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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Nummer 118
Montag, den 30. April 1923
186. Jahrgang
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zung des Be ugspreiſes. Beſtellungen und
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lungen durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
Deutſchland und die Schweiz.
Bern, 29. April. (Wolff.) Die Schweizeriſche
Depeſchen=
agentur meldet: Die Anſtände im landwirtſchaftlichen
Grenzverkehr mit Deutſchland, die dadurch
entſtan=
den ſind, daß deutſche Behörden im Gegenſatz zur bisherigen
Uebung die in Deutſchland geltenden Ausfuhrbeſtimmungen und
Ausfuhrderbote auch auf einen Teil der aus der Grenzzone
kom=
menden landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe ausdehnten, konnten
größtenteils behoben werden. So wird die Ausfuhrfreiheit für
Kartoffeln, Früchte und Gemüſe beſtätigt. Hinſichtlich der
Aus=
fuhr von Brennholz ſind die Verhandlungen noch nicht
abge=
ſchloſſen.
Einſegnung der Leiche der ehemaligen
Großherzogin Luiſe.
Karlsruhe, 30. April. Am Sonntag fand in dem neuen
Schloß zu Baden=Baden die Einſegnung der Leiche der
Großherzogin Luiſe in Anweſenheit einer großen Zahl
von Fürſtlichkeiten, darunter König Karl von Schweden, Prinz
Heinrich von Preußen, Prinz Eitel Friedrich, Prinz Auguſt
Wil=
helm uſw. ſtatt. Unter den über tauſend Kränzen befand ſich
auch ein folcher der badiſchen Regierung mit der Widmung:
„Der Wohltäterin der badiſchen Heimat”. — Montag findet in
Karlsruhe die Beiſetzung ſtatt.
Kardinal Faulhaber bei Harding.
TU. Neu=York, 29. April. Nach einer Meldung aus
Waſhington hat Präſident Harding den Kardinal Dr. v.
Faulhaber empfangen. Der Kardinal verweilte einige Zeit
bei dem Präſidenten und ſprach mit ihm über die Lage in
Deutſchland.
Vom Tage.
Nach Blättermeldungen hat der Reichstagsabgeordneke und
württem=
bergiſche Miniſter Keil in einem Briefe an den Reichstagspräſidenten
die ſeinerzeit gegen den Abgeordneten Bazille gerichteten Anwürfe
zu=
ri.ckgenommen.
Amtlich wird mitgeteilt. Bonar Laſv wird erſt in der kommenden
Woche abreiſen. Den genauen Tag der Abreiſe und das Reiſeziel, ſowie
die vorausſichtliche Dauer laſſen ſich im Augenblick noch nicht beſtimmen.
da die Reiſepläne noch ſtudiert werden. Während der Abwefenheit
Bonar Lawus wird der Schatzkanzler Baldwin Leiter des Unterhauſes
ſein.
Senator Lodge erklärte in einem Schreiben, er ſei an ſich nicht gegen
den Gedanken eines internationalen Gerichtshofes. Er ſei aber dafür,
daß er von denjenigen Nationen gebildet werde, die der Haager
Kon=
vention beigetreten ſeien.
Laut Echo de Paris beabſichtigt die franzöſiſche Regierung, im
Hin=
blick auf den ſich immer ſtärker geltend uachenden Einfluß der
bevor=
ſtehenden Kammerwahlen, ſobald die Kemmer und der Senat ſich über
das noch immer nicht erledigte Budget für 1923 verſtändigt haben, ſofort
das Budget für 1924 einzubringen. Die Regierung ſei ſchon jetzt
ent=
ſchloſſen, die Abſtimmung über ein zweijähriges Budget 1923/24 mit der
Stellung der Vertrauensfragg zu verknüpfen.
„Quotidien” beſchuldigt den ſtellvertretenden Vorſitzenden der
fran=
zöſiſchen Kammer, den Abgeordneten Arago, in aller Form, ſeit drei
Jahren den größten Teil ſeines Vermögens der Steuerbehörde
verheim=
licht zu haben. Insbeſondere deklarierte Arago die Einnahmen aus
zahlreichen Millionen micht, die ihm aus dem Nachlaß des Beſitzers des
Petit Pariſien, Zean Dupuy, zugefallen ſind.
Jut Gouvernement Kurſe ſind nach einer Meldung der Ruſſiſchen
Telegraphen=Agentur von Profeſſor Laſarew ſehr bedeutende Lager
von Magnetit und Quarzit aufgefunden worden. Die oberen Schichten
enthalten 40 Prozent reines Eiſen.
Frankreich, Deutſchland undder Rhein.
Von
Rhenanus Germanicus.
Nach der Geſchichtsphiloſorhie der Deutſchen, hat einmal der
Franzoſe Renan geſagt, gebe es auf der Erde nur das Recht der
Orangutangs, die zu Unrecht durch die Ziviliſierten um ihre
Herrſchaft gebracht worden ſeien. Mit dieſer Behauptung glaubte
er die Lehre, das Elſaß ſei deutſches Land, umſtoßen ju können.
Das Lächerliche ſolchen Vorwurfs brauch: nicht beſonders
unter=
ſtrichen werden. Viel wichtiger wäre es geweſen, die Spitze
gegen die eigenen Landsleute zu kehren. Denn nur zwei
Jahr=
zehnte lang war der Rhein die politiſche Grenze zwiſchen
Deutſchland und Frankreich und der Ruf der Franzoſen nach
dieſer natürlichen Grenze iſt ein ewiger. Oder fühlen ſich heute
die Franzoſen als Nachſolger Julius Cgeſars? Er iſt genau ſo
der Eroberer Galliens wie des linken Rheinufers.
Schon zu Caeſars Zeiten ſtanden die Germanen zu beiden
Seiten des Rheins. Der Hauptgegner des Römers, Arioviſt,
hatte ſeſten Sitz im Elſaß. Cgeſar, Tacitus und Plinius, alles
römiſche Schriftſteller, nennen allein für das Gebiet nör lich der
Moſel ſieben germaniſche Stämme. Auch die Namen der beiden
römiſchen Militärbezirke zeugen davon, daß den Eroberern der
germaniſche Charalter am meiſten ins Auge ſtach: Germanig
ſuperior und Germania inferior!
Seit den Tagen der Römer hat nie eine andere Raſſe an
den Ufern des Rheines feſten Fuß gefaßt. Die Stürme der
Völkerwanderung zeigen überall das germaniſche Eleient im
Vordergrunde. Die deutſche Sprachgrenze liegt weit wpeftlich
des Rheins und heute nach dem Verſailler Vertrage im Elſaß
und nördlichen Lothringen auch wieder weſentlich weſtlich der
Reichsgrenze.
Und als die Enkel des großen Karls im Jahre 843, das
fränkiſche Reich teilten, da lag die Oſtgrenze des weſtfränkiſchen
Reiches an der Schelde und weſtlich der Maas (!); das
Mittel=
reich aber griff unterhalb von Koblenz auf das rechte Ufer über,
während das —ſtfränkiſche Reich ſüdlich der Nahe auf das linke
Ufer ſprang.
Auch hier alſo der Rhein keine, ſtrenge politiſche Greuze!
Und als dann nach den letzten Verträgen von Verdun=Ribemont
die Grenzen wiederum feſtgeſetzt wurden, da kam das Reich
Lothars zu dem oſtfränkiſchen Reiche, und dieſe neue Grenze
blieb Jahrhunderte hindurch die Schranke, in deren Oſten ſich
die deutſche und weſtlich von ihr die franzöſiſche Nation bilden
ſollte. Metz, Toul und Verdun waren Bistümer
des heiligen römiſchen Reiches deutſcher
Na=
tion! Das Elſaß ein deutſcher Gau, der in der
erſten Hälfte des 10. Jahrhunderts zu dem rechtsrheiniſchen
Herzogtum Schwaben kam.
Die Grenze des Vertrages von Verdun hat ungefähr bis
zum 16. Jahrhundert fortbeſtanden. Nur geringe Teile waren
zumeiſt durch dynaſtiſche Beziehungen abgelröckelt und an
Frankreich gelangt. Erſt 1552 urden Metz, Toul und Verdun
durch Wegnahme franzöſiſch.
Das ſind Tatſachen, die keine
Geſchichts=
ſchreibung mehr aus der Welt ſchaffen kann.
Aber nun wird jeder fragen: Worauf ſtützen ſich denn die
An=
ſprüche der Franzoſen? Der Franzoſe wird zunächſt antworten:
Das Elſaß iſt vor 1870 franzöſiſch geweſen. Man frage ihn
dann: Und wann und auf welche Weiſe iſt das Elſaß dann an
Frankreich gekommen?
Die Antwort wird lauten, das Land ſei im weſtfäliſchen
Frieden von Kaiſer und Reich an Frankreich rechtmäßig
abge=
treten worden. Das ſtimmt aber nur für einen Teil des
Ge=
bietes. Nur diejenigen Territorien fielen unter die
Abtretungs=
paragraphen, die unmittelbar unter der Herrſchaft des Hauſes
Habsburg geſtanden hatten. Diejenigen Stände, die
unmittel=
bar unter dem Reich geſtanden hatten und ſtanden, waren nicht
mit eingeſchloſſen. Hier an dieſer Stelle die recht verwickelten
Verhältniſſe auseinanderzuſetzen, würde zu weit führen. Es
mag deshalb nur auf einen Punkt verwieſen werden, der klar
und deutlich beweiſt, daß die franzöſiſchen Politiker den
deut=
ſchen Charakter des Landes nicht leugneten.
Die Geſandten ſchlugen vor, die abzutretenden Länder vom
Reich zu „Lehen” zu nehmen und den König von Frankreich
für dieſe Territorien zu einem Stand des deutſchen Reiches zu
machen. Wenn aber der König von Frankreich ein ſolcher Stand
werden wollte auf Grund der elſäſſiſchen Erwerbungen, ſo liegt
doch zweifelsohne in dieſer Abſicht das Zeugnis eingeſchloſſen,
daß es ſich um „deutſche” Länder handelt.
Die Univerſität Straßburg iſt von jeher eine Pflanzſtätte
deutſcher Wiſſenſchaft geweſen. Nur die Namen Goethe und
Her=
der braucht man zu nennen. Hier haben ſie die köſtlichen
deut=
ſchen Volkslieder aufgezeichnet, die ſie in dem angeblich
un=
deutſchen Lande bei den Leuten gehört. Herder—Oſſian—
Shake=
ſpeare: eine Gedankenverbindung, die nur Germaniſches
ent=
hält! Goethe im Elſaß und Goldſmiths „Vicar of Wakefield”
eine zweite Gedankenverbindung, die um Straßburg kreiſt und
ebenfalls nur Germaniſches in ſich birgt.
Erſt mit der franzöſiſchen Revolution wurde das geſamte
Elſaß franzöſiſch! Es trat in den Staatsverband der neuen
Republik, ohne ſein Deutſchtum aufzugeben. Man ſchaue ſich
nur die Karte des Elſaß an: man merkt, daß es der franzöſiſchen
Sprache überhaupt unmöglich iſt, die deutſchen Ortsnamen durch
„urwüchſige” franzöſiſche zu erſetzen. Straßburg, Colmar,
Mül=
hauſen, Hagenau, Weißenburg, Sennheim, Altkirch und noch
hunderte mehr laſſen ſich in keiner Weiſe im Franzöſiſchen
wiedergeben, weil die Namen alte deutſche Wurzeln ſind.
Die ſüdſlawiſche Regierungskriſe.
10. Belgrad, 29. April. Der von dem Demokratenführer
Dawidowitſch unternommene Verſuch, neue
Verhandlun=
gen mit der Partei der Radikalen aufzunehmen, iſt
geſcheitert. Paſitſch verſtändigte Dawidowitſch, daß die
Radikalen angeſichts der Haltung der Demokraten überhaupt
nicht in Verhandlungen eintreten werden. In politiſchen
Krei=
ſen wird erwartet, daß die Krone nochmals verſuchen werde,
ver=
mittelnd zwiſchen den antireviſioniſtiſchen Parteien
einzugreifen=
um eine Koglition zu ermöglichen.
Das Reparationsproblem.
Die Berliner Beſprechungen verſchoben. — Die holländiſche Preſſe zum Ruhrkonflikt.
Verſtärkung der Beſatzungsarmee. — Franzöſiſche Täuſchungsverſuche. — Dynamitanſchlag
auf einen Franzoſenzug.
Hollands Preſſe zum Ruhrkonflikt.
Amſterdam, 29. April. (Wolff.) Zu der Forderung
Frankreichs, daß Deutſchland, erſt den paſſiven Widerſtand
auf=
geben müſſe, bevor die Verhandlungen beginnen könnten,
be=
merkt der Nieuwe Rotterdamſche Courant, es ſehe nicht danach
aus, als ob. ſich in Deutſchland eine einzige Regierung finden
werde, die dazu bereit wäre. Mancher verſtändige. Mann im
franzöſiſch=belgiſchen Lager wünſche auch garnicht die
Kapitu=
lation und wurde ſie ſogar für eine ernſte Gefahr anſehen.
Der Druck auf den Miniſterpräſidenten, daß er dieſes Mal „den
Sieg nicht verlieren ſolle”, würde dann in Paris
unwider=
ſtehlich ſein.
Het Volk ſagt, wenn die deutſche Regierung die franzöſiſche
Forderung nach Einſtellung des paſſiven Widerſtandes
an=
nehme, dann würden Verhandlungen überhaupt überflüſſig
ſein, denn das wäre, die bedingungsloſe Unterwerfung. Man
verhandele, um einen Streitfall in redlicher und befriedigender
Weiſe zu beenden; wenn aber eine Partei im „Voraus ſich für
beſiegt gebe, verliere ſie jede Ausſicht auf eine redliche Löſung.
Amſterdam, 29. April. (Wolff.) In einem Aufſatz im
Nieuwe Rotterdamſche Courant, in dem die einer Regelung des
Ruhrkonflikts entgegenſtehenden Hinderniſſe
erör=
tert werden, heißt es von zuſtändiger alliierter Seite werde
in vertraulichen Geſprächen ein deutſches Angebot von 40
Mil=
liarden als ausreichend bezeichnet. Jeder wiſſe, daß
Deutſch=
land redlicher Weiſe nicht mehr bieten könne, ſogar Paris
würde ein ſolches Anerbieten nicht ohne innerliches Wohlwollen
in Empfang nehmen, aber annehmen werde und könne es Paris
nicht, denn Frankreich bleibe ja weiter mit dem Anteil an den
interalliierten Schulden belaſtet. Die einzige Möglichkeit für
die Franzoſen und ihre Freunde ſei, daß England und. Amerika
nachgeben, um in Gottes Namen den gefährlichen Unruhen in
Europa ein Ende zu machen. Die Not der Zeiten ſei ein
Druck=
mittel, womit die beiden großen Gläubiger für eine ſolche
Re=
gelung reif gemacht werden könnten. Augenblicklich ſei dafür,
nach den in Brüſſel und Paris vorliegenden Berichten, vor
allem. ſoweit Amerika in Frage komme, nicht die geringſte
Ausſicht vorhanden. Wene eine Regelung mit Deutſchland
zuſtande käme, und damit ein Element der Unruhe und Gefahr
in Wegfall käme, würde. Amerika gar keinen Grund mehr haben,
an die Annullierung der ihm geſchuldeten Summe zu denken,
ſo daß dann Frankreich der Angeführte wäre. Hiermit eröffnet
ſich alſo eine herrliche Ausſicht, daß eine Regelung, wenn ſie
zuſtande käme, wahrſcheinlich wieder nur vorläufiger Art
ſein könnte.
In Erwartung der deutſchen Vorſchläge.
* Paris, 30. April. (Prid.=Tel.) In Erwartung der
deutſchen Vorſchläge iſt die Pariſer Preſſe durchaus
ſchweig=
ſam geworden. Abgeſehen vom Petit Pariſien beanügen ſich
die meiſten Blätter mit der Wiedergabe der Berliner
Blätterſtim=
men und räumen dem Artikel Georg Bernhardts einen
her” rragenden Platz ein.
Die Beſprechungen beim Reichskanzler.
Berlin, 29. April. Blättermeldungen zufolge ſind die
Beſprechungen des Reichskanzlers mit den
Staats= und Miniſterpräſidenten der Länder auf
Dienstag verſchoben worden. Dementſprechend empfängt der
Kanzler vorausſichtlich auch die Parteiführer erſt am Dienſtag.
Die geplante Note ſoll gleichzeitig in London, Paris, Rom und
Brüſſel übergeben, ſowie auch in Waſhington zur Kenntn’s
ge=
bracht werden. Die Deutſche Allgemeine Zeitung wandte ſich
angeſichts der Angriffe gegen Stinnes an den
Reichsbankpräſi=
denten Havenſtein, der dem Blatte mitteilte, er habe mit
ſeiner Aeußerung über den Markſturz nicht beſtimmte
Einzel=
fälle im Auge gehabt und keinesfalls gegen Stinnes den
Vor=
wurf ungerechtfertigter Deviſenkäufe erheben wollen.
Bochum-Recklinghauſen.
Münſter, 28. April. (Wolff.) Das Verfahren
ge=
gen die Direktoren der Privat= und Commekzbank in
Bochum iſt von den Franzoſen eingeſtellt worden. Von den
bei der Auflöſung der Schutzpolizei verhafteten Schupobeamten
ſind nunmehr auch die drei letzten der bisher in Haft befindlichen
Beamten entlaſſen und ausgewieſen worden. — Infolge der
Entblößung durch die Polizei nehmen die Uebergriffe des
ver=
brecheriſchen Geſindels in außerordentlichem Umfange zu. In
Bochum wurden Kriminalbeamte und ein Feuerwehrmann, die
zwei Perſonen verhaften wollten, von dieſen beſchoſſen und
lebensgefährlich verletzt. Einer der Verbrecher beging darauf
Selbſtmord durch Erſchießen.
Ueber Necklinghauſen=Süd iſt in der letzten Nacht
die Verkehrsſperre verhängt worden. In den letzten
Tagen haben die Franzoſen Reviſionen der in Recklinghaufen
befindlichen Brieftaubenſchläge vorgenommen. Sämtliche
vor=
gefundenen Tauben und die Eier ſind mitgenommen worden.
— In Caſtrop verhafteten die Franzoſen den „
Gymnaſialober=
lehrer Boetmann aus unbekannten Gründen.
Verhör.
Mannheim, 28. April. (Wolff.) Wie der Mannheimer
Generalanzeiger, aus zuverläſſiger Quelle erfährt, wurde geſtern
nachmittag der kaufmänniſche Direktor der Mannheimer
Schiffs= und Maſchinenbau=A.=G. von der franzöſiſchen
Beſatzungsbehörde einem eingehenden Verhör
unter=
zogen. Der Grund ſoll der ſein, daß von der Firma ein neues,
für holländiſche Rechnung erbautes Boot zur Ablieferung
ge=
langte und die Schiffswerft ſich weigerte, den von den
Franzo=
ſen verlangten zehnprozentigen Ausfuhrzoll zu zahlen. Der
Direktor wurde ſchließlich wieder freigelaſſen, dafür aber der
ganze Betrieb der Geſellſchaft mit franzöſiſcher
Beſatz=
ung belegt.
Franzöſiſche Schandurteile.
* Dortmund, 30. April. (Priv.=Tel.) Von einem
fran=
zöſiſchen Kriegsgericht wurden verurteilt; von der
Langendreer Zeitung Dr. Joſef Pöppinghaus zu 6
Mona=
ten Gefängnis und 10 Millionen Mark Geldſtrafe, Dr. Heinrich
Pöppinghaus zu 1 Monat und 5 Millionen Mark
Geld=
ſtraſe, ferner der Arbeiter Baak vom Bochumer Verein zu
10 Jahren Zwangsarbeit wegen Spionageverdacht.
Dynamitanſchlag auf einen Franzoſenzug.
TU. Koblenz, 29. April. Bei Winingen wurde auf
einen franzöſiſchen Perſonenzug ein Dynamitanſchlag
ver=
übt. Von dem franzöſiſchen Dienſtperſonal wurden drei
Mann getötet. Der Materialſchaden iſt ſehr bedeutend.
Weitere Einzelheiten fehlen noch.
Franzöſiſche Täuſchungsmonöver.
TU. Mainz, 29. April. Die Güterzüge mit
Koh=
len aus hier entladenen Rheinkähnen werden neuerdings mit
breiten blau=weiß=roten Zetteln beklebt, auf denen als
Ab=
gangsſtation gedruckt zu leſen iſt: Eſſen. Der Zweck der
Maßnahme iſt die Vortäuſchung eines umfangreichen
Güterzug=
verlehrs aus dem Ruhrgebiet.
Seite 2.
Rutliuter 118.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 30. ABril 1923
Belgiſche Truppenverſtärkungen an der Ruhr.
TU. Paris, 29. April. Die belgiſche Armee im
Ruhrgebiet ſoll in der nächſten Zeit verſtärkt werden.
Gegen=
wärtig befindet ſich an der Ruhr die 7. Diviſion mit 6000 Mann.
Dieſe ſoll um 3000 Mann verſtärkt werden.
Frankreich und die Türkei.
Paris, 29. April. (Wolff.) Petit Pariſien meldet: Der
neu ernannte Oberkommiſſar für Syrien, General Weygand,
verzichtete darauf, ſich vor ſeiner Abreiſe nach Syrien nach
Lau=
ſanne zu begeben. Er wird ſich darauf beſchränken, ſich heute in
Paris mit General Pellé zu beſprechen. Weygond begibt ſich
am Donnerstag nach Boulogne und ſchifft ſich am Freitag
auf dem Kreuzer „Lorraine” nach Beiruth ein. Wahrſcheinlich
reiſt er von Beiruth unverzüglich nach Nordſyrien, um dort zur
Sicherung der Grenze die erforderlichen Maßnahmen, zu treffen.
Petit Pariſien glaubt, die bereits vor einigen Tagen von
der Ere Nouvelle veröffentlichte. Nachricht beſtätigen zu können,
daß die franzöſiſche Regierung zwei den
Kolonialgar=
niſonen entnommene Diviſionen zur Abbeförderung nach
dem nahen Orient bereithalte für den Fall, daß die Haltung
der Türken dieſe Verſtärkung notwendig mache.
Paris, 29. April. (Wolff.) Zu der Erklärung Ismet
Paſchas, daß von einer Zuſammenziehung türkiſcher
Truppen an der ſyriſchen Grenze nicht die Rede ſein könne,
bemerkt Havas in einem Telegramm aus Lauſanne, daß in
tür=
kiſchen Konferenzkreiſen gewiſſe Perſönlichkeiten, die weniger
zu=
rückhaltend ſeien als Ismet, die von der Regierung von Angora
getroffenen militäriſchen Maßnahmen nicht beſtritten
hät=
ten. Dieſe Perſönlichkeiten bemühten ſich, ſie mit der
Beſchuldi=
gung zu rechtfertigen, daß Frankreich in der letzten Zeit in
Syrien armeniſche Banden bewaffnet habe, die die
türkiſchen Bewohner des Mandatgebietes beläſtigten und ſogar
in türkiſches Gebiet eingefallen ſeien. Nach dem Matin haben
einige Blätter in Angora gegen angeblich franzöſiſche Pläne
proteſtiert, die auf die Bildung eines unabhängigen
Ar=
meniens abzielen.
Paris 29. April. (Wolff.) Der türkiſche
Geſchäfts=
träger in Paris iſt nach Lauſanne abgereiſt.
Ein franzöſiſches Geſchwader in Toulon bereit.
TU. Lauſanne, 29. April. Es gehen Gerüchte um,
wo=
nach die Türken an der ſyriſchen Grenze ſtarke Truppenkräfte
konzentriert haben. Dieſe bereits ſeit längerer Zeit
umgehen=
den Gerüchte hätten ſich derart verſtärkt und ihre Beſtätigung in
Nachrichten gefunden, wonach die Pariſer Regierung in Toulon
ein Geſchwader von Kriegsſchiffen verſammelte, das jeden
Augenblick zur Ausfahrt nach den türkiſchen Gewäſſern bereitſtehe.
Oeſierreich.
Wien, 29. April. (Wolff.) Oeſtrr. Korr.=Büro.
General=
kommiſſar Zimmermann erklärte in einem Interview, ſeine
Beſuche in Rom und Bern hätten ſeine Ueberzeugung beſtätigt,
daß die italienniſche und ſchweizeriſche Regierung feſt
entſchloſ=
ſen ſeien, das Genfer Werk zur Sanierung Oeſterreichs
zu unterſtützen. Die zur Beſeitigung des Defizits im
Staats=
haushalt notwendigen Maßnahmen würden vielfach als hart
empfunden. Aber er, Zimmermann, vergeſſe bei ſeiner Arbeit
niemals, daß hinter den Ziffern, mit denen er arbeiten müſſe,
das Schickſal des ganzen Volkes ſtehe. Das öſterreichiſche Volk
werde Troſt in dem Gedanken finden, daß durch dieſes Opfer
das Weiterbeſtehen eines freien Oeſterreichs garantiert werde.
Wien, 29. April. (Wolff.) Der Nationalrat hat eine
Vorlage betreffend die zeitweilige Beſtellung von Veratern
bei der öſterreichiſchen Nationalbank in zweiter und
drit=
ter Leſung angenommen.
Oeutſche ſollen nicht mehr entſchädigt werden.
Paris, 29. April. (Telunion). Der
Wiederherſtel=
ungs=Ausſchuß hat geſtern vormittag eine Sitzung
abge=
halten, in der er nach dem Bericht, den gegenwärtigen Stand der
deutſchen Geſetzgebung und Ordnung über die Beſtimmungen
zwiſchen den deutſchen Ausgleichsämtern und den deutſchen
Staatsangehörigen zur Kenntnis nahm. Unter Beſtätigung
ſeiner am 1. November der deutſchen Regierung gegenüber
er=
hobenen Einwendungen hat der Ausſchuß dieſe aufgefordert, die
Reglementierung dahin abzuändern, daß der deutſche
Staatsſchatz von den ihm auferlegten Verpflichtungen
entlaſtet wird. Ferner nahm die Kommiſſion das zwiſchen
Polen und Deutſchland abgeſchloſſene Subventionsabkommen
zur Kenutnis.
Am Monſag, den 23. April, hat die Reichsbank den
Wechſel=
diskont von 12 auf 18 Prozent und den Lombardſatz von 13
auf 19 Prozent erhöht. Reichsbankpräſident Dr. Hawenſtein hat
lein= ungewöhnliche Maßnahme in längeren Ausführungen
er=
klärt, die er vor dem Zentralausſchuß machte. Es iſt in der
Geſchichte der Reichsbank unerhört, daß eine Diskonterhöhung
um volle 6 Prozent (die Hälfte des bisherigen Satzes)
durch=
geführt wurde. Die Tatſache, daß der Ausſchuß das Vorgehen
des Zentralnoteninſtituts einſtimmig billigte, beweiſt, daß ſelbſt
in den Kreiſen der unmittelbar von der Kreditverteuerung Be=
troffenen Verſtändnis für das außergewöhnliche Vorgehen
be=
ſteht. Die Reichsbank ſieht in der Diskonterhöhung eine
not=
werdige Ergänzungsmaßnahme zu den anderweitigen
Vorkeh=
rungen, die zur Verhinderung eines weiteren Steigens der
Devi=
ſenkurſe dienen ſollen. Der Reichstagsabgeordnete. Dr. Hertz
hat kürzlich behauptet, die Reichsbank hätte durch fahrläſſige
Behandlung der Kreditgewährung den Spekulanten gegen die
Mark ihr Werk außerordentlich erleichtert. Ihm hatte bereits
Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Becker entgegnet, daß die
ſchwie=
rige Frage der richtigen Kreditgewährung nicht mit ein paar
polemiſchen Wendungen erſchöpft werden könne. Jedenfalls iſt
es durch die bisherige Politik der Reichsbank in der
Kredit=
gewährung erreicht worden, daß die deutſche Wirtſchaft ihren
Betrieb fortführen konnte, ſoweit dies bei der ſchwierigen
Roh=
ſtoffbeſchaffung und den geſtörten Abſatzverhältniſſen überhaupt
möglich war.
Die von Reichsbankpräſident Dr. Havenſtein verteidigte
Diskonterhöhung genügt an ſich nicht, der Verſteifung des
Geld=
marktes gründlich abzuhelfen. Diejenigen Stellen, die ihren
Finanzbedarf unmittelbar bei der Reichsbank zu decken in der
Lage ſind, erhalten ihren Kredit ſelbſt bei dem erhöhten
Diskont=
ſatz noch immer zu einem Bruchteil derjenigen Sätze, welch= die
Privatbanken ihren Kreditnehmern berechnen. Darum forderte
auch Dr. Havenſtein die Vertreter der Banken dringend auf,
ihrerſeits größte Zurückhaltung zu bewahren. Es liegt ein
Kern Berechtigung in der Behauprung, daß die Spekulation
gegen die deutſche Mark gerade durch die Kreditpolitik der
gro=
ßen deutſchen Geldinſtitute unterſtützt worden iſt. Wer
erwar=
ten konnte, daß er mit Leihgeld, für welches er innerhalb
eini=
ger Monate vielleicht 50 Prozent Zinſen zu zahlen hatte, das
Drei= oder Vierfache des Nennwertes verdienen konnte, war
natürlich durch keine noch ſo hoch geſpannte Zinsforderung für
Leihgeld in ſeinem wirtſchaftlichen Beginnen zu ſtören.
Die Ermahnungen des Reichsbankpräſidenten zur
Kredit=
beſchränkung hatten überhaupt wur im Zuſammenhang mit dem
Entſchluß, die Markſtabiliſierungsaktion tatkräftig fortzuſetzen,
praktiſche Bebeutung. Der Leiter des zentralen deutſchen
Kredit=
inſtituts brachte in ſeiner Rede klar zum Ausdruck, daß die
Reichsbank ſchonungslos und ohne Rückſicht auf die Bedeutung
der Firma gegen jeden vorgehen werde, der die beſtehenden
un=
vormalen Verhältniſſe auf dem Geldmarkte weiterhin
auszu=
nutzen ſucht, um ſich auf Koſten der Geſamtheit wucheriſche
Privatgewinne zu verſchaffen. Dem kleinen Gewerbetreibenden,
der ohnehin durch die Schwere der Zeit zu leiden hat, kann
Kre=
dit unter erträglichen Bedingungen ſelbſt bei dem
gegenwär=
tigen hohen Diskontſatz gewährt werden, wenn die
Kreditver=
mittlungsſtellen ſich in ihren Forderungen beſchränken.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 30. Aprik.
Neuerungen im Sommerfahrplan.
Neue Schlafwagen Berlin—Skandinavien, Holland— und Hamburg—
Wien. Ein neuer Schnellzug nach Oſtpreußen. Neue beſchlennigte
Perſonenzüge.
RDV. Der Sommerfahrplan, der am 1. Juni in Kraft treten ſoll,
bringt eine Reihe wichtiger Aenderungen, die beſonders dem
internatio=
nalen Reiſeberkehr zugute kommen. So wird die Verbindung Berlin—
Schweden mit einem Schlafwagen Berlin—Malmö
ausge=
ſtattet: ab Beulin (Stettiner Bahnhof) 9.09 Uhr (bisher 11.55 Uhr)
abends Gegenzug D 14, an Settiner Bahnhof 8.12 Uhr (bisher 6.03 Uhr)
morgens. Beide Züge erhalten Speiſewagen Berlin—Stralſund. Auch
die Nachtzüge D 15/16 Berlin-Kopenhagen (ab Stettiner Bahnhof
6.08 Uhr nachmittags, an 1.30 Uhr vormittags) erhalten Speiſewagen
Berlin—Warnemünde. Die Paß= und Zollveviſion in dieſen Zügen
findet im Schlafwagen ſtatt. Die D=Züge 19/20 Hamburg-Kopenhagen
(ab Hamburg 6.35 Uhr nachmittags, an Kopenhagen 5.55 Uhr vorm.,
ab Kopenhagen 11.30 Uhr nachmittags, an Hamburg 10.26 Uhr
vor=
mittags) erhalten Schlafwagen Hamburg—Malmö. Die D=Züge 13/18
Berlin—Skandinavien (ab Srtetiner Bahnhof 9.30 Uhr vovmittags, an
Stockholm 9.45 Uhr vormittags, ab Stockholm 7.45 Uhr nachmittags, an
Berlin 8.37 Uhr nachm.) erhalten durchlaufende Wagen erſter Klaſſe
Berlin—Stockholm, die in Schweden als Schlafwagen geführt werden.
Von Leipzig verkehren neue Schnellzüge D 190/189
Leip=
zig—Köln über Halberſtadt—Hannover mit Schlafwagen Leipzig—
Vliſſingen und Leipzig-Düſſeldorf. D 38/37 Berlin—Stuttgart (ab
Anhalter Bahnhof 6.10 Uhr nachm., an Stuttgart 9.08 Uhr vorm.)
erhält Schlafwagen Berlin-Bad=Kiſſingen und Berlin—Mannheim. —
D 155 Wien-Paſſau-Berlin, mit Schlafwagen Paſſau-Berlin, wird
rund 2½ Stunden früher gelegt (ab Wien Weſtbachnhof 1.30 Uhr ſtatt
bisher 4 Uhr nachm., an Berlin 9.20 Uhr ſtatt bisher 11.52 Uhr vorm.)
und evhält in Leipzig Anſchluß an D 160 nach Magdeburg—Wittenberge
—Hamburg und an D 136 Halberſtadt—Hannober—Holland; der
Gegen=
zug D 156 Berlin—Paſſau—Wien wird um 1½ Stunde ſpäter gelegt
(ab Anhalter Bahnhof 9.00 Uhr nachm. bisher ab 7.42 Uhr nachm.) mit
Anſchluß in Leipzig an D 151 von Hamburg—Wittenberge—Magdeburg
und D 135 von Holland-Hannover—Halberſtadt. Durch dieſe
Ver=
legungen ſind alſo direkte Verbindugen Holland—Wien und
Hamburg—Wien geſchaffen.
Weiter wird verſuchsweiſe eine neue Tagesverbindung Berlin—-
Schneidemühl—Inſterburg durch D 55/56 hergeſtellt: ab Berlin 9.10 Uhr
vorm., an Inſterburg 10.13 Uhr nachm.; ab Inſterburg 7.32 Uhr vorm.,
an Berlin 8.58 Uhr nachm. (Speiſewagen Berlin—Schmeidemühl und
Deutſch=Eylau—Memel). — Neue Züge D 35/36 verkehren ferner
zwi=
ſchen Berlin—Beurhen; ab Berlin 11.51 Uhr vorm., und Breslau-
Ber=
lin, ab Breslau 5.54 Uhr vorm., an Berlin 12 Uhr mittags.
Neue beſchleunigte Perſonenzüge (mit 4. Klaſſe) ſind
zwiſchen Berlin-Leipzig und Berlin-Hirſchberg
vor=
geſehen; ab Anhalter Bahnhof 3.10 Uhr nachm., an Leipzig 6.23 Uhr
nachm.; ab Leipzig 8.40 Uhr abends an Berlin 11.49 Uhr abends. —
Ab Berlin (im Juli und Auguſt täglich, im Juni und September nur=
Samstags, von Hirſchberg Sonntags): Görlitzer Bahnhof ab 7.37 Uhr
vorm., an Görlitz 12.02 Uhr; ab Görlitz 5.28 Uhr nachm., an Berlin
9 Uhr 32 Min, abends.
* Die nationalſozialiſtiſche Partei für Heſſen verboten. Das
Miniſterium des Innern hat auf Grund des § 14 Abſ. 2 des
Ge=
ſetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 die
national=
ſozialiſtiſche deutſche Arbeiterpartei im Freiſtaat Heſſen verboten
und ihre in Heſſen beſtehenden Ortsgruppen für aufgelöſt erklärt.
— Eine Verſammlung der Nationalſozialiſten, die am Samstag
abend in der „Stadt Pfungſtadt” ſtattfinden ſollte, wurde
darauf=
hin nicht mehr abgehalten.
— Mozartverein. Durch die von den Franzoſen geübte
Verkehus=
hemmung wird es dem Wi=sbadener Opernſänger Max Roth
ummög=
lich, zur Hauptprobe rechtzeitig zu erſcheinen. Für ihn trat mit
liebens=
würdiger Bereitwilligkeit Johannes Biſchoff vom Landes heater ein,
Der bewährte Sänger erntete ſtürmiſchen Beifall. Max Roth iſt
inzwi=
ſchen eingetroffen und ſingt im heutigen Feſtkonzert.
— An die Darmſtädter Jugendverbände. Man ſchreibt uns: In den
letzten Wochen ſind wiederholt einige Jugendgruppen von Darmſtadt
zuſamengetreten, um über einige wichtige Fragen, die geſamte Jugend
betreffend, ſich auszuyſprechen. Es iſt ganz beſonders in der heutigen Zeit
notwendig, daß über einige wichtige Fvagen die Meinung der geſamten
Jugend ausſchlaggebend iſtz, und aus dieſen Gründen bitten wir
drin=
gend alle Darmſtädter Jugendverbände, am kommenden Mittwoch,
den 2. Mai, abends 8 Uhr, im Gemeindehaus. Kahlertſtraße 24, zu
einer kurzen Befprechung zu erſcheinen. Zur Tagesordnung ſteht: 1. Iſt
ein gemeinſames Zuſammenarbeiten aller Jugendverbände möglich?
2. Wahl eines Ortsausſcheifſes der Darmſtädter Jugendverbände. Wir
bitten auch diejenigen Organiſationen, zu erſcheinen, die bis jetzt ſich
noch nicht entſchloſſen haben, dieſem „Gemeinſamen Werk”
bei=
zutrrten.
— Orpheum. Heute Montag, 30. April. Neuaufführung: „Der
Affenbaron”, Operettenſchwank in drei Akten. Text und Muſik
von Guſtav Bertram. Dieſes heitere Stück, welches zu den beſonderen
Lachſchlagern des Bertramſchen Repertoires gehört, wird nur ſechsmal
gegeben. (S. Ang.)
n. Schöffengericht 1. Seit Jahren leidet unſer ſchöner Wald unter
der Verwüſtung durch Holzdiebſtahl, und es bedarf im Intereſſe där
Allgemeinheit dringend tatkräftiger Bekämpfung des Uebels. In dem
jetzt verhandelten Falle hatten ſogar weibliche Hände mit Säge uſw.
ganze Stämme niedergeſtreckt und in größerer Menge weggeſchafft, ſo
daß der noch feſtſtellbare Geſamtert ſich auf faſt 100 000 Mk. beziffern
ſoll. Außer zwei nicht erſchienenen Beteiligten waren die 22jährige
Anna Hebereu und die 25jährige Frau Marie Pauline, beide
von hier, als Diebinnen angeklagt. Der mit der Letzteren
zuſammen=
zvohnende erwerbsloſe 34jährige Keufmann Joſeph König war zum
ſchwunghaften Abſatz des entwendeten Holzes an Andere in Tätigkeit
gatreten und hatte ſich deshalb wegen Hehlerei zu verantworten. Ber
einem derartigen Geſchäft betrug der Erlös 15 000 Mk., und es kamei
noch ſonſtige in Frage. Das Urteil lautete gegen die geringer beteiligre
H. auf 20 000 Mk. Geldſtrafe evtl. drei Wochen Gefängnis, und
gegen Frau P., ſowie den Angeklagten K. auf je ſechs Monate
Gefängnis. — Ein bekannter, eben mehrere Jahre Gefängnis
ver=
büßender Fahrraddieb, Leonhard Görmann aus Meſſel, wurde für
einen nachträglich ermittelten Fall noch mit ſieben Monaten
Ge=
fängnis bedacht. Er hatte damals aus der Techniſchen Hochſchle das
Rad eines Studenten geſtohlen, das von ihm ſofort veräußert, mehrmals
den Beſitzer wechſelte und zuletzt bei einem Arzt in Bahern
beſchlag=
nahmt wverden konnte. — Weiter wurde der noch unbeſtrafte 18jährige
Arbeiter Hermann Gröninger von hier wegen eines der fetzt ſo
häufigen Metalldiebſtähle zu 30 000 Mk. Geldſt rafe evtl. vier
Wochen Gefängnis verurteilt. In einer hieſigen Fabrik b=ſchäftigt, hatte
er daſelbſt Eiſenplatten von 15 000 Mk. Wert entwendet und nach ſeinem
Geſtändnis an einen unbekannten Straßenhändler für 600 Mk. verkauft.
Maf=Fahrplan des Norddeutſchen Lloyd Bremen 1923. (Ohns
Gewähr.) 1. Bremen-New=York. u) Bremen—Southampton—
Cherbourg—Neu=York. D. „George Waſhington” ab Bremen 2. Mai,
D. „Preſident Rooſevelt” ab Vremen 9. Mai, D. „Preſident Arthur”
gb Bremen 16. Mai, D. „Preſident Fillmore” ab Bremen 21. Mai. D.
„Preſident Harding” ab Bremen 26. Mai. b) Bremen-New=Vork
direkt. D. „Yorck” ab Bremen 5. Mai, D. „Bremen” ab Bremen
12. Mai. D. „Hannover” ab Brewen 24. Mai. 2. Bremen-
Phila=
delphig-Valtimore. D. „Eiſenach” ab Bremen 6. Mai. D.
„Hameln”, ab Bremen 24. Maj. 3. Bremen—La Plata. D.
„Crefeld” ab Bremen 5. Mai, D. „Sierra Nevada” ab Bremen 26. Mai.
4. Bremen-Braſilien.D. „Minden” ab Bremen 20. Mai, D.
„Minden” ab Hamburg 26. Mai. 5. Bremen—Oſtaſien. D.
„Göttingen” ab Bremen 28. April, D. Göttingen” ab. Hamburg
5. Mai, D. „Laomedon” ab Bremen 9. Mai, D. „Laowebon” am
Ham=
burg 16. Mai, M. S. „Münſterland” ab Bremen 19. Mai, M. S.
„Müinſterland” ab Hamburg 26. Maf, D. „City of Boſton” ab Bremen
30. Maj. D. City of Boſton” ab Hamburg 6. Juni,
Was haben wir bei unſerer Ernährung
im Haushalt zu beachten?
Die gegenwärtigen Ernährungsverhältniſſe haben den
Reichs=
ernährungsminiſter Dr. Luther veranlaßt, unter dem vorſtehenden
Titel in der Schriftſammlung ſeines Miniſteriums „Die
Volksernäh=
rung” eine für die Verbraucher beſtimmte, von dem bekannten
Sach=
verſtändigen für Lebensmittelfragen, Geheimrat Prof. Dr. A.
Jucke=
nach in Berlin, eine Broſchüre ſ.eiben zu laſſen, die weiteſte
Beach=
tung und Verbreitung verdient. Scicht um ein Lehrbuch, auch nicht um
ein Kochbuch, ſondern um einen in Frage und Antwort geſchriebenen
Leitfaden, gewifſermaßen mit einem Katechismus der Ernährung für
die deutſche Familie, handelt es ſich, der auch über den Haushalt
hinaus bei der Verbflegung in Anſtalten aller Art Beachtung verdient.
Zutreffend führt der Reichsernährungsminiſter Dr. Luther in einem
beſonderen, der Broſchüre beigegebenen Geleittvort aus: „Was der
Krieg allen gelehrt hat, die nicht unbelehrbar ſind, hat der rechtloſe
Einbruch der Franzoſen und Velgier in deutſches Gebiet beſtätigt. Wiu
ſind für die Ernährung unſeres Volkes auf unſere eigene
Schaffens=
kraft angewieſen.” In leicht verſtändlicher Sprache und knapper, klarer
Faſſung gibt die kleine Schrift über die wichtigſten Lebensmittelfragen,
über die hauptſächlichſten Lebensmittel, über deren Zuſammenſetzung
und Bedeutung für die Volks=rnährung, über die Zubereitung,
Friſch=
erhaltung, zweckmäßige Verwendung uſw. zuverläſſigen Aufſchluß, da
ſie vom neueſten Stande der Ernährungswiſſenſchaft verfaßt worden
iſt. Da bisher die Ausbildung uſerer Jugend in Ernährungs= und
Lebensmittelfragen vernachläſſig worden iſt, findet in dieſer Schrift
die Hausfrau eine Fülle von Anregungen zur ſparſamen und
zweck=
entſprechenden Emährung der Ihrigen; beim Unterricht in Schulen
aller Art dürfte die Schrift zugleich anregend und die Volksgeſundheit
fördernd wirken, da fetzt ein ganz anderes Intereſſe für Ernährungs=
Das 80. Stiftungsfeſt des Mozari=Vereins.
F.N. Am Samstag abend verſammelten ſich im Mozartſaal
die Chormitglieder des Mozart=Vereins und geladenen Gäſte,
um in einer würdigen Feier den 80. Geburtstag des Vereins zu
begehen. Wenn ein Chor ſo eng mit dem Kunſtleben einer Stadt
verknüpſt iſt, wenn er ſo ſtark im Streben und Kömien iſt wie
der Mozart=Verein, ſo hat ein ſolches Feſt auch . die
Allge=
meinheit Bedeutung, der im Feſtkonzert Wollen und Können
des Vereins offenbar wird. Von Mozartſchen Chören
um=
rahmt, gab die herzliche Begrüßung und die inhaltsreiche
Feſt=
rede des Vorſitzenden, Herrn Dr. Köſer, dem Feſte ein
be=
deutſames Gepräge. Ein Stück Kulturgeſchichte aus unſerer
Stadt, ein Einblick in eine Zeit frohen Schaffens, Aufſtrebens
und Vervollkomnnens tat ſich auf. Wie aus kleinen Anfängen
heraus der Verein entſtand, wie nach dem Zerfallen der älteren
Liedertaſel, der die Gegenſätze zwiſchen Kunſtpflege und den
geſellſchaftlichen Zielen inneren Zwieſpalt brachten, ſich deren
kunſtbegiſterte Anhänger zur Pflege Mozartſcher Kunſt
zuſam=
mentaten, wie ſich der Verein unter ſeinen hervorragenden
Dirigenten entwickelt hat — wir nennen nur die Namen Carl
Amand Mangold, Willem de Haan, Richard Senff, Friedrich
Rehbock —, das erlebten wir rückſchauend. Anfangs wurde nur
Mozart zur Aufführung gebracht, dann erweiterte ſich der
Schaf=
fenskreis, die Literatur für Männerchor, die Inſtrumentalmuſik
in weiterem Umfang wurden berückſichtigt, ſpäter traten auch,
zuerſt mit dem auch jetzt wieder aufgeführten Frithjof von Max
Bruch, die größten Aufgaben, die es für Männerchor gibt,
Kan=
taten und Oratorien zu dem bisher Gepflegten hinzu. Künſtler
von höchſter Bedeutung wirkten in den Konzerten mit, auch die
einheimiſche und zeitgenöſſiſche Muſik fand ſtärkſte Beachtung,
beſonders in den Werken von de Haan und Arnold
Mendels=
ſohn. Es würde zu weit führen, die intereſſanten Ausführungen
üben das innere Vereinsleben, über verdienſtvolle Präſidenten
und Mitglieder wiederzugeben, denn im Mozart=Verein war der
perſönliche und geſellige Zuſammenſchluß unter den Mitgliedern
von jeher beſonders ſtark und ſeine Feſte gehörten zu den Er=
eigniſſen des geſelligen Lebens. Demgemäß war die Zahl derer
die mündlich und ſchriftlich ihre Glückwünſche darbrachten,
außer=
ordentlich groß.
Herr Regierungsrat Dr. Henrich überreichte im Namen
des Landesbildungsamtes eine vom Staatspräſidenten
unter=
zeichnete Urkunde, Herr Oberbürgermeiſter Dr. Gläſſing
ver=
kündete, daß die Stadt dom Verein eine Stiftung zur
Anſchaf=
fung eines Chorwerkes gewährt hat. Es ſprachen ſodann die
Vertreter der wichtigſten muſikaliſchen Inſtitute und Vereine
Darmſtadts, ebenſo Gäſte aus benachbarten Städten. Auch ein
valutaſtarker Amerikadeutſcher, Herr Jordan aus Buenos
Aires, brachte willkommene Grüße.
Von beſonderer Weihe war es, als das Drumm=
Quar=
tett einen Satz aus Mozarts G=Dur=Streichquartett zum
Vor=
trag brachte, dem ſpäter zwei geſchickt gearbeitete und höchſt
an=
ſprechende Quartettſätze von Herrn Siegfried May folgten.
Zahlreiche Ehrungen ließen Einblick nehmen in den Geiſt der
Pflichterfüllung und Treue, die im Verein herrſchen, 12
Mitglie=
der konnten in die Ehrentafel eingetragen werden, die keine
Probe im verfloſſenen Winter verſäumt hatten, mit dem
Ab=
zeichen für zehnjährige Mitwirkung wurden vier, mit dem
zwan=
zigjährigen ſieben Sänger geehrt, und drei Herren konnten auf
25jährige Mitgliedſchaft zurückblicken. Herr Pöllot, der ſeit
47 Jahren dem Verein angehört, wurde zum Ehrenmitglied
er=
nannt, ebenſo Herr Profeſſor Dr. Arnold Mendelsſohn,
deſſen Werke ſo oft in den Konzerten erklangen.
Selbſtverſtänd=
lich wurde auch Herr Kapellmeiſter Rehbock, der langjährige,
verdienſtvolle Leiter, ſinnig und herzlich geehrt. Beſondere
Freude erregten die feinen, perſönlich gehaltenen Anſprachen der
Darmſtädter Altmeiſter Mendelsfohn und de Haan aus
denen Weſen und Geiſt dieſer trefflichen Menſchen und Künſtler
ſprach. Herr Dr. Köſer dankte mit warmen Worten und leitete
launig zu dem inoffiziellen Teil über, der unter anderem
ausge=
zeichnete Geſangsvorträge des Vereinsmitglieds Ernſt Roth
und als humoriſtiſchen Gipfelpunkt einen geiſtvollen Vortrag von
Rokert Schneider brachte. Möge der Mozart=Verein in
un=
aufhaltſamem Voranſchreiten eine Kulturſtätte bleiben für edle
Kunſt und Geſelligkeit, möge er bald auch ohne Beeinträchtigung
der Güte ſeiner Leiſtungen einen Beſtand von 200 bis 300
Sän=
gern aufweiſen, denn ſolch einem großen Chor, wie ihn viele
andere Städte beſitzen, ſind Klangwirkungen und Leiſtungen
möglich, die wir im a capella=Geſang in Darmſtadt bisher
ent=
behren mußten. Dann wird der Mozart=Verein bis zum
hun=
dertſten Geburtstag vorbildlich auf Darmſtädter und heſſiſche
Vereine wirken als Stätte der Einheit und Kraft, der
Kunſt=
begeiſterung und Lebensveredelung.
Freie literariſch=künſtleriſche Geſellſchaft.
*. Der letzte Vereinsabend brachte Vorleſungen eigener
Werke des bekannten oberheſſiſchen Heimatdichters Dr. Alfred
Bock. Die in des Wortes beſtem Sinne als Heimatsdichtungen
charakteriſierten Dichtungen Alfred Bocks, deſſen dichteriſche
Tä=
tigkeit damit längſt nicht erſchöpft iſt, ſind unſeren Leſern aus
gelegentlichen Beſprechungen ſeiner Werke bekannt. Daß er
ſich=
hier in Darmſtadt eine ſtarke Gemeinde von Freunden ſeiner
Dichtkunſt geſchaffen, bewies der freundliche Beifall, der den
Dichter beim Erſcheinen am Vortragspult begrüßte. Seine
be=
ſchaulichen, fein pointierten Erzählungen, Nopellen und Skizzen
verdienen dieſe ſtarke Gemeinde. Alfred Bock iſt in beſtem Sinne
deutſch. Er ſchreibt deutſch und empfindet deutſch, geſund und
kernhaft. Und er iſt ſo geblieben auch in der Zeit, da gewollter
und falſch verſtandener Expreſſionismus ſich breit machte, der
heute allerdings wieder im Schwinden begriffen. Und ſeine
Dichtungen zeichnen ſich durchweg aus durch eine ſeltene
Feſtig=
keit gereifter Lebensanſchauung, Tiefe der Empfindung und gute
Charakterzeichnung der handelnden Geſtalten. — Freilich, ein
guter Vorleſer iſt Alfred Bock nicht. Er teilt dieſes Los mit
vielen Dichtern, mit den allermeiſten wohl, und ſo kamen ſeine
neueren Dichtungen — der Abend wurde eingeleitet mit einer
Novelle über Gottfried Keller, brachte dann als das Bedeutſamſte
aus „Sturm und Drang” u. a. m. — nicht ſo zur Geltung, wie
die Leſer Bocks es gewohnt ſind. Daß ſie troßzdem gefeſſelt
wurden, beweiſt, daß die Dichtungen inhaltlich ſtark ſind und
dementſprechend freundlichſt bewertet und bedankt wurden. St.
fragen aller Art vorbehalton iſt wie früher, als wir nach dieſer
Rich=
tung im Ueberfluß lebten. So erklärt ſich auch das große Intereſſe,
das der kleinen Schrift ſchon vor und unmittelbar nach ihrem
Erſchei=
nen in weiten Kreiſen entgegengebracht iſt. Wir können doher nur
wuiſchen, daß es dem Herrn Reichsernährungsminiſter Dr. Luther
gelingen möge, auf dieſem Wege klärend und erzieheriſch zu wirken.
Die Schrift iſt im Verlage, von Julius Springer in Berlin
erſchienen.
— Michelſtadt, 30. April. Die Schülerzahl der
Real=
ſchule hat in der letzten Zeit eine außerordentliche Zunahme erfahren.
Während in früüheren Jahren die Zahl zwiſchen 180 und 220 ſchwankte
und vor eiem Jahre erſt 243 betrug, ſind jetzt 325 Schüler und
Schü=
lerinen vorhanden. Drei Klaſſen ſind geteilt, aber auch die übrigen
größtenteils ſo ſtark, daß nur Rückſichten auf Raummangel und
Zeitver=
hältniſſe weiteren Teilungen im Wege geſtanden haben.
R. Babenhaufen, 30. April. Zur Zeit ſind die Landwirte von
hier und der Umgebung eifrig damit beſchäftigt, die Kartoffeln zu
legen. Die ſchädliche Wirkung des Nachtfroſtes i letzter Woche zeigt ſich
jetzt ſehr deutlich. Man kann getroſt damt rechmnen, daß über die Hälfte
des Steinobſtes vernichtet iſt. Die Apfelbäume prangen eben in
herr=
licher Blütenpracht. Hoffentlich bleiben ihnen weitere Nachtfröſte
er=
fbart. — Mittwoch, den 2. Mar, findet in unſerem Gemeindewald eine
weitere Nutz= und Brennholzverſteigerung ſtatt. — Der Bau der neuen
Doppelwohnhäuſer ſchreitet rüſtig vorwärts. — Nach einem
Gemeinde=
ratsbeſchluß ſoll der Mindeſtverkaufspreis für den Haufen Waldſtreu
1200 Mk. betragen.
Reich und Ausland.
Paſtor und Republik.
S.&H. Flensburg. Unter der Anklage der Beleidigung der
Republik hatte ſich vor dem hieſigen Schöffengericht der Paſtor
Hem=
ſen aus Großſelt zu verantworten. Am 16. Jali fand in Großſolt
die Eimweihung einer Erinnerungstafel zum Andenken an die im
Welt=
kriege gefallenen Gemeindeangehörigen ſtatt. Paſtor Hemſen hielt dabei
in der Kirche eine Anſprache, die unter den Verſcmmalten gewiſſes
Auf=
ſehen erregte, ſo daß ein Teil augenblicklich die Kirche verließ und das
Gotteshaus in den nächſten drei Sonntagen völlig leer blieb.
Ins=
beſondere ſoll ſich der Paſtor mißliebig über die Errichtung der Republik
au=sgeſprochen und geäußert haben, daß ſie für Deutſchland nicht geeignet
ſei. Wir hätien einen Kaiſer gehabt, um den uns ſelbſt die Franzoſen
beneideten, und hätten ihn abgeſetzt. Schon einmal ſei Deutſchland ohne
Kaiſer geweſen, und man habe dieſe Zeit die kaiſerloſe, die ſchreckliche
genannt. Deutſchlands Krieger ſeien ausgezogen mit reinen und
blan=
ken Waffen, aber zurückgekehrt als Landesverräter. Nawentlich dieſe
letztere Aeußerung rief bei den Mitgliedern des Kriegervereins ſtarke
Ervegung hervor, und der Paſtor wurde ſpäter brieflich aufgefordert,
dieſe Beleidigung zurückzunehmen; eine Aufforderung, der er aber nicht
nachgekommen iſt. Vor Gericht wurde eine Abſchrift der fraglichen Rede
verleſen. Paſtor Hemſen gab zu, ſich bei der Anſprache wohl kaum
wört=
lich an den vorliegenden Text gehalten zu haben; doch wollte er dem
Sinne nach nicht mehr geſagt haben, als darin ſtand. Beſtimmt
aus=
geſchloſſen ſei es, daß er geagt habe: „Wie ſieht es aus in dieſer
Re=
publik? Es ſieht ſo ſchmutzig aus, daß es ſtinkt!“ Aus dem
Zeugen=
verhör ging dagegen hervor, daß der Paſtor mindeſtens ähnliche Worte
gegen die Republik gebraucht hat, wie ſie nach der Anklageſchrift gefallen
ſind. Der Staatsanwalt hielt eine Beleidigung der Republik für
vor=
liegend und beantragte gegen den Angeklagten Eine Gefängnisſtrafe von
14 Tagen. Das Gericht gelangte nach langer Beratung zur
Freiſprech=
ung des Angeklagten. Es war der Anſicht, daß man ſich an das
Manu=
ſtript des Predigers halten müſſe, das nicht beleidigend ſei. Das
Ver=
hör der Zeugen habe nicht mit genügender Klarheit ergeben, daß die
unter Anklage geſtellten beleidigenden Aeußerungen tatſächlich gefallen
ſeien.
Flugpoſt Köln—London und Hamburg-Kopenhagen.
RDV. Seit dem 20. April wird die engliſche Flugpoſt Köln—London
zur Beförderung von gewöhnlichin und eingeſchriebenen Briefſendungen
jeder Art benutzt. Flugplan: ab Köln=Bickendorf 10 Uhr, an London=
Croydon 2.30 Uhr. Als Flugzuſchläge find neben den gewöhnlichen
Auslandsgebühren zu entrichten für Poſtbarten 150 Mk., für fe 20 Gr.
anderer Brieffendungen 250 Mk. Die Flugpoſt dient zur Beförderung
von Sendungen nach England und überſeeiſchen Ländern; der geplante
Fluganſchluß nach Berlin iſt zur Zeit durch den Ruhreinbruch
verhin=
dert. — Seit dem 17. April verkehrt auf der Strecke Hamburg——
Kopenhagen eine Flugpoſt, die vom Deutſchen Aero=Lloyd in
Gemeinſchaft mit Det Danske Luftfahrtſelskab A.S. betrieben wird.
Flugplan: Ab Hamburg 9.00 Uhr vorm., an Kopenhagen 11.00 Uhr;
ab Kopenhagen 4.00 Uhr nachm., an Hamburg 6.00 Uhr. Flugpreis für
eine Perſon 80 däniſche Kronen emſchließlich 15 Kilo Freigepäck.
RDV. Wieder D=Züge nach dem Schwarzwald. Seit dem 12. April
verkehrt wieder ein durchgehender D=Zug: Frankfurt ab 11.51 Uhr
nachmittags über Mannheim (1.35), Karlsruhe (2.39), Pforzheim (3.50),
Villingen (7.30), Titiſee (9.07), Freiburg (10.05), Müllheim (10.37),
Badenweiler nach Baſel (Badiſcher Bahnhof) an 11.10 Uhr vormittags,
und umgekehrt Baſel (Bad. Bahnhof) ab 7.35 Uhr nachmittags,
Frank=
furt a 6.22 Uhr vormittags. Zwiſchen Frankfurt-Neuſtadt i. Schuv.
und umgekehrt läuft in dieſem Zuge ein Schlafwagen. Zuſammen mit
dem bereits bekanntgegebenen Eilzug Karlsruhe-Baſel, der bis und ab
Mamheim durchgeführt wird, beſtehen nun zwei durchgehende Züge
nach und von Baſel, ſo daß die Bade= und Kurorte des Schwarzwaldes,
wvie Triberg, Königsfeld, Bad Dürrheim, Titiſee, St. Blaſien, Freiburg,
Badenwsiler und Todtmoos wieder leichter erreickbar ſind. Nach und
von Baden=Baden verkehren wieder durchgehende Züge und Wagen von
Berlin (Anhalter Bahnhof) ab 7.35 Uhr vorm. (D 42) und 8.35 Uhr
um. (D2). Baden=Baden an 8.50 Uhrnm. bzw. 10.50 vm.; am Hamburg
10.23 Uhr nachm. (D 76), ab Bremen 11.36 nachm., Baden=Baden an
1.23. Uhr nachmittags. Weievs direkte Wagen führt D 176 von Schwerte
ab 9.0 Uhr vorm. über Siegen, Gießen, Frankfurt, Boden=Baden an
1.23 Uhr machmittags. Weitere direkte Wagen führt D 176 von Schwerte
Baden an 4.11 Uhr wachm. Sämtliche Züge werden in Baden unter
Umgehung des beſetzten Gebietes durchgeführt ſo daß keinerlei
Perſonal=
ausweis oder Paß notwendig iſt und die Zureiſe nach den Bade= und
Kurorten des Schwarzwaldes unbchindert erfolgen bann.
RDV. Mit der Extrapoſt durch Mittel= nach Süddeutſchland. Am
29. April, 6. und 13. Mai veranſtaltet das Mitteleuropäiſche Reiſebureau
5—6tägige Frühlingsfahrten durch den Harz, Thüringen und
das bad. Land: Berlin.Heidelberg, Berlin=Baden=Baden
mit bequem ausgeſtatteten Ausſichtswagen der Reichspoſt.
Die eigentliche Kraftwagenfahrt beginnt Sonntag miltag in Halberſtadt
(ab Berlin Potsdamer Bahmhof 7.10 Uhr vorm.), geht nach Thale, durch
den ſchönſten Teil des Harzes (Bodetal), nach Walkenried und
Nord=
hauſen (Uebernachtung); von Nordhauſen über den Kyffhäuſer nach
Weimar (Ueberwachſtung); nach Oberhof und durch den Thüringer Wald
nach Meiningen (Uebernachtung); nach Bad Kiſſingen und Würzburg
(Uebernachtung), nach Mütenberg und durch das Neckartal nach
Heidel=
berg (Uebernachtung); von hier über Bruckſal und Karlsruhe nach
Baden=Baden, wo die Fahrt am Freitag um 6.30 Uhr nachmit ags endet.
Je nach Wunſch kann der Reiſende für Verpflegung und Unterkunft
ſelbſt ſorgen oder ſich der Sorge des M.E.R. anvertrauen, das die
Underbringung in den feweils beſten Hotels vorgsſehen hat. Die 624
Kilometer lange Kraftwagenfahrt Halberſtadt—Heidelbeug koſtet 120900
Mark, bis Baden=Baden 140 000 Mark. Auskünfte und Anmeldungen
(bis ſpäteſtens Freitag jeder Woche) in allen Vertredngen des
Mittel=
europäiſchen Reiſebureaus.
Wohin?
— Man ſchreibt uns: Ein offenes Wort, mein lieber Konfirmand,
laß heute mit dir reden: Vor dir liegt das Land der goldenen
Jugend=
zeit, vor dir liegt das Leben mit ſeinem Anſpruch auf deine
Jugend=
friſche, deine Kraft, deine Zeit deine geiſtigen und körperlichen
An=
lagen. Heil dir, du Jugend! Tauſend Wünſche und Pläne und
Sehn=
ſüchte durchkreuzen deine Gedankenwelt. Mit hoffnunggeſchwellten
Segeln ſoll es hinaus ins Leben gehen, das glück= und freudeverheißend
vor dir zu liegen ſcheint. Aber wiſſe, junger Freund, es iſt im Leben
nicht alles Gold, was glänzt. Unter der oft ſchillernden Oberfläche
lauern die Gefahren, liegen die ungezählten Schlingen die das Leben
uns legt, liegen die Klippen, an denen unſer Lebensſchifflein zerſchellen
kann. Wie mancher iſt gleich dir hiausgezogen mit großen
Hoffnun=
gen, aber draußen geſtrandet und treibt jetzt als elendes Wrack auf dem
Ozean des Lebens. Kennſt du ſolche geſtrandete Exiſtenzen? Soll das
auch dein Los ſein, lieber Freund? — Ich denke nicht! —
Dann höre den Rat derer, die es gut mit dir meinen. Will du durch
die Gefahren des Lebens und vor allen Dingen durch die der
Jugend=
zeit unbeſchadet hindurchkommen, dann nimm Chriſtus in dein
Lebens=
ſchiff. Und noch ein Zweites: Das Leben iſt kein Weg auf Roſen,
ſondern ein heißer harter Kampf, und das heute mehr denn je.
Unſere Zeit braucht Männer, die in ſich feſtgefügt ſind, Männer mit
Rückgrat, Männer, die ihren Weg gehen und in den Gefahren und
Stürmen des Lebens ſich behaupten, Männer, die mit klarem Blick und
feſter Hand in die Geſchehniſſe der Welt eingreifen und durch die Gott
der Weltgeſchichte Weg und Richtung geben will. Aber ſolche Männer
werden nicht von heute auf morgen, ſie haben an ſich in ihrer Jugend
gearbeitet und ließen auch andere an ſich arbeiten.
Kommt in unſern Kreis, den Chriſtlichen Verein Junger Männer.
Dort findet ihr frohe Altersgenoſſen, mit denen ihr wandern, turnen
und Sport treiben könnt, mit denen ihr euch über Berufs= und
Gegen=
wartsfragen ausſprechen könnt, mit denen ihr aber auch frei und offen
reden könnt über das große Sehnen und Fragen eurer Seele, ohne daß
ihr auf Spott und Hohn ſtoßt. Lernt darum den Chriſtlichen Verein
Junger Männer Darmſtadt e. V., Alexanderſtraße 22 (
Infanterie=
kaſerne), aus eigener Anſchauung kennen und beſucht uns ohne
Vorurteil.
Jeder junge Mann iſt ohne Rückſicht auf Beruf, Stand, Konfeſſion
oder Politik in unſerem Kreiſe herzlich willkommen. Der Eintritt iſt
frei und beſondere Einführung nicht erforderlich.
Unſer Heim iſt jeden Abend von 8 Uhr und Sonntags von 3 Uhr
an geöffnet.
Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Sportverein Damſtadt — Sportfreunde
Frank=
furt a. M. 2: 3.
e. Mit den am geſtrigen Sonntag ſtattgefundenen
Fußballwett=
ſpielen konnte man die Anhänger dieſes Sportes auf dem Stadion
wirk=
lich nicht ſonderlich zufri=denſtellen. Es gehört viel Selbſtverleugnung
dazu, Ideale dem Fußballwettſpiel abzugewinnen, wenn die beteiligten
Mannſchaften nicht auf der Höhe ſind. In dieſer Beziehung krmkte es
ſchon am dergangenen Somtag, und geſtern ganz beſonders bei der
Ligaelf des Sportvereins. Dieſe Mannſchaft iſt in ihrer
Geſamtleiſtung in den letzten Spielen wieder ganz auffällig
zurückge=
gangen. Was ſie dem Zuſchauer boten, war aberma’s ein Spiel ohne
jegliche anregende Momente. Dazu kom der Gegner Sportfreunde
Frankfurt, eine Mannſchaft, auf die wan in ſportlicher Diſziplin
mehr Hoffnungen geſetzt hatte, ſo daß von beiden Seiten die Zuſchauer
ſich eigenllich recht enttäuſcht ſahen. Nach anfänglich recht flottem Spiel
ließen ſich die Darmſtädter, mangels Energie, das Heft aus der Hand
wehmen, ſo daß wenn auch nicht unverdient, die Frankfurter mit 3:2
als Sieger den Platz verlaſſen konnten. Die Schuld an der Niederlage
trägt des Sportvereis Hin rmannſchaft, die — wie in den letzten
Spie=
len —, ſo auch heute wieder ſtarke Verſager aufwies. Gefallen konnten
nur Müllmerſtadt, Tacacz und Heß. Was ſich ſonſt im roten Trikot
und blauer Hoſe zeig!e, kann keinen Anſpruch darauf machen, beſenders
hervorgehoben zu werden. Vopläufig muß man immer wieder der
Darmſtädter Mannſchaft jede anhaltende Beſtändigkeit von guter Leiſtung
abſprechen. Der Schiedsrichter war gur, doch verſtand er es nicht, ſich
energiſch genug durckhuſetzen. — Das anſchließende Spiel der
Liga=
erſatzmannſchaft gegen
ohne ſich beſonders anzuſtrengen. Daß das Publikum bis zum Schluß
der beiden Spiele aushalten ſollte, war mehr wie zu viel verlangt.
Germania 09 Fulda (Liga)—Spielabteilung Union
der Turngem. Beſſungen 65 e. V. (Liga) 1:1 (Halbzeit 0:1).
Man muß es der Spielabteilung „Union” laſſen, ſie har in
Ger=
mania=Fulda keinen ſchlechten Griff getan. Germonia=Fulda hat ihrem
Namen alle Ehre gemacht. Sie führten den Zuſchauern ein Fußballſpiek
vor, wie es ſein ſoll, frei von allen unſchönen Erſcheinungen und fair
von Anfang bis zu Ende. Die Turner hatten ihre Mühe, den Gegner
in Schach zu halten, insbeſondere den talentierten Mittelſtürmer der
Gäſte der mit ſeinen ſteilen Vorlagen immer wieder ſeine Außenſtürmer
beſchäftigte, die dann mit ihren Flanken ſteis das Tor in Gefahr
brach=
den. Union beſtand dieſe Probe und wird, wenn alle Hoffnungen nicht
trügen, ein beachtenswerter Geguer werden. Verpflichtet fie ſich weiter
ſolche ſympathiſchen Ligavereine, ſo wird nicht allein ihr Name, ſondern
unſere ganze Sache an Anſehen gewinnen. Herr Grünewald von
Eberſtadt, den für den ausgebliebenen Schiedsrichter einſprang, war
II.
dem Spiel ein guter Leiter.
Eintracht=Darmſtodt-Viktoria=Urberach 5:1 (2:1).
Eintracht hatte ſich den A=Mriſter des Speſſartgaues zu einem
Freundſchaftsſpiel eingeladen. Viktoria entſprach den Erſvartungen
nicht ganz und mußte ſich mit 5:1 Toren geſchlagen bebennen, während
die Eintvachtler die ſeit den letzten Spielen gewohnte Spielweiſe zeigten.
Die Gäſte verloren unverdient hoch, was insbeſondere auf die äußerſt
unſichere Arbeit der Verteidigung zurückzuführen iſt, während ſich die
Eintracht=Verteidigung in ihrem beſten Lichte zeigte. Der Schiedsrichter
konuitze nicht ganz gemigen.
Bs.
V. f. R.=Darmſtadt—Germanig 1911 =Eberſtadt
2:0 (1:0).
Ein gemütliches Feierabendſpiel lieferten ſich am Samstag
nachmit=
tag obige Gegner. Ohne Temperament und auch ohne beſondere
Lei=
ſtungen lief alles ſeinen ruhigen Gang; höchſtens die rührende
Hilf=
loſigkeit bes V.f.R.=Sturms oder Eberſtadts Innenſtürmer ſchurfe hiut
und wieder lebhafte Momente. Das Beſte am Spiele war die große
Fairneß, mit der dasſelbe durchgeführt wurde.
V. f. R. trat an mit: Friedmann; Jung, P. Dillmann, Meher,
H. Weicker; Schſarz, Berger, Müller Nungeſſer, Gebauer. — Eberſtadt
trat an mit: Buttler; W. Kern, Wolf; Speckhardt, Hofmann, Ph.
Weitzel; Fr. Weitzel, Gg. Kern, Grimm, Meyer und Fritz Kern.
In der erſtn Hälfte machte ſich gleich zu Beginn eine
Veberlegen=
heit des V.f.R. bemerkbar, die bis Schluß anhält. Seiue Verteidigung
arbeitet wirkſam, Jung und P. Dillmann ſtaffeln ſich gut und
unter=
binden ausgezeichnet Eberſtadts Angriffe. Friedmann im Vf.R.=
To=
zeigt trotz ſeltenen Eingreifens beängftigende Schwächen und mit Glück
lenkt er einen Nachſchuß des Halblinken Eberſtadts zur einzigen Ecke fürr
Eberſtadt (Ecken 8:1 für V.f.R.) Gleich darauf erzielt Berger für
V.f.R. durch ſcharfen Schuß unter die Latte, von dem zweifelhaft iſt
ob er die Torlinie überſchritten hatte, das erſte Tor für V.f.N. (19. Min.).
Nach der Pauſe das gleiche Bild. V.f.R. drückt, doch fehlt ſeinem Sturm
Ballkontrolle, Gefühl für rechtzeitiges Eingreifen und Schußvermögen.
Daß trotz allem Nungeſſer 15 Min. vor Schluß den zweiten Treffer für
V.f. R. bucht, war nach der ſchwachen Stürmerleiſtung des V.f.R. nich)”
vorauszuſehen, wenngleich der durch die Verteidigung und Läuferreihe
herausgearbeiteten Ueberlegenheit des V.f.R. entſprechend das
End=
ergebnis das Geringſte war, was V.f.R. erzielen mußte.
Die Gäſte hatten im Torhüter und linken Verteidiger, im
Mittel=
läufer und den beiden Verbindungsſtürmern ihre Stützen. Sie werden
mit der Zeit ihre alte Form wiederfinden.
Dem Schiedsrichter, Herrn K. Schreiber vom hieſigen Sporkverein
98, halfen angebovene und anerzagene Einſicht beider Parteien trotz
einzelner Mängel, ſowie überſehene „Hands”, Abſeits und das
zweifel=
hafte Tor zu einer befriedigenden Leiſtung.
A. H.
„Olympia”=Lorſch— V. f. R.=Darmſtadt 8:0 (3:0).
Der A=Meiſter „Olympia”=Lorſch befindet ſich zur Zeir in beſter
Kondition. V.f.R. hat ſie geſtern zu fühlen bekomn, nachdem in der
letzten Zeit bereits eine Reihe ſpieltüchtiger Vereine von Lorſch tüichtig
zerzauſt wurden. Trotz der ſieben Erſatzleute bei V.f.R., denen Lorſch
eine Neubeſétutng von vier Poſten entgegenſtellt, muß zugeſtanden
wer=
den, daß Lorſch einen wirklich hervorragenden Gegner abgibt, der dem
V.f.R. geſtern in allen Teilen überlegen war. Das Endergebnis iſt
zwar etwas zu hoch ausgefallen, dem V.f.R. führte em durchweg
aus=
geglichenes Spiek vor, wie das im Eckenverhältnis von 7:5 für Lorſch
ſeinen Niederſchlag findet. Die äußerſt ſchwache Leiſtung des V.f.R.=
Torhüters, der über die Hälfte der Tore zu verhindern hätte wiſſen
müſſen (von 8 Toven hatte er 6 aus ſeinen Fangwerkzaugen gleilen
laſſen), brachte ihm die hohe Niederlage.
A. H.
e- Helvetia=Frankfurt gegen Maynheim=Lindenhof 4:0. — Kickers=
Offenbach gegen Pfalz=Ludwigshafen 1:0. Hamburger Spertvsrein
gegen Holſtein=Kiel 2:0 (Hamburg iſt damit Nordd=utſcher
Fuſball=
meiſter). — 1. Nürnberger Fußballklub gegen Turnverein Augsburg 1:1
(Pokalſpiel). — V. f. B.=Leipzig gegen Guts Muts=Dresdei 0:1 (
Dres=
den iſt damit Mitteldeutſcher Fußballmeiſter). — Bayern=München gegen
V. f. B.=S uttgart 8:1 (Pokalſpiel).
Sportverei Darmſtadt 2. Mannſchaft gegen Olympia=Worms 0:4;
Sportver. Darmſtadt 3. Mannſchaft gegen Turnverein Niederurſel 14:1;
Sportberein Darmſtadt 1. Jugendmannſchaft gegen 1= Jugend
Sport=
vereinigung Arheilgen 4:1 (Verbandsſpiel); Sportverein. Darmſtadt
1b=Jugendmannſchaft gegen Starkenburgia=Heppenheim 1.
Jugens=
mannſchaft 3:0 (Verbandsſpiel).
sr. Die deutſche Expedition für die Gotenburge
Olympiade, die zirka 80 Mann aus den verſchiedenſten
Sportzwei=
gen umfaſſen wird, iſt gefährdet, da vorläufig nicht gewügend Mittel
vorhanden ſind, um die Mannſchaft mit allem Nodwendigen zu
ver=
fehen. Die beteiligten Verbände wenden ſich daher an die Oeffentlichkeit
und bitten die deutſchen Sportkreiſe, ihrerfeits Sammlungen in die
Wege zu leien. Vom Verein Deutſch= Sportpreſſe wurden dem
Deut=
ſchen Reichsausſchuſſe bereits 100000 Mk. zur Verfügung geſtellt.
Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7½ Uhr: Feſtkonzert des
Mozartvereins. Kleines Haus, ab nds 8 Uhr: Tanz=Egſtſpiel Gino
Weppach. Hilde Schlieben. — Orpheum, Anfang 7¾ Uhr abends:
„Der Affenbmon” — Union=. Reſidenz=, Zentval=Thoater, Palaſt=
Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantortlich für Politik,
Wirtſchaft und Feuilleton: Nudolf Mauve; für „Stadt und Land”,
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: Paul
Lange — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Nummer hat 4 Seiten.
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Nachlaß des am 3.
April ds. Js
zuDarm=
ſtadt verſtorbenen
Kammermuſikers i.
R. Hermaun
Har=
niſch ſind bis
ſpäte=
ſtens 20. Mai bei dem
Unterzeichneten
gel=
tend zu machen. Bis
zu dem gleichen Tage
ſind Forderungen der
Nachlaßmaſſe zu
be=
gleichen. (3516
Darmbadt, 28. Apr. 1923,
Raab
Amts gerichts taxator,
Wilhelminenſtr. 21.
Seite 4.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 30. Li8:11
Landwirtſchaft, Gartenbau, Kleintierzucht 4
Sier
Die künſtlichen Düngemittel, ihr Ankauf
und ihre Verwendung.
Von Oberſekretär Kadel=Darmſtadt.
VI.
In den bisherigen Abſchnitten ſind Herſtellung und Ankauf der
Duingemitrel beſprochen worden; es ſollen jetzt über Auswahl und
Ver=
wendung der Düngerſorten kurze Mitteilungen gemacht werden.
Selbit=
verſtändlich kann es ſich bei den Ausführungen dieſes Abſchnittes nur
um Anhaltspunkte handeln. Für die Düngung allgemein gültige
Ne=
zepte aufzuſtellen iſt ebenſo wenig möglich wie die Herſtellung eines für
alle Verhältniſſe geeigneten „Univerſaldüngers”. Bodenart, Klima,
Witterung, Vorfrucht uſw. ſind in vielen Fällen mitbeſtimmend und
da=
her bei der Auswahl und der Verwendung der Düngerſorten und der
Höhe der Düngergaben zu berückſichtigen. Zwar weiß man auf Grund
der Erfahrungen und Beobachtungen aus den letzten Jahrzehnten, wie
man unter ganz beſtimmten Verhältniſſen in jedem einzelnen Fall die
Pflanze zu düngen hat, und welches die geeignetſte Zeit für die
Ver=
wendung der Düngergaben iſt. Wer ſich über Einzelheiten in dieſer
Be=
ziehung informieren will, dem kann nur empfohlen werden, ſich eines
der zahlreichen in den letzten Jahren erſchienenen Werke über die
Ver=
wendung der künſtlichen Düngemittel anzuſchaffen. Wenn ich an dieſer
Stelle über Auswahl und Verwendung künſtlicher Düngemittel kurze
Angaben mache, ſo können es natürlich nur Durchſchnittszahlen ſein.
Auch ſollen dabei in erſter Linie die Kleinbetriebe Berückſichtigung
fin=
den, die des Rates und der Aufklärung am meiſten bedürfen.
Von großem Wert waren mir bei der Abfaſſung dieſes Abſchnitis
die Mitteilungen, die Profeſſor Dr. Wacker von der Landw.
Hoch=
ſchule in Hohenheim über ſeine in Württemberg geſammelten
Erfah=
rungen gemacht und die er in einer mir in dankenswerter Weiſe zur
Verfügung geſtellten Druckſchrift*) niedergelegt hat.
In Württemberg iſt, wie überhaupt in Süddeutſchland, der
land=
wirtſchaftliche Kleinbeſitz vorherrſchend, denn es nehmen dort ähnlich wie
in Heſſen die Mittel= und Kleinbetriebe etwa 60 Prozent der geſantten
landw. benutzten Fläche ein. Wir können alſo die württembergiſchen
Berhältniſſe recht gut auf die heſſiſchen übertragen, aus welchem Grunde
ich mich gerade an die von Profeſſor Wacker in ſeiner angeführten
Arbeit in überaus gemeinverſtändlicher Weiſe gemachten Mitteilungen
halten möchte. Auch Prof. Wacker macht die von mir an anderem
Orte bereits erwähnte Feſtſtellung, daß ein erheblicher Teil der
Klein=
bauern über Art und Verwendung der künſtlichen Düngemittel noch
recht im Unklaren iſt, und ſagt in dieſer Beziehung ſehr treffend:
.. . Man muß ſich wundern, daß die künſtlichen Düngemittel trotz
reichlichſter Belehrung in Wort und Schrift und trotz der offenſichſtlichen
günſtigen Wirkung in einem großen Teil unſerer landwirtſchaftlichen
Betriebe in recht untergeordnetem Maße und vielfach auch in
unrich=
tiger Weiſe zur Anwendung gelangen. Schuld an dieſer Tatſache mögen
wohl mangelnde Kenntniſſe über das Weſen der verſchiedenen künſtlichen
Düngemittel, namentlich aber der Umſtand ſein, daß größere
Kunſt=
düngergaben einen ziemlich bedeutenden Geldaufwand verurſachen, zu
dem ſich der Landwirt nicht ſo ohne weiteres entſchließen kann.
Um hier Wandel zu ſchaffen, hat Prof. Wacker den landw.
Be=
trieben Düngungspläne an die Hand gegeben, und zwar hat er ſolche
ſowohl für Großbetriebe als auch für Kleinbetriebe ausgearbeitet. Die
Wackerſchen Düngungspläne haben den Vorzug, daß ſie nicht etwa dem
bloßen Gefühl nach, ſondern auf Grund ſorgfältiger langjähriger
Beobachtungen und genauer Berechnungen aufgeſtellt ſind. In folgender
Ueberſicht möge ein für Betriebe, mit mittleren Erträgen von Prof.
Wacker empfohlener Düngungs= und Fruchtfolgeplan wiedergegeben
werden.
und Ertrag
pro ha in ds Düngung
pro ha in dz Zeit der Düngung 1. Futterrüben
500 Rüben
130 Blätter 300 Stallmiſt
2 Superphosphat
3 Kainit Herbſt Miſt unterbringen.
Superphosphat bei der Saat.
Kainit zeitig vor der Saat. 2. Winterweizen
25 Körner
55 Stroh 1 Natronſalpeter
2 Thomasmehl
1 40 %iges Kaliſalz Thomasmehl und Kaliſalz im Ge=
menge vor der Saat. Im Frühjahr
alsbald nach Beginn des Wachs=
tums. Salpeter als Kopfdünger
in einer Gabe. 3. Hafer
25 Körner
55 Stroh 1 ſchw. Ammoniak
1 Superphosphat
1 Thomasmehl
2 40 %iges Kaliſakz
10 gemahl. Aetzkalk Kalk im Spätſommer oder Herbſt.
Im Frühjahr Thomasmehl im Ge=
menge mit Kaliſalz zeitig vor der
Saat. Ammoniak und Superphos=
phat im Gemenge vor dem Säen. 1. Klee
80 Heu 2 Thomasmehl
4 bis 5 Kainit Thomasmehl und Kainit
im November im Gemenge. 5. Winterroggen
25 Körner
55 Stroh 150 Stallmiſt
1 Superphosphat Stallmiſt im Herbſt auf Kleeſtoppel
und unterpflügen. Superphosphat
unmittelbar vor der Saat. Gerſte oder
Sommerweizen 34 ſchw. Ammoniak
2 Thomasmehl
1½ 40%ig. Kaliſalz Thomasmehl und Kaliſalz im
zeitigen Frühjahr im Gemenge.
Ammoniak unmittelbarvor d. Saat
Die Einhaltung eines derartigen Plans eignet ſich für Kleinbetriebe
vorzüglich. Da das Nährſtoffbedürfnis der Kulturpflanzen ſowie auch
die etwa von der Vorfrucht im Boden hinterlaſſenen Nährſtoffmengen
dabei berückſichtigt ſind, und der Landwirt ſomit die für ihn meiſt
um=
ſtändlichen Berechnungen nicht anzuſtellen braucht. Es kann den
Klein=
lzauern nur empfohlen werden, ſich die von Prof. Wacker
heraus=
gegebene, oben erwähnte Druckſchrift anzuſchaffen, die noch
zahlreich=
weitere wertvolle Anhaltspunkte inbezug auf Düngung und Boden=
(Fortſetzung folgt.)
bearbeitung bietet.
*) Anbau= und Düngungs= ſowie Düngerverteilungspläne zum
Ge=
brauch in landv. Groß= und Kleinbetrieben. (Verlag: Eugen Ulmer,
Stuttgart.)
Miee
Maiarbeit in Obſt= und Gemüſegärken.
Von Woche zu Woche wachſen jetzt die Pflichten des
Gärt=
ners. Faſt alle Tätigkeiten wollen gleichzeitig geübt ſein: Säen
und Ernten, Pflanzen und Graben, Gießen, Düngen und Hacken,
Jäten und Ungezieferjagd.
Zunächſt iſt darauf zu achten, daß alle Samen rechtzeitig ins
Land kommen, und die auf Saatbeeten herangezogenen
Pflänz=
chen auf ihre Beete. Alle Gemüſe, deren Ausſaat ſich noch
ver=
zögert hat, werden jetzt geſät, gegen Mitte Mai auch die Bohnen,
Gurken und Kürbis gelegt. Spinat=, Salat= und Radiesbeete
werden im Laufe des Monats Mai frei und dann ſofort wieder
beſtellt. Entweder beſät man ſie nochmals in der gleichen Weiſe
oder mit Mangold, Roten Rüben, Mohrrüben, Erbſen. Will
man ſie mit Kohlarten bepflanzen, iſt beim Umgraben noch etwas
Dünger zu geben. Kopfſalat wird bis Mitte Mai ausgepflanzt,
ferner Blumenkohl und Roſenkohl. In der zweiten Monatshälfte
folgen Weiß=, Rot= und Wirſingkohl, ſodaß alle Kohlarten, die
für den Winterbedarf beſtimmt ſind, im Mai ihren endgültigen
Stand erhalten. Ausgenommen iſt nur der Grünkohl, denn er
wird erſt Ende Mai auf Saatbeete geſät. Sellerie wird in der
zweiten oder dritten Maiwoche ausgepflanzt, Kohlrabi kann den
ganzen Monat hindurch gepflanzt und geſät werden. Rote
Rüben ſät man bis Mitte Mai, ebenſo rundſamige Spinatſorten.
Salat nur noch an Stellen, die gegen die Mittagsſonne geſchützt
ſind. Die Zeit für das Legen der Winterkartoffel geht mit der
erſten Monatshälfte zu Ende. Bis zum Schluß des Monats
kann man ſich das Auspflanzen der Tomaten aufſparen, denn
dieſe empfindlichen Pflanzen fallen ſehr leicht den Spätfröſten
zum Opfer.
Verſchiedene Frühgemüſe bringen ſchon Ernten, wie
Rha=
barber, Salat, Spinat, Radies. Für den Spargelſtich beginnt
die beſte Zeit. Abgeerntete Beete ſind ſofort wieder zu beſtellen,
d. h. umzugraben, nötigenfalls neu zu düngen, beſonders für
Kohlgewächſe, und entweder mit Spinat, Salat, Mangold, roten
Rüben, Mohrrüben, Erbſen zu beſäen, oder mit Kohl, Kohlrüben,
Sellerie und Porrée zu bepflanzen. Auf den noch nicht
bepflanz=
ten Beeten darf ebenſo wenig wie auf den bepflanzten Unkraut
aufkommen. Auch in kalten Wochen wächſt es freudig. Wo es
ſich zeigt, muß es daher ſofort unterdrückt werden, am beſten mit
der ſcharfen Hacke. Mit ihr verſchaffen wir zwiſchen den
Pflan=
zenreihen den Wurzeln der Gemüſe zugleich Luft und erhalten
durch die oberflächliche Lockerung dem Boden die Feuchtigkeit.
Bei trockenem Wetter muß natürlich trotzdem gegoſſen werden,
und zwar gründlich, nicht nur leicht beſprengt. Dazu verwenden
wir abgeſtandenes Waſſer, dem wir, wenn ſich die Pflänzchen
ſchon gut bewurzelt haben, etwas Jauche beifügen.
Im Obſtgarten bedürfen friſchgepflanzte Bäume
wiederhol=
ten Bewäſſerns. Bäume, die wegen ſpäter Pflanzung oder aus
anderen Gründen, noch nicht ausgetrieben haben, werden am
Stamm mit Moos und Schilf umbunden oder mit einem
An=
ſtrich aus Lehmbrei verſehen. Die friſch gepflanzten Bäume
bin=
den wir loſe an, damit ſie ſich ſetzen können, gedüngt werden
dür=
fen ſie nicht. Blattläuſe vertilgt man durch Aufſtreuen von
Ta=
balſtaub, Abſpritzen mit Tabakbrühe oder Seifenwaſſer. Auch
ältere Bäume bewäſſert man, wenn ſie in voller Blüte ſtehen
oder nach dem Abblühen, damit der Fruchtanſatz nicht durch
Trockenheit abfällt.
Auch Erdbeerbeete verlangen viel Feuchtigkeit und öfters
eine flüſſige Düngung ſowie wiederholtes Behacken. Auf
Nau=
pen an den Obſtbäumen iſt fleißig Jagd zu machen. Morgens und
bei trübem Wetter können wir in den Aſtwinkeln, wo ſie ſich
zu=
ſammenrotten, viele von ihnen erwiſchen und leicht zerdrücken.
Mit dem Ausbrechen überflüſſiger Triebe an Formobſtbäumen
und dem Entſpitzeln wird begonnen, ſobald die Triebe die
ge=
wünſchte Länge haben. Die gepfropften Bäume ſehen wir nach,
es wird ſich verſchiedentlich das Löſen der Verbände notwendig
erweiſen. Wildtriebe werden gleichzeitig ausgebrochen. Junge
im Wachstum zurückgebliebene Bäume werden geſchröpft.
Vieh= und Geffügelzucht 6
9
Kleintier= und Geflügelzucht im Mai. Für
die Kleintere hört jetzt die Zeit der ſchlimmſten Futternot auf.
Beim Uebergang zur Grünfütterung iſt Vorſicht geboten. Um
Las Ueberfreſſen zu verhindern, wird nebenkei noch gutes Heu
gegeben. Zu reichliche eder ausſchließliche Grünfütterung
er=
zeugt bei Ziegen und Kaninchen Blähſucht. Beſonders vorſichtig
ſind die jungen Tiere zu füttern. Den Ziegen, alten wie
jun=
gen, iſt möglichſt viel Bewvegung im Freien zu verſchaffen. Auf
der Weide entwickein ſich die Ziegenlämmer beſſer als im Stalle.
Wer mehrere Ziegen hat, benutze die Frühjahrsbrunſt nach
Möglichieit, um ein Tier decken zu laſſen, damit ſie den ganzen
Winter über Milch gilt. Die erſten Würfe der Kaninchen
erreichen im Mai das Alter, in dem man ſie von der Mutter
fortnehmen kann. Vor Ablauf des zweiten Lebensmonats ſoll
dies jedoch nicht geſchehen. Bei kleinen Raſſen kann das
Ent=
wöhnen bereits mit ſieben bis acht Wochen geſchehen, denn
be=
ſonders bei Silbern kommt es vor, daß die Muttertiere in die=
ſer Zeit wieder hitzig werden. Ihre Milch bekommt dann den
Jungtieren nicht. Dieſe trennen wir nach Geſchlechtern. Sie
dürſen dann noch zwei bis drei Wochen in einem genügend
großen Käfig zuſammenbleiben. Man kann die Tiere aber auch
ſogleich einzeln ſetzen. Wertvoll iſt es, den Jungtieren täglich
einige Stunden Auslauf zu geben. Bei heißem Wetter müſſen
die Kaninchen vor der Mittagsſonne geſchützt werden. Wer
Schweine anſchaffen will, kaufe ſich in dieſem Monat nicht
zu junge Ferkel, mindeſtens ſechs Wochen alte, beſſer noch ältere,
die ſchon etwas an die Grünfütterung gewöhnt ſind. Im
Ge=
flügelhof wächſt die Arbeit mit der Aufzucht der Kücken,
der jungen Enten und Gänſe. Bei der Fütterung iſt auf die
vermehrte Verabreichung von Grünſutter, kleingeſchnittenem
jungen Gras, Brenneſſelſpitzen, Salat, Spinat und dergleichen
zu achten. Das Geflügel braucht es. Das Trinkwaſſer ſoll immer
friſch ſein und iſt deshalb bei heißem Wetter öſter zu erneuern.
Schwere Raſſen laſſen wir Ende Mai nicht mehr brüten, weil
die Kücken ſich dann nicht mehr vollſtändig bis zum Herbſt
ent=
wickeln. In die Neſter ſtreue man gegen das Ungeziefer
Holz=
aſche, Kaliſtaub, gemahlenen Schweſel oder Inſektenpulver. Die
Kücken läßt man morgens ſpäter heraus, als die Hühner, da
ihnen taunaſſes Gras ſchadet, auch bei Regenwetter halte man
ſie im Trocknen. Die Puten brüten, und die Perlhühner fangen
an zu legen; da ſie ſich ſehr ſpät zum Brüten bequemen, le3t
man die Eier einer Henne unter. Im Mai kommen auch
erſten Entenkücken aus, dinen neben ſonſtigem Futter ſtets
gus=
ber Sand und friſches Waſſer zur Verfügung ſtehen müſſen.
Man läßt die jungen Enten die erſten drei Tage im geſchloſſenen
Raum. Die Tauben ſind jetzt in voller Brut. Raſſetauben
brü=
ten oft ſchlecht und erfordern die beſondere Aufmerkſamkeit des
Züchters. Da ſie ſchleiht füttern, muß man „Ammon” in
Be=
reitſchaft halten.
Die Aufzucht des Ziegenlammes. Je kräftiger
und natürlicher ein Tier in ſeiner Jugend ernährt wird, deſto
widerſtandsfähiger entwickelt es ſich. Die jungen
Ziegenläm=
mer ſollen deshalb möglichſt lange Muttermilch erhalten. Die
Milchnutzung verringert ſich für den Züchter dabei zwar, aber
ſpäter bringt das Jungtier nicht bloß dieſe Milch, ſondern auch
das ſonſtige Fut g und die aufgewendete Mühe für die
ſorg=
fältige Pflege dotzelt wieder ein. Wer die Milch nicht braucht,
tut gut, die Lämmer ſaugen zu laſſen, ſo lange ſie wollen, ſogar
bis zum fünften und ſechſten Monat, und ſie nebenbei zu füttern.
Auf dieſe Weiſe entwöhnen ſie ſichs ſelbſt, und werden nicht
wähleriſch, denn ſehr bald ſchmeckt das Futter, das die
Mutter=
ziege frißt, ebenſogut. Die übrige Milch wird regelmäßig
aus=
gemolken. So aufwachſende Jungtiere können ſchon im zehnten
Monat belegt werden, beſſer wartet man freilich bis zum
Früh=
jahr damit. Für gewöhnlich läßt man die Lämmer ſechs bis
acht Wochen ſaugen und gewöhnt ſie in der letzten Zeit an das
Fütter des Muttertieres durch Vorlegen von feinem Heu,
jun=
gen Gräſern, belaubten Zweigen, Brot, Roggenſchrot uſw.
Tränke und Suppen dürfen nur mit gekochtem Waſſer angerührt
werden. Sie ſind leicht zu ſalzen und durch kleine Beigaben
von Leinſamenmehl und phosphorſaurem Kalk zu würzen.
Letzterer iſt für das Knochenwachstum der Tiere ſehr wichtig.
Entwöhnt man die Jungen zu ſchnell, können Stockungen im
Wachstum eintreten. Nicht ſelten verkümmern die Tiere, bis
ſie das Futter erzwungen annehmen. Manche Züchter laſſen
die Lämmer von vornherein nicht am Euter ſaugen, ſondern
melken die Muttermilch gb und ſetzen ſie den Jungen in einem
Napf vor. Sie ſparen ſich dadurch viel Mühe des
Abgewöh=
nens, erſchtveren ſich aber dorher die Arbeit. Das natürliche
Verfahren iſt ohne Zweifel das beſte ſür das Gedeihen der Tiere.
Im Stall darf das Lamm nicht angebunden werden. Freie
Bewegung iſt ihm nötig, angehängte junge Ziegen gedeihen
nicht, nicht ſelten erwürgen ſie ſich an der Kette. Um die
Mutter=
ziege vor der ſtändigen Beläſtigung durch das Lamm zu ſchützen,
trennt man dies durch ein Gitter von ihr, durch das hindurch ſich
beide ſehen können. Bei gutem Wetterdürfen die Lämmer ins Freie,
damit ſie ſich austummeln können, wie es ihre Natur verlangt.
— Gute Fleiſchhühner. Ueber die Eigenſchaften guter
Maſtraſſen iſt ein großer Teil der deutſchen Hühnerzüchter noch
ſehr wenig unterrichtet. Viele ſind überzeugt, nur die ſchwerſten
Raſſen ſeien zu dieſer Betriebsart brauchbar. Die berühmten
ſranzöſiſchen Maſthühner, wie La Breſſe, Le Mans uſw. gehören
jedech kaum mittelgroßen Hühnerſchlägen an. Schwere
Maſt=
hühner ſind nicht leicht abzuſetzen; am beſten eignen ſich für uns
diejenigen Raſſen, die auch ſchon in jüngerem Alter als
Schlacht=
geflügel verwendbar ſind. Von einem Schlachthuhn verlangt
man, daß es an den für die Küche wertvollſten Teilen, alſo an der
Bruſt und dem Flügelanſatz, reichlich befleiſcht iſt. Deshalb
ge=
hört ein tiefes und langes Bruſtbein zu den beſonderen
Forde=
rungen. Hochbeinige Tiere haben meiſt einen abſchüſſigen
Kör=
per mit flacher Bruſt, auch meiſt zu ſchweren Kochenbau. Daher
iſt für Maſttiere höchſtens mittelhohe Stellung vorzuziehen. Allzu
tief geſtellte Tiere leiſten wiederum in der Zucht zu wenig, wie
man an den Orpington erfahren hat. Allen hervorragenden
Maſt=
raſſen iſt der breite flache Rücken von wagerechter Haltung eigen.
Auf die Farbe des Fleiſches legt man heute kein Gewicht mehr,
dagegen ſoll die Haut fein ſein. Sie bürgt zugleich für
feinfaſeri=
es Fleiſch.
Das ewige Feuer.
Roman von H. Richter.
Amerikaniſches Copyright 1922 by Carl Duncker, Berlin.
(Nachoruu verbolen!."
„Ich ſtelle es Ihnen frei, fahren Sie mit mir oder wünſchen
Sie, daß ich Sie dem Fürſten Arweli attachiere?”
„Ich bleibe bei Ihnen, Exzellenz.”
„Schön. Die Feier auf Schloß Arweli wird wohl abgeſagt
wverden müſſen. „ch täuſche mich wohl nicht, wenn ich die
Sym=
pathien der Fürſtin auf Ihrer Seite ſuche?”
„Meine Nichte weiß, was ſie ihrem Lande ſchuldig iſt.”
Adriaan nickte. „So habe ich es mir gedacht.”
Eine Viertelſtunde ſpäter raſten zwei Automobile aus der
Stadt heraus, das eine nach Oſten, in dem anderen ſtrebte
Fürſt Arweli ſeinem Stammſchloß am Araxes zu.
Auch auf der Burg war man über die Ereigniſſe der Nasht
unterrichtet.
„W18 bringſt Du uns, Onkel?” rief Eiſchat dem Fürſten
entgegen.
„Krieg, der Statthalter geht ſeinen eigenen Weg. Er ahnt
die Zuſammenhänge und fährt mit den engliſchen Truppen ins
Petroleumgebiet, um den Aufſtand niederzuſchlagen.”
„Und Tiflis?”
„Läßt er links liegen, er handelt, als ob dort gar nichts
geſchähe.”
„Nun ſo wird ihn ſein Schickſal auf Apſcheron ereilen.
Wir lie en bereits einen Funkſpruch nach London abgehen,
all=
gemein gehalten, man wird jetzt detaillieren können.”
Und die Antennen der neuen Station auf dem Felſen am
Araxes ſpielten nach allen Seiten.
Siebenundzwanzigſtes Kapitel.
Haller war mit ſeinen Begleitern in Tiflis angelangt. Der
urkgraf wollte in der Hauptſtadt des Landes bleiben. Haller
fuhr am Bahnhof die Geſchehniſſe der letzten Nacht und
be=
chloß, ſeinen Plan zu ändern und ſtatt nach Süden, nach dem
Oſten zu fahren.
„Ihr Schweſterchen vertrauen Sie aber uns an, Herr
Haller,” ſagte die Markgräfin. Aber damit war Annelieſe nicht
einverſtanden,
„Ich bin ſo lange von meinem Bruder getrennt geweſen,
daß ich ihn jetzt nicht allein fahren laſſen will, und außerdem
gibt es in Balu Dinge, die er mir zeigen will, nicht wahr,
Ernſtel?‟
Die Gräfin drohte mit dem Finger.
„Das hätten Sie eher ſagen können, dann hätte ich mir die
Mühe ſparen können. Sie haben einen Eispanzer, Hauptmann
Haller, und ſind für Frauenblicke unempfänglich. Aber auch
Siegfried hatte ſeine verwundbare Stelle.”
Haller brummte.
„Sind Sie unten in Baku auch ſo — ſo — preußiſch? lachte
die Gräfin.
Der Markgraf miſchte ſich ins Geſpräch. „Sie werden froh
ſein, daß Sie uns los ſind. Uebrigens gemütlich ſcheint es hier
nicht zu ſein, wir hätten die Damen in Batum laſſen ſollen.”
„Oh, unſere Revolutionen ſind geregelt, es wird Ihnen
nichts paſſieren.”
Haller trat zu dem Direktor der Eiſenbahn. „Wie iſt es,
können Sie uns nach Baku befördern?”
„Die Strecke iſt unverſehrt und ruhig. Sie können fahren.
Die Revolution hier ſieht nach beſtellter Ware aus,” fügte er
leiſe hinzu.
„Wie meinen Sie das?”
„Es hat ſich manches geändert, Herr Haller, ſeit Sie das
Land zum letzten Mal ſahen, man iſt national geworden und
will von Europa und dem Statthalter nichts mehr wiſſen. Er
iſt zu energiſch, ein Waſchlappen wäre denen hier lieber.”
So fuhren die Geſchwiſter weiter. Als ſie in die Nähe von
Baku kamen, war der Himmel mit dicken Wolken bezogen.
„Auf dem Kaſpiſchen Meer ſcheint böſes Wetter zu ſein.”
meinte Annelieſe und zeigte auf die ſchwarze Wolkenwand.
Haller ſah beſorgt hinaus.
„Das iſt kein Wetter, ſo dunkel ſind die Wolken doch nicht,
die Oelfelder brennen und die Rauchſchwaden des Brandes
ſtehen am Himmel.”
Die Bahn machte eine Kurve, und plötzlich lag die Stadt
vor ihnen und auf der anderen Seite ein grauenvoller, aber
impoſanter Anblick: Dunlle Rauchſchwaden quollen ſcheinbar
aus den Boden auf, an manchen Stellen von Flammen
durch=
zuckt und grell beleuchtet.
„Das ewige Feuer,” ſagte Annelieſe leiſe.
Der Bruder hatte ſie verſtanden.
„Wehe dem, der das Feuer dort entzündete. Die Hoffnung
eines Landes geht da in Flammen auf — das Lebenswerk eines
Menſchen,” fügte er hinzu. „Armer Statthalter.”
Vor der Lokomotive wurden rote Lichter geſchwenkt, die
Bremſen quietſchten und ſtöhnten, der Zug hielt. Draußen
liefen Männer mit Fackeln hin und her. Haller, ſah hinaus.
„Was gibt es?”
„Der Zug darf nicht weiterfahren, die Stadt iſt gefährdet.”
„Wo iſt der Statthalter?”
„In Baku.”
„Ich muß zu ihm, ich heiße Haller und bin ſein Sekretär.”
Ein bärtiger Mann hielt die Fakel hoch, ſo daß Hallers
Geſicht grell beleuchtet wurde.
„Es iſt richtig, aber der Zug kann nicht weiter, höchſtens die
Maſchine.”
„Gut, ich fahre auf der Maſchine, komm, Annelieſe.”
Mühſam ſtolperten ſie auf dem Bahndamm entlang nach
vorn, die Lokomotive wurde abgekopelt, ein paar Männer mit
Fackeln ſprangen auf, und die Fahrt begann.
Der Bahnhof war ein Heerlager. Ueberall ſtanden
Men=
ſchen mit Körben und Traglaſten, aber kein Zug war zu ſehen.
Als die Lokomotive einfuhr, erhob ſich lautes Geſchrei: „Ein
Zug, ein Zug!”
„Springen Sie raſch ab, ſonſt geſchieht ein Unglück, die
Maſchine muß auf die Strecke zurück.”
Die Geſchwiſter taten, wie ihnen geraten, und unter dem
Wutgeſchrei der Menge verließ die Lokomotide in raſcher Fahrt
wieder die Station.
Haller bahnte ſich einen Weg und zog die Schweſter mit ſich
fort.
„Raſch, ich führe Dich.”
Neben ihnen tobte und ſchrie es, vor ihnen, hinter ihnen,
ſie ſchwammen in einem Meer von Stimmen.
„Wir ſind verraten, ſie helfen uns nicht, die Chineſen
kom=
men in die Stadt, ſie laſſen die Tanks auslaufen, alles muß
verbrennen, rette ſich, wer kann.”
„Es iſt grauenhaſt,” flüſterte Annelieſe, dicht an des
Bru=
ders Seite, „die armen Menſchen.”
„Das Feuer hat ſie kopflos gemacht, es iſt ſicher nicht ſo
ſchlimm, nur heraus aus dieſem verteufelten Bahnhof.”
(Fortſetzung folgt.)