Darmstädter Tagblatt 1923


12. Februar 1923

[  ][ ]

in
des Blüten=
2. Kaſe=
Ruhrgebiet.
. Berühmter
chtigter fran=
Kreis Ofen
oben nach
idter Wälder
mal.

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Nummer 42

Montag, den 12. Februar 1923

Einzelnummer 60.00 Mk.

Frankfurt, 11. Febr. (Wolff.) Der vom preußiſchen
Miniſterium einſtimmig zum Regierungspräſidenten von Wies=
baden
ernannte frühere Kultusminiſter Häniſch, wegen deſſen
Amtsautritt die Rheinlandkommiſſion b=kanntlich ein vorläu=
ges
Veto eingelegt hatte, weilte in den letzten Tagen im beſetzten
Gebiet, um als Kommiſſar der preußiſchen Regierung Informa=
tionen
über die wirtſchaftliche und politiſche Lage einzuziehen.
Am Samstag nachmittag wurde er aus einer Beſprechung mit
den Landräten und Bürgermeiſtern des Regierungsbezirks
Wiesbaden heraus durch einen franzöſiſchen Beamten zu dem
Oberdelegierten Marquis de Lillets genötigt, der ihn ehren=
wörtlich
verpflichten, wellte, noch vor Mitternacht das beſetzte
Gebiet zu verlaſſen. Herr Häniſch lehnte dieſes Anſin=
nen
ab und erklärte, er würde nur der Gewalt weichen. Darauf=
hin
wurde er in das franzöſiſche Polizeikommiſſariat geführt
und dort einer gründlichen Durchſuchung unterzogen,
gegen die er unter Berufung auf ſeine Immunität als preußiſcher
Land tagsabgeordneter entſchieden Proteſt einlegte. Ebenſo ver=
weigerte
er die Unterzeichnung des von dem franzöſiſchen Po=
lizeikommiſſar
aufgenommenen Protokolls. Gegen ein halb 10
Uhr wurden Herrn Häniſch ſeine Papiere zurückgegeben, und
bald darauf wurde er in einem franzöſiſchen Militär=
automobil
an die Grenze des beſetzten Gebiets
gebracht.
Die deutſchen Geſetze ungültig!
TU. Dortmund, 11. Febr. Wie verlautet, iſt eine Ver=
ordnung
des franzöſiſchen Oberkommandierenden in Vorberei=
tung
, nach der alle nach dem 11. Januar erlaſſenen deutſchen
Geſetze und Erlaſſe nicht ausgeführt werden dürfen, be=
vor
ſie nicht die Genehmigung des Oberkommandierenden ge=
funden
haben.

Vom Tage.
In Mainz iſt die berſchärfte Briefzenſur eingeführt worden.
Es wverden neue Truppenverſtärkungen für das Ruhrgebiet gemeldet.
Im Bezirk Köln ſind Züge mit ſchwerer Artillerie und auf der Strecke
Euskirchen=Köln ſind ebenfalls zwei mit allem Kriegsbedarf ausgerüſtete
Bataillone im Anrollen.
Der Dibiſionskommandeur hat den Oberbürgermeiſter von Eſſen be=
nachrichtigt
, daß er Befehl habe, mit Rückſicht darauf, daß die Kohlen=
und Materiallieferungen ſeitens der Stadt an die Beſatzungsbehörde ſich
verzögert hätten, ſich ſelbſt zu bedienen, wenn auch daraus Schäden für
die Beamten, die öffentliche Ordnung und die Stadt erſwachſen könnten.
Die Sozialdemokraten, des ſächſiſchen Landtags nahmen die Ein=
ladung
der Demokraten zu Verhandlungen über die Wahl des Miniſter=
präſidenten
an.
Geheimrat Wilhelm von Röntgen iſt geſtern in München im
Alter von 78 Jahren geſtorben.
Das Schwurgericht Köln verurteilte den Arbeiter Diederichs wegen
Mordes in zwei Fällen in Verbindung mit ſchwerem Naub und ſchwerem
Diebſtahl zweimal zum Tode und drei Jahren Zuchthaus.
Die Goldparität in Oeſterreich für die Periode vom 12. bis 18. Fe=
bruar
iſt mit 14 500 Kronen feſtgeſetzt worden.
Der Mörder des Metropolitans von Warſchau erklärte bei ſeiner
Vernehmung, daß er überzeugt ſei, eine große Tat vollbracht zu haben
und von ſeinen Anhängern als Held verehrt werden würde. Er erklärte
ferner, daß er urſprünglich auch den Erzbiſchof Dyoniſius habe ermorden
wollen.
Die amerikaniſche öffentliche Meinung gibt ihrer Entrüſtung über die
Vorfälle in Recklinghauſen heftigen Ausdruck.
Der interimiſtiſche Ziviloberkommiſſar Ferrer von Marokko iſt zu=
rückgekehrt
. Zeitungen melden, daß ſein Rücktritt aus Geſundheitsrück=
ſichten
wahrſcheinlich ſei. Miquele Villauneva, der ehemalige Militär=
gouverneur
von Marokka, iſt noch nicht wieder hergeſtellt. Hierdurch
wird die Lage der Regierung hinreichend verwickelt.

Deutſchlands Abwehrkampf am Rhein und Ruhr.
Engliſche Arbeiter gegen die Zerſtüchelung Deutſchlands.

London, 11. Febr. (Wolff.) Die unabhängige Ar=
beiterpartei
erließ eine Kundgebung, worin ſie die
franzöſiſch=belgiſchen Operationen im Ruhrgebiet verurteilt und
erklärt, Frankreichs Wunſch ſei die Schaffung der Rhein=
grenze
aus ſtrategiſchen und wirtſchaftlichen Gründen und die
Zerſtückelung Deutſchlands. Die Kundgebung ſpricht
die Anſicht aus, daß dieſe Politik zur Zeit der Verſailler Frie=
denskonferenz
von den Vereinigten Staaten und von England
in kategoriſchkr Weiſe mißbilligt wurde, jetzt aber von England
geduldet ſei. Die Kundgebung verlangt, England ſolle Frankreich
zu verſtehen geben, daß die Beſetzung des Ruhrgebietes ein
Bruch des Völkerrechts ſei. England ſolle ferner die
Anerkennung irgendeiner Aenderung der Grenzen Deutſchlands
ablehnen und allen Anſprüchen auf Reparationen entſagen und
einer allgemeinen Regelung der Schulden der Alliierten zu=
ſtimmen
. Die Kundgebung fordert, daß England ſich an der
Garantierung der internationalen Anleihe für den Wiederauf=
bau
der zerſtörten Gebiete Frankreichs unter Ausſchluß aller
übrigen Forderungen beteilige.
Oeſterreichiſche Proteſte.
Wien 10. Febr. (Wolff.) Die Blätter geben auch weiter=
hin
der tiefen Empörung über die Vertragsverletzung und das
völkerrechtswidrige Vorgehen Frankreichs und Belgiens und die
Brutalität der franzöſiſchen Offiziere und Mannſchaften
gegenüber der wehrloſen Bevölkerung der beſetzten Gebiete Aus=
druck
. Das Neue Wiener Tagblatt kommt auf die Kritik des
Abg. Bauer am Völkerbund zurück und ſchreibt: Mußte man
ſchon befürchten, daß der Völkerbund ein Machtinſtrument
der Sieger zur Aufrechterhaltung der ungerechten
Friedensverträge ſein werde, ſo wurden dieſe Beſorg=
niſſe
noch über den Rahmen dieſer Verträge hinaus gerecht=
ſertigt
. Die Entſcheidung des Völkerbundes über Oberſchle=
ſien
war die ſchlimmſte Enttäuſchung; was ſich aber jetzt im
Weſten Deutſchlands ereignet, hätte hundert= und tauſendmal
den Völkerbund zwingen müſſen, ein Wort an die Menſchheit zu
richten. Die furchtbaren Geſchehniſſe im Ruhrgebiet, die neue
ſchreckliche Saat des Haſſes und künftiger Kriege exiſtiere jedoch
nicht für ihn. Vielleicht läßt ſich iugendein Paragraph ſeines
Statuts herausfinden, der ſeinen Eingriff hier nicht deckt. Für
das Empfinden der Welt gibt es aber nur die einfache Linie der
Tatſache, und Tatſache iſt, daß der Völkerbund ſein Wort ſchul=
dig
geblieben iſt.
Wien, 10. Febr. (Wolff.) Auf die vom Bund der Reichs=
deutſchen
und von zahlreichen anderen reichsdeutſchen und
öſterreichiſchen Vereinigungen in die Wege gelei=
teten
Sammlungen für das Ruhrgebiet ſind bisher, ungerechnet
der bereits früher abgelieferten Beträge, in den letzten Tagen
in Wien 25 Millionen Kronen, in Linz 70 Millionen Kronen
in bar eingegangen.
Zur Lage in Italien.
Rom, 11. Febr. (Wolff.) Agenzia Stefani. In ſeiner Rede
in der Kammer erklärte Muſſolini noch, Italien habe ver=
hindert
und werde auch weiterhin verhindern, daß die Ereigniſſe
im Ruhrgebiet kataſtrophale Rückwirkungen in
den Donauländern ausübten. Italien habe in der Nuhr=
gebietsfrage
keine andere Politik verfolgen können. Eine Geſte,
wie ſie Teile der lintsſtehenden Parteien ggewünſcht hätten,
wurde vollkommen unnütz geweſen ſein, ſie würde Frankreich
uicht verhindert haben, in das Ruhrgebiet einzurücken, und
vielleicht den Widerſtand Deutſchlands verſtärkt haben. Auch

geu habe England ſich darauf beſchränkt, an der Ruhraltion
nicht teilzunehmen, fei aber in ſeiner abweichenden Auffaſſung
Ght ſo weit gegangen, ſeine Truppen aus dem Rheinland zu=

rückzuziehen. Bisher habe Frankreich Italien nicht darum er=
ſucht
, ſeiner Solidarität mit ihm ſtärkeren Ausdruck zu
verleihen. Es ſei klar, daß Italien ſich in ſolchem Falle vor=
behalten
würde, den ganzen Komplex der Beziehun=
gen
zwiſchen beiden Ländern wieder zur Diskuſſion zu ſtellen.
Anſchließend daran ſprach Muſſolini über den Vertrag von
Santa Margherita, den die Kammer nach Beendigung
ſeiner Rede annahm, worauf ſie ſich bis auf weiteres
vertagte.
Köln, 11. Febr. (Wolff.) Der Sonderberichterſtatter meh=
rerer
großer Organe der italieniſchen Volkspartei, Guſtavo
Traglia, hatte, nach der Kölniſchen Volkszeitung, vor einigen
Tagen eine Unterredung mit Kardinal Schulte. Der Kar=
dinal
erklärte: Das deutſche Volk wird Widerſtand leiſten,
ſein Opfermut und ſein Heroismus ſind wirklich bewunderns=
wert
. Wir wollen keine Zwiſchenfälle hervorrufen, aber wir
wollen uns auch ungerechter Unterdrückung nicht beu=
gen
. Bei meinem jüngſten Beſuch in Eſſen konnte ich feſtſtellen,
daß der Geiſt des Widerſtandes unter den Arbeitern täglich ſtär=
ker
wird. Auf die Frage, ob dieſer Geiſt der Geſinnung nur
der einer Klaſſe oder des ganzen deutſchen Volkes darſtelle,
antwortete der Kardinal: Er ſtellt die Geſinnung des ganzen
deutſchen Volkes dar. Das deutſche Volk hat keinerlei
Kriegsgedanken. Deutſchland iſt heute friedlich, keinerlei Ent=
faltung
militäriſcher Kräfte kann heute Eindruck auf uns machen.
Im Bewußtſein ſeines guten Rechtes iſt Deutſchland bereit,
in ſeineyr paſſiven Widerſtand auszuharren. Die Franzoſen
behaupten, daß die Arbeiter auf ihrer Seite und die Bergarbeiter
gegen die Eiſenbahner ſeien; das iſt nicht wahr. Unſere Ar=
beiter
, welcher Kategorie auch immer ſie angehören mögen, ſind
vor allem anderen Deutſche. Sollte durch einen Eiſenbahnerſtreik
in der Rheinprovinz Knappheit an Lebensmitteln hervorgerufen
werden, würden die Bergarbeiter allein den Streik fortführen.
Die Eiſenbahner müßten und würden dann die Arbeit wieder
aufnehmen, um der Bevölkerung die Lebensmittellieferungen zu
ſichern. Auf die Frage, welches die Taktik der Franzoſen ſei,
ob ſie eine rheiniſche Republik proklamieren, antwortete er:
Sicherlich wird irgend ein Verſuch in dieſer Richtung ge=
macht
werden, aber es wird nicht gelingen, weil hier niemals ein
Gedanke an den Separatismus beſtand und alle ſozialen Klaſſen
deutſch fühlen. Die Ausruſung einer rheiniſchen Republik würde
auf den Widerſtand aller Parteien ſtoßen. Die Maſſen ſehen
auf die Separatiſten mit ungeheurer Verachtung herab. Wir
empfehlen unſerem Volke, ſo ſchloß der Kardinal, die Ver=
werfung
jedes Gedankens an Rache und jedes kriegeriſchen
Widerſtande?
Gegen das franzöſiſch=belgiſche Reiſeverbot
für deutſche Miniſter.
DU. Berlin, 11. Febr. Die Sonntagsblätter wenden
ſich ſcharf gegen die neueſte Anmaßung der Franzoſen und Bel=
gier
, die den deutſchen Mimiſter das Betreten des Nuhrgebiets
verwehren wollen. U. a. ſchreibt der Tag: Die Regierung wird
ſchon jetzt nach den aus parlamentariſchen Kreiſen vorliegenden
Stimnen nur noch den einen Weg wählen können, die Note der
franzöſiſchen Regierung zurückzuſchicken und durch eine Maſſen=
einreiſe
von Miniſtern des Reiches und der Länder den Verſuch
machen, ob die franzöſiſche Regierung es wirklich wagen wird,
Verhaftungen vorzunehmen. Der Vorwärts erklärt: Das
Verbot zeigt der Welt lediglich, daß die Franzoſen und Belgier
das Ruhrgebiet als Departement de la Ruhr betrach=
ten
. Die Deutſche Allgemeine Zeitung ſpricht von
einem ungeheuerlichen Völkerrechtsbruch, der Lokal= Anzei=
ger
vom Gipfel franzöſiſcher Heuchelei, und die Deutſche
Zeitung erblickt in der Note Frankreichs Angſt vor der
Abwehr.

Uns wird geſchrieben:
Im Ruhrgebiet geht die franzöſiſche Propaganda um. In
aller Herrgottsfrühe morgens verteilen franzöſiſche Soldaten
und Agenten gedruckte und mit der Schreibmaſchine verviel=
fältigte
Flugblätter. General Degoutte und all die anderen
großen und kleinen Befehlshaber verſuchen, unterſtützt von ſran=
zöſiſchen
Miniſtern und Zeitungen, der Bevölkerung tagtäglich
einzureden, Frankreich wolle nicht von den Arbeitern, ſondern
von den Kapitaliſten Pfänder nehmen, Frankreich wolle im
Eegenteil den Arbeitern helfen. Der Zweck dieſes General=
angriffs
auf die Einſicht und Klugheit der Arbeiterſchaft iſt
mehr als durchſichtig: der Widerſtand gegen die militäriſche Ge=
waltaktion
ſolk unterhöhlt, die Arbeiterſchaft aus der gemeiſſ=
ſamen
Abwehrfront abgeſprengt werden nach dem bekanntei
Grundſatz der franzöſiſchen Politik: ſchwächen, um zu ver=
nichten
.
Die Flugblätter beginnen meiſt mit einem Hinweis auf die
armen verwüſteten Gebiete Frankreichs, welche die deutſche Re=
gierung
wiederaufzubauen ſich weigere. Die Franzoſen glauben
offenbar, die deutſchen Arbeiter hätten vergeſſen, daß wir in
Verſailles hundert Goldmilliarden und vollſtändigen Wieder=
aufbau
der zerſtörten Gebiete mit deutſchem Material und deut=
ſchen
Arbeitskräften anboten. Frankreich lehnte ab. Ebenſo
lehnte es die wiederholten Angebote der deutſchen Gewerk=
ſchaften
ab, durch deutſche Arbeiter die größten Teile der Kriegs=
gebiete
wieder aufzubauen. Auch ein Angebot Amerikas zunr
Wiederaufbau gleich nach Beendigung des Krieges wurde von
Frankreich abgeſchlagen. Länger als ein Jahr haben die fran=
zöiiſchen
Induſtriellen die Ratifizierung des Wiesbadener Ab=
kommens
, das eine ausreichende Belieferung der zerſtörten Ge=
biete
zum Ziel hatte, hintertrieben. Deutſchland bot 40 000 Holz=
häuſer
nicht einmal ein Dutzend nahm Frankreich an. Die
franzöſiſchen Gewerkſchaften täten alles, um den Widerſtand der
franzöſiſchen Induſtrie gegen die Wiederaufbauangebote der
deutſchen Regierung und Gewerkſchaſten zu brechen. Umſonſt.
Die franzöſiſche Politik wollte die offene Wunde erhalten, die
Induſtrie wollte in dem Wiederaufbau ſich ein gewinnbringen=
des
Geſchäft auf Jahrzehnte ſichern. Weiß Gott, nicht Deutſch=
land
trägt die Schuld, daß heute noch der größte Teil Nordfrauk=
reichs
in Ruinen liegt, ſondern allein die franzöſiſche Poliiik.
Mit großer Langmut warte Frankreich ſeit Jahren auf
Zahlungen und Leiſtungen. Haben wir nieht gezahlt und ge=
leiſtet
bis zum Weißbluten? Die bisherigen deutſchen Geſamt=
leiſtungen
aus dem Friedensvertrag in bar, Sachleiſtungen und
Werten (ohne Kolonien) erreichen die ungeheure Summe von
45 Milliarden Goldmark! Iſt es die Schuld Deutſchlands, wenn
die Armee am Rhein und die ungezählten Kommiſſionen in
Deutſchland bisher mehr als 5 Milliarden Golomark terſchlun=
gen
haben? Mit den Koſten, die eine Konpagnie dieſer Armce
im Jahre verſchlingt, hätte ein ganzes franzöſiſches Dorf wieder
aufgebaut werden können.
Die deutſche Regierung treibt eine Finanzwirtſchaft, der
Vergeudung, wird weiter behauptet. Daß Gott erbarm! Das
ſor ein deutſcher Beamter glauben, deſſen Gehalt von Monak
zu Monat immer weniger reicht, das nackte Leben zu friſten.
Das Unverfrorenſte aber iſt die Zumutung der franzöſiſchen
Propaganda, die deutſchen Arbeiter ſollten an die Hilfe‟
Frankreichs glauben. Eben ſind die geſamten 75 000 deutſchen
Bexgarbeiter der Saar in den Generalſtreik getreten, weil ſie
mit den bisherigen Löhnen nicht mehr leben können. Ihr An=
beitgeber
aber iſt der franzöſiſche Staat. Warum hilft er
nicht? Sicherung einer ausreichenden Löhnung wird den Nuhr=
bergleuten
verſprochen, aber den deutſchen Saarbergarbeitern
wird ſie verweigert. Aus politiſchen Gründen hat man den
Saarbergleuten Anfang 1920 Frankenlöhnung beſchert. Eine
Zeitlang ging es ihnen darob ſehr gut. Aber mit den Franken
kam die Teuerung, kamen Abſatzſtockungen und Wirtſchafts=
kriſis
. Was tat aber die franzöſiſche Bergverwaltung? Sie
baute die Löhne ab. In den Jahren 1921/22 wurde den Berg=
leuten
ein ganzes Drittel ihres Lohnes nach und nach abgezogen.
Die franzöſiſche Propaganda behauptet, Frankreich wolle
helfen, die Sozialgeſetze zu erhalten. Ausgerechnet Frankreich,
das ſozialpolitiſch kückſtändigſte Land Europas! Wie teht es
damit im Saargebiet? Bis jetzt vermochten die Bergarbeiter
nichr die Einführung des Betriebsrätegeſetzes zu erreichen. Die
Laſten der Sozialverſicherung liegen zum größten Teil auf ihren
Schultern. Die Abgaben für Sozialverſicherung und für das
Gezähe betragen im ganzen 12 Prozent des Lohnes! An Miete
für die Grubenwohnungen müſſen 35 bis 50 Fres. pro Monat
gezahlt werden!
So ſieht die Hilfe, Frankreichs in Wirklichkeit aus. Die
deutſche Arbeiterſchaft weiß nur zu genau, was ſie von den
Franzoſen zu erwarten hat. Sie läßt ſich nicht ködern; ihr zäher
Abwehrkampf im Ruhrrevier beweiſt es jegen Tag aufs neue.
Beileid des Reichspräſidenten zum Tode
des Regierungsdirektors Stamminger.
TI. Berlin, 11. Febr. Der Reichspräſident hat anläß=
lich
des Todes des ausgewieſenen Regierungsdirektors Stam=
minger
folgendes Beileidstelegramm an den Oberbürgermeiſter
in Heidelberg gerichtet: Die Nachricht, daß der in brutaler
Weiſe trotz ſchweren Leidens aus der Heimat derjagte Regie=
rungsdirektor
Stamminger dort verſtorben iſt, hat mich tief be=
wegt
. Ich bitte Sie, die Familie dieſes im treuen Dienſte fürs
Vaterland gebliebenen verdienten Beamten meiner aufrichtigſten
Teilnahme zu verſichern. Reichspräſident Ebert.
Neue Verhaftungen in Eſſen.
UU. Eſſen, 11. Febr. Die Bergwerksdirektoren Lettau
und Roſſel wurden ohne Angabe von Gründen durch die
Franzoſen verhaftet.
Frankreich in Marokko,
Madrid, 11. Febr. (Wolff.) Wie die Zeitungen melden,
hielt der franzöſiſche Abgeordnete Fribourg in Tanger
eine Rede, worin er zum mindeſten unter der Souveränität des
Sultans die franzöſiſche Vorherrſchaft in Tanger
verlangte und erklärte, die Internationaliſierung
Tangers würde nur Deutſchland nützen. Dem Vortrag wohnte
der franzöſiſche Geſandte in Tanger bei, der den Red=
ner
lebhaft beglüchwünſchte.

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 12. Februar 1923.

Nummer 20.

Der Völkerbundsausſcheß.
Die Rüſtungsbeſchränkung vorläufig begraben.
Genf, 10. Febr. (Wolff.) Der Völkerbundsausſchuß für
Rüſtungsbeſchränkungen beriet heute über den Ga=
rantievertrag
, den die Völkerbundsverſammlung im
Jahre 1922 auf Lord Robert Cecils Antrag anregte. Die
damals aufgeſiellten Leitſätze waren 1. den einzelnen Mit=
glüdsſtaaten
zur Gegenäußerung zugegangen, von denen aber
nur Albgnien, Bulgarien, Rumänien und Panama antwor=
teten
; 2. dem ſtändigen militäriſchen Sachverſtändigenausſchuß
desVölkerbundes; 3. dem gemiſchten Ausſchuß für Rüſtungs=
beſchränkungen
, der auf Beſchluß der Verfammlung einen Ver=
tragsentwurf
ausarbeiten ſoll. Lord Robert Ceeil unterbrei=
tete
heute dem Ausſchuß einen ſolchen Entwurf, der ſieben Ab=
fchnitte
und 25 Artikel enthält.
Im Abſchnitt 1 verpflichten ſich die Signatarmächte zu einer
ſpäter feſtzuſetzenden Beſchränkung der Streitkräfte.
Die Abſchnitte 2 und 3 beſtimmen die Maßnahmen, die zu er=
greifen
ſind, wenn in Friedenszeiten eine der Signatarmächte
ſich bedroht fühlt, und ſich ſonſt auf die Ausarbeitung von
neuen Verträgen zum Schutze der Bedrohten und auf Mah=
nungen
an den drohenden Teil durch den Völkerbundsrat be=
ſchränken
. Nur wenn dieſe Drohung über ſechs Monate dauert,
kann zum Abbruch des Handels und der finanziellen Beziehun=
gen
geſchritten werden. Die Artikel 4 bis 6 gelten dem eigent=
lichen
Kriegsfall. Danach hat der Völkerbund beim
Ausbruch von Feindſeligkeiten, woran eine Signatarmacht be=
teiligt
iſt, auf Anzeige hin ſofort innerhalb vier Tagen feſtzu=
ſtellen
, wer den Krieg begann, wobei in der Regek derjenige als
Angreifer gilt, der in fremde Gebiete eindringt. Nach
erfolgter Feſtſtellung verhängen die anderen Signatarmächte
die volle Blockade gegen den Angreifer und betei=
ligen
ſich außerdem an allen militäriſchen Operationen unter
Leitung des Generalſtabes der vom Völkerbunds=
rat
mit dem Oberbefehl betrauten Signatarmacht. Jede Macht
hat dabei mindeſtens ein Viertel der geſamten Streitkräfte bei=
zuſteuern
, jedoch, wenn ſie in einem anderen Erdeil liegt, nur
ein Viertel der Seeſtreitkräfte. Nach Abſchnitt 6 können auch
die dem Völkerbund nicht angehörenden Staaten beitveten, wie
auch ein bedingungsloſer Beitritt vorgeſehen iſt. Artikel 21 die=
ſes
Abſchnitts lautet: Durch dieſen Vertrag werden keinerlei Be=
ſtimmungen
der Friedensverträge von Verſailles, St. Germain,
Neuilly und Trianon eingeſchränkt oder berührt. Teil 7 ſieht
vor, daß der Vertrag in Kraft tritt, wenn er von England, Ita=
lien
, Frankreich, Deutſchland und Rußland ratifiziert worden
iſt. Lord Robert Cecil erklärte jedoch Preſſevertretern auf An=
frage
, daß mit einer Aenderung dieſes Artikels zu rechnen ſei,
und die Ratifizerung durch die drei alliierten Mächte genügen
würde.
In der Ausſprache, die unter Ausſchluß der Oeffentlichkeit
ſtattfand, machte der frühere italieniſche Außenminiſter Schan=
zer
nationale Einwände geltend. Der franzöſiſche Arbeiter=
vertreter
Jouhaux trat für Annahme ein. Viviani, der
Präſident des Ausſchuſſes, hielt eine ſehr heftige Rede, worin
er Deutſchland der Schuld am Kriege bezichtigte und
auf die ſtändige weitere deutſche Gefahr hinwies. Er lehnte
die Einzelberatung ab und forderte Vertagung. Dieſe Auf=
faſſung
drang durch. Es wurde beſchloſſen, den Vertrags=
entwurf
des Unterausſchuſſes dem militäriſchen Sachverſtändi=
genausſchuß
des Völkerbundsrats zu übergeben, der bis zur
nächſten Sitzung des Ausſchuſſes für Rüſtungsb=ſchränkungen,
die im Mai ſtattfinden ſoll, ſein Gutachten abgeben ſoll. Damit
iſt, wie voraauszuſehen, dieſe Frage vorläufig begraben.
Hochwaſſerkataſtrophe in Ungarn.
Budgpeſt, 11. Febr. (Wolff.) In Neupeſt ergoß ſich
das Hochwaſſer der Donau im Laufe der Nacht wie im Katarakt
in die Stadtteile am Ufer. Die Poliziſten und Rettungsmann=
ſchaften
arbeiten ſeit Mitternacht unausgeſetzt, um die Habſelig=
keiten
der Bewohner der überſchwemmten Häuſer zu
bergen. Vormittags war ein großer Teil der obdachloſen Be=
völkerung
bereits untergebracht. In Altofen ſteht der größte
Teil der Schiffswerften unter Waſſer. Das Hochwaſſer drang
auch in die Waſſerwerke von Kapoſtzasmogher ein und verur=
ſachte
eine empfindliche Störung in der Waſſerverſorgung der
Hauptſtadt. In der Oper, ſowie in mehreren Theatern, die keine
eigenen Hochdruckwaſſereinrichtungen haben, konnte heute keine
Vorſtellungen ſtattfinden.
H

Erdroſſelung der weſtdeutſchen Induſtrie
als Ziel der franzöſiſchen Schwerinduſtrie.
In der franzöſiſchen Schwerinduſtrie kämpfen zurzeit zwei
Anſichten um die Vorhand. Die eine wird vertreten durch die
nordfranzöſiſche Eiſeninduſtrie unter Führung von Loucheur,
die andere durch die lothringiſche, an deren Spitze hauptſächlich
de Wendel ſteht. Mit der erſten Gruppe wäre eine Verſtän=
digung
unter Umſtänden möglich; davon will die letztere aber
nichts wiſſen, ſo lange nicht die deutſche Eiſeninduſtrie ſo ge=
ſchwächt
iſt, daß ſie die franzöſiſchen Bedingungen vorbehaltlos
annehmen muß. Dieſe gehen in ihren Grundzügen darauf hin=
aus
, die deutſche Induſtrie in engen Zuſammenſchluß mit der
franzöſiſch=lothringiſchen hineinzupaſſen und ſie dann zu zwin
gen, einerſeits die ſtändige Lieferung von weſtfäliſchem Koks,
auf den die lothringiſche Eiſenwerke unbedingt angewieſen ſind,
ſicherzuſtellen, andererſeits den Vertrieb des lothringiſchen Roh=
eiſens
zu ſichern durch Ueberlaſſung der wichtigſten Marktgebiete
der Welt an die lothringiſche Induſtrie.
Die deutſche Eiſeninduſtrie kann ſich auf derartige Pläne
nicht einlaſſen, da deren Verwirklichung ihren Untergang be=
deuten
würde. Während vor dem Kriege Frankreich eine Eiſen=
erzeugung
von rund 5 Millionen Tonnen hatte, kann es jetzt
infolge des Hinzutretens der elſaß=lothringiſchen und der ſaar=
ländiſchen
Induſtrie mit 10 Millionen Tonnen ungefähr das
Doppelte erzeugen. Aufnahmefähig iſt der franzöſiſche Inlands=
markt
aber nur für 3 bis 4 Millionen Tonnen, ſo daß der Reſt
auf dem Weltmarkt untergebracht werden muß, wenn Abſatz=
ſtockungen
vermieden werden ſollen. Bis zum Jahre 1925 haben
gemäß den Beſtimmungen des Friedensvertrages die lothringi=
ſchen
und die ſaarländiſchen Eiſenwerke die Möglichkeit, ihre
Erzeugniſſe zollfrei nach Deutſchland einzuführen. Nach 1925
iſt die zollfreie Einfuhr aber nicht mehr vorhanden, ſo daß die
franzöſiſche Erzeugung dann in anderen Gegenden ihr Abſatz=
gebiet
ſuchen muß. Das heißt mit anderen Worten, daß die
eigentlich franzöſiſche, die elſaß=lothringiſche und die ſaarländi=
ſche
Erzeugung nach 1925 faſt ausſchließlich auf den franzöſiſchen
Inlandsmarkt angewieſen iſt, da der franzöſiſchen Wirtſchafts=
führung
infolge ihrer kaufmänniſchen, techniſchen und organi=
ſatoriſchen
Rückſtändigkeit Erfolge auf dem Weltmarkt nicht be=
ſchieden
ſind. Die Lage muß alſo nach 1925 geradezu kataſtrophal
werden. Wie es jetzt ſchon ausſieht, mag zeigen, daß im Herbſt
1921 in Frankreich nur 15 Prozent der Hochöfen unter Feuer
waren. Wenn auch die rheiniſch=weſtfäliſche Eiſeninduſtrie in
den franzöſiſchen Eiſentruſt hineingezogen würde, wäre die fran=
zöſiſche
Induſtrie zwar von einem ſcharfen Konkurrenten befreit,
zugleich aber der franzöſiſche Inlandsbedarf mindeſtens um das
Vier= bis Fünffache überdeckt. Es iſt ganz klar, daß dann Frank=
reichs
Beſtrebungen zunächſt dahin gehen würden, den eigentlich
franzöſiſchen Werken ihr Abſatzgebiet zu erhalten, und zwar,
wenn es nicht anders geht, auch um den Preis des völligen
Erliegens der rheiniſch=weſtfäliſchen Induſtrie. Denn daß dieſe,
die bisher auf dem Weltmarkt einen großen Teil ihrer Erzeug=
niſſe
abgeſetzt hat, auch in Zukunft dazu in der Lage ſein würde,
erſcheint ausgeſchloſſen. Dagegen ſpricht nicht nur die Wahr=
ſcheinlichkeit
, daß ſich alle anderen Lander durch Schutzzölle gegen
dieſe unerwünſchte Konkurrenz abſchließen würden, ſondern vor
allen Dingen auch die für die unter franzöſiſchem Einfluß
ſtehenden Gewerbezweige immer wieder zu machende Beobach=
tung
, daß alles, was franzöſiſch heißt, in induſtrieller Beziehung
gleichbedeutend iſt mit Rückſchrittlichkeit; auch die rheiniſch= weſt=
fäliſche
Induſtrie würde ſehr bald auf das Niveau der Kon=
kurrenzunmöglichkeit
herabgedrückt werden.
Wir ſehen, daß es unmöglich iſt, ein Wirtſchaftsgebiet, das
ſich im Laufe dek Jahrzehnte ganz beſtimmte Erzeugungs= und
Abſatzquellen geſchaffen hat, ohne weiteres einem anderen Wirt=
ſchaftsgebiet
anzügliedern. Der jetzt ausgebrochene Kampf geht
nicht um die Erhaltung der Selbſtändigkeit der rheiniſch= weſt=
fäliſchen
Eiſeninduſtrie, ſondern um ihre Exiſtenz. Er iſt keine
Frage des Preſtiges, ſondern eine Frage der Exiſtenz.
Ein Verluſt der deutſchen Handelsflotte.
London. Die deutſche Viermaſterbark Adolf Woermann.
die ſich auf der erſten Fahrt von Bremen nach Barrh befand, erlitt Frei=
tag
nacht in der Höhe von Kap Lizard Schiffbruch. Es herrſchte
ſchwerer Seegang, ſodaß ein ausgeſchicktes Rettungsboot das Schiff nicht
erreichen konnte. Schließlich wurde die ganze Mannſchaft unter großen
Schwierigkeiten mit Hilfe eines Raketen=Apparates gerettet.
V
B n m mm

Reichsfürſorge für Ausgewieſene.
TU. Berlin, 11. Febr. Miniſter Oeſer gab im Häupt=
ausſchuß
des Reichstags geſtern folgendes bekannt:
I. Regelung der geldlichen Unterſtützung.
1. Die Flüchtlinge erhalten eine geldliche Unterſtützung in
Höhe des Verdienſtausfalles, den ſie durch die Vertreibung er=
leiden
.
2. Wird ein Flüchtling durch die Vertreibung aus triftigen
Gründen zur Führung eines doppelten Haushalts genötigt, io
ift er angemeſſen zu entſchädigen. Als Maßſtab hierfür wird für
einen Hausſtand, beſtehend aus Frau und Kind, 30 Prozent des
Verdienſtes zugrunde zu legen ſein.
3. Ausgaben für Umzüge und Reiſen werden inſoweit erſetzt,
als dieſe infolge von Maßnahmen der Einbruchmächte erforder=
lich
und unabwendbar geworden ſind.
4. Anträge auf Erſtattung von Sach= und Perſonenſchäde:
ſind an das Reichsminiſterium des Innern zu leiten.
II. Wohnliche Unterbringung.
Für die vorläufige wohnliche Unterbringung der Flüchtlinge
iſt mit Hilfe der ſtaatlichen Behörden Sorge zu tragen. Für
die notdürſtige ſohnliche Unterbringung ſind die Flüchtlinge
darauf hinzuweiſen, daß ſie nach dem in Vorbereitung befind=
lichen
Reichsgeſetz berechtigt ſind, unter Ausſchluß einer Be
ſchwerde an das Mieteinigtngsamt bevorzugte Unterbringung
zu beantragen.
III. Arbeitsvermittlung.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß es den Flüchtlingen darauf
ankommt, möglichſt bald eine Erwerbstätigkeit wieder zu er=
langen
. Dieſe Beſtrebungen ſind nachdrücklichſt zu unterſtützen.
T. Fürſorgeſtellen.
Die Betreuung der Flüchtlinge liegt in der Hand des deut=
ſchen
Roten Kreuzes.
Im übrigen finden die Richtlinien für die Handhabe der
Fürſorge für die Flüchtlinge aus den abgetretenen und beſetzten
preußiſchen Gebieten ſinngemäße Anwendung.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 12. Februar.
Aus den Parteien.
Jugendgruppe der Deutſchen Volksparkei. Ernſt
und ſchwer laſtet die Not der Zeit auf Alt und Jung. Für Heiterkeit
und Frohſinn iſt in dieſen Tagen kein Anlaß. Der Feind im Land, der
in blindwütigem Haß wehrloſen Menſchen gegenüber mit grauſamer Ge=
walt
das zu erzwingen verſucht, was ihm gegen ein Volk in Waffen zu
erreichen nicht möglich war. Feinde ringsum, die in Neid und Gier ſich
unſeres Leids freuen und weit davon entfernt ſind, als ziviliſierte Völker
dem Barbarentum unſeres weſtlichen Nachbarn Einhalt zu gebieten.
Hohle Vergnügungen, zweifelhafte Freuden ſind nicht dazu angetan, uns
über den Ernſt vergangener und noch vor uns liegender Tage hinweg=
zuſetzen
, wohl aber kann uns ein Rückblick in unſeres Volkes große Ver=
gangenheit
, ein Erinnern an gewaltige Taten innerlichen Halt geben,
uns mit Glauben und Hoffnung erfüllen an ein neuzuerſtehendes Vater=
land
. Denken wir da nur an unſere herrliche, unbezwungene Flotte, der
Stolz eines jeden wahren Deutſchen. Für ſie zu wirken war die Aufgabe
des früheren Flottenvereins, der jetzige Seeverein entwickelt ſeine Tätig=
keit
dahin, in allen Volkskreiſen Verſtändnis und Intereſſe für die mari=
timen
Angelegenheiten und Notwendigkeiten unſeres Staates zu erwecken.
Es iſt dankbar zu begrüßen, daß es gelungen iſt, in dem Schatzmeiſter
des heſſiſchen Landesausſchuſſes des Deutſchen Seevereins, Herrn
Major Vollmar, einen Redner zu gewinnen, der am kommenden Mitt=
woch
, den 14. d8. Mts., abends 8 Uhr, im großen Saal des Feierabend
einen Vortrag mit zahlreichen Lichtbildern halten wird über Eine Fahrt
an die Waſſerkante‟ Unſere ſtolze Flotte wird im Bilde vor uns er=
ſtehen
, wer könnte ſich nicht daran begeiſtern? Der Vortrag iſt öffentlich
und verdient größtes Intereſſe in allen Kreiſen. Zur Deckung der ent=
ſtehenden
Unkoſten wird ein geringes Eintrittsgeld erhoben.
zw. Langen, 11. Febr. Ausgewieſen. Oberförſter Reiß von
hier wurde wegen dienſtlicher Vergehen von den Beſatzungstruppen aus
dem beſetzten Gebiet ausgewieſen. In unſeren Ortſchaften der Um=
gebung
werden Plakate angeſchlagen, wonach nur Waren mit Ge=
nehmigung
des Einfuhramtes Ems eingeführt werden dürfen, bei Mei=
dung
der Beſchlagnahme. Dieſes Amt exiſtiert bekanntlich ebenſowenig
wie für die Franzoſen, die, in Zivil gekleidet, die neutrale Zone und das
unbeſetzte Deutſchland ausakufen und die Waren mit ins beſetzte Gebiet
oder nach Frankreich verſchleppen. Alles das geſchieht natürlich nur mit
den von uns erpreßten Geldern.

Heſſiſches Landestheater.
Kleines Haus.
Die Marionettenbühne.
In einer Sondervorſtellung vor geladenem Publikum
Vertretern der ſtädtiſchen und Staatsbehörden, der Gewerk=
ſchaften
, der Lehrerſchaft und der Preſſe wurde geſtern vor=
mittag
im Kleinen Hauſe die Marionettenbühne eröffnet. Herr
Bühneninſpeltor Kranich ſprach vor der Vorſtellung herzliche
Begrüßungsworte im Namen der Generaldirektion und der Lei=
ter
der Marionettenſpiele. Das zahlreiche Erſcheinen beweiſt die
frendige Anteilnahme an dem neuen Kunſtunternehmen, das am
Jahrestage der Neueröffnung des Kleinen Hauſes ins Leben
gerufen wurde. An dieſem Tage, da vor einem Jahre der Bund
zwiſchen dem großen und kleinen Theater geſchloſſen, ſei ein
freudiges Ereignis zu vermelden: die Erſtehung der neuen
kleinſten Bühne. Es handle ſich darum nicht um eine ge=
wöhnliche
Hauptprobe, ſondern um eine Darmſtädter Familien=
feier
, eine Tauffeier. Zu dieſer erbitte man die Annahme
der Patenſchaft durch die geladenen Gäſte, beſonders die Lehrer=
ſchaft
, damit das Patenkind bei der Jugend in der Schule
empfohlen werde und durch künftige Unterſtützung der Jugend
Darmſtadts der Ausbau des neuen Unternehmens möglich werde.
In welchem Sinne das Ganze aufzufaſſen ſei, das verrate der
vom Direktor Kaſperl geſprochene (von Robert Schneider
gedichtete) Prolog. Mit Dank gedachte der Redner dann der
tatkräftigen und treuen Mithilfe der Herren Profeſſor Kurt
Kempin und Gg. Göbel, der Kunſtgewerblerin Frl. Elli
Büttner des Theatermeiſters Pfeiffer, Beleuchtungs=
inſpektors
Weil und des Oberbeleuchters Schott.
Dann trat Kaſperl in Aktion und ſprach dieſen Prolog:
Schaut her ich bins! Ja, gell, do dhut Ihr gucke?
De Kaſper in heechſt eigener Perſon,
Der dhut jetzt aach noch im Theater ſpucke
Un zeigt ſich an der Kunſt geweihtem Thron.
Un in de Hand duht ihm die Narrnbritſch jucke.
Ihr Annern fragt verächtlich un voll Hohn:
Was ſoll in dene jammervolle Zeite
Der ganze Borzzenellekram bedeite ?!?
18 is wohr! Es gleicht in ihrm verrickte Haſte
Die Welt in dere iwerrickſe Zeit
Heit ſelwert ſo me Borzzenellekaſte,
Wo Ihr des Schickſals Zobbelbajatz ſeid!
Un ruht uff Eich an Kummer viel un Laſte,
An Not un Sorje, no, dann ſeid geſcheid,
Dhut noch ſo arg mer an de Kordel zobble,
Mißt Ihr erſt recht den Lewensmut verdopr
Un wie ſich aach die Zukunft mög geſtalte,
Waaß ach kaa Deiwel, wo es geht enaus,
Aa Fünkche Frohſinn mißt Ihr Eich erhalte,
Sunſt halt Ihr’s uff die Dauer gor net aus:
Wer Driebſal bleeſt den zwinge die Gewalte,
Wer fröhlich is der hilft ſich widder raus;
Drum wolle mir uff kurze Aageblicke
Dem graue Alldag Eich emal entricke!

Gebt mer die Hand un wannert unerſchrocke
Mit mir ins liewe Märcheland zurick,
Die Fantaſie uff fliegelleichte Socke
Verſchafft Eich ſchnell das ungewohnte Glick.
Im Märche dhut des Gute noch frohlocke,
Dem Böſe ſitzt der Deiwel ſchnell im Gnick.
Was mer ſymboliſch oft im Märche ſehe,
Will’s Gott, dhut’s aach in Wirklichkeit geſchehe!
Doch kennt Ihr in dem Spiel, des mir jetzt bringe,
Mal widder Kinner unner Kinner ſei!
Heert widder Ihr des Zauwerglöckche klinge,
Drotz Leid un Not, im diefſte Herze drei
Dann dhut uns ſicher unſer Werk gelinge,
Dann werd uns aach Erfolg beſchiede ſei.
In dieſem Sinn, do loßt uns jetzt beginne.
Glick auf zum Werk des Annere werd ſich finne!
Dann kam die erſte Vorſtellung, die am Nachmittag vor aus=
verkauftem
Hauſe wiederholt wurde. Hunderte begehrten ver=
geblich
noch Einlaß. Wie der äußere, ſo war auch der künſt=
leriſche
Erfolg ſehr groß, ein Beweis, daß die Menge der
Theaterbeſucher ſich nach den nervenanſpannenden Darbietungen
der modernen Kunſt ſich nach primitiver guter Kunſt zurückſehnt.
Gleich zahlreich wie die Jugend waren Erwachſene erſchienen,
die den Vorgängen auf der kleinem außerordentlich künſtleriſch
ausgeſtatteten Bühne aufmerkſam folgte und das Märchenſpiel
vom Aſchenbrödel, das an farbenprächtigen, mit allem Zauber
romantiſcher Bühnenkunſt umgebenen Bildern vorüberzog, mit
rauſchendem Beifall begrüßte. Ueberraſchend, wie wirkungsvoll
die Szenen geſtaltet waren und wie groß die kleinen Darſteller
in der geſchickten Beleuchtung und Aufmachung erſchienen. Ueber=
raſchend
auch, wie trefflich man ſchnell gelernt hat, die Figuren
zu bewegen und ſie ſprechen zu laſſen. Ein dankbares und bei=
fallsfreudiges
Publikum, wie das kleinſte Haus, hat weder
das kleine noch das große kaum gefunden.
Eine ausgezeichnete Muſik, die die Handlung treffend um=
rahmte
und illuſtrierte, teilweiſe melodramatiſch begleitet, hat
Graf Kalkreuth beſonders geſchrieben, und der Komponiſt
hat auch die muſikaliſche Leitung übernommen.
A. St.

Darmſtädter Ausſtellungen.
Kunſtſalon Sonnthal.
* Von den jungen Darmſtädtern iſt Auguſt Soeder in
der gegenwärtigen Ausſtellung im Kunſtſalon Sonnthal ſehr gut
vertreten. Seine beiden Schneelandſchaften aus dem Schwarz=
wald
ſind von bemerkenswerter Ruhe, ohne daß ſie dadurch an
Friſche des Impulſes irgendwie einbüßten. Wie bei vielen
Zeitgenoſſen, iſt die Wandlung zu ruhigerem, ſachlicherem und
geſunderem Kunſtausdruck auch bei Soeder unverkennbar, geſun=
der
Impreſſionismus beherrſcht dieſe Malerei. Auch die Kol=
lektion
farbig ſtarker und reicher Sommer= und Herbſtland=
ſchaften
aus Odenwald und Bergſtraße zeugen von dieſer Ent=
wicklung
, die der Kunſt dunchaus zugute kommt. Walter
Reitzel ſtellt ein koloriſtiſch ſtark betontes lebendiges Blumen=
ſtilleben
aus, Ernſt Eimer eine kleine Kollektion recht guter
Landſchaften aus Schwarzwald und Odenwald, Georg Alt=

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heim einen ſehr fein geſtimmten Sommernachmittag, dem er
auch einen abſonderlich reizvollen Bildausſchnitt gab, und Alt=
meiſter
Kröh iſt mit dier kleinen Odenwaldlandſchaften von
beſonders freudiger Farbigkeit und Friſche vertreten, die das
große Kirchbeerfurth im Kolorit zurückhaltend und gar zu
ſachlich in der liebevollen Durcharbeit, überſtrahlen.
Von auswärtigen Künſtlern beherrſchen die Münchener das
Feld, deren ſympathiſche, ruhige und auf gut fundiertes Können
baſierende Malerei einem privaten Kunſtſalon in vielfacher Be=
ziehung
zum Vorteil gereicht und die doch immer der Kunſt
etwas geben, wenn die Auswahl ſo getroffen wird, wie es hier
der Fall iſt. H. Theiß (einer der begabteſten Schüler des Tier=
malers
v. Zügel) ſtellt zwei große Bilder aus: eine von ſaftig
friſchem Grün beherrſchte Landſchaft mit Schafherde und eine
Dorfanſicht mit einem Paar Kühen im Waſſer. Die letztere iſt
für Theiß’ Malweiſe und Kunſtauffaſſung typiſch. Farbenfrohes
Kolorit, gut ſtudierte Bewegung der Tiere, flotte, lockere Pinſel=
führung
leihen dem Bild Leben und Friſche. Ein ſehr feines,
beſonders techniſch ausgezeichnet durchgearbeitetes Blumenſtück
voll Duft und Bluſt ſtellt E. Beithan (Buchſchlag) aus, auch
W. A. Hildenbrandt (München) iſt mit einem ſolchen ver=
treten
, während Paul Joh. Walch eine große Gebirgsland=
ſchaft
im Schnee wit Brücke und Haus im Vordergrund aus=
ſtellt
, in der die Leuchtkraft der Farben frappiert. Otto
Dill (München) iſt mit einem keinen aber für ſeine Malerei
charakteriſtiſchen, ausgezeichnet beobachteten Löwengruppenbild
vertreten. Akte und Halbakte von beſonderem ſinnlichen Reiz
und ausgezeichneter Bildwirkung ſtellt v. Szankowsky
(München) aus, der in dieſen trefflichen Werken auch glän=
zende
Bewegungsſtudien gibt, und der bekannte Marinemaler
Klaus Berger iſt mit zwei illuſtrativen Bildern vertreten,
die, abgeſehen von ihrer künſtleriſchen Beurteilung, wehmütige
Erinnerungen wecken; ſie bringen Darſtellungen aus Tagen, die
nicht mehr ſind, die Deutſchland aber im Glanze ſeiner ſtrah=
lenden
Höhe zeigten U=Boots=Taten! Aus längſt ver=
gangenen
Tagen herüber klingen auch die Darſtellungen von
Th. Grätz (München), die lebhaft an die bekannten Künſtler=
Steinzeichnungen beſchauliche Dorf= und Kleinſtadtbilder
erinnern, und W. Schreuer (Düſſeldorf), der in intereſſanter
Technik und meiſterlicher Charakteriſierung eine Reiſegeſellſchaft
auf der Raſt darſtellt in einem Bilde, reich an Inhalt und bis
in Einzelheiten (Bewegung der Pferde uſw.) gemeiſtert.
Die Graphik vertritt hervorragend C. Bauer (München)
mit einer Kollektion ausgezeichneter Radierungen. Meiſt Akte und
Halbakte im Freien, auch mondäne Darſtellungen von wunder=
barer
Feinheit der Technik und meiſterhafter Darſtellungskunſt.
Auch Carl Ritter, Eberhardt und Stager ſind
mit guten graphiſchen Mappenwerken vertreten. I. St.

Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
*c Automatiſche Telephonapparate, die es
ermöglichen, daß jeder Abonnent direkt von ſeinem Apparat aus
die Verbindung mit einem anderen Abonnenten ſelbſt herſtellen
kann, wurden in Höngg (Kanton Zürich) dem Verkehr über=
geben
. Die Neueinrichtung funktioniert tadellos, die Handhabung
iſt denkbar einfach.
*g Der Verein der Schweizer Preſſe begeht in
dieſem Jahre das 40jährige Jubiläum ſeines Beſtehens.

[ ][  ][ ]

Rummer 42.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 12. Februar 1923.

Seite 3.

w. Mainz 11. Febr. Knebelung der Prefle. Seit geſtern
iſt hier verſchärfte Briefzenſur eingeführt. Beſonderes Augenmerk legen
die Franzoſen auf die Zeitungen. In einer Verordnung wird mitgeteilt,
daß verboten ſind: Für 10 Tage: Die Oberſteiner Neueſten Nachrichten,
Maizer Anzeiger, Mainzer Volkszeitung, Trieriſche Volkszeitung; für
15 Tage: Kreuznacher Zeitung, Oeffentlicher Anzeiger Kreuznach, Neue
Wiesbadener Zeitung; für 1 Monat: Paulinusblatt Trier, Frankfurter
Nachrichten, Frankfurter Zeitung, Tag=Berlin; für 3 Monate: Große
Berliner Illuſtrierte und die Deutſche Allgemeine Zeitung.
yr. Gießen, 10. Febr. Ettinghauſen im Kreiſe Gießen hat
ſeine Wald= und Feldjagd in dieſem Jahre für 4 Millionen Mark ver=
bachtet
.
th. Butzbach, 10. Febr. Die Butzbach-Licher=Bahn hat auf
der Strecke zwiſchen Lich und Grünberg den Verkehr wegen Kohlenman=
gels
bis auf einen Güterzug eingeſtellt. Auch auf der anderen Strecke
Butzbach-Lich-GriedelBad=Nauheim iſt der Zugverkehr eingeſchränkt
worden.
Das Reichsmietengeſetz.
* Beim Heſſiſchen Landtag wurde die nachſtehende Petition ein=
gereicht
:
Das Heſſiſche Geſamtminiſterium hat am 13. Juni 1922 zur Aus=

noch weiter beſtehen zu laſſen. Hier follte man den Mut haben, das
BGB. zu ändern. So ſagt das am 1. Januar 1912 in Kraft getretene
ſchwveiz. ZGB. in Art. 263 Abſ. 2 OR.: Die kleinen, für den gewöhn=
lichen
Gebrauch der gemieteten Sache erforderlichen Reinigungen und
Ausbeſſerungen liegen dem Mieter, die größeren Wiederherſtellungen
dem Vermieter ob, je nach Maßgabe des Ortsgebrauchs. Es wäre alſo
praktiſch, die Reparaturpflicht hinſichtlich der kleinen Inſtandſetzungs=
arbeiten
ganz zu Laſten des Mieters zu regeln. Bleiben die ſog.
großen Inſtandſetzungsarbeiten, hier führt Art. 5 Heſſ. V. auf: Als D. 4. I. Die Vereinigung der deutſchen Buchhändler in Sieben=
große
Juſtandſetzungsarbeiten gelten ferner: 1. Erd= und Pflaſver=
arbeiten
, die zur Erhaltung des Gebäudes notwendig ſind, 2. Beſeiti=
gung
unterirdiſcher Rohrbriche, 3. Erneuerung von Schornſteinköpfen,
4 Erneuerung von Balkenlagen, 5. die Beſeitigung von Hausſchwamm.
Die Gemeindebehörden können ferner auch andere, einen größeren
Koſtenaufwand erfordernde Arbeiten als große Inſtandſetzungsarbeiten
bezeichnen. (Vgl. Regelung für Darmſtadt in 8 2d der Anordnung
vom 23. September 1922.) Hier wären nach preußiſchem Vorgang
noch beizufügen: Abputz oder Anſtrich dee ganzen Flächs der Hinter=
front
eines Hauſes oder eines Seitenflügels. 8 7 RMG. handelt von
den Hauskonten. Hier empfiehlt ſich aus der preuß. V. die Herüber=
nahme
von Abf. 4 und 5. Zu 8 7: Bei der Bemeſſung der Höhe des
Zuſchlags iſt davon auszugehen, daß er mach 8 7 Abf. 1 Zeile 1 des
RMG. und zur Schaffung von Mitteln nicht den Mittel für

führung des Reichsmietegeſetzes (RMG.) vom 24. März 1922 eine große Inſtandſetzungsarbeiten dienen ſoll und nur für die Ver=
Verordnung erlaſſen, die bei der Wichtigkeit der Materie einer genauen zinſung und Tilgung des für die große Inſtandſetzungsarbeit aufge=
Prüfung bedarf, dies um ſo mehr, als das RMG. als Nahmengeſetz! wendeten Kapitals zu verwonden iſt. Abſ. 5: Die Mieter haben den
in ſtarkem Maße die Ausgeſtaltung im Einzelnen der landesrechtlichen Zuſchlag unmittelbar auf das geſterrte Hauskonto einzuzahlen. (Heſſ.
Anordnung überläßt. Wenn man dagegen die preußiſche Ausführungs=

verordnung zum RMG. vom 12. Juni 1922 näher betrachtet, ſo wird
ma zu der Ueberzeugung kommen müſſen, daß die Heſſiſche Verord=
nung
nicht den Intereſſen der beiden Vertragsteile in dem zu wünſchen=
den
Maße gerecht wird. So wird in Art. 3 nur § 3 Z. 1 des RMG.
vehandelt und man vermißt jedes nähere Eingehen auf den Begriff der
Betriebskoſten und den der laufenden Inſtandſetzungsarbeiten.
Die preußiſche Verordnung ſagt: Zu § 3 Abf. 1 Z. 2 und § 4:
a) Als Betriebskoſten oder Nebenleiſtungen gelten: 1. die für das
Haus zu entrichtenden Grund= und Gebäudeſteuern; 2. Entwäſſerungs=
gebühren
(Entgelt für Fäkalienabfuhr); 3. Straßenreinigungsgebühren;
. Waſſergeld; 5. Schornſteinfegergeld; ferner die Koſten für: 6. Mill=
der
Schlackenabfuhr; 7. Treppen= und Flurbeleuchtung; 8. Verſicherung
gegen Feuer=, Glas= und Waſſerleitungsſchäden, ſowie auch Haftpflicht=
zerſicherungen
in ortsüblicher Höhe; 9. Fahrſtuhlbemtzung, ſofern nicht
von den Mieter auf ſie verzichtet iſt: 10. die Verwaltungskoſten,
vorunter ein billiges Entgelt für die für das Haus aufgewandte Tätig=
eit
zu verſtehen iſt. b) Für die Betriebskoſten oder Nebenleiſtungen
ſt ein allgemeiner Hundertſatz feſtzuſetzen. Klar und deutlich muß
uch in Heſſen beſtimmt werden, was alles umter die Betriebskoſten
u rechnen iſt und es iſt nicht zu billigen, daß Art, 4 der Heſſ Verord=
ung
dieſe Beſtimmung der Gemeindebehörde einfach überläßt. Es
jeſteht ſchon jetzt Streit darüber, ob die Kamalbenutzungsgebühr unter
jie Betriebskoſten zu rechnen iſt; die Vermieter ſuchen dieſe auf die
Nieter abzuwälzen, wie ſie andererſeits es für ſelbſwerſtändlich finden,
Waſſergeld und Schornſteinfegergeld von den Mietern getragen
verden. Durch einwandfreie Regelung und Aufzählung aller einze=
en
unter den Begriff Betriebskoſten und Nebenleiſtungen, fallenden
Laſten müſſen hier durch miniſterielle Verordwung klare Verhältniſſe
geſchaffen werden. Nicht erſcheint es geſetzestechniſch angängig, hier
illes der Gemeindebehörde zu überlaſſen. (Art, 4 Heſſ. V.) Es muß
uch weiter erwogen werden, ob nicht ſtatt der Feſtſetzung eines Hun=
ſertſatzes
die Betriebskoſten auf die ſelbſtändigen Wohnungen wie in
Preußen umgelegt werden könnten. Ueber 8 3 3. 3 RMG. ſchweigt die
5eſſ. V. völlig. Und doch erſcheint eine Regelung hier notwendig. Die
reuß. V. beſtimmt zu 8 3 3. 3:
Zu der Feſtſetzung des Hundertſatzes ſagt die Begründung auf
S. 16 des Entwurfs zum RMG. wörtlich: Der Hausbeſitzer evhält
en Zuſchlag für die Juſtandſetzungsarbeiten ohne Rückſicht darauf,
b in dem betr. Jahre derartige Arbeiten erforderlich werden oder
licht; er kann andererſeits aber auch keine Erhöhung des Zuſchlags
verlangen, wenn dieſer in einem Jahre tatſächlich zur Deckung deu
Loſten nicht ausreicht. Den Ausgleich ſoll die regelmäßige Zahlung
es Zuſchlags herbeiführen. Vermieter und Mietervertretung werden
ich alſo zweckmäßig auf einen für längere Zeit aufgeſtellten Verwen=
ungsplan
bezüglich des Zuſchlags für laufende Reparaturen zu einigen
haben. Das Tapezieren bzw. Anſtreichen oder Kalken der Wände und
Decken, das Streichen der Fußböden und der Fenſter und das Anſtrei=
chen
der Türen im den Wohnungen oder ſonſtigen Mieträumen kann
von dem allgemeinen Hundertſatz ausgenommen werden. Die Kom=
nunalaufſichtsbehörde
(KAB.) kann die Herausnahms dieſev oder
undever laufender Inſtandſetzungsarbeiten an den Mieträumen aus dem
illgemeinen Hundertſatz anordnen. Soweit Koſtm für laufende In=
tandſetzungsarbeiten
aus dem allgemeinen Hundertſatz ausgenommen worten hatte. Angeregt durch eifrige Lektüre von Detektivromanen, faßte
ächlich gemachten Reparatunen gegen Vorzeigen der Belege zu tragen.
handwerker berechtigt, die die Arbeiten ausführen ſollen. Er kann die
Urbeiten ſelbſt ausführen, ſofern er die erforderlichen Eigenſchaften hier=
ür
beſitzt. Bei Stzeit über die Notwendigkeit einer derartigen Inſtand=
etzungsarbeit
entſcheidet die im 8 6 RMG. benannte Stelle, ob die
Arbeit auszuführen iſt. Die in Preußen getroffene Regelung er=
cheint
in gewiſſer Beziehung praktiſch, wenn auch nicht verhehlt werden
dapf, daß die Beſtimmung, daß gewiſſe Rebaraturen vom allgemeinen
Hundertſatz ſollen ausgenommen werden können, dem 8 536 BGB.
ſ. auch 8 20 RMG.) widerſpricht. Andererſeits geht es nicht an, die
Repauaturpflicht des Vermieters trotz 8 20 RMG. der Höße nach auf
die gezuhlten Inſtandſetzungsbeiträge zu beſchränken. Denn die amt=
B/24) ſagt: Der Vermieter iſt nicht berechtigt, die Erfüllung des
Mietvertrags, insbeſondere die Beſeitigung von Mängeln, mit dem
Hinweis darauf zu verweigern, daß der Inſtandſetzungszuſchlag zur
Vornahme der zwecks Beſeitigung der Mängel enforderlichen Arbeiten
nicht ausreiche; gegebenenfalls muß er den nicht vorhandenen Betrag
aus Eigenem zuſchießen, was ihm um ſo cher zugemutet werden darf, wegen Raubes fallen, da das Motiv nicht aufgeklärt ſei, und beantragte
Is er den Inſtandſetzungszuſchlag auch erhält, wenn zeitweilig keine
Inſtandſetzugsarbeiten auszuführen ſind.
Es erſcheint aber nicht länger angängig, für ben Vermieter die
Reparatmpflicht auch hinſichtlich der kleimen (laufenden) Reparaturen

V. Art 7 Abſ. 2.). In letzterer Hinſicht iſt die ortsſtatutariſche Nege=
lung
in Darmſtadt zu verwerfen, denn ſie ſetzt den Mieter der Gefahr
aus, daß der Hausbeſitzer die 2 aufeinander folgenden fällig gewordenen
Ziele nicht dem Hauskonto zuführt, davor, daß dies geſchehe, muß der
Mieter geſchützt werden
Die Regelung in Darmſtadt (Anordnung vom 23. 9. 1922) zählt
nicht zu den Betriebskoſten, das Waſſergeld, Straßenreinigungsgebih=
ren
, Müllabfuhrgebühren, dagegen zu ihnen Kanalbenutzungsgebih=
ven
, Schornſteinfegergeld, Brand=, Haftpflicht= und Waſſerſchädenver=
ſicherung
. Der reichsnechtliche Begriff der Betriebskoſten kann doch
in Preußen und in Heſſen nicht verſchieden umriſſen werden! Alſo
bemühe man ſich, hier gleiches Recht zuſchaffen. Unerfindlich iſt
auch, warum das Geſamtminiſterium nur die Einrichtung der
Hauskonten ortsſtatutariſcher Regelung (Art. 7 Abſ. 2 V.) unter=
ſtellte
und im übrigen den Gemeinden freie Hand ließ. Im Intereſſe
einheitlicher Regelung wäre dann ein Ortsſtatut für den ganzen
Bereich der Materie vorzuziehen. Auch Berlin hat zu lokaler Regelung
der Zuſtimmung des Oberpräſidenten bedurft. Die hier gemachten Aus=
ſtellungen
rechtferüigen es wohl, daß der Landtag die Regierung ver=
anlaßt
, eine ſachgemäße nochmalige Reviſion der getroffenen Negelung
für Heſſen eintreten zu laſſen.
Juſtizrat Adolf Lindt, Inſelſtraße 38, I.
Reich und Ausland.

Aus der Reichshauptſtadt.
Der Hypothekengläubiger=Schutzverband für

das Deutſche Reich (Sitz Berlin, Geſchäftsſtelle Biesdorf=Berlin 0,
Dorfſtr. 21/22) hatte zu ſeiner gründenden Verſammlung Sonntag, den
28. Januar, nach den Feſtſälen des Wilhelmshof in Berlin aufgerufen.
In dem überfüllten Saale hatten ſich Hypothekengläubiger aus allen
Schichten der Bevölkerung zuſammengefunden, um in gemeinſchaftlicher
Beratung Entſchlüſſe zu faſſen, wie der Not der Entrechteten des deut=
ſchen
Volkes zu begegnen ſei. Zum erſten Vorſitzenden des Verbandes
wurde Adminiſtrator Kuhn, in deſſen Händen auch die Geſchäftsführung
weiter ruht (Biesdorf=Berlin, Dorfſtr. 21/22) einſtimmig gewählt.
Der Verband hat ſich in erſter Linie die Aufgabe geſtellt, die Hypo=
thekengläubiger
des ganzen Deutſchen Reiches und ferner die Beſitzer von
Obligationen, Pfandbriefen und Anleihen zu ſammeln, um dann nach
Zuſammenſchluß mit voller Wucht der Maſſenorganiſation die Reichs=
regierung
zum Erlaß von Schutzverordnungen für die Entrechteten des
deutſchen Volkes, die nicht die Schlechteſten des Volksganzen ſind, zu ver=
anlaſſen
. Andererſeits ſoll der Nechtſprechung Gelegenheit gegeben wer=
den
, Stellung zu nehmen zu der Wahnvorſtellung, daß Mark gleich Mark
ſei. Die Mitgliederbeiträge werden ſo niedrig gehalten, daß dieſe kein
Hindernis zum Beitritt bilden um auch dem wirtſchaftlich Schwachen ſo=
ziale
Unterſtützung zuteil werden zu laſſen. Der Verband hofft, in der
Hauptſache durch freiwillige Beiträge ſeine Unkoſten zu decken.
Durch Schundromane verdorben. Auf den Spuren ſei=
nes
Vorbildes Sherlock Holmes ſuchte der erſt 16jährige jandwirtſchaft=
liche
Bureauſchreiber Bruno N. zu wandeln, der ſich am Mittwoch wegen
verſuchten Raubes vor der 9. Strafkammer des Landgerichts I zu verant=
ind
, hat jeder Mieten uur die Koſten der in ſeinem Mietraum tat= der junge Mann eine ſolche Neigung für den Detektivberuf, daß er ihn
zu ſeinem Privatvergnügen neben ſeiner eigentlichen Beſchäftigung be=
der
Mieter iſt vor der Vornahme der Reparatur zur Beſtimmung der trieb. Seinen Spürſinn ſuchte er in ganz beſonderer Weiſe an Kontroll=
mädchen
zu erproben, auf die er bei abendlichen Spaziergängen Kriminal=
beamte
aufmerkſam machte. Um ſich durch eigenen Augenſchein von dem
Betrieb in gewiſſen Hotels zu überzeugen, begleitete er eines Nachts das
28jährige Kontrollmädchen Minna S. nach einem Abſteigequartier in der
Koppenſtraße. Auch hier ſpielte er zunächſt den Detektiv, verlangte Legi=
timationspapiere
von ſeiner Begleiterin und erkundigte ſich nach dem
Preis und der Herkunft ihres ſeidenen Jumpers. Plötzlich verſetzte der
Amateur ſeinem Studienobjekt hinterrücks mit einem Schlagring zwei
Schläge auf den Kopf, ſodaß das Mädchen blutüberſtrömt zuſammenbrach.
Dann ſuchte er ſchleunigſt zu entfliehen, wurde aber auf die gellenden
Hilferufe der Ueberfallenen feſtgenommen. Sein Gebaren und insbeſon=
iche
Begründung zum RMG. (Reichstagsdruchſ. 1920/21 Nr. 252 S. dere ſeine Erkundigungen nach dem Preis ihrer Kleidungsſtücke ließen den
Verdacht eines Raubverſuches entſtehen, und er wurde auch unter dieſe
Anklage geſtellt. Nach ſeinen Angaben jedoch hat der Detektiv es aber
nur mit der Angſt bekommen, da er nicht wußte, was er nach Erledigung
ſeiner Recherchen mit ſeiner Begleiterin anfangen ſollte und wie er fort=
kommen
könne. Staatsanwaltſchaftsrat Dr. Polzin, ließ die Anklage
Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Ge=
fängnis
. Das Gericht erkannte auch auf dieſe Strafe und beſchloß, den
Angeklagten ſofort in Haft zu nehmen. Eine Strafausſetzung wurde ab=
gelehnt
. Wie Landgerichtsdirektor Schimmak im Urteil ausführte, müſſe

einen jungen Burſchen, der ſo leichtſinnig mit dem Leben von Mitmen=
ſchen
ſpiele, eine harte Strafe treffen, die er ohne Verzug anzutreten
habe, um ihm die Beſtrafung noch fühlbarer zu machen. Der Fall die=
ſes
Sechszehujährigen, ſo roh ſich ſeine Tat auch ausnimmt, hätte doch
wohl beſſer vor das Jugendgericht gehört. Die wahren Schuldigen ſind
die Verleger der Schundromane und Geſtalter der Schundfilme.
Das deutſche Buch in Siebenbürgen.
bürgen erläßt im Börſenblatt vom 25. Januar eine Mitteilung an die
Verleger, wonach die ſiebenbürgiſch=deutſchen Buchhändler Berechnun=
gen
in anderer als deutſcher Valuta oder mit Valutacufſchlag von 80
bis 100 Prozent künftig zurückweiſen müßten, da dieſe Zuſchläge für
die Geldvenhältniſſe Siebenbürgens deuartig phantaſtiſche Verkaufs=
preiſe
ergaben, daß die Beſteller der Bücher die Annahre mit berech=
tigter
Entrüſtung zurückwisſen. Das literariſch intereſſierte Publikum
könne dieſe Preiſe nicht erſchvingen und die Bücher blieben unver=
käuflich
auf Lager. So müßten die ſiebenbürgiſch=deutſchen Buchhändler
Barſendungen und Fakturen ablveiſen, die eine andene, als die reguläre
deutſche Inlandsberechnung erhielten, wsgegen ſie ſich ehrenwörtlich
verpflichteten, die ſo bezogenen Lücher außerhalb Sicbenbürgens an
keine Wiederverkäufer abzugeben. Namhafte deutſch= Verleger ſetzten
ſich für dieſe Maßregel ein, denn die in jüngſter Zeit beliebten Berech=
mungen
bedeuteten nichts mehr und uichts weniger, als das Zerreißen
unſerer geiſtigen Zuſammenhänge mir dem deutſchen Muttorlande und
den ſicheren Ruin des deutzſchen Buchhaudels in Siebenbürgen. Dieſer
würde in Kürze vernichtet, ſein Wiederaufbau aber Jahrzehnte dauer.
Zum Brand des Mailänder Zentralbahnhofs.
* Durch einen geheizten Ofen im Billettbureau entſtand 11 Uhr nachts
das Feuer, das das große Gebäuds bis 6 Uhr früh völlig zerſtörte. Auch
die Kuppel iſt eingeſtürzt. Die Kaſſen mit 10 Millionen Lire konnten ge=
rettet
werden. Es eilten ſofort Feuerwehr und Fasziſtenabteilungen
auf den Brandplatz. Der Straßenbahnverkehr in der nächſten Umgebung
des Bahnhofs wurde ſofort eingeſtellt und die Leitungen abgenommen.
Auch die Telegraphenzentrale wurde ſofort iſoliert. Die Billettausgabe
erfolgt durch die Reifebureaus der Stadt. Der Schaden iſt beträchtlich,
Menſchenleben nicht zu beklagen.
8
Spiel, Sport und Turnen.
Olympia=Lorſch A=Meiſter des Gau Bergſtraße‟.
V.f. R. Darmſtadt,Olympia=Lorſch 0:2 (0:0).
Die beiden Bezirksmeiſter der A=Klaſſe des Gau, Bergſtraße trafen
ſich geſtern zum Entſcheidungsſpiel um die Gaumeiſterſchaft. Voraus=
gegangen
waren dieſem Treffen zwei Spiele, Vor= und Rückſpiel um
den 4=Meiſtertitel, von denen V.f.R. und Olympia je eines gewonnen
hatten, ſodaß die Partie ſchließlich remis ſtand. Zum geſtrigen Entſchei=
dungsſpiel
ſprach man Lorſch größere Ausſichten zu, da es ſich für ſeine
1:0=Niederlage am vergangenen Sonntag mit 7:2 reichlich revanchiert
hatte, und auch die klaſſiſche Landwüſte der Germania=Pfungſtadt, auf
der das Entſcheidungsſpiel ſtattfand, den Platzverhältniſſen Lorſchs mehr
entgegen kommt, als denen des V.f.R. Mit 2:0 Toren blieb auch Lorſch
verdient Sieger, wenn auch nicht der ſichere, für den man es zu halten
geneigt war. Wohl zeigte es in allen Linien zeitweiſe beſtehendes Spiel,
aber nicht jene Superiorität, die auch einen Sieg gegen die komplette
Mannſchaft des V.f.R. ſichergeſtellt hätte. Zwar trat V.f.R. komplett
an, ſogar mit Friedmann im Tor, aber V.f.R. hatte in Dillmann, der
an alter Verletzung laborierte, von Anfang an einen Statiſten, der ſchließ=
lich
noch ausſchied. Trug alſo das ganze Spiel mit 10 Mann aus und
hielt ſich in Anbetracht dieſes Umſtandes noch recht wacker. Insbeſondere
Friedmann zeigte Hervorragendes und war die Hauptſtütze ſeiner Mann=
ſchaft
. Er konnte die beiden Tore nicht verhindern; verdient vielmehr
und erntete auch für ſeine Leiſtungen er wehrte u. a. einen plazierten
Elfmeter für Lorſch glänzend als der Beſte auf dem Platze höchſte An=
erkennung
. Auch die V.f.R.=Verteidigung und Läuferreihe hielt ſich ſehr
gut und das Spiel bis 20 Minuten vor Schluß torlos, bis Lorſchs Mittel=
läufer
mit unheimlich ſcharfem Strafſtoß von der Strafraumgrenze über
den Kopf des das V.f. R.=Tor deckenden A. Waldhaus hinweg zum 1. Tor
einſandte. Noch war der Ausgang des Spiels ein ungewiſſer, trotz nicht
zu verkennender Ueberlegenheit der Lorſcher, als Lorſch eine Minute vor
Schluß ſeinen Sieg und Meiſtertitel durch ein zweites Tor, das der Mit=
telſtürmer
Lorſchs aus nächſter Entfernung erzielte, ſicherſtellte.
Die Mannſchaften ſtanden:
V.f.R.
Friedmann
Schmidt. A. Waldhaus,
H. Weicker, Meher, P. Dillmann,
Berger, H. Waldhaus, Müller, K. Weicker, Nung=
Jakob, Spahl, Diehl, Metz, Valter,
Joſt, Bechtel, Behres,
Walter, Eberle,
Olympia.
Ludwig.
Schiedsrichter Köhnlein, Wiesloch, leitete gut. Den Sieger ehrte die
Gaubehörde durch eine prächtige Kranzſpende, die der Gauvorſitzende,
Herr Bohnſack=Darmſtadt, mit herzlichen Glückwünſchen überreichte, A.H.
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[ ][  ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Moutag, den 12. Februar 1923.

Nummer 42.

Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintierzucht und Siedlungsweſen

Februararbeit im Obſt= und Gemüſegarten.
Die Frühjahrsbeſtellung beginnt zwar noch nicht ſelbſt, ſie
gibt uns aber ſchon ein Arbeitsprogramm in allerlei Vorbe=
reitungen
. Je weiter wir damit kommen, deſto planmäßiger
erledigen ſich nachher die eigentlichen Beſtellungsarbeiten. Jeder
milde Tag iſt daher für rückſtändige Grabarbeiten zu nutzen.
Der gebrauchsfertige Kompoſt wird aufs Land gefahren und ver=
teilt
. Den vorjährigen Haufen arbeiten wir um, und zu einem
neuen wird der Grund gelegt. Gartenbauten, Zäune und Wege
ſind auszukeſſern und alle Gartengeräte geordnet bereit zu
halten. Gegen Ende des Monats können wir in warmen ſan=
digen
Boden ſchon manche Ausſaat machen, ſo Möhren, Karot=
ten
, Schwarzwurzeln, Spinat, Feldſalat, Zwiebeln und Peter=
ſilie
, ferner von Küchenkräutern, Dill, Fenchel, Thymian, Kerbel
und Kümmel. Auch die erſten Erbſen und Puffbohnen können
gelegt werden. Bei Eintritt ſchärferen Froſtes tut man indeſſen
gut, dieſe Saatbeete etwas zu bedecken. Die Anlage der Miſt=
beete
, ihre Bepflanzung und Pflege, die Ausſaat der Früh=
gemüſearten
in lauwarme Käſten zur Erzielung zeitiger Setz=
pflanzen
für kalte Käſten und für das freie Land ſind weitere
Februararbeiten. Die erſten Frühbeete bepflanzt man mit über=
winterten
Salatpflanzen. Dazwiſchen ſät man Radieschen, Feld=
ſalgt
. Für halbwarme Käſten wählt man Karotten, Radieschen,
Frührettiche, Blumenkohl, Kohlrabi, Wirſing, Gurken und Me=
lonen
, um Setzlinge für die im März zu bepflanzenden warmen,
halbwarmen und kalten Käſten und für das freie Land im April
zu haben. Gegen Ende des Monats beſät man einen halb=
warmen
Kaſten auch mit Sellerie, Tomaten und Porree.
Im Obſtgarten beſchäftigt uns bei offenem Wetter die Früh=
jahrspflanzung
. Die im Herbſt ausgeworfenen Baumgruben
werden aufgefüllt, damit ſich das Erdreich bis zur Pflanzung
noch ſetzen kann. Der Schnitt der Obſtbäume ſollte ſchon beendet.
ſein. Für den Schnitt des Weinſtocks iſt jedoch gerade jetzt die
rechte Zeit. Deutet mildes Wetter gegen Ende des Monats auf
Winters Abſchied, dann kann man auch Pfirſiche und Aprikoſen
beſchneiden. Alte Obſtbäume verjüngen wir, indem wir ſie von
abgetragenen Aeſten befreien und ihnen die Möglichkeit geben,
neue kräftige Triebe zu entwickeln. Mit dem Umveredeln un=
fruchtbarer
Bäume oder ungeeigneter Sorten kann man bei Kir=
ſchen
und Pflaumen bereits beginnen. Zu beſchleunigen iſt das
Pflanzen von Beerenſträuchern, da dieſe am früheſten austreiben.
Jungen Bäumen und Beerenſträuchern führen wir durch Unter=
graben
von Kompoſt neue Nährſtoffe zu, alte Bäume erhalten
flüſſige Dunggüſſe. Bei allen dieſen Arbeiten achten wir auf
Ungeziefer an Bäumen und Sträuchern; alle abgenommenen
Zweige, abgeſtorbenen Rindenteile und dergl. verbrenne man
am beſten. Die Leimringe haben nun ihre Pflicht erfüllt und
werden abgenommen und ebenfalls verbrannt.
Geflügel=, Kleintier= und Bienenpflege im Februar.
Die wiederbeginnende Legetätigkeit der Hühner läßt manchen
ungeduldigen Züchter ſchon an das Setzen von Glucken denken;
ſolche frühe Bruten ſind jedoch nur dort ratſam, wo warme Auf=
zuchträume
und entſprechende Geräte zur Verfügung ſtehen.
Trotz aller Sorgfalt gedeihen die Kücken aus ſolchen Frühbruten
meiſt weniger gut als ſpäter erbrütete. Die Zuchtſtämme müſſen
natürlich ſchon zuſammengeſtellt werden. Nur Tiere, die ſich
völlig aneinander und an ihre Umgebung gewöhnt haben, brin=
gen
gute Brutergebniſſe. Die Legeneſter find inſtandzuſetzen und
nötigenfalls neu berzurichten. Auf vier bis fünf Hühner rechnet
man ein Neſt. Bruteier verſieht man mit dem Legedatum und
bewahrt ſie kühl und dunkel auf. Sie ſollen auch täglich um
ihren halben Umfang gedreht werden. Beim Unterlegen dürfen
ſie nicht älter als zwei Wochen ſein. Enten läßt man nicht vor
9 Uhr aus dem Stall, damit ſie die Cier nicht ins Waſſer ver=
legen
. Sie plegen früh morgens zu legen. Für die Tauben iſt
die Zeit günſtig, ſie neu= und umzupaaren. Sie ſchreiten bald
zur Brut.
Von frühzeitig gedeckten Ziegen iſt bald Nachwuchs zu er=
warten
. Die trächtigen Tiere müſſen beſonders behandelt wer=
den
. Man läßt ſie allmählich trocken ſtehen; denn das allzulange

Das helle Licht.

35,

Roman von Friedrich Kipp.
(Rachdruck verboten).

Und er ſagte ihm, daß er bleiben ſolle und wies ihm ein
Zimmer an, eine kleine, hübſche Kammer. Und er bereute die
Tage, Wochen und Monate hindurch nicht, daß ihm das Schickſal
Hans Weiß, von dem er nicht wußte, von wannen er gekommen
war, ins Haus gebracht hatte. War er doch arbeitſam, ehrlich und
treu, und hatte eine weiche Hand für die ſchwarzen Arbeiter, die
ſich willig zeigten, aber eine harte für die, die da widerſtrebten
und dem Herrn den Tag ſtehlen wollten.
und nun ward Wallenhorſt plötzlich an heftigem Fieber
krank, und keinen treueren Pfleger hätte es für ihn geben können,
wie Hans Weiß, der ſeinen Herrn, deſſen Weichheit und Güte er
kennen gelernt hatte, mit der Seele liebte, und von dem er bald
wußte, daß er ſich mit einem Schmerze trug, nach deſſen Urſache
er aber nicht zu fragen gewagt hätte. Während der Tage der
Krankheit war es dem Oberaufſeher aber klar geworden, warum
ſein Herr ſchon alle die Zeit an der Sele krank war. Da hatte
dieſer in ſeinen wilden Fieberphantaſien alles das entblößt, was
bisher Geheimnis in ſeinem Innern geweſen war. Es war ein
Weib, um das ſein armer Herr latt, und deſſen Namen er un=
zähligemal
ſtammelte, bis er zuletzt matt und elend dalag, als
wäre er tot. Und dann hatte er ihm unermüdlich die heiße Stirn
gekühlt und ſich keinen Schlaf und keine Ruhe gegönnt, ſo daß
er endlich ausſah wie ein Geſpenſt, und ſein Geſicht ſaltig und
bleich über den ſchwarzen Bart hervorleuchtete.
Beide Maſſa ſein krank, ſagten die Neger und huſchten an
dem Zimmer vorüber, wo Wallenhorſt auf ſeinem Fieberlager
litt. O, ſein der böſe Geiſt über Farm gekommen und ſein
viel, ſehr viel ſchlimm.
Der Doktor hatte Hans Weiß gute Hoffnungen gegeben.
Er wird es überſtehen, ſagte er, das Schlimmſte iſt vor=
über
. Bald wird er ruhiger ſein. Dann bedarf er aber der
größten Schonung und lange noch muß er liegen bleiben, damit
kein Rückfall oder ſonſtige Komplikationen eintreten.
Nachdem er noch eine Schachtel mit Chinin und eine Flaſche
Arznei auf den Tiſch geſtellt hatte, ritt er davon.

Melken beeinträchtigt die Entwicklung der Jungen. Man gebe
nicht zu viel Tränke, ſondern gutes Heu, etwas Hafer und =
ben
. Vorteikhaft iſt eine tägliche kleine Gabe Leinkuchen und
phosphorſaurer Kalk. Bei mildem Wetter bringen wir die Zie=
gen
einige Stunden ins Freie, namentlich an ſonnigen Tagen.
Inzwiſchen wird der Stall gut gelüftet, ausgemiſtet und die
Streu erneuert. Das Allgemeinbefinden der Tiere wird ferner
gefördert durch ſanftes Striegeln.
In der Kaninchenzucht herrſcht einſtweilen noch Ruhe. Bei
günſtiger Witterung kann man in der letzten Februarwoche Zucht=
tiere
aus den Vorjahren belegen laſſen. Tiere, bei denen der
Haarwechſel begonnen hat, ſind von der Zucht auszuſchließen.
Für die Bienen iſt im Februar echtes kaltes Winterwetter
noch das Beſte damit ſie ihre Winterruhe nicht vorzeitig unter=
brechen
. Je länger ein Volk darin verharrt, deſto beſſere Aus=
ſicht
bietet ſeine ſpätere Entwicklung. Die Arbeit am Stande be=
ſteht
jetzt darin, die Fluglöcher rein zu halten und für ihre Be=
ſchattung
zu ſorgen, damit nicht Reinigungsausflüge gemacht
werden, wenn das Wetter noch zu winterlich rauh iſt. Erſt in
der zweiten Hälfte des Monats beſeitigt man die Blenden. Durch
Ausbreiten von Decken bieten wir den niederfallenden Bienen
eine trockene Ruheſtelle. Den Schnee fegen wir in möglichſt gro=
ßem
Umkreiſe vor den Stöcken weg. Reizt mildes Wetter die
Bienen zum Brutgeſchäft, dann ſorge man durch Beſpritzen des
Flugbrettes mit warmem Waſſer dafür, daß die herauskommen=
den
Bienen ihren Durſt löſchen können.
A

Obſt= und Gartenbau

Die Vorkultur der Tomate. Die Tomate ſtellt
ungefähr die gleichen Bedingungen wie die Gurke; warmen
Standort, ſonnige Lage, gut vorbereiteten und gedüngten Boden
und reichliche Bewaſſerung und reichliche Düngung in flüſſiger
Form. Von Januar bis März ſät man den Tomatenſamen in
Schalen oder Handkäſten, die mit guter alter Kompoſterde gefüllt
ſind und ſtellt dieſe Behältniſſe bei einer Temperatur von 1520
Grad Celſius in einem Gewächshaus oder warmem Miſtbeet=
kaſten
nahe der Glasfläche auf. Die jungen Pflänzchen werden
dann bald erſcheinen. Sind die Keimblätter ausgebildet, ſo wer=
den
die Pflanzen das erſtemal in Handkäſten pikiert. Dabei ſetze
man ſie bis an die erſten Blätter in die Erde. Mit dem An=
gießen
warte man, bis die obere Erde etwas abgetrocknet iſt. Die
Pflanzen wachſen dann unter Glas weiter. Haben ſie eine Höhe
von 1015 Zentimeter erreicht, werden ſie in 89 Zentimeter
weite Töpfe geſetzt. Nach 14 Tagen ſtellt man, wie Obergärtner
Marggraf=Geiſenheim in der Deutſchen Obſt= und Gemüſe=
zeitung
rät, das Gießen etwas ein, damit der Trieb nicht fleiſchig
bleibt, ſondern etwas ausreift. Bei einer Höhe von 20 bis 25
Zentimetern werden jetzt die erſten Blüten erſcheinen. Wer Häu=
ſer
zur Verfügung hat, pflanzt die Tomaten gleich bei einem Ab=
ſtand
von 4050 Zentimeter aus. Damit ſich am Stamm reich=
lich
Wurzeln bilden, bringt man ſie etwas tiefer in die Erde, als
ſie vorher ſtanden. Von vornherein läßt man den Pflanzen nur
den Haupttrieb. Alle Nebentriebe, die ſich von unten eus den
Blattwinkeln bis zur erſten Blüte entwickeln, werden ausgebro=
chen
. Kann man dieſe vorkultivierten Pſlanzen noch nicht in
Häuſer auspflanzen, ſo muß man ſie Anfangs oder Mitte April
nochmals in eine kräftige Erde verſetzen, wobei man Töpfe von
1314 Zentimeter Größe verwendet. Nach der Durchwurzelung
erhalten die Pflanzen wöchentlich einen Dungguß von verdünnter
Abortjauche oder einer Löſung von ſchwefelſaurem Ammoniak in
Waſſer, 1 Gramm auf 1 Liter. Erlaubt die Witterung im Mai
noch nicht das Auspflanzen der kräftigen Pflanzen ins Freie,
dann gilt es beſondere Sorgfalt, denn die gute Pflege, die man
den Pflanzen gerade in der Blütezeit zukommen läßt, ſichert
vor allem den frühen Ertrag. Niemals dürfen die Pflanzen
ballentrocken werden; auch trockene Luft in den Häuſern ſchadet
der Blüte. Es empfiehlt ſich, bei ſchönem Wetter täglich ein= bis
zweimal zu ſpritzen. Bei günſtigem Wetter iſt auch die künſtliche
Befruchtung der Blüte vorzunehmen. Um ſchon Ende Juni im
Freien reife Tomaten zu ernten, iſt eine Südmauer der beſte

Platz. Beim Auspflanzen ſchon man den Ballen möglichſt und
ſetze die Pflanzen wieder etwas tiefer, als ſie im Topf ſtanden.
Die Pflege während des Sommers beſteht dann im Aufbinden
und rechtzeitigem Ausbrechen der Nebentriebe. Bei dieſer Be=
handlung
ſetzen die Pflanzen nach jedem zweiten und dritten
Blatt Blüten an.
Die Sellerieſaat. Sellerieſamen braucht längere
Zeit zum Aufgehen. Er muß daher ſchon von Mitte Februar an.
im Miſtbeet ausgeſät werden. Bei ſpäterer Saat keimt man
den Samen vor, indem man ihn einen Tag lang in ein Gefäß
mit Waſſer tut, dann in einen wollen Lappen eingeſchlagen an
einen warmen Ort legt. Sobald der Keim ſich zeigt, muß geſät
werden. Um ein Zudichtſäen zu vermeiden, läßt man den
Samen etwas abtrocknen und vermiſcht ihn dann mit Sand oder
trockener Erde. Stehen die Pflänzchen nachher trotzdem zu dicht,
ſo ſind die überzähligen auszurupfen. Von Eude April, Anfang
Mai an ſind die Selleriepflanzen fertig zum Auspflanzen ins
fraie Land.
Bohnenſtangen dürfen niemals den Winter über im
Boden bleiben. Sie müſſen jetzt herausgenommen, gereinigt
und trocken aufbewahrt werden. Bei guter Behandlung halten
gute Tannen= oder Fichtenſtangen 10 bis 15 Jahre, was bei den
hohen Preiſen von Bedeutung iſt. Auch Erbſenreiſer kann man
bei guter Behandlung lange Jahre gebrauchen. Wenn man
Hecken ſchneidet, ſoll man das abgeſchnittene Reiſig als Reiſer
zurechtſtutzen. Auch abgeſchnittene Stauden, Johannis= und
ſogar Himbeerholz kann als Erbſenreiſig Verwendung finden.
Es gehören dann nur einige ſtarke Reiſer dazu, die das Ganze
feſthalten.

D Vieh= und Geflügelzucht /e

Wäſch und ſtriegle dein Schwein, es
bringt dir s ein iſt ein weit verbreitetes Sprichwort
das uns ſagen will, daß auch das Schwein für Reinhaltung deß
=pers ebenſo wie für die Möglichkeit, ſich tüchtig tummeln
zu können, ſehr dankbar iſt. Vor allem müſſen auch die Stal=
lungen
, in denen ſich die Tiere aufhalten, reinlich gehalten wer=
den
. Dazu aber gehört, daß das Streumaterial den Tieren
ſtets nur an einen beſtimmten Platz oder auf die Pritſche ihrer
Buchten gelegt wird. Sie gewöhnen ſich dann daran, dieſe
Stellen ſtets von Verunreinigungen frei zu halten und ihren
Kot an einem beſtimmten Platze, etwa in einer beſonderen Ecke,
abzulegen. Dadurch bleibt nicht nur das Streumaterial, ſon=
dern
es bleiben auch die Tiere ſelbſt rein und ſauber. Zur Rein=
haltung
des Körpers trägt ferner noch viel bei, daß die Tiere,
wenn ihnen keine Weide zur Verfügung ſtehen ſollte, täglich
in den Schweinehof kommen. Im Schweinehof ſelbſt aber ſollte
ſich ein Baſſin oder ein Graben mit fließendem Waſſer befin=
den
, in dem ſich die Tiere nach Belieben abkühlen können; den
Schweinen iſt nämlich in der warmen Jahreszeit Abkühlung in
friſchem Waſſer von beſonderem Nutzen, und obendrein ein Be=
dürfnis
, das zur Erhaltung ihrer Geſundheit unbedingt erfor=
derlich
iſt. Wenn das Schwein außerdem noch im Schwein=
hof
Gelegenheit hat, ſich gründlich zu reiben, ſo iſt das für die
Hautpflege der Tiere von großem Vorteile, denn durch das Rei=
ben
wird die Haut rein und frei von Ausſchlägen, was gleich=
bedeutend
iſt mit glänzenden Borſten, den Kennzeichen der ge=
ſunden
Tiere.
IIg.
Knochenſchrot als Geflügelfutter. Knochen
dürfen Hühnern nur dann verabreicht werden, wenn ſie vor der
Zubereitung noch friſch waren. Das Mehl aus friſchen Knochen
übertrifft in ſeiner Wirkung auf die Eiererzeugung dasjenige von
älteren jedenfalls bedeutend. Geſchrotene Knochen ſind der
Fleiſchkoſt vorzuziehen, weil ſie nicht fettmachen, aber die Bil=
dung
der Muskeln und die Eiererzeugung fördern. Ausgekochte
Knochen ſind natürlich bei weitem nicht ſo nahrhaft wie friſche,
weil das Kochen der Knochenſubſtanz Eiweiß und Fett entzieht.
Am wenigſten Wert hat das Schroten gedörrter Knochen. Von
friſchen Knochen gebe man täglich nicht mehr als 10 Gramm auf
das Huhn gerechnet.

Und es kam, wie er geſagt hatte. Die wilden Fieberphanta=
ſien
ließen nach und gingen allmählich in beruhigenden Schlum=
mer
über, ſo daß der Kranke eines Tages die Augen klar auf=
ſchlug
. Sein erſtes war, daß er nicht an ſich ſelbſt dachte.
Hans, ſagte er mit müder Stimme, wie Sie ausſehen!
Sie müſſen ſich ſchonen.
In den Augen des Oberaufſehers ſtanden die Tränen.
O, Herr, ftammelte er, ich fühle mich gut. Warum denken
Sie an mich? Das habe ich nicht verdient! O, ich bin ja ſo
glücklich, daß Sie das Schlimmſte überſtanden haben!
Mehrere Tage hernach, als der Patient wieder ſoweit her=
geſtellt
war, daß er im Liegeſtuhl auf der Veranda ſitzen konnte,
ſagte er zu. Inm Aufſeher: Hans, nun holen Sie Ihre Geige
hervor und Felen Sie mir ein Lied!
Und als dann die weichen, ſchluchzenden Klänge von den
Saiten glitten und in die tropiſche Nacht hallten, die nun nicht
mehr von Feuchtigkeit ſchwanger war, da die Regenzeit gewichen
war, da ſagten die Schwarzen: Der gute Geiſt ſei wieder da.
Nun Maſſa werden wieder viel gut!
Hans, nun ſagen Sie mir, wo Sie her ſind, redete Max
ſeinen Untergebenen an, als der ſein Spiel beendet hatte. Er=
ſchrecken
Sie nicht, Sie dürfen mir Ihre Seele öffnen. Denn von
nun an ſind Sie mein Freund. Einſankeit und Schickſalsſchläge
ziehen die Menſchen zueinander hin, wenn ſie des Leides Schule
durchmachen. Und das haben wir beide gemußt.
Ach, Herr, das iſt eine lange Geſchichte, ſeufzte Hans, und
ich weiß kaum, wo ich den Anfang und das Ende finden ſoll.
Aber ich will ſie Ihnen erzählen.
Tun Sie das, Hans, ermunterte ihn Wallenhorſt, es iſt
beſſer für Sie und erleichtert Ihnen das Daſein. Sie kennen ja
auch meine Geheimniſſe.
Der Angeredete ſah ihn beſtürzt an.
Wie ſollte ich? ſtammelte er und wurde herwirrt.
Nun, Hans, fuhr Wallenhorſt fort, wenn man im Fieber
liegt, ſagt man doch gewöhnlich alles, was man weiß, und das
werde ich doch wohl auch getan haben.
Hans wurde verlegen. Sein knochiges, faltiges Geſicht färbte
ſich über und über rot, und er vermochte kein Wort hervorzu=
bringen
.

Jangngn ggn gggnnnnnngnggnnnnn mnngggggngn n m gmmnngen
gütigend. Aber es iſt ja nicht ſchlimm, und nun erzählen Sie.
Wenn Sie es denn meinen, ſtammelte er, ſo will ich damit
beginnen. Aber ich muß Ihnen gleich vorweg ſagen, daß ich
Sie getäuſcht habe. Mein Name iſt nicht Weiß.
Nein? fragte Wallenhorſt verwundert. Nun, das iſt ja
auch Nebenſache.
Mein wirklicher Name iſt Hans Schwarze, fuhr der Ober=
aufſeher
fort. Ich habe einfach dabei die Farben gewechſelt; ich
fürchtete, daß jemand durch Nennung meines richtigen Namens
auf mich aufmerkſam werden könnte, darum wählte ich den ande=
ren
. Meine Wiege ſtand im Harz, und dort habe ich auch lange
Zeit gelebt.
Wallenhorſt fuhr in die Höhe und ſah den Sprecher groß an.
Hans Schwarze? Hans Schwarze? kam es ſtaunend von
ſeinen Lippen. Und haben im Harz gelebt? Und ſind vor meh=
reren
Jahren nach Afrika ausgewandert?
Er ſah vor ſich hin und dachte nach, dann fuhr er fort, indem
er wieder auf ſeinen Aufſeher blickte: Dann habe ich doch von
Ihnen ſeinerzeit gehört. Waren Sie dort nicht bekannt unter
dem Namen dem Namen
Sagen Sie es nur, Herr Wallenhorſt, erwiderte Hans, als
er merkte, daß dieſer den Ausdruck nicht ausſprechen mochte. Die
Welt nannte mich dort den Scheelhans. Die Welt gibt einem ja
gleich einen beſonderen Namen, wenn man von ſich reden macht.
Aber was wiſſen Sie denn von dem Scheelhans?
Nun, ich war doch jener Herr, der damals bei dem Revier=
förſter
Randers lebte und den auch Sie geſehen haben müſſen.
Mein Gott, das iſt wahr, ſtaunte Hans, dann habe ich
Sie ja früher bereits geſehen. Aber Sie tragen jetzt einen Spitz=
bart
, und es iſt ſchon lange her, daß ich Ihren Namen vergeſſen
hatte. Der Jobes ſprach des öfteren von Ihnen. Dann werden
Sie auch wiſſen, daß ich fünfzehn Jahre hinter den ſchwediſchen
Gardinen geſeſſen habe? Dabei ſenkte er traurig das Haupt
zur Erde und ſah vor ſich hin, als ob er ſagen wollte: So, nun
iſt es heraus, nun werden Sie mit dem Kerl nichts mehr zu ſchaf=
fen
haben wollen‟ Dann fuhr er fort: Wenn Sie das eine
wiſſen, muß ich Ihnen auch das andere ſagen.

(Fortſetzung folgt.)

Numm

Aeieh
zurde und in
das Auto
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unfſe
ere
ehenden