Darmstädter Tagblatt 1923


23. Juli 1923

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Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Nummer 204

Montag, den 23. Juli 1923

186. Jahrgang

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Beitreibung fällt jeder Rahatz wer. Bankkonto=
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Sonderbündeleien.
Mainz, 22. Juli. (Wolff.) Das Werben um die
beutſchen Eiſenbahner hat aufs neue begonnen. Eine
nach Eltville einberufene Verſammlung hatte für die Veranſtal=
ter
einen Mißerfolg. In Mainz ſuchte der berüchtigte
ehemalige Eiſenbahnſrekretär Kirch zuſammen mit dem Son=
derbündler
Müller, dem ſogenannten Klaviermüller,
mehrere Eiſenbahner auf, von denen ihnen bekannt war, daß ſie
für die deutſche Sache fortwährend tätig ſind, um ſie zur Ein=
berufung
einer Verſammlung und zu Verhandlungen mit den
Franzoſen zu bewegen. Sie erklärten dabei, die Franzoſen ſeien
bereit, bei Arbeitsaufnahme die Inhaftierten in Freiheit zu
ſetzen und die Rückkehr der Ausgewieſenen zu geſtatten. Kirch
und Müller wurden mit ihrem Anſinnen ſelbſtverſtändlich ab=
gewieſen
.
Die in Mainz als geräumt gemeldeten Gefängniſſe
ſind faſt reſtlos mit verhafteten franzöſiſchen Sol=
daten
und deutſchen Eiſenbahnern belegt. Von
den für die Unterbringung von Gefangenen in Beſchlag genom=
menen
Schulen haben die Franzoſen noch keinen Gebrauch ge=
macht
.

Vom Tage.
Wie in eingeweihten Kreiſen verlautet, ſoll ſich der Präſident des
Staatsgerichtshofes, Dr. Schmidt, bereits ſeit einiger Zeit mit Rück=
trittsgedanken
tragen.
In Vohwinkel wurden für die engliſche Beſatzungs=
zone
beſtimmte Kohlenzüge von den Franzoſen beſchlag=
nahmt
. Ueber die Freigabe ſchweben zurzeit zwiſchen den Engländern
und Franzoſen Verhandlungen.
Im Zellengefängnis Moabit iſt am Samstag ſpät abends eine Re=
volte
ausgebrochen. Ein ſtarkes Aufgebot der Schutzpolizei mußte ein=
greifen
.
Wie aus Brüſſel gemeldet wird, hat van Oeurerlert ſein Amt als
Präſident der flämiſchen Kammergruppe niedergelegt. Man glaubt, daß
dieſer Zwiſchenfall mit militäriſchen und flämiſchen Fragen zuſammen=
hängt
, van Deurerlert war einer der gründlichſten Anhänger der flä=
miſchen
Sache.
Die in Italien aufgelegte Quote der öſterreichiſchen Völkerbunds=
anleihe
von 200 Millionen Lire iſt ungefähr ſechsmal überzeichnet worden.
Nach einer Havasmeldung aus Angora ſind die türkiſch= polni=
ſchen
Verhandlungen über einen Freundſchaftsvertag in Lauſanne er=
folgreich
abgeſchloſſen worden.
Wie Reuter aus Mexiko erfährt, wurde der bekannte Rebeſſen=
führer
Villa mit ſeinem Sekretär und drei anderen Begleitern er=
ſchoſſen
. Präſident Obregon ordnete an, Villa bei ſeinem Be=
gräbnis
militäriſche Ehren zu erweiſen.

Von
Profeſſor Dr. Melchior Palägyi.
Während die Tſchechoſlowakei, ja ſogar auch Jugoſlawien,
wenigſtens den Schein zu wahren ſuchen, daß ſie über die weni=
gen
Rechte der Minderheiten, die ihnen in den Verträgen mit den
Großmächten zugeſichert ſind, nicht ganz hinwegſehen möchten,
geht Rumänien ſo weit, ſeine nationalen Minderheiten einfach
als nichtſeiend zu betrachten. Rumänien ſteht derzeit bekanntlich
unter der Regierung der liberalen Partei des Herrn Bra=
tianu
, der wie es ſcheint, ſich ernſte Mühe gibt, den Begriff des
Liberalismus falls dies noch notwendig ſein ſollte end=
gültig
zu diskreditieren. Er hat Rumänien mit einer neuen Ver=
faſſung
beſchenkt, die nicht nur ihrer Entſtehungsweiſe, ſondern
auch ihrem ganzen Inhalte nach eine ſolche Parodie des Libera=
lismus
darſtellt und ſo Vollendetes auf dem Gebiete byzantini=
ſcher
Zweideutigkeit leiſtet, daß ſie ſchon aus dieſem Grunde all=
gemeine
europäiſche Beachtung verdienen würde. Wir wollen
nicht dabei verweilen, durch welche außergewöhnliche Wahlmiß=
bräuche
jenes Parlament zu Stande kam, das Rumänien dieſe
neue Verfaſſung beſcherte, denn es genügt uns vollauf, das mit
Mißachtung aller geſetzlichen Formen der Beratung durchge=
peitſchtt
liberale Verfaſſungswerk ſeinem charakteriſtiſchen Inhalt
nach zu betrachten. Da gibt es keinen einzigen bedeutenden Ar=
tikel
, der nicht je ein Freiheitsrecht, den es zu ſichern ſcheint, hin=
terher
durch geeignete Zutaten zurückzunehmen oder illuſoriſch
zu machen verſtände. Die Preßfreiheit wird durch Strafbeſtimm=
ungen
für ihre Mißbräuche, das Vereinsrecht durch den Hinter=
gedanken
einer geſetzlichen Beſtimmung der juriſtiſchen Perſon,
das allgemeine Wahlrecht durch unerhörte Anwendung des Er=
nennungsrechts
mit völliger Willkür eingeſchränkt oder aufge=
hoben
. Und was die Hauptſache iſt: die nationalen Minderheiten
werden durch dieſes liberale Verfaſſungswerk ſchon ihrem Be=
griffe
nach in einfachſter Weiſe aus der Welt geſchafft. Es werden
Rumänen von ſogen. Fremden unterſchieden (Romanii
und Strainii), wobei unter den Fremden eben die rumäiſchen
Statsbürger irgend einer nationalen Minderheit, aber eben ſo
ſehr auch die Bürger fremder Staaten verſtanden werden können,
ſo daß die Minderheiten durch ein bloßes Wortſpiel heimatlos
gemacht, entrechtet und um ihren Beſitz gebracht werden können,
wozu beſonders die ſogenante Agrarreform die bequemſte Hand=
habe
liefert. Kurz dieſe Verfaſſung iſt dazu erſonnen, die Be=
griffe
des Liberalismus und der Korruption zu identifizieren
und als Schule für die ſyſtematiſche Verwahrloſung des ganzen
öffentlichen Lebens zu dienen.
Wir ſind weit davon entfernt, die Verfolgung der Minder=
heiten
in Rumänien einſeitig aus den rumäniſchen Volksinſtink=
ten
erklären zu wollen, vielmehr ſind wir der Ueberzeugung,
daß für dieſe Barbarei in erſter Reihe die Großmächte der En=
tente
verantwortlich ſind. Sie haben die Nachfolgeſtaaten ohne
die geringſte Rückſicht auf organiſatoriſche Volkskräfte, ſowie auf
geographiſche und wirtſchaftliche Einheit aus einer Ueberfülle
von Minderheiten mechaniſch zuſammengeflickt, wobei ſie ſich
teils durch den dunklen Belohnungsgedanken der kleinen, ihnen
im Weltkriege dienenden Völker, teils auch durch die Abſicht, ſie
als Vaſallenſtaaten zu behalten, leiten ließen. Während nun
die Tſchechoſlowakei und Jugoſlawien tatſächlich in wachſende
Abhängigkeit von Frankreich gerieten, nimmt Rumänien eine
Sonderſtellung unter den Nachfolgeſtaaten ein, ſchon aus dem
Grunde, weil es ſich nicht als ſlawiſches, ſondern als romani=
ſches
Volk fühlt: mit wieviel Recht oder Unrecht, kommt hier
nicht weiter in Betracht. Zufolge dieſer romaniſchen Einſtellung
und ſeiner Verbindung mit Italien, fühlt es ſich viel freier den
Großmächten gegenüber, ſetzt ſich alſo über ihre ohnehin ſchwäch=
lichen
Forderungen hinſichtlich der Minderheitsrechte vollſtändig
hinweg und wagt es, die nationalen Minderheiten in der neuen
Verfaſſung einfach totzuſchweigen oder richtiger heimatlos zu
machen. So wird es denn verſtändlich, daß Rumänien zum typi=
ſchen
Lande der neuartigen und hoffnungsloſen Minderheits=
fragen
geworden iſt, die die Weisheit der Großmächte in die
Welt geſetzt hat. Wer alſo das Minoritätenproblem der Nach=
kriegszeit
in ſeiner konzentrierteſten Form ſtudieren will, kann
zunächſt alle übrigen Nachfolgeſtaaten beiſeite, ſchieben und ſich
auf den Muſterſtaat Rumänien, ja auch nur auf einen Teil des=
ſelben
, auf Siebenbürgen, einſchränken, denn hier findet
er alles beiſammen, was zur Vernichtung der nationalen Minder=
heiten
erſonnen werden kann.
Siebenbürgen (mit den angrenzenden Bezirken) iſt ein ganz
eigenartiges, ſehr fruchtbares und an Naturſchätzen reiches Ge=
birgsland
, das in der Geſchichte Ungarns eine ausgezeichnete und
ziemlich ſelbſtändige Rolle ſpielte, und beſonders während der
Türkenzeit, d. h. während des 16. und 17. Jahrhunderts, gerade=
zu
als der letzte Hort des allſeitig bedrängten und halb ausge=
rotteten
Magyarentums gelten konnte. Heute gehört es zu Groß=
rumänien
und es kommen in demſelben außer einer rumäniſchen
Mehrheit, zwei große Minderheiten in Betracht, namentlich die
deutſche Minderheit, mit den Siebenbürger Sachſen als
Hauptvertretern und die magyariſche Minderheit, die vorzüglich
durch das Széklervolk vertreten iſt. Bekantlich wurden die
Sachſen ſchon im 12. und 13. Jahrhundert in Siebenbürgen
koloniſiert und erhielten von dem ungariſchen Arpadenkönig
Andreas II. jenen wichtigen Freibrief, der ihre ſtaatsrechtliche
Stellung für mehrere Jahrhunderte regelte. Sie bildeten eine
eigene Station (Univerſitas Saxonum) mit weitreichender Selbſt=
verwaltung
, eigener Kirchenverfaſſung und hochentwickeltem
Schulweſen und zeichneten ſich durch außergewöhnliche wirtſchaft=
liche
Tugenden, Gewerbefleiß (Goldſchmiedekunſt, Erzauß und
Holzſchnitzerei), ſowie durch ausgeprägten Kunſtſinn aus. Was
nun dieſes alte Kulturvolk unter der neuen rumäniſchen Herr=
ſchaft
zu leiden hat, darüber möge ganz ſachlich ein rumäiſches
Blatt, der Adeverul vom 6. Juli Bericht erſtatten: Es iſt
eine allbekannte Tatſache, daß unter den ſiebenbürgiſchen Minder=
heiten
gerade das ſächſiſche Element es war, das gegenüber dem
rumäniſchen Staat den ehrlichſten Beweis ſeiner Achtung vor
den Geſetzen lieferte. Jedoch, nachdem die liberale Regierung
mit unmöglichen Geſetzen und aſiatiſcher Verwaltung ſämtliche

Poincarés neueſte Sonntagsrede. Aufpeitſchung der nationalen Leidenſchaften. Rede=
feldzug
gegen Llond George. Aufforderung an England, ſich an der Ruhraktion zu beteiligen.

Paris, 22. Juli. (Wolff.) Herr Poincaré hat heute nach=
mittag
bei der Enthüllung eines Kriegerdenkmals in Villers=
Cotterets eine Rede gehalten, in der er ſich wieder mit dem
Reparationsproblem beſchäftigte. Nach einer eingehenden Schil=
derung
der Kriegsereigniſſe des Jahres 1918, in deren Mittel=
punkt
die Gemeinde Villers=Cotterets ſtand, ging Poincaré dazu
über, von der eingehenden Zerſtörungsmethode des deutſchen
Heeres zu ſprechen und ſprach von dem Programm wirt=
ſchaftlicher
Sabotage, das der deutſche General=
ſtab
habe aufſtellen laſſen und von dem die franzöſiſche Regie=
rung
authentiſche Exemplare beſitze. Alles habe vernichtet wer=
den
ſollen, während in Deutſchland nicht ein Schornſtein ver=
nichtet
worden ſei.
Jetzt weigere ſich das Deutſche Reich, ſeine Ver=
pflichtungen
zu erfüllen und den angerichteten Scha=
den
zu reparieren. Dieſen Augenblick habe der ehemalige
Premierminiſter einer alliierten Nation ausge=
ſucht
, um zwiſchen Deutſchland und Frankreich Verwirrung
anzurichten und zu erklären, die verwüſteten Gebiete Frankreichs
ſeien wieder aufgerichtet und man habe nicht das Recht, ſich
über die Ausgaben der deutſchen Regierung zu beſchweren. Was
will Lloyd George damit ſagen? Wenn Deutſchland ſeine Han=
delsflotte
wieder aufrichtet, neue Kanäle baut und das Eiſen=
bahnnetz
entwickelt, handelt es ſich da nicht um Verbeſſerungen?
Geſchieht dies nicht zum Schaden der Forderungen
der Alliierten? Dies alles könne für Lloyd George amü=
ſant
ſein, für Frankreich ſei es traurig und unerträglich, wenn
man ihm vorwerfe, ſeine Induſtriegebiete nicht nach dem alten
Syſtem aufgebaut zu haben. Solle man da nicht zu ſeinem
Ruin auch noch das Verbot der Ausnützung des Fortſchrittes
hinzufügen? Gerade dieſe Paralyſe habe Deutſchland im Auge
gehabt, als es ſeine Vernichtungspläne aufſtellte.
Poincaré zitierte darauf einige Stellen aus der von ihm
angeführten deutſchen Broſchüre über die Vernichtung der fran=
zöſiſchen
Induſtrie und fragte, ob man dieſe intereſſante Tatſache
vergeſſen könne. Lloyd George habe dieſe Schrift im Verlaufe
des Jahres 1919, als man den Friedensvertrag ausarbeitete, in
Händen gehabt. Die Engländer würden gut daran tun, wenn
ſie ihr Augenmerk auf andere, näherliegende Dinge richteten.
Warum ſeien ſie denn nicht mit Frankreich in das Ruhrgebiet
eingedrungen? Sie würden dann viel beſſer und klarer die Ge=
fahr
der Zukunft erkennen. Sie müßten ſie in der ungeheuer=
lichen
Organiſation der deutſchen Induſtrie finden. Das müß=
ten
ſie erwägen. Es ſei nicht nur die ungeheuere horizontale
Organiſation, die die Unternehmer gleicher Produktionszweige
gründeten, es ſeien auch die ungeheueren Konventionen, die
nicht nur die Produzenten ein und desſelben Artikels, ſondern
von oben bis unten die Form der Produktion von Rohmateria=
lien
bis zu den Fertigfabrikaten einander näherbrächten. Sie
ſeien ungeheuere Kräfte, geſtärkt durch die Einheit der Leitung.
Die Bergwerke, Stahlwerke, Gießereien und alle Produktions=
mittel
würden ſo zuſammengefaßt, und dadurch hätten die Kon=
zerne
das Nationalvermögen in ihren Händen. Jeden Tag
ſetzten ſie ſich in den Beſitz von neuen Unternehmungen. Sie ſeien
die Herren der dentſchen Preſſe und der deut=
ſchen
Regierung, ſie machten die deutſche Republik einer
neuen Kaſte untertan, die ebenſo hochmütig ſei wie die der
Junker und die ſich ebenſo heftig gegen die Freiheit des Vol=
kes
wende.
Dies ſei ein Syſtem wirtſchaftlicher und ſozia=
ler
Uinterdrückung, das ſich als natürlicher Verbündeter
der militäriſchen Reaktion im Herzen Europas feſtſetze. Gebe
es etwas, was dem demokratiſchen Gedanken mehr zuwiderlaufe,
als deren Hüter ſich die beiden großen weſtlichen Demokratien
bezeichnet hätten? Wenn man jetzt die Unklugheit beſäße, in
einen feſten Rahmen die Zahlungsfriſten des Deutſchen Reiches
einzuſchließen, dann würde es ſich raſch den Maßnahmen der
Alliierten fügen und unter dem Einfluß der außerordentlichen
Entwicklung der Induſtriekräfte ſich bald emporarbeiten. Deutſch=
land
werde dadurch den wirtſchaftlichen Vorxang erobern und
zu gleicher Zeit in der Welt einen Skandal rückſtändig=
ſter
und unmoraliſchſter Beherrſchung erregen. Um
dieſe Gefahr zu beſchränken, müßten ſich England, Frankreich,
Belsier und Italien enger vereinigen. Sie wüßten es verſtehen,
hinter der Camouflage die Wahrheit aufzuſtöbern. Genügt es
nicht, um die Alliierten aufzuklären, daß ſie das Ruhrgebiet be=
ſuchten
und eine Reiſe nach dem Ruhrgebiet unternähmen?

Wenn ſie es geſehen hätten, wären ſie aufgeklärt. Wünſchen
wir, ſo ſchloß Poincaré, daß keiner unſerer Freunde eine kurze
Enquete unterläßt, die alle Menſchen mit geſundem Verſtand
durchführen können. Hoffen wir, daß man unter dem Vorwand,
einen unglücklichen Schuldner zu ſchonen, nicht den Betrug und
die Ungerechtigkeit ermutigt, daß man nicht die ruhmreichen Er=
rungenſchaften
des Krieges vergißt, daß man eine verwüſtete
Gegend nicht vernachläſſigt und für die Zukunft den Triumph
einer fremden Plutokratie vorbereitet. Wünſchen wir, daß es
ſpäter niemand zu bereuen habe, die Warnungen Frankreichs
überhört zu haben.
Paris hüllt ſich in Schweigen.
Paris, 22. Juli. (Wolff.) Havas teilt offiziell mit: Im
Miniſterium des Auswärtigen wahrt man ſtrengſtes Stillſchwei=
gen
über die engliſchen Dokumente, die geſtern mittag in Paris
eingetroffen ſind. Man geht ſo weit, daß man erklärt, die Ver=
handlungen
zwiſchen Paris und London würden unterbrochen
werden, wenn es zu Indiskretionen käme. Dementſprechend
hüte man ſich im Quai d’Orſay, irgendwie zu kommentieren oder
einen Eindruck irgendwelcher Art mitzuteilen.
Poincaré hatte geſtern nachmittag eine ziemlich lange Unter=
redung
mit dem engliſchen Geſchäftsträger, der den beurlaubten
Botſchafter vertritt. Nach dem politiſchen Redakteur der Havas=
Agentur iſt auch anzunehmen, daß Poincaré ſchon geſtern abend
ſeine Anſicht über die engliſchen Dokumente nach Belgien mitge=
teilt
hat, mit dem der Meinungsaustauſch auf diplomatiſchem
Wege zwecks Formulierung einer gemeinſamen Antwort fort=
geſetzt
werden ſolle. Das Petit Journal nimmt an, daß in
Brüſſel kein mündlicher Meinungsaustauſch, ſondern ein ſol=
cher
mit Hilfe ſchriftlicher Noten gewünſcht wird.
Der Matin befürchtet, daß Frankreich und Belgien ge=
zwungen
ſein könnten, Deutſchland in der Frage des paſſiven
Widerſtandes eine beſondere Antwort zu erteilen, was das Ge=
genteil
der von England ausgeſprochenen Hoffnung auf Wieder=
herſtellung
einer alliierten Einheitsfront wäre. Dieſen Ge=
dankengängen
gegenüber bringt nur die Ere Nouvelle Ver=
ſtändnis
für die engliſchen Bemühungen auf, die allgemeine
Frage der Reparationsprobleme gegenüber der Ruhrfrage im
engeren Sinne in den Vordergrund zu ſtellen.
Frankreichs Furcht vor der Oeffentlichkeit.
Poincaré droht mit Abbruch der Verhand=
lungen
, wenn Indiskretionen begangenwerden
ſollten.
TU. Paris, 23. Juli. Das vom Quai d’Orſay aufgege=
bene
Schweigeverbot, das engliſche Dokument betreffend, iſt bis
jetzt von der Pariſer Preſſe getreu befolgt worden. In maß=
gebenden
Pariſer Kreiſen wird in einer verblümten Mahnung
an England Gewicht auf die Feſtſtellung gelegt, daß man auf
franzöſiſcher Seite keine Indiskretionen vertragen könne. In
der Tat ſoll Poincaré gedroht haben, daß Indiskretionen das
Ende der Verhandlungen zur Folge haben würden.
Das engliſche Dokument in Amerika.
* London, 22. Juli. (Priv.=Tel.) Einer Meldung der
Morning Poſt aus Waſhington zufolge weigert ſich das ame=
rikaniſche
Staatsdepartement mit Rückſicht auf das
engliſche Erſuchen, über die engliſche Note eine Mitteilung zu
machen. Es beſchränkt ſich darauf, den Empfang der Schrift=
ſtücke
durch den amerikaniſchen Botſchafer in London zu beſtäti=
gen
. Das Staatsdepartement teilt außerdem mit, daß eine In=
haltsangebe
der Note an den Präſidenten, der ſich zurzeit in
Alaska aufhalte, gekabelt wurde. Der volle Wortlaut der Note
werde ihm bei ſeiner Ankunft zugeſtellt. Was die zukünftige
Haltung Amerikas anlange, ſo könne man, ſich nur in
Vermutungen ergehen. Wenn die Berichte verſchiedener
Blätter über den engliſchen Vorſchlag betreffend die Einbe=
rufung
internationaler Sachverſtändiger ſich be=
wahrheiten
, ſo dürfte dieſer Vorſchlag von Amerika günſtig auf=
genommen
werden, wenn er einem Hinweis, den Staatsſekretär
Hughes gemacht habe, entſpreche.

Unſere heutigeN
den Sport des Sonutags

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Seite 2.
ſiebenbürgiſchen Elemente (alſo auch die ſiebenbürgi=
ſchen
Rumänen!) gegen ſich herausforderte, bringt nun Miniſter
Dr. Anghelescu, der bekannte Fremdenfreſſer, den Becher zum
Ueberlaufen, indem er verordnet, daß vom 1. September ab alle
ſächſiſchen Schulen die rumäniſche Unterrichtsſprache einzuführen
haben und die deutſchen Profeſſoren in dieſer Sprache unter=
richten
müſſen. Dieſer chauviniſtiſche Miniſter glaubt nicht dar=
auf
achten zu müſſen, daß die betreffenden Profeſſoren der rumä=
niſchen
Sprache nicht ſo weit mächtig ſind, und auch darauf nicht,
daß die Sachſen im Sinne des Karlsburger Abkommens das
Recht haben, in ihren eigenen Schulen ihre Mutterſprache zu
gebrauchen. Der bekannte rumäniſche Patriot Univerſitäts=
profeſſor
Jorga gibt in der Hermanſtädter Deutſchen Tages=
poſt
eine bedeutſame Erklärung ab, die eine vollſtändige Beſtä=
tigung
der oben zitierten Auffaſſungen und die folgende charakte=
riſtiſche
Bemerkung enthält: Die allerdümmſte Verordnung iſt
aber diejenige, welche die Schulen den Deutſchen entreißt, um
in dieſelben die rumäniſche Unterrichtsſprache einzuführen, denn
ſo wird man die Sachſen ſicherlich in die Arme der Magyaren
zurücktreiben."
Daß es den magyariſchen Minderheiten, insbeſondere den
Szeklern, womöglich noch ſchlimmer ergeht, braucht kaum noch
beſonders erwähnt zu werden: Sie unterliegen denſelben un=
möglichen
Geſetzen derſelben aſiatiſchen Verwaltung und
noch ſtrengeren Schulverordnungen, auch wird ihr Bodenbeſitz
durch die ſogenannte Agrarreform noch rückſichtsloſer enteignet.
Wir bemerken nur ergänzend über die Szekler, daß ſie ein ſelb=
ſtändiger
maghariſcher Stamm ſind, der ſich direkt von den Hun=
nen
ableitet und in der Geſchichte Ungarns von jeher wegen ſei=
ner
militäriſchen Eigenſchaften die Rolle eines Grenzwächters,
ſpielte, übrigens aber durch eigene Kultur und eigenes Schul=
weſen
hervorragt. So waren z. B. die beiden Bölyai, Wolfgang
und Johann (Vater und Sohn), Szekler und weltberühmte
Mathematiker, der jüngere Bölyai iſt überdies als Begründer
der nichtenklidiſchen Geometrie bekannt. Die Herren Clemenceau,
Lloyd George und Wilſon, die über das Schickſal Sieben=
bürgens
entſchieden, hatten ſicherlich keine Ahnung von der Kul=
tur
der Siebenbürger Sachſen und Szekler und durften mit
größter Seelenruhe ſolche Volksſtämme heimatlos machen und
ſie dem edlen Liberalismus eines Bratianu ausliefern.
Zum Schluß ſei hervorgehoben, daß gerade die in Sieben=
bürgen
zuſtändige rumäniſche Mehrheit über die gekennzeichneten
Minderheitszuſtände in tiefſter Seele entrüſtet iſt. Die Führer
der Siebenbürger Rumänen, Maniu und von Vaida, die ehe=
dem
dem ungariſchen Parlament angehörten, waren damals
rumäniſche Irredentiſten, die für eine Losreißung von Ungarn
und für den Anſchluß an Altrumänien ſchwärmten. Immerhin
haben ſie in der Siebenbürger rumäniſchen Natio=
nalverſammlung
in Karlssburg vom 1. Dezember 1918,
die die Vereinigung mit dem Königreich Altrumänien ausſprach,
jeder Minorität das Recht zuerkannt, in eigener Sprache durch
eigene Söhne unterrichtet, gerichtet und verwaltet zu werden,
Wahrlich, dieſe trefflichen rumäniſchen Patrioten dürfen nun=
mehr
aufrichtig beklagt werden, denn ſo ſehr ſie ſich dagegen ſträu=
ben
, müſſen ſie doch Schritt für Schritt erkennen, daß ſie
abendländiſch orientierte Rumänen ſind, die eine
weſentlich andere Auffaſſung von nationaler Kultur, nationaler
Regierung und Verwaltung haben, ja überhaupt einer anderen
Weltanſchauung huldigen, als ihre orientaliſch und balkaniſch
geſinnten Brüder in Altrumänien. Dadurch bewahrheitet ſich
die Theſe, die wir in vorausgehenden Artikeln verfochten, wonach
der Weltkrieg eine ganz neue Art von Minoritätsfragen ge=
ſchaffen
hat. In den Nachfolgeſtaaten ſpielen nicht die fremden
Minderheiten, ſondern die der herrſchenden Raſſe verwandte
Minderheit die Hauptrolle. Die Slowaken ſind die eigent=
lichen
Gegner der Tſchechen, die Kroaten, Slowenen und Bos=
nier
die eigentlichen Gegner der Serben. Und wie verhält es
ſich in Rumänien? Hier findet ein höchſt ſeltener und lehrreicher
Prozeß ſtatt. Hier ſpaltet ſich das rumäniſche Volk faſt mit inne=
rer
Notwendigkeit in zwei gegenſätzliche, wenn auch verwandte
Nationen. Rumänien will die fremden Minoritäten vernichten
und zertrümmert die eigene Raſſe. Man ſieht in Siebenbürgen
förmlich ein neuartiges abendländiſches Rumänenvolk erſtehen,
im vollen Gegenſatz zum byzantiniſchen Altrumänien. Hat die
Weisheit der Großmächte dieſen Erfolg ihrer genialen Friedens=
verträge
auch nur geahnt?

Günſtige Aufnahme der Note in Belgien.
* Paris 23. Juli. (Priv.=Tel.) Der Brüſſeler Sonder=
berichterſtater
des Intranſigeant hatte mit dem belgiſchen Mini=
ſter
des Aeußern Jaſpar eine kurze Unterredung, der ſich je=
doch
geweigert hat, irgendwelche Angaben über die engliſche Note
zu machen. In maßgebenden politiſchen Kreiſen wurden dem
Korreſpondenten jedoch folgende Informationen gegeben, die er
ſeinem Blatte drahtete: Die engliſche Note, die geſtern und
vorgeſtern vom balgiſchen Kabinett geprüft worden ſei, habe im
erſten Augenblick keinen ſchlechten Eindruck gemacht. Die Note
laſſe einen Weg zu Verhandlungen offen. Der Ton ſei günſtiger,
als man im allgemeinen angenommen habe. Gewiß ſeien ver=
ſchiedene
ſchwierige Punkte da, aber man dürſe nicht vergeſſen,
ſchreibt der Korreſpondent, daß der Text der Note nicht unab=
änderlich
ſei. Der Begleitbrief fordere dazu auf, den Text der
Note durch Vorſchläge Frankreichs un Belgiens abzuändern.
Dieſer Aufforderung werde man ſicherlich nachkommen. Die wei=
teren
Verhandlungen dürften zunächſt auf diplomatiſchem Wege,
ſpäter aber direkt ſtattfinden. Für den 23. Juli iſt ein belgiſcher
Miniſterrat einberufen, auf dem Theunis und Joſpar Bericht er=
ſtatten
werden. Eine direkte franzöſiſch=belgiſche Ausſprache
würde in der kommenden Woche noch nicht ſtattfinden. Zunächſt
würden auf dem üblichen Wege durch die Botſchafter Beſprechun=
gen
mit den Regierungen erfolgen. Es ſei große Ausſicht vor=
handen
, daß man ſchließlich zu einer Einigung gelangen könne.
Jedenfalls ſei nichts in dem engliſchen Vorſchlag vorhanden,
das im Gegenſatz zum Verſailler Vertrage ſtände. Die belgiſche
Lohalität müſſe Paris die Möglichkeit geben, auf die Hilfe der
Brüſſeler Regierung zu rechnen, um einen weiteren Druck
auf Deutſchland auszuüben.
Kabinettsrat in Brüſſel.
* Paris 23. Juli. (Priv.=Tel.) Die belgiſch=franzöſiſche
Fühlungnahme wird noch nicht dieſe Woche erfolgen, da die bel=
giſchen
Miniſter infolge der Kammerverhandlungen über die
flamiſche Frage in Anſpruch genommen ſind. Immerhin wird
ein erſter Meinungsaustauſch auf ſchriftlichem Wege erfolgen.
Morgen wird in Brüſſel ein Kabinettsrat zuſammentreten, der
ſich mit dem engliſchen Dokument beſchäftigen wird.
Abrüſtungsbeſprechungen.
London, 22. Juli. (Wolff.) Reuter meldet, daß der
Sonderausſchuß der zeitlichen gemiſchten Kommiſſion des Völ=
kerbundes
für die Verminderung der Rüſtungen dieſe
Woche unter dem Vorſitz Lord Robert Cecils tagte. Der
Ausſchuß ſtellte den Text fertig, der der Kommiſſion bei ihrer
Zuſammenkunft in Paris Ende des Monats vorgelegt, und, falls
er gebilligt wird, dem Völkerbundsrat und der Völkerbundsver=
ſammlung
unterbreitet werden ſoll. Der Sonderausſchuß prüfte
auch den neuen Vorſchlag Robert Cecils betreffend die Errich=
tung
von entmilitariſierten Zonen auf beiden
Seiten der nationalen Grenze. Zu den Mitgliedern dieſes Son=
derausſchuſſes
gehören u. a. der franzöſiſche Arbeiterführer Jou=
haux
, der italieniſche Botſchafter in Paris und General Sarrail.

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Juli 1923.

Die britiſche Politik.

London, 22. Juli. (Wolff.) Der diplomatiſche Bericht=
erſtatter
des Daily Telegraph behauptet über den Antwort=
entwurf
an Deutſchland und die Mantelnote folgende
Angaben machen zu können:
Der Antwortentwurf enthalte eine grundſätzliche Zuſtim=
mung
der Forderung der deutſchen Regierung betreffs Feſt=
ſtellung
der deutſchen Zahlungsfähigkeit durch
einen internationalen Sachverſtändigenausſchuß, vermeide es
aber ſorgfältig, bezüglich der ſchließlichen Zuſammenſetzung die=
ſer
Körperſchaft ſich feſtzulegen. Er ſchlage vor, die drei Arten
der von Deutſchland angebotenen Garantien in Erwägung
zu ziehen, ohne ſich jedoch über die Frage ihrer Voſtſtändigkeit
oder Unzulänglichkeit auszuſprechen. Hinſichtlich der dritten
Forderung Deutſchlands, mit den Alliierten auf einer Konferenz
zu mündlichen Verhandlungen auf der Grundlage der
Gleichberechtigung zuſammenzutreffen, ſei der Entwurf vielleicht
etwas weniger präzis, jedoch nicht ungünſtig. Die Note enthalte
keine Verurteilung des paſſiven Widerſtandes.
Der Entwurf der Antwort enthalte anſcheinend eine Anſpielung
auf die Ruhr und den paſſiven Widerſtand, aber wenig mehr.
Das bedeute nicht, daß in England nicht der Wunſch nach einer
baldigen Einſtellung des paſſiven Widerſtandes weit verbreitet
ſei. Sollte dies eintreten, ſo müßte Deutſchland in der Lage
ſein, ſich auf Zuſicherung gerechter Behandlung
durch die Allierten verlaſſen zu können. Eine ſolche Zuſicherung
werde ſicherlich von der Mehrzahl der letzteren gegeben werden.
Außerdem ſoll in dem Entwurf ein britiſcher Vorſchlag über die
Mäßigung des franzöſiſchen Drucks im Ruhr=
gebiet
enthalten ſein. Der britiſche Standpunkt gegenüber der
Ruhrfrage werde, wie verlautet, ziemlich ausführlich dargelegt.
Die in der Parlamentserklärung in der vorigen Woche vorge=
brachten
Erwägungen politiſcher, wirtſchaftlicher, ſozialer und
moraliſcher Natur würden noch ausführlicher, überlegender und
überzeugender wiederhokt, ſowohl was die britiſchen, als auch
mehr die allgemeinen Intereſſen der Welt angehe.
Die Mantelnote wende ſich an das moraliſche Ge=
wiſſen
der Welt. Gleichzeitig ſei ſie praktiſch geſchäftsmäßig
und geſchickt und vermeide es, durch vorzeitige Erwähnung
nebenfächlicher Punkte, die unüberwindliche Hinderniſſe für eine
Einigung werden könnten, eine künſtliche Kriſe hervorzurufen,
und zwar in dem Gedanken daran, daß eine allgemeine Verein=
barung
über die weſentlichen und dauernden Faktoren automa=
tiſch
die ſekundären, aber unangenehmen Meinungsverſchieden=
heiten
beſeitigen könnte. Der praktiſche Angelpunkt der britiſchen
Theſ= ſei der Vorſchlag betreffs der Ernennung einer
Sachverſtändigenkommiſſion, die in dem vom Ver=
ſailler
Vertrag gegebenen Rahmen arbeiten könne. Dieſe Kör=
perſchaft
werde feſtzuſtellen haben, bis zu welchem Maß die deut=
ſchen
Hilfsquellen für die Reparationen herangezogen werden
ſollen, auch werde ſie die Zahlungsmethoden zu erwägen haben.
Einzelheiten, wie die Frage der interalliierten Schul=
den
würden in der Mantelnote nicht erwähnt. Dieſer
Punkt ſei Gegenſtand zur Verhandlung durch die wirtſchaftliche
Vollkonferenz. Außerdem erhebe man Einwände dagegen, daß
die Reparationsfrage mit der der alliierten Schulden an die
Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht werde. Zum
Schluß hebe die Mantelnote hervor, daß der Entwurf der Ant=
wort
an Deutſchland keinen endgültigen Text darſtelle, und daß
der Inhalt auf Grund von Beſprechungen under den Alliierten
geändert werden könne. Der Berichterſtatter ſchließt: Wenn trotz
des aufgewandten Taktes und der Verſöhnlichkeit der britiſchen
Diplomatie eine interalliierte Kriſe entſtehen ſollte, ſo werde die
Verantwortung nicht bei ihr liegen. Wenn dieſer Fall eintrete,
werde die Frage der Entwicklung einer freimüti=
gen
britiſchen Politik in den Vordergrund treten. Dieſe
Politik würde nicht nur von der britiſchen Regierung, ſondern
auch von den Regierungen der überſeeiſchen Dominions und In=
diens
, die ja den Friedensvertrag mitunterzeichneten, erwogen
werden. Ein Anfang hierzu wurde bei dem letzten Meinungs=
austauſch
zwiſchen London und den Regierungen der Dominions
über die enropäiſche Kriſe gemacht. Dies ſei ein Punkt, den die
Allierten nicht überſehen könnten.
Franzöſiſche Ableugnungsverſuche.
TU. London, 22. Juli. Die franzöſiſche Regierung hat
in den letzten Tagen hier die Erklärung abgegeben, daß ſie
keine Sonderbeſtrebungen im Rheinland unterſtütze und ſie in
bezug auf die Sicherſtellung der Grenze Frankreichs am Rhein
nicht über die Forderung hiausgehen werde, daß das Rhein=
land
ein Bundesſtaat mit den autonomen Rechten
wie Sachſen und Bayern innerhalb Deutſchlands werde.
Von den internationalen Handelskammern.
Das deutſche Eigentum im Auslande.
Paris, 21. Juli. (Wolff.) Hier hat geſtern der Ausſchuß
der internationalen Handelskammern unter deren neuem Vor=
ſitzenden
, dem Amerikaner Booth, ſeine Arbeiten aufgenommen.
Er nahm eine Reſolution an, die den Zweck hat, dem Ausſchuß
das ſtatiſtiſche Material aus ſämtlichen Ländern zu verſchaffen,
die Geſchäftsbeziehungen zu Deutſchland unterhalten. Das Ma=
terial
ſoll Angaben enthalten über den Umfang des Geſchäfts der
einzelnen Länder mit Deutſchland und möglichſt genaue Ziffern
über deutſchen Beſitz und Kredit in den verſchiedenen Ländern.
Tſchechiſch=franzöſiſcher Konfliktsſtoff.
TU. Prag, 22. Juli. Die Regiſtrierung der zur Zeit des
Weltkrieges von den Deutſchen aus Frankreich weggeſchafften
Textilmaſchinen, die von tſchechiſchen Firmen dann aus
deutſcher Hand angekauft und bezahlt wurden, iſt jetzt in Prag
beendet worden. Die franzöſiſche Regierung beſteht auf der
Herausgabe dieſer Maſchinen ohne Entſchädigung, während die
tſchechiſchen Spinnereien die Rückzahlung der von ihnen bezahl=
ten
Beträge verlangen. Die franzöſiſche Induſtrie fordert des=
wegen
zum Boykott der tſchechiſchen Garn= und Textilinduſtriel=
len
auf.
Ein Erfolg Muſſolinis.
Die Wahlreform angenommen.
Rom, 22. Juli. (Wolff.) Die Kammer beendete geſtern
die Erörterung des Geſetzentwurfes über die Wahlreform. Der
Text der Regierungsvorlage wurde bis auf unweſentliche Ab=
änderungen
in geheimer Abſtimmung mit 223 gegen 123 Stim=
men
angenommen. Dieſes Ergebnis wurde vom Hauſe leb=
haft
begrüßt. Muſſolini erklärte die Kammer für bis auf wei=
teres
vertagt. Nach Schluß der Sitzung erfolgten begeiſterte
Kundegbungen für Italien, den König und Muſſolini.
Der Streik der Lodzer Textilarbeiter beendet
Warſchau, 21. Juli. (Wolff.) Polniſche Telegraphen=
agentur
: Nach längeren Beratungen zwiſchen Vertretern der
Arbeiter und der Fabrikanten, denen Arbeitsminiſter Darowski
präſidierte, wurde der Streik der Lodzer Textilarbeiter beige=
legt
. Nach der getroffenen Vereinbarung iſt eine ſofortige 67 Erhöhung der Löhne vorgeſehen; außerdem ſoll die
Höhe der Löhne alle zwei Wochen entſprechend der Teuerung
nach den Angaben der ſtatiſtiſchen Kommiſſion geregelt werden.
Der Vertrag iſt für Arbeitgeber und Arbeiter bis zum 1. Januar
1924 bindend.

Geſchäft und Verantwortung.

Von
Dr. Walter Croll, Berlin.
In dieſen Wochen bemühen ſich alle in Betracht kommenden
amtlichen und privaten deutſchen Stellen, ein Eingreifen der
Weltmächte in die mitteleuropäiſche Kriſis herbeizuführen. Da=
bei
ſollte es ſelbſtverſtändlich ſein, daß alle Aeußerungen unter=
bleiben
, welche die Erreichung dieſes Zieles ſtören könnten. Aus
einem Artikel der angeſehenen amerikaniſchen Handelszeitung
Journal of Commerce vom 21. Juni d. J. geht hervor, daß
im Ausland weilende deutſche Geſchäftsleute nicht immer gewiſ=
ſenhaft
genug wägen, was ſie den ſie ausfragenden Reportern
mitteilen. Unter der Ueberſchrift: Deutſche hier, um Induſtrie=
werke
zu gründen wird in fettgedruckter Schrift geſagt: Deut=
ſche
Bankiers erklären, daß Deutſchland in Stücke gehen wird
als Folge der Beſetzung. Aus dem Text geht hervor, daß es
ſich um drei angeſehene deutſche Bankiers handelt, die nach
Amerika gekommen ſind, um dort Filialen chemiſcher Fabriken,
beſonders für kosmetiſche Mittel, ins Leben zu rufen. Die
Aeußerungen, welche das Journal of Commerce in dem ge=
nannten
Artikel widergibt, ſchließen mit den peſſimiſtiſchen
Worten:Es gibt keine Möglichkeit, Deutſchland jetzt zu retten.
Der Leſer des Artikels erhält den Eindruck, daß die deutſchen
Bankiers die Gründungen in Amerika vornehmen, da Deutſch=
land
rettungslos verloren ſei.
Es wir ſchwer ſein, nachzuprüfen, ob der Korreſpondent des
Journal of Commerce die Aeußerungen der deutſchen Ban=
kiers
richtig wiedergegeben hat. Das eine ſteht aber unter allen
Umſtänden feſt: Angeſehene deutſche Finanzleute tragen min=
deſtens
durch Fahrläſſigkeit einen Teil der Schuld daran, wenn
in amerikaniſchen Finanz= und Wirtſchaftskreiſen Deutſchland
als hoffnungslos verloren angeſehen werden ſollte. Wenn ein
deutſcher Geſchäftsmann ſich im Auslande betätigen und damit
einen Teil des verlorenen deutſchen Einfluſſes wiedergewinnen
will, ſo muß er ſich doch ſtets bewußt bleiben, daß er nicht nur
als Geldverdiener, ſondern auch als Vertreter eines politiſch
aufs ſchwerſte bedrohten Volkes ſpricht und auch ſo bewertet
wird. Die Feſtſtellung, daß unſere Lage ſchwarz iſt, wie
gleichfalls in dem zitierten Zeitungsartikel geſagt wird, kann nur
dann das Ausland veranlaſſen, uns politiſch, wirtſchaftlich und
finanziell Hilfe zu gewähren, wenn die reiſenden deutſchen Ver=
treter
bei jeder ſich bietenden Gelegenheit der Zuverſicht Aus=
druck
geben, daß wir die Kriſe ſchließlich doch überſtehen werden,
und daß unſer Volk alles aufbieten wird, um einer Intervention
des Auslandes Erfolg zu verſchaffen. Aeußerungen der Mut=
loſigkeit
aus deutſchem Munde ſind in Amerika verhängnisvoller
als ſonſt im Auslande. Amerika hat im Laufe der letzten Jahre
ſichtlich an Intereſſe für Europa verloren. Die gute wirtſchaft=
liche
Konjunktur, die drüben herrſcht, veranlaßt die maßgeben=
den
politiſchen Stellen nicht, ſich eingehend mit den Reparations=
intrigen
der alden Welt zu beſchäftigen. Dies hat die Waſhing=
touer
Regierung zu der Erklärung veranlaßt, daß Amerika auch
weiterhin den Reparationsverhandlungen fern zu bleiben ge=
denke
. Dieſer Entſchluß kann nur dadurch wankend gemacht wer=
den
, daß wir nicht müde werden, den Amerikanern die Bedeu=
tung
der politiſchen Ereigniſſe in Mitteleuropa für alle Welt=
völker
zu zeigen, und daß wir uns hüten, unſerer Lage als
geſichert oder als hoffnungslos hinzuſtellen.

Barbaren!

Trier, 22. Juli. (Wolff.) Ein taubſtummes Kind,
das nach dem Verlaſſen der Kirche in eine Abteilung farbiger
franzöſiſcher Soldaten hineingeriet, wurde, weil es die heran=
marſchierende
Truppe nicht gehört hatte, von einem Spahi durch
einen Kolbenſchlag auf den Kopf getötet. Ein Paſſant,
der den die Abteilung führenden Offizier auf den Vorfall auf=
merkſam
machte, wurde ſofort verhaftet.
In Trier haben wieder Maſſenausweiſſungen
von Eiſenbahnern ſtattgefunden. Hierzu wurden haupt=
ſächlich
Spahis verwandt. Es wiederholten ſich die gewohnten
rohen Auftritte.
Zum Verbot des Katholikentags.
TU. Berlin, 21. Juli. Das Lokal=Komitee des Kölner
Katholikentages gab vor einigen Tagen eine Mitteilung des
Auswärtigen Amtes in Berlin bekannt, laut der die Rheinland=
kommiſſion
die Abhaltung des Katholikentages verbieten werde.
Zu dieſer Nachricht, die in dem geſamten katholiſchen Deutſch=
land
ſchmerzlichſte Ueberraſchung und größtes Befremden hervor=
gerufen
hat, erfahren wir von gut unterrichteter Seite, daß auf
Seiten der Interalliierten Rheinlandkommiſſion, in der bekannt=
lich
Frankreich den Ton angibt, ſeit langem bereits die Abſicht
beſtand, den Kölner Katholikentag zu verbieten. Da auch offen=
bar
die engliſche lokale Beſatzungsbehörde, keineswegs aus Geg=
nerſchaft
gegen den Katholikentag als ſolchen, ſondern aus ver=
kehrstechniſchen
Gründen, Bedenken gegen die Abhaltung hatte,
ſich aber ſcheinbar nicht an einem förmlichen Verbot beteiligen
wollte, ſcheint ſie in beſter Abſicht auf die deutſchen Regierungs=
ſtellen
eingewirkt zu haben, damit dieſe das Lokalkomitee von
dem Bedenken der engliſchen Behörde in Kenntnis ſetzten. Wenn
das Auswärtige Amt einer ſolchen engliſchen Anregung tatſächlich
entſprochen haben ſollte, ſo kann es nur in Würdigung des eng=
liſchen
Standpunktes und in Anerkennung der verkehrstechniſchen
Schwierigkeiten geſchehen ſein, die es der engliſchen Behörde in
der Tat ſchwer machten, ſich in dieſer Frage den franzöſiſchen Ab=
ſichten
, die ſelbſtverſtändlich in ganz anderen Erwägungen be=
gründet
waren, nicht entgegenzuſtellen.
Der Reichspräſident in Hamburg.
TU. Hamburg, 23. Juli. Anläßlich der Anweſenheit des
argentiniſchen Schulſchiffes Preſidente Samiento im Hambur=
ger
Hafen traf geſtern nachmittag Reichspräſident Ebert
in Begleitung des Admirals Behncke, des Staatsſekretärs
v. Maktzahn und des Miniſterialrats Waldhoff hier ein.
Oberbürgermeiſter Dr. Dieſterl empfing die Herren am Bahn=
hof
. Am Nachmittaa fand eine Hafenfahrt ſtatt, in deren Verlauf
der Reichspräſident dem argentiniſchen Schulſchiff einen Veſuch
abſtattete und herzliche Worde mit dem Berliner argentiniſchen
Geſandten, Exzellenz Molina, und dem Kommandanten des
argentiniſchen Schulſchiffes, Fregattenkapitän Brana wech=
ſelte
. Im Anſchluß daran beſichtigte der Reichspräſident mit den
argentiniſchen Herren die Schiffe der deutſchen Reichsmarine,
insbeſondere den Kreuzer Berlin Mit dem fahrplanmäßige
Zuge 6.36 Uhr kehrte der Reichspräſident nach Berlin zurück.
Der Abend vereinigte die argentiniſchen und deutſchen Offiziere
bei einem Eſſen an Bord des Kreuzers Berlin.
Lebensmittelunruhen in Gleiwitz.
TU. Gleiwitz, 22. Juli. Hier iſt es geſtern nachmittag
zu Lebensmittelunruhen gekommen. Die Maſſen dran=
gen
in einige Lebensmittelgeſchäfte ein und erzwangen die
Herabſetzung der Fettpreiſe. Die Erregung hält an. Zu Aus=
ſchreitungen
iſt es nirgends gekommen.
Ausſperrung in der ſchleſiſchen Holzinduſtrie.
Görlitz, 21. Juli. (Wolff.) Die Verhandlungen zwi=
chen
den Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Holzinduſtrie
führten am Montag zu keinem Ergebnis. Nach abermaligem
Scheitern der Verhandlungen kam es zu Teilſtreiks,
die zur Ausſperrung der Arbeiter in der geſamten ſchleſiſchen
Holzinduſtrie führten.

Aber
29

[ ][  ][ ]

Nummer 201.

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Juli 1923.

Seite 3.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 23. Juli.
Die Sorge um die Rhein= und Ruhr=Eiſenbahner.
In den letzten Wochen iſt kaum ein Tag vergangen, an dem=
nicht
Hunderte oder gar Tauſende von Eiſenbahnern unter den
ſchroffſten und grauſamſten Formen aus dem beſetzten oder
dem Einbruchsgebiet ausgewieſen wurden; ganze Familien mit
unmündigen, hilflofen Kindern mußten innerhalb von zehn
Minuten Haus und Hof räumen, konnten kaum das Notwen=
digſte
zuſammenraffen, was ſie in beiden Händen tragen konn=
ten
, um den ſchmerzlichen Weg anzutreten, aus der Heimat in
eine dunkle, ſorgenvolle Zukunft.
Aber das Reich, das unbeſetzte Deutſchland vergißt nicht.
was es der unerſchütterlichen Pflichttreue ſeiner Eiſenbahner
ſchuldig iſt; es iſt eine ſchier unüberſehbare Aufgabe, Tauſende
von Vertriebenen bei der herrſchenden Wohnungsnot unterzu=
bringen
, innerhalb weniger Stunden oft für Dutzende von
Familien Unterkunft und Verpflegung herbei zu ſchaffen, denn
die Transporte kommen meiſt überraſchend, und es gilt, raſche
Arbeit zu leiſten.
In wenigen Wochen ward die Organiſation der Vertrie=
benen
=Fürſorge durch das Reichsverkehrsminiſterium gründ=
lich
ausgebaut, und eine Reiſe durch die Haupt=Zufluchtsgebiete
gab Gelegenheit, das Los und die Stimmung der Vertriebe=
nen
kennen zu lernen. Da iſt es beſonders der Bereich der
Reichsbahndirektion Caſſel, der, auf verſchiedenen Seiten an
das Einbruchsgebiet grenzend, den Hauptſtrom der Vertriebe=
nen
zunächſt aufnimmt. Täglich laufen hier ganze Züge ein
man ſtellt den Vertriebenen möglichſt bequeme Wagen zwei=
ter
Klaſſe zur Verfügung , die Eiſenbahner werden mit
Muſik empfangen, von dem Flüchtlingskommiſſar in einen
freundlich geſchmückten Speiſeſaal geleitet, wo ein kräftiger
Imbiß, wo Milch für die Kinder, ein ſtärkender Kaffee die von
der Reiſe Ermatteten erwartet. Es iſt erſchütternd, zu ſehen,
wie ſie, oft mit Txänen in den Augen, die deutſchen Lieder mit=
ſingen
, deren Klang ſie ſolange vermeiden mußten, wie ſie mit
großen, leuchtenden Augen deutſche Soldaten ſehen, wie ſie
empfinden, daß es noch ein Deutſchland gibt, das ihnen Schutz
bietet; und langſam hellen ſich müde Geſichter auf, glätten ſich
die Züge ängſtlicher Sorge in dem Gefühl der Geborgenheit.
Ein oder zwei Stunden nach ihrer Ankunft liegen ſie ſchon
in Quartieren, eine Nacht oder zwei, bis ſie in die endgültige
Zufluchtsſtätte gelangen; die Eiſenbahner=Erholungsheime, die
den Eiſenbahnervereinen gehören, haben ihre Einrichtungen
bereitwillig zur Verfügung geſtellt, der Not der Kollegen zu
begegnen; und es iſt, als hätte man die ſchönſten Erdenflecke
Deutſchlands gewählt, den bekümmerten Blick der Vertriebenen
zu beleben, ihnen durch landſchaftliche Schönheit den Reiz der
Heimat an Rhein und Moſel, an Ruhr und Wupper nach Mög=
lichkeit
zu erſetzen. Da ſitzen ſie in Wilhelmshöhe bei Caſſel,
in Hannoverſch=Münden, in dem lieblichen Caulshafen an der
Weſer, im Harz und in Thüringen, im Erz= und im Rieſen=
gebirge
, an der Oſtſee und auf Rügen. Neben den Eiſenbahner=
heimen
wurden Privatquartiere und ganze Hotels herangezogen,
um die nötigen Unterkünfte zu ſchaffen, nur im äußerſten Not=
fall
richtete man hier und da auch einmal ein Lazarett oder eine
Kaſerne als Zufluchtsheim ein, wenn die furchtbare Wohnungs=
not
trotz allen guten Willens keinen anderen Weg offen ließ.
Die Inhaber von Hotels und Penſionen zeigten ſich mit weni=
gen
Ausnahmen, wie z. B. der Beſitzer eines Sanatoriums in
Wilhelmshöhe, der den Reichsſäckel auf Goldmarck=Baſis zu
ſchröpfen verſucht! im allgemeinen ſehr entgegenkommend,
wenn auch zuweilen die Bevölkerung das tiefe Verſtändnis für
die Lage der Ausgewieſenen ein wenig vermiſſen läßt, und es
wäre von Herzen zu wünſchen, daß jeder Einzelne, für den die
Eiſenbahner das ſchwere Los der Ausweiſung auf ſich nehmen,
ſich dieſer Opferwilligkeit ganz bewußt würde, daß jeder
Deutſche nach beſten Kräften beſtrebt wäre, das harte Schickſal
dieſer treuen Frontkämpfer zu lindern.
Die Stimmung in den Vertriebenen=Heimen iſt im Allge=
meinen
recht gut. Der Reichsverkehrsminiſter hat dafür geſorgt,
daß in der Bewilligung von Beſchaffungsvorſchüſſen nicht klein=
lich
oder bürokratiſch verfahren wird; zuweilen mag den Ver=
triebenen
ber klare Blick und die kühle Ueberlegung fehlen für
das, was ſie im Augenblick am nötigſten brauchen, und die Vor=
ſchüſſe
mögen in einzelnen Fällen nicht ganz wirtſchaftlich an=
gelegt
werden; da greifen dann die Flüchtlingskommiſſare be=
ratend
und mahnend ein, und im übrigen ſind es unſere tap=
feren
und treuen Eiſenbahnerfrauen, die der Familie auch fern
der Heimat die ſorgende Stütze ſind.
Nicht eindringlich genug kann es wiederholt werden: daß
das unbeſetzte Deutſchland alles tun muß, mutige Pflichttreue
durch aufopfernde Hilfe zu vergelten, und gerade in den
Sommerfriſchen ſollten die Unbeſetzten der Vertriebenen ſich
annehmen, ſollten die Kurgäſte freiwillig auf Milch und Eier
verzichten, zu Günſten der vertriebenen Kinder, die die Erholung
noch notwendiger baben als mancher, der ſich nur von den Sor=
gen
der Arbeit erholt. UInd man ſollte auch nie im Verſtehen
verzagen, wenn die Vertriebenen nervös ſind, wenn ihre
Wünſche zuweilen übertrieben ſcheinen oder von nagender Un=
geduld
diktiert; denn ſie alle mußten Haus und Möbel, mußten
ihr Stück Garten und Feld, ihr Vieh und Gerät, mußten müh=
ſam
Erarbeitetes, mußten die Heimat verlaſſen, und wenn auch
alles, alles geian wird, ihr Schictſal zu erleichtern: die Sehnſucht
nach der Heimat kann man ihnen nicht nehmen, das eigene Heim
ihnen nicht erſetzen. Das macht auch die Stärkſten unier ihnen
zuweilen ſchwach und ungeduldig, und dieſer Stimmung muß
man Rechnung tragen von jedem Deutſchen, der einem dieſer
Vertriebenen begegnet. Das iſt die ſchönſte und höchſte Auf=
gabe
des unbeſetzten Deutſchland: den Opferfrendigen, die alles
aufgaben in tapferer Treue, zu danken durch gleichen, einmütigen
Opferſinn, ihnen Heim und Heimat nach beſten Kräften zu er=
ſetzen
. Denn was wir ihnen tun, die als Opfer zu uns kom=
men
, das tun wir uns: damit ſtärken wir den Mut und die Ge=
duld
jener, die noch ausharren drüben, unter dem Druck frem=
der
Willkür!
Und einmal, wenn ſie zurückkehren in die alte Heimat, ſollen
ſie laut erzählen, daß das deutſche Volk und das Reich ſie nicht
vergaß und ihren Opfermut.

Sommerſpielzeit Bruno Harprecht. Nach dem köſtlichen Schwank
Der Meiſterboxer erſcheint nun im Spielplan eine literariſch ernſter
zu nehmende Komödie und zwar Otto Ernſts Flachsmann als Erzieher
Die Komödie, die lange Jahre nicht im Spielplan des Darmſtädter
Theaters war, wird von dem bewährten Franz Sauer anläßlich des
50. Geburtstages des Autors neu einſtudiert. In den Hauptrollen
wirken mit, um nur einige Namen zu nennen, Bruno Harprecht, Frieda
Eichelsheim a. G., Franz Sauer, Rudolf Sang, Theo Bögel, Karl
Lindt, Eva Biſchoff, Eliſabeth Wigge und das geſamte übrige Perſonal.
Die Vorſkellung beginnt wieder um 7½ Uhr und fällt der Montags=
miete
zit.
. Jungdeutſcher Orden. Am vergangenen Freitag hatte die
Vruderſchaft Darmſtadt des Jungdeutſchen Ordens zu einem öffentlichen
Vortrag im Saalbau eingeladen. Aus allen Kreiſen der hieſigen Bevöl=
kerung
hatte man der Einladung ſo zahlreich Folge geleiſtet, daß der
große Saal bis hinten voll beſetzt war. Als Redner des Abends war
der ſtellvertretende Comtur der Ballai Naſſau und gleichzeitige Vertre=
ter
des Hochmeiſters Mahraun, Studienrat Kauer=Wetzlar gewonnen
worden. In längeren Ausführungen verbreitete ſich der Redner über
Zweck und Ziele des Ordens. Durchdrungen von dem Gedanken, daß
über allem Parteigezänk unſerer Zeit und über allem Liebäugeln nach
Oſt und Weſr das Vaterland ſtehen müſſe, wurde 1920 in Kaſſel der Or=
den
gegründet. Er will alle die, denen trotz verlorenem Krieg und
Revolution Deutſchland ihr Vaterland geblieben iſt, in ſeinen Reihen
zuſaumenſchließen, um ſo eine große feſte Wehr gegen alles Fremd=
läudiſche
zu bilden! In der kurzen Zeit ſeines Beſtehens hat ſich der
Orden über ganz Deutſchland verbreitet und zählt heute bereits 5400
örtliche Einheiten. Toſender Beifall während und nach dem Vortrag
dankte dem Redner für ſeine wirklich aufklärenden Ausführungen.
Der vorbeſtellte Juni=Zucker, der in den nächſten Tagen größten=
teils
angefahren ſein dürſte, kann in den Geſchäften abgeholt werden.

Für Säuglinge und ſtillende Mütter erfolgt wieder eine
Sonderzuteilung auf Marken, die unter Vorlage der grünen Milch=
ausweiskarte
beim Lebensmittelamt abzuholen ſind. Bis Samstag, den
4. Auguſt, kann gleichzeitig der Zucker für den Monat Juli voraus=
beſtellt
werden. Um ihn möglichſt bald liefern zu können, muß der Ab=
lieferungszeitpunkt
der Marken durch die Geſchäfte genau eingehalten
werden. Es empfiehlt ſich deshalb die ſofortige Beſtellung. (Siehe
Anzeige.)
Der Brotpreis mußte wegen der Erhöhung des Mehlpreiſes und
der weiteren Steigerung der Löhne, des Brennmaterials uſw. abermals
erhöht werden. Der große Laib koſtet jetzt 7800. Mark, ein Brötchen
aus gemiſchtem Brotmehl 320. Mark. (Siehe Anzeige.)
wb. Tauſendmarkſtücke in Aluminium. Der Reichsrat hat einer
Vorlage über die Prägung von 240 Millionen Mk. in Tauſendmark=
ſtücken
aus Aluminium zugeſtimmt.
wb. Erhöhung der Bierſteuer. Der Reichsrat erkläxte ſich mit einer
Verfünffachung der Sätze des Bierſteuergeſetzes vom 1. Auguſt ab ein=
verſtanden
. Der Steuerſatz für eingeführtes Bier iſt von 16 500 Mk.
auf 25 000 Mk. erhöht worden. Dieſe neue Steuer ſoll auch die Anteile
der Freiſtaaten Württemberg, Bayern und Baden an der Bierſteuer
erhöhen.
Druckfehlerberichtigung. Im Bericht über die 10. ordentliche
Generalderſammlung der Landesgenoſſenſchaftsbank muß es auf Zeile 64
von oben heißen: Ständiger Krieg hat die letzten 10 Jahre charak=
teriſiert
.
Aus den Parteien.
Deutſche Demokratiſche Jugendgruppe. Was
verſteht man unter Arbeitsſchule? lautete das Thema, worüber Herr
Lehrer Hilsdorf am letzten Mittwoch abend in der Jugendgruppe ſprach.
Der Redner verſtand es, der zahlreich erſchienenen Jugend an Hand
von einigen Beiſpielen in Wort und Bild das Weſen, die Mittel und
die Ziele der Arbeitsſchule klarzulegen. In der Ausſprache wurde all=
gemein
zum Ausdruck gebracht, daß die alte Schule, die ſogen. Lern=
ſchule
, auf manchen Gebieten verſagt hat; daß vieles gelernt wurde,
was man im ſpäteren Leben nicht braucht, und daß das, was man
braucht, oft nicht gelernt wurde. Hier hat die Schule der Zukunft, die
Arbeitsſchule, viel gut zu machen, was früher in der alten Schule ver=
ſäumt
wurde. Montag ½7 Uhr Vorſtandsſitzung.

Von der Bergſtraße, 21. Juli. (Gebühren der Hebam=
men
.) Der Hebammenverband des Bezirks Weinheim ſetzte die Ge=
bühren
der Hebammen der Stadt und des Landbezirks auf 200 000 Mk.
feſt. Verunglückt. Der Arbeiter Wilhelm Meng ſprang in La=
denburg
aus einem fahrenden Zug, wurde überfahren und erlitt ſehr
ſchwere Fußverletzungen.
Aus dem Kreiſe Heppenheim, 21. Juli. Milchpreiſe. Nach
Vereinbarung mit den landwirtſchaftlichen Organiſationen wurde der
Preis für ein Liter Milch ab Stall von heute ab auf 4500 Mark er=
höht
. Von den Händlern bezogen oder im Stall abgeholt ſtellt ſich der
Preis noch bedeutend höher. Seitheriger Preis war 2500 Mark.
Brot= und Mehlpreiſe. Der Laib Brot von 1800 Gramm
koſtet jetzt 7100 Mk., das Pfund Mehl 2200 Mk.
Birkenau, 21. Juli. Erhöhte Hundeſteuer. Da das
Halten von Hunden in hieſiger Gemeinde immer mehr zunimmt, ſah ſich
der Gemeinderat veranlaßt, die Steuer für den erſten Hund auf 20000
Mk., für den zweiten auf 40000 Mk. und für den dritten auf 80 000
Mk. zu erhöhen.
0- Weiterſtadt, 20. Juli. An der Grenzſperre wurden
dieſer Tage von franzöſiſchen Poſten mehrere Perſonen angehalten, die
verſuchten, ins beſetzte Gebiet zu gelangen. Mehrere von ihnen wurden
nur vorübergehend gefangen gehalten, einige aber, darunter auch Hoch=
zeitsgäſte
, wurden nach Mainz abtransportiert.
r. Babenhauſen, 21. Juli. Ehemalige Mitglieder der Heſſiſchen
Landeswanderbühne gaben vergangenen Mittwoch und Donnerstag
abend hier zwei Gaſtſpiele, die ſehr gut beſucht waren. Alt=Heidelberg
und Die 5 Frankfurter kamen zur Aufführung und fanden den leb=
hafteſten
Beifall aller Zuhörer.
Worms, 21. Juli. In der letzten Stadtverordnetenſitzung vom 19.
d. M. wurde die Hundeſteuer bei Halten von einem Hund auf
20 000 Mk., bei zwei Hunden auf 40000 Mk., bei drei Hunden auf
60 000 Mk. für jeden Hund für die Zeit von einem Vierteljahr erhöht.
Die Erhöhung des Eintrittsgeldes für die Beſichtigung des Rathauſes
und des Cornelianums auf 100 Mk., Kinder 50 Mk., die Rückzahlung
ſtädtifcher Anleihen und die Zinsfußerhöhung der ſtädtiſchen Anleihen
wurden bewilligt.
Worms, 20. Juli. Feuer. Geſtern abend gegen 7 Uhr brach in
einem Magazin des ehemligen Gefangenenlagers Feuer aus, das durch
die darin befindlichen Vorräte leicht größere Ausdehnung hätte nehmen
können. Der raſch herbeigeeilten Abteilung der Freiw. Feuerwehr, ſo=
wie
der Wehren von Cornelius Heyl, Worms=Pfiffligheim und Worms=
Hochheim gelang es nach zirka zweiſtündiger Arbeit, das Feuer auf
ſeinen Herd zu beſchränken. Entſtehungsurſache iſt unbekannt.
nr. Bingen, 20. Juli. Römiſche Funde. Bei den Grund=
arbeiten
zu einigen Neubauten wurden hier wertvolle ſpätrömiſche
Funde gemacht. Die Vermutungen laſſen zu, daß man es hier wohl
mit einem zweiten Binger Mithräum zu tun hat. Mauerreſte und
Scherbenſtücke, z. T. aus konſtantiniſcher Zeit geben einigen Anhalt da=
für
, daß das Heiligtum noch um 350 benutzt war.
ht. Gaulsheim (Rheinh.), 21. Juli. Tödlicher Unfall. Aus
dem gegenüberliegenden Geiſenheim verunglückte hier ein junger Mann,
der ſo unglücklich ins Waſſer ſprang, daß er ſich das Rückgrat brach
und im Krankenhaus zu Bingen ſeinen Verletzungen erlag. Im
hieſigen Freibad iſt ein 17jähriger junger Mann aus Gau= Bickel=
heim
, namens Hammer, beim Baden ertrunken.
R. Stockheim (Wetterau), 20. Juli. Erntebeginn. Allmählich
hat man hier und in der ſüdlichen Wetterau mit dem Schnitt der
Sommergerſte begonnen. Man rechnet allgemein mit einer guten
Kornernte.
Schlitz, 21. Juli. Bienenzucht. Die diesjährige gemeinſame
Wanderverſammlung des Kurheſſiſchen und oberheſſiſchen Bienenzüchter=
vereins
, verbunden mit einer bienenwirtſchaftlichen Ausſtellung findet
vom 4. bis 6. Auguſt in Schlitz ſtatt. Schlitz, das alte, ſtandesherr=
ſchaftliche
, mit Burgen gekrönte Städtchen, dieſe Perle unter den Land=
ſtädten
Oberheſſens, der Sitz des alten Grafengeſchlechtes von Schlitz ge=
nannt
von Görtz, in dem der Pädagoge Schlez gewirkt, der Geh. Kirchen=
rat
D. Dieffenbach ſeine unvergleichlichen Kinderlieder geſungen, die
dann die Weiſen des Lehrers und Organiſten Kern auf den Flügeln des
Geſanges in alle Welt getragen und dem Kantor Nanz ſein Schlitzer
Nationallied: Im weiten Deutſchen Reiche gegeben hat (Dichter
Dieffenbach, Komponiſt Nanz), inmitten des lieblichen und geſegneten
Schlitzerlandes gelegen, einem Bezirk, deſſen biedere Einwohnerſchaft an
den väterlichen Sitten, ihrer Tracht und Sprache, feſthält, ladet alle
Imker und Imkerfreunde Heſſens, Kurheſſens und der Nachbarländer
freundlichſt ein, zu den Tagungen recht zahlreich zu erſcheinen und die
Ausſtellung reichlich zu beſchicken. Anmeldungen zur Ausſtellung ſind
an Herrn Leonhard Weppler, ſolche wegen Unterkunft an Herrn
Kammerſekretär Heidkamp, beide in Schlitz, bis 25. Juli zu richten.
Laubach (Kreis Schotten), 20. Juli. Dieſer Tage wurde bei einer
baulichen Ausbeſſerung im Hauſe des Bäckermeiſters Döll (Obere Lange=
gaſſe
) ein Topf mit verſchiedenen kleinen Silbermünzen aus der
Mitte des 18. Jahrhunderts gefunden. Er befand ſich im Kellerraum,
in den gewachſenen Grund eingegraben. Aus vermoderten Papierfetzen,
die beilagen, läßt ſich ſchließen, daß es ſich um die Beurkundung der
Erbauung handelt, wo nach früherer Sitte zeitgenöſſiſche Gegenſtände
beigegeben wurden. Selbſtmord. Vor einigen Tagen verübte
der ſeit Jahren hier anſäſſige, aus Hamburg gebürtige Rentner Cäſar
auf dem hieſigen Friedhofe Selbſtmord. Nahrungsſorgen trieben offen=
bar
den Unglücklichen, der ſich früher in guten Verhältniſſen befand, in
den Tod.

Reich und Ausland.
Eine Kartoffelgeſchichte.
Auf dem Heidelberger Wochenmarkt war, dem Heil
berger Tagblatt zufolge, ein Bauersmann mit Kartoffeln erſchien
der offenbar keine Zeitung las und keine Ahnung hatte, was Kartof
jetzt koſten. Genug, er entwickelte ſich zunächſt zum Wohltäter der
denden Menſchheit und verlangte für das Pfund Kartoffeln 300 M=
Die Heidelberger Hausfrauen, die eine wunderbare Spürnaſe daf
haben, wo es etwas Billiges einzuhamſtern gibt, umdrängten bald d
Marktſtand des Braven, der, fröhlich ſchmunzelnd wähnte, ein gu=
Geſchäft zu machen. Als er aber plötzlich erfuhr, daß auf der amtlid
Marktpreisliſte für Kartoffeln ein Preis von 1000 Mark angeſetzt
verlangte er auf einmal für das Pfund 1600 Mark, womit er nicht 1
ſofort ſeine ganze liebenswürdige Kundſchaft in zornwilde Gegnerin:
verwandelte, ſondern ſich auch noch obendrein die Polizei auf den Ha
hetzte. Befragt, wie er dazu komme, 1600 Mk. zu verlangen, wo de
der Höchſtpreis nur 1000 Mk. ſei, erklärte er, er habe ja ſeine Kart
feln zunächſt viel zu billig verkauft. Jetzt müſſe er durch den erhöht
Preis den Schaden wieder gutmachen.

Deutſcher Studententag.
Die Deutſche Studentenſchaft hält vom 27. bis 29. Juli in Würzburg
den 5. ordentlichen Deutſchen Studententag ab. Für Freitag, 27. Juli,
ſind vorgeſehen ein Vortrag: Deutſchland und Frankreich in der Ge=
ſchichte
, Bericht des Ruhrausſchuſſes und der Sammelſtellen für aus=
gewieſene
Studierende. Bericht des Vollmachtsprüfungs= Ausſchuſſes=
nachmittags
der Vortrag: Das deutſche Volk in der Weltpolitik, Be=
richt
des Auslandsamtes der D. St., dann Vortrag: Leibesübungen an
deutſchen Hochſchulen, Bericht des Amtes für Leibesübungen; abends:
Gedächtnisfeier zu Ehren der gefallenen Kommilitonen. Samstag
28. Juli, vormittags, Vortrag: Volk, Staat, Student Bericht der
Wirtſchaftshilfe, Vortrag: Student und Arbeiter; nachmittags die Vor=
träge
: Studentiſche Ehrengerichtsbarkeit, Akademiſche Gemeinſchafts=
pflege
, Student und Preſſe, dann Beſprechungen von Preſſefragen.
Sonntag, 29. Juli: Tätigkeitsbericht des Vorſtandes der D. St.; nach=
mittags
: Stellung der Fachgruppen in der D. St., Ausſchußbericht,
Wahlen. Wohnungsanmeldung bis 21. Juli an den Vorbereitenden
Ausſchuß des Studententages 1923 Würzburg, Annaſtraße 9. Die
Verhandlungen des Studententages ſind, für Studierende und Altaka=
demiker
öffentlich. Anmeldungen von Preſſevertretern umgehend an die
Hauptgeſchäftsſtelle.

Der Rieſenverkehr während des Münchener Turnfeſtes.
Der Haupteiſenbahnverkehr des Turnfeſtes ſpielte ſich vom Donners=
tag
bis Montag ab. In dieſer Zeit liefn im Münchener Hauptbahnhof
1425 Züge ein, darunter 141 Turner=Sonderzüge, 8 Ferien=Sonderzuge
und 77 Doppelführungen von fahrplanmäßigen Zügen. Die Hallen
des Hauptbahnhofes verließen 1430 Züge, darunter 204 Sonderzüge. Die
Zahi der in dieſen Tagen angekommenen Reiſenden betrug 843 700, dar=
unter
217 500 mit den Turner=Sonderzügen. Abgereiſt ſind in dieſen
Tagen 953 300 Perſonen, ſomit hatte der Hauptbahnhof einen Geſamt=
verkehr
von 1 788 000 Reiſenden. Die Einnahmen haben betragen am
Donnerstag 574 Millionen, Freitag 625 Millionen, Samstag 852 Mil=
lionen
und Sonntag 777 Millionen Mark. Dann iſt eine plötzliche
Steigerung der Tageseinnahmen eingetreten für Montag auf
1 225 000 000. Dienstag 1 373 000 000 Mark und an den folgenden Tagen
hielten ſich die Einnahmen auf über 1 Milliarde.
Dieſer Rieſenverkehr, der zum größten gehört, der jemals im Mün=
chener
Hauptbahnhof zu verzeichnen war, ging ohne jeden Unfall vor
ſich. Das geſamte Perſonal hat bis zur äußerſten Grenze der Leiſtungs=
fähigkeit
ausgehalten, ſowohl das Rangierperſonal, das Stellwerk= und
Weichenſtellerperſonal, das Fahrperſonal und das Abfertigungsperſonal
im Fahrkarten= und Paketdienſt. Die geſamten Dispoſitionen für die
Abwicklung dieſes großen Verkehrs wurden von der Leitung des Haupt=
bahnhofes
durch eine Reihe von Maßnahmen, die ſich beſtens bewährt
haben, getroffen.

Weinheim, 21. Juli. Zur Wahl eines zweiten Bür=
germeiſters
haben ſich bis heute acht Bewerber eingeſtellt, darunter
Juriſten, Volkswirtſchaftler, Techniker, Verwaltungsinſpektoren uſw.
Die Wahl des zweiten Bürgermeiſters wird anfangs Auguſt vorgenom=
men
werden.

Reiſen und Wandern.
RDV. Neue Schnellzüge. Seit dem 14. b. M. verkehren
wieder, wie die Reichszentrale für Deutſche Verkehrswerbung
mitteilt, zwei Schnellzugspaare, die zwar in den Sommerfahr=
plan
aufgenommen, aber zunächſt nicht gefahren wurden; das
Eilzugspaar E 129/130, das eine günſtige Verbindung von Han=
nover
nach dem Harz vermittelt: ab Hannover 9,34 vorm. über
Lehrte und Hildesheim nach Goslar, an 11,40 vorm., Bad Harz=
burg
11,59 vorm., Wernigerode 12,50 nachm.; ab Wernigerode
5,20 nachm., Bad Harzburg 6,15 nachm., Goslar 6,40 nachm., an
Hannover 8,30 nachm. Zwiſchen Hannover und Leipzig ver=
kehrt
ſeit dem gleichen Tage das D=Zugspaar D 135/136, Han=
nober
ab 6,08 nachm. über Braunſchweig=Vienenburg= Halber=
ſtadt
, an Leipzig 11,30 nachm.: ab Leipzig 6,52 vorm., an Han=
nover
11,59 vorm.; es ſtellt von Leipzig den Anſchluß an die
D=Züge Berlin=Holland her.
O Zollabfertigung im Münchener Hauptbahnhof. Im
Mittelbau des Münchener Hauptbahnhofes iſt, wie die Reichs=
zentrale
für Deutſche Verkehrswerbung mitteilt, auf der Süd=
ſeite
der großen Schalterhalle eine deutſche Zollabfertigungs=
ſtelle
eingerichtet worden, bei der die Zollbehandlung des in
München Hbf. nach außerdeutſchen Stationen oder von dort
nach München aufgegebenen Reiſegepäcks vollzogen wird. Von
Anfang Juli bis Ende September befindet ſich im gleichen
Raum auch eine öſterreichiſche Zollabfertigungsſtelle, die
zuſammen mit der deutſchen Stelle die öſterreichiſche Einfuhr=
behandlung
des zu den Schnellzügen über Salzburg=Kufſtein=
Mittenwalde=Lindau nach öſterr. Stationen ſowie die Durchfuhr=
behandlung
des über Kufſtein nach ital. Stationen aufgegebe=
nen
Gepäcks durchführt. Umgekehrt kann Reiſegebäck von öſter=
reichiſchen
Stationen in München behandelt werden; in beiden
Fällen bleibt dem Reiſenden auf der Grenzſtation die Vorfüh=
rung
und zollamtliche Durchſuchung des Reiſegepäcks erſpart.
Die Vorführung des zollpflichtigen Gepäcks muß ſpäteſtens 20
Minuten, des Gepäcks über Mittenwald ſpäteſtens 30 Minuten
vor Abgang des Zuges beendet ſein, und es empfiehlt ſich, Zoll=
gepäck
, das mit einem Morgenzug abgehen ſoll, bereits am Nach=
mittag
des Vortages abfertigen zu laſſen.
* Der Preismultiplikator für die Bäder und Kurorte be=
trägt
für dieſe Woche 23000.

52. Quittung
über in der Geſchäftsſtelle des Darmſtädter Tagblatts eingegangene
Spenden für die geſchädigte Ruhrbevölkerung:
Reg.=Nat Ed. Sch. von einem Vorbereitungskurs 150 000 Mk., Min.=
Rat Mangold 20 000 Mk., Pflicht=Fortbildungsſchule für Mädchen 52000
Mk., Oberbaurat Th. Wallek, Bonnland, Unterfranken, 20 000 Mk., Ferd.
Wetzel, 4. Rate, 25000 Mk., Lehrkörper der Viktoriaſchule, 5. Gabe,
660 000 Mk., N. N. 3000 Mk., Enoch, Alexanderſtraße 6, 6. Gabe, 2000
Mk., G. Kranz, 11. Rate, 1000 Mk., E. F. 5000 Mk., Archivrat Dr. Herr=
mann
, 4. Gabe, 10 000 Mk., Rechnungsrat Schreiner, 4. Rate, 10 000 Mk.,
Klaſſe 2, Ober=Ramſtadt, durch Herrn Lehrer Schaffnit, 6000 Mk.
1. Quittung 336 810 Mk., 2. Quittung 382 210 Mk., 3. Quittung
490 850 Mk., 4. Quittung 578 495 Mk., 5. Quittung 689 703 Mk., 6. Quit=
tung
416 536 Mk., 7. Quittung 515 080 Mk., 8. Quittung 1 251 261 Mk.,
9. Quittung 688 429 Mk., 10. Quittung 1 146 238 Mk., 11. Quittung
525 881 Mk., 12. Quittung 557 984 Mk., 13. Quittung 1 577 273 Mk.,
14. Quittung 597 255 Mk., 15. Quittung 834 316 Mk., 16 Quittung
477 914 Mk., 17. Quittung 627 518 Mk., 18. Quittung 494 353 Mk., 19.
Quittung 765 358 Mk., 20. Quittung 570 580 Mk., 21. Quittung 936 478
Mk., 22. Quittung 2 736 219 Mk., 23. Quittung 504 042 Mk., 24. Quit=
tung
341 900 Mk., 25. Quittung 620 271 Mk., 26. Quittung 439 447 Mk.
27. Quittung 536 085 Mk., 28. Quittung 631 221 Mk., 29. Quittung
240 065 Mk., 30. Quittung 719 917 Mk., 31. Quittung 393 980 Mk.,
32. Quittung 457 470 Mk., 33. Quittung 780 100 Mk., 34. Quittung
619 721 Mk. und 3 Silberkronen, 35. Quittung 937 138 Mk., 36. Quit=
tung
129 115 Mk., 37. Quittung 933 855 Mk., 38. Quittung 366 149 Mk.,
39. Quittung 638 300 Mk., 40. Quittung 524 525 Mk., 41. Quittung
675 076 Mk., 42. Quittung 936 935 Mk., 43. Quittung 647 375 Mk.,
44. Quittung 798 986 Mk., 45. Quittung 502 500 Mk., 46. Quittung
1 368 305 Mk., 47. Quittung 740 030 Mk., 48. Quittung 485 000 Mk.,
9. Quittung 1 655 450 Mk., 50. Quittung 932 360 Mk. und 20 Dollar.
51. Quittung 908 850 Mk., 52. Quittung 964 000 Mk.
zuſ. 37 584 159. Mk.

Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 24. Juli.
Heiter, trocken, warm. Es iſt mit weiterem Sommerwetter zu
hnen.

Tageskalender.
Sommerſpielzeit Bruno Harprecht (Kleines Haus) 7
Uhr: Flachsmann als Erzieher. Union=, Reſidenz=, Zentral=
theater
, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik,
Wirtſchaft und Feuilleton: Rudolf Mauve; für Stadt und Land,
Reich und Ausland: i. V.: Andreas Bauer; für den Inſeraten=
teil
: i. V.: Ad. Fleiſchmann, ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rymmer hat 6 Geiten.

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblaft
Handel und Wandel in Heſſen.
* Falcon Werke A.G., Ober=Ramſtadt. Wie uns von
Seiten der Firma mitgeteilt wird, iſt unſere Notiz über die bean=
tragte
Kapitalserhöhung dahin zu berichtigen, daß die Geſellſchaft nicht
zum Tellus=Konzern gehört.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
wb. Der Ankauf von Gold für das Reich durch die
Reichsbank und Poſt erfolgt vom 23. ds. Mts. ab bis auf weiteres zum
Preiſe von 900 000 Mark für ein Zwanzigmarkſtück, 450 000 Mark für
ein Zehnmarkſtück. Für ausländiſche Goldmünzen werden entſprechende
Preiſe gezahlt. Der Ankauf von Reichsſilbermünzen durch die Reichs=
bank
und Poſt erfolgt bis auf weiteres zum 20 000fachen Betrage des
Nennwertes.
* Ausder Auto=Induſtrie. Unſere deutſche Auto=Induſtrie
iſt raſtlos bemüht, die Schnelligkeit der Fahrzeuge zu ſteigern. Sie hat
in dieſem Sommer auf den in= und ausländiſchen Rennen zu wieder=
holten
Malen die Feuerprobe beſtanden. Neuerdings bringen die Käm=
pen
der Renn= und Turnierveranſtaltungen ganz beſonderes Intereſſe
dem Betriebsſtoff entgegen. Sie haben erkannt, daß nicht nur die Raſſe
ihrer Maſchine, ſondern auch in hohem Maße der Brennſtoff, der ihren
Motor antreibt, von ausſchlaggebender Bedeutung iſt. Viele Köpfe
waren am Werk, um die dem Motor ſchmackhafteſte Speife zu finden.
Der beſte Gradmeſſer der Güte eines Brennſtoffes ſind nun bekanntlich
Nennveranſtaltungen und Turniere. Da dürften nun nachſtehende Da=
ten
jedem die Augen öffnen: Von ſämtlichen Preisträgern auf dem
Baden=Badener Automobil=Turnier 1923 fuhr die Hälfte mit Cohen=
Benzol, dem altbewährten unvermiſchten deutſchen Betriebsſtoff. Von
25 Siegern mit Cohen=Benzol wurden 30 Siege erfochten. Auch Mei=
ſter
Kappler, der Sieger und Beſitzer des Batſchari=Wanderpreiſes,
tankte Cohen=Benzol, und der muß ſchon wiſſen, was ſeinem Wagen
gut tut.
h. Heidelberger Straßen= und Bergbahn=A. G.
Die Geſellſchaft hat im abgelaufenen Geſchäftsjahr eine weitgehende
Erneuerung und Verbeſſerung ihrer ſämtlichen Anlagen und Einrich=
tungen
vorgenommen und das Material, das zur vollſtändigen Aus=
geſtaltung
des Oberbaues noch notwendig iſt, ſowie den geſamten Be=
darf
an Betriebsmaterialien für einen längeren Zeitraum beſchafft.
Mit den dadurch erzielten Erſparniſſen in Zuſammenhang mit den
der Geldentwertung angepaßten Fahrpreiſen kann die Lage des Unter=
nehmens
für die kommende Zeit als zuverſichtlich beurteilt werden. Die
Betriebseinnahmen betrugen 58 865 613 (9 807 469) Mk., die Betriebs=
ausgaben
44 215 385 (7 663 492) Mk. Nach Abzug der Zinſen, Abſchrei=
bungen
, Rücklagen uſw. kann die Geſellſchaft einen Reingewinn von
2 287 347 Mk. (885 679 Mk. Verluſt) verzeichnen, der ſich um den Mk.
1511 229 betragenden Verluſtvortrag vom Vorjahr auf 776 118 Mk. er=
mäßigt
. Im Gegenſatz zu den kommunalwirtſchaftlich betriebenen
Straßenbahnen, deren Milliardendefizit immer größer wird, hat alſo
das privatkapitaliſtiſch betriebene Straßenbahnunternehmen es fertig
gebracht, nach zweijährigem Defizit einen Ueberſchuß zu erzielen, der
nicht nur den Verluſtvortrag deckt, ſondern noch eine Dividendenaus=
ſchüttung
von 20 % geſtattet. Dabei ſind die Fahrpreiſe in Heidelberg
billiger als bei den kommunalen Bahnen, und die Geſellſchaft beurteilt
die kommende Zeit zuverſichtlich, während man bei den kommunalen
Bahnen mit großer Sorge in die Zukunft ſchaut. Ferner hat ſich das
Pridatunternehmen noch für längere Zeit mit Betriebsmaterial zu gün=
ſtigen
Preiſen eingedeckt, während die kommunalen Betriebe die Ma=
terialien
erſt bei dringendem Bedarf kaufen. Der kaufmänniſche Betrieb
zeigt ſich alſo hier wieder am rentabelſten. Aus dem Gewinn werden
noch 21 106 Mk. Aufſichtsratstantiemen gezahlt, 200 000 Mk. der Ruhe=
gehaltskaſſe
zugeführt und 308 012 Mk. auf neue Rechnung vorgetragen.

Handelsblatt

23. Juli 1923 Nr. 201

In der Bilanz ſind die Straßenbahnen mit 67 302 010 Mk. bewertet, die
Kreditoren mit 64 954 891 Mk. verzeichnet. Wie ſchon gemeldet, ſoll das
Grundkapital um 100 Millionen Mk. Stamm= und 10 Mill. Mk. Vor=
zugsaktien
mit 10fachem Stimmrecht erhöhr werden.
h. Deutſche Luftſchiffahrts=A. G. in Frankfurt
a. M. Die Roheinnahmen betragen 8,25 (3,91) Mill. Mk. und 154 462
Mk. Zinſen. Nach 3,89 (3,5) Mill. Mk. Betriebsunkoſten, 272 950 Mk.
Geſchäftsunkoſten und Deckung des Verluſtvortrags von 73 426 Mk. wer=
den
4 Mill. Mk. zurückgeſtellt und 159 257 Mk. auf neue Rechnung vor=
getragen
. In dem Geſchäftsbericht heißt es, daß das Unternehmen
auch während des ganzen Jahres 1922 genötigt war, ſich faſt jeglicher
Betätigung im Sinne ihrer eigentlichen Aufgaben zu enthalten. Die
deutſche Luftſchiffinduſtrie iſt ſowohl aus finanziellen als auch aus poli=
tiſchen
Gründen nicht in der Lage, mit eigenen Mitteln den Bau und
Betrieb von Verkehrsluftſchiffen zu unternehmen. Die ſchwebenden
Pläne, in Gemeinſchaft mit ausländiſchen Geſellſchaften einen ſolchen
Betrieb zu organiſieren, haben bisher noch nicht eine Verwirklichung
erfahren können. Es beſteht aber die begründete Hoffnung weiter, im
Anſchluß an die Ablieferung des auf der Werft des. L. Z. im Bau
befindlichen Luftſchiffes zu einer Betätigung mit Hilfe von Amerika zu
gelangen. Auch für die Delag würde ſich dann die erſehnte Arbeits=
möglichkeit
eröffnen. Vorübergehend wurde in geringem Ausmaß für
einen kleinen Teil des Delag=Perſonals Gelegenheit geboten, in Italien
an der Inſtandhaltung der abgelieferten Bodenſee mitzuwirken. Da=
bei
wird die Gelegenheit benutzt, um die Fühlung mit ausländiſchen
Betriebsunternehmungen nicht zu verlieren. Auch gegenwärtig ſind
wieder einige Leute der Delag in Rom, um die Bodenſee wieder in
Fahrbereitſchaft zu ſetzen. Im übrigen wird das Fahrperſonal beſchäf=
tigt
, um Vorſtudien und Vorarbeiten, insbeſondere techniſcher Art, im
Zuſammenarbeiten mit dem L. Z. zu betreiben und an der Ausrüſt=
ung
des Amerika=Schiffes mitzuwirken. Das Hauptaugenmerk der Ge=
ſchäftsführung
mußte unter dieſen Umſtänden darauf gerichtet ſein,
Aktien, derart zum Bezuge angeboten, daß auf nom. Mk. 1200 alte
nach Möglichkeit für die Erhaltung des Vermögens der Delag beſorgt
zu ſein. Es dürfte dieſes wenigſtens in dem vor allem anzuſtrebenden
Umfange erreicht ſein, um die Erhaltung des wertvolleren Perſonals
und ſeiner Erfahrungen noch für eine geraume Zeit ſicherzuſtellen. In
der Bilanz erſcheinen Wertpapiere mit 9,45 Mill. Mk., Bankguthaben
mit 1,09 Mill. Mk. und Erneuerungsſtock mit 7,5 Mill. Mark. Die in
Friedrichshafen a. B. abgehaltene ordentliche 13. Generalverſammlung
genehmigte einſtimmig den vorſtehend beſprochenen Geſchäftsabſchluß für
das Jahr 1922.
* Harkortſche Bergwerke und Chem. Fabriken
A.=G., Gotha. Von den durch die a. v. G.=V. vom 21. 6. geſchaffenen
St. 62 500 auf den Inhaber lautenden Genußſcheinen zu je Mk. 1200 wer=
den
St. 37 500 den alten Stamm=Aktionären, mit Ausnahme der durch
den Generalverſammlungsbeſchluß vom 28. 11. 22 ausgegebenen, früher
mit 25 Proz. eingezahlten und inzwiſchen vollgezahlten 21 Mill. Stamm=
Stamm=Aktien 1 Genußſchein über nom. Mk. 1200 zuzüglich Börſenum=
ſatzſteuer
und Bezugsrechtspauſchale bezogen werden kann. Das Bezugs=
recht
iſt bis 7. 8. auszuüben.
* Gewerkſchaft Steinkohlenbergwerk Graf Bis=
marck
, Gelſenkirchen=Bismarck. Der Abſchluß der Geſell=
ſchaft
per 1922, über deren Zuſammenſchluß mit der Deag wir kürzlich
berichteten, zeigt folgende Zahlen: Die Einnahmen ſtellen ſich auf Mk.
8 317 949 269 Mk. inkl. Vortrag aus 1921 in Höhe von 274 418 Mk., auf
insgeſamt 8 318 223 688 Mk. gegen 439 099 891 Mk. im Vorjahr. Dar=
aus
wurden verrechnet: Betriebsauslagen in Höhe von 8 229 869 326 M.
(i. V. 425 669 409 Mk.), Darlehenstilgung 79 445 Mk. (i. V. 76 204 Mk.),
Abſchreibungen wurden in Höhe von 2 624 224 Mk. vorgenommen (i. V.
2 579 859 Mk.), für Bergſchäden=Rücklagen wurden 20 Mill. Mk. zurück=

geſtellt (i. V. 2,5 Mill. Mk.) und für Ausbeute 65 Mill. Mk. (i. V.
8 Mill.) verwendet, während auf neue Rechnung 550 691 Mk. vorgetra=
gen
werden. Die Anlagekonten der Bilanz zeigen nur unerhebliche Ver=
änderungen
. Das Grundeigentum der Gewerkſchaft blieb mit 454,145
Hektar faſt unverändert. In 620 Wohnhäuſern befinden ſich 236 Be=
amten
= und 2145 Arbeiterwohnungen. Infolge der Miet= und Zwangs=
wirtſchaft
hat die Verwaltung und Inſtandhaltung dieſer Wohnungen
wieder ſehr hohe Zuſchüſſe gefordert. Bei den Arbeiterwohnungen über=
ſriegen
ſie 20000 Mk. pro Wohnung. Ueber die Kohlenförderung ſagt
der Bericht, daß 1 617 950,5 To. gefördert wurden; der Selbſtverbrauch
betrug 126 551,25 To., der Abſatz einſchl. Koks=Kohlen 1 422 690 To. Die
Arbeiterzahl betrug im Durchſchnitt 9400, die Zahl der verfahrenen
Schichten 2 829 669. Mit der Kokerei und Schwelofenanlage wurden er=
zeugt
: Koks und Halbkoks 257 334,7 To., Teer 10071 To., Ammoniak
2599,2 To., Benzole und Leichtöle 2517,8 To. Die drei Tonſchieferziege=
leien
lieferten 17 257 500 Ziegelſreine, die beiden elektriſchen Zentralen
12714 Kilowattſtunden. Der Hafenumſchlag betrug 842000 Tonnen.
Um zu Zeiten ſchlechten Abſatzes größere Mengen Kohlen und Koks als
bisher ſtürzen zu können, wurde im Südkai des Hafens ein Lagerplatz
von 300 Meter Länge und 90 Meter Breite mit einer fahrbaren Ver=
ladebrücke
von 8,5 Meter lichter Höhe ausgeſtattet. Dieſe Brücke trägt
einen 10 To.=Drehkran für Klappkübel und Greiferbetriebe mit 12 m
Ausladung. Der Wagenpark wurde um 10 Kübelwagen und 10 Tal=
bott
=Selbſtentlader von je 30 To. Nutzlaſt ergänzt. Die Einführung
mechaniſcher Hilfsmittel im unterirdiſchen Betrieb machte weitere Fort=
ſchritte
. Insbeſondere ſind die Sohlen=Benzollokomotiven in größerer
Zahl durch Hochdruck=Preßluftlokomotiven erſetzt worden.
*== Gegen die unzureichende Deviſenzuteilung
Der Vorſtand des Hamburger Einzelhandels richtete an den Reichskanz=
ler
ein Telegramm, in dem ohne Rückſicht auf die noch beſtehende
Deviſenverordnung eine ſofortige ausreichende Deviſenzuteilung für
alle lebensnotwendigen Einfuhrartikel erbeten wird, da ſonſt der deut=
ſche
Kredit vernichtet und die Verſorgung der Bevölkerung und auch
der Induſtrie gefährdet ſei.
*=d= Faſt alle Kalilager geräumt. In einer Ausſchuß=
ſitzung
des Kaliſyndikats wurde darauf hingewieſen, daß die Finanz=
lage
des Kaliſyndikats recht zufriedenſtellend ſei. Es wurde ferner feſt=
geſtellt
, daß die Lager faſt aller Werke durch den großen Verſand der
letzten Monate nahezu vollſtändig geräumt ſind, ſo daß Aufträge von
vielen Werken nur ſchleppend ausgeführt werden können. Es iſt das
erſte Mal ſeit Beſtehen des Kaliſyndikats, daß mitten in der Sommer=
ſaiſon
ein ſo großer Abſatz zu verzeichnen war. Die Werke wurden
aufgefordert, ihre Produktion nach Möglichkeit zu ſteigern, damit für
den Herbſt prompte Erfüllung der Lieferungsverträge möglich ſei.
*=d= Goldbuchführung bei der A. E. G. Während die In=
duſtrie
allgemein ſeit einiger Zeit die Goldkalkulation vornimmt, iſt die
A. E. G. hierin noch weiter gegangen und führt die Goldbuchführung
jetzt konſequent bis in das kleinſte Konto hinein durch. Wie wir hören,
wird der ordentlichen Generalverſammlung eine Verlängerung des Ge=
ſchäftsjahres
vorgeſchlagen werden, das künftig von Anfang Oktober bis
Ende September laufen ſoll.

Meſſen.

Der öſterreichiſche Weinbau auf der Wiener
Herbſtmeſſe. Außer Induſtrie und Gewerbe wird auch die öſter=
reichiſche
Landwirtſchaft bei der 5. Wiener Internationalen Meſſe (2.8.
September 1923) mit einer ſtattlichen Schauſtellung vertreten ſein. In
einer beſonderen Abteilung werden die hervorragendſten Weinbauge=
biete
Oeſterreichs im Wettbewerb ihre erleſenſten Produkte darbieten.
Eine Auskunftsſtelle wird über den Produzenten, die Preiſe, Verkaufs=
menge
u. dgl. näher unterrichten.

Bankgeschaft
Eernsprecher 1308, 1309

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Der Smaragd
des Radjah von Palanpur
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[ ][  ][ ]

Darmffädter Tagblat

Deoidnden Somägt

23. Juli 1923 Nr. 201

Rund um Darmſtadt. Abſchluß der Reichsfahrt des A. D.A. C. Kohl, Sieger München=Berlin. Flugzeug= und
Fliegerrennen im Berliner Stadion. Süddeutſchland ſchlägt Zentralſchweiz 4:3.

Rund um Darmſtadt.
* Das zu einer klaſſiſchen Sportveranſtaltung gewordene alljährliche
Rennen Rund um Darmſtadt, das vom Veloeiped=Club
Darmſtadt 1899 ſeit 24 Jahren, alſo ſeit Beſtehen dieſes Vereins,
in jedem Jahr mit ſtetig ſteigendem Erfolg zur Ausſchreibung gelangte.
wurde geſtern zum erſten Male in Gemeinſchaft mit dem Darmſtäd=
ter
Radſportklub 1919 ausgefahren. Die beiden Vereine haben
mit Vereinigung zu gemeinſamem und dadurch großem ſportlichen
Wettkampf ein ſchönes und nachahmenswertes Beiſpiel guten und ſtar=
ken
Sportgeiſtes und ſchöner Einigkeit in ſportfördernden Beſtrebungen
bewieſen. Ein Beginnen, dem gleich ein ſchöner Erfolg beſchieden war.
Selten wohl hat eine radſportliche Veranſtaltung eine ſo ſtarke Betei=
ligung
und ein ſo großes Intereſſe beim Publikum gefunden. Trotz
der frühen Morgenſtunde, auf die der Start in Rückſicht auf die große
Hitze gelegt war, hatten ſich an der Rennbahn an der Heidelbergev
Straße zahlreiche Sportfreunde und freundinnen eingefunden, und
etwa drei Stunden ſpäter, am Ziel, das in der Nähe des Oberwald=
hauſes
war, zählten die Zuſchauer, die die erſten eintreffenden Fahrer
beguüßten, nach Tauſenden. Dieſe Tatſache darf wohl auch als Beweis
dafür angeſprochen werden, daß in Darmſtadt dank der Bemühungen
der beiden größten Vereine, von denen der ältere, der V.C. D., beſten
Ruf in ganz Deutſchland genießt, das Intereſſe an dem ſchönen Kad=
ſport
, das einſtmals anderen techniſchen Errungenſchaften auf gleichem
Gebiet Platz zu machen drohte, in neuem Aufblühen begriffen iſt, wie
ja Darmſtadt überhaupt eine muſtergültige Pflegeſtätte von beſtem Nuf
auf allen Gebicten des Sportes geworden iſt.
Das Rennen war wie immer vorzüglich vorbereitet und wurde dem=
entſprechend
tadellos durchgeführt. In die Oberleitung teilten ſich
diesmal die beiden verdienten Vorſitzenden der Klubs, die Herren Karl
Bauer und Levy, denen ſich eine ganze Reihe von Klubmitgliedern
zur Verfügung geſtellt hatte. Für die Oberleitung hatte die Heſſiſche
AutomobilA. G. unter ihrem Herrn Oberingenieur Georg Hoffmann
zwei Automobile zur Verfügung geſtellt, die auch den Preſſevertretern
die Mitfahrt der Strecke ermöglichten.
Von etwa 50 Gemeldeten ſtellten ſich 43 Fahrer dem Starter, dar=
unter
nicht weniger als acht alte Herren, von denen ſechs das Rennen
tadellos zu Ende fuhren. Unter den Jungmannſchaften war vielver=
ſprechender
Nachwuchs zu ſehen, der ſich aus beiden Klubs rekrutierte
und die Vereine beſtens repräſentierte. Wie immer wurde in 3 Grup=
pen
gefahren. Die Jungmannſchaften getrennt nach Schlauch= und
Drahtreifenfahrern, welch letztere einige Minuten Vorgabe erhielten,
und die Senioren. Die erſten beiden Gruppen fuhren über Eberſtadt,
Pfungſtadt, Bickenbach, Nieder=Beerbach, Nieder= und Ober=Ramſtadt,
Roßdorf, Spachbrücken. Dieburg, Altheim, Babenhauſen, Dudenhofen,
Urberach, Offenthal, MeſſelOberwaldhaus, insgeſamt 94,3 Kilometer.
Die Senioren fuhren die gleiche Strecke gekürzt auf 53,8 Kilometer.
Heißer Favorit wak wieder der ausgezeichnete Dauerfahrer E. Wolf,
der in dieſem Jahrz bereits eine ganze Anzahl Straßenrennen vont
2300 Kilometer beſtritten und ſtets gut plaziert war. Er fuhr wie=
derum
ein ausgezeichnetes Rennen von bewundernswerter Gleichmäßig=
keit
. Doch brachte der Endſieg inſofern eine Ueberraſchung, als ſich er=
gab
, daß Wolf in dem bisher unbekannten L. Baumert, vor dem
er mit knapper Radlänge den Sieg nach Hauſe fahren konnte, mit wei=
tem
Vorſprung vor den übrigen Teilnehmern, die in einem weiten
Feld auseinandergezogen waren, Zweiter wurde. Die Gruppen, welche
geſchloſſen mit kurzem Abſtand abgelaſſen wurden, wurden bei der
erſten, aber ſchwerſten Belaſtung, dem Seeheimer Stieg, auseinander=
geriſſen
. Als Spitzengruppe löſten ſich zunächſt fünf Fahrer los, die
aber ſehr bald von Wolf und Baumert verlaſſen wurden, die den übri=
gen
Konkurrenten um 810 Kilometer ausriſſen und dann mit dieſem
ſicheren Vorſprung in ſchönem, gleichmäßigem Rennen durchs Ziel fuh=
ren
. Den Sieg entſchied ein kurzer, wenig anſtrengender Endſpurt für
Wolf. Eine ausgezeichnete Leiſtung vollbrachte auch A. Dingeldein,
der hinter Seeheim ebenfalls ſehr zurückgeworfen wurde, dann aber
mächtig loszog und alle vor ihm Fahrenden überholte, ſo daß er mit
ſieben Minuten mehr den dritten Platz belegen konnte. Die übrigen
Reſultate folgen weiter unten.
Für das Rennen, das im nächſten Jahre aus Anlaß des 25. Jubi=
läums
des V.C. D. und angeſichts des ſteigenden Erfolges für ſämtliche
Mitglieder des Bundes Deutſcher Radfahrer freigegeben werden ſoll,
ſo daß wohl etwa 200 Fahrer am Start erſcheinen dürſten, waren von
Klubmitgliedern und Sportfreunden zahlreiche und wertvolle Preiſe zur
Verfügung geſtellt worden. Wolf erhielt am Ziel ſogleich von einem
Sportbegeiſterten einen Sonderpreis überreicht. Er iſt außerdem end=
gültiger
Gewinner des vom Heſſiſchen Automobil=Club
geſtiſteten Wanderpreiſes. Die Herren Direktor Schwarz, Vorſitzender
des Verbandes Deutſcher Rad= und Motorſportverbände, Karl Schwarz=
Darmſtadt und viele andere Klubmitglieder hatten ebenfalls Preiſe ge=
ſtiſtet
. Abends fand in der Turnhalle am Woogsplatz die Preisvertei=
lung
ſtatt, zu der ſich die Radler und Radlerinnen ebenfalls ſehr zahl=
reich
eingefunden hatten. Sie wurden u. a. überraſcht durch die aus=
gezeichnet
gefahrenen Reigen der Kunſtreigenmannſchaft und der Damen
des VC. D., die zu den Deutſchen Meiſterſchaften in Leipzig gefahren
werden.
Im Anſchluß an das Rennen fand gegen 11 Uhr vormittags eine
Propagandafahrt der beiden Klubs durch die Hauptſtraßen der Stadt
ſtatt, die ebenfalls zahlreiche Zuſchauer angelockt hatte.
Das Rennen hatte folgendes Reſultat:
Junioren: 1. Wolf, V.C. D., 3:1135; 2. Baumert, V.C.0
3:1135; 3. Dingeldein, V.C.D., 3:1805; 4. Maſer, V.C.D.,
3:19,38; 5. Ganß, D. R.C., 3:21,40; 6. Fiſcher, V.C. D., 3:3535;
7. Wagner, D.R.C., 3:38,25: 8. Bender, V. C. D., 3:98,30; 9. Walken=
horſt
, V.C. D, 3:32,11; 10. Offenthal, A.. D.R.C., 3:32,14; 11. Niebel,
D.R.C., 3:39,/40; 12. Pech, D.R.C. 3:32,41; 13. F. Kunz, D.R.C.,
3:32,45; 14. Offenthal. H., D.R.C., 3:37; 15. F. Enders, D.R.C. 2.50,10;
16. Weitzel, V. C. D., 3:52,10: 17. Molke, V. C. D, 3:52,20; 18. Andrae,
V. C. D., 3:52,94; 19. Heinz Fiſcher, V.C. D., 3:55,35; 20. Jacobi, V. C. D.,
3:57 50; 21. Gruber, V. C. D., 3:57,52: 22. Hottes, V. C. D., 3:59,35.
V.C.D., 1:53,40; 3. Thomas, D.R.C., 1:53,43: 4. Naab, V.C. D.,
Senioren: 1. Damus, VC.D. 1:53,38; 2. Walkenhorſt,
V.C.D., 1:53,40: 3. Thomas D.R.C., 1:53,43; 4. Raab, V.C. D.,
1:53,51; 5. Haller, D.R.C., 1:53,51; 6. M. Bauer, 2. R.C., 1:58,58.
U. Sr.
Die A. D.A. C.=Reichsfahrt 1923.
Der diesjährigen Reichsfahrt des A.D.A.C. hatten ſich Schwierig= a
keiten in den Weg geſtellt, die vom Verband Deutſcher Aiotorfahrzeug=
induſtrieller
ausgingen und darauf zurückzuführen ſind, daß der A.D=
A.C. für Sonntag, den 22. Juli, eine Sonderprüfung ausgeichriehen
hatte, deren Art vom V.D.M.J. mißbilligt wurde. Da der A.DA.C.
auf ſeiner Ausſchreibung beſtehen blieb, verhängte der V.D.M.J. über
die Reichsfahrt Reklameverbot, von dem natürlich nur die Induſtrie,
nicht aber der Handel betroffen wurde. Immerhin bleibt es bedauerlich,
daß die zwei bedeutendſten Organiſationen keinen Weg zur Einigung
gefunden haben.
Die Fahrt ſelbſt nahm am Donnerstag in Meiningen bei heru=
lichem
, nicht zu heißem Wetter ihren Anfang. Am Start nahmen 75
Motorräder und 90 Wagen teil.
Der erſte Tag der Fahrt brachte bereits nach etwa 45 Kilometern
eine Sonderprüfung, die bei Münnerſtadt über etwa 7 Kilo=
meter
führte, mit einer kurvenreichen 2 Klm. langen Bergſtrecke begann
und einer ſchnurgeraden Schnelligkeitsſtrecke über 5 Klm., die erſt Ge=
fälle
und dann Steigung aufwies, endete. Zu der Sonderprüfung wur=
den
die Fahrzeuge, die vom Start weg in der Reiheniolge ihrer Motor=
ſtärke
die ſtärkſten zuerſt abfuhren, neu geſtartet; nach Paſſieren
des Ziel wurde die Fahrt fortgeſetzt. Die Fahrer hatten es alſo an die=
ſem
Tage nicht leicht; denn ſie mußten faſt ohue Pauſe an 300 Kilo=
meter
zurücklegen und hatten dabei vorgeſchriebene Stundendurchſchnitts= richtete Volk=Karlsruhe ſchwere Angriffe gegen Flachsbarth=
geſchwindigkeit
einzuhalten. Dieſe Beſtimmung mag ſchon kerſchiedene Frankfurt. Dieſer legte ſein Amt nieder, nahm es aber auf dringende
Strafpunkte gebracht haben, da viele Fahrer den Fehler begingen, ſtel= Gitten nach einiger Zeit wieder auf. Bei dem Antrag, ob über das
lenweiſe zu ſcharfes Tempo zu fahren, um dann ſehen zu müſſen, dieſe neue Spielſyſtem eine Diskuſſion ſtattfinden ſolle, ſtimmten 299 Ver=
Zeit bis zum Tagesziel wieder einzubringen. Eine weitere ſchwere Be= e
dingung der Fahrt iſt, wie bereits früher bemerkt wurde, daß jedes un=
freiwillige
Anhalten verbönt iſt; auch dieſe Beſtimmung hat uanchen
Fahrer Strafpunkte gekoſtet.
Lünzelsau-Heilbronn-Pforzheim. Zweiter Fahrtag, Pforzheim-Wild= 2

badFreudenſtadtSchiltachTriberg Villingen. Dritter Fahrtag,
VillingenSchwenningenRottweilTübingen-BöblingenStuttgart.
Motorräder und Kraftwagen. Erſter Fahrtag, Mei=
b
ningenSchweinfurtWurzburgMergentheimHeilbronn bis Pforz=
heim
. Zweiter Fahrtag, PforzheimFreudenſtadt Schiltach-Villingen
bis Konſtanz. Dritter Fahrtag, KonſtanzFriedrichshafenUlm Geis=
lingen
Stuttgart.
Gefahren wurde in drei Gruppen: Leichtkrafträder, Motorräder und
Kraftwagen. Zunächſt ſind folgende Ergebniſſe feſtzuſtellen, die mit dem
Schnellverfahren errechnet wurden:
Gruppe R Klaſſe 3: Krafträder bis 350 Kubikzentimeter: 1. Buſ=
ſinger
=München, Heßer, 6:37 beſte Zeit der Klaſſe; 2. Wolf= Gunzen=
hauſen
, Ardie, 7:35 4;, 3. Ebner=Nürnberg, Ardie, 7:29.
Gruppe R Klaſſe 4: bis 500 Kubikzentimeter: 1. Mayr= Mün=
chen
, Viktoria, 4:54,2; beſte Zeit des Tages; 2. Kellner=Bamberg, Vik=
toria
, 5:08,4; 3. Frhr. König v. Fachſenfeld=Stuttgart, 5:32,4. In die=
ſer
Klaſſe erwies ſich Viktoria allen anderen glatt überlegen.
Gruppe R Klaſſe 5: über 500 Kubikzentimeter: 1. Kögl= Mün=
chen
, Mabeko, 5:34,2; 2. Bohres=Saarow, Mabeko, 6:053; 3. Holbein=
Ulm. Wanderer, 5:25,1 beſte Zeit der Klaſſe.
Gruppe k Klaſſe 6, mit Beiwagen: 1. K. Mahlenbrei= Stutt=
gart
, Viktoria, 7:17,4: 2. Kornmann=Karlsruhe, Wanderer, 6:40,4
beſte Klaſſenzeit; 3. Neißer=Stuttgart, Viktoria, 9:313.
Gruppe W1, Klaſſe 7. Wagen bis 3,99 PS.: 1. H. Tautenhan=
Zwickau, Hataz, 6:59 beſte Klaſſenzeit; 2. Beck=Karlsruhe, Grade,
8:03,3; 3. A. Tautenhan=Zwickau, 9:06,2.
Gruppe W 1, Klaſſe 8, bis 4.99 PS.: 1. Wochner=Leutkirch,
N.S.U., 5:36,3 beſte Klaſſenzeit; 2. Frau H. Wickenhäuſer=München,
N.S. U., 6:39,1; 3. Farny=Düren, N. S.U., 6:32,2. Drei N.S.U=Sieger,
ein glänzender Erfolg!
Gruppe W 2, Klaſſe 9, bis 5,99 PS.: 1. Caraccioka=Stuttgart,
Mereedes, 5:04.1 beſte Klaſſenzeit; 2. Hamels= Hannover. Disi,
5:12,1;, 3. Kaufmann=Arnſtadt, Leh, 5:49 2.
Gruppe W 2, Klaſſe 10. bis 7,9 PS.: 1. A. Hoffmann=Leipzig,
Dürkopp, 5:39,2; 2. Problewski=Offenburg, Dürkopp, 5:26,2; 3. Michel=
Stuttgart, Selve, 5:36 3.
Gruppe W 2. Klaffe 11, bis 10 PS.: 1. G. Huth=Chemnitz,
Preſto, 5:07,2; 2. Neugebauer=Brieg, N.A. G., 4:59,2 beſte Klaſſen=
zeit
; 3. Meyn=Darmſtadt, Adler, 5:05.
Die Reichsfahrt iſt heute mit einer Bergprüfung auf der Solitüde=
Bergſtrecke in Stuttgart beendet worden. Während der Fahrt wurden
im ganzen vier Geſchwindigkeitsprüfungen abgehalten, wodurch Zufalls=
ſiege
ziemlich ausgeſchaltet worden ſind. Dies zeigt ſich vor allem da=
durch
, daß in allen Prüfungen faſt immer dieſelben Fahrer an erſter
Stelle ſtehen. Das Ergebnis der langen Fahrt iſt ein recht gutes zu
nennen; es mußte nur ein mäßiger Prozentſatz der Fahrer ausſcheiden.
Bei den Kleinmotorrädern ſind von 77 ſtartenden 68 am Ziel angelangt.
Die großen Motorräder haben ſtärker gelitten, von 79 haben 50 die
lange Fahrt durchgehalten. Beſſer haben die Wagen abgeſchnitten, da
von 93 84 ankamen. Die Kleinmotorräder hatten allerdings eine weſent=
lich
kürzere Strecke zurückzulegen. (Vgl. die Karte in unſerer Sams=
tagsNummer
.)
In der geſtrigen Schlußprüfung bei Friedrichshafen wurden
folgende Ergebniſſe gezeitigt:
Klafſe 3: 1. Buſtinger=München (Heßer) 1,32 Steuer=Ps., 2:32,8,
2. Mayr=München (Ardie) beſte Zeit der Klaſſe 1,17 Steuer=Ps., 3:02,8,
3. Klingenbeil=München Ardie) 1.17 Steuer=Ps., 3:0,2.
Klaſſe 4: 1. MayrMünchen GViktoria) 1,91 Steuer=Ps, 2 Min.,
2. Kellner=Bamberg (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps., 1:57,6 Gbeſte Zeit der
Klaſſe), 3. Freiherr König von Fachſenfeld=Stuttgart (Viktoria) 1,91
Steuer=Ps. 2:11,2.
Klaſſe 5: 1. Högl=München (Mabeko) 2,3 Steuer=Ps., 2:17,/4,
2. Thomaſi=München (Megola) 2,44 Steuer=Ps., 2,.15 (beſte Zeit der
Klaſſe), 3. Bohres, Saarow Mabeko) 23 Steuer=Ps., 2:47,8.
Klafſe 6: 1 K. Mahlenbrei=Stuttgart (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps.,
2:28,8, 2. Reißer=Stuttgart (Viktoria) 1,91 Steuer=Ps., 3:00,8, 3. Korn=
mann
=Karlsruhe (Wanderer) 2,35 Steuer=Ps., 2:31,8.
Klafſe 7: 1. Beck=Karlsruhe (Grade) 3.08 Steuer=Ps., 2:4,4,
2. Pinkel=Charlottenburg (Omiron) 3,89 Steuer=Ps., 2:54, 3. A. Tau=
tenhan
=Zwickau (Hataz) 3,8 Steuer=Ps., 3:10,8, 4. H. Tautenhan=Zwickau
(Hataz) 3,8 Steuer=Ps.
Klaſſe 8: 1. Wochner=Leutkirch (N S..) 4,72 Steuer=Ps, 2i15,4 bacher Undine von 1876, hatte bei günſtigem Wetter eine große
(beſte Zeit der Klaſſe), 2. WickenhäuſerMünchen (N. S.U.) 4,72 Steuer= Beſucherzahl angelockt. Von den vielen gemeldeten auswärtigen Ver=
Ps., 2:38, 3. Farny=Düren (N. S. U.) 4,72 Steuer=Ps., 2:B,6.
Klaſſe 9: 1. Caraccioka=Stuttgart (Mercedes) 5,99 Steuer=Ps.,
2:00 2, 2. Kaufmann=Arnſtadt (Ley) 5.38 Steuer=Ps., 2:104, 3. Lau=
Eiſenach (Disi) 5,99 Steuer=Ps., 2:108.
Ps., 2:13,4, 3. Wroblewski=Offenburg (Dürkopp) 7,99 Steuer=Ps., 2:13. Hauptrennen hatten folgende Ergebniſſe:
Klaſſe 11: 1. Huth=Chemnitz (Preſto) 8,99 Steuer=Ps., 2:00,2,
2. Seidenhuth=Abolda (Avollo) 9,95 Steuer=Ps., 1:532 Gbeſte Zeit des verein (Flinſch) 6:57, 2. Gießener R.K. 1877 (Müller) 7:04, 3. Offen=
Tages), 3. Hanſa AG., Waren in Oldenburg (Hanſa) 805 Steuer=Ps., bacher RV. (Schnabel) 7.158.
2i11.
Radfernfahrt München-Berlin.
das am Samstag und Sonntag über die Landſtraßen rollte. Der Bund
Deutſcher Nadfahrer hatte alle Vorkehrungen getroffen, um das Rennen Höhe. Im Endſpurt mit einer Länge gewonnen.
auch in dieſem Jahre zu einem Ereignis erſten Ranges zu geſtalten.
zwei Etappen. Der Start erfolgte am Samstag 4 Uhr früh in Mün=
chen
. Von dort ging es über die Einſchreibkontrollen Ingolſtadt, Nürn= Sieg überlaſſen.
berg und Kronach nach Pößneck, dem Ziel der erſten Etappe. Am
Sonntag früh um 4.30 Uhr erfolgte die Weiterfahrt über Leipzig
(Zwangspauſe), Luckau (Zwangspauſe), Golßen, Zoſſen, Großbeeren
und Zehlendorf nach Berlin. Für die erſte Etappe MünchenVößneck bacher R.V. 6:45,/4, Kolliſion zwiſchen Gießener R.G. und Undine=
(365,9 Km.) hatten ſich 33 Amateure und 26 Berufsfahrer dem Starter
wurden ſie bald von den Berufsfahrern eingeholt und teilweiſe paſſiert, die ganze Strecke. Ingolſtadt ſiegt mit einem Meter Vorſprung.
In Pößneck kamen 14 Fahrer, darunter 4 Amateure, gemeinſam an.
A. Huſchke ſiegte im Endſpurt, vor Noerenberg, P. Kohl, Gehsdorf. Hellas=Offenbach 6:498, 3. R.Spp. Teutonia=Frankfurt 6:57,4.
R. Huſchke, Frake, Kreuder, Berend, Golle und Dobbrack, wobei bei den
Amateuren der Schweinfurter Claß vor Rhodies=Leipzig, Schneiderwind= Germania, 2. Limburger R.K.
Schweinfurt und NitzaMagdeburg ankam. Auf der zweiten Etappe
nach Berlin (318,5 Km.) ſchieden durch Sturz, Defekte und Schwäche R.Sp. Gießen, 3. Offenbacher Undine (aufgegeben). Zweites Rennen:
die meiſten aus. Den Berufsfahrern enteilten Kohl und Dobbrack bei 1. Offenbacher R.G. Undine, 2. Limburger R.V. Mit einer Länge
Gera und holten die eine halbe Stunde vorher geſtarteten Herrenfahrer gewonnen.
ein. Der Berliner Amateur Elcka kam ſchwer zu Fall und erlitt einen
Schlüſſelbeinbruch und einen doppelten Armbruch.
24:23:39, 2. A. Huſchke 24:36:322, 3. R. Huſchke 24:36:33, 4. Gehsdorf Längen.
24:36:33, 5. Michael 24:36:39 2 Herrenfahrer: 1. Karl Kohl=
Berlin 25:B:38,4 2. NitzeMagdeburg 25:23:38,8, 3. Doſt=Leipzig (Kolliſion zwiſchen Undine=Offenbach und Oberrad).
2:33:39,2, 4. Rudis=Leipzig 25:38:39, 5. Beck=Hannover 26:00.,38.

* Das Stadion=Radrennen.
Das Stadionrennen um den großen Preis von Berlin kam geſtern
nachmittag um 4 Uhr im deutſchen Stadion zu Berlin zum Austrag.
Das Fliegerrennen brachte den Sieg von Rütt, der in über=
legener
Weiſe Gottfried, Oſtermeher, Henry Meyer und Sennecke ſchlug.
Ahrend war in ſeinem Vorlauf durch Reifendefekt ausgeſchieden. Im
25=Kilometer=Reunen der Berufsfahrer ſiegte Roſellen vor Weiß und
Thomas in 21:932 Minuten.
Fußball.
Die Tagung des Süddeutſchen Fußballverbandes in Stuttgart.
wb. Karlsruhe, 22. Juli. Kurz nach Beainn der Tagung
eine mit 2947 Stimmen mit Ja und 203 Vereine mit 2912 Stimmen mit
Nein. Es konnte alſo die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht erzielt
werden und der Antrag mußte fallen gelaſſen werden. Es bleibt alſo
bei dem voriges Jahr in Darmſtadt gefaßten Beſchluß, wvonach die dier
Leichtkrafträder. Erſter Fahrtag, WürzburgMergentheim= letzten Vereine aus der Bezirksliga ausſcheiden. Die Anträge wegen
Neuorganiſgtion und Satzungsänderungen wurden zurückgeſtellt. Dem

amtlichen Organ Fußball iſt gekündigt worden. Die Disqualifiketion
von Dr. Neu=Saarbrücken auf drei Monate bleibt beſtehen. Ein Antrag,
dem beſetzten Gebiet eine ſelbſtändige Organiſation zu geben, wurde
abgelehnt. Im weiteren Verlauf der Sitzung griff Geppert=Karlsruhe
den Vorſitzenden ſehr heftig an. Infolge deſſen lehnte der ſeitherige
Geſamtvorſtand die Wiederwahl ab. Das Ergebnis der Neuwahl iſt:
1. Dr. Strecker=Karlsruhe, 2. Cardini=Nürnberg, 3. Schindel=
Worms als Vorſitzende. Flierl=Fürth wurde Schatzmeiſter. Prof.
Glaſer wurde Vorſitzender des Spielausſchuſſes, und Notar Keyl
Ehrenvorſitzender des Spielausſchuſſes. Als Ort der nächſten Tagung
wurde Aſchaffenburg beſtimmt.
Das Fußballwettſpiel Süddeutſchland gegen Zentral=
ſchweiz
gewann Süddeutſchland 4: 3.
Fußballfpiel Techn. Hochſchule Karlsruhe Techn. Hochſchule Darmſtadt.
Anſchließend an die Südweſtdeutſchen Hochſchulmeiſterſchaften fand
das Nückſpiel gegen die Techn. Hochſchule Karlsruhe ſtatt. Bis zur
Halbzeit licferten ſich beide Mannſchaften ein ſchönes ausgeglichenes
Spiel. Darmſtadt ſchoß das 1. Tor nach 20 Minuten. Nun wurden auf
beiden Seiten die Anſtrengungen verdoppelt: beide Torwächter hatten
manchen gefährlichen Ball abzuwehren; jedoch blieb ein weiterer Erfolg
bis zur Pauſe verſagt. Nach der Halbzeit ſpielt Karlsruhe in alter
Friſche weiter. Beſonders Wels als Rechtsaußen geht ſcharf ran. Darm=
ſtadt
iſt anſcheinend etwas müde. Karlsruhe nützt eine gute Gelegen=
heit
aus und ſendet ein. Nun geht es wieder flotter zu. Doch bleibt
Darmſtadt trotz mancher guten Durchbrüche ein weiteres Tor verſagt.
Man merkt, daß Vettel fehlt, der vor dem Spiel infolge Sehnenzerrung
ausſcheiden mußte. Für ihn ſprang Anſchütz ein; der trotz größter An=
ſtrengung
die Lücke nicht voll ausfüllen konnte. Mit 1:1 gehen beide
Mannſchaften unentſchieden auseinander.
Leichiathletik.
Leichtathletikkämpfe des Sportvereins Brandenburgia=Berlin.
Die Ergebniſſe: 100=Meterlauf: Reinhardt=Hamburg 11.4 S.,
200=Meterlauf: 1. Eberſtein=Hamburg 22,4 Sek., 2. Reinhardt.
300=Meterlauf: 1. Jenuwein=München 9:12,6. 400=Mieterlauf: 1.
Klamm=Berlin 53,7 Sek. 3X1000=Meterſtaffel: 1. München 1860 7:55,9,
2. Hamburger Sportverein. Diskuswerfen: Wendt=München 37,28
Meter.
Flugſport.
Das erſte deutſche Flugzeugrennen im Stadion.
Berlin, 22. Juli. (Priv=Tel.) Trotz des böiſchen und reg=
neriſchen
Wetters konnte heute im Stadion in Verbindung mit dem
Radrennen um den großen Preis von Berlin das erſte deutſche Flug=
zeugrennen
ſtattfinden. Gegen acht Uhr näherten ſich dem Stadion
zwei kleine Eindecker, die kurz vorher auf dem Flugplatz Staaken ge=
ſtartet
waren. Ueber dem Stadion warfen beide eine Meldekarte ab
und zurück ging es wieder nach Staaken. Auch dort wurden von beiden
die Meldekarten abgeworfen. Dann flogen ſie wieder zurück nach dem
Stadion, wo beide faſt zur gleichen Zeit die Ziellinie überflogen.
Immerhin lag die eine Maſchine, D N9 mit Major Carganico als
Führer, eine Kleinigkeit voraus. Das zweite Flugzeug D. W.J.R.,
das mit dem Piloten Raab=Berlin vor einiger Zeit in Berlin Unter
den Linden genotlandet war, war auch heute wieder von Raab ge=
ſteuert
. Nachdem beide Piloten durch elegante Kreisflüge die ſichere
Wendefähigkeit ihrer Maſchinen gezeigt hatten, landeten ſie im Mittel=
punkt
des Stadions, ſodaß das Publikum die beiden Flugzeuge aus
nächſter Nähe beſichtigen konnte. Der Beifall des Publikums über die
gelungenen Flüge war ſehr groß. Beide Maſchinen ſtammen von dem
Stahlwerk Mark in Breslau und ſind mit dreißiapferdigen zweizglind=
riſchen
Haake=Flugmotoren ausgerüſtet. Sie haben eine Spannweite
von 7 Metern und ein Gewicht von 220 Kg. Das Stahlwerk Mark hat
mit ſeinen kleinen Sportmaſchinen den Beweis erbracht, daß deutſcher
Erfindungsgeiſt und Wagemut trotz der Feſſeln des Verſailler Schand=
diktats
leiſtungsfähige Flugmaſchinen herzuſtellen imſtande iſt.

Regatten.
Offenbacher Regatta.
Die fünfte Ruder=Regatta in Offenbach, veranſtaltet von der Offen=
einen
fehlten leider die aus dem beſetzten Gebiet. Der Ruf der Veran=
ſtaltung
hatte jedoch eine große Anzahl auswärtiger Meldungen zu ver=
zeichnen
, unter anderem nahmen der Berliner Nuderklub Hellas und
Klafſe 10: 1. Wöſch=Würzburg (Benz) 7,99 Steuer=Ps., 2:009 der Donau=Ruderklub Ingolſtadt teil. Wegen der zahlreichen Meldun=
(beſte Zeit der Klaſſe, 2. Wickenhauſer=München (N.Su.) 7,99 Steuer= gen mußten ſchon am Samstag Vorrennen gefahren werden. Die
Begrüßungspreis (Junior=Einer): 1. Frankfurter Nuder=
Vereinspreis (Vierer): 1. Offenbacher R.G. Undine ( Allein=
gang
).
Preis von Bürgel (Junior=Achter): 1. Offenbacher R. G. Un=
dine
5:35,4; 2. Offenbacher, R.V. Hellas 6:02, 3. Frankfurter R.G.
Das längſte Straßenrennen des Jahres 1923 iſt München-Berlin, Oberrad 6:09. Bis 1500 Meter liegen Undine und Hellas auf einer
Hellaspreis (Vierer): 1. Limburger R.K. 6:40, 2. Frank=
Die Geſamtſtrecke betrug 694,4 Km. Wie ſtets, zerfällt die Fahrt in furter R.G. Germania 6:44, 3. Würzburger R.V. 6:52. Germanig
führt bis 1500 Meter, muß jedoch nach hartem Kampf Limburg den
Damenpreis (Doppelzweier ohne St.): 1. Frankfurter N.K.
5:00 4, 2. Limburger N.V. 6:54,2. Ueberlegen gewonnen.
Preis von der Kaiſerlay (Jungmann=Vierer): 1. Offen=
Ofefnbach kurz vor dem Ziel. Zweites Rennen: 1. Donau=Ruderklub
geſtellt. Da die Herrenfahrer ein nicht zu forſches Tempo einſchlugen, Ingoldſtadt 6:34, 2. Frankfurter R.V. 6:34,3. Schärfſter Kampf über
Leichtgewichts=Vierer: 1. R.K. Griesheim 6:45, 2. R.V.
Preis von Offenbach (Gaſt=Vierer): 1. Frankfurter R.V.
Preis vom Main (Junior=Vierer): 1. Heidelberger R.K., 2.
Preis von der Mainkur (Einer); 1. Frankfurt R.V., 2.
Frankfurter R.G. Germania, 3. Gießener R.G. 4. Frankfurter R.K.
Das Geſamtergebnis iſt folgendes: Berufsfahrer: 1. P. Kohl. ſeufgegeben). Flinſch ſchlägt den vorjährigen Meiſter Leus mit drei
Preis vom Schloß (Jungmann=Achter): 1. Frankfurter R.V.
Taunuspreis (zweiter Achter): 1. R.V. Hellas=Offenbach, 2.
Frankfurter R.G. Sachſenhauſen, 3. Frankfurt R.K., 4. Hanauer N.G.
Aeußerſt ſcharfer Kampf. Von, der prachtvoll rudernden Hellas mit
Luftkaſtenlänge gewonnen.
Undine=Preis (Achter): 1. Würzburger Nuderverein 1875,
2. Frankfurter R.V. Mit einer Länge gewonnen.
Pferdeſport.
Berlin=Grunewald.
Preis von Herdringen, 4300 Mk., 1400 Meter: 1. Fürſten=
bergs
Blücher (M. Schmidt), 2. Sanguiniker, 3. Ceg. 63:10; 16, 13,
16:10. Ferner: Chryſolith, Flemba, Tannenfels, Minor. 1 L., 34 L.
Rekruten=Rennen, 4300 Mk. 1200 Meter: 1. A. und C. von
Weinbergs Oder (O. Schmidt), 2. Roſkva, 3. Berſeba. 32:10; 14, 94,
20:10. Ferner: Heldraſtein, Leſe, Caprivi, Imperator. Dr. 4 L., 28.
Einſiedler=Rennen, 5800 Mark, 2000 Meter: 1. Friedheims Kardinal
(Ludwig), 2. Denkſtein, 3. Ferrarg. 19:10; 14, 94:10. Ferner: Do=
rian
. 34 L., 2 L. Kaiſerdamm=Ausgleich, 4300 Mk., 1400 Meter:
1. Kamils Döberitz (Ludwig), 2. Eidmete, 3. Becherklang. 48:10; 22,
21, 36:10. Ferner: Maifritzdorf, Dida, Cſardas, Gretel, Modepuppe,
Hannelore. 2½s gL., 1 L. Engelbert=Fürſtenberg=
Rennen 30 000 Mk., 3000 Meter: 1. Hauptgeſtüt Altefelds Wolfram
III. (Zimmermann), 2. Staffelſtab, 3. Veſtalin. 93: 10; 38, 16:10,
Verner: Notung, Kgiros, Perikles. 5 Lg., 4 Lg.

[ ][  ]

Seite 6.

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 23. Inli 1923.

Nummer 201.

Amdonttchaft enktenoni, Memnergächt

Des Siedlers Garien und die Bienen.
Von
E. Neumann, Königſtein.
Wenn der Siedler ſeinen Garten anlegt, ſo hat er verſchie=
Hene Geſichtspunkte dabei im Auge. Er will ſein kleines An=
weſen
, das eine ganz neue Welt für ihn bedeutet, möglichſt ſchön
und liebenswert geſtalten, denn ſelbſt die trockenſte und berech=
nendſte
Kaufmannsnatur hat ein mehr oder minder ausgepräg=
tes
Gefühl für Anmut und Schönheit. Ueber allem muß bei den
heute ſo äußerſt ſchwierigen Wirtſchaftsverhältniſſen das Prinzip
der Nützlichkeit ſtehen. Darum muß ſich jeder Siedler, wenn er
auf ſeine Rechnung kommen will, die Frage vorlegen, wie er
ſeine kleine Beſitzung recht rentabel geſtalten kann. Und es leuch=
tet
ohne weiteres ein, daß der die meiſten Vorteile aus ihr
ziehen wird, der dazu die zahlreichſten Hilfsmittel auf ſeiner
Seite hat. Ebenſo klar iſt, daß kein Hauptfaktor dabei unbeachtet
bleibt. Man denkt da ſofort an günſtige Bodenbeſchaffenheit, an
Düngung, Bewäſſerung, gutes Wetter u. a. Einen Wirtſchafts=
gehilfen
von weſentlicher Bedeutung aber läßt man ſehr oft
außer Berechnung und darum fühle ich mich verſucht, ganz
nachdrücklich darauf zu verweiſen, nämlich was für einen hohen
Wert unſere lieben Sonnenkinder, die emſigen Bienen, gerade
für den Siedler beſitzen.
Man hat ſich in Nichtfachkreiſen oft noch gar nicht einmal
ſo recht klar gemacht, was es denn mit der Wechſelwirkung zwi=
ſchen
Pflanze und Biene für eine Bewandtnis hat. Man er=
innert
ſich wohl des kleinen Spießgeſellen von den Tagen der
Schulbank her wie vielleicht des Helden einer längſt verklunge=
nen
Sage. Man ſieht wohl auch die gefürchteten Stacheltier=
chen
in den mancherlei Blüten wühlend ſich luſtig tummeln;
man hört auch mit Beklommenheit die eifrigen Sammlerinnen
ſummend mit dem Moſt davoneilen und kennt auch ihr ſüßes Sam=
melgut
meiſt nicht bloß vom Hörenſagen; aber über dieſe augen=
fälligſten
Erſcheinungen der Wechſelbeziehungen zwiſchen Pflanze
und Inſekt ſpürt man oft trotz der zahlreichen Anregungen nicht
hinaus. Wäre dem nicht ſo, ſo könnte es ſchon längſt keinen
Siekler mehr geben, der in ſeinem ſchmucken Gärtchen nicht
wenigſtens einige Bienenſtöcke ſein Eigen nennte.
Begleite mich einmal zur Beweisführung meiner Behaup=
tung
im Geiſte in deinen wohlgepflegten Gemüſegarten. Ich
weiß ebenſo wie du, daß dein ſtattliches Kulturerzeugnis an und
für ſich Selbſtzweck, nämlich Nahrungsmittel, iſt, und daß es
weiter nichts als gute Wachstumsbedingungen nötig hat. Willſt
du aber vorteilhaft wirtſchaften, ſo ſorgſt du für das Saatgut des
kommenden Jahres möglichſt allein. Was iſt nun da zu tun?
Ganz einfach! Man zwingt die Pflanze zur rechtzeitigen Blü=
tenbildung
, dann entwickelt ſich der Same. Ganz recht! Aber in
deiner Denkfolge iſt eine weitklaffende Lücke; denn Endprodukt
iſt doch wohl nicht die unmittelbare Folge des Blühens, ſondern
die der Befruchtung, die in den meiſten Fällen ohne Inſekten,
inſonderheit ohne Bienen, nicht recht denkbar iſt. Und je beſſer
die Befruchtung was gleichbedeutend mit einem guten Be=
fluge
durch die Biene iſt , deſto erſprießlicher iſt die Samen=
ernte
.
Das Geſagte bezieht ſich ſelbſtverſtändlich auch auf den Blu=
men
=, ganz beſonders aber auf den Obſtgarten, bei welchem es
natürlich weniger auf den Samen als auf die Früchte ankommt.
Man hat vor dem Kriege (um den Wert der Bienenhilfe zu
beleuchten) einmal von fachmänniſcher Seite herausgeklügelt,
daß ſich durchſchnittlich der Bienenſtock durch Befruchten der
Obſtblüten allein mit ungefähr 40 Proz. am Ertrage beteilige.
Bekannt iſt, daß neben Honig und Wachs auch Schwärme nicht
zu verachtende Beigaben ſind, die dem Gewinnkonto zugute kom=
men
. Soll dein Garten jedoch deinen höchſten Anforderungen
gerecht werden, ſo mußt du darauf bedacht ſein, daß du das Ver=
tragsverhältnis
zwiſchen Pflanze und Biene auf beiden Seiten
zu einem recht einträglichen geſtalteſt. Auf der einen Seite
bedeutet das allmählich die Anlage eines ſo großen Bienen=
ſtandes
, daß die Trachtverhältniſſe deiner Gegend genügend aus=
genützt
werden. (Bei Vermehrung der Völkerzahl deiner näch=
ſten
Umgebung kann unter Umſtänden auch eine Abwärtsbewe=
gung
deines Beſtandes angezeigt erſcheinen.) Andererſeits be=
vorzugen
wir möglichſt ſolche Pflanzen, die von den Bienen in=
folge
ihres Honig= und Pollenreichtums recht lebhaft beflogen
werden. Im Blumengarten erſcheinen da u. a. die vielfarbige
Kornblume, die wohlriechende Reſeda, der pollenreiche Mohn,
die honigvolle Kugel= und Edeldiſtel und die Sonnenroſe, und
als ſchützende Hecke die langblühende Schneebeere. Der Gemüſe=
garten
verträgt keine feſtgelegten Vorſchriften.
Beſondere Freude und Erträge aber ſpendet dir, günſtige
Lebensbedingungen vorausgeſetzt, unter Mitwirkung der Bienen
dein Obſtgarten. Da leuchten aus dem dunklen Grün der Beete
ganze Sträuße ſtattlicher Erdbeeren; da biegen ſich die Zweige
der Himbeeren unter ihrer Laſt; da locken fruchtbeſchwerte Sta=
chel
= und Johannisbeerſträucher Ausdrücke des Entzückens her=
vor
; da drohen ſchwerbeladene Obſtbäume aller Art unter der
Fülle zu berſten. Ueberall reichſter Segen.

*) Entnommen der Zeitſchrift Der Kleinſiedler, Leipzig, Reichen=
bachſche
Verlagsbuchhandlung.

Der junge Tod.
Roman von Fritz Demuth.
(Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung des Herrn Verfaſſers und
der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in Stuttgart u. Berlin.)
(Nachdruck verboten.)
66)
Der Hauptmann kehrte zurück, aber Günter ließ ſich jetzt
nicht mehr ſo ſehr durch ihn ſtören wie zuvor, er war luſtig und
erzählte Schnurren aus dem Felde und geriet in Begeiſterung
über ein paar von ſeinen Leuten und über die Deutſchen im
allgemeinen.
Die Vorſtellung, daß unſer Feſteſſen die ſicher nicht reiche
Kaſſe Günters allzuſehr belaſten würde, machte mich un=
ruhig
, ich nahm ihn, als wir die Tafel verlaſſen hatten, beiſeite
und verſuchte, es dahin zu bringen, daß ich zum mindeſten für
uns beide bezahlte, er erhob Einſpruch mit einer Miſchung von
Verlegenheit und Stolz: Sie können die Einladung wirklich
annehmen, ich hab viel Geld im Felde geſpart, er brach ab.
Alſo, haben Sie Dank, Sie ſind wirklich ein lieber Junge.
Da hatte ich’s ihm ins Geſicht geſagt, wofür ich ihn hielt, und
er freute ſich aufrichtig darüber.
Haben Sie morgen tagsüber Zeit, ich vermutete das nach
einer Bemerkung des Hauptmanns, dann könnten Sie Marie
Louiſe Geſellſchaft leiſten, ich habe mit den neutralen Militär=
bevollmächtigten
zu tun. Wird es gehen?
Gewiß, und wenn ich durchbrennen ſollte!
Ich hoffe, das wird nicht nötig ſein. Sie können dann
einen Spaziergang mit Marie Louiſe machen.
Gern, aber da füllt mir etwas ein, das wäre viel ſchöner.
Ein Kamerad aus meinem Regiment, den ich gleich nach meiner
Herkunft beſucht habe, iſt hier in der Nähe Beſitzer, er leiht uns
ſicher Pferde, er hat mir das gleich angeboten, und einen
Damenſattel hat er auch, denn ſeine Frau reitet, er wohnt gar
nicht ſo weit von Ihrem Hotel, da hole ich morgen früh Marie
Louiſe mit den Pferden ab.
doch von
Aber das geht doch nicht, die Pferde k
einem Fremden nicht entleihen.

Und nun noch raſch einen Blick nach dem Bienenhauſe!
Dort herrſchte auch nicht etwa Ruhe und Stillſtand. Zelle an
Zelle wurde aus dem begehrten Wachſe aneinander gefügt und
mit Mengen köſtlichſten Gutes gefüllt, auf das die ſorgende,
ſparſame Hausfrau ebenſowohl, wie die nach Süßigkeit und
Kraftnahrung verlangenden kleinen Leckermäuler ſchon längſt
ſehnſüchtig warteten.
Ja, Bienenſtand und Siedlergarten ſind unleugbar eine
gegebene Einheit von nicht zu unterſchätzender Bedeutung, und
eine Quelle edelſter Freude, reinſten Genuſſes und reichen Er=
trages
.
Der praktiſche Kleingärtner.
Gemüſenachkulturen im Spätſommer und Herbff.
Bei der letzten Beſtellung, die im Hochſommer vorgenommen
wird, verwendet man nur Gemüſearten von möglichſt kurzer Ent=
wickelungsdauer
, damit die Pflanzen bis zum Herbſt ihre volle
Ausbildung für die Küche erreicht haben. Aus dieſem Grunde iſt
es empfehlenswert, Frühſorten als Nachkulturgemüſe anzubauen.
Außerdem gibt es ja einige Sorten, die ſich in beſonders kurzer
Zeit entwickeln. Da der Boden ſchon durch eine Vorkultur in An=
ſpruch
genommen wurde, muß auch das Nährſtoffbedürfnis be=
achtet
werden. Bei den ſtark zehrenden Gemüſen, die als Nach=
frucht
Verwendung finden ſollen, muß eine gründliche Lockerung
des Bodens vorgenommen werden. Wenn möglich, muß mit
künſtlichem und flüſſigem Dünger nachgeholfen werden. Beſon=
dere
Beachtung ſchenke man der Bodenbearbeitung mit der Hacke,
weil dadurch die Entwickelung gefördert wird. Nur bei ſorgfäl=
tiger
Behandlung wird man die zu erwartenden Erträge noch
rechtzeitig ernten können.
Beſonders eignen ſich Buſchbohnen und Salatgewächſe zu
Nachkulturen. Mit großer Ausſicht auf Erfolg kann ſelbſt im Juli
noch eine Nachſaat von Buſchbohnen vorgenommen werden, die
bis zum Eintritt der Fröſte genügende Mengen grüner Bohnen
liefert, und zwar eignen ſich faſt alle bekannten Buſchbohnenſor=
ten
, die ja an und für ſich eine kurze Lebensdauer haben und ſich
in den wärmeren Sommermonaten auch ſchneller entwickeln als
die Frühſaaten. Freilich kann dann kein Saatgut gewonnen wer=
den
, da die Bohnen bei ſo ſpäter Saat nicht mehr genügend aus=
reifen
. Aber bei günſtigem Wetter bringen ſie noch einen außer=
ordentlich
hohen Ertrag an grünen Schoten, die für den Winter
eingemacht und getrocknet werden können.
Von Kopfſalat ſollte man ſtets Setzpflanzen vorrätig haben,
um ſie überall hinſetzen zu können, wo ein Plätzchen frei wird.
Von Endivien, werden die Pflänzlinge bis Mitte Juli auf die
Beete gebracht. Feldſalat ſchießt in den heißen Sommermonaten
leicht in Samen; er wird darum erſt wieder von Anfang Auguſt
an ausgeſät. Nachausſaaten von Feldſalat können bis in den
Oktober hinein erfolgen. Von Ende Juli bis Anfang Auguſt
ſät man Spinat in Abſtänden, von zwei bis drei Wochen, um
immer ernten zu können. Spinat und Feldſalat, werden in
Reihen geſät, um die Entwickelung durch öfteres Hacken beſſer
befördern zu können.
Auch manche Kohlarten eignen ſich zur Nachfrucht, beſonders
der Roſenkohl, der, im Juli gepflanzt, ſich bis zum Herbſt gut
ausgebildet und viele Roſen in den Blattachſeln anſetzt. Wenn
die Bildung der Roſen noch nicht bis zum 20. September begon=
nen
hat, fördert man ſie durch das Ausſchneiden der Spitze. Beim
Roſenkohl kann man ſo recht deutlich ſehen, welche Wunder ge=
legentlich
Dunggüſſe auf die Entwickelung der Gewächſe haben.
Wo Spätkohl wegen beſonderer Verhältniſſe nicht nachkommen
kann, da können wir mit Frühkohlſorten, z. B. Heinemanns Juni=
Rieſen, noch eine gute Ernte erzielen, wenn das Setzen ſpäteſtens
im Juli erfolgt.
Vor allen Dingen, iſt aber der Grünkohl hier zu nennen.
Seine Pflanzzeit dauert bis in den Auguſt hinein, und als ge=
nügſames
Pflanzenweſen kann er überall auf leere Beete geſetzt
werden. Die beſten Sorten für die Küche ſind niedrige und mit=
telhohe
. Man pflanzt ſie in Abſtänden, von fünfzig bis ſechzig
Zentimeter.
Ein mehrjäriger Krauskohl, der im Juli geſetzt und im näch=
ſten
Herbſt und dem darauffolgenden Frühjahr gute Ernten
bringt, iſt der Pflückkohl. Ferner wird Frühlingsſchnittkohl im
September in Reihen von fünfzehn bis zwanzig Zentimeter Ab=
ſtand
geſät und im nächſten Frühjahr wie Spinat geſchnitten und
verwertet.
Setzpflanzen von Kohlrabi müſſen in einem richtig bewirt=
ſchafteten
Gemüſegarten immer vorhanden ſein. Nachzuchten
müſſen darum oft wiederholt werden. Kleintreibende Sorten,
wie Wiener Glaskohlrabi und Dreienbrunnen können noch An=
fang
Auguſt gepflanzt werden. In Gruben laſſen ſie ſich bis in
den Winter hinein aufbewahren. Wurzelgemüſe geben vielfach
noch gute Ernten. Beſonders ſind zur Ausſaat im Juli die klei=
neren
Karottenſorten, wie Pariſer und Duwicker, zu empfehlen.
Sie bilden ſich bis zum Eintritt der kühlen Jahreszeit vollkom=
men
aus. Schwarzwurzeln werden dort, wo die Frühjahrsaus=
ſaat
bis zum Herbſt keine verbrauchsfähigen Wurzeln gibt, ſchon
im Auguſt in Reihen auf ein abgeerntetes Beet geſät. Winter=
rettich
kann noch Mitte Juli geſät werden. Er wird dann nicht
zu dick, bleibt zart und ſchießt auch nicht leicht in Samen. Ra=

Ach, der iſt nicht ſo, da laſſen Sie mich nur machen, wirklich,
das hat gar keine Bedenken.
Die ganze Reiſe war verſtandesgemäß nicht zu verteidigen;
nun gut, mochte noch etwas geſchehen, was offenbar unvernünf=
tig
war und Marie Louiſe tiefer in die Angelegenheit mit Gün=
ter
hineintreiben konnte, Marie Louiſe ſollte es endlich einmal
ſorglos gut haben, daneben hatten alle Einwendungen zu
ſchweigen.
Aber wo bekommen wir das Reitkleid für Marie Louiſe
her?
Wir telephonieren in Berlin an und laſſen es morgen mit
dem erſten Frühzuge kommen, rief Günter.
Nun, nun, Marie Louiſe iſt doch keine extravagante Dollar=
prinzeſſin
! Aber Günter bat inſtändig, und ich hatte mich auch
in den Gedanken ſchon zu ſehr hineingefunden, Marie Louiſe die
Freude zu bereiten, als daß ich ihn aufgeben wollte. So ſtimmte
ich zu und ordnete telephoniſch, das Erforderliche in Berlin an.
Mit Günter verabredete ich, daß er um zehn Uhr eintreffen ſolle.
Wir fuhren ſpät nach Hauſe, Marie Louiſe war müde, ich
beſtimmte im Hotel, daß ſie nicht geweckt würde und daß die
Reitſachen, die mit dem Zuge gegen halb zehn eintreffen mußten,
in mein Zimmer gebracht würden. Ich ſelbſt war am nächſten
Morgen bis halb elf Uhr frei und konnte deshalb der Entwick=
lung
beiwohnen, die die Dinge nehmen würden. Alles ging
vortrefflich, wir frühſtückten, und als wir fertig waren, meldete
der Hotelportier, Herr Leumant Pfeil ſei draußen. Nun gingen
wir hinaus und trafen Günter im Veſtibül. Auf der Straße vor
der offenen Haustür führte ſein Burſche zwei hübſche braune,
vollblütige Pferde. Günter lachte über das ganze Geſicht voll
Freude wegen des gelungenen Streiches. Wir reiten aus,
Marie Louiſe, ſagte er. Die zeigte auf ihr leicht gearbeitetes
Frühlingskleid. So kann ich doch nicht reiten. Aber ich faßte
ſie am Arm. Das iſt wie im Märchen vom Fiſchlein Timpete,
geh nur hinauf in mein Zimmer, Du findeſt ſchon alles, und
ich erklärte ihr, was geſchehen war.
Da war wieder das Glück in Marie Louiſens Augen und
in ihren Händen, mit denen ſie die meinen erfaßte, in dem
Vorwärtsdrängen ihres ganzen ſchlanken Körpers.
Schnell eilte ſie davon, und nach einigen Minuten war ſie

und Siedlungsweſen
dieschen werden erſt wieder von Anfang Auguſt ab ausgeſät,
wenn die kühlen und taufriſchen Nächte beginnen. Speiſerüben,
die ſehr lohnend ſind, werden leider noch zu wenig angebaut.
Dieſes leicht heranzuziehende, billige und bekömmliche Gemüſe
muß mehr beachtet und als Nachkultur auf abgeernteten Beeten
beſonders häufig angebaut werden. Als empfehlenswerteſte
Sorten ſeien Heinemanns weiße Winter und Heinemanns
Delikateß empfohlen. Außerdem kann noch Porree bis in den
Auguſt hinein angepflanzt werden. Die allerfrüheſte weiße Früh=
jahrszwiebel
wird im Auguſt ausgeſät, im Oktober in geringen
Abſtänden auf Beete gepflanzt, überwintert und gibt im Mai
des nächſten Jahres gänſeeigroße Zwiebeln.
Der Kleintierzüchter.
Die Pflege des Zuchthuhns vor der Mauſer.
Die Zuchtzeit iſt beendet und eine Ruhepauſe tritt in dem
Legegeſchäft der Hühner ein. Es iſt falſch, jetzt allein dem Jung=
geflügel
ſeine Aufmerkſamkeit zu widmen. Wer ſeine Zucht=
hühner
vernachläſſigt, ſchädigt ſich ſelbſt. Eine große Gefahr für
die alten Hühner liegt in der gemeinſamen Fütterung mit den
Jungtieren. Sie werden dabei zu fett, weil ſie die jungen Tiere
wegbeißen. Bei dieſen tritt infolge ungenügender Ernährung
eine Stockung im Wachstum ein. Gerade das Junggeflügel muß
reichlich Futter bekommen, die alten Zuchttiere dagegen hält man
lieber etwas knapp, namentlich, wenn ſie ſich nicht genug Be=
wegung
machen können. Bei wertvollen Zuchtſtämmen, von
denen man auch nächſtes Jahr reichliche gute Nachzucht erwartet,
trennt man die Geſchlechter. Die einzelnen Hähne müſſen genü=
gend
Auslauf und Scharraum haben. Körnerfutter, beſonders
Mais, darf nicht viel gegeben werden, um ſo mehr Grünfutter.
Herbſt= und Wintereier von den alten Zuchthennen ſchädigen die
nächſte Nachzucht. Vor Weihnachten ſollen die dazu beſtimm=
ten
Tiere möglichſt nicht mit dem Legen anfangen. Man gebe
den Tieren viel Grünfutter, wenig fettbildende Futtermittel und
Gelegenheit zu viel Bewegung. Nur während der Mauſer füttere
man kräftiger und reichlicher, damit die Tiere ſich ſchnell erholen
und vollbefiedert die kältere Jahreszeit überſtehen. Als nahr=
haftes
und federbildendes Futter iſt friſcher Knochenſchrot in
dieſer Zeit unübertrefflich. Tiere, die ſich zur Zucht nicht beſon=
ders
geeignet haben oder die man aus einem anderen Grunde
nicht behalten will, ſchafft man am beſten vor der Mauſer ab,
ſei es durch Verkauf oder durch Schlachten. Es wäre unvorteil=
haft
, ſolche Tiere noch durch die Mauſer zu füttern.
Hauben= oder Kaiſerenten.
Die Enten ſind noch nicht ſo lange Haustiere wie die Gänſe.
Aber doch iſt bei ihnen eine viel größere Zahl von Abarten er=
reicht
worden als bei den Gänſen. Vor allem bezieht ſich das
auf die Färbung des Gefieders und in der Anzüchtung von ganz
beſonderen, eigenartigen Merkmalen. Die Haubenente wird auch
Kaiſerente genannt. Offenbar iſt ſie eine Spielart der gewöhn=
lichen
Landente. Schon ſeit mehreren hundert Jahren wird ſie
vereinzelt gehalten. Ihre Nutzeigenſchaften ſind derartig, daß
ſie darin von keiner anderen Entenraſſe übertroffen wird. Da
ſollte man ſich eigentlich wundern, daß ſie nicht überall und all=
gemein
gezüchtet wird. Eine Erklärung dieſer Tatſache iſt nur
darin zu ſuchen, daß wir Deutſche nur das bewundern und be=
vorzugen
, was aus dem Auslande ſtammt, was von weither
kommt. Nur ein kleiner Züchterkreis iſt dieſer ſchönen deutſchen
Ente treu geblieben, es iſt ſogar zu hoffen, daß dieſer Kreis jetzt
allmählich ſich vergrößern wird.
Inbezug auf das an die Wandgedrücktwerden hat die Hau=
benente
dasſelbe Schickſal wie zahlreiche andere deutſche Geflü=
gelraſſen
. Früher, als es nur wenige Raſſen und Schläge gab,
ſo ſagt Dürigen in ſeinem Handbuch, war ſie weit verbreitet und
beliebt. Nach Bekanntwerden und Einführung neuer Erſchei=
nungen
wurde ſie beiſeite geſchoben und vernachläſſigt. Es iſt
zwar wahr, daß die Haubenente ſich in Größe und Maſſigkeit
nicht mit den Ausländern, den Rouen, den Aylsburries,
Duclairs, Peking und in eigenartiger Figur nicht mit den Lauf=
enten
meſſen kann. Es iſt auch ſchwierig, eine große, volle, rich=
tig
auf der Kopfmitte (nicht ſchief) ſitzende Haube zu erzielen, wo=
rauf
es ja bei der Beurteilung der Ente und bei Abſchätzung des
Liebhaberwertes hauptſächlich ankommt. Aber gerade die zu
überwindenden Schwierigkeiten müſſen doch den echten Züchter
und Tierliebhaber begeiſtern. Außerdem ſind ja diejeniges
Tiere, bei denen die Haube zu klein oder ſchief geraten iſt, nich
wertlos. Sie geben immer einen leckeren Braten ab.
Wer alſo eine hübſche Ente haben will, die auch, ohne ge
rade ein Rieſentier zu ſein, vom wirtſchaftlichen Standpunkt aus
das Beiwort Nutzente wirklich verdient, der möge an den Hau=
benenten
nicht vorübergehen. Das Fleiſch einer jungen Hauben=
ente
iſt von feinem Gewebe und ſaftig wie bei den beſten Maſb
enten. Das Gewicht einer zehnwöchigen Haubenente beträgt
etwa 3 Pfund.
Auch als Legeente iſt ſie hoch zu bewerten. Die meiſten weib=
lichen
Tiere bringen es auf mehr als 100 Stück Eier. Bei ge=
ordneter
Leiſtungszucht kann dieſe Zahl bedeutend überſchritten
werden.
umgekleidet wieder unten, ſie ſah entzückend aus in dem dunkel=
grauen
Reitkleide mit dem Dreimaſter auf dem Kopf. Nein,
Vater, ſagte ſie, daß ich noch einmal reiten würde, hätte ich ia
gar nicht geglaubt. Aber ehe ich antworten konnte, war ſie
draußen, betrachtete ihr Pferd, klopfte ihm Hals und Flanken
und ſaß auf, Günter hielt neben ihr im Sattel, und nun grüßten
ſie mich beide, ſo jung und ſo froh, daß ich nicht anders konnte
wie mich abwenden, um eine Rührung zu verbergen, die mich
aus der Faſſung zu bringen drohte.
Mein Auto ſtand vor der Tür, ich gab dem Chauffeur einen
Wink, anzukurbeln, und ſchaute den beiden nach, wie ſie die
Straße entlang ritten, ſo ſchlank waren ſie, ſo jung, ſo ſchön.
Ich ordnete an, daß der Chauffeur ein Stück langſan
hinter den Reitern herführe. So ging’s durch die Stadt, ins
Freie, in den Wald. Nun trabten die beiden, und nun ritten
ſie auf einem guten weichen Wege im Galopp vorwärts. Das
Auto blieb immer in gemeſſener Entfernung, ich ſah die Reitel=
die
nichts von meiner Anweſenheit wußten. In zehn Minuten
mußte ich an der Bahn ſein, wir hatten umzukehren und zurück=
zufahren
.
Das Auto wendete. In der dunkelblauen Ferne von
Frühlingshimmel und Kiefernwald entſchwanden, die beiden
meinem Blicke. Eben waren ſie noch dageweſen, nun ſah ich
ſie nicht mehr. Mit voller Kraft fuhr der Wagen zur Bahn=
wo
ich die fremden Militärbevollmächtigten erwartete. Ich
ſollte helfen, ihnen zu imponieren und Einrichtungen für die
Kriegsführung zu zeigen, die mit größter Genauigkeit in kur=
zeſter
Zeit ſehr viel Menſchenleben vernichten konnten, und
dachte dabei an mein junges Kind, das ſein Glück und ſeine
Lebensbejahung vom Rücken ſeines Roſſes, in den heiteren
Frühlingstag hinausatmete.
Der Wald lag hinter mir. Eine wie gute Figur hatten die
beidem zu Pferde gemacht! Marie Louiſe hatte ordentlichen
Reitunterricht empfangen, ſie hatte nichts verlernt.
Ratternd fuhr das Auto über das Straßenpflaſter, mir kan.
der Gedanke: Wenn nun Marie Louiſe etwas zuſtößt? Sie iſt
ſo lange nicht geritten! Aber ſolche Aengſtlichkeit lag mir nicht,
ich wies ſie zurück.
(Fortſetzung folgt.)

Advoke
deutſche
organ