Darmstädter Tagblatt 1923


18. Juni 1923

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitang der Landeshaupiſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Auffätze und eigenen Nochrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtattet.

Nummer 166

Montag, den 18. Juni 1923

186. Jahrgang

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ſtelle
Rheinſtraße 23, die Agenturen und Anzeigen=
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Aufruhr, Streik uſw., erliſcht jede Verpflichtung
auf Erfüllung der Anzeigenaufträge und Leiſtung
von Schadenerſatz. Bei Konkurs oder gerichtlicher
Beitreibung fällt jeder Rabatt weg.

Die deutſche Proteſtnote eine erhöhte Drohung.
U. Paris, 17. Juni. Die warnende Note. Deutſch=
lauds
, in der die Regierungen, mit Ausnahme Frankreichs und
Belgiens, davon verſtändigt wurden, daß durch das Auftreten
der Beſatzungsmächte unabſehbare Folgen heraufbeſchworen
werden könnten, wird in der franzöſiſchen Preſſe nur wenig
benchtet. Der Intranſigeant ſchreibt über die Note, dieſe
verhüllte Drohung ſei hauptſächlich dazu beſtimmt, auf die Lon=
doner
Regierung einen Druck auszuüben. Zumal Herr Cuno,
der wohl den doppelten Wunſch Englands kenne, mit Paris
nicht zu brechen und zugleich nichts zu tun oder zu ſagen, was
den wirtſchaftlichen Beziehungen Großbritanniens mit Deutſch=
land
ſchaden könne. Der Temps ſpricht eine ähnliche Ver=
mutung
aus. Er ſchreibt gelegentlich einer gereizten Polemik
gegen die Londoner Sunday Times, die von den Vorteilen
einer klugen wirtſchaftlichen Tatſachenpolitik gegenüber einer
wirtſchaftlichen Machtpolitik aus ſprachen: Glaubt die deutſche
Regierung, daß Unruhen im beſetzten Gebiet ausbrechen, und
behält ſie ſich vor, in dieſem Falle die Verantwortung auf die
Franzoſen abzuwälzen, oder ſchmeichelt ſich die deutſche Regie=
rung
, eine engliſche Intervention, d. h. einen Druck Englands
auf Frankreich heraufbeſchwören zu können? In dieſem Falle
kann der Artikel der Sunday Times Deutſchland in ſeinem Ma=
növer
nur beſtärken.

Vom Tage.
Der Berliner Kriminalpolizei gelang es nunmehr, den Fünfzig=
millionendiebſtahl
aufzuklären, der anfangs Mai in der Reichsdwuckerei
ausgeführt worden war. Als Täter wurdon zwei junge Burſchen, die
als Zähler und Transpoxuarbeiter beſchäftigt waren, verhaftet. Neun=
zehn
Millionen bares Geld wurden wiedergefunden.
Der vom nerwegiſchen Reichsvermittlungsamt eingebrachte Vor=
ſchlag
, um dem Streik in der Papierinduſtrie zu verhindern, wurde von
Jufolgedeſſen ſtreiken ſeit heute abend 15 000 Arbeiter.
Wie ein Abendblatt berichtet, fand in engſtem Familienkreife die
Hockzeit der einzigen Tochter des Reichspräſidenten, Fräulein Amalie
nung des jungen Paares im Weſtend in Gegenwart von zehn Perſonen
die kirchliche Tuauung vollzogen.
abkommen zwiſchen Frankreich und Portugal abgelaufem iſt, ſo daß ſich
die beiden Länder in einem Zuſtand des Abbruches der wirtſchaftlichen
Bezichungen befinden.
beſchloſſen wegen Lohndifferenzen die Ausſperrung der Arbeiter. Hier=
durch
werden von Montag an 8500 Arbeiter erwerbslos.
Seit einiger Zeit tritt in verſchiedenen Gegenden Ungarns die
marokkaniſche Heuſchnecke auf. Eing Reihe von Ortſchaften an der Theiß
ſoll von Heuſchrecken überflutet ſein.
maligen Miniſterpräſidenten Stambulſnski, die von ihrem Mann ſeit

Aus dem beſetzten Gebiet.
Gefährdung der Lebensmitielverſorgung durch Lahmlegung des Eiſenbahnverfehrs.
Aitentat auf den D=Zug Wiesbaden=Paris.

Berlin, 16. Juni. Aus dem Ruhrgebiet liegen zahl=
reiche
Meldungen über die Folgen der Lahmlegung des
geſamten Eiſenbahnverkehrs vor, die ſich beſonders
auf dem Gebiete der Lebensmittelverſorgung empfindlich bemerk=
bar
machen. Aus verſchiedenen Orten, wie beſonders Bochum,
Gelſenkirchen, Dortmund, werden Klagen über Mangel
an Fleiſch, Milch, Kartoffeln laut. Auch in Herne iſt die Ver=
ſorgung
des Lebensmittelmarktes kritiſch. Aus Hörde werden
außerdem Beſchwerden der Landwirte darüber gemeldet, daß ſie
infolge der außerordentlich ſtreng gehandhabten Paßkontrolle
ihre Feldarbeiten nicht ordnungsmäßig fortſetzen können. Der
Verkehr der Straßenbahnen, die jetzt den geſamten Perſonenver=
kehr
zu bewältigen haben, iſt ebenfalls außerordentlich erſchwert
durch die Paß= und Gepäckkontrolle, die jetzt nicht mehr in den
Wagen vorgenommen wird. Die Verzögerung, die durch das von
den Franzoſen erzwungene Ausſteigen der Fahrgäſte entſteht,
bringt es mit ſich, daß man beiſpielsweiſe für die Strecke Dort=
mund
Unna ſtatt eineinhalb jetzt drei Stunden braucht. Ange=
ſichts
der außerordentlichen Erſchwerung der Lebensmittelver=
ſorgung
erinnern die Blätter daran, daß die jetzt von den Be=
ſatzungsbehörden
getroffenen Maßnahmen in jeder Beziehung
den Zuſagen und Verſicherungen widerſprechen, die ſeinerzeit
General Degoutte dem Düſſeldorfer Regierungspräſidenten ge=
geben
hat, wonach an eine Unterbindung der Lebensmittelzufuhr
oder gar eine Aushungerung der Bevölkerung nicht gedacht ſei.
Der Sinn der jetzt gewaltſam vorgenommenen Verkehrseinſtel=
lung
im Ruhrgebiet kann kein anderer ſein, als die Bevölkerung
auszuhungern und ſie dadurch zur Kapitulation zu zwingen.
Ein Proteſi.
Berlin, 16. Juni. Der Oberbürgermeiſter von Reckling=
hauſen
richtete an General Laignelbt im Namen der geſamten
Bürgerſchaft ein Proteſtſchreiben wegen der Nieder=
ſchießung
des vorgeſtern beigeſetzten Kaufmanns Möller, worin
feſtgeſtellt wird, daß die Verhängung des Belagerungszuſtandes
und die Knebelung der Bürgerſchaft durch verſchärfte Zwangs=
maßnahmen
völkerechtswidrig iſt.
Das Attentataufden D=ZugWiesbaden=Paris.
U. Frankfurt a. M., 17. Juni. Zum Atentat auf den
Schnellzug Wiesbaden-Paris bei Budenheim teilen die fran=
zöſiſchen
Zeitungen mit, daß 14 Perſonen verwundet wurden.
Fünf Reiſen?e wurden ins Spital gebracht, doch iſt nur ein
Unteroffizier ſchwer verletzt. Er hat einen Bruch beider Arme
erlitten. Die ſofort eingeleitete Unterſuchung ſoll zur Verhaf=
tung
von vier Deutſchen geführt haben.
Franzöſiſche Provokations=Kommandos.
TU. Berlin, 16. Juni. Als wichtige Ergänzung zu der
geſtern von der deutſchen Regierung abgeſandten Proteſtnote we=
gen
der Vorgänge in Dortmund werden uns aus abſolut ein=
wandfreier
politiſcher Quelle aus Berlin folgende Tatſachen be=
kannt
: Die franzöſiſche Regierung hat den franzöſiſchen
Beſatzungsbehörden im Ruhrgebiet den dringenden Be=
fehl
erteilt, in den nächſten Tagen alle nur irgendwie mög=
lichen
Mittel anzuwenden, um die deutſche Be=
völkerung
zuunbeſonnenheiten zuprovozieren.
Ausdrücklich wird in dieſem Befehl darauf hingewieſen, die all=
gemeine
politiſche Lage Frankreichs mache es erforderlich, daß
die franzöſiſchen Truppen im Ruhrgebiet Gelegenheit bekämen,
gegen die angeblich unruhig gewordene Bevölkerung vorzugehen.
Auch ſind beſondere Provokationskommandos aus
Elſäſſern und Polen gebildet worden, die teils in
Uniform, teils in Zivilkleidung ins Ruhrgebiet geſchickt wurden,
um die Bevölferung aufzureizen,

Verhaftet.
E Von den Franzoſen ſind weiter verhaftet worden: am
4. Juni der Poſtſchaffner Ludwig Weber, am 5. Juni der Poſt=
ſchaffner
Ehrhardt vom Poſtamt 1 in Mainz und am 12.Juni
der Poſtpraktikant Haupt vom Poſtamt in Weiſenau (Kreis
Mainz).
Beſchlagnahme von Liebesgaben.
Eſſen, 18. Juni. Auf dem Bahnhof Lünen haben die
Franzoſen 16 Waggons für die Bevölkerung beſtimmter
Lebensmittel der Ruhr=Auslandsſammlung beſchlag=
nahmt
.
Deutſchlands Goldzahlungen.
Brüſſel, 18. Juni. Die letzte Serie der deutſchen Schuld=
ſcheine
, die im Dezember 1922 der belgiſchen Regierung über=
geben
wurde, iſt am 15. Juni eingelöſt worden. Deutſchland
hat an dieſem Tage in Brüſſel 52 Millionen Goldmark bezahlt.

Zur beigiſchen Kabinettskriſe.
TC. Paris, 17. Juni. In Brüſſel blieb heute die Mei=
nung
, daß Theunis zur Bildung eines neuen Kabinetts be=
rufen
würde. Die Parteiführer außer den Sozialiſten würden
ihm ihr Vertrauen wieder entgegenbringen. Theunis hat heute
verſchiedene politiſche Perſönlichkeiten, darunter die Katholiken
Seeger=Barton und de Wyart, ſowie die Mitglieder ſeines eige=
nen
Kabinetts empfangen, woraus man ſchließt, daß er die Bil=
dung
einer neuen Regierung vorbereitet. Die Löſung der Re=
gierungskriſe
wird jedoch ein paar Tage auf ſich warten laſſen.
Dem Temps zufolge wäre kein Zweifel daran möglich, daß die
neue Regierung unter allen Umſtänden dieſelbe äußere Politik
verfolgen würde wie Theunis, und daß ihre ſchwierigſte Auf=
gabe
darin beſtehe, in der Frage der Genter Univerſität und in
der Miniſterfrage eine einheitliche Maforität zuſammen zu brin=
gen
. Der König hat geſtern von politiſchen Perſönlichkeiten den
früheren katholiſchen Miniſter Seeger=Barton und den früheren
liberalen Miniſter Wouters empfangen. In dem letztgenannten
ſieht man den kommenden Führer der äußerſten Linken. Sollte
die Bildung eines neuen Kabinetts Theunis ſcheitern, ſo iſt es
fraglich, ob die Sozialiſten an einer Koalitionsregierung, wenn
ſie dann ins Auge gefaßt werden müßte, teilnehmen würden.
Muſſolini ſtimmt zu.
Belgiens innerpolitiſche Kriſe.
London, 16. Juni. (Wolff.) Der diplomatiſche Berichterſtat=
ter
des Daily Telegraph ſchreibt, wenn, wie nicht unwahrſchein=
lich
ſei, Theunis und Jaſpar ins Amt zurückkehrten, ſo be=
ſtehe
kein Grund, weshalb Belgiens innerpolitiſche
Kriſe ernſtlich den augenblicklichen interalliierten Meinungs=
austauſch
verzögern ſollte. Muſſolini habe, wie verlaute,
ſeine allgemeine Zuſtimmung zu dem britiſchen
Memorandum ausgedrückt.
Amerika und ſeine Schuldner.
Waſhington, 16. Juni. (Wolff.) Staatsſekretär
Mellon tritt am 23. Juni ſeine Europareiſe an. Er
wird in Europa zahlreiche Unterredungen mit Staatsmännern
und Finanzleuten haben und verſuchen, eine Regelung der in
Amerika kontrahierenden Schulden zu erzielen, die bisher noch
nicht konſolidiert ſind.
Waſhington, 16. Juni. (Wolff.) Großbritannien lei=
ſtete
geſtern den Vereinigten Staaten die erſte Abzahlung für
die Amortiſierung der britiſchen Kriegsſchulden im Betrage von
69 Millionen Dollar.

Gefahr von Oſten.
Von
Legationsrat Frhrn. v. Rheinbaben, M. d. R.
Während die weſtlichen Siegermächte in lebhaftem diplo=
matiſchem
Verkehr, begleitet von entſprechender Preßkampagne,
um Deutſchlands Zukunft handeln, bereiten ſich auch im Oſten
den Aubeitgebern angenommen, von den Arbeitern jedoch vervorfen. Dinge vor, die in höchſtem Maße geeignet ſind, den Zuſach=
menſchluß
unferes Volkes in möglichſter Zurückſtellung inne=
rer
Streitfragen zu erzwingen. Wenn man auf die Entwicklung
Ebert, mit Aſſeſſor Du. Junicke, der dem Auswärtigen Amt attachiert jener Dinge, im beſonderen des Verhältniſſes von Sowjet=
iſt
, ſtatt. Nach der ſtandesamtlichen Eheſchließung wurde in der Woh= rußland und noch mehr Polen zu Deutſchland zurück=
blickt
, dann kommt man zunächſt zu dem Schluſſe, daß es bei
uns üblich geworden iſt, immer nur jeweilig einer ſcheinbar
Die Jouunée Induſtrielle ſtellt feſt, daß das proviſoriſche Handels= ganz beſonders aktuellen Frage die öffentliche Aufmerkſamkeit
kurze Zeit zuzuwenden, dann aber über allen möglichen anderen
Sorgen zu vergeſſen, daß wir nicht nur im Weſten einen Erb=
feind
zum Nachbarn haben, der den Beſtand des Staates aufs
Die Fabrikanten der Metallinduſtrie von Marſeille und Umgebung äußerſte bedroht, ſondern daß unſer Staat unvermindert auch
von Oſten her ſtändig in höchſtem Maße gefährdet iſt. So war
es in den letzten Jahren, zur Zeit der Entſcheidung über Ober=
ſchleſien
, ſo zu der Zeit der vorläufigen Stabiliſierung unſeres
Verhältniſſes zu Sowjetrußland, und ſo kann es ſehr leicht
wiederkommen, wenn die maßloſe polniſche Ueberheblichkeit, wozu
ſie ſich offenbar jetzt anſchickt, erneut in ſichtbarer Weiſe ſich
Nach einer bulgariſchen Quelle wohnt die Frau des ermordeten ehe= gegen Deutſchland wenden wird. Zwiſchen dieſen großen außen=
längerer
Zeit getvennt lebt, in Freiburg in Baden. Die einzige Toch= politiſchen Fragen liegen eben auch unſere ſchweren Sorgen in
ter Stambulinskis iſt die Gattin des bulgariſchen Geſandten in München, materieller, finanzieller, kultnreller und wirtſchaftlicher Bezie=
hung
, und überhaupt das Problem, endlich zu Frieden und Ar=
beit
zurückkehren zu können. So kommt es, daß die Zahl der=
jenigen
Politiker, die bei uns überhaupt noch imſtande ſind, bei
ihrem Urteil über die politiſche Lage alles zu überſehen und
gründlich in Betracht zu ziehen, eine ſehr geringe iſt.
Welches ſind, auf die heutige Situation angewandt, die für
uns wichtigſten Entwicklungen im Oſten? Zunächſt wenige
Worte über den Abſchluß einer kurzen Periode der Spannungen
zwiſchen Sowjetrußland und England. Vielen völlig unerwartet,
ſtellte vor einigen Wochen die Londoner Politik ein Ultimatum
mit eigentlich auf den erſten Blick für Rußland völlig unerfüll=
baren
Forderungen. Gewiſſe Begleitumſtände dieſes Vorganges
in anderen Ländern ließen den Schluß zu, daß es keineswegs
die engliſche Politik allein war, die den Verſuch machte, das bol=
ſchewiſtiſche
Regime zu erſchüttern. Die italieniſche Politik ſym=
pathiſierte
offen und geheim mit dieſem Vorgehen. Frankreich,
das bisher trotz gelegentlicher, wohl überwiegend propagan=
diſtiſch
aufgezogener Einzelmiſſionen nach Moskau dort keine
ſtändige Handelsvertretung beſitzt und überhaupt unter allen
größeren Staaten neben Amerika ſich am meiſten ablehnend
gegen jede tatſächliche und noch mehr gegen jede rechtliche Aner=
kennung
der Sowjetherrſchaft verhalten hat, ſchickte ſeine Mar=
ſchälle
nach Polen und Rumänien. Herr Kraſſin erklärte zur
ſelben Zeit ebenfalls ziemlich plötzlich, daß Rußland erneut durch
militäriſche Angriffspläne von den Randſtaaten aus, von Polen
und Rumänien her natürlich in erſter Linie, bedroht ſei. Eg
folgten Notenwechſel und Preſſelärm von allen Seiten. Der
Hauptbeteiligte, die Sowjetregierung ſelbſt, handelte von ihrem
Standpunkt aus ſehr klug. Sie erklärte ſich ſtändig verhand=
lungs
= und friedensbereit, und jetzt meldet uns eine amtliche
Londoner Mitteilung, die britiſche Regierung ſtelle in ihrer
Antwort auf die letzte ruſſiſche Note mit Genugtuung feſt, daß
die Sonjetregierung die wichtigſten Forderungen Englands ero
füllt habe und daß danach der engliſch=ruſſiſche Notenwechſes
als beendet angeſehen werden könnte‟. Aeußerlich iſt dieſe
Spannungsperiode alſo zunächſt zum Abſchluß gekommen, und
ſo wird höchſtwahrſcheinlich das öffentliche Intereſſe ſich ſchnell
wieder anderen Problemen zuwenden. Es bleibt die Gewißheit,
daß ſtarke Kräfte am Werke ſind, welche über Deutſchland hinweg
die bolſchewiſtiſche Herrſchaft, zunächſt von außen her, bedrohen.
Wir wiſſen es alle: die Weiterentwicklung Rußlands wird
einmal für Deutſchland vielleicht von ausſchlaggebender Bedeu=
tung
ſein. Heute zwingen uns gewiſſe Ereigniſſe in Polen,
unſere ernſteſte Aufmerkſamkeit nicht unbeſtimmten Zukunfts=
fragen
, ſondern ſchwerwiegendſten Gegenwartsproblemen zuzu=
wenden
. Polen hat in den letzten Monaten im Innern eine
ſogenannte Richtsentwicklung gehabt. Führende Perſönlichkeiten
gemäßigter Richtung traten zurück oder wurden zwangsweiſe aus
ihren Aemtern entfernt. Ein neues Kabinett unter maßgebendem
Einfluß der Bauernpartei und der Rechtsparteien kam zuſtande.
Seine außenpolitiſche Tendenz iſt wieder einmal ganz ſcharf
gegen Deutſchland gerichtet. Daß Polen die Ausführung
des Abkommens über Oberſchleſien zu ſeinem Teil entweder ver=
ſchleppt
oder mangelhaft oder gar nicht betreibt, iſt noch das
Geringſte. Seit vielen Monaten ſitzt eine deutſch=polniſche Kom=
miſſion
in Dresden, um die nun einmal aus der Nachbarſchaft
und wirtſchaftlichen Abhängigkeit ſich ergebenden Fragen endlich
vertragsmäßig zu regeln. Reſultat ſo gut wie Null! Anſtatt
deſſen kleiulichſte Schikanen überall. Und nicht nur das, ſondern
neuerdings offene Repreſſalien für angebliche Ausweiſung un=
erwünſchter
Polen aus Deutſchland. Immer mehr Deutſche wer=
den
ohne Angabe eines Grundes binnen kurzer Friſt aus dem
Lande gejagt, ja, Polen ging ſo weit, die Aufhebung eines deut=
ſchen
Konſulats aus ganz nichtigen Gründen zu fordern. Auch
das iſt nicht genug. Die Anweſenheit des Marſchalls Foch in
Warſchau und ihre Begleitumſtände laſſen es als ſicher erſchei=
gen
, daß bei dieſer Gelegenheit weitgehende militäriſche Ab=
machuugen
getroffen ſind, die ſich ja auch ohne weiteres aus dem
beſtehenden Bündnis Polens mit Frankreich und aus dem ihm
angeſchloſſenen militäriſchen Geheimabkommen ergeben. In
ſcharf akzeutuierter Weiſe richtete ſich daneben die polniſche Po=
litik
gegen das deutſche Danzig. Im polniſchen Korridor wer=
den
Truppen angeſammelt, und es iſt klar, daß jeder polniſche
Verſuch, ſich Danzigs zu bemächtigen, von ſchwerſten Rück=
wirkungen
auch auf die umgebenden preußiſchen Landesteile und
damit auf ganz Deutſchland ſein müßte.
Die Schlußfolgerungen aus dieſen hier nur kurz angedeute=
ten
Dingen zu ziehen, will ich heute unterlaſſen. Aber mit allem
Ernſt und Nachdruck möchte ich darauf hinweiſen, daß es keine
verantwortliche Stelle in Preußen und Deutſchland geben darf,
die dieſen Entwicklungen nicht ihre vollſte Aufmerkſamkeit wid=
met
und ohne große Worte danach mit Taten ihre eigene Haltung
einrichtet. Wie ſchwer auch die nächſte Zukunft ſein mag ſie
darf uns nicht unvorbereitet treffen!

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Seite 2.

Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 18. Juni 1923.

Rummer 166.

Die ſächſche Landespolzei.
Von unſerem Dresdener Mitarbeiter.
wieder einmal die Aufmerkſamkeit der Oeffentlichkeit auf die Reichstagspräſidenten Löbe und die Vertreter der Reichsmini=
Verhältniſſe in der Landespolizei hingelenkt und in weiten Krei=
ſen
den Wunſch wachgerufen, daß nunmehr endlich die ſie be=
treffende
, ſchon vor Pfingſten eingebrachte Interpellation im ſchen Behörden und den Vertretern der ausländiſchen Preſſe
ſtehenden Geſetzen Nachachtung zu verſchaffen mit den Maß=
nahmen
, die geſetzlich geſtattet ſind, ganz beſonders in einem
deren Ausführung die vom Volke beauftragten Organe verant=
wortlich
ſind. Das oberſte Geſetz unſerer Republik iſt das
Recht auf Betätigung der politiſchen Meinung,
auch für den Beamten, wie immer und immer wieder von
geſchieht, möglichſt im Dunkel natürlich, alles, um dieſes Recht
eines jeden Deutſchen umzubiegen in das alleinige Recht
eines ganz Linksradikalen. Hat der Wirtſchaftsminiſter hatte unter Bemerkungen in Nr. 425 vom 12. Juni über den
Felliſch kürzlich in einem Vortrage gefordert, daß die Beamten
republikaniſche Geſinnung beſitzen und auch im Dienſte betätigen, Kronprinzen Rupprecht hat der Hauptzeuge Major a. D.
müßten, ſo macht der Miniſter des Innern, Liebmann, noch kür= Mayr unter Eid ausgeſagt, daß er (der Kronprinz) es war,
zeren Prozeß und wendet alle Mittel an, um alle die Elemente
auszuſchalten, die nicht gleich ihm ganz links gerichtet ſind, und
zwar in demjenigen der ihm unterſtellten Reſſorts, in dem die
Betätigung einer beſtimmten politiſchen Geſinnung von jeher
und am lauteſten von ſozialdemokratiſcher Seite in der Zeit des
Klaſſenſtaates verurteilt wurde, in der Landespolizei.
Zum Zwecke der Säuberung derſelben von allen ſozialdemokra=
tiſchen
, d. h. der S.P.D. angehörenden Leuten iſt der Oberſt
Schützinger aus Altona berufen worden; denn wenn es
ſich lediglich um die Beſetzung des Kommandeurpoſtens mit einem
tüchtigen Fachmann gehandelt hätte, dann hätte er nicht nötig
gehabt, einen geborenen, Bayern aus Holſtein kommen zu laſſen,
ſondern wohl auch einen Sachſen, vielleicht ſogar in Dresden,
gefunden. Dem neuen Herrn iſt ſchon gut vorgearbeitet worden.
Von dem alten Offiziersbeſtand ſind nur noch 20 Stellen beſetzt.
Auch mit dieſen wird man bald aufgeräumt haben. Dazu gibt es
ein einfaches Mittel: die Beförderung oder eigentlich die Nicht=
beförderung
. Man beläßt den Offizier in ſeiner bisherigen
Charge und befördert über ſeinen Kopf hinweg einen Wacht=
meiſter
, macht alſo den früheren Untergebenen zum Vorgeſetzten
nach dem Wort; Freie Bahn dem Tüchtigen. Wird der über=
ſprungene
Offieier durch dieſe Prozedur aber doch nicht, ſo weich,
daß er ſeinen Abſchied nimmt, nun, dann hat man z. B. den Weg
der Verſetzung in irgend einen kleinen unangenehmen Standort.
Um nun nicht Fehlgriffe zu tun und etwa S.P.D.=Wölfe in
Schafskleidern auf den nur für Tiefrote beſtimmten Poſten zu
befördern, hat man das probate, wenn auch gar nicht verfaſſungs=
mäßige
oder republikaniſche Mittel gegenſeitiger Spionage: jeder
Rottenführer zum mindeſten hat ſeine Kontrolle!
Wie in der Abteilung P. eine beſtimmte Richtung politiſch)
zur Herrſchaft kommen ſoll, ſo herrſcht auch in der Verwaltung
dasſelbe Streben. Ueber deren Zuſammenſetzung wird man
einigermaßen den Kopf ſchütteln, da man ſchwer einſehen wird,
welche beſonderen Eigenſchaften Herrn Caſtan, den man zum Re=
gierungsrat
gemacht hat, zum Referenten im Polizeiweſen be=
fähigen
, oder Herrn Menke zum Polizeipräſidenten oder den
oberkommiſſar.
Dieſe ganze Angelegenheit gewinnt ihre ſehr ernſte Bedeu=
tung
durch die Stellung, die in den ernſten Zeiten, in denen wir
leben, in den weitaus ernſteren, denen wir entgegengehen, die
Polizei im öffentlichen Leben einnimmt und einnehmen muß.
Es klingt ja ſehr ſchön, wenn der Polizei zur Richtſchnur für ihr
Verhalten gemacht wird, wie bei den letzten Krawallen in Dres=
den
, daß ſie mit größtmöglicher Milde vorgehen und von der
Schußwaffe leinen Gebrauch machen ſolle. In Wirklichkeit iſt
gen Elemente und Einſchüchterung derer, die noch etwas zu ver= ten Tagen wird auf große Tabgkankäufe des Auslandes zurück=
lieren
haben, ſowie eine Gefährdung der Verſorgung der Stadt
mit Lebensmitteln. So konnte in der Tat eine Stadi
wie Dresden tagelang unter dem Terror einer
geringen, gewiſſen= und verantwortungsloſen der Volksmenge gelyncht.
Minderheit ſtehen. Schließlich hat ja der Herr Polizei=
präſident
eingeſehen, daß er mit der Hilfe des verfaſſungswidri=
gen
proletariſchen Selbſtſchutzes nicht durchkommen werde und
daß er die Polizei mit aller Schärfe vorgehen laſſen müſſe. Wer
bürgt aber dafür, daß dieſe immer einem ſolchen Kommando noch
gehorcht, wenn ſie ſieht, daß politiſche Geſinnung, nicht treu er=
füllte
Pflicht, die alleinige Leiter zum Emporſteigen iſt, ja, daß
Pflichterfüllung ohne laute Betonung der Anhängerſchaft an die
gerade beliebte politiſche Richtung ein Hindernis beim Vor=
wärtskommen
bildet? Und muß nicht jedem, der nicht der klei=
nen
, aber mächtigen Partei der rot in rot Gefärbten angehört,
ein Unbehagen beſchleichen, daß ſein Leben, ſein Hab und Gut,
die Staatsautorität, die Geltungdes Staates Sachſen
außerhalbſeiner Grenzpfähle einem ſo zerbrechlichen
Inſtrument anvertraut iſt, wie der politiſierten Landespolizei?
Hier müſſen nicht nur die lürgerlichen Parteien eingreifen, vor
allem muß es die S.P.D. tun. Sie muß endlich ſich auf ihre
Macht beſinnen. Beſonders gilt es, der Siebenerkommiſſion ein
Ende zu machen. Deren Stellung in Partei und Verfaſſungs=
leben
dürfte ein von keinem Staate uns geneidetes Unikum und
nur in Sowjetrußland noch anzutreffen ſein. Es ſei ausdrücklich
darauf hingewieſen, daß Herr Renner während der Unruhen
dauernd ſich im Polizeipräſidium aufhielt.
Hoffentlich wird die eingangs erwähnte Interpellation bald
energiſch durchgreifen und der Regierung Zeigner be=
weiſen
, daß die Reichsgeſetze auch für Sachſen Gel=
tung
haben.
Teuerungskundgebungen in Berlin.
Berlin, 17. Juni. Am Samstag nachmittag kam es in
gebungen. Verſchiedene Redner forderten die Demonſtran=
ten
auf, eine Herabſetzung der Lebensmittelpreiſe in den um=
liegenden
Lebensmittelgeſchäften zu erzwingen. Rechtzeitig her=
beigerufene
Schutzpolizei konnte tie Demonſtranten ohne Zwi= niſchen Reichsamt geleiſteten Tätigkeit zukommt, geht aus nachfolgen=
wurde
der ſogenannte kleine Belagerungszuſtand verhängt,
d. h. die Schutzpolizei befindet ſich in erhöhter Alarmbereitſchaft.
ſchaft nach Brandenburg. Die Arbeiterſchaft iſt ſichtlich durch
die beſonnene Arbeiterſchaft, wieder in die Betriebe zurückzu=
kehren
, blieb bisher ergebnislos. Bei einem geſtern nachmittag
erfolgten Zuſammenſtoß in der Hauptſtraße wurde einer der der dem Reiche dauernd große Einnahmen zuführt.
kommuniſtiſchen Rädelsführer durch einen Schuß ſchwer verletzt.
Die Oollarhauſſe in Warſchau.
U. Warſchau, 17. Juni. Der Dollar erreichte geſtern an :
reitet Ausnahmemaßnahmen vor. Vielleicht ſoll den Banken das tion, hier, 25 000 Mk. von Herun Hans Carl Freiherr von Doernberg
Deviſengeſchäft entzogen und der Polniſchen Landesdarlehns=
daß
im März 660 Milliarden Mark Banlnoten gedruckt wurden,
Da 60 Prozent des polniſchen Exports, uach Deutſchland gehent
der Kataſtrophe der deutſchen Mark unvermeidlich.

Der Aichäaunfer Lein derei e Aulandeneſe.
Berlin, 16. Juni. (Wolff.) Der Verein der aus=
ländiſchen
Preſſe in Berlin begrüßte in den Räumen der
Die letzten Krawalle in Dresden, Leipzig, Bautzen haben Deutſchen Geſellſchaft von 1914 den Reichskanzler Cuno, den
ſterien und der bayeriſchen Geſandtſchaft. In zwangloſem Bei=
ſammenſein
ergab ſich Gelegenheit, zwiſchen den oberſten deut=
Reichstage zur Verhandlung käme. Aufgabe einer jeden Polizei, einen perſönlichen Kontakt herzuſtellen, der, wie der Vorſitzende
wird es, unabhängig von der Staatsform, ſein müſſen, den be= des Vereins, Julio Alvarez del Vaye, in einer Anſprache aus=
führte
, im beiderſeitigen Intereſſe fortan immer reger geſtaltet
werden ſoll.: Der Reichskanzler dankte in liebenswürdigen Wor=
Freiſtgat, deſſen Geſetze vom Volke beſchloſſen ſind und für ten, verſprach, die Anregung des Vorredners freundlich aufzu=
nehmen
, und betonte, daß er über den erwünſchten perſönlichen
Kontakt hinaus ſtets eine verſtändnisvolle Zuſammenarbeit mit
den Staaten euſtrebt habe und weiter erſtrebe.
den Regierungsorganen gerade Sachſens betont wird. Indeſſen Eine Berichtigung des Kronprinzen Rupprecht.
München 16. Juni (Wolff.) Die Frankfurter Zeitung
Münchener Hochverratsprozeß geſchrieben: Von dem früheren
der den franzöſiſchen Agenten Richert im Dezember 1921 zu
einer Beſprechung nach Bayern kommen ließ. Hierzu läßt
der Kabinettschef des Kronprinzen, Graf Soden, als Vertreter
des Kronprinzen durch die Korreſpondenz Hoffmann folgendes
feſtſtellen: Es iſt nicht richtig, daß Major Mayr unter Eid aus=
geſagt
hat, Kronprinz Rupprecht hätte Nichert zu einer Beſpre=
chung
nach Bayern kommen laſſen. Richtig iſt vielmehr, daß
genannter Zeuge eidlich bekundete, Angeklagter Fuchs habe ihm
dies erzählt. Der Inhalt dieſer objektiv unwahren Behauptung
des Fuchs ſteht ſonach gar nicht, wie die Frankfurter Zeitung
irrtümlich annimmt, unter Eid. Fuchs hat ſie auch ſelbſt im Ver=
laufe
des Prozeſſes nicht aufrecht erhalten.
Radoslawowbulgariſcher Geſandter inBerlin?
FU. Prag, 17. Juni. Aus Bulgarien wird gemeldet: Der
Außenminiſter erklärte den Diplomaten, daß die Ordnung wie=
der
hergeſtellt ſei, und ließ die Nachricht verbreiten, daß der in
Berlin weilende frühere Miniſterpräſident Radoslawow, zum
Geſandten in Deutſchland beſtimmt ſei. Er ließ ferner erkliren,
daß der frühere König Ferdinand nichts mit dem Umſturz zu
tun habe. Wie wir von der hieſigen bulgariſchen Geſandtſchaft
auf Anfrage hören, iſt hier nichts über eine bevorſtehende Er=
nennung
Radoslawows zum Geſandten in Berlin bekannt. Vom
deutſchen Auswärtigen Amt war wegen der vorgerückten Nacht=
ſtunde
eine Auskunft nicht mehr zu erlangen.
Sofia, 16. Juni. (Wolff). Wie die Bulgariſche Tele=
graphenagentur
berichtet, iſt von einem nameus der Kleinen
Entente bei der bulgariſchen Regierung unternommenen Schritt
der ſüdſlawiſchen Regierung wegen Verletzung des Vertrages
von Neuilly hier nichts bekannt. Ein derartiger Schritt wäre
gegenſtandslos, da die neue bulgariſche Regierung öffentlich er=
klärt
hat, die beſtehenden Verträge achten zu wollen.
UU. Berlin, 17. Juni. Wie die Telegraphen=Union er=
fährt
, wird der Reichspräſident Ebert, einer Einladung des
Vorſtandes des Schillerbundes folgend, am Dienstag in Wei=
Soldatenrat und Schuhmacher a. D. Hauffe zum Regierungs= mar anweſend ſein, um der Jugendfeſtvorſtellung im Deutſchen
Theater beizuwohnen. Bei dieſer Gelegenheit nird der Reichs=
präſient
der thüringiſchen Landesregierung einen Beſuch ab=
ſtatten
. Der Empfang findet am Dienstag nachmittag 5 Uhr
im Staatsbankgebäude ſtatt. Dazu ſind auch die Vorſitzenden
der Fraktionen des Landtags oder deren Stellvertreter ein=
geladen
.
*
TII. Wien, 16. Juni. Die bulgariſche Regierung hat ein
zehntägiges Zahlungsmorgtorium erlaſſen, das am
eine ſolche Vorſchrift doch nur eine Ermunterung der radauluſti= 19. Jugi abläuft. Die ſtarke Steigerung der Lewa in den letz=
geführt
. Der Polizeichef Stambulinskis, Stojanow, der Stam=
bulinski
bei ſeiner Flucht begleitete, wurde in den Kämpfen bei
Slavonica gefangen genommen und bei ſeiner Abführung von
Eine italieniſche Warnung an Südſſawien.
IT. Rom, 16. Juni. Eine offiziöſe Note warnt Südſla=
wien
davor, ſich in die bulgariſchen Angelegenheiten einzu=
miſchen
oder den Wächter des Vertrages von Neuilly ſpielen zu
wollen. Dies ſtehe vielmehr den Großmächten zu.

Inſolvenz einer Neu=Yorker Bank.
FU. Neu=York, 16. Juni. Nach einer Meldung der
Frankf. Ztg. hat die Bankfirma Knauth, Naehold u. Kühne In=
ſolvenz
erklärt. Die Paſſiva betragen 11 Mill. Dollar. Die
Schwierigkeiten ſind durch exotiſche Finanzierungen verurſacht.
Jusbeſondere werden Deutſch=Amerikaner von Verluſten betrof= 9
fen. Die Beſtände ſind ſtark illiguid. Mit der Leipziger Firma
gleichen Namens iſt die inſolvente Neu=Yorker Bank ſchon längſt
nicht mehr verbunden.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 18. Juni.
Beſſere Ansnutzung der Fernfprechleitungen. Die Reichspoſt=
im
Reichstage beſprochen. Denn wenn Sachſen ſelbſt nicht Hand, verwaltung läßt jetzt in verſtärktem Maße das Funleitungsnetz plan=
anlegt
oder nicht anlegen will, dann muß das Reich einmal mäßig umgruppieren und umbauen, um hierdurch die Möglickeit zu
erhalten, aus zuei Leitungen durch Kunſtſchaltungen noch eine dritte
Fernſppechverbindung zu gewinnen. Auf dieſe Weiſe ſind bis jetzt
zahlreichz neue Abſatzwege, ſogenannte Viererleitungen, geſchaffen
worden, die das allgemeine Feruſprechnetz vervollſtändigen und die
Sprechmöglichkeiten für das Publikum verbeſſert haben, ohne daß es
dazu der Herſtellung neuer Kupferdrahtleitungen bedurft hätte. Bis=
her
ſind bereits 3000 Viererleitungen neu entſtanden, die der Poſtkaſſe
nach den jetzigen Sätzen eine Gebühreneinnahme von ſchätzungsweiſe
einigen Berliner, Stadtgegenden zu Teuerungskund= täglich 79 Millionen oder jährlich 24 Milliarden Mark einbringen. Die eins gegen das Beſtechungsunweſen, Berlin, den Schleifſteinfabrikanten
Koſten für den Leitungsumbau waren verhältnismäßig gering und kom= Oskar Kreutz in Kaiſerslautern wegen eines Beſtechungsverſuchs, den
men dieſen Zahlen aenenüber überhaupt nicht in Betracht. Welche er erfolglos an einem Oberingenieur der Firma Krupp in Eſſen unter=
außerordentliche
wirtſchaftliche Bedeutung dieſer vom Telegraphentech= nahm, rechtskräftig zu 75 000 Mark Geldſtrafe.
ſchenfälle in die Seitenſtraßen abdrängen. Ueber Brandenburg den, lediglich für das zweite Halbjahr 1922 errechneten Zahlen hervor,
Es wurden allein in dieſer Zeit rund 11 700 Km. neue Viererleitun=
gen
geſchaffen und rund 7900 Km vorhandene Viererleitungen durch iſt es dem vor einigen Tagen verhafteten Kommuniſtenführer Heinz
derbeſſerte Anordnung leiſtungsfähiger gemacht, das Fernleitungsnetz Neumann gelungen, aus dem Gefängnis, wo er bis zu ſeiner Ueber=
Die Streikenden, deren Bewegung zunächſt wirtſchaftlicher alſo um rund 19600 Km betriebsfähige Sprechleitungen vermehrt, führung nach Berlin untergebracht werden ſollte, zu entfliehen. Neu=
Art war, ſtellen jetzt auch politiſche Forderungen, ſo u. a. die Hätten dieſe 19600 Km. Spuchleitungen aus Kupferdrähten beſonders mann, der offiziell zur Redaktion der Roten Fahne gehört, der jedoch
Bildung proletariſcher Hundertſchaften. Die Potsdamer Schutz= gebaut werden müſſen, ſo wären dazu nach dem Stande der Preiſe in den letzten Monaten in Deutſchland eine ſehr umfangreiche propa=
polizei
, die um Hilfe angerufen wurde, beorderte eine Hundert= vom 1. April Bauſtoffe im Betrage von uund 22 Milliarden und Lohne gandiſtiſche Tätigkeit für die Sowjetregierung entfaltet hat, wandte ſich
im Betrage von rund 1½9 Milliarden Mark erforderlich geweſen. Das nach dem Ueberfall auf die italieniſchen Kaufleute im Künſtlerhaus nach
radikale Elemente beeinflußt. Der Aufruf des Magiſtrats aa ſind Summen, die wir vermutlich nicht hätten aufbringen können, die Sachſen und ging von dort aus ins Ruhrrevier. Wie feſtſteht, hat Neu=
Indienſtſtellung der Leitungen hätte alſo ſehr zum Nachteil den wirt= mann dort ebenfalls eine ſehr rege Tätigkeit entwickelt und in vielen
wurde es ermöglicht, in deu Viererleitungen billigen Erſalßz zu, ſche
Spenden für die Hilfe für das Ruhrgebiet, eingezahlt bei der niſtiſchen Partei zuſammen mit Nuth Fiſcher, Maslow u. a. m.
Deutſchen Bank, Filiale Darmſtadt: 2078812 Mk. Beitrag der Deut= liegen, vor deutſchen Gerichten zu verantworten. Vor ſeiner Flucht
ſchen Bank, Filiale Darmſtadt für Mai, 372 000 Mk. von den Beamten, nach Rußland war ein Steckbrief gegen ihn erlaſſen worden. An Ber=
der
Deutſchen Bank. Filiale Darmſtadt, 135 325 Mk. von der Direktion
und den Oberbeamten der Deutſchen Bank, Filiale Darmſtadt, 100 000 liner amtlichen Stellen war über die Flucht noch nichts bekannt.
der ſchwarzen Börſe einen Kurs von 110 000. Die Regierung be= Mk. von D. D., 50 000 Mk. von den Angeſtellten der Landesgeſtütsdirek.
hier, 25 000 Mk. von Herrn Eugen Letſche, hier, 20 000 Mk. von Firma Spitzbergen erfährt das Norwegiſche Telegramm=Bureau: Der Kohlen=
J. Ph. Leuthner, hier, 7000 Mk. von Ungenannt, 5000 Mk. von Un= damrfer Flint mit der Unterſtützungsexpedi=
kaſſe
vorbehalten bleiben. Die gſtigen Ausführungen des genannt, 500 Mk. hon Herrm Dr. Dabid, hier, 1000 Mk. von Herm holflug, und das Marmneflugzeug Farm
Finanzminiſters haben die Panik erhöht. Er hatte mitgeteilt, Dr. Linß, hier, 3000 Mk. von Frl. Bock, hier 1000 Mk. von Fr. Cbert. Flugzeuge liegen jetzt, längsſeits der
r. 300 Mk. von Herrn Dr. A. Maher, Seeheim.
Verwaltuugsgerichtshof. 1. Antrag des Kreisamts Darmſtadt wird die Flugzeuge nötigenfalls nach
und mit deutſcher Reichsmark bezahlt werden, ſei der Zuſammen= auf Entziehung der dem Ph. Seibert in Darmſtadt für Ahaſtraße 10, dort möglicherweiſe nach der Däneninſel, uo eine Baſis eingerichtet
erteilten Wirtſchaftskonzeſſion. Erſchienen iſt der Berufungs werden ſoll,

kläger und mit ihm Necktsanwalt Neuſchäffer, vom Polizeiamt Verwal=
tungsinſpektor
Stegmüller. Ueber die Sache wurde ausführlich anläß=
lich
der Verhandlungen vor dem Provinzialausſchuß berichtet. Eine
Reihe von Zeugen, teils vom Gericht geladen, teils von Seibert ſiſtiert,
iſt zu vernehmen. Urteil: Verwerfung der Seibertſhen Berufung.
2. Antrag des Kreisamts Gießen auf Entziehung der dem Karl Fries
in Gießen erteilten Erlaubnis zum Betriebe einer Schankwirtſchaft
im Hauſe Wallthorſtraße 36/38 daſelbſt. Erſchienen iſt Karl Fries
und mit ihm Rechtsanwalt Elſoſſer=Gießen. Das Lokal iſt das bekannte
Café Leib, das Karl Fries im Jahre 1922 übernahm. Der Antrag auf
Konzeſſionsentziehung wird damit begründet, daß Fries ſich wieder=
holt
gegen die Vorſchriften über die Polizeiſtunde vergangen und Tänze
ohne Tanzerlaubnis geſtattet habe. Am 10. Juni 1922 wurde F. be=
reits
verwarnt, weil er Dielentänze veranſtaltet habe ohne Tanzerlaub=
nis
. Gleiche Verfehlungen ſtellte die Polizei noch in weiteren Fällen
feſt. Am Vorabend des nationalen Trauertages im Januar 1923 der=
anſtaltete
Fries einen Tanzabend, obwohl ihm das Geſuch um Erlaub=
nis
behördlich abgeſchlagen war. Die Nachbarſchaft beſchwerte ſich über
die durch die öfteren Tänzereien verurſachten Störungen. Der Pro=
vinzialausſchuß
erkannte auf Konzeſſionsentziehung. Fries entſchuldigt
ſich damit, daß er den Betrieb nur durch Abhaltung von Tanzabenden
rentabel erhalten könne; er iſt wiederholt wegen Uebertretung der Po=
lizeiſtunde
zur Anzeige gebracht und beſtraft. Auf dieſe Beſtrafungen
und hiernach getriebenen Alkoholmißbrauch gründet ſich die Entſchei=
dung
des Provinzialausſchuſſes. Der Vorſitzende des Verwaltungs=
gerichtshofs
macht auf das Notgeſetz vom 24. Februar 1923, in Kraſt
ſeit 27. Februar 19B3, aufmerkſam, das wichtige Aenderungen des 8 33
der Reichsgewerbeordnung bringt und auf den Fragefall Anwendung
unter Umſtänden finden kann. (Entziehung der Konzeſſion kann nach
dieſem Notgeſetz erfolgen, wenn das Gericht das Vorliegen einer wirt=
ſchaftlichen
Unzuverläſſigkeit des Wirts bejaht.) Das Urteil des Pro=
vinzialausſchuſſes
datiert vom 10. März 1923, das Notgeſetz war bei
Erlaß dieſes Urteils bereits in Kraft. Fries erklärt, es handele ſich
für ihn um eine Exiſtenzfrage, das Café Leib habe er inzwiſchen ver=
kauft
und ſtehe er wegen Erwerb eines Hotels im Naſſauiſchen in
Unterhandlung, wobei ihm das Urteil auf Konzeſſionsentziehung hin=
derlich
ſei. Der Anwalt Fries' beſtreitet, daß irgend Völlerei oder
Unſittlichkeit in der Wirtſchaft je gefördert worden ſei; die Wirtſchaft
ſei ſchlecht am Tage gegangen, ſo daß ſich Fries zu den Tanzabhal=
tungen
am Abend gezwungen geſehen habe. Auf Beſtrafungen wegen
Uebertretung der Polizeiſtunde könne die Konzeſſionsentziehung niht
gegründet werden. Der Anwalt zählt eine Reihe von Gießener Wirt=
ſchaften
auf, in denen nach ſeiner Anſicht die Polizeiſtunde nicht beob=
achtet
wird, Urteil: Das Erkenntnis des Provinzial=
ausſchuſſes
wird aufgehoben und der Antrag, des
Kreisamts Gießen auf Konzeſſionsentziehung
unter Verurteilung der Staatskaſſe in die Koſten
abgewieſen. Bei der heutigen Verhandlung machte ſich der im
ſüdlich an den Sitzungsſaal anſtoßenden kleinen Saal geführte Wirt=
ſchaftsbetrieb
ſtörend bemerkbar. Anm. des Ber.)
BD.V. Sonderzüge zum 13. Deutſchen Turnfeſt in München. Zu
dem Deutſchen Turnfeſt, das im Sommer in München ſtattfinden foll,
iſt eine Reihe von Sonderzügen geplant; bei dem zu erwartenden Maſ=
ſenandrang
können nicht alle Sonderzüge am gleichen Tage in München
einlaufen, und der Fahrplan dieſer Sonderzüge muß rechtzeitig auf=
geſtellt
werden; deshalb ſind die beteiligten Turngaue, =kreiſe und
=vereine aufgefordert worden, ſich mit den zuſtändigen Reichsbahndirek=
tionen
über die Stellung von Sonderzügen tunlichſt ſofort in Verbin=
dung
zu ſetzen. Am 14. d. M. werden Vertreter ſämtlicher Reichsbahn=
direktionen
in München die Durchführung der Turner=Sonderzüge be=
raten
; bis dahin müſſen alle Beſtellungen erfolgt ſein.
Im Bunde der Kinderreichen zum Schutze der Familie, Ortsgruppe
Darmſtadt, wird, ſo ſchreißt man uns, Herr Oberſtudienrat Kiſſin=
ger
auf Sonnenwende, Donnerstag, 21. Juni, abends 8 Uhr, im großen
Saale des Feierabend, Stiſtſtraße, in entgegenkommender Weiſe einen
Lichtbildervortrag über Jugendwanderung und Jugendherberge halten.
Ueber die Kinderreichen als Retter der ausſterbenden abendländiſchen
Kulturvölker hielt zu Punkt 1 der Tagesordnung Herr Univerſitäts=
profeſſor
Thomſen, Vorſitzender des Provinzialverbandes Weſtfalen, auf
dem 2. ordentlichen Bundestag in Berlin im früheren Herrenhauſe am
9. und 10. Juni d. J. einen Vortrag. Auch das Wiedererſcheinen der
Bundeszeitung an die Mitglieder wird in Frage kommen. Sind es nur
noch ſehr wenige, die dem Bunde in hieſiger Stadt mit größeren Spen=
den
entgegengekommen ſind, ſo wollen wir doch als Beiſpiel die erſte
amerikaniſche Spende durch Vermittelung, der Frau Baronin v. Ku=
novski
, ſo wie auch ſie ſelbſt als förd. Mitglied dem Bunde ſelbſt einen
anſehnlichen Betrag geſtiftet hat, nicht vergeſſen, wofür der Dank ihr
ſicher iſt, und an der Verſammlung im April ſelbſt teilgenommen hat.
Gäſte und Mitglieder ſind am 21. Juni herzlich eingeladen. Seit Grün=
dung
des Bundes am 2. März 1922 erfolgten 321 Aufnahmen bis zum
heutigen Tage. Spender und förd. Mitglieder wollen ſich melden bei
dem 2. Vorſitzenden des Bundes, Wilhelm Dietz, Grafenſtr. 27, i. Hof I.,
ſowie bei Fräulein Gradwohl (Fürſorgedame), Wohlfahrtsamt oder
Oſannſtraße 47.
Die Lenerungszahlen der 5 größten Städte Heſſens auf Grund
der Preiſe vom 6. Juni 1923 (23. Mai) ausſchließlich der Bekleidung
beſtrugen für Mainz 540 237 (376 607): Darmſtadt 526 608
(350 869), einſchl. Bekleidung 700 609 (463 369) Offenbach 506 231
(361 913); Worms 508 148 (379 095), einſchließlich Bekleidung 685 148
(496 678 ; Gießen 506 919 (358512), einſchließlich Bekleidung 840 336
(450 845). Die Durchſchmittsteuerungszahl für die fünf größten
Städte beträgt für Ernährung 443 957 (308 613), Heizung und Be=
leuchtung
68 153 (53 604), Wohnung 5517 (3182), für Bekleidung 161 472
(110 805), zuſammen. 679 099 (476 204). Die Teuerung ausſchließlich
Bekltidung iſt ſeit dem 9. Mai um 66,7 Prozent, einſchließlich Be=
kleidung
um 702 Prozent, feit dem 23. Mai ausſchließlich Bekleidung
um 41,7 Prozent, einſchließlich Bekleidung um 42,6 Prozent geſtiegen.

r Wishauſen, 17. Juni. Gemeinderatsbericht. Im Faſel=
ſtall
ſoll ein Stall für den Eber errichtet werden, die nötigen Vorarbeiten
ſind bereits geleiſtet. Die Deckgebühren ſollen erhöht werden, doch kann
man ſich nicht einigen; es ſoll die Finanzkommiſſion ſich damit befaſſen
und in nächſter Sitzung, follen die Gebühren, neu feſtgeſetzt werden.
Ebenſo ſollen die Wiegegebühren den Verhältniſſen angepaßt werden.
Auch die Billetſteuer bedarf einer gründlichen Reviſion. Im Schulhauſe
in der Oſtendſtraße ſoll für Lehrer Hamann eine Wohnung hergerichtet
werden, und ſoll ſich die Baukommiſſion die Sache erſt anſehen. Hierauf
geheime Sitzung.
4* Offenbach, 16. Juni. In der Zuſammenſetzung un=
ſerer
Stadtverordneten iſt die erſte Veränderung zu ver=
zeichnen
. Frau Martha Klopfer Mitglied der Sozialdemokraten, hat
aus Geſundheitsrüickſichten ihr Amt niedergelegt. Sie erlitt erſt kürzlich
in der Sitzung einen Schwächeanfall. An ihre Stelle tritt der Gewerk=
ſchaftsbeamte
Karl Kuhn aus dem Stadtteil Bürgel. Mit dem Ausſchei=
den
der Frau Klopfer geht die Zahl der weiblichen Stadtverordneten
von ſieben auf ſechs zurück. Die Sozialdemokraten traten ſchon immer
ſo für das Frauenwahlrecht ein, und nun zählen ſie unter 21 Mitgliedern
nur eine Frau.

Reich und Ausland.
Beſtechungsverſuch.
Die Strafkammer Kaiſerslautern verurteilte auf Antrag des Ver=
Flucht aus dem Gefängnis in Münſter.
Wie einer Berliner Korreſpondenz aus Münſter gemeldet wird,
ſchaftlich tätigin Kreiſe unſeres Volkes unterbleiben müſſen. So aber Verſammlungen unter falſchem Namen zu den letzten großen Streiks
aufgefordert. Neumann, der erſt vor einigen Monaten aus Moskau
zurückgekommen iſt, ſteht auf dem oppoſitionellen Flügel der Kommu=
Neumann hat ſich noch wegen anderer, Delikte, die weiter zurück
Amundſens Norbpolflug.
Kriſtiania 11. Juni. (Wolff.) Aus der Adventsbay auf
n für Amundſens Nord=
7 geſtern hier ein. Die
s werden die nötigen
Vorbereitungen zum Fluge gegen N.
ffen. Der Dampfer
sbay bringen und von

[ ][  ][ ]

Rummer 166.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 18. Juni 1923.

Seite 3.

Zubiläumsſportwoche 1923.

Sportverein Darmſtadt 1898 E. V.
e Die feſtlich mit Birkengrün geſchmückten Räume der Woogsplatz=
turnhalle
faßte am Samstag abend, entrückt von Alltagsſorgen, eine
frohgeſtimmte Menge. Beſonders zahlreich waren die Spitzen der ſtaat=
lichen
und ſtädtiſchen Behörden vertreten. Auch die im turneriſchen und
ſportlichen Leben in vorderſter Linie ſtehenden Perſönlichkeiten aus Nah
und Fern hatten es ſich nicht nehmen laſſen, dem Sportverein anläßlich
ſeines 25jährigen Beſtehens zu ſeiner Jubiläumsfeier ihre Auf=
wartung
zu machen. Schon als die Liedertafel den Reigen der
Unterhaltungen mit zwei exakt geſungenen Chören unter Leitung ihres
Chormeiſters Grim eröffnete, war die Gewähr für ein Gelingen des
Abends geſichert. Herr Staatsanwalt Dr. Mickel, der 1. Vorſitzende
des Sportvereins, begrüßte die Anweſenden, ſtreifte die Vergangenheit des
Sportvereins und fand für den heutigen Wert der Leibesübungen treff=
liche
Worte. Frau Müller=Gebhardi erfreute die Zuhörer mit
vier allerliebſten Liedchen von Brahms und Lauriſchko. Herr Bürger=
meiſter
Müller überbrachte die Glückwünſche der Stadtverwaltung und
verſicherte in anerkennenswerten Worten, daß den hohen Wert der Lei=
besübungen
die Stadtverwaltung ſtets zu ſchätzen weiß. Ihm ſchloß ſich
Herr Profeſſor Finger als Vertreter der Techniſchen Hochſchule an,
der dem Sportverein ſtets ein treuer Begleiter und Vermittler ſeiner
gleichen Beſtrebungen ſei. Groß war weiter die Zahl der perſönlichen
Gratulanten, die von jeder Seite Worte der Anerkennung nicht verſagen
wollten, daß der Sportverein Darmſtadt in der Reihe ſeiner Jahre als
ein markanter Verfechter ſeiner Ideale mit in der vorderſten Reihe der
Leibesübungen treibenden Vereine unſeres Vaterlandes ſei. Herr Kon=
zertmeiſter
Drumm zeigte in ſeinen Violinvorträgen ſich als der Mei=
ſter
ſeines Inſtrumentes. Reicher Beifall belohnte den vortrefflichen
Künſtler, der ſich dafür noch zu einer entzückenden Zugabe verſtehen
mußte. In weiter ausgezeichneter Weiſe verſtanden es die Mitglieder
des Heſſiſchen Landestheaters ſich die Gunſt aller Anweſenden zu erwer=
ben
. Die Damen Deppner und Gerke boten mit ihrem Duett aus
Aida einen Genuß. Das Bläſerguintett, die Herren Geisler,
Heynau, Kreß, Wichert und Jaud, unter der ausgezeichneten Leitung des
Herrn Kapellmeiſters Roſenſtock, der auch in liebenswürdiger Weiſe die
Begleitung der Aufführungen des Abends übernommen hatte, zeigten
mit ihrem Vortrag eine hochkünſtleriſche Leiſtung. Als Herr Siegfried
und Herr Kuhn mit Duetten aus Undine und Stradella die Zuhörer zu
feſſeln wußten, und Herr Langheinz mit ausgezeichneten Rezitationen
den Abend verſchönerte, war erfüllt, was der Sportverein ſich für ſeinen
Ehrenabend unter anderem zur Aufgabe gemacht hatte.
Auch die am Sonntag vormittag auf den Sportplätzen am Böllen=
falltor
ſtattgefundene Feier der Gedenkſteineinweihung zu
Ehren ſeiner im Weltkrieg gefallenen Mitglieder geſtaltete ſich zu einer
ernſten und erhebenden. Als die Liedertafel den Chor Auferſtehen
zum Vortrag gebracht hatte, ergriff Herr Dr. Mickel das Wort zu einer
vom echten Sportgeiſt getragenen und von Kameradſchaftlichkeit erfüllten
Rede. Als Vorſitzender des Sportvereins übergab er den Gedenkſtein
ſeiner Beſtimmung mit dem Gelöbnis, daß der Sportverein Darmſtadt
damit ſeine 79 gefallenen Mitglieder für alle Zeiten in Erinnerung be=
halten
wolle. Herr Profeſſor Ensgraber übermittelte in ergreifen=
den
Worten den Dank aller Angehörigen und ſchätzte ſich dem Sport=
derein
in ſeinen Worten dankbar, daß er in dieſer Weiſe ſeine gefallenen
Kameraden ehrt. Als das Bläſerquartett des Heſſiſchen Landestheaters
Ich hatt einen Kameraden noch zum Vortrag gebracht hatte, ſchloß
eine Feier, die dem Sportverein auch wie die am Abe= vorhergegangene
alle Ehre macht.
*
e Die am geſtrigen Sonntag vom Sportverein Darm
ſtadt anläßlich ſeiner Jubiläumsſportwoche auf den Sportplätzen am
Böllenfalltor gebotenen ſportlichen Darbietungen hatten ſehr unter der
ungünſtigen Witterung zu leiden. Im Spiel der Liggerſatzmannſchaften
teilte der Sportverein mit dem Verein für Leibesübun=
gen
Neu=Iſenburg ſich die Punkte (2:2). Den Jugend=
klubwertkampf
zwiſchen den Leichtathletikabteilungen des Sport=
vereins
Darmſtadt und dem Sportverein Offenbach
gewinnt Darmſtadt mit 65:35 Punkten. Die einzelnen Ergebniſſe ſind
folgende:

1. Jahrgang 07/08.
Ballwerfen: 1. Grüſſer=Darmſtadt 70,10 Mtr., 2. Mergelsberg=
Darmſtadt 56,9 Mtr., 3. Appel=Offenbach 47,60 Mtr., 4. Backtiſch= Offen=
bach
43,90 Mtr.
50 Meter=Laufen: 1. Meerkamm=Darmſtadt 7 Sek., 2. Mer=
gelsberg
=Darmſtadt Bruſtbreite zurück, 3. Backtiſch=Offenbach 3 Mtr.
zurück, 4. Höflich=Offenbach Bruſtbreite zurück.
Weitſprung am Stand: 1. Meerkamm=Darmſtadt 2,15 Mtr.,
2. Mergelsberg=Darmſtadt 2,05 Mtr., 3. Höflich=Offenbach 1,83 Mtr.,
4. Backtiſch=Offenbach 1,63 Mtr.
2. Jahrgang 05/06.
100 Meter: 1. Wild=Offenbach 13,2 Sek., 2. Müller=Darmſtadt
Bruſtbreite zurück, 3. Numrich=Darmſtadt 1 Mtr. zurück, 4. Limpert=
Offenbach.
300 Meter: 1. Kreutzer=Darmſtadt 41,2 Sek., 2. Limpert= Offen=
bach
4 Mtr. zurück, 3. Schupp=Darmſtadt ¼ Mtr. zurück, 4. Wild= Offen=
bach
Bruſtbreite zurück.
Kugelſtoßen: 1. Kirch=Offenbach 9,95 Mtr., 2. Kopp=Offenbach
9,73 Mtr.. 3. Müller=Darmſtadt 9,72 Mtr., 4. Bauer=Darmſtadt 8,58 Mtr.
Hochſprung: 1. Bauer=Darmſtadt 1,47 Mtr., 2. Schupp= Darm=
ſtadt
1,42 Mtr., 3. Schmidt=Offenbach 1,41 Mtr., 4. Oberding=Offenbach
1,35 Mtr.
3X1000 Meter: 1. Engelhardt=Darmſtadt 9 Min. 5 Sek., Faßler,
Hornſchuch.
Jahrgang 03/04.
1500 Meter: 1. Harres=Darmſtadt 4 Min. 40 Sek., 2. Raich=
Offenbach 2 Mtr. zurück, 3. Geppert=Offenbach 15 Mtr. zurück, 4. Feder=
lin
=Darmſtadt 30 Mtr. zurück.
Weitſprung: 1. Schneider=Offenbach 6,30 Mtr., 2. Gebpert=
Offenbach 5,95 Mtr., 3. Gehbauer=Darmſtadt 5,41 Mtr 4. Weiffenbach.
Schwedenſtaffel: 1. Sp.=V. Offenbach 2,14 Min., 2. Sp.=V.
Darmſtadt 50 Mtr. zurück.
Im Jubiläums=Fußballwettſpiel ſchlug die Liga=
mannſchaft
des Sportvereins die Frankfurter Helvetia über=
raſchend
hoch mit 7:3 Toren. Die Darmſtädter Mannſchaft zeigte ein
ganz ausgezeichnetes Spiel. Der Sturm bot prächtige Leiſtungen. Die
trotz des zweifelhaften Wetters erſchienenen zahlreichen Zuſchauer waren
hochbefriedigt über den glänzenden Sieg der Einheimiſchen.
Fußball.
Spielabteilung Union der Turngemeinde 1865 Beffungen-V. f. R.
Darmſtadt 1:0 (0:0).
Zwiſchen dem zweiten Spiel der beiden Vereine in dieſem Jahre
und der ſamstäglichen Begegnung liegt eine zu kurze Spanne Zeit,
als daß ſich beide in ihrer Spielweiſe merkbar verändert haben könnten.
Was dem Spiel einigen Reiz gab, war das Debüt von Erſatzleuten;
V. f. R. hatte deren drei, während Union einen Erſatzmann eingeſtellt
hatte. Dem Verlauf des Spieles entſprach viel eher ein Unentſchieden
denn gar ein Sieg Unions, da V. f. R. beſonders in der erſten Hälfte
und auch ſpäter noch mehr vom Spiel und die reichen Torchancen hatte
(Ecken 7:2 für V. f. R.), wenngleich das Tor für Union ein enk=
ſchloſſenes
Nutzen einer Schwäche des V. f. N. eine ſehr gute Lei=
ſtung
darſtellte und der Sieg von einer größtenteils mit 10 Mann
ſpielenden Mannſchaft erkämpft wurde. Typiſch, wie bisher, die ver=
ſchiedene
Spielweiſe der Vereine; V. f. R. zu flachem Paßſpiel nei=
gend
, Union dem Kick and ruß zugetan, ohne daß beide Syſteme fehler=
los
zur Geltung gekommen wären. Die beiden Flügelleute des V. f. R.
fielen etwas ab, weshalb der V. f. R.=Sturm gegen Schluß ſehr nach=
ließ
. Der Reſt zeigte Eifer und bekannte Leiſtungen. Das Tor fiel
nach fehlerhaftem Abſtoß des V. f. R.=Torhüters von der Strafraum=
grenze
, den Unions Halbrechter über die V. f. R.=Verteidigung ins ver=
laſſene
V. f. R.=Tor einſchießt.
Schiedsrichter, Herr Becht=Ober=Ramſtadt, wird bei größerer Pra=
A. H.
xis noch einige Mängel ablegen.
2. Jugendmannſchaft V. f. R. Darmſtadt Bezirksmeiſter.
Eintracht‟ DarmſtadtV. f. R. Darmſtadt, 2. Jgdm., 1:6 (1:2).
Die 14= und 15=Jährigen des V. f. R. wollten ſich nicht lumpen
laſſen und brachten ihrem Verein eine weitere Bezirksmeiſterſchaft, nach

Hauſe. Ein prächtiges Endſpiel, das ſie geſtern auf dem Eintrachtplatz
abſolvierten, war würdiger Abſchluß erfolgreicher Verbandsſpiele.
Muſtergültig die Diſziplin der Kleinen, und der Stil, in dem ſie alle
Spiele, auch das geſtrige, für ſich entſchieden. Man darf von ihnen
ſagen, die nunmehr über 4 Jahre im V. f. R. ſportlich tätig ſind, daß
ſie vieles gelernt und eine hochentwickelte Spieltechnik ihr eigen nennen.
Darüber hinaus iſt in jeder einzelnen Handlung ſo viel an Geiſt, daß
ihr Spiel anzuſchauen ein hoher Genuß iſt. Die Namen der Spiel=
vereinigung
Fürth in Miniatur ſind:
Bühlinger
Plößer Herget
Weber Neuber Löffler
Römer W. Heiſer Vogelmann. Diemer Werkmann.
A. H.
Sportverein 98Helvetia Bockenheim, Oberliga, 7: 3 (2: 2).
Die Torzahlen drücken den Spielverlauf ganz richtig aus. In der
erſten Hälfte ſchien man an einen Sieg der Bockenheimer zu glauben,
denn dieſelben waren der Mannſchaft des Sportvereins bis gegen
Schluß der erſten Hälfte ziemlich überlegen, was in zwei Toren Vor=
ſprung
auch zum Ausdruck kam. Dann übernahmen die Hieſigen die
Führung und erzwangen bis Halbzeit (in 2: 2. Nach Halbzeit waren
die Darmſtädter, die man ſchon lange nicht mehr ſo ſpielen ſah, derart
überlegen, daß es ſie noch fünfmal einſenden konnten, während der
Gegner durch einen Elfmeter nur noch ein Tor aufholen konnte.
Schlußrunde im ſüddeutſchen Pokalfpiel.
München, 17. Juni. (Eigene Drahtmeldung.) Bahern=München
Spielbereinigung Fürth 3:4 (3:3). Techniſch ganz hervorragender
Kampf. Beiderſeits waren die Torchancen faſt gleichwertig. In bezug
auf Technik war Fürth etwas beſſer, während die Bahern vir=l energiſcher
im Angriff waren. Den Siegestreffer brachte ein Strafſchuß wegen
Hand, der gegen Bahern verhängt wurde.
Kickers Offenbach-Phönix=Mannheim 5: 2.
In Offenbach ſtanden ſich Kichens und Phönix=Mannheim gegent=
über
. Der Sportplatz am Bieberer Berg war gut beſucht, und die
zehlreichen Zuſchauer bekamen auch allerhand Tore zu ſehen. Mann=
heim
war in der erſten Hälfte leicht im Vorteil, während wider Er=
wartem
die Kickers die zweite Spielhälfte ihren Gegner vollſtändig
einſchwüren konnten. Das Ergebnis 5:2 entſpricht vollſtändig dem
Spielverlauf.
Eintracht Frankfurt-V. f. L. Jſenburg 3: 0.
Spiel bei ſchlechter Witterung und mäßigem Beſuch auf der
Roſegger=Straße. Beiderfeits wurde mit regem Eifer gehämpft. Ein=
tracht
war im bezug auf Zuſammmſpiel und Technik ihrem Gegner
weit über. Während bei Frankfurt nur der Linksaußen abfiel, war
beim Gegner die ganze Mannſchaft außer der gut ſpielenden Vertei=
digung
mäßig. Bis zur Pauſe konnte Iſenburg das Ergebnis mit 1:0
halten, die zlweſite Spielhälfte war Eintvacht ſtark im Vorteil, von
einigen Durchbrüchen der Gäſte abgeſehen. Zwei weitere ſchöne Tore
waren der Erfolg. Mit 3:0 verließ Eintracht als derdienter Sieger
den Platz.
Union=NiederradHanau 93: 4: 1.
Umon=Niederrad hatte zum Rückſpiel den F.C. 1893 aus Hanau
verpflichtet. Wig bei allen derartigen Freundſchaftsſpielen, ſah man
auch hier in beiden Mannſchaften auffallend viel Erſatz. Die Nieder=
rader
hatten das Spiel vom Anfang bis zum Schlußpfiff vollſtändig in
der Hand, abgeſehen von 10 Minuten in der zweiten Hälfte, wo Hanau
ſich energiſch zuſammenraffte. Mit 4:1 rebanchierten ſich die Nieder=
rader
für die im Vorſpiel erlittene Niederlage.
Gaumeiſterſchaftsſpiel der Klaſſe A.
Olympia=Frankfurt (Weſtmaingaumeiſter) ſiegte über Sporwercink=
gung
Langenſelbold (Mittelmaingaumeiſter) mit 3:0.
Sportklub StuttgartSportverein Frankfurt 2: 2.
Boruſſia Fulda-Boruſſia Frankfurt 4: 2.
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[ ][  ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 18. Juni 1923

Nummer 166.

Landwirtſchaft, Gartenbau, Kleintierzucht und Siedlungsweſen

Anwendung und Nutzen von Gemengeſaaten.
Gemengeſaaten bringen häufig einen höheren Ertrag als
Reinſaaten, weil jede Kulturpflanze andere Anſprüche an den
Boden, ſeinen Nährſtoff= und Feuchtigkeitsgehalt, das Klima
uſw. ſtellt. Wo dieſen Anſprüchen der in Reinſaat angebauten
Pflanzen nicht genügt wird, da iſt mit der Vollernte natürlich
nicht zu rechnen. Im Gemenge jedoch pflegt ſich wenigſtens eine
Pflanzenart befriedigend zu entwickeln, und zwar um ſo beſſer,
wenn die andere zurückbleibt. Der Ertrag iſt deshalb bei dieſes=
Methode ſicherer. Außerdem wird die Fläche im Gemenge beſſer
ausgenutzt. Auf guten Böden kann man durch gründliche Boden=
bearbeitung
und ausgiebige Düngung das Land ſo vorbereiten,
daß im allgemeinen Vollerträge von Reinſaaten erreicht werden,
dagegen iſt der Anbau von Gemengeſaaten auf geringeren
Böden von Wichtigkeit.
Bei Gemengeſaaten denkt man zunächſt an eine Miſchung
von Weizen und Roggen. Namentlich flachgründige kalte Böden
kommen dafür in Frage. Hier wintert der Weizen leicht aus,
der beigemengte Noggen verhindert eine Mißernte. Er breitet
ſich nach dem Eingehen des Weizens bei günſtigem Frühjahrs=
wetter
ſo aus, daß er allein eine normale Ernte liefern kann.
Entwickeln ſich beide Pflanzen gut, ſo wird der Körnerertrag
höher ausfallen als bei reinem Roggenbeſtand, weil der Weizen
mehr Körner gibt als der Roggen. Beim Verkauf des Körner=
gemiſchs
wird man freilich ſelten einen höheren Preis erzielen
als für reinen Roggen; es müßte aber möglich ſein, beide Kör=
nerarten
maſchinell zu ſcheiden. Für ſlachgründige Böden mit
genügender Feuchtigkeit eignet ſich auch ein Gemenge von Hafer
und Gerſte. Dies Gemenge kann man als Pferdefutter anſtands=
los
verwerten oder aber mit Hilfe eines Trieurs trennen, da=
mit
man die vollen Gerſtenkörner als Braugerſte verkaufen kann.
Auf Böden mit flacher Ackerkrume liefert dies Gemenge höhere
und namentlich ſicherere Ernte als reiner Hafer. Leichte Böden,
die ſich nicht zum Haferanbau eignen, beſtelle man lieber mit
Sommerroggen.
Da wir heute dem Anbau von Hülſenfrüchten wieder mehr
Aufmerkſamkeit ſchenken müſſen, ſind auch Gemenge von Halm=
und Hülſenfrüchten ſehr wichtig. Hülſenfrüchte ſind ja im Er=
trage
viel unſicherer als Halmfrüchte: dem begegnen wir gerade
durch den Anbau in Mengſaat. Geraten dabei die Hülſenfrüchte
aus irgend einem Grunde nicht recht, ſo liefern dann die Halm=
früchte
eine deſto beſſere Ernte. Anderſeits finden die rankenden
Hülſenfrüchte an den Getreidehalmen eine willkommene Stütze.
Sie genießen dabei auch beſſer Luft und Licht als in Reinſaaten,
da ſie ſich hierbei oft vorzeitig lagern. Somit können ſie zwiſchen
dem Getreide auch mehr Schoten anſetzen und beſſere Körger
ausbilden. Sollen dieſe Gemengeſaaten reif werden, ſo dürfen
ſie höchſtens bis zu einem Drittel aus Hülſenfrüchten beſtehen,
weil dieſe in fruchtbaren Jahren die Halmfrüchte ſonſt über=
wuchern
würden. Man kann ſchon bedeutende Mengen Erbſen
ernten, wenn man z. B. dem Hafer nur ein Zehntel Saaterbſen
beimengt. Es iſt nicht zu leugnen, daß ſich ſolch Gemenge ſchwie=
riger
erntet als reine Getreideſgat, dafür iſt jedoch der Ertrag
weit wertvoller. Eine mittlere Haferernte von 12 Hektoliter
Hafer vom Morgen enthält 96 Pfund Eiweiß, dagegen ſind in
einer Gemengeernte von 7 Hektoliter Hafer und 5 Hektoliter
Erbſen 153 Pfund Eiweiß enthalten. Ferner iſt hier zu be=
denken
, daß die Erbſen dem Boden S ickſtoff zuführen und ihn
ſomit für die Nachfrucht verbeſſern.
Der praktiſche Kleingäriner.
r. Das Wichtigſte vom Tomatenbau. Für To=
maten
eignet ſich am beſten Gartenland, das im Vorjahr gut
gedüngt wurde. Auf friſchem Dünger wächſt die Tomate zu
üppig ins Kraut und ſetzt weniger Früchte an. Zu empfehlen
iſt eine Kalkbeilage in das Tomatenbeet. Beim Pflanzen ver=
fährt
man folgendermaßen: man hebt Gruben von vierzig Zenti=
meter
im Geviert aus und füllt ſio mit kräftiger Kompoſterde zur
Hälfte, dann ebnet man ſie mit gewöhnlichem Gartenboden ein
und pflanzt über jede ſolche Kompoſtſtelle einen Setzling. Nach
dem Pflanzen wird ſofort, am beſten mit abgeſtandenem Waſſer,
gegoſſen, und zwar reichlich. Pflanzt man nur eine oder zwei
Reihen im Verband, etwa auf Nabatten vor Wänden, Zäunen,
Hecken, dann genügen Abſtände von 60 Zentimeter der Neihen
und der Pflanzen. In kleineren geſchloſſenen Pflanzungen ver=
langen
ſtarkwachſende, großfrüchtige Sorten dagegen Reihen=
abſtände
von 80 Zentimeter, bei feldmäßigem Anbau von einem
Meter. In dieſem Falle ſind innerhalb der Räume Zwiſchen=
räume
von 7080 Zentimeter angebracht. Für ſchwachwüchſige
Sorten dürfen im allgemeinen dieſe Maße um 1020 Zentimeter
gekürzt werden. Zu dichter Stand vermindert den Ertrag, da
die Tomate zu ihrer Entwicklung und Fruchtreife vor allem
Sonne braucht. Bei geſchloſſener Pflanzung achte man darauf,
daß die Reihen von Norden nach Süden gehen.
Es iſt entſchieden anzuraten, die Tomaten aufzubinden.
Läßt man die Büſche wild wachſen, ſo kriechen ſie an der Erde
und die Früchte leiden nicht nur durch Beſchmutzung und Näſſe,
ſondern ſie reifen auch langſamer, von Blättern und Zweigen
beſchattet. Die Anſicht, alle Seitentriebe müßten ſchon im Ent=
ſtehen
abgeſchnitten werden, iſt trotz ihrer großen Verbreitung
nicht richtig. Man kann ohne Bedenken zunächſt alles wachſen
laſſen, bis ſich genügend Blüten und Früchte zeigen. Dann kürze
man die überzählig ſcheinenden Triebe, ſchone aber die Blätter.

Wer ſeine Pflanzen mehrtriebig zieht, ſie genügend weit pflanzt
und aufbindet, wird wenig zu ſchneiden haben, höchſtens wenn
die Reife der Früchte das Auslichten erfordert.
In der erſten Zeit nach der Pflanzung muß der Boden durch
Hacken immer locker gehalten und bei trockenem Wetter gewäſſert
werden. Sobald ſich ſtärkeres Wachstum zeigt, gibt man wöchent=
liche
Jauchegüſſe. Anfang Auguſt hört man mit dem Bewäſſern
und Düngen auf, nur das Behacken wird fortgeſetzt. Ende Auguſt
und Anfang September kann man anfangen, zu dichte Belaub=
ung
, die die Reife der Früchte zu verzögern droht, zu lichten.
Tomatenſorten gibt es eine große Anzahl, eine Idealſorte,
die unter allen Verhältniſſen den Hauptanforderungen gerecht
würde, und allen Verwendungszwecken genügte, gibt es leider
noch nicht. Als Frühtomate iſt ſehr zu empfehlen: Däniſche Ex=
port
, wegen ihrer Fruchtbarkeit und Widerſtandsfähigkeit gegen
Krankheit und kalte Witterung. Ihre Früchte ſind glatt. Von
frühreifenden Sorten wären ſonſt zu nennen: Geiſenheimer und
Johannisfeuer mit meiſt gerippten Früchten. Von mittelſpäten
und ſpäten Sorten haben ſich bewährt: Alice Rooſevelt, Ponde=
roſa
, Kardinal, Mikado. Vielfach iſt die Meinung verbreitet, die
Tomatenpflanze bliebe wegen ihres ſcharfen Geruchs von Un=
geziefer
ganz verſchont; leider iſt dies ein Irrtum. Die Schäd=
linge
ihrer Verwandten, der Kartoffel, die Drahtwürmer, Enger=
linge
und Maulwurfsgrillen, ſuchen auch die Tomaten gerne
heim. Ebenſo rührt die Fleckenkrankheit der Tomaten von einem
Pilz her, der auf der Kartoffel zuhauſe iſt. Es empfiehlt ſich
deshalb, Kartoffeln und Tomaten nie in unmittelbarer Nähe zu
bauen. Die Blattrollkrankheit der Tomate, unter der namentlich
frühreifende Sorten leiden, iſt ihrer Urſache nach noch nicht auf=
geklärt
.
Kleintierzucht.
kl. Jungkaninchen im Sommer. In heißen Som=
merzeiten
ſind Verluſte unter den Jungkaninchen ſehr häufig,
wenn nicht gewiſſe Gefahren in Nahrung und Aufenthalt fern=
gehalten
werden. Viele Tiere gehen an verdorbenem Grünfutter
zugrunde. Aufeinander geſchichtetes Grün gerät im Sommer
leicht in Gärung und verurſacht dann tödlich verlaufende Darm=
krankheiten
. Sobald man Tiere mit ſtark aufgetriebenem Leib
bemerkt, iſt Hilfe notwendig. Etwas Salmiak oder Natron wird
in Waſſer aufgelöſt und dem Tiere eingeflößt. Die Wirkung
zeigt ſich ſchon nach wenigen Minuten durch Rückgang der Bläh=
ung
. Sehr ſchädlich iſt den Kaninchen auch die unmittelbare
Sonnenbeſtrahlung. Die Tiere atmen dann ſchwer, liegen er=
ſchöpft
im Stalle und verlieren die Freßluſt. Deshalb ſchütze
man ſeine Kaninchenſtallungen vor ſtarker Sonnenbeſtrahlung.
Nie vergeſſe man, den Tieren Trinkwaſſer bereitzuſtellen. Jung=
kaninchen
müſſen ſtändig beobachtet werden. Schwächliche Tiere
werden von den anderen vom Futter weggedrängt und werden
natürlich immer magerer. Solche Tiere müſſen alſo beſonders
gefüttert werden, am beſten trennt man ſie überhaupt von den
übrigen. Iſt der Jungtierſtall nicht geräumig und hell, ſo muß
man für ſeine Bewohner unbedingt einen Auslauf herrichten,
wo ſie ſich einige Stunden des Tages tummeln können. Aufent=
halt
und Bewegung in friſcher Luft macht die Tiere kräftig und
geeignet, gute Nachkommenſchaft zu liefern. Anſtelle des reinen
Trinkwaſſers kann man übrigens den Kaninchen auch das beim
Kochen von Gemüfe übrige Brühwaſſer, das Kartoffelwaſſer,
Kloßbrühe und Spülwaſſer aus Milchgeſchirren geben. Spülicht
von fettigen Eßgeſchirren iſt dagegen nur für Schweine geeignet.
sti.- Ziegen und ſonſtigen Kleintieren, darf
man nicht jede Pflanze wahllos als Futter reichen. In der
Natur ſucht ſich jedes Tier das ihm bekömmliche Futter, und
weiß ſchädliche oder weniger bekömmliche Pflanzen wohl zu ver=
meiden
. Wenn es dagegen im Stall oder auf einem Tummelplatz
gefüttert wird und nicht Gelegenheit hat, ſeinen Hunger an den
ihm zufagenden Pflanzen zu ſtillen, ſo wird es ſelbſtverſtändlich
auch an weniger bekömmliche herangehen. Nachteilig ſind ſcharfe
Gewürzkräuter wie Porree oder Sellerie, ferner die Blätter von
Pflaumen, Pfirſich, Aprikoſen oder Kirſchen, und wenig geeignet
als Grünfutter ſind Kornblumen, Kornraden, Mohn und Feld=
ſchierling
. Die Knötericharten und der hierzu gehörende Buch=
weizen
können ebenfalls nachteilig wirken, wenn ſie längere Zeit
im geſchnittenen Zuſtande der Sonne ausgeſetzt ſind. Direkt
ſchädlich ſind alle Wolfsmilchgewächſe, ſorsie der Ackerſenf, das
Bilſenkraut und der ſchwarze Nachtſchatten. Sauerampfer wirkt
auf die Milchergiebigkeit der melkenden Ziege ungünſtig ein,
während der Wohlgeſchmack der Milch durch Ackertäſchelkraut und
Bilſenkraut leidet. Schilfrohr kann wegen ſeiner Kieſelſäureein=
lagerung
in den Blättern leicht Verwundungen hervorrufen.
sti. Ziegenmilch. Unangenehm wird oſt der ſchlechte
Geruch derſelben empfunden, welcher aber nur bei ungepflegten
Tieren zu beobachten iſt. Wenn das Lager der Tiere trocken und
das Euter nicht im Schmutz liegt, wird man dieſen Geruch kaum
wahrnehmen. Die Ziege iſt täglich zu bürſten, damit durch die
Offenhaltung der Hauptporen die Ausdünſtung gefördert wird.
Selbſtverſtändliche Vorausſetzung für eine gute Milch iſt aber
nicht nur die Reinlichkeit der Tiere und des Stalles, ſondern
auch die des Pflegers und der Geräte. Ziegenmilch iſt im all=
gemeinen
fettreicher als die Kuhmilch und hat in der Zuſammen=
ſetzung
eine größere Aehnlichkeit mit der Muttermilch als jener
ſie eignet ſich daher ſehr gut zur Kinderernährung. Eine gute
Pflege der Tiere wird die Milchergiebigkeit derſelben bedeutend
erhöhen.

Landwirtſchaftlicher Raigeber.
r. Nützliche Inſekten im Garten. Der Garten=
freund
ſoll nicht nur die Schädlinge kennen, die ſeine Pflanzen
benagen und beſchmutzen; er muß auch wiſſen, welche Tiere nütz=
lich
ſind und ihm helfen im Kampfe gegen die ſchädlichen. Ihrer
gibt es eine ganze Zahl, leider werden ſie aber vielfach verkannt
und bloß wegen ihres häßlichen Ausſehens vernichtet. Dadurch
fördert der Menſch natürlich nur die Vermehrung der Pflanzen=
feinde
.
Wohl allgemein bekannt ſind die Marienkäferchen, auch
Sonnen= und Herrgottskäfer genannt, als eifrige Vertilger von
Blattläuſen und Milben. Von ihnen gibt es eine Menge Arten.
Am häufigſten zu finden ſind der Siebenpunkt und der Zwei=
punkt
. Sie vermehren ſich ſtark, namentlich in trockenen, warmen
Jahren,die auch reich an Blattläuſen ſind. Bis in den Juni
hinein entdeckt man an der Unterſeite der Blätter von allen
möglichen Pflanzen die geblichen, länglich=ſpitzen Eier, aus denen
ſchon nach wenigen Tagen eine kleine ſchwarze Larve kriecht, die
in den Blattlauskolonien tüchtig aufräumt. Sind die Larven
ausgewachſen, verpuppen ſie ſich. Die Puppen hängen dann an
der Unterſeite der Blätter und werden nicht ſelten für den ge=
fürchteten
Koloradokäfer gehalten, da ſie an verlauſten Kartoffel=
flanzen
oft häufig ſind. Der fertige Marienkäfer entſchlüpft
dieſer Puppe ſchon nach etwa acht Tagen. Auf die Blattläuſe
machen ferner Jagd die Larven der Schwebefliege, die an den
ſchönen Sommertagen über den Blumenbeeten ſchillern, wie feſt=
gebannt
an einen Punkt in der Luft. Dieſes Tierchen lebt nur
von Blumenſaft. Es legt ſeine Eier auf Blätter ab, auf denen
ſich Blattläuſe aufhalten. Die ausſchlüpfenden Maden haben
weder Kopf noch Beine, ſondern vorn nur einen Rüſſel, mit dem
ſie um ſich ſchlagen. Sie bewegen ſich durch Zuſammenziehen
und Ausſtrecken des Körpers vorwärts und verleiben ſich mit
ihren Greifzangen eine Menge Blattläuſe ein. Geradezu Blatt=
lauslöwen
nennt man die Larven der Florfliege; jene zierlichen
Gebilde, die zuweilen im Sommer an den Blättern haften. Wie
feine Glasfäden ſind ſie anzuſehen, an deren Ende kleine grüne
Köpfchen ſitzen, das ſind die Eier der gemeinen grünen Flor=
fliege
, aus denen die häßlichen Larven ſchlüpfen, die gewaltig
unter den Blattläuſen aufräumen. Ihr Ausſehen verleitet viele
leider dazu, ſie als Schädling zu vernichten. Auch die Schlupf=
weſpen
können als Bekämpfer der Blattläuſe angeſehen werden,
da ſie ihre Eier zuweilen in Blattlauseier ablegen. Daraus
kann man ſchon erkennen, in welch winzigen Geſtalten die
Schlupfweſpen vorkommen. Mit unſeren gewöhnlichen Weſpen
haben ſie jedenfalls nichts gemein. Ihre Eisenart beſteht darin,
daß ſie mit Hilfe eines Legebohrers ihre Eier an oder in die
Larven oder Eier anderer Inſekten ablegen. Ihre Larven leben
daun im Innern des befallenen Tieres und verzehren ſeinen
Inhalt. Die ausgewachſenen Larven verpuppen ſich in der Hülle
oder unmittelbar daneben. Durch ihr maſſenhaftes Auftreten
bilden die Schlupſweſpen eine Art Kerntruppe in unſerem
Kampfe gegen die Pflanzenſchädlinge. Nicht nur Blutlauseier,
ſondern auch größere Raupen und Maden fallen ihnen zum
Opfer. Eine der nützlichſten Art iſt die bei den Kohlweißlings=
raupen
und Puppen anzutreffende. Ihre Maden kapſeln ſich in
gelbe Geſpinſte ein, die man im Spätſommer an Mauern und
Zäunen, hinter Fenſterläden und auf dem Speicher findet.
Aehnlich wie die Schlupfweſpe verfährt die Schmarotzer=
fliege
, die ſich von der gewöhnlichen Schmeißfliege durch ihre
grauſchwarze Farbe ohne blauen Schimmer unterſcheidet. Sie
ſchwärmt faſt den ganzen Sommer hindurch und iſt überall zu
finden, wo es Raupen gibt. Sie legte ihre Eier auf die Haut
dieſer Tiere, damit die auskriechenden Larven ſich in den Körper
bohren können.
Von nützlichen Käfern ſind ſchließlich noch folgende zu
nennen: Zahlreich ſind die Arten der Laufkäfer. Zu ihnen gehört
der Goldſchmied, der Sandläufer, der Puppenräuber, der ge=
hörnte
Lauſkäfer. Sie alle ſuchen eifrig zwiſchen allen Pflanzen=
arten
nach Beute: auch Sträucher und Bäume beſteigen ſie zu
dieſem Zweck. Sie verzehren alles mögliche kleine Getier und
erweiſen ſich dadurch ſehr nützlich. Viel verkannt und daher oft
getötet ſind die Kurzflügler, die an Obſtgehölzen und auch in
Miſtbeeten und Gewächshäuſern häufig vorkommen. Auch ſie
freſſen allerhand kleines und großes Ungeziefer. Bekannter ſind
die Weichkäfer, zu denen auch das Johanniswürmchen oder der
Leuchtkäfer gehört. Sie alle ſtellen den verſchiedenſten Schäd=
lingen
eifrig nach und verdienen ſorgſame Schonung.
Der Regenwurm als Kulturhelfer. Der
Regenwurm iſt kein Schädling, wie immer noch viele Landleute
meinen, ſondern ein höchſt nützliches Weſen im Haushalt des
Bodens. Der Schaden, den er vielleicht hie und da anrichtet, iſt
winzig gegenüber dem Nutzen, den er dem Pflanzenbau leiſtet.
Er bearbeitet den Boden durch ſeine Wühlarbeit in einer Weiſe,
wie es der Gärtner mit ſeinem Spaten allein nimmer kann. Der
Regenwurm frißt nämlich den Boden und verdaut ihn zu Hu=
muserde
. Unermüdlich bringt er auf dieſe Weiſe die unteren
Schichten nach oben, lockert das Bodengefüge, düngt zugleich
durch die innige Vermiſchung verweſter Pflanzenteile mit der
Erde, die er als Nahrung zu ſich nimmt. Man hat berechnet,
daß ein Regenwurm in 24 Stunden etwa ein Gramm Erde be=
reitet
. Wenn nun ein Hektar gut gedüngter Boden etwa 30 000
Regenwürmer beherbergt, ſo macht das pro Tag 30 Kilo feiſte,
fruchtbare Erde, in einem Jahre gegen 200 Zentner.

Der junge Tod.

Roman von Fritz Demuth.
(Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung des Herrn Verfaſſers und
der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in Stuttgart u. Berlin.)
(Nachdruck verboren.)
33)
III.
Das Frühjahr 1914 war da. Marie Louiſe ſollte mit auf
die Neiſe kommen. Sie war noch ſehr jung für ſolch einen Ein=
druck
, aber wenn ſie unter meiner Leitung nicht zu viel ſah,
konnte eine Ueberlaſtung vermieden werden. Die Vorteile des
Unternehmens für ihre Bildung waren unverkennbar, und eine
Unterbrechung des Schulunterrichts um einige Monate war
ſicher nicht unbedenklich, aber bei einer fleißigen und guten Schü=
lerin
auch keine eigentliche Gefahr.
Geiſtig war ſie einigermaßen auf die Reiſe vorbereitet, ſie
ſprach etwas Italieniſch, für die Geſchichte des Altertums hatte
ſie ſtets Intereſſe gezeigt, ein gut Teil über italieniſche Kunſt
und Kultur hatte ſie von mir erfahren.
Marie Louiſe, wollen wir eine Reiſe machen?
Gern. Wohin denn?
Ja, wohin? Rate einmal.
Nach Dresden?
Nein, weiter.
München? Sie zögerte, die Stadt zu nennen, denn das
war doch wohl allzu ausſchweifend, ſolche kühne Erwartung von
einer gelegentlichen Frühjahrsreiſe zu hegen.
Viel weiter.
Die Augen des Mädchens wurden größer, runder. Ihr
Weſen drückte Hoffnung aus, aber zugleich die Beſorgnis, es
möchte doch über das Ziel hinausgehen mit dem kühnen Fluge.
Nach Italien, ſagte ich.
Ach! Marie Louiſe war verdutzt. Wirklich? und als
ich mit dem Kopfe nickte, da ſprang ſie mir an den Hals, ganz
wild, und lachte und jubelte und war plötzlich aus der Stube
heraus und rief den Gang hinab der Erzieherin zu: Liſe, Liſe,
wir reiſen nach Italien, Vater und ichl, und war wieder bei
mir und beſtürmte mich mit Fragen.

Ich hatte viel zu tun in dieſen Tagen, Marie Louiſe ließ
micht nicht los, die ſonſt ſo Beſcheidene legte Beſchlag auf mich.
Ich mußte erzählen, meinen Reiſeplan entwickeln, Bilder zeigen,
Photographien.
Die Wochen vergingen, wir reiſten ab.
Nachts trafen wir in Neapel ein, der übliche Lärm auf der
Eiſenbahnſtation, das unerläßliche Feilſchen und Keifen der
Kofferträger und Kutſcher, die wiederholten Verſuche, den Frem=
den
zu betrügen, die der Kenner des Landes harmlos genug hin=
nimmt
, das alles beängſtigte in ſeiner aufgeregten Wirbligkeit
das Mädchen
Einen Tag hatten wir in Verona verbracht, das Wetter war
finſter und regneriſch geweſen. Dann waren wir über den Apen=
nin
gefahren, deſſen Raugeit Marie Louiſe entäuſchte; einen
vollen italieniſchen Eindruck hatte ſie noch nicht gehabt.
Unſere Zimmer lagen nach dem Hofe hinaus, ſie boten leinen
Blick ins Freie. Nun ſtiegen wir zum Frühſtückszimmer die
Treppe hinab. Augen zu, ſagte ich und nahm Marie Louiſe
an der Hand, führte ſie durch den Saal auf die Terraſſe und hier
wieder nach vorn, wo in breiten Käſten Frühlingsblumen blüh=
ten
, Geranien und Lepkoien, Bethunien, Kamillen, Narziſſen
und Lilien.
Jetzt ſchau hin.
Da lag unter uns am Bergesrücken hinter einem prächtigen,
weithin langenden Garten ſanft ſich ſenkend die Stadt mit ihrem
endloſen Gewirre enger Gaſſen, mit gelben und braunen und
roten und weißen Häuſern, vom Sonnenſchein in üppiger Leben=
digkeit
beſtrahlt. Weit am Ufer des Meeres, ihm ganz ange=
ſchmiegt
und die Mulde bis zu den Bergen ganz füllend, zogen
ſich die Häuſer und Häuschen in die Vorſtädte hin am Fuße des
Veſuvs. Der aber ſtieg darüber empor in ſeiner herrlich eben=
mäßigen
Pyramide, und über ihm ſtand eine hohe, ſich ähnlich
einer Pinienkrone breit auswölbenden Rauchwolke, goldbraun
durchleuchtet vom Feuerſchein. An den Veſuv ſchloß ſich die
Kette der Berge, mit ſchlanken Linien verlaufend, weithin
ins Land.
Vor uns lag das Meer, das grünblaue Meer des Südens,
das ſo glückſelig das Land liebkoſt in ſolchen ſtillen Tagen, das
weite ewige Meer, auf dem die Inſel Capri ſchwamm, in einer

goldleuchtenden Ferne ſich verlierend. Darüber war der Himmel,
klar, ohne den Schimmer eines Wölkchens. Um uns duftete es
von den Blumen; im Garten unterhalb der Terraſſe blühten
Orangen, die gelbe Früchte trugen neben den weißen Blüten,
Lorbeer und Myrten.
Marie Louiſe faßte meine Hand. O du mein Gott, ſagte
ſie, wie ſchön iſt das hier.
Wir ſchauten auf das Bild. Und dann ſah ich Marie Louiſe
an, die ſtand bewegungslos, ſaugte das Geſehene in ſich ein,
aufnahmewillig, inbrünſtig, ganz befangen im Anblick. Ich war
ergriffen von der Schönheit ringsum und von dem Eindruck, den
ſie auf Marie Louiſe machte. Mir war es, ihr Geſichtsausdruck
wandle ſich, geſtalte ſich um zu einer neuen Form des Seins. So
ähnlich ſieht ſie dir, ſagte ich mir, und hatte doch bisher ſtets ge=
funden
, daß ſie äußerlich mehr der Mutter gleiche.
Nein, da waren Züge um die Augen und den Mund, die
naren von mir.
Das werde ich nie vergeſſen, ſagte Marie Louiſe.
Wir gingen durch die auf= und abſteigenden Gaſſen der
Stadt, über die Leinen mit Wäſche gezogen waren, in denen es
wimmelte und lärmte und drängte von gärendem, blühendem,
wilden Leben.
Zum Hafen gingen wir und die Hafenſtraße entlang, zum
Fiſchmarkt, wo Wundertiere feilgeboten wurden, Krebſe und
Tintenfiſche und Muſcheln.
Hier jagten zwei Menſchen einander, dort ſchimpften und
fluchten welche, prügelten ſich, lachten viele, die ihnen zuſchauten,
ein junger Burſche ſang vor dem Verkaufsſtande ein Lied, in den
Balkonen der Häuſer ſtanden Frauen und ſchauten wähend.
herab, die Kinder ſchrien und tobten.
Marie Louiſe wurde ihre Taſche geſtohlen, plötzlich war ſie
fort. Ich lachte und tröſtete ſie, das ſei hier ſo, und Lehrgeld
müſſe jeder bezahlen. Ich kaufte ihr eine neue, der Verkäufer
forderte einen unſinnigen Preis, ich bot ein Viertel, Marie Louiſe
erſchrak, als ſie mein Gebot hörte. Der Mann ſchwor und
ſchimpfte und tanzte von einem Bein aufs andere. Schließlich
einigten wir uns auf die Hälfte der geſorderten Summe.
(Fortſetzung folgt.)