16) zu kaufen
ge=
ſucht. Angebote an
Schwarz, Bismarck.
(6205
ſtraße 42.
Platin
Hold- u. Silher
verkaufen (5606a
Sis am beſten beidem
Fachmann
Jac. Eckſtein
Uhrmacher u. Goldarb.
Broße Ochſengaſſe 1
Teleph. 2253.
Zu kaufen geſucht:
3=, 4=, 5-, 6= u. 7=Zim
mer=Haus, Villen,
Landhäuſer, Güter,
Wirtſchaften, ferner
ſuche Läden, Büro=
Räume, Werkſtätten,
Geſchäfte aller Art,
Adolf Dingeldein,
Im=
mobilien=Büro,
Eliſabe=
thenſtraße 5, 2. Stock,
Telephon 3065. (*20852
Sektkellerei u.
WWeingroßhandl.
PIEPLOM
SKarlſtraße 458
Tel. 1188.
Frauenhaare
kauft
100 Gramm 10000 M.
P. Klein,
Lang=
gaſſe 39. (*20779g0
Mehl= und Brotpreiſe.
Wegen der Erhöhung der
Getreide=
preiſe und der weiteren Steigerung der
Unkoſten wurden die Preiſe für Mehl und
Brot durch die Beſchlüſſe der
zuſtändi=
gen Ausſchüſſe vom 23. d8. Mts. ab wie
folgt feftgeſetzt:
A. Mehlpreis.
Abgabepreis der Mehlverteilungsſtelle.
Einheitspreis für ſämtliche
Mehlarten für den
Doppel=
zentner ohne Sackpfand. . Mk. 419000
B. Brotpreis.
1. 1600 g Brot . . .
Mk. 7800.—
2. 800 g Brot.
Mk. 3900.—
3. Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl im Gewicht von
50 g
Mk. 320.—
Darmſtadt, den 21. Juli 1923.
Lebensmittelamt. (st6201
Zucker=Verkaufund
=Vorbeſtellung.
Der vorbeſtellte Juni=Zucker wird
mit einem Kilo auf den Kopf nebſt einem
halben Kilo Sonderzuteilung gegen
Rück=
gabe der Marke Nr. 83 bis Mittwoch,
den 8. Auguſt, ausgegeben.
Für Häuglinge bis zum Alter von
Jahren und ſtillende Mütter
wer=
den außerdem 1/, Kilo Zucker zugeteilt.
Die dafür gültigen Marken können nach
Vorlage der grünen Milchausweiskarte
auf Zimmer 3 unſeres Amtes abgeholt
werden. Der Preis für Kriſtallzucker iſt
3560 Mk. für das Pfund einſchl. Tüte.
Auf die Marke Nr. 79 kann der
An=
teil für Juli mit einem Kilo nebſt
einem viertel Kilo Sonderzuteilung auf
den Kopf unter gleichzeitiger
Abſtempe=
lung der Bezugsmarke Nr. 93 bis
ein=
ſchließlich Samstag, den 4. Auguſt,
vor=
ausbeſtellt werden. Die Beſtellmarken
ſind durch die Geſchäfte bis ſpäteſtens
Montag, den 6. Auguſt, abzuliefern. Näh.
in den ſtädt. Aushängekaſten. (st6200
Darmſtadt, den 21. Juli 1923.
Lebensmittelamt.
Ich beteilige mich mit
15-20 Millionen an
guten Unternehmen.
Bin ſelbſt erfahrener
Kaufmann. Eilangeb
unt. E 86 an die
Ge=
ſchäftsſt. (*20690sg0
Der Lauſchr
5—6 Zimmerwohn.
in guter Lage, mögl.
mit elektr. Licht uſw.
im 1. Stock, gegen
ſchöne gr. 4
Zimmer=
wohnung mit reichl.
Zubehör. Vergütung
nach Übereinkunft.
Ang: unter W 139
Geſchäftsſt, (5533om
U.I. Hirkus Grey
Der große amerik. Zirkus-Sensationsfilm
in 6 Episoden — 36 Akten.
2. Episode: Gefangen in Meerestiefe.
In der Hanptrolle: Eddie Polo.
Der Tangenichts
Schausp. in 5 Akt. m. Vera v. Stollberg,
Valeria Martens, Ehrhard Siedel.
M A RION
H-1, Die Gesch. ein. Brettldifa i. 5A4kt.
m. Francesca Bertini in der Hauptrolle.
Im Schatten der Ehe.
Abenteurerfilm i. 6Akt. m. Ethel Grabow.
HARRT PIET.
VIr i. d. 6aktig, Abent.-Sensationsfilm
Das schwarge Havert
GIRGUS GRER
I. Epis.: Der geheimnisvolle Schuss.
6 Akte.
Wſßſnt
Gae
Mädchen, welches
in allen Arbeiten
ge=
wandt iſt, ſucht als
Stütze oder 1.
Haus=
mädchen Stellung.
Größ. Gut bevorzugt.
Angeb. u. E 115 a.
d. Geſchäftsſt. (*20784
Weiblich
Für Büro
Anfängerin geſucht
Grafenſtraße 24
Büro. (*20786on
Zuverläſſ. flotte
Stenotypiſting
zum mögl. ſof.
Eintritt geſucht.
Ang. u.
Zeugnis=
abſchriften an
Peter Wiesner
Groß=Umſtadt
(Heſſen). (6180go ß
Ord. Frau od.
Mäd=
chen 2mal für einige
Stunden für
vormit=
tags geſucht. (*20804
Frau Frohmann,
Fuchsſtr. 10.
Saub. ehrl. u. fleiß.
Dienſtmädchen
gegen hoh. Lohn geſ
Pohl
Saalbauſtr. 13. (*-7
Mädchen
zum Spüilen und
Putzen tagsüber
ge=
ſucht. Tiſchler,
Rhein=
ſtraße 2, I. (6184g0
Saub. ehrl. u. fleiß.
Dienſtmädchen
gegen hoh. Lohn geſ.
Müller,
Arheilger=
ſtraße 33. (*20782go
Männlich
Für das
Einkaufs=
büro einer größeren
Maſchinenfabrik tücht.
er
geſucht. Bewerber, die
ſchon längere Zeit
ähnliche Stellung m.
Erfolg bekleidet hab.,
werden berückſichtigt.
Angebote unt. E 33
Geſchäftsſt. (6102fod
zumieten geſacht
2 leere
Zimmer
geg. Abſtandsſumme
zu mieten geſucht.
Angeb. unt. E 57
Geſchäftsſt. (6125sgo
Büro=
möbel
I. Fabriken
Kaſſenſchränke
Schreib= u.
Kontrollkaſſen
Vervielfälti=
gungsmaſchinen
Rechenmaſchinen
Zubehör ete.
liefert prompt
und preiswert
A. Lächler=
Karlſtraße 1.
Tel. 1489. (1782
Darmffädter Tagblat
Deoidnden Somägt
23. Juli 1923 Nr. 201
Rund um Darmſtadt. — Abſchluß der Reichsfahrt des A. D.A. C. — Kohl, Sieger München=Berlin. — Flugzeug= und
Fliegerrennen im Berliner Stadion. — Süddeutſchland ſchlägt Zentralſchweiz 4:3.
Rund um Darmſtadt.
* Das zu einer klaſſiſchen Sportveranſtaltung gewordene alljährliche
Rennen „Rund um Darmſtadt”, das vom Veloeiped=Club
Darmſtadt 1899 ſeit 24 Jahren, alſo ſeit Beſtehen dieſes Vereins,
in jedem Jahr mit ſtetig ſteigendem Erfolg zur Ausſchreibung gelangte.
wurde geſtern zum erſten Male in Gemeinſchaft mit dem
Darmſtäd=
ter Radſportklub 1919 ausgefahren. Die beiden Vereine haben
mit Vereinigung zu gemeinſamem und dadurch großem ſportlichen
Wettkampf ein ſchönes und nachahmenswertes Beiſpiel guten und
ſtar=
ken Sportgeiſtes und ſchöner Einigkeit in ſportfördernden Beſtrebungen
bewieſen. Ein Beginnen, dem gleich ein ſchöner Erfolg beſchieden war.
Selten wohl hat eine radſportliche Veranſtaltung eine ſo ſtarke
Betei=
ligung und ein ſo großes Intereſſe beim Publikum gefunden. Trotz
der frühen Morgenſtunde, auf die der Start in Rückſicht auf die große
Hitze gelegt war, hatten ſich an der Rennbahn an der Heidelbergev
Straße zahlreiche Sportfreunde und freundinnen eingefunden, und
etwa drei Stunden ſpäter, am Ziel, das in der Nähe des
Oberwald=
hauſes war, zählten die Zuſchauer, die die erſten eintreffenden Fahrer
beguüßten, nach Tauſenden. Dieſe Tatſache darf wohl auch als Beweis
dafür angeſprochen werden, daß in Darmſtadt dank der Bemühungen
der beiden größten Vereine, von denen der ältere, der V.C. D., beſten
Ruf in ganz Deutſchland genießt, das Intereſſe an dem ſchönen
Kad=
ſport, das einſtmals anderen techniſchen Errungenſchaften auf gleichem
Gebiet Platz zu machen drohte, in neuem Aufblühen begriffen iſt, wie
ja Darmſtadt überhaupt eine muſtergültige Pflegeſtätte von beſtem Nuf
auf allen Gebicten des Sportes geworden iſt.
Das Rennen war wie immer vorzüglich vorbereitet und wurde
dem=
entſprechend tadellos durchgeführt. In die Oberleitung teilten ſich
diesmal die beiden verdienten Vorſitzenden der Klubs, die Herren Karl
Bauer und Levy, denen ſich eine ganze Reihe von Klubmitgliedern
zur Verfügung geſtellt hatte. Für die Oberleitung hatte die Heſſiſche
AutomobilA. G. unter ihrem Herrn Oberingenieur Georg Hoffmann
zwei Automobile zur Verfügung geſtellt, die auch den Preſſevertretern
die Mitfahrt der Strecke ermöglichten.
Von etwa 50 Gemeldeten ſtellten ſich 43 Fahrer dem Starter,
dar=
unter nicht weniger als acht „alte Herren”, von denen ſechs das Rennen
tadellos zu Ende fuhren. Unter den Jungmannſchaften war
vielver=
ſprechender Nachwuchs zu ſehen, der ſich aus beiden Klubs rekrutierte
und die Vereine beſtens repräſentierte. Wie immer wurde in 3
Grup=
pen gefahren. Die Jungmannſchaften getrennt nach Schlauch= und
Drahtreifenfahrern, welch letztere einige Minuten Vorgabe erhielten,
und die Senioren. Die erſten beiden Gruppen fuhren über Eberſtadt,
Pfungſtadt, Bickenbach, Nieder=Beerbach, Nieder= und Ober=Ramſtadt,
Roßdorf, Spachbrücken. Dieburg, Altheim, Babenhauſen, Dudenhofen,
Urberach, Offenthal, Meſſel—Oberwaldhaus, insgeſamt 94,3 Kilometer.
Die Senioren fuhren die gleiche Strecke gekürzt auf 53,8 Kilometer. —
Heißer Favorit wak wieder der ausgezeichnete Dauerfahrer E. Wolf,
der in dieſem Jahrz bereits eine ganze Anzahl Straßenrennen vont
2—300 Kilometer beſtritten und ſtets gut plaziert war. Er fuhr
wie=
derum ein ausgezeichnetes Rennen von bewundernswerter
Gleichmäßig=
keit. Doch brachte der Endſieg inſofern eine Ueberraſchung, als ſich
er=
gab, daß Wolf in dem bisher unbekannten L. Baumert, vor dem
er mit knapper Radlänge den Sieg nach Hauſe fahren konnte, mit
wei=
tem Vorſprung vor den übrigen Teilnehmern, die in einem weiten
Feld auseinandergezogen waren, Zweiter wurde. Die Gruppen, welche
geſchloſſen mit kurzem Abſtand abgelaſſen wurden, wurden bei der
erſten, aber ſchwerſten Belaſtung, dem Seeheimer Stieg,
auseinander=
geriſſen. Als Spitzengruppe löſten ſich zunächſt fünf Fahrer los, die
aber ſehr bald von Wolf und Baumert verlaſſen wurden, die den
übri=
gen Konkurrenten um 8—10 Kilometer ausriſſen und dann mit dieſem
ſicheren Vorſprung in ſchönem, gleichmäßigem Rennen durchs Ziel
fuh=
ren. Den Sieg entſchied ein kurzer, wenig anſtrengender Endſpurt für
Wolf. Eine ausgezeichnete Leiſtung vollbrachte auch A. Dingeldein,
der hinter Seeheim ebenfalls ſehr zurückgeworfen wurde, dann aber
mächtig loszog und alle vor ihm Fahrenden überholte, ſo daß er mit
ſieben Minuten mehr den dritten Platz belegen konnte. Die übrigen
Reſultate folgen weiter unten.
Für das Rennen, das im nächſten Jahre aus Anlaß des 25.
Jubi=
läums des V.C. D. und angeſichts des ſteigenden Erfolges für ſämtliche
Mitglieder des Bundes Deutſcher Radfahrer freigegeben werden ſoll,
ſo daß wohl etwa 200 Fahrer am Start erſcheinen dürſten, waren von
Klubmitgliedern und Sportfreunden zahlreiche und wertvolle Preiſe zur
Verfügung geſtellt worden. Wolf erhielt am Ziel ſogleich von einem
Sportbegeiſterten einen Sonderpreis überreicht. Er iſt außerdem
end=
gültiger Gewinner des vom Heſſiſchen Automobil=Club
geſtiſteten Wanderpreiſes. Die Herren Direktor Schwarz, Vorſitzender
des Verbandes Deutſcher Rad= und Motorſportverbände, Karl Schwarz=
Darmſtadt und viele andere Klubmitglieder hatten ebenfalls Preiſe
ge=
ſtiſtet. Abends fand in der Turnhalle am Woogsplatz die
Preisvertei=
lung ſtatt, zu der ſich die Radler und Radlerinnen ebenfalls ſehr
zahl=
reich eingefunden hatten. Sie wurden u. a. überraſcht durch die
aus=
gezeichnet gefahrenen Reigen der Kunſtreigenmannſchaft und der Damen
des VC. D., die zu den Deutſchen Meiſterſchaften in Leipzig gefahren
werden.
Im Anſchluß an das Rennen fand gegen 11 Uhr vormittags eine
Propagandafahrt der beiden Klubs durch die Hauptſtraßen der Stadt
ſtatt, die ebenfalls zahlreiche Zuſchauer angelockt hatte.
Das Rennen hatte folgendes Reſultat:
Junioren: 1. Wolf, V.C. D., 3:1135; 2. Baumert, V.C.0
3:1135; 3. Dingeldein, V.C.D., 3:1805; 4. Maſer, V.C.D.,
3:19,38; 5. Ganß, D. R.C., 3:21,40; 6. Fiſcher, V.C. D., 3:3535;
7. Wagner, D.R.C., 3:38,25: 8. Bender, V. C. D., 3:98,30; 9.
Walken=
horſt, V.C. D, 3:32,11; 10. Offenthal, A.. D.R.C., 3:32,14; 11. Niebel,
D.R.C., 3:39,/40; 12. Pech, D.R.C. 3:32,41; 13. F. Kunz, D.R.C.,
3:32,45; 14. Offenthal. H., D.R.C., 3:37; 15. F. Enders, D.R.C. 2.50,10;
16. Weitzel, V. C. D., 3:52,10: 17. Molke, V. C. D, 3:52,20; 18. Andrae,
V. C. D., 3:52,94; 19. Heinz Fiſcher, V.C. D., 3:55,35; 20. Jacobi, V. C. D.,
3:57 50; 21. Gruber, V. C. D., 3:57,52: 22. Hottes, V. C. D., 3:59,35. —
V.C.D., 1:53,40; 3. Thomas, D.R.C., 1:53,43: 4. Naab, V.C. D.,
Senioren: 1. Damus, VC.D. 1:53,38; 2. Walkenhorſt,
V.C.D., 1:53,40: 3. Thomas D.R.C., 1:53,43; 4. Raab, V.C. D.,
1:53,51; 5. Haller, D.R.C., 1:53,51; 6. M. Bauer, 2. R.C., 1:58,58.
U. Sr.
Die A. D.A. C.=Reichsfahrt 1923.
Der diesjährigen Reichsfahrt des A.D.A.C. hatten ſich Schwierig= a
keiten in den Weg geſtellt, die vom Verband Deutſcher
Aiotorfahrzeug=
induſtrieller ausgingen und darauf zurückzuführen ſind, daß der A.D=
A.C. für Sonntag, den 22. Juli, eine Sonderprüfung ausgeichriehen
hatte, deren Art vom V.D.M.J. mißbilligt wurde. Da der A.DA.C.
auf ſeiner Ausſchreibung beſtehen blieb, verhängte der V.D.M.J. über
die Reichsfahrt Reklameverbot, von dem natürlich nur die Induſtrie,
nicht aber der Handel betroffen wurde. Immerhin bleibt es bedauerlich,
daß die zwei bedeutendſten Organiſationen keinen Weg zur Einigung
gefunden haben.
Die Fahrt ſelbſt nahm am Donnerstag in Meiningen bei
heru=
lichem, nicht zu heißem Wetter ihren Anfang. Am Start nahmen 75
Motorräder und 90 Wagen teil.
Der erſte Tag der Fahrt brachte bereits nach etwa 45 Kilometern
eine Sonderprüfung, die bei Münnerſtadt über etwa 7
Kilo=
meter führte, mit einer kurvenreichen 2 Klm. langen Bergſtrecke begann
und einer ſchnurgeraden Schnelligkeitsſtrecke über 5 Klm., die erſt
Ge=
fälle und dann Steigung aufwies, endete. Zu der Sonderprüfung
wur=
den die Fahrzeuge, die vom Start weg in der Reiheniolge ihrer
Motor=
ſtärke — die ſtärkſten zuerſt — abfuhren, neu geſtartet; nach Paſſieren
des Ziel wurde die Fahrt fortgeſetzt. Die Fahrer hatten es alſo an
die=
ſem Tage nicht leicht; denn ſie mußten faſt ohue Pauſe an 300
Kilo=
meter zurücklegen und hatten dabei vorgeſchriebene Stundendurchſchnitts= richtete Volk=Karlsruhe ſchwere Angriffe gegen
Flachsbarth=
geſchwindigkeit einzuhalten. Dieſe Beſtimmung mag ſchon kerſchiedene Frankfurt. Dieſer legte ſein Amt nieder, nahm es aber auf dringende
Strafpunkte gebracht haben, da viele Fahrer den Fehler begingen, ſtel= Gitten nach einiger Zeit wieder auf. Bei dem Antrag, ob über das
lenweiſe zu ſcharfes Tempo zu fahren, um dann ſehen zu müſſen, dieſe neue Spielſyſtem eine Diskuſſion ſtattfinden ſolle, ſtimmten 299 Ver=
Zeit bis zum Tagesziel wieder einzubringen. Eine weitere ſchwere Be= e
dingung der Fahrt iſt, wie bereits früher bemerkt wurde, daß jedes
un=
freiwillige Anhalten verbönt iſt; auch dieſe Beſtimmung hat uanchen
Fahrer Strafpunkte gekoſtet.
Lünzelsau-Heilbronn-Pforzheim. Zweiter Fahrtag, Pforzheim-Wild= 2
bad—Freudenſtadt—Schiltach—Triberg — Villingen. Dritter Fahrtag,
Villingen—Schwenningen—Rottweil—Tübingen-Böblingen—Stuttgart.
Motorräder und Kraftwagen. Erſter Fahrtag,
Mei=
b ningen—Schweinfurt—Wurzburg—Mergentheim—Heilbronn bis
Pforz=
heim. Zweiter Fahrtag, PforzheimFreudenſtadt— Schiltach-Villingen
bis Konſtanz. Dritter Fahrtag, Konſtanz—Friedrichshafen—Ulm—
Geis=
lingen—Stuttgart.
Gefahren wurde in drei Gruppen: Leichtkrafträder, Motorräder und
Kraftwagen. Zunächſt ſind folgende Ergebniſſe feſtzuſtellen, die mit dem
Schnellverfahren errechnet wurden:
Gruppe R Klaſſe 3: Krafträder bis 350 Kubikzentimeter: 1.
Buſ=
ſinger=München, Heßer, 6:37 beſte Zeit der Klaſſe; 2. Wolf=
Gunzen=
hauſen, Ardie, 7:35 4;, 3. Ebner=Nürnberg, Ardie, 7:29.
Gruppe R Klaſſe 4: bis 500 Kubikzentimeter: 1. Mayr=
Mün=
chen, Viktoria, 4:54,2; beſte Zeit des Tages; 2. Kellner=Bamberg,
Vik=
toria, 5:08,4; 3. Frhr. König v. Fachſenfeld=Stuttgart, 5:32,4. In
die=
ſer Klaſſe erwies ſich Viktoria allen anderen glatt überlegen.
Gruppe R Klaſſe 5: über 500 Kubikzentimeter: 1. Kögl=
Mün=
chen, Mabeko, 5:34,2; 2. Bohres=Saarow, Mabeko, 6:053; 3. Holbein=
Ulm. Wanderer, 5:25,1 — beſte Zeit der Klaſſe.
Gruppe k Klaſſe 6, mit Beiwagen: 1. K. Mahlenbrei=
Stutt=
gart, Viktoria, 7:17,4: 2. Kornmann=Karlsruhe, Wanderer, 6:40,4 —
beſte Klaſſenzeit; 3. Neißer=Stuttgart, Viktoria, 9:313.
Gruppe W1, Klaſſe 7. Wagen bis 3,99 PS.: 1. H. Tautenhan=
Zwickau, Hataz, 6:59 — beſte Klaſſenzeit; 2. Beck=Karlsruhe, Grade,
8:03,3; 3. A. Tautenhan=Zwickau, 9:06,2.
Gruppe W 1, Klaſſe 8, bis 4.99 PS.: 1. Wochner=Leutkirch,
N.S.U., 5:36,3 — beſte Klaſſenzeit; 2. Frau H. Wickenhäuſer=München,
N.S. U., 6:39,1; 3. Farny=Düren, N. S.U., 6:32,2. Drei N.S.U=Sieger,
ein glänzender Erfolg!
Gruppe W 2, Klaſſe 9, bis 5,99 PS.: 1. Caraccioka=Stuttgart,
Mereedes, 5:04.1 — beſte Klaſſenzeit; 2. Hamels= Hannover. Disi,
5:12,1;, 3. Kaufmann=Arnſtadt, Leh, 5:49 2.
Gruppe W 2, Klaſſe 10. bis 7,9 PS.: 1. A. Hoffmann=Leipzig,
Dürkopp, 5:39,2; 2. Problewski=Offenburg, Dürkopp, 5:26,2; 3. Michel=
Stuttgart, Selve, 5:36 3.
Gruppe W 2. Klaffe 11, bis 10 PS.: 1. G. Huth=Chemnitz,
Preſto, 5:07,2; 2. Neugebauer=Brieg, N.A. G., 4:59,2 — beſte
Klaſſen=
zeit; 3. Meyn=Darmſtadt, Adler, 5:05.
Die Reichsfahrt iſt heute mit einer Bergprüfung auf der Solitüde=
Bergſtrecke in Stuttgart beendet worden. Während der Fahrt wurden
im ganzen vier Geſchwindigkeitsprüfungen abgehalten, wodurch
Zufalls=
ſiege ziemlich ausgeſchaltet worden ſind. Dies zeigt ſich vor allem
da=
durch, daß in allen Prüfungen faſt immer dieſelben Fahrer an erſter
Stelle ſtehen. Das Ergebnis der langen Fahrt iſt ein recht gutes zu
nennen; es mußte nur ein mäßiger Prozentſatz der Fahrer ausſcheiden.
Bei den Kleinmotorrädern ſind von 77 ſtartenden 68 am Ziel angelangt.
Die großen Motorräder haben ſtärker gelitten, von 79 haben 50 die
lange Fahrt durchgehalten. Beſſer haben die Wagen abgeſchnitten, da
von 93 84 ankamen. Die Kleinmotorräder hatten allerdings eine
weſent=
lich kürzere Strecke zurückzulegen. (Vgl. die Karte in unſerer
Sams=
tagsNummer.)
In der geſtrigen Schlußprüfung bei Friedrichshafen wurden
folgende Ergebniſſe gezeitigt:
Klafſe 3: 1. Buſtinger=München (Heßer) 1,32 Steuer=Ps., 2:32,8,
2. Mayr=München (Ardie) beſte Zeit der Klaſſe 1,17 Steuer=Ps., 3:02,8,
3. Klingenbeil=München Ardie) 1.17 Steuer=Ps., 3:0,2.
Klaſſe 4: 1. MayrMünchen GViktoria) 1,91 Steuer=Ps, 2 Min.,
2. Kellner=Bamberg (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps., 1:57,6 Gbeſte Zeit der
Klaſſe), 3. Freiherr König von Fachſenfeld=Stuttgart (Viktoria) 1,91
Steuer=Ps. 2:11,2.
Klaſſe 5: 1. Högl=München (Mabeko) 2,3 Steuer=Ps., 2:17,/4,
2. Thomaſi=München (Megola) 2,44 Steuer=Ps., 2,.15 (beſte Zeit der
Klaſſe), 3. Bohres, Saarow Mabeko) 23 Steuer=Ps., 2:47,8.
Klafſe 6: 1 K. Mahlenbrei=Stuttgart (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps.,
2:28,8, 2. Reißer=Stuttgart (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps., 3:00,8, 3.
Korn=
mann=Karlsruhe (Wanderer) 2,35 Steuer=Ps., 2:31,8.
Klafſe 7: 1. Beck=Karlsruhe (Grade) 3.08 Steuer=Ps., 2:4,4,
2. Pinkel=Charlottenburg (Omiron) 3,89 Steuer=Ps., 2:54, 3. A.
Tau=
tenhan=Zwickau (Hataz) 3,8 Steuer=Ps., 3:10,8, 4. H. Tautenhan=Zwickau
(Hataz) 3,8 Steuer=Ps.
Klaſſe 8: 1. Wochner=Leutkirch (N S..) 4,72 Steuer=Ps, 2i15,4 bacher „Undine” von 1876, hatte bei günſtigem Wetter eine große
(beſte Zeit der Klaſſe), 2. WickenhäuſerMünchen (N. S.U.) 4,72 Steuer= Beſucherzahl angelockt. Von den vielen gemeldeten auswärtigen Ver=
Ps., 2:38, 3. Farny=Düren (N. S. U.) 4,72 Steuer=Ps., 2:B,6.
Klaſſe 9: 1. Caraccioka=Stuttgart (Mercedes) 5,99 Steuer=Ps.,
2:00 2, 2. Kaufmann=Arnſtadt (Ley) 5.38 Steuer=Ps., 2:104, 3. Lau=
Eiſenach (Disi) 5,99 Steuer=Ps., 2:108.
Ps., 2:13,4, 3. Wroblewski=Offenburg (Dürkopp) 7,99 Steuer=Ps., 2:13. Hauptrennen hatten folgende Ergebniſſe:
Klaſſe 11: 1. Huth=Chemnitz (Preſto) 8,99 Steuer=Ps., 2:00,2,
2. Seidenhuth=Abolda (Avollo) 9,95 Steuer=Ps., 1:532 Gbeſte Zeit des verein (Flinſch) 6:57, 2. Gießener R.K. 1877 (Müller) 7:04, 3. Offen=
Tages), 3. Hanſa AG., Waren in Oldenburg (Hanſa) 805 Steuer=Ps., bacher RV. (Schnabel) 7.158.
2i11.
Radfernfahrt München-Berlin.
das am Samstag und Sonntag über die Landſtraßen rollte. Der Bund
Deutſcher Nadfahrer hatte alle Vorkehrungen getroffen, um das Rennen Höhe. Im Endſpurt mit einer Länge gewonnen.
auch in dieſem Jahre zu einem Ereignis erſten Ranges zu geſtalten.
zwei Etappen. Der Start erfolgte am Samstag 4 Uhr früh in
Mün=
chen. Von dort ging es über die Einſchreibkontrollen Ingolſtadt, Nürn= Sieg überlaſſen.
berg und Kronach nach Pößneck, dem Ziel der erſten Etappe. Am
Sonntag früh um 4.30 Uhr erfolgte die Weiterfahrt über Leipzig
(Zwangspauſe), Luckau (Zwangspauſe), Golßen, Zoſſen, Großbeeren
und Zehlendorf nach Berlin. Für die erſte Etappe München—Vößneck bacher R.V. 6:45,/4, Kolliſion zwiſchen Gießener R.G. und Undine=
(365,9 Km.) hatten ſich 33 Amateure und 26 Berufsfahrer dem Starter
wurden ſie bald von den Berufsfahrern eingeholt und teilweiſe paſſiert, die ganze Strecke. Ingolſtadt ſiegt mit einem Meter Vorſprung.
In Pößneck kamen 14 Fahrer, darunter 4 Amateure, gemeinſam an.
A. Huſchke ſiegte im Endſpurt, vor Noerenberg, P. Kohl, Gehsdorf. Hellas=Offenbach 6:498, 3. R.Spp. Teutonia=Frankfurt 6:57,4.
R. Huſchke, Frake, Kreuder, Berend, Golle und Dobbrack, wobei bei den
Amateuren der Schweinfurter Claß vor Rhodies=Leipzig, Schneiderwind= Germania, 2. Limburger R.K.
Schweinfurt und NitzaMagdeburg ankam. Auf der zweiten Etappe
nach Berlin (318,5 Km.) ſchieden durch Sturz, Defekte und Schwäche R.Sp. Gießen, 3. Offenbacher Undine (aufgegeben). — Zweites Rennen:
die meiſten aus. Den Berufsfahrern enteilten Kohl und Dobbrack bei 1. Offenbacher R.G. Undine, 2. Limburger R.V. Mit einer Länge
Gera und holten die eine halbe Stunde vorher geſtarteten Herrenfahrer gewonnen.
ein. Der Berliner Amateur Elcka kam ſchwer zu Fall und erlitt einen
Schlüſſelbeinbruch und einen doppelten Armbruch.
24:23:39, 2. A. Huſchke 24:36:322, 3. R. Huſchke 24:36:33, 4. Gehsdorf Längen.
24:36:33, 5. Michael 24:36:39 2 — Herrenfahrer: 1. Karl Kohl=
Berlin 25:B:38,4 2. NitzeMagdeburg 25:23:38,8, 3. Doſt=Leipzig (Kolliſion zwiſchen Undine=Offenbach und Oberrad).
2:33:39,2, 4. Rudis=Leipzig 25:38:39, 5. Beck=Hannover 26:00.,38.
* Das Stadion=Radrennen.
Das Stadionrennen um den großen Preis von Berlin kam geſtern
nachmittag um 4 Uhr im deutſchen Stadion zu Berlin zum Austrag.
Das Fliegerrennen brachte den Sieg von Rütt, der in
über=
legener Weiſe Gottfried, Oſtermeher, Henry Meyer und Sennecke ſchlug.
Ahrend war in ſeinem Vorlauf durch Reifendefekt ausgeſchieden. Im
25=Kilometer=Reunen der Berufsfahrer ſiegte Roſellen vor Weiß und
Thomas in 21:932 Minuten.
Fußball.
Die Tagung des Süddeutſchen Fußballverbandes in Stuttgart.
wb. Karlsruhe, 22. Juli. Kurz nach Beainn der Tagung
eine mit 2947 Stimmen mit Ja und 203 Vereine mit 2912 Stimmen mit
Nein. Es konnte alſo die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht erzielt
werden und der Antrag mußte fallen gelaſſen werden. Es bleibt alſo
bei dem voriges Jahr in Darmſtadt gefaßten Beſchluß, wvonach die dier
Leichtkrafträder. Erſter Fahrtag, Würzburg—Mergentheim= letzten Vereine aus der Bezirksliga ausſcheiden. Die Anträge wegen
Neuorganiſgtion und Satzungsänderungen wurden zurückgeſtellt. Dem
amtlichen Organ „Fußball” iſt gekündigt worden. Die Disqualifiketion
von Dr. Neu=Saarbrücken auf drei Monate bleibt beſtehen. Ein Antrag,
dem beſetzten Gebiet eine ſelbſtändige Organiſation zu geben, wurde
abgelehnt. Im weiteren Verlauf der Sitzung griff Geppert=Karlsruhe
den Vorſitzenden ſehr heftig an. Infolge deſſen lehnte der ſeitherige
Geſamtvorſtand die Wiederwahl ab. Das Ergebnis der Neuwahl iſt:
1. Dr. Strecker=Karlsruhe, 2. Cardini=Nürnberg, 3. Schindel=
Worms als Vorſitzende. Flierl=Fürth wurde Schatzmeiſter. Prof.
Glaſer wurde Vorſitzender des Spielausſchuſſes, und Notar Keyl
Ehrenvorſitzender des Spielausſchuſſes. Als Ort der nächſten Tagung
wurde Aſchaffenburg beſtimmt.
Das Fußballwettſpiel Süddeutſchland gegen
Zentral=
ſchweiz gewann Süddeutſchland 4: 3.
Fußballfpiel Techn. Hochſchule Karlsruhe — Techn. Hochſchule Darmſtadt.
Anſchließend an die Südweſtdeutſchen Hochſchulmeiſterſchaften fand
das Nückſpiel gegen die Techn. Hochſchule Karlsruhe ſtatt. Bis zur
Halbzeit licferten ſich beide Mannſchaften ein ſchönes ausgeglichenes
Spiel. Darmſtadt ſchoß das 1. Tor nach 20 Minuten. Nun wurden auf
beiden Seiten die Anſtrengungen verdoppelt: beide Torwächter hatten
manchen gefährlichen Ball abzuwehren; jedoch blieb ein weiterer Erfolg
bis zur Pauſe verſagt. Nach der Halbzeit ſpielt Karlsruhe in alter
Friſche weiter. Beſonders Wels als Rechtsaußen geht ſcharf ran.
Darm=
ſtadt iſt anſcheinend etwas müde. Karlsruhe nützt eine gute
Gelegen=
heit aus und ſendet ein. Nun geht es wieder flotter zu. Doch bleibt
Darmſtadt trotz mancher guten Durchbrüche ein weiteres Tor verſagt.
Man merkt, daß Vettel fehlt, der vor dem Spiel infolge Sehnenzerrung
ausſcheiden mußte. Für ihn ſprang Anſchütz ein; der trotz größter
An=
ſtrengung die Lücke nicht voll ausfüllen konnte. Mit 1:1 gehen beide
Mannſchaften unentſchieden auseinander.
Leichiathletik.
Leichtathletikkämpfe des Sportvereins „Brandenburgia”=Berlin.
Die Ergebniſſe: 100=Meterlauf: Reinhardt=Hamburg 11.4 S.,
— 200=Meterlauf: 1. Eberſtein=Hamburg 22,4 Sek., 2. Reinhardt. —
300=Meterlauf: 1. Jenuwein=München 9:12,6. — 400=Mieterlauf: 1.
Klamm=Berlin 53,7 Sek. — 3X1000=Meterſtaffel: 1. München 1860 7:55,9,
2. Hamburger Sportverein. — Diskuswerfen: Wendt=München 37,28
Meter.
Flugſport.
Das erſte deutſche Flugzeugrennen im Stadion.
Berlin, 22. Juli. (Priv=Tel.) Trotz des böiſchen und
reg=
neriſchen Wetters konnte heute im Stadion in Verbindung mit dem
Radrennen um den großen Preis von Berlin das erſte deutſche
Flug=
zeugrennen ſtattfinden. Gegen acht Uhr näherten ſich dem Stadion
zwei kleine Eindecker, die kurz vorher auf dem Flugplatz Staaken
ge=
ſtartet waren. Ueber dem Stadion warfen beide eine Meldekarte ab
und zurück ging es wieder nach Staaken. Auch dort wurden von beiden
die Meldekarten abgeworfen. Dann flogen ſie wieder zurück nach dem
Stadion, „wo beide faſt zur gleichen Zeit die Ziellinie überflogen.
Immerhin lag die eine Maſchine, D N9 mit Major Carganico als
Führer, eine Kleinigkeit voraus. Das zweite Flugzeug D. W.J.R.,
das mit dem Piloten Raab=Berlin vor einiger Zeit in Berlin Unter
den Linden genotlandet war, war auch heute wieder von Raab
ge=
ſteuert. Nachdem beide Piloten durch elegante Kreisflüge die ſichere
Wendefähigkeit ihrer Maſchinen gezeigt hatten, landeten ſie im
Mittel=
punkt des Stadions, ſodaß das Publikum die beiden Flugzeuge aus
nächſter Nähe beſichtigen konnte. Der Beifall des Publikums über die
gelungenen Flüge war ſehr groß. Beide Maſchinen ſtammen von dem
Stahlwerk Mark in Breslau und ſind mit dreißiapferdigen
zweizglind=
riſchen Haake=Flugmotoren ausgerüſtet. Sie haben eine Spannweite
von 7 Metern und ein Gewicht von 220 Kg. Das Stahlwerk Mark hat
mit ſeinen kleinen Sportmaſchinen den Beweis erbracht, daß deutſcher
Erfindungsgeiſt und Wagemut trotz der Feſſeln des Verſailler
Schand=
diktats leiſtungsfähige Flugmaſchinen herzuſtellen imſtande iſt.
Regatten.
Offenbacher Regatta.
Die fünfte Ruder=Regatta in Offenbach, veranſtaltet von der
Offen=
einen fehlten leider die aus dem beſetzten Gebiet. Der Ruf der
Veran=
ſtaltung hatte jedoch eine große Anzahl auswärtiger Meldungen zu
ver=
zeichnen, unter anderem nahmen der Berliner Nuderklub Hellas und
Klafſe 10: 1. Wöſch=Würzburg (Benz) 7,99 Steuer=Ps., 2:009 der Donau=Ruderklub Ingolſtadt teil. Wegen der zahlreichen Meldun=
(beſte Zeit der Klaſſe, 2. Wickenhauſer=München (N.Su.) 7,99 Steuer= gen mußten ſchon am Samstag Vorrennen gefahren werden. — Die
Begrüßungspreis (Junior=Einer): 1. Frankfurter Nuder=
Vereinspreis (Vierer): 1. Offenbacher R.G. Undine (
Allein=
gang).
Preis von Bürgel (Junior=Achter): 1. Offenbacher R. G.
Un=
dine 5:35,4; 2. Offenbacher, R.V. Hellas 6:02, 3. Frankfurter R.G.
Das längſte Straßenrennen des Jahres 1923 iſt München-Berlin, Oberrad 6:09. Bis 1500 Meter liegen Undine und Hellas auf einer
Hellaspreis (Vierer): 1. Limburger R.K. 6:40, 2. Frank=
Die Geſamtſtrecke betrug 694,4 Km. Wie ſtets, zerfällt die Fahrt in furter R.G. Germania 6:44, 3. Würzburger R.V. 6:52. Germanig
führt bis 1500 Meter, muß jedoch nach hartem Kampf Limburg den
Damenpreis (Doppelzweier ohne St.): 1. Frankfurter N.K.
5:00 4, 2. Limburger N.V. 6:54,2. Ueberlegen gewonnen.
Preis von der Kaiſerlay (Jungmann=Vierer): 1. Offen=
Ofefnbach kurz vor dem Ziel. — Zweites Rennen: 1. Donau=Ruderklub
geſtellt. Da die Herrenfahrer ein nicht zu forſches Tempo einſchlugen, Ingoldſtadt 6:34, 2. Frankfurter R.V. 6:34,3. Schärfſter Kampf über
Leichtgewichts=Vierer: 1. R.K. Griesheim 6:45, 2. R.V.
Preis von Offenbach (Gaſt=Vierer): 1. Frankfurter R.V.
Preis vom Main (Junior=Vierer): 1. Heidelberger R.K., 2.
Preis von der Mainkur (Einer); 1. Frankfurt R.V., 2.
Frankfurter R.G. Germania, 3. Gießener R.G. 4. Frankfurter R.K.
Das Geſamtergebnis iſt folgendes: Berufsfahrer: 1. P. Kohl. ſeufgegeben). Flinſch ſchlägt den vorjährigen Meiſter Leus mit drei
Preis vom Schloß (Jungmann=Achter): 1. Frankfurter R.V.
Taunuspreis (zweiter Achter): 1. R.V. Hellas=Offenbach, 2.
Frankfurter R.G. Sachſenhauſen, 3. Frankfurt R.K., 4. Hanauer N.G.
Aeußerſt ſcharfer Kampf. Von, der prachtvoll rudernden Hellas mit
Luftkaſtenlänge gewonnen.
Undine=Preis (Achter): 1. Würzburger Nuderverein 1875,
2. Frankfurter R.V. Mit einer Länge gewonnen.
Pferdeſport.
Berlin=Grunewald.
Preis von Herdringen, 4300 Mk., 1400 Meter: 1.
Fürſten=
bergs Blücher (M. Schmidt), 2. Sanguiniker, 3. Ceg. 63:10; 16, 13,
16:10. Ferner: Chryſolith, Flemba, Tannenfels, Minor. 1 L., 34 L.
—Rekruten=Rennen, 4300 Mk. 1200 Meter: 1. A. und C. von
Weinbergs Oder (O. Schmidt), 2. Roſkva, 3. Berſeba. 32:10; 14, 94,
20:10. Ferner: Heldraſtein, Leſe, Caprivi, Imperator. Dr. 4 L., 28. —
Einſiedler=Rennen, 5800 Mark, 2000 Meter: 1. Friedheims Kardinal
(Ludwig), 2. Denkſtein, 3. Ferrarg. 19:10; 14, 94:10. Ferner:
Do=
rian. 34 L., 2 L. — Kaiſerdamm=Ausgleich, 4300 Mk., 1400 Meter:
1. Kamils Döberitz (Ludwig), 2. Eidmete, 3. Becherklang. 48:10; 22,
21, 36:10. Ferner: Maifritzdorf, Dida, Cſardas, Gretel, Modepuppe,
Hannelore. 2½s gL., 1 L. — Engelbert=Fürſtenberg=
Rennen 30 000 Mk., 3000 Meter: 1. Hauptgeſtüt Altefelds Wolfram
III. (Zimmermann), 2. Staffelſtab, 3. Veſtalin. 93: 10; 38, 16:10,
Verner: Notung, Kgiros, Perikles. 5 Lg., 4 Lg.
Seite 6.
Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Inli 1923.
Nummer 201.
Amdonttchaft enktenoni, Memnergächt
Des Siedlers Garien und die Bienen.
Von
E. Neumann, Königſtein.
Wenn der Siedler ſeinen Garten anlegt, ſo hat er verſchie=
Hene Geſichtspunkte dabei im Auge. Er will ſein kleines
An=
weſen, das eine ganz neue Welt für ihn bedeutet, möglichſt ſchön
und liebenswert geſtalten, denn ſelbſt die trockenſte und
berech=
nendſte Kaufmannsnatur hat ein mehr oder minder
ausgepräg=
tes Gefühl für Anmut und Schönheit. Ueber allem muß bei den
heute ſo äußerſt ſchwierigen Wirtſchaftsverhältniſſen das Prinzip
der Nützlichkeit ſtehen. Darum muß ſich jeder Siedler, wenn er
auf ſeine Rechnung kommen will, die Frage vorlegen, wie er
ſeine kleine Beſitzung recht rentabel geſtalten kann. Und es
leuch=
tet ohne weiteres ein, daß der die meiſten Vorteile aus ihr
ziehen wird, der dazu die zahlreichſten Hilfsmittel auf ſeiner
Seite hat. Ebenſo klar iſt, daß kein Hauptfaktor dabei unbeachtet
bleibt. Man denkt da ſofort an günſtige Bodenbeſchaffenheit, an
Düngung, Bewäſſerung, gutes Wetter u. a. Einen
Wirtſchafts=
gehilfen von weſentlicher Bedeutung aber läßt man ſehr oft
außer Berechnung — und darum fühle ich mich verſucht, ganz
nachdrücklich darauf zu verweiſen, nämlich was für einen hohen
Wert unſere lieben „Sonnenkinder”, die emſigen Bienen, gerade
für den Siedler beſitzen.
Man hat ſich in Nichtfachkreiſen oft noch gar nicht einmal
ſo recht klar gemacht, was es denn mit der Wechſelwirkung
zwi=
ſchen Pflanze und Biene für eine Bewandtnis hat. Man
er=
innert ſich wohl des kleinen „Spießgeſellen” von den Tagen der
Schulbank her wie vielleicht des Helden einer längſt
verklunge=
nen Sage. Man ſieht wohl auch die gefürchteten „
Stacheltier=
chen” in den mancherlei Blüten wühlend ſich luſtig tummeln;
man hört auch mit Beklommenheit die eifrigen Sammlerinnen
ſummend mit dem Moſt davoneilen und kennt auch ihr ſüßes
Sam=
melgut meiſt nicht bloß vom Hörenſagen; aber über dieſe
augen=
fälligſten Erſcheinungen der Wechſelbeziehungen zwiſchen Pflanze
und Inſekt ſpürt man oft trotz der zahlreichen Anregungen nicht
hinaus. Wäre dem nicht ſo, ſo könnte es ſchon längſt keinen
Siekler mehr geben, der in ſeinem ſchmucken Gärtchen nicht
wenigſtens einige Bienenſtöcke ſein Eigen nennte.
Begleite mich einmal zur Beweisführung meiner
Behaup=
tung im Geiſte in deinen wohlgepflegten Gemüſegarten. Ich
weiß ebenſo wie du, daß dein ſtattliches Kulturerzeugnis an und
für ſich Selbſtzweck, nämlich Nahrungsmittel, iſt, und daß es
weiter nichts als gute Wachstumsbedingungen nötig hat. Willſt
du aber vorteilhaft wirtſchaften, ſo ſorgſt du für das Saatgut des
kommenden Jahres möglichſt allein. Was iſt nun da zu tun?
Ganz einfach! Man zwingt die Pflanze zur rechtzeitigen
Blü=
tenbildung, dann entwickelt ſich der Same. Ganz recht! Aber in
deiner Denkfolge iſt eine weitklaffende Lücke; denn Endprodukt
iſt doch wohl nicht die unmittelbare Folge des Blühens, ſondern
die der Befruchtung, die in den meiſten Fällen ohne Inſekten,
inſonderheit ohne Bienen, nicht recht denkbar iſt. Und je beſſer
die Befruchtung — was gleichbedeutend mit einem guten
Be=
fluge durch die Biene iſt —, deſto erſprießlicher iſt die
Samen=
ernte.
Das Geſagte bezieht ſich ſelbſtverſtändlich auch auf den
Blu=
men=, ganz beſonders aber auf den Obſtgarten, bei welchem es
natürlich weniger auf den Samen als auf die Früchte ankommt.
Man hat vor dem Kriege (um den Wert der Bienenhilfe zu
beleuchten) einmal von fachmänniſcher Seite herausgeklügelt,
daß ſich durchſchnittlich der Bienenſtock durch Befruchten der
Obſtblüten allein mit ungefähr 40 Proz. am Ertrage beteilige.
Bekannt iſt, daß neben Honig und Wachs auch Schwärme nicht
zu verachtende Beigaben ſind, die dem Gewinnkonto zugute
kom=
men. Soll dein Garten jedoch deinen höchſten Anforderungen
gerecht werden, ſo mußt du darauf bedacht ſein, daß du das
Ver=
tragsverhältnis zwiſchen Pflanze und Biene auf beiden Seiten
zu einem recht einträglichen geſtalteſt. Auf der einen Seite
bedeutet das allmählich die Anlage eines ſo großen
Bienen=
ſtandes, daß die Trachtverhältniſſe deiner Gegend genügend
aus=
genützt werden. (Bei Vermehrung der Völkerzahl deiner
näch=
ſten Umgebung kann unter Umſtänden auch eine
Abwärtsbewe=
gung deines Beſtandes angezeigt erſcheinen.) Andererſeits
be=
vorzugen wir möglichſt ſolche Pflanzen, die von den Bienen
in=
folge ihres Honig= und Pollenreichtums recht lebhaft beflogen
werden. Im Blumengarten erſcheinen da u. a. die vielfarbige
Kornblume, die wohlriechende Reſeda, der pollenreiche Mohn,
die honigvolle Kugel= und Edeldiſtel und die Sonnenroſe, und
als ſchützende Hecke die langblühende Schneebeere. — Der
Gemüſe=
garten verträgt keine feſtgelegten Vorſchriften.
Beſondere Freude und Erträge aber ſpendet dir, günſtige
Lebensbedingungen vorausgeſetzt, unter Mitwirkung der Bienen
dein Obſtgarten. Da leuchten aus dem dunklen Grün der Beete
ganze Sträuße ſtattlicher Erdbeeren; da biegen ſich die Zweige
der Himbeeren unter ihrer Laſt; da locken fruchtbeſchwerte
Sta=
chel= und Johannisbeerſträucher Ausdrücke des Entzückens
her=
vor; da drohen ſchwerbeladene Obſtbäume aller Art unter der
Fülle zu berſten. Ueberall reichſter Segen.
*) Entnommen der Zeitſchrift „Der Kleinſiedler”, Leipzig,
Reichen=
bachſche Verlagsbuchhandlung.
Der junge Tod.
Roman von Fritz Demuth.
(Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung des Herrn Verfaſſers und
der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in Stuttgart u. Berlin.)
(Nachdruck verboten.)
66)
Der Hauptmann kehrte zurück, aber Günter ließ ſich jetzt
nicht mehr ſo ſehr durch ihn ſtören wie zuvor, er war luſtig und
erzählte Schnurren aus dem Felde und geriet in Begeiſterung
über ein paar von ſeinen Leuten und über die Deutſchen im
allgemeinen.
Die Vorſtellung, daß unſer Feſteſſen die ſicher nicht reiche
Kaſſe Günters allzuſehr belaſten würde, machte mich
un=
ruhig, ich nahm ihn, als wir die Tafel verlaſſen hatten, beiſeite
und verſuchte, es dahin zu bringen, daß ich zum mindeſten für
uns beide bezahlte, er erhob Einſpruch mit einer Miſchung von
Verlegenheit und Stolz: „Sie können die Einladung wirklich
annehmen, ich hab viel Geld im Felde geſpart,” er brach ab.
„Alſo, haben Sie Dank, Sie ſind wirklich ein lieber Junge.”
Da hatte ich’s ihm ins Geſicht geſagt, wofür ich ihn hielt, und
er freute ſich aufrichtig darüber.
„Haben Sie morgen tagsüber Zeit,” ich vermutete das nach
einer Bemerkung des Hauptmanns, „dann könnten Sie Marie
Louiſe Geſellſchaft leiſten, ich habe mit den neutralen
Militär=
bevollmächtigten zu tun. Wird es gehen?”
„Gewiß, und wenn ich durchbrennen ſollte!”
„Ich hoffe, das wird nicht nötig ſein. Sie können dann
einen Spaziergang mit Marie Louiſe machen.”
„Gern, aber da füllt mir etwas ein, das wäre viel ſchöner.
Ein Kamerad aus meinem Regiment, den ich gleich nach meiner
Herkunft beſucht habe, iſt hier in der Nähe Beſitzer, er leiht uns
ſicher Pferde, er hat mir das gleich angeboten, und einen
Damenſattel hat er auch, denn ſeine Frau reitet, er wohnt gar
nicht ſo weit von Ihrem Hotel, da hole ich morgen früh Marie
Louiſe mit den Pferden ab.”
doch von
„Aber das geht doch nicht, die Pferde k
einem Fremden nicht entleihen.”
Und nun noch raſch einen Blick nach dem „Bienenhauſe!
Dort herrſchte auch nicht etwa Ruhe und Stillſtand. Zelle an
Zelle wurde aus dem begehrten Wachſe aneinander gefügt und
mit Mengen köſtlichſten Gutes gefüllt, auf das die ſorgende,
ſparſame Hausfrau ebenſowohl, wie die nach Süßigkeit und
Kraftnahrung verlangenden kleinen Leckermäuler ſchon längſt
ſehnſüchtig warteten.
Ja, Bienenſtand und Siedlergarten ſind unleugbar eine
gegebene Einheit von nicht zu unterſchätzender Bedeutung, und
eine Quelle edelſter Freude, reinſten Genuſſes und reichen
Er=
trages.
Der praktiſche Kleingärtner.
Gemüſenachkulturen im Spätſommer und Herbff.
Bei der letzten Beſtellung, die im Hochſommer vorgenommen
wird, verwendet man nur Gemüſearten von möglichſt kurzer
Ent=
wickelungsdauer, damit die Pflanzen bis zum Herbſt ihre volle
Ausbildung für die Küche erreicht haben. Aus dieſem Grunde iſt
es empfehlenswert, Frühſorten als Nachkulturgemüſe anzubauen.
Außerdem gibt es ja einige Sorten, die ſich in beſonders kurzer
Zeit entwickeln. Da der Boden ſchon durch eine Vorkultur in
An=
ſpruch genommen wurde, muß auch das Nährſtoffbedürfnis
be=
achtet werden. Bei den ſtark zehrenden Gemüſen, die als
Nach=
frucht Verwendung finden ſollen, muß eine gründliche Lockerung
des Bodens vorgenommen werden. Wenn möglich, muß mit
künſtlichem und flüſſigem Dünger nachgeholfen werden.
Beſon=
dere Beachtung ſchenke man der Bodenbearbeitung mit der Hacke,
weil dadurch die Entwickelung gefördert wird. Nur bei
ſorgfäl=
tiger Behandlung wird man die zu erwartenden Erträge noch
rechtzeitig ernten können.
Beſonders eignen ſich Buſchbohnen und Salatgewächſe zu
Nachkulturen. Mit großer Ausſicht auf Erfolg kann ſelbſt im Juli
noch eine Nachſaat von Buſchbohnen vorgenommen werden, die
bis zum Eintritt der Fröſte genügende Mengen grüner Bohnen
liefert, und zwar eignen ſich faſt alle bekannten
Buſchbohnenſor=
ten, die ja an und für ſich eine kurze Lebensdauer haben und ſich
in den wärmeren Sommermonaten auch ſchneller entwickeln als
die Frühſaaten. Freilich kann dann kein Saatgut gewonnen
wer=
den, da die Bohnen bei ſo ſpäter Saat nicht mehr genügend
aus=
reifen. Aber bei günſtigem Wetter bringen ſie noch einen
außer=
ordentlich hohen Ertrag an grünen Schoten, die für den Winter
eingemacht und getrocknet werden können.
Von Kopfſalat ſollte man ſtets Setzpflanzen vorrätig haben,
um ſie überall hinſetzen zu können, wo ein Plätzchen frei wird.
Von Endivien, werden die Pflänzlinge bis Mitte Juli auf die
Beete gebracht. Feldſalat ſchießt in den heißen Sommermonaten
leicht in Samen; er wird darum erſt wieder von Anfang Auguſt
an ausgeſät. Nachausſaaten von Feldſalat können bis in den
Oktober hinein erfolgen. — Von Ende Juli bis Anfang Auguſt
ſät man Spinat in Abſtänden, von zwei bis drei Wochen, um
immer ernten zu können. Spinat und Feldſalat, werden in
Reihen geſät, um die Entwickelung durch öfteres Hacken beſſer
befördern zu können.
Auch manche Kohlarten eignen ſich zur Nachfrucht, beſonders
der Roſenkohl, der, im Juli gepflanzt, ſich bis zum Herbſt gut
ausgebildet und viele Roſen in den Blattachſeln anſetzt. Wenn
die Bildung der Roſen noch nicht bis zum 20. September
begon=
nen hat, fördert man ſie durch das Ausſchneiden der Spitze. Beim
Roſenkohl kann man ſo recht deutlich ſehen, welche Wunder
ge=
legentlich Dunggüſſe auf die Entwickelung der Gewächſe haben.
Wo Spätkohl wegen beſonderer Verhältniſſe nicht nachkommen
kann, da können wir mit Frühkohlſorten, z. B. Heinemanns Juni=
Rieſen, noch eine gute Ernte erzielen, wenn das Setzen ſpäteſtens
im Juli erfolgt.
Vor allen Dingen, iſt aber der Grünkohl hier zu nennen.
Seine Pflanzzeit dauert bis in den Auguſt hinein, und als
ge=
nügſames Pflanzenweſen kann er überall auf leere Beete geſetzt
werden. Die beſten Sorten für die Küche ſind niedrige und
mit=
telhohe. Man pflanzt ſie in Abſtänden, von fünfzig bis ſechzig
Zentimeter.
Ein mehrjäriger Krauskohl, der im Juli geſetzt und im
näch=
ſten Herbſt und dem darauffolgenden Frühjahr gute Ernten
bringt, iſt der Pflückkohl. Ferner wird Frühlingsſchnittkohl im
September in Reihen von fünfzehn bis zwanzig Zentimeter
Ab=
ſtand geſät und im nächſten Frühjahr wie Spinat geſchnitten und
verwertet.
Setzpflanzen von Kohlrabi müſſen in einem richtig
bewirt=
ſchafteten Gemüſegarten immer vorhanden ſein. Nachzuchten
müſſen darum oft wiederholt werden. Kleintreibende Sorten,
wie Wiener Glaskohlrabi und „Dreienbrunnen” können noch
An=
fang Auguſt gepflanzt werden. In Gruben laſſen ſie ſich bis in
den Winter hinein aufbewahren. Wurzelgemüſe geben vielfach
noch gute Ernten. Beſonders ſind zur Ausſaat im Juli die
klei=
neren Karottenſorten, wie Pariſer und Duwicker, zu empfehlen.
Sie bilden ſich bis zum Eintritt der kühlen Jahreszeit
vollkom=
men aus. Schwarzwurzeln werden dort, wo die
Frühjahrsaus=
ſaat bis zum Herbſt keine verbrauchsfähigen Wurzeln gibt, ſchon
im Auguſt in Reihen auf ein abgeerntetes Beet geſät.
Winter=
rettich kann noch Mitte Juli geſät werden. Er wird dann nicht
zu dick, bleibt zart und ſchießt auch nicht leicht in Samen. Ra=
„Ach, der iſt nicht ſo, da laſſen Sie mich nur machen, wirklich,
das hat gar keine Bedenken.”
Die ganze Reiſe war verſtandesgemäß nicht zu verteidigen;
nun gut, mochte noch etwas geſchehen, was offenbar
unvernünf=
tig war und Marie Louiſe tiefer in die Angelegenheit mit
Gün=
ter hineintreiben konnte, Marie Louiſe ſollte es endlich einmal
ſorglos gut haben, daneben hatten alle Einwendungen zu
ſchweigen.
„Aber wo bekommen wir das Reitkleid für Marie Louiſe
her?”
„Wir telephonieren in Berlin an und laſſen es morgen mit
dem erſten Frühzuge kommen,” rief Günter.
„Nun, nun, Marie Louiſe iſt doch keine extravagante
Dollar=
prinzeſſin!“ Aber Günter bat inſtändig, und ich hatte mich auch
in den Gedanken ſchon zu ſehr hineingefunden, Marie Louiſe die
Freude zu bereiten, als daß ich ihn aufgeben wollte. So ſtimmte
ich zu und ordnete telephoniſch, das Erforderliche in Berlin an.
Mit Günter verabredete ich, daß er um zehn Uhr eintreffen ſolle.
Wir fuhren ſpät nach Hauſe, Marie Louiſe war müde, ich
beſtimmte im Hotel, daß ſie nicht geweckt würde und daß die
Reitſachen, die mit dem Zuge gegen halb zehn eintreffen mußten,
in mein Zimmer gebracht würden. Ich ſelbſt war am nächſten
Morgen bis halb elf Uhr frei und konnte deshalb der
Entwick=
lung beiwohnen, die die Dinge nehmen würden. Alles ging
vortrefflich, wir frühſtückten, und als wir fertig waren, meldete
der Hotelportier, Herr Leumant Pfeil ſei draußen. Nun gingen
wir hinaus und trafen Günter im Veſtibül. Auf der Straße vor
der offenen Haustür führte ſein Burſche zwei hübſche braune,
vollblütige Pferde. Günter lachte über das ganze Geſicht voll
Freude wegen des gelungenen Streiches. „Wir reiten aus,
Marie Louiſe,” ſagte er. Die zeigte auf ihr leicht gearbeitetes
Frühlingskleid. „So kann ich doch nicht reiten.” Aber ich faßte
ſie am Arm. „Das iſt wie im Märchen vom Fiſchlein Timpete,
geh nur hinauf in mein Zimmer, Du findeſt ſchon alles,” und
ich erklärte ihr, was geſchehen war.
Da war wieder das Glück in Marie Louiſens Augen und
in ihren Händen, mit denen ſie die meinen erfaßte, in dem
Vorwärtsdrängen ihres ganzen ſchlanken Körpers.
Schnell eilte ſie davon, und nach einigen Minuten war ſie
und Siedlungsweſen
dieschen werden erſt wieder von Anfang Auguſt ab ausgeſät,
wenn die kühlen und taufriſchen Nächte beginnen. Speiſerüben,
die ſehr lohnend ſind, werden leider noch zu wenig angebaut.
Dieſes leicht heranzuziehende, billige und bekömmliche Gemüſe
muß mehr beachtet und als Nachkultur auf abgeernteten Beeten
beſonders häufig angebaut werden. Als empfehlenswerteſte
Sorten ſeien „Heinemanns weiße Winter” und „Heinemanns
Delikateß” empfohlen. Außerdem kann noch Porree bis in den
Auguſt hinein angepflanzt werden. Die allerfrüheſte weiße
Früh=
jahrszwiebel wird im Auguſt ausgeſät, im Oktober in geringen
Abſtänden auf Beete gepflanzt, überwintert und gibt im Mai
des nächſten Jahres gänſeeigroße Zwiebeln.
Der Kleintierzüchter.
Die Pflege des Zuchthuhns vor der Mauſer.
Die Zuchtzeit iſt beendet und eine Ruhepauſe tritt in dem
Legegeſchäft der Hühner ein. Es iſt falſch, jetzt allein dem
Jung=
geflügel ſeine Aufmerkſamkeit zu widmen. Wer ſeine
Zucht=
hühner vernachläſſigt, ſchädigt ſich ſelbſt. Eine große Gefahr für
die alten Hühner liegt in der gemeinſamen Fütterung mit den
Jungtieren. Sie werden dabei zu fett, weil ſie die jungen Tiere
wegbeißen. Bei dieſen tritt infolge ungenügender Ernährung
eine Stockung im Wachstum ein. Gerade das Junggeflügel muß
reichlich Futter bekommen, die alten Zuchttiere dagegen hält man
lieber etwas knapp, namentlich, wenn ſie ſich nicht genug
Be=
wegung machen können. Bei wertvollen Zuchtſtämmen, von
denen man auch nächſtes Jahr reichliche gute Nachzucht erwartet,
trennt man die Geſchlechter. Die einzelnen Hähne müſſen
genü=
gend Auslauf und Scharraum haben. Körnerfutter, beſonders
Mais, darf nicht viel gegeben werden, um ſo mehr Grünfutter.
Herbſt= und Wintereier von den alten Zuchthennen ſchädigen die
nächſte Nachzucht. Vor Weihnachten ſollen die dazu
beſtimm=
ten Tiere möglichſt nicht mit dem Legen anfangen. Man gebe
den Tieren viel Grünfutter, wenig fettbildende Futtermittel und
Gelegenheit zu viel Bewegung. Nur während der Mauſer füttere
man kräftiger und reichlicher, damit die Tiere ſich ſchnell erholen
und vollbefiedert die kältere Jahreszeit überſtehen. Als
nahr=
haftes und federbildendes Futter iſt friſcher Knochenſchrot in
dieſer Zeit unübertrefflich. Tiere, die ſich zur Zucht nicht
beſon=
ders geeignet haben oder die man aus einem anderen Grunde
nicht behalten will, ſchafft man am beſten vor der Mauſer ab,
ſei es durch Verkauf oder durch Schlachten. Es wäre
unvorteil=
haft, ſolche Tiere noch durch die Mauſer zu füttern.
Hauben= oder Kaiſerenten.
Die Enten ſind noch nicht ſo lange Haustiere wie die Gänſe.
Aber doch iſt bei ihnen eine viel größere Zahl von Abarten
er=
reicht worden als bei den Gänſen. Vor allem bezieht ſich das
auf die Färbung des Gefieders und in der Anzüchtung von ganz
beſonderen, eigenartigen Merkmalen. Die Haubenente wird auch
Kaiſerente genannt. Offenbar iſt ſie eine Spielart der
gewöhn=
lichen Landente. Schon ſeit mehreren hundert Jahren wird ſie
vereinzelt gehalten. Ihre Nutzeigenſchaften ſind derartig, daß
ſie darin von keiner anderen Entenraſſe übertroffen wird. Da
ſollte man ſich eigentlich wundern, daß ſie nicht überall und
all=
gemein gezüchtet wird. Eine Erklärung dieſer Tatſache iſt nur
darin zu ſuchen, daß wir Deutſche nur das bewundern und
be=
vorzugen, was aus dem Auslande ſtammt, was von weither
kommt. Nur ein kleiner Züchterkreis iſt dieſer ſchönen deutſchen
Ente treu geblieben, es iſt ſogar zu hoffen, daß dieſer Kreis jetzt
allmählich ſich vergrößern wird.
Inbezug auf das an die Wandgedrücktwerden hat die
Hau=
benente dasſelbe Schickſal wie zahlreiche andere deutſche
Geflü=
gelraſſen. Früher, als es nur wenige Raſſen und Schläge gab,
ſo ſagt Dürigen in ſeinem Handbuch, war ſie weit verbreitet und
beliebt. Nach Bekanntwerden und Einführung neuer
Erſchei=
nungen wurde ſie beiſeite geſchoben und vernachläſſigt. Es iſt
zwar wahr, daß die Haubenente ſich in Größe und Maſſigkeit
nicht mit den Ausländern, den Rouen, den Aylsburries,
Duclairs, Peking und in eigenartiger Figur nicht mit den
Lauf=
enten meſſen kann. Es iſt auch ſchwierig, eine große, volle,
rich=
tig auf der Kopfmitte (nicht ſchief) ſitzende Haube zu erzielen,
wo=
rauf es ja bei der Beurteilung der Ente und bei Abſchätzung des
Liebhaberwertes hauptſächlich ankommt. Aber gerade die zu
überwindenden Schwierigkeiten müſſen doch den echten Züchter
und Tierliebhaber begeiſtern. Außerdem ſind ja diejeniges
Tiere, bei denen die Haube zu klein oder ſchief geraten iſt, nich
wertlos. Sie geben immer einen leckeren Braten ab.
Wer alſo eine hübſche Ente haben will, die auch, ohne ge
rade ein Rieſentier zu ſein, vom wirtſchaftlichen Standpunkt aus
das Beiwort „Nutzente” wirklich verdient, der möge an den
Hau=
benenten nicht vorübergehen. Das Fleiſch einer jungen
Hauben=
ente iſt von feinem Gewebe und ſaftig wie bei den beſten Maſb
enten. Das Gewicht einer zehnwöchigen Haubenente beträgt
etwa 3 Pfund.
Auch als Legeente iſt ſie hoch zu bewerten. Die meiſten
weib=
lichen Tiere bringen es auf mehr als 100 Stück Eier. Bei
ge=
ordneter Leiſtungszucht kann dieſe Zahl bedeutend überſchritten
werden.
umgekleidet wieder unten, ſie ſah entzückend aus in dem
dunkel=
grauen Reitkleide mit dem Dreimaſter auf dem Kopf. „Nein,
Vater,” ſagte ſie, „daß ich noch einmal reiten würde, hätte ich ia
gar nicht geglaubt.” Aber ehe ich antworten konnte, war ſie
draußen, betrachtete ihr Pferd, klopfte ihm Hals und Flanken
und ſaß auf, Günter hielt neben ihr im Sattel, und nun grüßten
ſie mich beide, ſo jung und ſo froh, daß ich nicht anders konnte
wie mich abwenden, um eine Rührung zu verbergen, die mich
aus der Faſſung zu bringen drohte.
Mein Auto ſtand vor der Tür, ich gab dem Chauffeur einen
Wink, anzukurbeln, und ſchaute den beiden nach, wie ſie die
Straße entlang ritten, ſo ſchlank waren ſie, ſo jung, ſo ſchön.
Ich ordnete an, daß der Chauffeur ein Stück langſan
hinter den Reitern herführe. So ging’s durch die Stadt, ins
Freie, in den Wald. Nun trabten die beiden, und nun ritten
ſie auf einem guten weichen Wege im Galopp vorwärts. Das
Auto blieb immer in gemeſſener Entfernung, ich ſah die
Reitel=
die nichts von meiner Anweſenheit wußten. In zehn Minuten
mußte ich an der Bahn ſein, wir hatten umzukehren und
zurück=
zufahren.
Das Auto wendete. In der dunkelblauen Ferne von
Frühlingshimmel und Kiefernwald entſchwanden, die beiden
meinem Blicke. Eben waren ſie noch dageweſen, nun ſah ich
ſie nicht mehr. Mit voller Kraft fuhr der Wagen zur
Bahn=
wo ich die fremden Militärbevollmächtigten erwartete. Ich
ſollte helfen, ihnen zu imponieren und Einrichtungen für die
Kriegsführung zu zeigen, die mit größter Genauigkeit in
kur=
zeſter Zeit ſehr viel Menſchenleben vernichten konnten, und
dachte dabei an mein junges Kind, das ſein Glück und ſeine
Lebensbejahung vom Rücken ſeines Roſſes, in den heiteren
Frühlingstag hinausatmete.
Der Wald lag hinter mir. Eine wie gute Figur hatten die
beidem zu Pferde gemacht! Marie Louiſe hatte ordentlichen
Reitunterricht empfangen, ſie hatte nichts verlernt.
Ratternd fuhr das Auto über das Straßenpflaſter, mir kan.
der Gedanke: Wenn nun Marie Louiſe etwas zuſtößt? Sie iſt
ſo lange nicht geritten! Aber ſolche Aengſtlichkeit lag mir nicht,
ich wies ſie zurück.
(Fortſetzung folgt.)
Advoke
deutſche
organ