Darmstädter Tagblatt 1923


03. April 1923

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Einzelnummer 1.50 Mark

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtattet.
Nummer 94
Dienstag, den 3. April 1923
186. Jahrgang

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füllung
der Anzeigenaufträge und Leiſtung von
Schadenerſatz. Bei Konkurs oder gerichtlicher Bei=

Widerrechtliche Paßkontrolle.
Berlin, 1. April. Es wird uns folgender Fall der Durch=
fuchung
und Beſchlagnahme deutſcher Poſt mitge=
teilt
: Als am 19. Februar gegen 6 Uhr abends die Kraftwagen=
poſt
von Trier vor dem Poſtamt in Saarburg (Bezirk Trier)
eintraf, eröffnete der franzöſiſche Gendarm Henner von der Gen=
darmerieſtation
in Saarburg, der ſich in Begleitung eines zwei=
ten
franzöſiſchen Gendarmen beſand, dem Poſtamtsvorſteher, daß
er die eingegangene Poſt einer Durchſuchung unterziehen würde.
Auf das Verlangen des Amtsvorſtehers, eine entſprechende Er=
mächtigung
hierzu vorzulegen, antwortete der Gendarm Henner,
das habe die Gendarmerie als Beſtandteil der Armee nicht nötig,
ſie könnte jederzeit Durchſuchungen vornehmen. Das trifft nicht
zu, denn nach der von der Rheinlandkommiſſion erlaſſenen Ver=
ordnung
Nr. 3 Tit.1 II Artikel 11 ſind von den deutſchen Poſt=
anſtalten
Briefe und Poſtſendungen jeder Art nur auf ſchrift=
liches
Erſuchen der Rheinlandkonrmiſſion oder eines von ihr be=
ſonders
ermächtigten Offiziers oder Beamten auszuhändigen.
Der Amtsvorſteher hat deshalb jede Unterſtützung des Perſonals
des Poſtamts zur Durchführung des unzuläſſigen Verlangens
des Gendarmen abgelehnt. Die Gendarmen ließen darauf die
Kraftpoſt unter die Bewachung bewwaffneter marokkaniſcher Trup=
pen
ſtellen bnd zwangen die Fahrgäſte, den Wagen zu verlaſſen.
Unter dem Zwange der Gewalt ließ der Amtsvorſteher darauf
die umfangreiche Briefpoſt etwa 30 Säcke abladen und ins
Poſtamt bringen. Hier wurden ſämtliche Beutel von den Gen=
darmen
aufgeriſſen und durchſucht, eine große Anzahl Zeitungen
und Zeitſchriften beſchlagnahmt. Bei der Beſchlagnahme der
Zeitungen gingen die Gendarmen ganz wahllos vor; die Zeitun=
gen
wurden ohne Rückſicht darauf, ob ſie verboten waren oder
nicht, zurückbehalten. Sogar einzelne Zeitungsbunde, die für
das Saargebiet beſtimmt waren, wurden beſchlagnahmt. Die
Unterſuchung war 9 Uhr abends beendet, ſo daß die Kraftwagen=
poſt
erſt nach einer Verzögerung von faſt drei Stunden weiter=
fahren
lonnte.
Dieſer Fall zeigt wiederum, welche Gefahren dem Poſtver=
kehr
im beſetzten Gebiet drohen. Deshalb iſt, um die Beteiligten
nicht ſchweren Schädigungen auszuſetzen, größte Vorſicht im Aus=
tauſche
von Brieſen, Zeitungen und anderen Poſtſendungen zwi=
ſchen
dem beſetzten und unbeſetzten Gebiete dringend geboten.

Vom Tage.
Der Reichspräſident hat den bisherigen Reichsſchatzminiſter Dr.
Heinrich Albert, zum Reichsminiſter für Wiederaufbau
ernannt.
Als dritte Rate ihres Beitrags zur Ruhrhilfe hat die deut=
ſche
Kolonie in Barcelona 8000 Peſeten überwieſen. Die
deutſche Kolonie in Huelva überwies 375 Peſeten.
Die Chefredaktion der Kölniſchen Zeitung übernimmt am 1. April
Herr Anton Haßmüller.
Ein Güterzug, mit Kohlen beladen, fuhr von Lauterburg nach
Ludwigshafefn. In Schifferſtadt fuhr er auf ein falſches Gleis, über=
fuhr
den Prellbock und ſtürzte mit zwei Lokomotwen, Tender und
Packwagen die Böſchung hinunter. Der Materialſchaden iſt ſehr be=
deutend
. Vier Franzoſen wurden getötet, drei Franzoſen und ein Deut=
ſcher
verletzt.
Bei der Feier des 50. Gründungstages der Textilarbeiter=
gewerkſchaft
in Roubaix iſt es zu Kundgebungen ge=
kommen
. Mehrere franzöſiſche und beigiſche Redner nahwen unter
freiem Himmel das Wort. Während der Nede Vanderveldes
verſuchten drei franzſiſche Kommuniſten, dieſen zu unterbrechen und
ihrerſeits zu ſprechen. Es kam zu einer Schlägerei, in die die Polizei
eingriff. Dreißig Perſonen wurden mehr oder weniger ſchſver verletzt.
Der frühere Miniſterpräſident Briand, der ſeit ſeinem Rücktritt
im Januar vorigen Jahres politiſch nicht mehr hervorgetreten iſt, wird
am 22. April in Nantes bei einem Feſteſſe, des Bundes der patriotiſchen
Geſellſchaften und Kriegsteilnehmer eine große politiſche Rede halten.
In Perriers=la=Champagne, auf der Straße von Paris
nach Cherbourg, iſt ein Automobil mit dem Bruder des Mikado,
dem Füriken Kita, verunglückt. Die Fürſtin Kita und der Chauffeur
wurden getötet, der Fürſt, Prinz Saka und eine Geſellſchaftsdame
ſchwer verletzt.
Wie der Sonderberichterſtatter des Petit Pariſien in Konſtan=
tinopel
meldet, war die Sitzung der Nationalverſammlung
geſtern vormittag ſehr bewegt. Eine von 200 Abgeordneten unterzeich=
nete
Petition wurde eingebracht, die ſofortige Neuwahlen verlangt.
Jsmet Paſcha verlas die Antwortnote der Alliierten. Während ſich die
Regierung habe er hinzugefügt mit den Friedensverhand ungen
beſchäftige, könnten im Lande die Wahlen ſtattfinden, um die Anſicht
des Volkes feſtzuſtellen. Das Geſetz, das Neuwahlen anordnet, iſt ſo=
dann
von der Verſammlung mit gvoßer Mehrheit angenommen worden.

Nationalvermögen
und Polksgeſamtheit.
Was der Feind uns lehrt.
Von
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Andreas Voigt, Frankfurt a. M.
Einer der größten Freundſchaftsdienſte iſt gewiß die Be=
lehrung
, denn was wäre nützlicher als Einſicht.
Eine ſolche Belehrung empfangen wir augenblicklich von
unſeren Feinden, den Franzoſen und Belgiern. Sie berichtigen
eine Meinung, die ſehr viele, allzu viele von uns hatten, nämlich
die, daß das Vermögen unſerer Volksgenoſſen nicht unſer Ver=
mögen
ſei, daß es uns gar nichts angehe und es daher einerlei
ſei, ob es Ertrag bringe, denn der Ertrag fremden Vermögens
falle ja nicht uns, ſondern nur deſſen Eigentümer zu. Ja es
gibt eine Lehre, und ſie wird ſeit dreiviertel Jahrhunderten in
der Welt verbreitet, die noch weiter geht, indem ſie nicht nur die
Unintereſſiertheit der Nichtbeſitzenden an der Erhaltung und dem
Ertrag des Vermögens der beſitzenden Volksgenoſſen lehrt, ſon=
dern
geradezu den ſchärfſten Gegenſatz, daß der Schade der einen
der Vorteil der anderen ſei. Die moderne Geſellſchaft zerfalle
nämlich in zwei Klaſſen, die der Arbeitgeber und die der Arbeit=
nehmer
, und zwiſchen dieſen beſtehe unverſöhnliche Feindſchaft,
denn die einen leben von der Unterdrückung und Ausbeutung der
anderen. Es müſſe daher Feindſchaft zwiſchen beiden herrſchen.
Nur durch den Kampf der Klaſſen gegeneinander ſei dieſer un=
erträgliche
Zuſtand einmal zu beſeitigen. Würde man das Kapi=
tal
, d. h. das Privateigentum der heutigen Beſitzenden an den
Produktionsmitteln, durch den Klaſſenkampf beſeitigen, ſo wür=
den
dadurch die heutigen Nichtbeſitzenden ſofort den größten
Vorteil haben. So entſtand die Vorſtellung, daß die Arbeiter an
dem Daſein des privaten Vermögens überhaupt gar nicht inter=
eſſiert
ſeien, ſie dürften teilnahmslos zuſehen, wenn es vermin=
dert
oder zerſtört würde, oder wenn es ins Ausland wandere.
Es ſei nur ein ſträflicher Egoismus der Reichen, wenn ſie ſich
dagegen ſträubten, die ganze Reparationsſchuld zu übernehmen.
Die dadurch herbeigeführte Verwinderung des Nationalver=
mögens
ſürde den Arbeitern nur Vorteil bringen. Wenn auch
ſchließlich ſelbſt die Kommuniſten ſich dem Gedanken nicht ver=
ſchließen
können, daß der feindliche Einbruch der Franzoſen
und Belgier in unſer entwaffnetes Land ein großes Unrecht ſei,
ſo hielten ſie es doch nicht für größer, als das dauernde Unrecht,
das die Kapitaliſten allein durch ihr Daſein begehen, und wan
dürfe daher die Aufmerkſamkeit von dieſem inneren Feinde nicht
durch den äußeren Feind ablenken laſſen.
Gegen dieſe Lehre nun haben unſere Feinde zu verſchiedenen
Malen ihren Anſchauungsunterricht vom Gegenteil gegeben, mit
imer neuen Methoden, und ſo wird ſchließlich doch wohl auch
das deutſche Volk ſie verſtehen und von jenen falſchen marxiſti=
ſchen
Lehren ablaſſen.
Zum erſtenmal wurde die Lehre, daß allein der Eigentümer
an der Erhaltung ſeines Vermögens in ſeinem Beſitze intereſſiert
ſei und nicht auch der übrige Teil des Volkes, insbeſondere an
ſeiner Erhaltung innerhalb der Staatsgrenzen, vom Feinde an=
ſchaulich
und fühlbar widerlegt, als er durch den Frieden von
Verſailles große Gebiete des Vaterlandes abtrennte und frem=
den
Staatsgebilden zuwies. Da wurde Ackerland, zum Teil be=
ſonders
fruchtbares und reiche Beiträge zur Volksernährung lie=
ferndes
, Wälder, die uns mit Holz verſorgten, Bergwerke, denen
unſer Kohlen= und Erzbedarf entnommen wurde, Flüſſe und
Seehäfen, welche Glieder unſeres Verkehrsſyſtems, Städte, welche
Mittelpunkte der Verſorgung weiter Landgebiete mit Induſtrie=
erzeugniſſen
bildeten, von unſerem Staate abgeriſſen. Sie hatten
zum Ganzen gehört und mit allen übrigen Teilen unſeres Landes
ein zuſammenhängendes Wirtſchaftsſyſtem gebildet, das wir nur
im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtauſenden mühſam auf=
gebaut
hatten. Der Boden bildete die natürliche Grundlage die=
ſes
Syſtems. Jetzt wurde er gewaltſam anderen Staaten zu=
geteilt
, die das, was ſie mit dieſem deutſchen Nationalvermögen
in ihre Gewalt bekommen hatten, gar nicht zu nutzen, d. h. ihrem
Syſtem einzugliedern vermochten. So erſtand ein uermeßlicher
Schaden für uns, der auch keineswegs durch den Vorteil unſerer
Feinde aufgewogen wurde, ſondern im ganzen einen Verluſt an
Nationalvermögen aller beteiligten Staaten darſtellte, obgleich
die einzelnen Teile dieſes Vermögens erhalten blieben und auch
das Privateigentum an ihnen vielfach unangetaſtet blieb.
Daraus ergibt ſich die wichtige Lehre, daß es außer dem
Nationalvermögen im ſtaatlichen Sinne in welchem es nichté
anderes bedeutet als die Summe aller Privatvermögen der Glie=
der
der Nation noch ein anderes Nationalvermögen
gibt, das größer und bedeutungsvoller iſt als dieſes, und das
nicht nur eine Summe, ſondern ein Syſtem von Einzelteilen
darſtellt und daher weſentlich verkleinert wird, wenn dieſes
Syſtem gewaltſam zerſtört wurde. Die Lostrennung jener Lan=
desteile
ſchadete gar nicht ſo ſehr den pridaten Inhabern der ein=
zelnen
Vermögensobjekte, ſondern der Geſamtheit, die Schaden
litt, ſowohl in ihrer Güterverſorgung, wie in ihrer Güterverwer=
tung
. Selbſt wvenn wir jene Nahrungsmittel und Rohſtoffe,
welche bis dahin die abgetrennten Gebiete geliefert hatten, etwa
durch Kauf jetzt vom Ausland erwerben konnten, war doch der
Wohlſtand der Bewohner des uns belaſſenen Gebietes gewaltig
vermindert, denn nir konnten ſie nur teuerer und unvollkomae=
ner
als vorher beſorgen. Jeder einzelne beſaß alſo ſrüher ge=
wiſſermaßen
ein ideelles Eigentu an jenen uns genommenen
Teilen des Nationalvermögens, das ihm jetzt verloren gegangen
iſt. Wir, die einzelnen Deutſchen, ſind nicht nur Inhaber unſeres
Privatvermögens, ſondern auch Teilhaber an jenem National=
vermögen
, das mehr als die Summe aller Privatvermögen iſt.
Auch die Vermögensloſen haben Anteil an dieſem und ſind alſo
ärmer geworden, als uns große Teile des Nationalvermögens
entriſſen wurden.
Die zweite, hoffentlich heilſame Lehre über dieſe nationalen
Zuſammenhänge erhalten wir eben durch die feindliche Beſetzung
des Ruhrreviers. Durch dieſe werden zwar keine Gebietsſtriche
vollkommen rom Staatsgebiet algeſchnitten, doch iſt es nicht weit
davon, und wenn auch ſo kein Nationalvermögen ganz in die
Hände der Feinde überging, ſo iſt doch deſſen Ertrag weſentlich
vermindert wvorden. Geht das nun etwa auch wieder nur die=
jenigen
an, die Privateigentum an den Bergwerken und Betrie=
ben
und Wäldern haben, auf die der Feind Beſchlag gelegt hat?

Das Blatbad in Eſſen.
Die Mörder konnten ungehindert abziehen.
Havas=Lügen. Verhaftung von Krupp=
Direktoren. Proteſte.

Darſiellung von Augenzeugen.
Ueber den Vorfall vom Samstag vormittag geben Augen=
zeugen
folgende Darſtellung: Am Samstag früh 7 Uhr kam ein
Kommando von einem Offizier und 11 franzöſiſchen Soldaten
in die Kruppſche Kraftwagenhalle, um Kraftwagen
zu requirieren. Das Kommando erwartete eine Kommiſſion
von franzöſiſchen Offizieren, die kurz vor 9 Uhr in die Kraft=
wagenhalle
in der Altendorfer Straße kam. Kurz vorher hatten
die Siren der Kruppſchen Werke zu heulen begonnen. Als
die Komm, ſion dies hörte, fuhr ſie ſofort wieder ab. Der
Offizier und die 11 Mann blieben vor der Kraftwagenhalle.
Von 9 Uhr ab gingen die Arbeiter aus den Kruppſchen Werken
heraus und ſammelten ſich in der Altendorfer Straße und den
umliegenden Straßen. Kurz vor 8 Uhr hatten zwei Arbeiter
vom Arbeiterrat den Offizier und die 11 Mann
gebeten, abzuziehen. Der Offizier lehnte dies mit der
Erklärung ab, er habe Befehl, auf die Kommiſſion zu warten.
Als ſich um 9,30 Uhr bereits eine große Arbeitermenge ange=
ſammelt
hatte, machten Mitglieder des Angeſtelltenrats eben=
falls
den Verſuch, den Offizier zum Abzug zu b=wegen. Sie
erklärten dem Offizier, ſie könnten ihn und die 11 Mann ungehin=
dert
auf rückwärts liegenden Wegen in die Kaſerne zurück=
bringen
. Der Ofizier lehnte dies ab, wobei er ſich auf ſeinen
Befehl berief. Um 10,30 Uhr machten dieſelben Angeſtelltenver=
treter
noch einmal einen gleichen, aber wieder vergeblichen Ver=
ſuch
. Die Menge wurde immer größer, der Toreingang in der
Altendorfer Straße und die gegenüberliegenden Dächer waren
von Kruppſchen Arbeitern beſetzt. Kurz nach 11 Uhr hörten die
Sirenen auf, zu heulen. Es war dies das Zeichen für die Ar=
beiter
, in die Werkſtätten zurückzukehren. Die Vertreter der Ar=
beiter
und Angeſtellten hatten das erreicht. Kurz nach 11
Uhr fielen dann die erſten Maſchinengewehr=
ſchüſſe
. Sie waren auf das dem Toreingang gegenüber=
liegende
Dach gerichtet. Es gab gleich Verwundete, wahrſchein=
lich
auch Tote. Die Menge ſtob auseinander.
Nachdem die Menge geflohen war, kamen die
Franzoſen aus dem Toreingang und ſchoſſen auf die
Fliehenden mit ihren Gewehren. Daraus erklärt
ſich, daß die meiſten Schußverletzungen von hinten erfolgten,
was durch die leitenden Aerzte des Krankenhauſes feſtgeſtellt
worden iſt. Nach der Flucht der Menge zog der Offizier mit
ſeinen 11 Mann in der Richtung zum Limbecker Platz ab. Vor=
her
hatte er immer wieder erklärt, er könne nicht abziehen und
müſſe auf die Kommiſſion warten. Er iſt ungehindert
abgezogen.
Gegen 12 Uhr hat die Menge ein franzöſiſches Auto
in dem außer dem Chauffeur, der in Uniform war, zwei Zivi=
liſten
ein franzöſiſcher und ein belgiſcher Inge=
nieur
ſaßen, angehalten. Der Chauffeur wurde ſtärker, die
Ingenieure leichter verprügelt. Ungefähr um dieſelbe Zeit
wurde ein franzöſiſcher Kriminaliſt in Zivil von der
Menge bedroht. Arbeiter und Angeſtellte haben dafür ge=
ſorgt
, daß ihm nichts geſchah. Der Kriminaliſt hat ſich hierfür
bei den Deutſchen bedankt.
Dieſe Schilderung beſtätigt in allen Punkten den bisher von
deutſcher Seite über den Vorfall veröffentlichten Bericht. Die
franzöſiſche Preſſe unterſchlägt natürlich die deutſche
Darſtellung und veröffentlicht wahrheitswidrige Eſſe=
ner
Meldungen, wobei ſich insbeſondere die Agentur
Havas hervortut. Selbſt der Berliner Vertreter der Havas=
agentur
glaubt die Berichte der Berliner Zeitungen als tenden=
zibs
und lügenhaft hinſtellen zu müſſen, obwohl ihm alle Unter=
lagen
füc ein derartiges Urteil foen. Die Patifer Preſſe be=

hauptet, daß die Zwiſchenfälle durch gewiſſe ehemalige Ange=
hörige
der Schutzpolizei, die in den Kruppwerken verteilt
worden ſeien, provoziert und geleitet worden wären, und daß
die Direktion der Kruppwerke dadurch ſich verantwortlich ge=
macht
habe, daß ſie die Sirenen in Tätigkeit geſetzt habe, und
gewiſſe Umſtände darauf hindeuteten, daß die Arbeiter Aufrei=
zungen
, wenn nicht gar Befehlen gehorcht hätten.
Es iſt begreiflich daß der franzöſiſchen Regierung
dieſes neue Blutbad, das ſie in Eſſen angerichtet hat, außer=
ordentlich
unangenehm iſt. Weder die deutſche Regierung noch
die Direktion der Kruppwerke haben ein Intereſſe an dem Her=
vorrufen
derartiger Zwiſchenfälle. Die Regierung und die ver=
antwortlichen
Leiter der Induſtrie und der Gewerkſchaften im
Ruhrgebiet taten im Gegenteil bisher alles, um die Arbeiter
zur Ruhe und Beſonnenheit gegenüber allen Provokationen des
franzöſiſch=belgiſchen Militärs zu mahnen. Die Behauptung,
daß die Zwiſchenfälle durch ehemalige Angehörige der Schutz=
polizei
geleitet worden ſeien, iſt zu ſinnlos, um einer Wider=
legung
zu bedürfen. Die Berichte der franzöſiſchen Preſſe wider=
ſprechen
ſich im übrigen ſelbſt. So widerlegt Havas ſeine Be=
hauptung
, daß Arbeiter auf franzöſiſche Soldaten Steine ge=
ſchleudert
, mit Revolvern gedroht hätten uſw., durch die Feſt=
ſtellung
, daß auf franzöſiſcher Seite keine Verluſte
zu verzeichnen ſeien. Alle Lügen der franzöſiſchen Preſſe wer=
den
diesmal an der nackten Wahrheit der Tatſachen nichts än=
dern
, und die franzöſiſche Regierung von der ſchweren Ver=
antwortung
, die ſie vor der ganzen Welt auf ſich geladen
hat, nicht rein waſchen kör en.
Die Opfer der Brutalität.
Eſſen, 2. April. (Wolff.) Mittags. Der geſtrige und
heutige Tag verliefen in der Stadt Eſſen trotz der großen Er=
regung
, in die die Bevölkerung durch das von den Franzoſen
angerichtete Blutbad verſetzt iſt, bis jetzt ruhig.
Die Namen der Toten ſind: Franz Oellmann, Joſeph
Zander, Arthur Blum, Hermann Hoegemeier, Fritz Pieper,
Walther Schweers, Kaſimir Janick, Helmuth Seel. Willy
Wichartz, Hans Müller, Ernſt Mannertz. Die erſten zehn ſind
ſämtlich Bureaubeamte, Arbeiter oder Lehrlinge der Krupp=
werke
, der Letztere iſt ein Bergmann. Im Krankenhaus befin=
den
ſich noch zehn Schwerverletzte. Es ſteht zu befürchten, daß
noch einige von ihnen ſterben. Ferner 11 Perſonen leicht
verletzt.
Ein ſcharfer Proteſt
des Regierungspräſidenten Grützner.
Elberfeld, 3. April. (Tel.) Regierungspräſident Dr.
Grützner hat an den kommandierenden General der Rhein=
armee
Herrn Degoutte ein Proteſtſchreiben gerichtet, in dem
es unter anderem heißt: Es iſt kein blinder Zufall geweſen, ſon=
dern
eine Fügung des Schickſals, daß das Blutbad am Kar=
ſamstag
, dem ſo viele treue Söhne der katholiſchen Kirche zum
Opfer fielen, ſich in dem Augenblick ereignete, als der Vertre=
ter
des Papſtes in Eſſen anweſend war. Durch die Bluttat
ſei der Ruf Frankreichs als Kulturnation in der
ganzen Welt für immer in das Gegenteil verwandelt wor=
den
. Die von Degoutte und der franzöſiſchen Regierung durch
die Havasagentur gegebene Darſtellung, daß die Direktoren
der Kruppwerke für die Anſammlung der Arbeiter verantwortlich
zu machen ſind, weiſt der Regierungspräſident entſchieden zurück
und erklärt ſich bereit, ſich jedem franzöſiſchen Kriegsgericht
zur Verfügung zu ſtellen, wenn ihm die Erbringung des Wahr=
heitsbeweiſes
in vollem Umfang garantiert werde.

[ ][  ][ ]

Rummer 91.

1
R

Seite 2.

Keineswegs! Es leiden darunter alle. Zunächſt die, welche in
dem beſetzten Gebiet wohnen und dort ihren Erwerb, einerlei ob
als Unternehmer oder als Arbeiter, fanden, dann aber auch wir
alle außerhalb dieſes Gebietes durch Beſchränkung und weſent=
liche
Verteuerung der Güterverſorgung. Wir alle ſind ärmer
geworden durch die Beſetung des wirtſchaftlichen Herzens unſe=
rer
Volkswirtſchaft, des Gebietes, das durch ſeinen Beſitz an
Kohle und Eiſen die kräftigſten Impulſe in alle Teile Deutſch=
lands
ſandte. Ohne alle Gewinnbeteiligung der Arbeiter und
ohne jede Sozialiſierung, von welcher die Arbeiter im Anfang
der Revolution ſich ſo großen Gewinn verſprachen, ſind alle dieſe
Vermögensobjekte, tatſächlich ſchon nationaliſiert, ſie
waren ſchon Teile des Nationalvermögens, an dem alle, vom
Aermſten bis zum Reichſten, wenn auch in verſchiedenem Maße
beteiligt ſind. Die Gruben und Fabriken ſind unſere in die=
ſem
nationalen Sinn, unſer Wohl hängt davon ab, daß ſie zu
unſerem Nationalvermögen gehören und einen Ertrag bringen.
Möge dieſe Lehre von unſeren Feinden von allen Gliedern
des deutſchen Volkes recht tief erfaßt und verſtanden werden.
Die unmittelbar Beteiligten, die Bewohner der beſetzten Gebiete,
empfinden es am unmittelbarſten, daß jene Lehre falſch iſt, wo=
nach
die Nation in zwei Klaſſen zerfällt ohne jede Gemeinſamkeit
der Intereſſen, die einander, wie einmal ſo ein falſcher Sozial=
polititer
behauptet hat, freider gegenüberſtünden wie zwei
fremde Nationen. Das behaupten auch die Vertreter jener inter=
nationalen
Lehre, wonach die Arbeitnehmer zweier fremder
Nationen einander näher ſtünden, wie die beiden Klaſſen inner=
halb
der eigenen. Auch die Falſchheit dieſer Lehre wird uns
ja täglich durch unſere Feinde gelehrt. Was die Arbeiter der
verſchiedenen Nationen heute von Zeit zu Zeit, insbeſondere auf
internationalen Zuſammenkünften, vereinigt, iſt keine wirkliche
Intereſſengemeinſchaft, ſondern nur jene Kampfgenoſſenſchaft
gegen das Kapital, von deſſen Zerſtörung ſich alle ſo großen Vor=
teil
vorſpiegeln. Mögen ſie aus den Erfahrungen der letzten
Jahre die Lehre ziehen, daß die Arbeiter keineswegs reicher wer=
den
, wenn die Arbeitgeber ärmer werden, ſondern daß alle ein
gemeinſames Intereſſe an dem Gedanken der nationalen Volks=
wirtſchaft
haben.
In erſter Linie haben daher alle ein Intereſſe an der Frei=
heit
der Nation von äußerem Druck und Zwang. Eine ver=
ſklavte
Nation kann niemals wirtſchaftlich gedeihen. Dieſe Frei=
heit
kann das Volk aber nur erringen und erhalten, wenn es
eine geſchloſſene Einheit gegenüber dem Feinde bildet. Klaſſen=
kämpfe
im Innern ſind die gefährlichſten Hinderniſſe dieſer Frei=
heit
. Daher bemüht ſich ja der Feind auch, Zwietracht unter uns
zu ſäen, indem er ſich heuchleriſch zu der Klaſſenkampftheorie be=
kennt
, natürlich nur ſoweit ſie uns betrifft, keineswegs auch in
bezug auf das eigene Volk.
Entzweie und herrſche! war der Wahlſpruch aller Eroberer
und Gewaltherrſcher. Kein Volk aber kann bezwungen werden,
wenn es brüderlich zuſammenhält. Möge daher unſer Volk aus
der gegenwärtigen ſchweren Prüfung für immer die Lehren
ziehen: Alle Kraft erwächſt aus dem Gefühl der Zuſammen=
gehörigkeit
aller Volksgenoſſen und der Gemeinſamkeit des
Nationalvermögens. Darum wende ſich der gemeinſame Wider=
ſtand
in erſter Linie gegen den Feind, der die Einheit ſtört und
das Vermögen ſchwächt. Lehrt mich der Freund, was ich kann,
lehrt mich der Feind, was ich ſoll.

Der Proteſt der Stadtverwaſtung.
Eſſen, 2. April. (Wolff.) Die Stadtverwaltung Eſſen
richtete an den General Jacquemot Kommandant der
77. Ditiſion in Eſſen, folgendes Proteſtſchreiben:
Durch einen Vorfall, der mit der rechtswidrigen Beſetzung
des Ruhrgebiets im Zuſammenhang ſteht, iſt erneut ſchweres
Unheil über die Bevölkerung der Stadt Eſſen hereingebrochen.
Am 31. März ſind im Bereich der Kruppſchen Fabrik
durch Waffengewalt franzöſicher Soldaten 11 Bürger zu
Tode gekommen, 32 teils ſchwer, teils leicht verwundet, ſo
daß die Stadt Eſſen zum Oſterfeſte in dieſem Jahre in tiefe
Trauer verſetzt iſt. Gemeinſam mit der Firma Krupp muß ich
gegen das Vorgehen der franzöſiſchen Truppen ſtrengſte An=
klage
erheben. Die Truppenabteilung iſt, ohne daß eine
Ankündigng bei der Werksleitung erfolgte, in einen Teil der
Kruypſchen Fabrik eingedrungen. Die Arbeiterſchaft mußte
hierin den Anfang der Beſetzung des ganzen Werkes erblicken
und damit eine Störung der geordneten Arbeit in dem Betriebe
befürchten, der vielen tauſenden Arbeitern Beſchäftigung und
Platz gibt. Es war deshalb natürlich, daß die Arbeiter der
nächſtgelegenen Betriebe in berechtigter Erregung ihre Ar=
beitsplätze
verließen.
Nach den Mitteilungen von Augenzeugen wandte ſich die
berſammelte Menge nach der Abgabe von Schreckſchüſſen zur
Flucht. Die Tatſache, daß eine große Zahl der Erſchoſſenen und
Verwundeten Schüſſe von rückwärts erhalten haben, bringt auch
den Beweis, daß dieſe im Begriffe waren, fortzueilen, oder,
was in bezug auf einen Erſchoſſenen als zuverläſſig berichtet iſt,
die Menge zum Abziehen zu veranlaſſen. Der Ge=
brauch
der Schußwaffe gegen unbewaffnete Menſchen war alſo

na. 2
Heiſſches Landestheater.
Großes Haus. Oſterſonntag, den 1. April.
Die Meiſkerſinger von Nürnberg.
Die Wiedergabe der Meiſterſinger durch unſeren Michael
Balling war eine rechte Oſterofſenbarung. Wo ſolche Kunſt
lebendig iſt, wo ſie ſo freudig, kraftvoll und innig gegeben wird,
wo ſie ſolch begeiſterten Widerhall erweckt, da gibt es noch Ge=
ſundheit
und Lebensmut, da zeigt ſich höchſtes und edelſtes
Deutſchtum in unverminderter Daſeinskraft. Ballings Gabe des
Zuſammenfaſſens und großzügigen Geſtaltens ſtellt ſich in be=
wußten
Gegenſatz zu dem Sezieren und Zerpflücken in Einzel=
motive
, worin manche Dirigenten mehr Wagners theoretiſchen
Anſchauungen als ſeinen lebendigen Werken dienen. Wo Bal=
ling
gerne verweilt, das ſind die Stellen voll feinen Humors, be=
ſonders
in Verbindung mit der Perſon des Hans Sachs; ſie ge=
ſtaltet
er mit einer liebevollen Sorgfalt und zarten Feinheit, wie
ich es noch nie unter einem anderen Dirigenten gehört habe. Des=
halb
waren als Dirigentenleiſtung alle Hans Sachs=Szenen
und ganz beſonders die Akthälfte in des Poeten Stube mit der
herrlichen Inſtrumentaleinleitung die Höhepunkte der Auffüh=
rung
. Und auch auf der Bühne wirkten ſie durch Herrn
Biſchoffs Meiſterſchaft am unmittelbarſten.
Hier ſtehen wir vor einer Leiſtung, die muſikaliſch=geſangliche
Beherrſchung mit menſchlich=pfhchologiſcher Vertiefung ſo herrlich
vereint, daß jede Bewegung, jeder Geſichtsausdruck völlig aus
der Situation und der Muſik heraus geboren iſt. Hier gibt es
kein ängſtliches Hinſchielen nach dem Dirigenten, keine leeren
und toten Augenblicke im Spiel während des Geſangs der ande=
ren
, ſondern alles iſt Miterleben und Ausdruck. Daß der Künſt=
ler
in diefer ſeiner Meiſterrolle das Tragiſche, den Verzicht auf
Eochen ſtärker hervorhebt, als das früher allgemein üblich war,
ift ein durchaus berechtigter Zug, den er mit Feinhals, einem der
berühmteſten Hans Sachs=Darſteller, teilt. Selten iſt das Zu=
fammenwirken
von Sänger und Dirigenten, ſo reſtlos befrie=
digend
und ſo auf völligem gegenſeitigen Verſtändnis baſiert,
wie hier bei Biſchoff und Balling. In der völligen Vertrautheit
mit Wagners Stil war ebenfalls eine Muſterleiſtung die Mag=
dalene
von Anna Jacobs. Auch hier iſt der Sprechgeſang des
Meiſters völlig in der perſönlichen Wiedergabe gelöft, höchſte
Treue mit freieſter Beherrſchung gepaart.
Auch die übrigen Hauptroülen waren vorzüglich beſetzt und
töurden mit ſtärkſter Hingabe durchgeführt. Durch ſtimmlichen
K iz und gute Ausſprache zeichnete ſich Herrn Verheyens
Walther aus. Er hob das trotzig=ſtolze Gebaren des jungen
it:.. das Sans Sachs zegeniitzer miaſichmal reiht taktlos er=

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 3. April 1923.

durch die Umſtände in keiner Weiſe geboten. Daher iſt insbe=
ſondere
das Hineinſchießen in die Menge als gewaltiger
Mißbrauch der Waffe gegenüber der Bevölke=
rung
anzuſehen.
Die Kunde von dem entſetzlichen Blutbad, das franzöſiſche
Soldaten unter friedlichen Arbeitern angerichtet haben, wird
in dieſen Tagen die ganze Welt durcheilen. Der Vorfall fordert
ſtrengſte Unterſuchung und Beſtrafung der Schuldigen. Ich er=
ſuche
Sie, ſchleunigſt Anordnungen zu geben, die einen ähnlichen
Mißbrauch der Waffengewalt ausſchließen.
Eſſen, 2. April.
Oberbürgermeiſter. J. V.: Bäaſel.
Verhaftung der Kruppdirektoren.
Am Sonntag früh ſind dier Direktoren der Kruppwerke,
Brun, Hartwig, Oeſterle und Ritter, von den Fran=
zoſen
verhaftet worden. Zwei weitere, die ebenfalls ver=
haftet
werden ſollten, waren nicht in Eſſen.
Eſſen, 2. April. (Wolff.) Die Stadtverwaltung
hat an General Jacquemot folgendes Proteſtſchreiben
gerichtet:
Geſtern wurden drei Mitglieder des Kruppſchen Direkto=
riums
und ein Abteilungsdirektor verhaftet und abgeführt.
Namens der Stadtverwaltung, der Stadtvertreter und der ge=
ſamten
Bürgerſchaft der Stadt Eſſen erhebe ich gegen dieſe un=
gerechtfertigte
Gewaltmaßnahme ſchärfſten Proteſt. Dem Ver=
nehmen
nach ſollen noch weitere Mitglieder des Direktoriums
verhaftet werden.
Ich mache darauf aufmerkſam, daß durch die Verhaftung der
techniſchen und kaufmänniſchen Leiter der Firma Krupp die
Fortführung dieſes großen, weitverzweigten, in ſeiner Organi=
ſation
außerordentlich komplizierten Unternehmens unmöglich
wird. Ohne dieſe Leitung kann das Werk höchſtens einige Tage
weiter laufen. Ein Aufhören des Betriebes hätte zur Folge,
daß allein für die Zechen über 50000 Arbeiter außer Tätigkeit
geſetzt werden und auf der Straße ſtehen würden. Ich weiſe
auf die großen Gefahren hin, die daraus entſtehen würden. Die
Verantwortung für die daraus entſtehenden Zuſtände und die
ſich ergebenden Weiterungen würden dem zufallen, der die Ver=
haftung
der Leiter angeordnet hat.
Die Lügen der Pariſer Preſſe.
TU. Paris, 2. April. Die Pariſer Preſſe hat die
blutigen Zuſammenſtöße von Eſſen erſt am Sonntag mittag
unter ihre Nachrichten aufgenommen. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß dieſe Zurückhaltung dem Ereignis gegenüber,
das ſchon am Samstag hier bekannt war, auf einen Wink von
oben zurückzuführen iſt, wobei es nahe liegt, zu vermuten, daß
man zunächſt eine einheitliche Darſtellung der Vorgänge feſt=
geſtellt
haben wollte, ehe man ſie an die Oeffentlichkeit brachte.
In der Tat ſind die Pariſer bürgerlichen Blätter in der Beſpre=
chung
des Vorfalles völlig einig. Für ſie handelt es ſich
bei dem Zuſammenſtoß vor der Kruppſchen Garage nicht nur um
einen von der Fabrikdirektion heraufbeſchworenen Angriff
der Arbeiter und Angeſtellten auf die franzöſiſchen Truppen,
ſondern es ſoll nach dieſer Darſtellung auch bewieſen ſein, daß
dem Angriff eine beſondere Vorbereitung der Fa=
brikarbeiter
durch Flugſchriften und durch die Einreihung
entlaſſener Schupobeamter in die Arbeiterſchaft vorangegangen
war. Um den Eindruck zu erwecken, daß ber ganze Vorgang von
langer Hand vorbereitet vorden ſei, betont die Pariſer Preſſe
übereinſtimmeno, daß gleich nach der Abfeuerung der Schüſſe
und dem Abzug der Soldaten ein Photograph auf dem Dache des
benachbarten Fabrikgebäudes erſchien und die Verſammelten auf=
forderte
, ihre Hände hochzuheben, um das Bild einer unſchuldig
angegriffenen Menge aufzunehmen. Die meiſten Blätter klagen
die deutſche Regierung der Hauptſchuld an dem Zufammenſtoß
an. Von Berlin ſeien Weiſungen gegeben worden, die zu dieſem
Zuſaminenſtoß führten. Deutſchland brauche ſolche Zwiſchen=
fälle
, die die ganze öffentliche Meinung erregten und die nach der
Hoffnung einzelner Deutſcher hazu angetan ſeien, die Interven=
tion
des Auslandes herbeizuführen. Pertinax macht für die Be=
ſchießung
und Verwundung der Kruppſchen Arbeiter nicht nur
die deutſche Regierung, ſondern auch R. Macdonald, den er in
dieſem Zuſammenhang ausdrücklich nennt, verantwortlich.
Freilaſſung der Geiſeln.
Eſſen 2. April. (Wolff.) Die Stadtverwaltung hat in
der Angelegenheit der Erſchießung des franzöſiſchen Soldaten
Schmidt, der in der Nacht vom 17. auf 18. März im Keller eines
Gebäudes des Hauptbahnhofs erſchoſſen worden iſt, ein Schrei=
ben
an den General gerichtet, in dem ſie die mit dieſem Sach=
verhalt
zuſammenhängende Feſtſetzung von Geiſeln aus der
Bürgerſchaft von Eſſen als nicht mehr ſtichhaltig betrachtet und
um Freilaſſung der Geiſeln bittet. Wie wir erfahren, ſind im
Laufe des Oſterſonntag die in Hfat geſetzten Geiſeln von der
franzöſiſchen Behörde freigelaſſen worden.

ſcheint, pſychologiſch glaubwürdig hervor. Herr Kuhn als Beck=
meſſer
iſt vorzüglich. Beſonders dankenswert iſt es, daß er dar=
auf
verzichtet, eine billige Karikatur zu geben, vielmehr eine fein=
durchdachte
Charakterrolle gibt, denn Wagner hat ſich von dem
poſſenhaften Hans Lick ſeiner erſten Meiſterſingerſkizzen ja auch
zu der folgerichtig durchgeführten, ſcharfgezeichneten Charakter=
figur
durchgerungen. Einzig in der letzten Szene hätte die Ver=
wirrung
, Beſchämung und Wut des durchgefallenen Bewerbers
etwas ſchärfere Darſtellung finden können. Umſo bedauerlicher
erſcheint es mir, daß man in anderen Partien glaubt, durch
Karikierung Wagner ergänzen zu müſſen. Daß Kothner die
allerdings komiſchen Koloraturen ſeiner Tabulaturverleſung
durch Heiterkeitsſtürme erregendes Bauchwackeln begleitet und
überhaupt aus dem Zunftvorſteher einen völligen Hanswurſt
macht, daß der Nachtwächter aus Wagners wie immer recht ge=
nauer
ſzeniſcher Bemerkung reibt ſich die Augen, ſieht ſich ver=
wundert
um ſchüttelt den Kopf und ſtimmt mit leiſe bebender
Stimme den Ruf an die Berechtigung nimmt, einen mimiſchen
Don Quixote=Kampf aufzuführen, der die wundervolle Voll=
mondaufgangmuſik
völlig illuforiſch macht, und nebenbei vor
Angſt ſeinen Ruf eine Terz zu tief anſtimmt, das ſind gefährliche
Entgleiſungen, die faſt auf einen Einfluß des Kientopps auf
unſere Bühnenkunſt ſchließen laſſen.
Herr Hölzlin war ein trefflicher Pogner, weich und gütig
in Stimmgebung und Darſtellung und doch beſcheiden hinter
Hans Sachs in der letzten Szene zurücktretend. Sein Töchterlein
ſtellte Fräulein Cleve recht liebenswürdig dar. Stimmlich
hatte ſie im Anfana des zweiten Aktes anſcheinend, mit einer
Indispoſition zu kämpfen, ſo daß bei den leichtdeklamierten
Stellen ihre Stimme nicht leicht anſprach und erſt die breitere
lyriſche Linie ihr wundervolles Material ganz zeigte. Auch Herr
Siegfried als David hatte zuerſt Schwierigkeit mit der Höhe,
ang ſich aber bald gut ein. Seine Deklamation ſei als beſon=
ders
deutlich und rhythmiſch hervorgehoben. Die übrigen Meiſter
und der Chor mögen ſich mit einem Geſamtlob begnügen. Bei
letzterem waren die Männerſtimmen in der Prügelſzene eine
wohltuend kräftige Stütze, während das Zeterſchreien der Nach=
barinnen
noch etwas beſtimmter in Ton und Rhythmus fein.
könnte.
Als Ganzes war die Aufführung eine Ruhmestat unſeres
Theaters, die vom Publikum mit größter Begeiſterung aufge=
nommen
wurde. Sehr ſtörend wirkte, daß zahlreiche Hörer zu
pät kamen und mitten in der Kirchenſzene allgemeinen Aufſtand
im Zuhörerraum verurſachten, und ebenſo, daß beim Zwiſchen=
piel
zwiſchen den beiden Teilen des dritten Aktes der Mittei=
lungsdrang
der Theaterbeſucher und das Kniſtern der Schokolade=
papiere
in keiner Weiſe gedämpft werden konnten. Aber ohne
dies geht es ſpohl heute nicht.
F. Noack.

Telegramme der Reichs= und preußiſchen
Regierung.
Berlin 1. April. Der Reichspräſident hat aus
Anlaß der Vorgänge in Eſſen an Herrn Kruppvon Bohlen
und den Betriebsrat der Kruppwerke in Eſſen fol=
gendes
Telegranm gerichtet:
Voll Entſetzen über die Meldung von dem ungeheuerlichen
Blutbad, das franzöſiſcher Militarismus unter friedlichen, wehr=
loſen
Arbeitern angerichtet hat, bitte ich Sie, den Hinterbliebenen
der Opfer dieſes Maſſenmordes und den vielen bei dieſer ruch=
loſen
Standtat Verwundeten meine herzliche Teilnahme auszu=
Reichspräſident Ebert.
ſprechen.
Berlin, 1. April. Reichskanzler Dr. Cuno hat an
das Direktorium der Friedrich Krupp A.G. in Eſſen
folgendes Telegramm gerichtet:
Tieferſchüttert erhalte ich die Meldungen von dem entſetz=
lichen
Blutbad, das ein Kommando der franzöſiſchen Einbruchs=
armee
geſtern unter den Angehörigen der Kruppſchen Werke an=
gerichtet
hat. Die franzöſiſchen Soldaten haben es fertig gebracht,
auf die Arbeiter, die lediglich gegen das gewaltſame Eindringen
in ihre Arbeitsſtätte friedlich und ohne Drohung proteſtierten,
Maſchinengewehrfeuer zu richten. So iſt Leben und Geſundheit
einer großen Anzahl von Deutſchen mit ruchloſer Frivolität ver=
nichtet
worden, inmitten einer Bevölkerung, die angeſichts aller
Provokationen der fremden Soldateska eine beiſpielloſe Selbſt=
beherrſchung
bewieſen hat. dieberall wird ſich das menſchliche
Empfinden gegen dieſe furchtbare Untat empören.
Es drängt mich, den Angehörigen der Gefallenen und den
Verwundeten das tiefſte Mitgefühl der Reichsregierung auszu=
ſprechen
. Sie können verſichert ſein, daß dieſes ſchwere Opfer für
die gemeinſame Sache aller Volksgenoſſen unvergeſſen bleiben
Cuno.
und nicht vergeblich ſein wird.

Berlin, 2. April. (Wolff.) Der preußiſche Mini=
ſterpräſident
Braun richtete anläßlich der Vorgänge in
Eſſen an Direktorium und Betriebsrat der Krupp A.G. in Eſſen
ſolgendes Telegramm: Voll Empörung über das brutale Vor=
gehen
der franzöſiſchen Eindringlinge gegen wehrloſe, um ihre
Arbeitsſtätte beſorgte Arbeiter ſpreche ich den Hinterbliebenen
der ſo ruchlos Hingemordeten, ſowie den Verletzten
meine innigſte Teilnahme aus.
.

Bochum Geſchloſſen in Abwehr.
Bochum, 1. April. Die Handelskammer Bochum teilt mit:
Nach fünſwöchiger ſchärfſter Sperre des Straßenver=
kehrs
und Schließung der Geſchäfte der Bochumer
inneren Stadt durch die Franzoſen hat der franzöſiſche Militär=
befehlshaber
ſich veranlaßt geſehen, die Straßenſperre zu mil=
dern
und den Verkauf in allen Geſchäften wieder freizugeben.
Es iſt feſtzuſtellen, daß die Bochumer Geſchäftsleute nach
wie vor Schulter an Schulter mit den Arbeitern und der Indi=
ſtrie
geſchloſſen in der Abwehrfront ſtehen und den
franzöſiſchen Forderungen in keiner Weiſe nachgegeben haben.
Die Geſchäftswelt Bochums hält durchaus an ihren früheren Be=
ſchlüſſen
feſt und wird auch weiterhin nur die Anordnungen der
Deutſchen Regierung befolgen.
Kohlenraub.
Buer, 31. März. (Wolff.) Auf der Zeche Schlägelund
Eiſen in Diſteln erſchien geſtern mittag während der Arbeits=
ruhe
eine Kompagnie franzöſiſcher Soldaten und beſetzte den
Zechenplatz und die Bahnanlagen. Die ſeit einiger Zeit dort
ſtehenden 120 Wagen mit insgeſamt 2250 Tonn
n
Kohle
wurden mit zwei Lokomotiven in der Richtung CangenBochum
fortgeſchafft. Am Abend rückten die Franzoſen wieder ab. Die=
Leitung der Unternehmung wurde durch ein Mitglied der
Z
h5
heren Kohlenkommiſſion in Eſſen geführt, das mit den 2
niſſen auf der Schachtanlage wohl vertraut war. Der Wert der
erbeuteten Kohlen beträgt rund 310 Millionen Ma=
Verurteilt.
Der am 8. März verhaftete Poſtinſpektor Eduard
Schmidt in Groß=Gerau iſt am 28. März vom franzöſiſcher
Militärgericht in Mainz zu fünf Monaten Gefängnis
und 100 000 Mark Geldſtrafe verurteilt worden.

Bericht der belgiſchen Sozialiſienabordnung.
Paris 2. April. (Telunion.) Das Brüſſeler Arbeiter=
blatt
Peuple veröffentlicht den Bericht der belgiſchen ſozialiſti=
ſchen
Abordnungen aus dem Ruhrgebiet. Der Berichterſtatter,
Herr Wauters, erklärt darin, daß die Beſetzung der Ruhr
ebenſo wie die frühere Beſetzung anderer deutſcher Gebietsteile
ohne jede Brutalität (2) vor ſich gegangen ſei. Er er=
klärt
ferner, daß die Verpflegung der Bevölkerung von den Be=
atzungsmächten
nicht verhindert werde, daß aber die Unt
T=
brechung
des Eiſenbahnverkehrs für die Verpflegung ſehr ſtörend
ſei. Ueber den angeblichen nationaliſtiſchen Geiſt Deutſchlands
ſchreibt Wauters, daß er unter den Arbeitern keineswegs zu
finden ſei. Die Arbeitermaſſe fei dem Militarisnrus gegenüber
feindlich geſinnt und knüpfe ihr Schickſal abſolut nicht an das
Schickſal der deutſchen Regierung. Sie wünſche aufrichtig die
Leiſtung von Reparationszahlungen, und verlang=, daß ſo ſchnell
als möglich Verhandlungen zu einer endgültigen Löſung der
Frge in Gang kommen. Die Arbeiter wollen bloß nicht unter
dem Druck der Bajonette arbeiten. Zum Schluß erklärte Wau=
ters
übereinſtimmend mit ſeinen Parteigenoſſen, daß es not=
wendig
ſei, die Sicherheit Frankreichs und Belgiens zu gargn=
tieren
.
Deutſches Volksopfer.
Berlin, 31. März. Eine dringende Bitte des
Deutſchen Volksopfers. Es iſt bekannt geworden, daß
bei Banken, Sparkaſſen und Vereinen uſw. noch erhebliche Be=
träge
liegen, die zugunſten der durch die Ruhrbeſetzung Geſchä=
digten
: das Deutſche Volksopfer beſtimmt ſind. Da das Geld
dringend benötigt wird, bittet die Reichsſammelſtelle des Deut=
ſchen
Volksopfers alle beteiligten Vereinigungen und Perſonen,
die in ihren Händen noch vorhandenen, für das Deutſche Volks=
opfers
beſtimmten Beträge möglichſt bald den Landesausſchüſſen
des Deutſchen Volksopfers oder dem Poſtſcheckkonto des Deut=
ſchen
Volksopfers Berlin Nr. 145 400 zu überweiſen.
Angora und die Verbündeten.
TU. Paris, 2. April. Die Note der Verbündeten
iſt am Samstag abend in Angora eingetroffen. Die Kommiſſarz
haben die darin enthaltenen Vorſchläge in einer Nachtſitzung
unter Vorſitz Kemal Paſchas beſprochen. Die Verhandlun=
gen
dauerten geſtern fort und es wurde beabſichtigt, danach an
die Ausarbeitung der Antwort zu gehen, die unverzüglich an die
Verbündeten abgeſehickt werden ſoll. Dieſe Antwort werde ge=
wiſſe
Teile der türkiſchen G=genvorſchläge, die von den Verbün=
deten
angeblich nicht richtig verſtanden wurden, noch einmal aus=
einanderſetzen
. In den Kreiſen der Angoraregierung glaubt
man, daß die Friedenskonferenz bald ihre Arbeiten aufnehmen
wird, und daß die Verhandlungen der Konferenz nur von ganz
kurzer Dauer ſein dürften. Es herrichte geſtern das Gerücht, daß
Ismet Paſcha und eine Reihe von Sachverſtändigen ſchon Ende
dieſe Woche nach Laufanne göreiſen werden.

[ ][  ][ ]

Rummer 91.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 3. April 1923.

Eeite 3.

Stadt und Land.
Darmäadt, 3. April.
Heſſiſches Landestheater. Die Meiſterſinger von
Nürnberg. Am Dienstag, den 3. April, werden im Großen Haus
Die Meiſterſinger von Nürnberg in der Neueinſtudierung zum erſten
Male wiederholt. Beginn der Vyrſtellung um 6 Uhr.
Orpheum. Heute Dienstag und die nächſtfolgenden Tage: Erſt=
aufführungen
der erfolgreichen Operette Der blonde Engel, Muſik
von Robert Winterberg. Das Werk, zu dem bereits ſeit 14 Tagen
Vorproben ſtattfinden, erreichte bisher wohl eine nach Tauſenden zäh=
lende
Aufführungszifffer und dürfte als einer der größten Operetten=
erfolge
gelten können.
Gerichtsentſcheidungen. Nach einer Entſcheidung des O.L. G.
Breslau können Kapitalabfindungsverträge zwiſchen
dem Vater und dem unebelichen Kinde nur wegen der
Geldentwertung nicht angefochten werden. Wäre der Geldwert geſtiegen,
würde kein Vormund geneigt ſein, etwa einen Teil der Abfindung3 zurückzuzahlen. Das Gericht darf nicht einſeitig den Fall
der Geldentwertung zugrunde legen. Reichsgerichtsentſchei=
dung
. Der Abſchluß eines Verlöbniſſes trotz Fortbeſtehens eines an=
deren
Verläbniſſes aus früherer Zeit iſt zwar nicht begrifflich unmög=
lich
, es würde aber, weil gegen die guten Sitten verſtoßend, nichtig
ein. Denn es würde der Auffaſſung aller billig und gerecht denkenden
Menſchen widerſprechen, wenn jemand einem Dritten gegenüber ſich
verbindlich machen wollte, das ſeiner Verlobten abgegebene Xreugelöbnis
zu brechen, und dies würde auch einem bedingten Verlöbnis entgegen=
tehen
.

H. Eberſtadt, 30. März. Gemeinderatsſitzung. Der
Gemeinderat beſchließt, die Beſchwerde des Schreiner= und Glaſer=
meiſters
Fließ, nachdem dieſe von der Baukommiſſion einer eingehenden
Prüfung unterzogen wo ſen war, als unbegründet zurückzuweiſen. Die
Scheune der von der Gemeinde kürzlich erworbenen Michelſchen Hof=
aite
in der Pfungſtädterſtraße ſoll durch entſprechenden Umbau zu
Wohnungen hergerichtet werden. Die vorkommenden Arbeiten wurden
nuf dem Submiſſionswege vergeben. Es erhielten: Die Maurer=
arbeiten
: Franz Simon zu 655 080 Mk., die Zimmererarbeiten: Gg.
Wilh. Kern zu 176 250 Mk., die Schreinerarbeiten: Gg. Roßmann zu
676 052 Mk., die Glaſerarbeiten: Gg. Roth u. Hch. Grimm zu 244 413
Mk., die Weißbinderarbeiten: Georg Meidinger zu 1279 950 Mk. und
die Schloſſerarbeiten: Fritz Hofmann zu 224 850 Mk. Dem Geſuch des
Adam Flick um käufliche Ueberlaſſung von 55 Quadratmeter Gemeinde=
gelände
am Aufgang zur Kirche, wird nicht ſtattgegeben, dagegen ſoll
ihm die pachtweiſe Ueberlaſſung angeboten werden. Um der in den
letzten 14 Tagen ſtark zugenommenen Erwerbsloſigkeit in Eberſtadt (z
Zt. 54 Verheiratete und 43 Ledige) zu ſteuern, werden Notſtands=
arbeiten
bereit geſtellt. Als ſolche wird zunächſt die dringend notwen=
dige
Herſtellung des Griesheimer Wegs zur Ausführung gelangen. Ge=
plant
iſt die Chauſſierung des Wegs vom Ausgange der Georgſtraße
bis zum Feſtplatz am Eingange des Griesheimer Waldes. Die erforder=
lichen
Mittel von etwa 45 000 000 Mk. werden bewilligt, wovon zunächſt
25 000 000 Mk. im Wege der Anleihe flüſſig gemacht werden ſollen.
Darüber hinaus ſollen die garantierten Zuſchüſſe der produktiven Er=
verbsloſenfürſorge
von Reich und Staat in Anſpruch genommen wer=
den
. Außerdem beſchließt man, den Betrieb des Gemeinde=Steinbruchs
wvieder zu eröffnen, woſelbſt auch eine Anzahl Erwerbsloſer Beſchäf=
tigung
finden kann. Soweit das für Nichtortsbürger beſtimmte Scheit=
holz
zur Verteilung nicht ausreicht, ſoll Stockholz zu 11000 Mk. per
Rm. zur Ausgabe gelangen. Die Pachtpreiſe der Gemeindegrundſtücke
werden vorläufig auf das 15fache der bisherigen Pachtpreiſe feſtgeſetzt.
Die Pachtpreiſe der Kleingärten werden ebenfalls durch ein Mehrfaches
der letzten Pachtpreiſe erhöht. Das Laubſtreu zur Selbſternte ſoll zum
Preiſe von 400 Mk. pro Kubikmeter abgegeben werden. Die Anlieferung
von 200 Kg. Fußbodenöl für die Schulen wird dem Philipp Eyſenbach
zum Angebotspreiſe von 1500 Mk. pro Kg. übertragen. Die Lieferung
von 20 Kubikmeter Kies für die Bekieſung der Friedhofswege erhält
Franz Simon zum eingelegten Preis von 13 474 Mk. pro Kubikmeter.
Die vom Bauausſchuß vorgeſchlagene Reviſion der Gebührenordnung
zur Friedhofs= und Begräbnisordnung wird gutgeheißen. Den Zuſchlag
für die bei Renovierung eines Schulſaales vorkommenden Weißbinder=
arbeiten
erhält Wilhelm Kirſchner zu 159 750 Mk. Die Anlieferung
eines Waggons Stückkalk wird dem Heinrich Steinhauer zum Preiſe
von 1600 000 Mk. übertragen. Der Veräußerung einer vom Waſſer=
werk
abgängigen Pumpe und eines Treibriemens ſtimmt der Gemeinde=
rat
zu. Für die Pumpe wurde ein Erös von etwa 3 000 000 Mk., für
den Treibriemen ein ſolcher von 300 000 Mk. erzielt. Den Karuſſelplatz
für die Oſterfeiertage erhält Haag für 6000 Mk. Dem Antrage der
Hemeindekaſſe auf Einſtellung einer weiteren Hilfskraft wurde trotz der
Anerkennung des geſteigerten Geſchäftsumfangs der Kaſſe nicht ent=
ſprochen
. Der Gemeinderat wünſcht, daß verſucht wird, mit dem vor=
handenen
Perſonal der Bürgermeiſterei durch entſprechende Verteilung
der Geſchäfte auszukommen. Dem Antrage des Kinobeſitzers Roßmann
auf Ermäßigung der Billetſteuer durch Staffelung der Steuerſätze nach
der Höhe der Eintrittspreiſe wird nicht ſtattgegeben. Der Waſſerpreis
für den Monat März wird auf 200 Mk. pro Kubikmeter feſtgeſetzt, die
Aufnahme einer Anleihe von 5½ Millionen Mark für das Waſſerwerk
beſchloſſen. Der Betrag für die Amortiſation des ſeinerzeit für die Er=
richtung
des elektriſchen Ortsnetzes aufgenommenen Kapitals wird von
2 Mk. auf 10 Mk. pro Kw.=Std. erhöht. Der Abänderung des Orts=
ſtatuts
der Gemeinde Eberſtadt, betr. die Anlage von Hausentwäſſerun=
gen
wird gemäß der durch das Miniſterium des Innern vorgenommenen
Redigierung zugeſtimmt. Die Freiwillige Feuerwehr ſucht um Bewil=
ligung
von 12000 Mk. zur Beſtreitung notwendiger Ausgaben nach.
Dem Geſuch wird entſprochen. Das Konzeſſionsgeſuch des Konditors
Volkmann zum Betriebe einer Käffeewirtſchaft wird befürwortet bezw.
die Bedürfnisfrage bejaht. Darauf: Geheime Sitzung.
A Reichelsheim i. O., 30. März. Der Leiter der höheren
Pribatſchule auf dem Reichenberg, Pfarrer Lucius, hat, nach=
dem
er dieſe wegen unüberwindlicher Schwierigkeiten auflöſen mußte,
eine Pfarrſtelle in Thüringen angenommen. Seine Schüler aus der
hieſigen Gegend beſuchen nun die höher Bürgerſchule zu Groß=Bieberau.
Vorerſt bleibt das wertvolle Inventar der Schule, das Eigentum des
Vorſtehers iſt, in den ſchön ausgeſtatteten Räumen. Man hofft, daß in
dem hübſch gelegenen Gebäude bald wieder neues Leben einziehen wird,
zumal es mit elektriſcher Lichtanlage, Waſſerleitung, verſehen iſt und
eine ſchöne Umgebung hat. Man ſpricht von einem Kindererholungs=
heim
, wozu ſich das Anweſen vorzüglich eignen würde. Die mit einem
Ausländer gepflogenen Unterhandlungen wegen Uebernahme der ſeit=
herigen
Erziehungsanſtalt (mit Penſion) haben ſich zerſchlagen.
zh. Heppenheim a. b. B., 31. März. Verkehrshindernis.
Die infolge des Schneewaſſers von neulich abgerutſchten Erdmaſſen
liegen noch teilweiſe auf den Grundſtücken und Feldwegen. Die Maſſen
bilden ohne Zweifel eine Hemmung des Verkehrs an den betr. Stellen,
Die Aufräumungsarbeiten der Grundſtücksbeſitzer ſind im vollen Gange,
ſo daß bald mit einer endgültigen Beſeitigung der ſtörenden Erdanhäuf=
ungen
zu rechnen iſt.
(O) Von der Vergſtraße, 30. März. Die Aprikoſen= und
Pfirſichbäume hier ſtehen bereits in voller Blüte. Auch die
Frühkirſchen haben zu blühen angefangen.
( Birkenau, 29. März. Die hieſigen Sozialdemokraten
ſtellten beim Gemeinderat den Antrag, die hier beſtehende Konfeſſions=
ſchule
in eine Simultanſchule umzuwandeln. Bei der geſtrigen Ab=
ſtimmung
waren 6 Stimmen für und 6 Stimmen gegen die Um=
wvandlung
. Es bleibt alſo vorläufig beim alten. Bekanntlich wurde
vor einigen Jahren derſelbe Antrag geſtellt, aber auch damals abge=
lehnt
.
9- Beerfelden i. O., 30. März. Berufsbürgermeiſter?
Durch den Rücktritt des Bürgermeiſters Willenbücher iſt hier die
Frage akut geworden, ob nicht ein Berufsbürgermeiſter für unſeren Ort
von größerem Vorteil wäre. Eine Verſammlung des Bürgervereins
hat nun mit Stimmen=Mehrheit ſich für die Anſtellung eines Berufs=
bürgermeiſters
ausgeſprochen. Die endgültige Entſcheidung darüber
liegt in den Händen des Gemeinderates,
Aus dem Odenwald, 30. März. In Hiltersklingen bei Gitters=
bach
wurde bei dem letzten ſchweren Gewitter der 10jährige Knabe
Heinrich Edelmann, als er auf dem Hofe ſpielte, vom Blitz er=
chlagen
. Der Knabe war erſt wenige Tage vorher von ſeiner in
Eſſen wohnenden Mutter zu Verwandten in den Odenwald gebracht
worden.
r. Babenhauſen. Die Karwoche ſtand in unſerem Städtchen im
Zeichen des Holzabfahrens. Vom frühen Morgen bis ſpäten
Abend waren die Straßen von zahlreichen Fuhrwerken, ſchwer mit Holz
beladen, belebt. Am 1. Oſterfeiertag bringt der hieſige Turn=
verein
im Gaſthof Zum Löwen das dreiaktige Volksſtück O Heimats=
fonne
, Heimaterde und das Luſtſpiel Sie kriegen ſich zur Aufführung.
Am 2. Oſterfeiertag werden die Kinder von hier und der Nachbar=
gemeinde
Harreshauſen in der evangeliſchen Kirche dahier konfiumiert.
Mainz. 30. März. Die Wirtin Eliſe Rüdinger aus
Goaſenheim bei Mainz hatte bei der franzöſiſchen Gendarmerie
die Anzeige erſtattet, daß der in ihrem Hauſe wohnende Metzger=
meiſter
Johann Hofmann die in dem Hauſe verkehrenden fran=
zöſiſchen
Offiziere und Unteroffiziere mit dem Schimpfwort Schweine=
bande
beteidigt habe. Der Angeklagte beſtritt die Beſchuldigung. Die
Denunziantin ſei auf ſeine Veranlaſſung hin vom deutſchen Schöffen=
gericht
wegen Kuppelei zu 30000 Mark Geldſtrafe verurteilt worden.
Beint Verlaſſen des deutſchen Gerichtsgebändes habe die Denunziantin

gedroht, ſie werde ſich rächen und den Angeklagten vor das franzöſiſche
Militärpolizeigericht bringen. Der von ihm gebrauchte Ausdruck
Schweinbande habe ſich nicht auf die im Hauſe verkehrenden franzöſi=
ſchen
Offiziere und Unteroffiziere, ſondern mit Rückſicht auf den
Kuppeleiprozeß auf die Denunziantin und eine mit ihr zuſammen=
vohnende
Belaſtungszeugin bezogen. Die beiden Zeuginnen bekunde=
ten
unter Eid, daß der Angeklagte die Franzoſen gemeint habe. Der
Verteidiger, Rechtsanwalt Neumann=Mainz, beantragte Freiſprechung,
veil es ſich hier um einen niederträchtigen Racheakt ſeitens einr be=
traften
deutſchen Frauensperſon handle, die ſchon wegen der Denunzia=
ion
unglaubwürdig ſei. Der Militärſtaatsanwalt ſtellte die Entſchei=
dung
in das Ermeſſen des Gerichts. Das Gericht erkannte auf Frei=
ſprechung
, weil nicht feſtgeſtellt ſei, daß der Angeklagte das Schimpf=
wort
in Bezug auf franzöſiſche Offiziere und Unteroffiziere gebraucht
habe.
hr. Mainz, 39. März. Probinzialtag. Der außerordentliche
Provinzialtag der Provinz Rheinheſſen, der unter dem Vorſitz des
Herrn Geh. Rat Uſinger ſtattfand, nahm die Neuwahl der Pro=
vinzial
=Ausſchußmitglieder vor. Sodann beriet man den Voranſchlag
für 1923. Die entſprechenden Mehrforderungen ſollen entſprechend den
geſetzlichen Beſtimmungen auf die Kreiſe ausgeſchlagen werden. Die
Provinzalpflege=Anſtalt in Heidesheim erfordert einen Zuſchuß von
33 Millionen.

Spiel, Sport und Turnen.
Internationale Schwimmweitkämpfe.
* Der D.S.C. Jung=Deutſchland hat für den erſten
Feiertagnachmittag zu internationalen Wettkämpfen in das Städt.
Hallenſchwimmbad geladen. Trotz des herrlichen Oſterwetters, das zum
Oſterſpaziergang geradezu zwang, waren zahlreiche Sportfreunde und
=Freundinnen der Einladung gefolgt. Herr Dr. Friedrich begrüßte
herzlichſt die Erſchienenen und gab der Freude des Clubs Ausdruck über
den zahlreichen Beſuch der Veranſtaltung, vor allem aber darüber, daß
es dem D.S.C. Jung=Deutſchland vergönnt iſt, ſo erleſene Gäſte bei ſich
zum friedlichen Wettkampf auf ſportlichem Gebiet willkommen heißen
zu dürfen. Mit dem Ausdruck der Freude verband er den der Hoffnung,
daß die ausländiſchen Gäſte die Gelegenheit wahrnehmen mögen, unſer,
trotz allem ſchönes deutſches Vaterland und das deutſche Volk kennen
zu lernen, und daß ſie, in die Heimat zurückgekehrt, Gelegenheit nehmen,
das falſche Bild prwiſchen zu helfen, das man ſich vielfach im Ausland
von Deutſchland noch macht. Redner dankte weiter der Turngemeinde
1846 mafür, daß ſie auch ihre Mannſchaft zu Wettkämpfen zur Verfügung
ſtellte und ſchloß mit einem dreiachen Gut Naß auf den Verlauf der
Veranſtaltung.
In ſchneller Folge wickelte ſich des umfangreiche Programm dann
ab. Die einzelnen Wettkämpfe wurden einwandfrei und durchweg in
ausgezeichneter Form zum Ausdruck gebracht, ſo daß das geſamte Pro=
gramm
in wenig über eine Stunde beendet war. Es wurde durchweg
vorzüglicher Sport geboten, wenn auch im Mittelpunkt der ganzen Ver=
anſtaltung
begreiflicher Weiſe das Auftreten der ungariſchen Gäſte ſtand.
deren ganz hervorragende Leiſtungen, zu dieſer Mannſchaft zählt
Sipos, der beſte Schwimmer der Welt , das ganze Intereſſe für
ſich erzwang. Gemeſſen an dem Maßſtabe der Tatſache, daß hier die
beſte Mannſchaft der Welt in Konkurrenz lag, hielten die Darmſtädter
Schwimmer ſich ganz brillant, und es war intereſſant, zu ſehen, wie die
zahlreiche Zuſchauermenge von den feſſenden ſportlichen Darbietungen
gepackt wurde, und die Kämpen durch anfeuernde Zurufe ſtändig zu den
höchſten Leiſtungen anſpornte. Groß war der Jubel, als im Senioren=
kampf
beliebig über 12 Bahnen der Darmſtädter Berges über den
Ungarn Eperyeſſy den knappen, aber ſicheren Sieg davontrug. Jr
allen übrigen Konkurrenzen blieben freilich die Ungarn, wenn auch
leiſt nur ſehr knapp, ſiegreich. Das ſtärkſte Intereſſe erregte der letzte
Zettkampf, eine Crescendo=Staffel im freien Stil über 3, 6, 9 und 12
Bahnen, in der vom Jung=Deutſchland Schneider, Kalbfleiſch, Seriba,
und Berges im Kampf gegen die Mafc=Mannſchaft, Dr. Belezney,
Herendy, Kenyery, Eperyeſſy in Konkurrenz lag, und in der die Span=
nung
aufs höchſte ſtieg im Schlußkampf BergeEperyeſſy, die über 12
Vahnen einen auffallend ſchönen Stil und überlegenes ruhiges Schwim=
men
mit beſonders ſchönem Finis lieferten. Mit nur 5 Sekunden unter=
lag
die Darmſtädter Mannſchaft, eine Niederlage, die ganz hffenſichtlich
nicht auf eine ſchwimmeriſche Leiſtung zurückzuführen war, ſondern auf
die Wenden. Im Umkehren zeigten die Ungarn eine frappierende Ge=
ſchicklichkeit
. Die einzelnen Reſultate waren:
zprinterſtaffel 5X3 Bahnen: Erſter Mafc=Budapeſt
(Herendy, Kenyery II, Eperyeſſy, Kenyery I, Dr. Beleznay) Zeit 2,44.
Zweiter Jung=Deutſchland (Berges, H. Kalbfleiſch, Gils, Seriba, Schnei=
der
) Zeit 2,46,8.
Jugend=Lagenſtaffel, 4X3 Bahnen. Erſter Jung=
Zweiter
utſchland (Walter, Ihrig, Bach, Sack) Zeit 2,46,10.
T. G.D. 1846 (Baumgarten, Petry, Müller, Roth) Zeit 2,48,7.
Bruſtſtaffel, 3X3 Bahnen. Erſter Mafe (Boroni, Kenhery II,
Sipos) Zeit 2,3. Zweiter Jung=Deutſchland (Kalbfleiſch, H. Appfel,
Gils) Zeit 2,9,9.
Senior bel. 12 Bahnen: Erſter Berges=Darmſtadt, Zeit
9,44,8. Zweiter Eperheſſy, Mafe, Zeit 2,45,1.
Jugendſtaffel, 3X3 Bahnen. Erſter Jung=Deutſchland
(Ihrig, Sack, Bach) Zeit 1,53. Zweiter T. G.D. 1846 (Roth, Trumpf=
heller
, Weiß) Zeit 1,59.
Kurze Strecke, 3 Bahnen. Erſter Herendy=Mafe, Zeit 31,9.
Zweiter Seriba=Damſtadt, 32,4,
Knabenlagenſtaffel, 4X3 Bahnen. Jung=Deutſchland I und II.
Sieger erſte Mannſchaft. Zeit 3,29.
Lagenſtaffel, 4X3 Bahnen. Erſter Mafe (Sipos, Gezei,
Kenyery I, Herendy) Zeit 2,29,5. Zweiter Jung=Deutſchland ( Kalb=
fleiſch
, Berges, Dingeldey, Schneider) Zeit 2,31.
Jugendbruſtſtaffel, 3X3 Bahnen. Erſter T. G.D. 1846 (Roth, Mül=
ler
II, Baumgarten) 2,25,3. Zweiter Jung=Deutſchland (Walter, Weber,
Sack) Zeit 2,28.
Jugend bel. 3 Bahnen. Erſter Ihrig, Jung=Deutſchland, Zeit 34,4.
Zweiter Weiß, Trumpfheller, T. G.D. 1846, 37,4.
Bruſtſchwimmen 3 Bahnen. 1. Sipos, Mafc., Zeit 37,4; 2. Ober=

Zeit 6,50,5.
Außerdem boten die Darmſtädter in den Schauſpringen ſehr gute
Leiſtungen. Abends fand ein gemütliches Beiſammenſein mit den
M. St.
ausländiſchen Gäſten im Hannibal ſtatt.

Der Oſterlauf des Sportvereins Darmſtadt.
=6= Freudig zu begrüßen iſt es, daß auch in hieſiger Stadt eine
Schar begeiſterter Anhänger aus Ueberzeugung für die Forderung der
Jugendbewegung, um der Ausübung der Leibesübung willen es ſich
angelegen ſein läßt, in der gegenwärtigen Zeit voller Sorge um den
Alltag und um das Gelingen ihrer Sache auf den Plan tritt und Ver=
anſtaltungen
vom Stapel läßt, die andererſeits nicht genug einzuſchätzen
ſind. Schon in früher Morgenſtunde, als ſich viele noch im Schlafe
wviegten, zogen Idealiſten mit einem Schubkarzen Nund um Darm=
dadt
, um die Wegekreuzungen mit Merkmalen zu verſehen, damit am
Nachnittag die Schar der Läufer ſicher und ungehindert die Peripherie
der Stadt an allen vier Himmelsrichtngen paſſieren konnten. Punkt
3 Uhr fiel der Startſchuß am Alten Friedhoff (Heerdweg), und nahezu
20 Teilnehmer zogen den großen Kreis um Darmſtadts Gefilde, auf ihrem
weiten Weg von Paſſanten aufmerkſam beſtaunt, begrüßt aus den Fen=
ſtern
der Häuſer der Straßen, über die ſie leichtfußend ihre Bahn zogen.
Alle 1000 Meter ein Wechſel im Läufer und nach nicht einer halben
Stunde, als ſich abermals eine ſportbegeiſterte Zuſchauerwenge im Sta=
dion
für ein nachfolgendes Fußballwettſpiel bereits eingefunden hatte,
lief im ſcharfen Endkampf der Schlußmann der Mannheimer
Durngeſellſchaft als Erſter über die Bahn, ſeinem Verein la=
mit
den Sieg im Staffellauf erringend. Als erſter Einzelläufer, der
ohne Wechſel denſelben Weg über genau 10 Kilomeler zu durchlanfen
hatte, traf nach 37 Miuten Walpert=Kaſſel in beſter Verfaſſung,
befubelt von der Menge, im Stadion ein. Die erzielten Zeiten ſprechen
für die Güte der Veranſtaltung, und für den Laien wird es kaum ver=
ſtändlich
ſein, daß geübten Menſchen ohne Anſtrengung
nicht ſchadend
an Körper und Geiſt, möglich iſt, Nund um Darmſtadt in der Zeit
von etwas über eier halben Stunde zu loufen. Der Tag war für
armſtadts ſportbegeiſterte Jugend ein Ereignis. Auch alle auswäv=
tigen
Teilnehmer zogen mit dem Gedanken heimwärts, in Darmſtadt
einer Sache gedient zu haben, die vorbildlich in ihrer Aufmachyung und
muſtergültig in ihrer Ausführung dem Sportverein Dawnſtadt nicht
hoch genug anzurechnen iſt. Nicht unerwähnt ſoll bleiben, daß auch
dieſesmal die großen Turnvereine unſerer Stadt zum erſtenmal mit
einer größeren Zahl von Teilnchmern ſich um die Sache verdient ge=
macht
haben. Die Firma Müller u. Ober hatte für die Leitung
und Preſſe ein Begleitauto zur Verfügung geſtellt.
Ueber die einzelnen Ergebniſſe wird noch folgendes berichtet:
Klaſſe A: 1. Mamncheimer Turngeſellſchaft, Zeit 27,16 Minuten;
2. Frankfurter Tumnverein 1860, 30 Min.; 3. Sportverein Darmſtadt,
32.26 Min. Klaſſe B: 1. Sportfreunde Mainz, 2. Verein ehe=
maliger
Domſcküiler, Frankfurt. Klaſſe C: 1. Jugendvereinigung
der Paulusgemeinde, 2. Turngemeinde Darmſtadt 1846.
Jugendklaſſe: 1. Sportverein Darmſtadt (4=Maunſchaft),
2. Turngemeinde Darmſtadt 1846, 3. Sportklub Viktoria=Griesheim,

1. Turn= und Sportverein Mörfelden, 5. Sportverein Darmſtadt (B=
Mannſchaft).
Einzelläufer. Senioren: 1. Walpert=Kaſſel, Zeit 37.51
Minuten; 2. Blome=Hanau, 39.23 Min.; 3. Meher=Darmſtadt ( Turn=
gemeinde
1846), 39.37 Min. Junioren: 1. Hauk=Aſchaffenburg,
Zeit 39.20 Min., 2. Ritter=Griesheim, 3. Haus=Hauau.
Anfänger: 1. Hofferberth=Darmſtadt (Sportverein), Zeit 40.27
Min., 2. Hahn=Darmſtadt (Sportverein), 3. Hofmann=Worms.
Schutzpolizei: 1. Häntſchel=Hanau, Zeit 41.4 Min.
Sportverein Darmſtadt-Verein für Raſenſport=
Frankfurt 2:0.
*e= Es wird bei angenehmem Wetter für Viele zum geſlügelten
Wort: Sonntags gilts dem Sport. In dichten Reihen umtſäumten
ſie zahlreich das Spielfeld, als der Unparteiiſche Mehner zum Spiel
gegen einen der beſten Frankfurter Vereine aupfiff. V.f.R. in beſter
Aufſtellung, denen der Sportverein ebenfalls, allerdings nur kurze Zeit,
ſeine Beſten gegemüberſtellte. Ein Spiel von Anfang bis zu Ende,
an dem Jeder ſeinen Gefallen finden konnte. Lebhafte Momente zu
beiden Seiten geſtalteten das Spiel zu einem anregenden, wie man ſelten
ein Fußballſpiel zu ſehen bekam. Dabei zwei ebenbürtige Geguer, ohne
ſchwachen Schlag mit dem Ball. Hin und her, Angriffe auf beiden
Seiten, bei denen unſtreitig Darmſtadt im Vorteil iſt. Bald ſchoß
Jacobi haarſcharf daneben, dann jagten Takacs und Müllmerſtadt im
ſchnellen Lauf vorbei. Lebhafte Situationen halten die Zuſchauer im
Bann. Dreimal greift wiederum Takacs an, den Ball mit dem Kopf
durchſpielend, ein Täuſchen, und im Nachlaufen iſt der erſte Erſolg für
Darmſtadt von ihm erzielt. Immer wieder tragen die Darmſtädter
Angriff auf Angriff vor das Frankfurter Tor. Fraukfurt kommt nur
wenig auf, meiſtens jedoch ungefährlich. Schon wieder läuft Müillmer=
ſtadt
durch, alles glaubt Tor, gleich darauf rettet Ellenbach zweimal
neiſterhaft ſeinem Gegner den Ball von Fuß wegnehmend. Dann iſt
wieder Müllmerſtadt im Anlauf und ſchießt direkt an die Latte. Immer
abwechſlungsreicher wird das Spiel. Beide Mannſchaften kämpfen hart
um den Erfolg. Die treibende Kraft iſt Frankfurts Mittelläüfer, der
beſte Mann auf dem Platze, alle anderen ſtehen ihm nicht viel nach.
Schon wieder iſt Darmſtadts Sturm durchgebrochen. Müllmerſtadts
ſcharfer Schuß iſt unhaltbar. Darmſtadt hat den zweiten Erfolg er=
rungen
. Ohne Ermüdung geht ein intereſſantes Spiel weiter; beide
Mannſchaften übertreffen ſich ſelbſt. In Ruhe und Fairnis tährend
des ganzen Verlaufes ſchließt eines der intereſſanteſten Spiele, des ſeit
langer Zeit auf dem Sportplatze ſtattgefunden hat. Beide Manuſchaften
zeigten ſich von ihrer beſten Seite. Sie boten dem Zuſchauer ein leb=
haftes
, ſchönes Spiel, wofür ihnen heute Jeder Dank wiſſen wird.
se= Am erſten Oſterfeiertage wurde m München die Süf
deutſche Waldlaufmeiſterſchaft unter äußerſt zahlreicher
Beteiligung ſämtlicher führenden Tur= und Sportvereine Süddeutſch=
lands
ausgetragen. In der Klaſſe des Mamſchaftslaufs ſiegte der
Turnverein München 1860 (1. Mannſchaft); Zweiter wurde F. K. Baju=
paren
München: Dritter Turnverein 1860 (2. Mannſchaft); Vierter
Sportverein Darmſtadt. In der Klaſſe der Jugendmann=
chaften
ſiegte der Sportverein Aſchaffenburg. In der Klaſſe der
Einzelläufer Hoy=München: Zweiter wurde Holzer=München. In der
Jugendklaſſe (Einzelläufer Krönert=Aſchaffenburg; Zweiter uurde
Ortner=München.
se= Nachdem der Süddeutſche Fußballmeiſter, die Spiel=
bereinigung
Fürth in Hamburg den dortigen Sportverein 3:2
beſiegte, gelang es den erſteren am geſtrigen Tage in Kiel, den dortigen
Fußballklub, den mehrfachen Norddeutſchen Meiſter, mit 5:1 obzu=
fertigen
.
Ans der T. G. D. 1846.
Einen ſchönen Erfolg konnte die Schwimmabteilung der Tur
gemeinde Daymſtadt 1846 im erſten Oſterfeiertage beim Schwimmfeſt
des Schwimmklubs Jungdeutſchland in Darmſtadt erzielen. Es gelang
der Jugendbruſtſtaffel der Turnerſchwinmer mit Müller, Roth, Baum=
garten
, den erſten Sieg zu erringen. Weiter belegte H. Ober im
Jugendbruſtſchwimmen den 2. Platz.
Der Hauptvorſtand der Turngemeinde findet ſich am nächſten Don=
nerstag
zu einer Vollſitzung zuſammen.
Am nächſten Freitag, abends 8.15 Uhr wird im kleinen Turn=
aal
die Wahl des Vorſtandes des Techniſchen Ausſchuſſes vorgenommen.
Es iſt Ehrenpflicht aller Ausübenden beider Geſchlechter, wie Fußballer,
Turer Schvimmer, Feckter, Volksturner, Spieler, Ringer und Wan=
derer
, bei dieſer Wahl zugegen zu ſein.
Zu einem Tie=Abend mit Darbietungen verſchiedene: Art laden
die Preſſcwarte die Mitglieder der Turngemeide und Darmſtädter
Turnerſchaft mit Angehövigen auf Samstag abend 8 Uhr in den kleinen
Saal herzlichſt ein. Beſondere Anziehungskraft dürften Lichtbilder us
den Dolomiten und Oberbahern mit den Königsſchlöſſern auf die ſtets
wanderluſtigen Turnſchweſtern und =brüder ausüben. Näheres folgt
noch an dieſer Stelle.
Die urſprünglich für den 15. April angeſetzte Wanderung in
die Blütenpracht unſerer Bergſtraße findet bereits am 8. April ſtatt,
Abmarſch 7 Uhr vom Turnhaus bzw. 7.30 Uhr an der Landskronſtraße
Gäſte ſind willkommen.
Allen Intereſſenten zur Nachrfiht, daß das Riegenturnen für Alters=,
Männer= und Jugendturnen ab Dienstag, den 10. April, im großen
Saale ſtattfindet. Bei dieſer Gelegenheit ſei mitgeteilt, daß es Freund=
und Gönnern deutlſchen Turnens gerne geſtattet iſt, auf der Galerie
dem Turnbetrieb zuzuſehen.
E. M.
Aus dem Velveiped=Club 1899 E. V.
Vom herrlichſten Frühlingswetter begünſtigt, unternahm am
Oſtermontag der bekannte, große, hieſige Radſportverein V. C.D. 1899
ſeine erſte, gemeinſame Club=Ausfahrt des Jahres 1923.
Der V. C. D., der durch ſeine Leiſtungen im Saal= und Rennſport
im ganzen B.D.R. bekannt und geachtet iſt, hat gerade dem Wander=
fahren
beſondere Beachtung gewidmet, um dem Gros ſeiner Mitglieder
die keinen Saal= oder Rennſport treiben ebenfalls ſportliche Be=
tätigung
zu ſchaffen. Die Wanderfahrten unterſtehen ſeit Jahren den
Fahrwarten J. König und A. Sachs I., die es durch muſtergultige Füh=
rung
und Leitung der Fahrten verſtanden haben, ſtets einen großen
Kreis ausdauernder Fahrer um ſich zu ſammeln. In den Nachkriegs=
jahren
nahm die Beteiligung immer mehr zu und heute tritt der V. C.D.
in einer Stärke an, die wohl ſelten ein Radſportverein aufzuweiſen hat,
Trotzdem über die Oſterfeiertage diele Mitglieder auswärts weilten,
konnte der V. C.D. beim Anpfiff der Fahrwarte nahezu 200 Fahrerinnen
und Fahrer durch die Stadt dem nahen Ziel dem Einſiedel zu=
ühren
. In Anbetracht deſſen, daß es die erſte Klubausfahrt war, hatt
man ein nahes Ziel gewählt, um ſo die Mitglieder wieder ans Fahren
zu gewöhnen. Bei Kaffee und Kuchen verging ſchnell die Zeit und nach=
dem
der Kunſtfahrwart K. Frahnert die Teilnehmer auf der Platte
jeſtgehalten hatte, ſetzte ſich der faſt endloſe Zug heinnuärts in Beweg=
ung
. Unter Voranfahrt der kleinſten Jugend nahm die Fahrt durch die
Stadt dann die Form einer Propagandafahrt an. Mit dem ſchönen
Radlergruß All Heil löſte ſich der impoſante Zug am Bismarckdenkmal
euf.
Eine weitere Abteilung des V.C.D. verdient hier noch beſondere
Erwähnung. Es iſt dies die Jugendabteilung, die unier der Leitung der
Fahruarte Lonis Hax und Aug. Sachs II. ſteht. Man kann wehl
ohne Ucberhebung ſagen, daß es ſelten einen Spoptverein gibt, der über
eine ſolche gute, wohlgeleitete Jugendabteilung verfügt. Mehr denn
je hat ſich bei den Eltern die Ueberzeugung durchgeſetzt, daß es für ihre
Kinder ein Vorteil iſt, der Jugendabteilung eines Vereins anzugehören,
Die Jugend wird dadurch von der Straße genommen und hier durch
beſonders ausgeſuchte, erprobte Leiter die durch jahrzehnielanges
Arbeiten in der Jugendbeivegung mit dieſer vollkommen vertraut ſind
zu tüichſtigen Menſchen erzogen, was nicht zuletzt grundlegend für ihr
bäteres Leben iſt. Die großen Erfolge der Jugendmannſchaften, die
V. C. D. in den letzten Jahren errang, legten ein beredtes Zeugnis ab,
und durch dieſe Erfolge auf die J.A. des V. C.D. aufmerkſam gemacht,
hat dieſe einen bedeutenden Zuwachs erhalten. Der Winter war ſpezi
dem Reigenfahren gewidmet, doch ſetzt nun bei dem herrlichen Wette
auch für die Jugend ein reges Wanderfahren ein. An die Eldein rich=
ten
wir deshalb die herzlicke Bitte ſchiat Eure Kinder zur Ju end=
abteilung
des Velocipedelub 1899, dort ſind ſie gut aufgeheben, und die
Kriter dieſer Abteilung bürgen für völige Sicherheit, ſo daß durchaus
kein Grund zu Beunruhigungen vorhanden iſt. Anmeldungen z.:v
Mitgliedſchaft des V. C.D nehmen die Vorſitzetden Karl Bauer.
helminenckſtraße 21, 1 Tr., und Guſtav Kanzler, Schulſtraße 12 (im
Lad entgegen.

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus Anfang 6 Uhr Cnde gegen 11 Uhr
(4 20): Die Meiſterſinger von Nürnberg, Kleines Haus geſchloſſen.
Orpheum, abends 7¾ Uhr: Der blonde Engel. Union=,
Reſidenz=, Zentral=Theater, Pglaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtel=
lungen
.
Verſteigerungskalender. Mittwsch, 4. April.
Freiw. Verſteigerung einer 4jährigen Kuh uſw. vorm 9½2
Uhr in der Großgärtnerei Henkel, Rofdörfer Straße 159.

Oruck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: Paul
Lange ſämtlich in Darmſtadt.

Die heutige Rummer hat 4 Seiten.

[ ][  ]

Ee8

Fafe

A.

Seite 4.

Heie Z.,blatt, Dienstag, den 3. April 1923.

Hummer 91.

Das ewige Feuer.

I
Roman von H. Richter.
Amerikaniſches Copyright 1922 by Carl Duncker, Berlin.
(Nachyrat verbolen!
41)
Der Mann hatte engliſch geſprochen, und die Frau, die am
Fenſter ſtand, war bei ſeinen erſten Worten aufgefahren.
Sie ſind nicht Ruſſen?; fragte ſie jetzt gleichfalls auf
engliſch.
Kapitän Brown, das war der Sprecher, ſchittelte den Kopf.
Nein, dieſe Piraten haben uns auf offener See gekapert
und durchs Eismeer nach Archangel geſchleppt. Und jetzt zerren
ſie einen ehrlichen amerikaniſchen Schiffer und ſeinen Steuer=
mann
, den Paſſagier nicht zu vergeſſen, wochenlang durch ihren
Dreck zu Waſſer und zu Lande. Und kein Konſul und kein Ge=
ſandter
kann einem helfen.
Und was ſoll mit Ihnen geſchehen, ſind Sie auch . .?"
Irene Hermann nahm das Wort.
Ein Volksgericht in Archangel hat uns zur Deportation
ins Innere verurteilt, aber ich glaube, wir werden aus dieſen
dumpfen Löchern niemals herauskommen.
Nur zur Deportation, ſo milde Urteile gibt es hier nicht.
Ich ſie ſchluckte bin zum Tode verurteilt.
Der Kapitän fuhr zurück und ſah ſie entſetzt an.
Was haben Sie denn . . . ?
Die Frau ließ den Kopf ſinken. Verbrochen, wollten Sie
ſagen. Nichts, man nimmt an, daß ich an gegenrevolutionären
Umtrieben beteiligt geweſen ſei, das genügt hier in Rußland
jetzt, um auf ewig zu verſchwinden. Ich bin die jüngſte Tochter
des Grafen Kuropotkin. Wir hatten hier bei Niſchnif Nowgorod
unſeren Landſitz und wurden hier auch vom Umſturz überraſcht
Flucht war unmöglich. Unſer Haus wurde bald einem Kom=
miſſar
zugeteilt, unſere Felder nahmen ſich die Bauern, die auf
dem Gute gearbe tet hatten, und bebauten, was ſie brauchten.
Das andere lag brach. Wir mußten in ein zerfallrnes Bauern=
haus
ziehen, das ſchon längſt nicht mehr bewohnt war. Damals
lebte mein Bruder noch bei uns und half dem Vater. Sie ſind
in den Wald gegangen und haben Reiſig geholt, um das Dach
zu flicken und die Löcher in den Wänden auszuſtopfen.
Zuerſt holten ſie meinen Bruder fort. Eines Tages ritt
eine rote Schwadron in das Dorf und alle Männer mußten zum
Kommandanten kommen. Die Bauern hatten die Soldaten ſchon
kommen ſehen und waren in den Wald geflüchtet, ſo daß die

Lalſch=wiſten nur alie und kranke Männer fanden. Aber meinen
Tinr nahmen ſie mit ich habe nichts mehr von ihm gehört.
Der Vater kränkelte ſchon lange, und eines Tages wachte er
am Morgen nicht mehr auf. Ich habe alles, was ich noch beſaß,
gut verborgen und bin hier in die Stadt gelaufen, wo wir ein
Stadthaus hatten; es war beſchlagnahmt, als ich aber nachweiſen
konnte, daß mein Bruder in der Roten Armee Dienſt tat, wurde
mir erlaubt, in dem Hauſe zu wöhnen unter der Bedingung, daß
ich dem Staatskommiſſar, der die Haupträume inne hatte, die
Wirtſchaft führe. Damit war ich einverſtanden; zuerſt ging alles
gut. Dann aber wurde der Kerl zudringlich und ließ mich nicht
in Ruhe, ich ſollte ihm ſagen, ob irgendwo in dem Stadthaus
oder auf dem Gute noch Gold oder Steine verborgen ſeien. Ich
wies ihn kurz ab, und ſchon am nächſten Tage wurde ich in
meinem Hauſe verhaftet und vor das Volksgericht geſtellt. Das
war heute vor acht Tagen. Sie zeigten mir Briefe, die ich ge=
ſchrieben
haben ſollte, und verlangten, daß ich angäbe, wer die
Empfänger ſeien. Die Briefe waren alle gefälſcht. Aber die
Kerle wollten nicht hören, und auf die Ausſage des Kommiſſars
hin wurde ich zum Tode verurteilt. Nun warte ich hier, daß ſie
mich holen.
Vielleicht wollte man Sie nur ſchrecken, meinte Irene mit=
leidig
. Aber die andere ſchüttelte den Kopf.
Hier ſchrecken ſie keinen. Oft ſchon habe ich gehört, daß die
Türen gegangen ſind, und dann haben Schüſſe auf dem Hof ge=
kracht
. Sie werden mich auch holen, wenn ..
Erzählen Sie, wenn es Sie erleichtert, bat Irene.
Geſtern war der Kommiſſar hier, auf deſſen Ausſage hin
ich verurteilt wurde. Er ſagte mir, er wiſſe, daß im Hauſe noch
Gold verſteckt liege, er habe es nur noch nicht gefunden. Der
Mann hat recht, an zwei Stellen hat, mein Vater Geld und
Schmuckſtücke verſteckt; ich habe nie gewagt, es an mich zu neh=
men
. Wenn ich ihm das Verſteck angeben würde, will er ſein
Zeugnis zurücknehmen und ſagen, er habe mich nur aus Eifer=
ſucht
angezeigt, weil ich ſeine Werbung zurückgewieſen habe. Jetzt
aber ſei ich vernünſtig geworden, und er wolle mich heiraten.
Dann würde ich begnadigt, denn er hat einen hohen Poſten inne.
Aber ich kann nicht, ich kann nicht.
Der Kapitän war neben ſie getreten und ſtrich ihr leiſe über
die Haare.
Sollen Sie denn auch bei ihm bleiben als ſeine Frau?
Sie fah ihn mit Tränen in den Augen an.
Das weiß ich nicht.
Der alte Brown lachte befriedigt.
Sehen Sie, der Kerl will nur die Wertſachen haben, und
die nützen Ihnen doch nichts mehr, und über lurz oder lang wer=
den
ſie ganz ſicher einmal gefunden. Sagen Sie ihm, wenn er

wiederkommt, Sie wären einverſtanden und würden ihm das eine
Verſteck ſofort ſagen, den Reſt aber erſt, wenn er Sie nicht nur
aus dem Gefängnis befreit, ſondern Sie auch ſicher irgendwo
über die Grenze ins Ausland gebracht hat. Na, was meinen
Sie dazu?
Die Gräfin ſah ihn dankbar an.
Ja, Kapitän, das werde ich ihm ſagen, und damit wird er
wohl einverſtanden ſein. Habe ich Rußland erſt hinter mir, dann
bin ich geborgen, in Paris lebt meine ältere Schweſter, und auch
in London habe ich Verwandte.
Na, ſehen Sie, nun hat unſer Zuſammentreffen wenigſtens
etwas genützt. Wenn ich nur ſchon wüßte, wie wir ſelber aus
der Mauſefalle herauskommen. Wir haben keinen Goldſchatz,
und unſere paar Dollars werden wir für die Reiſe noch nötig
genug brauchen.
Die Gräfin hatte wieder Mut gefaßt.
Ich werde Ihre Freiheit auch mit durchſetzen, und bald
reiſen wir zuſamen aus dieſem ſchrecklichen Lande, ſagte ſie.
Der Konmiſſar muß heute abend wiederkommen, der Lohn muß
für uns alle reichen.
Der Steuermann hatte bisher kein Wort geſprochen und nur
ſtumm vor ſich hin geſtarrt. Bei den letzten Worten fuhr er in
die Höhe
Sagen Sie das noch einmal, rief er, wir ſollen freikom=
men
und ich ſoll meine Frau wiederſehen? Spannen Sie einen
Verzweifelten nicht auf die Folter, iſt das möglich?
Jetzt ſchien die Gräfin die zu ſein, die den anderen Mut
zuſprach. Ich glaube ſicher, daß es gehen wird. Haben Sie
nur noch wenige Stunden Geduld, jetzt iſt es Nachmittag, er
muß bald kommen.
Und er kam. Wieder tönten draußen im Gange die Schritte,
wieder raſſelten Schlüſſel. Die Gräfin zitterte. War ihre Ent=
ſcheidung
zu ſpät gekommen? Holte man ſie ab? Leiſe wandte
ſie ſich an Irene.
Sollte ich nicht zurückkehren, dann erzählen Sie, wenn Sie
aus dieſer Hölle jemals herauskommen, meinen Verwandten
von meinem Schickſal. Meine Schweſter iſt Frau de St. Hilaire
in Paris.
Das =effnen der Tür unterbrach das weitere.
Die Genoſſin Kuropatkin ſoll zum Kommiſſar kommen, er
erwartet ſie.
Angſtvoll ſah Irene ihr nach, aber der Kapitän beruhigte ſie.
Der Kerl iſt diel zu geldgierig, um ſeinen Antrag nicht noch
einmal zu wiederholen. Sie kommt nun ganz ſicher frei, und
vielleicht kann ſie uns auch helfen.

(Fortſetzung folgt.)

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