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Nummer 14
Montag, den 15. Januar 1923
Einzelnummer 40.00 Mk.
Eine Ausſprache mit den
Spitzen=
organiſationen.
Zwechs Linderung der durch die
Ruhrbe=
ſetzung verſchärften wirtſchaftlichen Not.
Verlin, 13. Jan. (Wolff.) linter dem Vorſitz des
Reichs=
wirtſchaftsminiſters fand eine Ausſprache mit den
Spiven=
organiſationen der Induſtrie, des Handels, des
Hand=
werks, der Genoſſenſchaften und der Gewerkſchaften ſtatt, welche
die durch die Beſetzung des Ruhrreviers verſchätfte
wirtſchäftliche Notlage und die etwa zur Abhilfe oder Linderung
zu treffenden Maßnahmen zum Gegenſtand hatte. Der
Reichs=
wirtſchaftsminiſter betonte in der Eröfſnungsanſprache, daß
das gewaltſame Vorgehen der Franzoſen und Belgier leider den
Preiſen des Lebensbedarfs der Bevölkerun, eine Tendenz zu
weiterem Steigen geben werde. Dieſe Entwicklung werde ſich um
ſo fühlbarer machen, als wir infolge der Erhöhung der
Kohlen=
preife dor einer ieiteren Preisweile in unſerer geſamten
Bütei=
erzeugung ſtünden. Es müſſe das Beſtreben aller in der
Wirt=
ſchaft tätigen Kreiſe ſein, dafür zu forgen, daß die Lebensbe
in=
gungen des Volkes nicht über, das durch die ungbwen?: ren,
von außen kommenden Ereigniſſen bedingte Maß
hin=
ſchlimmert würden. Hierzu erhittet er die Mitarkeit der
verbände und ihren zur Beſonnsheit und Mäßigung ſülg. inge
Einfluß auf ihre Mitglieder draußen im Lanp. Iie Reic=
lege auf enge Zuſammenarbeit mit allen
Wirtſchaftskreiſen gerade jetzt beſonders Gewicht.
In einer mehrſtündigen Ausſprache ti die
berufs=
ſtändigen Vertreter Wünſche und Anregungen L—e, die ſich
ins=
beſondere erſtreckten auf die Warenpreisbildung ſowie deren
Ueberwachung. Die Wirtung der Frachttariferhöhutugen auf die
Preife, die Ausländer= und die Kartellfrage und die
Möslich=
keiten zur Hebung der Produktion durc Meßrleiſung an
wich=
tigen Stellen oder Umſchichrung der arbeiten ei Bevölierung.
Daneben wurde auf die Notwendigkeit hingewvieſen, auch
lici=
diere Maßnahmen mit pſhörlogiſcher Ausſvirkung, beiſpielswveiſe
das Vorgehen gegen die Schlemmerei, niht auzer acht zu laſſen.
Der Reichswirtſchaftsminiſter nahm aſle dieſe Wünſche und
Anxegungen mit Intereſſe entgegen und drückte für ſie ſeinen
befonderen Dank aus. Er verſprach, daß ſie bei den praktiſchen
Maßrahmen der Reichsregierung würden erſvogen werden.
Proteſtkundgebungen gegen den
franzöſiſchen Friedensbruch.
* Ju Darm=ſtadt hatten die Ver. Soz. Parteien
zu einer öffentlichen Demonſtrationsveranſtaltung gegen. den
neuen Akt unerhörter Veigewaltigung durch die Frauzoſen
aufgefordert. Weit über tauſend Menſchen fanden ſich gegen
11 Uhr auf dem Marttplatz ein. Die Herren Leuſchner und
Kern hielten Anſprachen, in denen der Standpunkt der
Sozial=
demokratiſchen Parteien zu der fianzöſiſchen Vergewaltigung
dargelegt und ſchließlich ein: ſcharfe Proteſtreſplution
verleſen und angenommen wurde, die an den Herrn
Reichs=
präſidenten gefandt wurd.. Die Demonſtration verlief ruhig
und würdig und war dementſprechend eindrucksvoll.
Berlin, 14. Jan. (Wolff.) Di= Volkskundgebung
der bürgerlichen Parteien gegen den Einbruch
der Franzoſen und Belgier in das Ruhrgebiet fand
mit=
tags auf dem Königsplatz vor dem Reichstagsgebäude ſtatt
und nahm bei ungeheurer Beteiligung einen überaus
eindrucks=
vollen Verlauf. Punkt 12 Uhr, als das Trauergeläute von
ſämtlichen Berliner Kirchen einſetzte, begann die auf der großen
Freitreppe aufgeſtellte Muſikkapelle das „Niederländiſche
Dank=
gebet”, das die Menge entblößten Hauptes mitſang. Sodann
hielten an zwölf verſchiedenen Stellen des rieſigen „Platzes
parlamentariſche Führer aller bürgerlichen Parteien Anſprachen
an die Menge, die mit dem Vortragen einer Entſchließung
ende=
ten, die ſtürmiſche Zuſtimmung fand. Die Anſprachen dauerten
nur etwa 10 Minuten. — Im Anſchluß daran ſang die nach
mehreren Hunderttauſenden zählende Menſchenmenge wiederum
entblößten Hauptes das Deutſchlandlied und auts eigenem
An=
triebe „Ein” feſte Burg iſt unſer Gott”. Abg. Freiherr von
Lersner teilte mit, daß die Redner ſich nunmehr zum
Reichs=
kanzler begeben würden, um ihm die angenonrmene
Entſchlie=
ßung zu überbringen mit der Erklärung, daß der Kanzler das
ganze deutſche Volk hinter ſich habe, wenn er feſtbleibe. Nach
begeiſterten Zuſtimmungskundgebungen wurde aus der Menge
der Wunſch laut, daß der Reichskanzler ſelber ſprechen möchte.
Dieſer Wunſch wurde dem Reichskanzler übermittelt, der darauf
mitteilen kieß, daß er durch wichtige Verhandlungen im
Inter=
eſſe des Reiches am Erſcheinen verhindert ſei, aber für die
Kundgebungen herzlichſt danken laſſe. Mit ſtürmiſchen
Hoch=
rufen auf den Kanzler und die Regierung ſchloß damt die
Kundgebung, die von hellem, mildem Froſtwetter begünſtigt
war, und die gewaltige Menſchenmenge, die ununterbrochen
baterländiſche Lieder geſungen hatte, begann
auseinanderzu=
ſtrömen.
Die Sozialvemokratiſche Partei hatte
drei=
zehn Maſſenverſammlungen einberufen, um gegen
den franzöſiſchen Einbruch zu proteſtieren.
Berlin, 14. Jan. (Wolff.) Die Entſchließung, die in
der Maſſenverſammlung auf dem Königsplatz nach
Vom Tage.
Ju ganzen Reiche fanden geſtern zahlreiche, ſtark beſuchte
Proteſt=
verſammlungen gegen den franzöſiſchen Friedensbruch ſtatt.
Die Kommiſſion, die heute mit der Interalliierten
Kontrollkommiſ=
fion über die von den Zechen zu liefernden Kohlenmengen verhandeln
wird, beſteht aus folgenden Herren: Fritz Thyſſen, Amtsrichter Du.
Tho=
nas, Gen.=Dir, Tengelmann, Gen.=Dir. Bergaſſeſſor Kerſtei, Gen.=Dir,
Wüſtenhofe:, Direktor Kquert und Herrn Noll.
Nach bisher noch unbeſtätigten Meldungen ſollen die litaliſchen
Banden Memel beſetzt haben.
Dem Reichstag iſt einte Deukſchrift der Regierung über die
Ausfcrei=
tungen der Beſatzungstruppen im Rheinland zugegangen, die 65
vorſätz=
liche Tötungen, 65 Mißhandlungen und Ueberfälle ſowic 170
Sittlichkeits=
vergehen umfaßt. Die Deukſchrift, die ausnahmslos auf amatlich 7
äG=
geprüftem Material deruht, beſchräukt ſich auf die fchzverſten Delikte.
Der Vorſtaud des Landesverbandes Mecklenburg=Schwerin de
Deutſchnationalen Volkspartei hat beſchloſſen den Abgeordueten
v. Graefe=Goldeber, „der zur Deutſchvölkiſchen Freiheitspartei übe
ge=
treten iſt, zu erſuchen, ſein Mandat niederzulegen. Graefe erklärte
je=
doch, daß er dieſem Erfuchen nicht entſprechen werde.
V
kratiſchen Partei, Hergt und Laderrenz von der
Deutſch=
nationalen Volkspartei, ſowie der Gewerkſchaftsführer
Haut=
mann und Thiel vom Deutſchen Gewerkſchaftsbund, Otto
vom Deutſchen Geſamtverband der Chriſtlichen Gewerkſh ften
und Schneider von der Geſverkſchaft der Angeſtellten
ein=
ſtinnnig angenommen wurde, hat folgenden Worllaut:
Wir erheben flamtmenden Proteſt gegen die
ungeheuer=
liche Vergewaltigung des deutſchen Volkes durch die
franzöſiſch=
belgiſche Beſetzung des Ruhrgebiets. Diefes jedem Völkerrecht
hohnſprechende Vorgehen mitten im Frieden iſt ein Bruch des
Verſailler Vertrages. Das deutſche Volk lehnt es ab, unter
dem Druck der Baſonette Sklat enarbeit für die Friedensbrecher
zu leiſten.
Die Kommnniſten berie u eine
Proteſtverſamm=
kung auf den Audregsſlg ., „rin der Abgsordnete Schu=
uacher zum Kampf gegen den franzöſiſchen Iinpekialismus und
den deutſchen Kapitalismus aufforderte. — An einigen
Stadt=
teilen, wo ausländiſche Vertretungen ſich befinden, kam es zu
Aniaminlungen, ſo vor dem Brandenburger Tor, vor dem
Pots=
darner Platz, in der Karlſtraße. Die Poli=ei war überall
recht=
zeitig zur Stelle und es gelang ihr in allen Fällen, ohne daß
es zu erniſten Zwiſchenfällen gekommen wäre, die Menge zu
zerſtreuen.
Frautfurt . M., 11. Jan. (Wolff.) Der heutige
Sonn=
tag ſtand vollſrändig uinter dem Zeichen einmüttiger und
gewal=
tiger Kundgebungen gegen das Vorgehen der
Fran=
oſen im Ruhrgebiet. Schon am frühen Vormittag
hat=
ten Nagiſtrat und Stadtverordneten=
Verſamm=
lung in einer außerordentlichen Sitzung im Römer nach einer
längeren Reße des Oberbürgermeiſters Voigt eine Entſchließung
augenoyiinen, in der einnzütig Verwahrung eingclegt wird
gegen die Geialttat, durch die ſich die verantwortlichen Leiter
Frankreichs unter ſchwverſter Mißachtung der Beſtimyrungen des
Verſaiſſer Fried ns weiterer Gebiete des Deutſchen Reiches
be=
mächtigt hätten; eine Erklärung der Komminniſten wurde gegen
die Stimien der beiden kommuniſtiſchen Vertreter abgelehnt.
Die für mittags von den bürgerlichen Parteien
gemeinſam nach dem Schumann=Thrater einberufene
Proteſt=
herſammlung hatte ſich eines derartigen Beſuches zu erfreuen,
daß tiotz des rieſigen Raumes viele Taufende keinen Einlaß
fauden, ſo daß eine zweite Verſamimkung unter freiem Himmel
gbgehalten wurde, in der die gleichen Redner wie im „
Schu=
mann=Thcater ſelber ſprachen, und zwar Pfarrer Karl Veidt
ſür die Deutſchnationale Voltspartei, die Landtagsabgeordnete
Frau Alken für das Zentrum, Landtagsabgeordneter Schulrat
Schwarzhaupt für die Deutſche Volkspariei und
Landtagsabge=
ordneter Goll für die Demokratiſche Partei. Die Leitung der
Verfammlung lag in den Händen des Wahlkreisvorſitzenden
der Deutſchen Volkspartei, des Stadtverordneten Landgrebe.
Einſtimig wurde folgende Reſolution angenommen:
„Frankfurts Bürgerſchaft, die die Leiden einer
vertrags=
widrigen Beſetzung bereits ſelbſt erduldete, gibt einhellig ihrer
tiefſten Empörung Ausdruck über den frevelhaften
Gewalt=
ſtreich, den Frankreich wider Recht und Gerechtigkeit durch
Be=
ſetzung eines weiteren Teils wehrloſen deutſchen Landes
be=
ging. Mann um Mann ſchart ſich in dieſer Stunde das deutſche
Volk um ſeine Regierung; Mann um Mann ſchwört ſie, bis
zum Letzten zu ſtehen, in Einigkeit für deutſches Recht
und deutſche Freiheit.”
Am Nachiittag fand dann eine vom Nebublikaniſchen
Reichsbund in Gemeinſchaft mit den Gewerkſchaften im
Schu=
mann=Theater einberufene Verſammlung ſtatt, in der Pfarrer
Ernſt Klein ebenfalls eindringlich Proteſt gegen das
gewalt=
tätige Vorgehen der Franzoſen erhob; auch dieſe Verſammlung
hatie ſich eines Maſſenbeſuchs zu erfreuen.
Karlsruhe, 14. Jan. (Wolff.) Die ſtark erregte
Stim=
mung der Bevölkerung der Hauptſtadt Vadens gegen das
unerhörte Vorgehen Fvankreichs im Ruhrgebiet fand einen
uachtvollen Ausdruck in einer von über 6000 Perſonen
beſuch=
ten Verſammlung in ſtädtiſchen großen Feſthallenſaal,
wvorin Oberbürgermeiſter Dr. Firter nnd Miniſter Trunk in
flammenden Worten gegen den Anſchlag Frankreichs auf den
Beſtand des Deutſchen Reiches Proteſt erhoben, ſein
unerhör=
tes Vorgehen brandmarken, zu unerſchütterlicher Einigung
aufforderten und unverbrüchliche Treue zum Reiche gelobten.
An den Reichskanzler wurde folgendes Telegramm
ab=
geſandt:
Die Bevölterung der Stadt Karlsruhe hat heute in der
Städtiſchen Feſthalle ihrer Empörung über den allem Recht
hohnſprechenden Gewaltakt der Beſetzung des Ruhrgebiets und
ihrer Trauer um das harte Schickſal ihrer deutſchen Brüder
und Schweſtern in den beſetzten Reichsteilen machtvollen
Aus=
druck verliehen. Sie gelobt zugleich der Reichsregierung ihre
univandelbarer Treue zum Deutſchen Reiche, die keine noch ſo
große Not erſchüttern kann, und ihre volle Unterſtützung in der der franzöſiſchen Regierung, der im Ausgleich gegen das
Deutſch=
entſchloſſenen Abwehr jeden Unrechts.
Zut gleicher Zeit fand im Konzerthaus ebenfalls eine von
mehreren Tauſenden beſuchte Verſammlung ſtatt.
Danzig, 14. Jan. (Wolff.) In zwei großen, heute
vor=
mittag abgehaltenen, vom Danziger Heimatdienſt
ein=
berufenen Trauer= und Proteſtberſamnilungen anläßlich des
franzöſiſeen Einmarſches ins Ruhrgebiet, in denen
Staais=
gutaltſchaftsrat Kanzow und Chefredaktenr Dr. Müller
ſchließung angenommen, in der es heißt: „Wir deutſcen
Danziger erheben heute gemeinſam mit unſeren Brüdern in Reich,
mit denen uus unzerirennbare Bande verknüpfen, unſere
Stimme, um gleiehfalls den Friedensftörer Europas, Fraukreich, und ſich ſeinerſeits vollkommen allein befinden.
vor aller Welt des unerhörteſten und mit den verderblichſten
Mitteln ins Wert geſetzten Bruches des Völkerrechts anzuklagen.
Wir vom Vaterland Losgeriſſene fühlen uns ganz beſonders
innig verbunden mit den Deutſchen, denen im Weſten des Deut= uer den Generalkontrolleur Gillet, und beriet mit ihnen über die
ſchen Reiches von haßerfüllten Feinden Gewalt angetan ſpird.” im Ruhrgebiet im Gange befindlichen Maßnahmen.
Die wirtſchaftlichen Wirkungen
der Ruhrbeſetzung.
lieber die Wirkungen die die franzöfiſche Beſetzung des
Rührgebieis für die deutſche Wirtſchaft auslöſen muß, wird
von zuſtändiger Seite auf Grund eingehender Feſiſtellungen
mit induſtriellen und wirtſchaftlichen Kreiſen des Ruhrgebſets
folgendes erklärt:
Wenn es ſich auch zurzeit noch nicht mit Beſtimmtheit ſagen
läßt, teieweit die geplante franzöſiſche Beſetzung ſich ausdehnen
und wie intenſio ſie in das deutſche Wirtſchaftsleben eingreifen
wird, ſo kaun doch mit Sicherheit angenommen werden, daß
Fraukreich iu erſter Linie ſeine Hand auf die Werk. des
Kohlen=
fyndikats legen wird. Die Wirkungen eines ſolchen Eingreifens
dürften nach zwei Richtungen gehen: 1. was den Betrieb und
die Produktion, 2. was die Verteilung und den Verbrauch der
Kohle betrifft. In erſter Lini würden dadurch, daß die
franzö=
ſiſche Kohlenkontrollkommiſſion die Möglichkeit erhalten würde,
in den einzelnen Zechen die Erzeugung beſtimmter Kohlenſorten
auf Koſten anderer zu ſteigern, ſich ungeheure Schwierigkeiten
ergeben und die Rentabilität der Zechen aufs ernſthafteſte in
Frage geſtellt werden. Die Annahme, daß die Franzoſen in
ihrem Eingriff in Betrieb und Produktion jedoch noch
weiter=
gehen werden, geht ſchon aus der Entſendung franzöſiſcher
Ingenieure ins Ruhrgebiet hervor.
Noch ſchlimmer würden zweitens die Wirkungen des
frau=
zöſiſchen Eingreifens auf den Verbrauch und die Verteilung
der Kohlen ſein. Die Franzofen würden tatſächlich den
geſam=
ten Abſatz des Kohlenſyndikates überwachen und ſo Einblick in
die geſamte Kahlenverſorgung Deutſchlands erhalten. Sie
wür=
den dadurch freie Hand zu Gewaltmaßnahmen erhalten, wie
ſolche bereits im Saargebiet — man denke nur an den
aller=
füngſten Fall Villeroy u. Boch — zur Anwendung gekommen
ſind. Die franzöſiſche Einwirkung dürfte daher nicht nur auf
die Juduſtrieunternehmen des Ruhrgebiets ſelbſt beſchränkt
blei=
ben, ſondern ſich auch auf die deutſchen Unternehmungen
außer=
halb des Ruhrgebiets erſtrecken.
Mit einer Steigerung der Kohlenförderung kanu natürlich
nach der Beſetzung auf keinen Fall gerechnet werden, vielmehr
mit einer Verminderung. Die Folge davon werden höhere
Kohlenpreiſe, verſchlechterte Produktionsbedingungen,
verrin=
gerte Ausfuhr, derſchlechtert: Handels= und Zahlungsbilanz
und mithin ein neues Sinken der deutſchen Lebenshaltung ſein.
Bezüglich der Entrichtung der Kohlenſteuer in Devifen iſt
zu bemerken, daß, wenn eins ſolche Einrichtung durchgeführt
werden würde, dieſes gleichfalls eine erhebliche Verſchlechterung
der ganzen deutſchen Wirtſchaftslage mit ſich bringen würde.
Da unſere Kohlenausfuhr zurzeit auf dem Nullpunkt ſteht,
dürſte es den Zechen auf keinen Fall möglich ſein, ſich die
nöti=
gen Deviſen zu beſchaffen.”
Was das geplante Ausfuhrabgabefyſtem anlangt, ſo wird
fener dudurch die Näalichkeit, all deutſchen
Handelsbeziehun=
gen auszufpionieren und für ſich auszunutzen.
Nicht nur die Kohleninduſtrie, ſondern auch die deutſche
Eiſ=ninduſtrie wird infolge der franzöſiſchen Befetzung mit
ſchwveren Schädigungen zu rechnen haben, namentlich durch die
Erlichtung der geplanten Zollgrenze, wodurch einerſeits die
großen ſchwerinduſtriellen Konzerne, deren Gebiet teils
inner=
halb, teils anßerhalb des Ruhrreviers liegt, auseinandergeriſſen
werden, andererfeits aber auch die Schwerinduſtrie des
Ruhr=
gebiets von der weiterverarbeitenden Induſtri= des übrigen
Deutſchlands getrenut werden wird.
Auch die deutſchen Banken haben ſchwere Nachteile zu
er=
warten, namentlich durch die zu befürchtende Konkurrenz der
franzöſiſchen Banken, die, wie im Rheinland und Saargebiet,
ſo auch im Ruhrgebiet den franzöſiſihen Truppen auf dem
Fuß=
folgen dürften. Die bisher von der Reichsbank verwalteten
De=
viſenverſvaltungsſtellen dürften wahrſcheinlich den franzöſiſchen
Banken übertragen werden.
Währungstechniſch bedeutet die franzöſiſche Beſetzung des
Ruhrgebiets eine Neueinſchränkung des Zirkulationsgebiets
und damit eine neue Verſchlechterung der Mark. Auch laſſen
ſich die B=fürchtungen wegen der Einfuhr der Frankenwährung
nach den Erfahrungen im Saargebiet nicht von der Hand
weiſen.
Verſchärfte Moratoriumsbedingungen.
Paris, 13. Jan. Wie Pertinax im Journal berichtet, dürfte
ſich die franzöſiſche und belgiſche Regierung angeſichts der
Weige=
rung Deutſchlands, weitere Naturallieferungen zu leiſten, zu einer
Verſchärfung der Bedingungen des Moratoriums
veranlaßt ſehen, das gegenwärtig von den franzöſiſchen
Sachver=
ſtändigen ausgearbeitet werde. Insbeſondere würde man danach
trachten, aus den Pfändern nicht nur 1100 Millionen Goldmark
zu ziehen, ſondern etwa 1:, Milliarden. Die Kohlenlieferungen
würden auf 1,8 Millionen Tonnen geſteigert werden.
Der franzöſiſche Pfänderplan.
Paris, 14. Jan. (Wolff.) Ueber den Pfänderplan
lantd zu gewährende Morakorium durchgeführt werden /ſoll,
ſchreibt das Oeuvre: Es iſt ſicher das die italienſche
Re=
gierung dieſe Pläne nicht annehmen wird. Belgien hat
ſthon während der Pariſer Konferenz mit einer Diskretion, die
ihre Eutſchloſſenheit nicht vermiſſen ließ, ſeine Gegnerſchaft gegen
die Beſchlagnahme und die Erträgniſſe der Pfänder
ausgeſpro=
ehen, da dieſe Maßnahme ein Moratoriu zu einem ſinnloſen
Work machen werde. In den letzten Tagen hätten, ſagt das Blatt,
offiziöſe Verhandlungen in der Reparationslommiſſion ſtatt=
Anſprachen hielten, wurde am Schiuß einſtimmig eine Ent= gefunden, die den Beweis erbracht hätten, daß es nicht genüge,
daß England abſeits ſtehe, damit alles von ſelbſt marſchiere.
Pcincaré ſpiele im Augenblick eine gefährliche Partie.
Aenn er ſich nicht zu mäßigen verſtehe, werde er ſie verlieren
Halas meldet: Poinears empfing geſtern abend den
Kriegsminiſter, den Finanzminiſter, den Miniſier für die
be=
freiten Gebiete, den Miniſter ſür die öffentlichen Arbeiten, fer=
2.
Darmſtädter Tagblatt, Moutag, den 15. Januar 192g.
Rumzuter 14.
Kundgebung des Deutſchen
Bewerk=
ſchaftsbunzes.
Frankreich iſt in das Herz des Nuhrgebietes einmarſchierf.
Wiederum hat es von ihm ſelbſt für heilig erklärten Verträgen,
jedem Völkerrecht höhnend, ins Geſicht geſchlagen. Es iſt nicht
Frieden, es iſt Krieg. Fraukreich will nicht Frieden, nicht den
Wiederaufbau Europas, auch nicht Reparationen; es will die
Zerreißungdesdeutſchen Volkes. Die kleine Schicht
der Großkapitaliſten, die ſeine Politik beherrſcht, will ſich von der
Fronarbeit des deutſchen Volkes mäſten. Wir Deutſchen gehen
alle noch ſchivereren Zeiten entgegen als die, weſche wir bisher zu
ertragen hatten. Unfreiheit, Unterdrückung, tauſendfältige
Quäle=
reien durch fremden Militgrismus und Kapitalismus iſt das Los
unſerer Brüßer im beſetzten Gebiet. Aushöhlung der
wirtſchaft=
lichen Grndlage, Zernrürbung des Widerſtandswillens,
Aufrei=
zung Aller gegen Alle, im Kampf um das Exiſtenzminimum,
Auf=
löfung des Reiches, iſt das Ziel der franzöſiſchen Macht= und
Furchtpokitik. Der Einmarſch in das Ruhrgebiet iſt eine Etappe
zu dieſem Ziel.
Wir leiden, wir ſperden mehr leiden, aber wir verzweifeln
nicht. Eswird Frankreich nicht gelingen, mit den
Bajonetten die Wirtſchaft und Kultur ganz
Eu=
ropas zu bernichten. Es wird ihm nicht
gelin=
gen, das deutſche Volk auseinanderzureißen.
Schon iſt die ganze Welt erſchättert, in der Ahnung der Dinge,
die Frankreich heraufbeſchwört. Es wächſt in Deutſchland der
einmütige Widerſtand des geſaurten Volkes gegen unſer Eſend
und gegen den franzöſiſchen Vernichtungswillen. Bald kommt der
Tag, da die Vernichtungspolitik Frankreichs ihm ſelbſt ein
grau=
ſames Erwachen bereitet. Wir ſind machtlos, aber wir werden
der Welt beweiſen, daß wir um des Rechts und unſeres
natio=
nalen Lebens Willen Aeußerſtes zu wagen bereit ſind.
Deutſcher Gewerkſchaftsbund. Gefamiverband der chriſtlichen
Geweriſchaften Deutſchlands. Geſamtberband deutſcher
Ange=
ſtekkten=Gewerkſchaften. Gefamtverband deutſcher Beamten=
und Smatsangeſtellten=Gewerkſchaften.
Proteſt der franzöſiſchen Arbeiter.
Paris, 11. Jan. (Wolff.) Der Verwaltungsrat des
All=
gemeinen Arbeiterverbandes (Confédération
Gens=
rale du Trsbail) wendet ſich mit einem Proteſt an die
fran=
zeſiſchen Arbeiter und die öffentliche Meinnng Frankreichs, unn
Einfpruch gegen die militäriſche Beſetzung des
Ruhrgebiets zu erheben. Die ſranzäſiſche Regierung und das
franzbſiſche Parloment hätten durch dieſe militäriſche Beſetzung
den Triumpf des Säbels über die Vernunſt und den geſunden
Wenſchenverſtand beſiegelt und außerhalb Frgnkreichs die
Poli=
tik der Gewalt und der tolken Abentener verſtärkt. In
Fraulreich ſelbſt aber hätten dieſe Maßnahmen eine brutale
Realtion ausgelöft, die die Mehrheitsg=uppe der Kammer,
der nationalen Block, ſo weit ſührt, daß ſie ihr Recht auf
Dis=
kufſion und Kontkoſte zugunſten einer
Regierungsdikta=
tur aufgegeben habe. Der Aufruf fordert die Franzoſen
auf, zehlreich in den Preteſ=verſcmmluugen der C.G.T. zit
er=
ſcheinen und dafür Sorge zu tragen, daß der Völkerbund
den ſchrehenden wirtſchaftſichen Fonfiitt entſcheide.
Englands Stellungnahme.
London, 14. Jan. (Wokff.) Heuter meldet:
Unterſtaats=
ſekrejär Nac Neilſ vom Auswärtigen Amt ſagte in einer
Rede, die er in Canterburh über die Stellungnahme der
engliſchen Regiernng zur Ruhrbeſetzung hielt: „Unſere
franzöſiſchen Freunde glauben, das ſie Deutſchland ſofort zum
Zahlen bringen können, indem ſie die Kontrolle über einige
ſei=
ner wichtigſten Induſtrien ergreifen. Wir find überzeugt, daß
eige ſolche Aktion in keiner Weiſe zu ſofortigen Zahlungen
irgend=
weſcher Art führen, daß ſie vielwehr die Ausſicht, von
Deutſch=
land die ihm möglichen Barzahlungen zu erhalten, in weite
Ferne rücken, ja, ſie höllig vernich ten kann. Wir woklen
Deutſchlands Kredit wiederherſtellen, nicht etwa
aus irgendweſchen Rückſichten — Deutſchland verdient ſolche
nicht —, ſondern um die Jutereſſen aller Alliierten dadurch
zu ſichern, daß Deutſchland in den Stand geſetzt wird, eine große
Anleihe aufzunehmen und damit zu zahlen, was es uns allen
ſchuldet.”
* Paris, 14. Jan. (Priv.=Tel.) Der Londoner
Korreſpon=
dent des Temps berichtet heute abend, die Verſchiebung
desdeutſchen Verfalltags vom 15. auf den 31. Januar
und der in Eſſen mit den Leitern der einzelnen Zechen geſchloſſene
Vertrag über die Lieferung von Kohlen auf Reparationskonto
haben in England einen durchaus günſtigen Eindruck gemacht.
Gleichzeitig mehren ſich aber auch die Kundgebungen gegen die
Außenpolitik Bonar Laws, da verſchiedene Kreiſe der Meiung
ſind, daß die Iſolierung Englands von den kontinentalen
Ange=
legenheiten für England leicht gefährlich werden könnte.
Ein ruſſiſcher Proteſt.
Roskau, 14. Jan. (Wolff.) Ruſſiſche Telegraphenagentur.
Der Präſident des Zentralexekutivkomitees, Kalinin, erließ
eikien Aufruf an alle Völker der Welt mit einem
Proteft gegen die Befetzung Eſſens, welche das
Selbſtbeſtimmungsrecht verletze, die wirtſchaftliche Zerrüttung
Enroxas vermehre und die Gefahr eines neuen Blutvergießens
int ſich berge. Der Aufruf kritiſiert u. g. ſcharf den Verſailler
Frieden.
Ein Verlegenheitsdementi.
* Paris, 14. Jan. (Priv.=Tel.) Gegenüber den heute
mor=
gen in Paris namentlich aus Deutſchland verbreiteten Meldungen
tegen der Bezahlung der Ruhrkohle teilte heute abend der
Temps mit, daß die franzöſiſchen Beauftragten niemals gefagt
hätten, daß die Bezahlung in Goldmark ſtattfinden oder über= laffung zu den Konferenzarbeiten an, die andere proteſtiert
noch=
haupt aus den Kaſſen der alliierten Länder geſchehen ſollte. (Das
Dementi ift nur aus dem Beſtreben zu erklären, über den
Miß=
erfolg des „ſiegreichen Ruhrfeldzuges” hinwegzutäuſchen, von Be= Rußlands. Rußland, die Ukraine und Georgien ſeien
keines=
zahlung in Goldmark hat in den deutſchen Meldungen nichts
ge=
ftaden. Der ſranzöſiſchen Oeffentlichkeit kommt bei diefer
Ge=
legenheit vielleicht zum erſienmal zum Bewußtſein, daß die
Re=
parationskohle; bisher von der deutſchen Regierung auch bezahlt
werden mußte.)
Polen und die Ruhrbeſetzung.
Danzig, 13. Jan. Dziennis Gdanski bringt eine Meldung
der Times, wonach im Falle eines Streiks der Arbeiter
im Ruhrgebiet ſich die Polen nicht daran
betei=
ligen würden. Sollten den polniſchen Arbeitern von deutſcher
Seite irgendwelche Schwierigkeiten gemacht werden, ſo würde
Polen in Oberſchleſien einmarſchieren.
Die halbſtündige Arbeitsruhe in der Pfalz.
ſchen Gewerkſchaftsbund, dem Allgemeinen Freien Angeſtellten= päiſchen Steinkohlengebietes durch Frankreich bedeutet eine
bund, dem Deutſchen Gewerkſchaftsbund, dem Gewerkſchaftsring,
dem Deutſchen Beamtenbund und demr Allgemeinen Deutſchen
Veamtenbund Weſtdeutſchlands erlaſſene Aufruf zur
Arbeits=
uihe am Montag, den 15. Januar, vormittags von 11 bis
17.3 Uhr, als Proteſt gegen die Beſetzung des Ruhrgebiets gilt Folge haben miſſen. Wenn nun Frankreich ſeine eigenen
An=
auch für die Pfglz.
Die Lage im Memelgebiet.
* Berlin, 14. Jan. (Priv.=Tel.) Der gegenwärtig in
War=
jerenz nach Memel geſchickt worden, um dort das Kommando der
alltierten Truppen gegen die Aufſtändiſchen zu übernehmen. Der der anderen zu beborzugen zud damit die Geſamiheit der
deut=
franzöſiſche Schlachtkreuzer „Voltgire” iſt nach Memel in See
ge=
gangen,
ſtattgefunden haben, wobei die Litauer mehrfach zurückgeworfen ein neuer Kohlenſtreik befürchtet. Nach Neu=Yorker Meldungen
men haben.
Deutſchlands bedrohte Grenzlande,
Flensburg, 13. Jan. Es iſt däniſcherſeits nicht
den ſiegreichen Mächten, vor allem Frankreich, die Abtretung pläne in abſehbarer Zeit kaum zu rechnen ſein.
Nordfchleswigs verbankt, und der Teik des däniſchen
Volkes, der trotz dieſes gewaltigen Landzuwachſes unentwegt darauf hindeutet, daß man in England und Amerika auch die
grüßt natürlich jehe weitere Knebelung Deutſchlands mit gro=
Einfluß für ſeine Agitationsarbeit ſieht. Bezeichnend ſind des= nach dem 15. Januar durch Jupfandnahme des geſamten
Ruhr=
halb die Stimmen der däniſchen Chauviniſten. In der
Kopen=
hager National=Tidende ſchreibt der Hakenkreuymitarbeiter unter
der lieberſchrift „Frankreichs Recht” folgendes: „Frankreich
verlangt mit voller Befugnis ein Recht, ihm folgt Belgien,
und — wenn auch etwas abwartend — Italien.‟ Das in
Fleusburg erſcheinende däniſche Chauviniſtenblatt
Fleham=
borg Abis ſchlägt ſogar noch kräftigere Töne gegen Deutſchland
an und ſchreibt im Anſchluß an den Aufruf des deutſchen
Reichspräfidenten und des Reichskanzlers: „Es nimmt ſich für
Deutſchland nicht gerase gut aus, vou fremder Willkür,
Selbſt=
beſtimmungsrecht, Geſvalthandlungen, Ueberfällen und ge=
Fremöherrſchaft” iſt ja immer ein Segen geweſen, ſolange es
daß Deutſchland vergebens verſucht hat, in Verhandlungen mit
und daß die rechtliche Lage nun die iſt, daß Frankreich und
Belgien den Vertrag von Verſailles offeykundig gebrochen
haben. Dieſe Stimmen zeigen wieder eine vom deutſchen
Standpunkt aus beklagenswerte franzofenfreundliche
Orientie=
rung des größten Teiles des däniſchen Volkes.
Polniſche Gelüſte auf Deutſch=Oberſchleſien
und Oſtprezßen.
Berlin, 13. Jan. In Deutſch=Oberſchlefien und
auch in Oftpreußen befiehen, wie aus gut unterrichteter
Quelle gemeldet wird, ſtarke Befürchtungen, daß von den Polen
die gegenwärtige ſchwierige Lage des Reiches dazu benutzt
wer=
den könne, diejenigen Teile Oberſchlenens an ſich zu reißen, auf
die Polen Anſpruch erhoben hat. Nach beſtimnten Nachrichten
ſei aſlerdings asmit zu rechnen, daß ſich die polniſche Regierung
an dieſen Beſtrebungen nicht beteiligen werde. Es lägen aber
ſien Sle eife eice en Leander Fenfaunge aiefe
Gexfichte über ungariſche
Kriegs=
rüſtungen.
Rus Budageſt wird uns geſchrieben: Wieder einmal
ver=
ſucht die kleine Entente, bei der Botſchafterkonſerenz gegen
Un=
rn Stimmung zu machen und es — wie ſchon ſo oft — als den
Störenfried Südsſtenropas hinzuſtellen. Einzelne Paragraphen
des ungariſchen Ordnungsgeſetzes, ſo namentlich der
Para=
graph über die Zwangsarbeit, ſollen angeblich dem verkappten
Zweck militäriſcher Maßnahmen dienen und den langgeplanten
magyariſchen Irredentakrieg in unmittelbare Nähe rücken. Wenn
auch derartige Gerüchte hente ſchon bei den Großmächten kaum
noch irgendwelchen Glauben finden, ſo ſtellen ſie immerhin
Ver=
ſuche dar, den ungariſchen Kronenkurs ins Wanken zu bringen
und daburch das Konſolidierungsſtreben des ſo hart
mitgenom=
menen Landes ernitlich zu gefährden. Wiederum werden auch die
fadenſcheinigen Schlagworte von der terroriſtiſchen Herrſchaft des
Reichsverweſers Horthy laut und Budapeſt wieder als die
Zeu=
trale der „mitteleuropäiſchen Reaktionsbewegung” gekennzeichnet.
Der ungariſche Finanzminiſter Dr. Tibor v. Käſlah hält es für
nötig, ſolchen Treibereien ein ſcharfes Dementi entgegenzufetzen
und zu erklären, daß jede Kriegsvorbereitung eine kataſtrof ale
Rückwirkung nicht nur auf die Staatsfinanzen, ſondern auch auf
den Wiedermfbau des ganzen ungariſchen Wirtſchaftslebens
üben müßte. Selbſt das ungariſche Parlament ſieht ſich genötigt,
den Parteizwift zum Schweigen zu bringen und gegen die von
Prag ausgehende Scharfmacherei um ſo entſchiedener zu
brote=
ſtieren, da ſie eine Einmengung in lokale ungariſche
Verwaltungs=
angelegenheiten bedeute. Jeder Kenner der Verhältniſſe weiß,
daß hinter der ganzen Kampagne wieder die Wühlarbeit der
ſo=
genannten „ungariſchen Emigrationsgruppe” des Grafen
Ka=
rolyi ſteckt, die im Solde der kleinen Entente fteht und im
Ver=
laufe der Jahre eine wahre Meiſterſchaft im Ausſprengen
gegen=
ſtandsloſer Gerüchte über die eigene Heimat erlangt hat. p.m.
Die Lauſanner Konfexenz.
Zwei ruſſiſche Verbalnoten.
Lauſanne, 14. Jan. (Wolff.) Die rufſiſche
Abord=
nung überreichte der Konferenz zwei Verbalnoten. Die
eine ſchließt ſich dem Proteſt Perſiens gegen ſeine
Nichtzu=
mals gegen die Sonderberatungen über die
Meerengen=
frage zwiſchen den Alliierten und der Türkei unter Ausſchluß
wegs beſiegte Länder, die ſich dem Willen der anderen beugen
müßten. Sie könnten derartige Methoden nicht anerkennen. Da
ſie jedoch nicht einen Bruch, ſondern eine Einigung wünſchten,
und nur einftimiige Beſchlüſſe im nahen Orient dauernde
Ord=
nung ſchaffen könnten, forderten ſie das Präſidiun der
Kon=
ferenz auf, das Datum der nächften Meerengenſitzung bekannt
zu geben, damit in dieſer alle intereſſierten Mächte ihre Anſicht
vertreien könnten.
Die Kriſe in der Kohlenverſorgung.
Die Beſetzung Eſſens durch franzöſiſches Militär am 11.
Ja=
nuar iſt ohne Zweifel nur der Auftakt für die Inbeſitznahm=
(bzwv. Inpfandnahme) des geſamten Ruhrkohlengebietes.
Dr. Hilferding hat am 9. Januar im Vorwärts die
verheeren=
den Folgen dieſer Beſetzung, für die Kohlenberſorgung der Welt
Ludſvigshafen, 13. Jan. Der vom Allgemeinen Deut= treffend geſchildert. Di= Kontrolle des wichtigſten mitteleuro=
Krife für die deutſche Wirtſchaft, wie ſie in dieſer Schärfe
bis=
her noch nicht zu verzeichnen geweſen iſt. Die Beſetzung führt
unvermeidlich zu Wirren und Reibungen, die wiederum eine
Verminderung der Kohlenproduktion zur unausbleiblichen
ſprüche an Reparationskohlen, ſowvie die Italiens und Belgiens
zu 100 Prozeut erfüllt, ſo bleibt ein Reſt übrig, der ſelbſt dann
für Deutfchland nach wenigen Wochen zu einer Kataſtrophe
führen müßte, wenn er uus ohne Abzug frei zur Verfügung
geſtellt würde. Nach den bisherigen Erfahrungen wird
Frank=
ſchau weilende Oberſt Trouſſon iſt von der Botſchafterkon= reich die Kontrolle über die Ruhrkohlen benutzen, um beſtimmte
Teile des Reiches oser beſtimmte Wirtfchaftszweige auf Koſten
ſchen Wiriſchaft aus 8eir Gleichgeiicht zu bringen. Die neue
Lag: im Ruhrgediet hat ober Bedenigns uicht un: für Deutſch=
* Tilſit, 14. Jan. (Prin=Tel) Vor Memel ſollen land und für Frankreichs Verbündete, ſondern auch für die
heftige Kämpfe zwiſchen den Franzoſen und Auſſtändiſchen Wirtſchaft der ganzen Welt. In Amerika wird für den 1. April
wurden. Sie find ſehr gut bewaffnet. Nach den letzten Meldun= hamſtern die amerikaniſchen Kohlenverbraucher in Erinnerung
gen ſollen die Litauer die Stadt Memelbereits eingenom= an die ſchwere Kohlenkrife des vorigen Jahres bereits jetzt
große Vorräte. Die Verſchiffungen amerikaniſcher Kohle haben
faſt ganz aufgehört. Dadurch ſteigt naturgemäß die Konjunktur
für den Export der britiſchen Kohle. Wenn es Frankreich
ge=
lingt, aus den deutſchen Kohlenvorräten Zuwendungen an ſeine
Freunde und Nachbarn zu machen, ſo wird England darin noch
nur in Reden und in der Preſſe, ſondern auch von amtlichen nicht unbedingt eine Bedrohung ſeiner Intereſſen erkennen.
Perſonen, ſo z. B. von dem däniſchen Gefandten in Paris, dem Handelte es ſich für England allein um Kohlenintereſſen ſo
Kammerherrn Bernhoft, hervorgehoben worden, daß Dänemark würde mit einem Einſchreiten gegen die franzöſiſchen Ruhr=
In den letzten Wochen hat ſich mancherlei ereignet, was
auf eine weitere Grenzverlegung nach Süden hinarbeitet, be= ſpäteren Wirkungen der von Frankreich gegen Deutſchland
be=
triebenen ökonomiſchen Vernichtungspolitik zu würdigen
be=
ßer Genugtnung, weil er in der deutſchen Not einen großen ginnt. Sollte Frankreich die „Sanktion” der Beſetzung Eſſens
kohlengebietes ergänzen, ſo würde die deutſche Induſtrie einen
unerhörten Niedergang erleben und ſehr bald ſchon als
Ver=
braucher ausländiſcher Rohſtoffe und als Lieferant von Waren
ſo gut wie ganz ausfallen. Hieran würde auch die durch den
ſteigenden Dollar herborgerufene Beſſerung der
Exportkonjunk=
tur nur wenig ändern. Es erſcheint ausgeſchloſſen, daß die
deutſche Wirtſchaft zu einem Kurſe von 50 000 Mark für das
Pfund Sterling Erſatzkäufe an britiſcher Kohle vornehmen
könnte. Seit dem ſtarken Anſteigen der Debiſenkurſ= im
Sep=
tember haben die Einfuhren britiſcher Kohle ſtark abgenommen.
Durch die Unterbrechung, welche die Ableiſtung der
Ueberſchich=
kräukten Menſchenrechten zu reden, aber „das harte Los der ten im Ruhrkohlengebiet vier Wochen lang erfahren hat, iſt
gerade in der letzten Zeit die Kohlenverſorgung der deutſchen
nur die Preußen waren, die dieſe Fremdherrſchaft ausübten. Wirtſchaft aus inländiſcher Produktion ſehr behindert worden.
Dieſe politiſche Richtung in Dänemark will nichts davon wiſſen, Man kann ſagen, daß gerade am Vorabend der Befetzung des
Ruhrgebietes die Vorräte der deutſchen Wirtſchaft auf einem
Frankreich zit einer Löſung der Reparationsfrage zu kommen, Tiefſtand angelangt waren, wie er ſeit vielen Monaten uicht
zu konſtatieren geweſen iſt. Wir befinden uns in der Saiſon,
die naturgemäß den höchſten Kohlenverbrauch erfordert. Von
ahlreichen Werken ſteht feſt, daß ihre Kohlenvorräte nur noch
für wenige Tage ausreichen. Selbſt wo Mangel an
Produk=
tionskapital und beſchränkte Rohſtoffvorrät: noch nicht zu einer
ſtarken Einſchränkung der Produktion Anlaß gegeben haben,
wird, wenn die Beſetzung und die rückſichtsloſe Kontrolle des
geſamten Ruhrkohlengebietes durch di= Franzofen zur Tatſache
werden ſollte, der Kohlenmangel zahlreich= deutſche Betriebe zur
Einſchränkung oder gar zur Stillegung veranlaſſen. Greifen
die Weltwirtſchaftsmächte nicht ohne jeden Verzug ein, ſo tritt
nicht wieder gut zu iachender Schaden ein.
Richter und Schuldnerwucher.
Aus Anlaß meines obigen Auffatzes im Darmſtädter
Tag=
blatt ſind mir zahlreiche Zuſchriften zugegangen. Da mir
Einzel=
autworten nicht möglich ſind, will ich zu den darin aufgeworfenient
Fragen und Bedenken im folgenden Stellung nehmen:
1. Daß ich die in Betracht kommenden Kündigungen als
nich=
tig bezeichne, ſteht mit der Forderung eines Geſetzes, das dies
ausdrücklich ausſpricht, nicht im Widerſpruch. Wie ich
hervor=
gehoben habe, foll das Geſetz Prozeſſen vorbeugen, die ſonſt in
jedem Fall erforderlich werden, in dem der Gläubiger nicht
ge=
duldig ſeinen Anſpruch durch etwa ein Fünfzehnhunderſtel ſeines
Goidwerts vernichten laſſen wvill.
2. Richtig iſt, daß § 138: B. G.B. nur von einem
Rechts=
geſchäfte ſpricht, das gegen die guten Sitten verſtößt. Das
Reichs=
gericht hat aber in zahlreichen Entſcheidungen ausgeſprochen, daß
darunter ein ſolches zu verſtehen iſt, das dem Anſtandsgefühl auler
billig und gerecht Denkenden widerſpricht. Es hat weiterhin
aus=
geſprochen, daß dabei weder der Maßſtab beſonders vornehmer
Geſinung angelegt, noch andererſeits auf die Denkweiſe derer
ab=
geſtellt iverden darf, die alles für anſtändig halten, was ihrem
Geldbeutel frommt und ſie mit dem Strafgefetz nicht unmittelbar
in Konflikt bringt. Vielmehr iſt das Durchſchnittsmaß von
Au=
forderungen zu Grunde zu legen, die der Geſchäftsverkehr in
Wahrung von Redlichkeit und Anſtand ſtellt.
3. Mein Auffatz iſt durch die Maſſenkündigungen veranlaßt,
die der Markſturz um Ende 1922 beranlaßt hat. Um die
Richtig=
keit meines Urteils zu prüfen, habe ich mit Vielen — Juriften
wie Nichtjuriſten — geſprochen und es bezüglich ihrer
überall beſtätigt gefunden. Gar manche markigen Ausdrücke ſind
dabei gefallen und mehrfach wurde die Abſicht laut, durch
Be=
kanntgabe ihrer Namen die kündigenden Schuldner der
öffeni=
lichen Beurteilung preiszugeben. Wiederholt wurden mir Fülle.
mitgeteilt, in denen Schuldner dem Gläubiger das Geld
zu=
ſandten, ohne die Kündigungsfriſt zu wahren, auf die dieſer ein
Recht hatte. Dieſe vermeintlich ganz Schlauen haben daduich die
wahre Natur ihrer Abſicht beſonders unzweideutig bekundet.
4. Daß der Fortbeſtand der Geſetze vom 4. Auguſt 1914 die
Anwendung des 8 138 nicht ausſchließt, habe ich bereits dargelegt.
Jeder Juriſt weiß, daß die 88 138, 157, 242, 226 uſw. (bgl. die Notei
bei Planck zu § 226) dazu beſtimmt ſind, den Forderungen der
Billigkeit und Sittlichkeit ſowie den veränderten wirtſchaftlichen
Verhältniſſen die gebotene Rückſicht zu ſichern, und daß deren
all=
gemeinen Grundſätze den Einzelvorſchriften inſofern vorgehen.
Gerade auf Grund des § 242 hat ja auch das Reichsgericht in den
von mir angezogenen Fällen Rechte aufgehoben oder geändert,
die nach den einſchlagenden Sondervorſchriften an ſich begründet
waren.
5. Bei den unter 3. aufgeführten Fällen liegt der Zweck und
damit die Sittenwidrigkeit des Tuns klar zutage. Damit iſt aber
nicht geſagt, daß ſie bezüglich aller ſeit dem Kriege erfolgten
Rückzahlungen zu bejahen ſei. Die Begriffe von Treu und
Glau=
ben einer= und Sittenwidrigkeit andererſeits bedingen eine
Prü=
fung von Fall zu Fall, und es iſt die hohe Aufgabe des Richters,
ſie unter Berückſichtigung aller Verhältniſſe gewiſſenhaft
vorzu=
nehmen. Daß er ein gutes Recht dabei, nicht an befürchteien
Konfequenzen ſcheitern laſſen darf, braucht keiner Darlegung. Er
wird dieſe ziehen, wo ihre Vorausfetzungen zutreffen, ſie
abieh=
nen, wo dies nicht der Fall iſt.
6. Ich habe wviederholt dargelegt, daß und weshalb das
Ver=
halten des Staates bezüglich ſeiner Schulden nicht mit dem von
Privatperfonen berglichen werden kann. Dies gilt beſonders vom
Geſichtspunkte des § 138 B. G.B. aus. Die Sittenwidrigkeit des
Privatſchuldners beſteht darin, daß er in Grundſtücken und
Ge=
ſchäftsinventar uſw. aus Mitteln ſeines Gläubigers Goldwerte
fortbeſitzt und fich durch Erfüllung in entwertetem Papier auf
Koſten des Gläubigers bereichern will. Auch der Staat hatte,
Goldwerte empfangen. Aber Krieg und Revolution haben ihn
ſeines Beſitzes beraubt, und es iſt mindeſtens zweifelhaft, ob ihm
die Feinde die Erfüllung ſeiner Verbindlichkeiten in Gold
geſtat=
ten würden. Auf alles dies kommt es aber vorliegend gar uicht
an. Denn es iſt ja hier nur von der Sittenwidrigkeit derer die
Rede, die ihren Gläubiger, ohne Rückſicht darauf, ob ſie ihn
zu=
grunde richten, mit einem Schlage um ſeinen gefamten Anſpruch
bringen wollen. Von einer Kündigung deutſcher Staatsanleihen
aber war bisher niemals die Rede.
7. Daß das Geſetz nur von Gläubigerwucher rebet, trifft zu.
Gleichwohl habe ich den Begriff des Schuldnerwuchers mit vollen
Rechte geprägt. Der Gläubiger= wvie der Schuldnerwucherer
er=
ſtreben unter Ausbeutung einer Notlage Vermögensvorteile, die
zu ihrer eigenen Leiſtung in auffälligem Mißberhältniſſe ſtehen.
Der Schuldnertvücherer aber iſt gemeinſchädlicher und
verwerf=
licher. Denn der Schuldnerwucherer geht aufs Ganze. Er bringt
ſeinen Gläubiger um ſeinen vollen Anſpruch und damit vieileicht
an den Bettelſtab, er trägt zur Vernichtung des Mittelſtandes in
hervorragender Weiſe bei und er ſcheut ſich nicht, die Not des
Ge=
ſautvolkes zur Erlangung eines Gewinnes auszubeuten, defſeit
ſittlichen Wert ich vorſtehend beleuchtet habe.
Darmſtadt, den 12. Januar 1923.
Dr. Beſt, Ocerlandesgerichtspräfident.
N
haß
Nu
einen
Au
Rummer 14.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 15. Januar.
die Darmſtädter Burſchenſchaft Germania veranſtalt:
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 15. Januar 1923.
Seite 3.
Herr Landgerichtsdirektor v. Pfiſter hielt die Weiheanſprache,
die mit dem Gelöbnis ſchloß, daß wir in Leid und Not nicht
wanken wollten, daß wir feſiſtehen wollten wi= Deutſchlands
Eichen, daß wir mit allen unſeren Kräften danach ſtreben
woll=
ten, unſer Volk endlich zur geſchloſſenen Einheit gegen äußere
Bedrückung zu bringen als Vorbedingung für jeden Erfolg, daß
wir nach der Freiheit des Vaterlandes ringen wollten, um einſt
als freie Männer in ein freies Grab der deutſchen Muttererde
gebettek zu werden. Der Sang des Bismarckſchen Trutzliedes
„Haſt du dem Lied der alten Eichen, mein drutſches Volk, nicht
pft gelauſcht” beſchloß die Feier.
— Vereinigung der Freunde des humaniſtſchen Eymnaffums. Nach
kurzer Unterbrechung nehmen am Mättwoch, den 17. Jan., abends
8½ Uhr, die Leſcabende ihren Fortgang (Konferenzzimmer des
Ludwig=Georgs=Gyymaſiums Karlſtraße 2). Prof. Dr. W. Büchner
wvird Sophokles Philoßtet interpretieren, das in An age
uind Charakterzsichmung meiſterhafte Alterswerk Ges großen Dichters.
— Orpheum. Das erfolgreiche Gaſtſpiel der „Kölner
Luſt=
ſpiele” geht heute Montag zu Enda (S. Anz.)
Aug den Partefen.
Deutſche Demokratiſche Partei. Die Deutſche
Demo=
kratiſche Partei veranſtaltek am Dienstag, den 16. Jan., abends 8 Uhr,
im Weißen Saal (Kaiſerfaal) ihre Jahresberſammlung, in der
nach Erledigung des geſchäftlichen Teiles ein Referat über die politifch=
Lage im Reich und in Heſſen erſtattet werden wird. Alſe Mitglieder
ſind fveundl. eingeladen.
* Eberſtadt, 14. Jan. Zum Beſten der hefſiſchen
Not=
hilfe in Eberſtadt fand am Samstag im Schwanenſaal unter Leitung
von Hofrat Max Behrend, der in der Villenkolonie anfäffig, ein
Künſtlerabend ſtatt, der in jeder Beziehung allerhöchſten
Erwar=
tungen entſprach. Abgeſehen, daß Behrend ſelbſt feine große Kunſt in
den Dienft der guten Sache ſtellte, hat er es verſtanden, Künſtler von
außergewöhnlicher Begabung heranzuziehen. Da hörte man den
gefeier=
ten Konzertmeiſter Paul Schnurrbuſch, der im Verein mit Frl.
Elſe Dofflein ſtürmiſchen Beifall erhielt. Eine Ueberraſchung war
es für Eberſtadt, die bekannte Tänzerin Ninni Willenz zu bewundern,
die im zweiten Teil des Programms zwiſchen den einzelnen Nummern
Tänze nach Brahmfchen und Mozartſchen Moriben tanzte, bon denen
einzelne wiederholt werden mußten. Aus der Villenkolonic feiber fang
Frau Aßmuß mit vielem Geſchmack Lieder von Brahms, Hildach und
d’Albert. Das große Ereignis des Abends war, daß zum erſtenmal der
junge Heldentenor Adam Helfmann aus Eberſtadt ſich hören ließ:
der junge Sänger iſt von Hofrat Behrend entdeckt, wurde der
ausgezeich=
nieten Geſanglehrerin Frau Klara Bögel anvertraut und wird jetzt von
der Frankfurter Oper weiter ausgebildet. Die ſelten ſarme Stimne
klang wunderbar rein, und mühelos ir ſchönſter Phrafierung brachte er
die Freiſchütz=Arie und die ſo anheimelnden, fein empfundenen Lieder
von Karl Hochfeld zum Vortrag. Auch zwei andere Schüler von Hofrat
beſonderer Dank gebührt der Pianiftin Elſe Dofflein, die nichr nur
die As=Dur=Ballade von Chopin zu großer Wirkung brachte, auch
geſamte Begleitung feinfühlig ausführte. Es verdienit beſonderer
Er=
wähnung, daß Hofrat Behrend die größte Unterſtützung fand von Seiten
der Behörde Eberſtadts, ſowie von den Gebr. Bickelhaupt, dem Gaſtwirt
des „Schwanen” Alfons Orelly, dem Pianofabrikant Küch und von der
erſten Gärtneref. Es dürfte einzig daſtehen, daß dieſer ſo reichbeſuchte
Abend durch die Hilfe der Mitbürger, der felbſtlofen Hingabe der
Künſt=
ler keinerlei Unkoften verurſacht und weit über 200 000 Mark eingebracht
haben wird. Nach dem ſo zündenden Vortrag von Hofrat Behrend hielt
Herr Pfarrer Paul eine tief zu Herzen gehende Anſprache, nach der
eine freiwillige Sammlung auch noch ein großes Erträgnis einbrachte.
* Mefſel, 14. Jan. Diamantene Hochzeit. Faſt zu einem
örtlichen Feſte geſtaltete ſich die am 2. ds. Mts. ſtattgefundene Diamant=
Hochzeitsfeier unſeres ehemaligen Bürgermeiſters Herrn Simon
Hick=
lex III und ſeiner Ehefrau Margarete, geb. Hicklex. Schon in früher
Nergenſtunde wechſelten Poſt und Telephon, um dem greiſen Jubelpaare
die herzlichſten Glück= und Segenswünſche von nah und fern zu
über=
bringen. Daß unter den Gratulanten auch ſämtlich= Herren des
Kreis=
amts nicht fehlten, darf wohl als ſiche ſter Beweis dienen, wie geliebt
und geehrt Herr Hickler auch bei ſeinen Vorgeſetzten geweſen. Um die
Mittagszcik verſammelten ſich ſämtliche Famcienglieder in dem feſtlich
geſchmickten Wohnhauſe, wo unſer Ortsgeiftliche: Herr Dekan
Weiß=
gerber in Anweſenheit des geſamten
Kix=
uorffandes, wozn Herr
Hickler gehört, eine zu Herzen gehende An’p
nihe hielt, der er die drei
Wo=ke: Treue, Liebe und Freundſchaft” zu Hrunde legte. Hierauf
über=
rliet: Heir Dekan dem Jubelpaare eine von der Landesſynode, der
Her: Hikler e!s weltliches Mitglied angehirt, geftiftetes Geſangluc.
mit entfdrechender Widmung. Darauf überreichte der Kirchenvorſtand
eine prächtige Gebenktafel. Auch unſere Gemeinde zeigte ſich für die
hohen Verdienſte, die ſich der Jubilar in ſeiner 25jährigen Dienſtzeit als
Bürgermeiſter erwarb, anerkennend und Herr Bürgermeiſter Heberer
iberreichte namens der Gemeinde mit vortrefflichen Worten ebenfalls
ine prächtige Ehrentafel. Der Geſangverein „Sangerbund” ſowie zwei
hieſige Muſikvereine brachten am Abend dem Jubelpaare ein Ständchen.
Ueber Höchſtpreiſe für Zement
hak eine Verordnung des Reichswirtſchaftsminiſters mit Wirkung vom
2. Januar 1923 ab folgende, für das heſſiſche Wirtſchaftsgebiet gultigen
BBeſtimmungen getroffen: Der Höchſtpreis für 10 000 Kg. Zement ohne
Fracht und Verpackung beträgt im Gebiete des Süddeutſchen
Zementver=
andes (Nordgrenze die Bahnlinie Trier—Koblenz—Wetzlar-Lollar
ein=
hließlich der an dieſer Linie gelegenen Stakionen, die heſſiſche
Landes=
renze bis zur Fulda, die Fulda bis Fulda, die Bahnlinie Fulda—Joſſa,
die Nordgrenze Bayerns außer Koburg) 422 724 Mk. bei Lieferung an
Fichs= oder Landesbehörden 422 654 Mk. Die Vergütung für den
Han=
del ift in dieſen Preiſen euthalten. Als Fracht darf die von den
Zement=
verhänden nach Lage der Empfangsſtation errechnete jatſächliche oder
Durchſchnittsfracht zugeſchlagen werden. Die Durchſchnittsfrachten
unter=
liegen feiner Nachprüfung. Ergeben ſich dabei Ueberſchüſſe oder
Fehl=
beträge, ſo ſind die Durchſchnittsfrachten nach ſeinen Anordnungen zu
ändern.
Beim Kleinverkauf durch den Handel dürfen zu den Höchſtpreiſen und
der Fracht zugefchlagen werden bei Abgabe bis zu 2500 Kilo 30 v. H., bei
Abgabe bis zu 5000 Kilo 20 v. H., bei Abgabe bis zu 9950 Kilo 10 v. H.
Die Kleinverkaufszuſchläge ſind gleichfalls Höchſtpreiſe im Sinne des
Höchſtpreisgeſetzes. Dieſe Beſtimmungen finden keine Anwendung auf
zwiſchen Handler und Verbraucherverbänden vereinbarte Zuſchläge, wenn
der Reichswirtſchaftsminiſter der Vereinbarung zugeſtimmt hat.
Die Umſatzſteuer iſt in den Höchſtpreiſen enthalten.
Zement im Sinne dieſer Verordnung ſind Portlandzement,
Eiſen=
portlandzement, Hochofenzement, Schlackenzement und zementähnliche
Bindemittel, die in einer Miſchung von 1:3 bei Waſſerlagerung nach
28 Tagen eine Druckfeſtigkeit von mehr als 140 Kg./Kbztmtr. haben.
nach Maßgabe der tatſächlichen Verteuerung der Wiederherſtellungskoſten
zu leiſten. In dem Notgeſetz iſt keine Beſtimmung getroffen, bis wann
die Wiederherſtellungsarbeiten, für welche die Zuſchläge gewährt
wer=
den, auszuführen ſind. Es gilt vielmehr hier Artikel 34 des 1890er
Geſetzes, wonach die Wiederherſtellung der Brandſchäden längſtens
inner=
halb fünf Jahren vom Tage der Brandbeſchädigung an zu geſchehen hat,
widrigenfalls der Anſpruch auf Entſchädigung ganz oder, wenn die
Wie=
derherſtellung teilweiſe ſtattgefunden hat, ſoweit verloren geht, als dig
Entſchädigungsſumme nicht verwender iſt. Die
Wiederherſtellungsarbei=
ten ſind demnach binnen einer Friſt von fünf Jahren auszuführen. Die
Verhältniſſe haben ſich jedoch jetzt infolge der fortſchreitenden,
ſprung=
haften, außerordentlichen Geldentwertung und der damit Hand in Hand
gehenden ſtändigen gewaltigen Erhöhung der Brandkoſten, bedingt durch
eine ſtändige Erhöhung der Löhne und außerordentlichem Verteuerung
aller Byumaterialien von Grund aus geändert. Bei der bisher von
Monat zu Monat und in noch kürzeren Zeiträumen ſtändig wachſenden
Teuerung, bedeutet es für die Brandverſicherungsanſtalt, und damit
auch für die übrigen verſicherten Gebäudeeigentümer, die ſpäter im Wegé
der Umlage für die erhöhten Koſten aufzukommen haben, eine
außer=
ordentliche Mehrbelaſtung und eine erhebliche Benachteiligung, wenn die
Wiederherſtellung zerſtörter oder beſchädigter Gebäude nicht alsbald
er=
folgt, ſondern aus irgendwelchen Gründen hinausgeſchoben wird. Die
für die Brandverſicherungsanſtalt durch ſolche Verzögerung des
Wie=
deraufbaues erſvachſene Mehrbelaſtung geht jetzt ſchon in die vielen
Millionen und erſcheint fernerhin nicht mehr erträglich. Es müſſen
baher Maßnahmen getroffen werden, die dazu führen, daß die von
Koſten für die Empfangnahme und Verteilung
und die Durchführung des ausländiſchen
Hilfs=
werkes des Reichs ſowie die für die Beſchaffung
von Mehl und Zucker für die Kinderſpeiſungen
entſtehenden Unkoſten.
* Das Reich hat ſich bereit erklärt, die für die Empfangnähme und
Verteilung und die ſonſtige Durchführug des ausländiſchen Hilfswerks,
ſoivie die für die Beſchaffung von Mehl und Zucker für die
Kinder=
ſpeiſungen entſtehenden Unkoſten zu tragen, vorbehaltlich der
Rück=
erſtattung 1. von je einem Drittel durch die bereiligten Länder und die
Ennpjänger foweit der 21=Millionenfonds 2. von einem Drittel durch
die beteiligten Länder, ſoweit der 150=Millionenfonds in Frage kommt.
Der Deutſche Zentralwsſchuß für die Auslandshilfe E.V., dem die
Durchführung des Liebesgabenwerkes übertragen worden iſt, har für
die Zeik vom 1. April 1921 bis 31. März 1922 Rechnung gelegt, die im
einen ſeiner Beamten amtlich Prüfen zu lafſen.
Die Geſamtaufwendungen, die hiernach für die Durchführung des
ausländiſchen Hilfswerkes entſtanden ſind, betragen im Rechnungsjahr
1921 1. z conto des 21=Millionenfonds 19 335 063,55 Mark,
2. 3 conto des 150=Millionenfonds 138 024 193,27 Mark,
zuſaurmen 157 409 256,82 Mark.
Hierbon beträgt das für Heſſen aufgelgendete Länderdrittel zu
49 208,90 Mark, zu 2. 493 049,66 Mark, insgeſamt 542 258,56
Mark. — Zu dieſer Anforderung hat der Herr Reicksminiſter für
Er=
nährumg und Lanwirtſchaft mitgeteilt, daß die aus dem 21=
Miſlionen=
fonds verausgabten Mittel für die Verteilung von Kraftfutter i Höhe
die gegen Ende des Rechnungsjahres 1921 beſchafft, aber noch nicht an
die Verbrauchsſtellen weiterverſandt ſind. Desgleichen wird der aus
demſelben Fonds entnommene Betrag von 4 Millionen Mark für die
Wirtſchaftshilfe der Deutſchen Studentenſchaft im Rechnungsjahr 1922
zur Umlage auf die Länder gekangen.
Die Unkoſtenanteile für dieſe Hilfsaktion wurden bereits für die
Vorjahre angefordert und damals anteilsmäßig von den
Kriegsorgani=
ſationen des Landes erhoben, wodurch ſich bisher eine Anforderung zu
Laſten von Staatsmitteln erübrigte. Aus diefen Rückſtellungen iſt goch
ein Betrag von 102 686,65 Mark verfügßar, der für die fetzige
Anforde=
rung Verwendung finden kann und um den ſich deshalb die Zahlung
zu Laſten des Staates vermindert.
In einer Regierungsvorlage wird der Landtag um die Zuſtimmnung
gebeten, daß der Betrag von 439 571,91 Mark (542 258,56 Mauk
abzüg=
lich des verfügbaren 1/2 686,65 Mark) als Unkoſtenbetrag des Landes
au das Reich zu Laſtn allgemeiner Verwaltungsausgaben abgeführt
wird.
Brandverſicherungsanſtalt für Gebäude.
* Der Artikel 1 des Geſetzes vom 13. Juli 1918 ſoll folgenden
Zu=
fatz erhalten: „Inſoweit jedoch die Wiederherſtellung der Brandſchäden
erſt nach Ablauf eines Jahres nach dem Brandfall erfolgt, werden für
die im erſten Halbjahr nach dieſem Zeitpunkt ausgeführten Arbeiten nur
75 Prozent und für die im zweiten Halbjahr nach dieſem Zeitpunkt
aus=
geführten Arbeiten nur 50 Prozent der tatſächlichen Verteuerung der
Wiederherſtellungskoſten in Anſatz gebracht. Für nach Ablauf von zwei
Jahren nach dem Braydtag ausgeführte Wiederherſtellungsarbeiten
werden Zuſchläge zu den Entſchädigungen nicht mehr gewährt. Bei den
vor Inkrafttreten dieſes Geſetzes vorgekommenen Brandſchäden beginnen
dieſe Friſten vom Tage des Inkrafttretens des Gefetzes ab zu laufent.
Nach dem Norgeſetz vom 13. Juli 1918 hat die Brandverſicherungsanſtalt
zu den nach dem 1890er Geſetz zu gewährenden Entſchädigungen für
zer=
ſtörte oder beſchädigte Gebäude bei der Wiederherſtellung einen Zuſchlag
meinen volkswirtſchaftlichen Intereſſe, insbeſondere auch im Intereſſe
gebung der Wohnungswot. Dieſem Zweck dient der vorliegende
der
Geſetzentwurf. Hiernach ſoll der Beſchädigte die nach dem Notgeſetz vom
23. Juli 1918 zu gewährenden Zuſchläge zu den Entſchädigungen nach
dem Geſetz nur dann im vollen Umfange erhalten, wenn die
Wieber=
erſtellungsarbeiten innerhalb eines Jahres nach dem Brandfall
aus=
geführt ſind. Für ſolche Wiederherſtellungsarbeiten, die erſt ſpäter
ausgeführt werden, ſoll er die Zuſchläge nur zum Teil erhalten. Für
ſolche Arbeiten, die erſt nach Ablauf des zweiten Jahres nach dem
Brandfall vorgenommen werden, ſollen die Zuſchläge überheupt
weg=
fallen. Es wird dann nur die Entſchädigung nach Maßgabe des
Ge=
ſetzes vom 28. September 1890 gewährt. Die Friſten ſind ſo gewählt,
daß ein Wiederaufbau der zerſtörten oder beſchädigten Gebäude erfolgen
kann, ohne daß allzu große Härten für die Beſchädigten damit verbunden
wären,
Buchanzeigen.
(Beſprechung erfolgt nach unſerem Ermeſſen. Die nachfolgende Anzeige
von Neuerſcheinungen iſt keiner Empfehlung gleich zu achten.)
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lebens Verlag in Wien und Leipzig.)
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Sportklub Frankfurt 1880 1 2:6 (1:3).
Reſultate vom Sonntag. Darmſtädter Hockeyklub I—Hockeh=
und Tennisklub Bad=Homburg I 17:0 (5:0).
Darmſtädter Hockeyklub II—Hockehklub Heidelberg IIb 4:6 (3:4). —
Spielberichte folgen.
gr. Beſtrafung des Deutſchen Fußballmeiſters,
Der Spielausſchuß des Kreiſes 3b der Deutſchen Turnerſchaft hat die
erſte Männer=Mannſchaft des Turn= und Sportbereins von 1860 zu
Spandau wegen ihres unturneriſchen Verhaltens bei der Aufſtellung der
Berliner Städtemannſchaft gegen Hannover mit Ausſchluß aus allen.
vepräſentatihen Spielen des Kreiſes 3b bis zum 31. Mai 1923 beſtraft.
Qußerdem wurde die Genehmigung verſagt, Spiele über den Rahmen
des Kreiſes hinaus bis zu dem gleichen Termin auszutragen.
er. Süddentſche Fußballmeiſterſchaft. Vom
Siid=
deutſchen Spielausſchuß werden jetzt die Termine der Schlußſpiele um
die Süddeutſche Fußballmeiſterſchaft bekaunt gegeben. Es werden
ſpie=
len am 11. Febr.: Bayern gegen Mai, Württemberg=Baden gegen Rhein;
am 18. Februar: Württemberg=Baden gegen Vahern, Heſſen=Saar gegen
Main; om 4. März: Main gegen Rhein, Bayern gegen Heſſen=Saar;
am 11. März: Rhein gegen Bayern, Heſſen=Saar gegen Württemberg=
Baden; am 25, März: Rhein gegen Heſſen=Saar, Main gegen
Würt=
temberg=Baden. — Es wird nicht uehr in einer Ausſchoidungsrunde,
ſondern nach Punktwertung geſpielt.
Tageskalender.
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Anfang 4, 6 und 8 Uhr, Film: „Im Winter auf dei
Kleines Ha
Großglockner” — Orpheum, Anfang 7/.8 Uhr: „Eme
Hamſter=
fahrt”. — Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele;
Kino=Vorſtellungen.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und Land”,
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für Sport und Allgemeines:
Kurt Mitſching; für den Inſeratenteil: Paul Lange —
ſämtlich in Darmſtadt.
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In tiefſtem Schmerz:
Die trauernden Hinterbliebenen:
Familie Schmitt, Oberpoſtſchaffner
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2. Neuwahl des Vorſtandes.
3. Anträge.
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G.-T. Beuerturm von Lafajette.
Abenteuer d. schön Dorette /*1304
78
Jagu=Berpaclang.
Samſtag, den 20. Januar 1923,
nachmittags um 1 Uhr, wird auf dem
unterzeichneten Bürgermeiſtereiburean die
Jagd der Gemeinde Höchſt i. Odw., zirka
3400 Morgen, auf weitere ſechs Jahre
verpachtet. Es wird beſonders darauf
hingewieſen, daß die Jagd einen guten
Wildſtand aufweiſt. Bedingungen werden
vor Beg’nn bekanntgegeben..
Höchſt, am 11. Januar 1923.
Heſſiſche Bürgermeiſteref.
Wolf.
375od
*
A1,30
Brräntohaur
Gfaue.
durch Schnhputz
Wigrin.
Seite 4.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 15. Januar 1923.
Rumer 14.
Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintierzucht und Siedlungswpeſen
Zeitgemäßes über Milch und Milchkühe.
Die Milch iſt jetzt in der Landwirtſchaft und im Handel ſehr
koſtbar und teuer. Dementſprechend muß man die Milchkühe
ſo ernähren, daß ſie auch im Winter reichlich Milch geben. Daß
zuweilen ein ganzer Milchviehbeſtand wenig Milch an einzelnent
Tagen gibt, kann ſeinen Grund haben, daß mian während des
Freſſens melkt. Wenn darin ſtörrige Kühe auch wohl während
des Freſſens ſich ruhiger melken laſſen, ſo kann es aber
vor=
kommen, daß ſie die Milch zurückhalten. Das richtige Ausmelken,
welches notwendig iſt, geſchieht ſtets am vorteilhafteſten, wenn
die Kühe nicht freſſen. Soll die Milch für die Käſerzi in
Ver=
wendung kommen, ſo verwende man ſie friſch und laſſe ſie nicht
lange ſtehen. Denn Milch, die lange nach dem Melken geſtanden
hat und weit transportiert iſt, hat an Wert für die Käſerei
ver=
loren. Die Käſe und auch die Butter bekommen namentlich im
Winter einen Kohlrübengeſchmack, wenn die Milch denſelben
Geſchmack hat. Er wird verurſacht durch zu große Mengen
Kohlrübenfutter. Die Milchſekretion wird zwar durch
Kohl=
rübenfutter gefördert, doch geb man täglich nur ſo große
Men=
gen, daß die Milch nicht den Kohlrübengeſchmack dem Käſe und
der Butter übertragen kann. Butter und Käſe bleiben auch frei
von einem Nebengeſchmack, ſofern die Milch ſofort aus dem
Stall getragen wird, weil di: Milch den jeweiligen Futter= und
Stallgeruch leicht annimmt.
Hat die Milch einen Kohlrübengeſchmack, ſo kann dieſer
durch Paſteuriſieren entfernt werden. Damit die Milch beim
Verfüttern von Fiſch= und Fleiſchmehl nicht den urangenehmen
öligen Fiſchgeſchmack anuimmt, ſorge man dafür, daß per
Dob=
pelzentner Lebendgewicht täglich nur 85 bis 90 Gramm
Fiſch=
mehl dem Futter eingemiſcht wird. Reicht man aber per
Dop=
pelzentner Lebendgewicht 150 bis 200 Gramm jeden Tag; ſo
überträgt die Milch den Fiſchgeſchmack auf Käſe und Butter, wvie
denn auch ſolche Milch als Kinder= und Kaffeemilch nicht ohne
weſentliche Geſchmacksveränderung zu verwenden iſt. Gerade
im Winter, wo ſolche Frendgeſchmacke übertragend: Futterarten
gefüttert werden, ſollte man mäßig damit umgehen, um nicht
der Milch und die daraus gewonnenen Produkte den
Handels=
wert zu nehmen. Anch dort, wo Treber gefüttert werden,
be=
kommt die Milch häufig einen ſauren treberartigen Geſchmack.
Dieſer erſcheint in der Regel nicht allein bei Ueberfütterung mit
Trebern, ſondern auch, wenn verdorbene und ſchon ſauer
ge=
wordene Treber gefüttert worden ſind. Kann man Treber nicht
ganz friſch verfüttern, ſo ſind die getrockneten Treber, die jetzt
auch im Handel ſind, beſſer als verdorbene ſaure Treber. Dort
wo Treber und Schlempe gefüttert wird, muß man auf die
Reinigung der Tränkgefäße beſonderes Gewicht legen, weil auch
im Winter Reſte davon ſäuern und nachteilige Folgen auf die
Rilchkühe auslöſen.
Mehr wie ſonſt ſoll man im Winter die Milch meſſen und
auf ihren Fettgehalt unterſuchen laſſen. Dadurch bekonmt uan
auch ein entſcheidendes Urteil, oh man richtig füttert oder nicht.
Denn bei richtiger Fütterung geben im Winter die Milchkühe
nuch gleiche Mengen Milch, die einen durchſchnittlichen Fettgehalt
hat. Läßt der Fettgehalt nach und das tägliche Maß Milch
vechſelt ſehr auffallend, ſo muß man unterſuchen, welche Fehler
dei der Fütterung gemacht ſind. Das zehntägige Probemelken
nd Vergleichen der Milchmengen und des Milchfettes der
ver=
hiedenen Tiere hat diele Vorteile. Verwendet man ſtets eine
leich fette Milch zun Verbuttern, ſo wird die Butter, die hieraus
buttert wird, auch gleichmäßig nahrhaft. Neben den vielen
rkennungszeichen einer viel Milch gebenden Kuh wird noch zu
nig der Schwanz beachtet. Nach Beobachtungen ſoll der
chwanz einer guten Milchkuh dünn rundlich nach dem
Schwanz=
de wenig verfüngt zulaufen. Die Haare, welche einen ſolchen
hwanz bedecken, ſind lang, weich und faſt ſeidenartig. Beim
kauf von Milchkühen kann dieſes Erkeunungszeichen auch
ch beachtet werden. Die Verunreinigung der Milch durch
rfſtreu erfolgt hauptſächlich, wenn in dem Milchviehſtall nur
rfſtreu verwendet iſt. Die Milchkühe legen ſich tagsüber und
chts in die Torfſtreu, ſo daß das Milcheuter ſehr von naſſer
rfſtreu beſchmutzt wird. Dieſe trocknet an das Milcheuter feſt,
d wenn der Milcheimer beim Melken unter dem Eimer ſteht,
fallen an dem Euter ſitzende naſſe und trockene Teile in die
iſch und geben der Milch einen Torfſtreubeigeſchmack. Dieſes
ſo mehr, wenn die Torfſchmutzteile längere Zeit liegen
iben, bevor die Milch geſeiht wird. Iſt mau nun wegen
rohmangel gezwungen, Torftreu auch in Milchviehſtall. zu
uten, ſo ſtreuee man auf die oberſte Lage eine, dünne Lage
ſchnittenes Stroh, um dadurch Reinlichkeit in den Stall zu
ngen und damit das Milcheuter ſauber bleibt. Es iſt
übri=
ns auch zu empfehlen, das Euter vor dem Melken tüchtig
ab=
putzen, denn dadzu) wird auch verhindert, daß Schmutzteile
die Milch fallen.
Auf eine beſtimmte tägliche Milchleiſtung von Milchkühen
ſchiedener Schläge kann man nicht reflektieren weil die
iſchleiſtungen der einzelnen Viehſchläge ſehr verſchieden ſind.
otzdem aber iſt es möglich, durch paſſende Fütterung den
iſchertrag auch im Spätherbſt und Winter beizubehalten, den
Kühe während der Weidezeit gegeben haben. Bei den
igen hohen Preiſen des Futters fällt es allerdings jenen
Kuh=
ltern ſchwer, gutes Kraftfutter zu füttern, die auch andere
ttermittel zukaufen müſſen. Jedeufalls bleibt unter den
igen Verhältniſſen der Selbſtanbau von paſſendem Futter
Das helle Licht.
Roman von Friedrich Kipp.
(Nachbrutk verboten.)
Max ſtaunte. Woher hatte das ſchlichte Kiud dieſe
An=
zauung und Ausdrucksweiſe? Dies ſichere Gefühl? Dieſe
Ueber=
ugung, daß ſie mit Wallenhorſt, unbeſchadet um ihre Unſchuld,
urch Dick und Dünn gehen konnte? Das gefiel ihm ausgezeichnet
n dem Mädchen, und darum fühlte er ſich ſo überaus wohl in
hrer Nähe. — Die Nähe eines Engels iſt der größte Segen für
eine kranke Seele. Und Liesbeth Randers war ein Engel au
Gemüt, Neinheit und Frömmigkeit.
Sie ſtiegen einen Bergpfad hingn bald durch Unterholz,
bald durch hohe Taunenwaldungen, an Simbeerhecken und
Brom=
beergerank vorbei, in denen die Vögel des Waldes ſangen und
ſich gütlich taten. Obwohl die Sonne von einer
undurchdring=
lichen Wolkenwand verhüllt wurde, war es doch recht angenehn.
Das Wetter war gerade wie für eine Bergwanderung geſchaffen.
Und gerade dieſe Naturſtimnung, bei der man nicht zveiß, ob es
bald regnen wird, oder ob das Tagesgeſtirn wieder hervorbricht,
liebte Max ganz beſonders; das Grau in der Natur, der ſchivere,
dunſtige Wolkenſchleier gaben dem Nachmittag einen herben,
wehmütigen Charakter, der ſo recht zu ſeinem inneren Weſen
paßte.
So waren ſie eine ganze Weile ſtillſchtveigend durch die
ein=
ſamen, ſtillen Harzberge dahingegangen, als ſie in eine Lichtung
traten, in deren Grunde ein ſilberheller Weiher glänzte. Es war
das Waſſer, das Mar damals, als er mit Lisbeths Vater zum
erſten Mal den Fußwveg zum Förſterhauſe wanderte, aus der
Ferne mit trunkenen Augen augeſtaunt hatte. An jenem Abend
hatte der kleine See im Mondenſtrahl geflimmert, gleich einen
Diamanten in ſeiner Faſſung. Jetzt wirkte er ſchlichter, aber nicht
minder ſchön, verträumt und berſonnen. Am entgegengeſetzten
Rande ſchwammen Waſſerhühner und Krickenten. Glänzende
Schwalben ſtrichen in blitzſchuellem Fluge über die ſchillernde
Flut dahin, un nach den unzähligen Mücken zu jagen, die in der
ſtillen Luft tanzten und ſummten. Auch im Schilf und Ried, das
leiſe und träumeriſch im ſchneichelnden Lufthauch zikterte uid
wiſpelte, wiegten ſich farbenprächtige, glänzende Likellen und
für die Milchkühe hochlohnend. Dieſer muß dann dem
Milch=
viehbeſtand entſprechend ausgedehnt werden. Je nachdem, in
welchem Alter man nun in der Milchwirtſchaft Milchkühe hat,
muß auch das Trockenſtellen der Milchkühe in Erwvägung gezogen
werden. Je jünger der Milchviehbeſtand iſt, deſto nozwendiger
wird das Trockenſtellen. Hat man in der Milchwirtſchaft
Fär=
ſen, welche mit dem zweiten Kalbe trächtig ſind, gleichviel, ob
das erſte Kalb eine Schwergeburt oder eine Leichtgeburt war,
ſo ſoll man in der elften Woche vor dem Kalben trocken ſtellen.
Sind dagegen die Färſen voll im Fleiſch und ſouſt geſund, kann
man ohne Schaden noch weiter melken. Deun dieſe können dann
ihre Milchanlageen noch verbeſſern, die in der Regel bei einem
vollen Fleiſchanſatz noch zu wünſchen übrig laſſen. Haben die
Färſen, welche man trocken geſtellt hat, in einem Alter von 2½
Jahr das erſte Kalb zur Welt gebracht, und ſind daun kurz
darauf wieder rinderig geworden, ſo müſſen dieſe außer
ſon=
ſtigem guten Milchfutter auch Kraftfutter haben, um die
Aus=
bildung des Nalbes zu fördern. Welches Futter man gibt, bleibt
ſich ſchließlich gleich, die Hauptſache iſt, daß es den Körper ſtärkt
und nährende Stoffe erzeugt, welche dem im Mutterleibe
liegen=
den Kalbe zur Kräftigung dienen.
Es genügt jedoch keineswegs, ſolche tragende Färſen nur
trocken zu ſtellen, unterläßt man eine beſondere ktäftige
Fütte=
rung, ſo bleiben die Färſen in ihrer weiteren Entwicklung zurück
und die Nachkommen bleiben ſchwach. Dieſen iſt dann aber auch
gewiſſermaßen ſchon wieder die Schwäche eingeimpft, ſchwach
zu bleiben, weil die einzelnen Körperorgan; von Jugend auf
nicht vollkommen entwickelt ſind. Bei ſolchen ſchwachen Färſen
kommt es häufig vor, daß ſie zwar das erſte Kalb (oft aber auch
nur mit Schwergeburt) zur Welt bringen, aber dann nicht
wvieder vollkommen die Rindrigkeit erhalten. Dieſes
Nicht=
rindrigwerden hat aber auch itr den meiſten Fällen ſeine Urſache
in der Unterernährung. Merkt man bei einer Färſe nach dem
erſten Kalben, daß ſie in den nächſten dier Monaten nicht wieder
rindrig wird, ſo gebe man eiweißreiches Futter. Ju erſter
Linie können Hafer, Hülſenfrüchte, Leinkuchen und Rapskuchen
in Frage kommen. Gibt uian nach dem erſten Kalben den
Färſen auch in Zwiſchenräumen ſolches eiſveißteiches Futter,
ſo wird man regelmäßig rindrig werdenge Färſen im Stall
haben. Der Milchviehbeſtand bleibt dann auf der Höhe der
B.
Zeit.
r5
9
Landwirtſchaft.
9
Welche Nährſtoffe werden dem Boden durch
die Beackerung in erſter Linie entzogen?. Dieſe
Frage hat ſchon im Jahre 1895 Prof. Märcker durch ſeine
Unter=
ſuchungen, die er im Jeverland anſtellte, gelöſt. Das Jeverlaud
iſt bekanntlich der nördlichſte Teil von Oldenburg, und obwohl
es ein verhältnismäßig kleiner B=zitk iſt, kommen doch Böden
von der größten Verſchiedenheit vor. Dicht an der Küſte erſtreckt
ſich das tiefgründige, fruchtbare „Grodenland”, das ſich
beſon=
ders zum Ackerbau eignet. Dieſe überaus fruchtbaren „Groden”
ſind viele Jahre hindurch ohne Düngung beackert worden. Di.
Unterſuchung hat nun ergeben, daß trotzdem Stickſtoff und Kali
in ihren Meugen ziemlich gleich im Boden geblieben ſind, daß
aber Phosphorſäure und Kalk mit dem Beackern der Böden
ſietig abgeuommen haben. Daraus geht doch unwiderleglich
her=
vor, daß wir in erſter Linie für die Zufuhr von
Phosphorſäure=
in unſern Aeckern zu ſorgen haben. Am beſten geſchieht dies
in Form von Thomasmehl; denn mit dieſem geben wir dem
Acker gleichzeitig etwa 50 Prozent Kalk.
— Zur Drilkſaat. Die Drilſaat verdient vor der
Breitſaat den Vorzug, da dieſelbe eine gründliche Bearbeitung
mit der Hack” ermöglicht. Das Drillen mit der gewöhnlichen
Drillmaſchine iſt aber mit Schwierigkeiten verbunden, da die
Säelvelle für den Möhrenfamen nicht geeignet iſt, man zieht
daker, namentlich bei weniger umfangreichem Anbau, die Drill=
reihen mit dem Markenner und bringt den Samen mit der Hand
in den Boden. Vielfach wendet man auch die Dibbelkultur an,
und zwar auf 26—30 Zim. im Quadrat. Sollen die Möhren
im großen angebaut werden, ſo empfiehlt es ſich, für die
Drill=
maſchine eine beſondere Säewelle anzuſchaffen. Der
Möhren=
ſamen muß möglichſt flach auf 30—40 Ztm. Reihenentfernung
gedrillt werden. Wird er Samen zu tief untergebracht, ſo wird
das Aufgehen desſelben ſehr verzögert. Um eine möglichſt
flache Lagerung zu erreicheu, muß der Boden vor dem Säen
tüch=
tig gewalzt werden, und außerdem wendet man noch ſtumpfe
Drillſchare an. Nach Beendigung der Saat iſt der Acker
aber=
mals zu walzen. Die weitere Pflege der Möhren beſchränkt ſich
darauf, daß dieſelben wiederholt gehackt werden, um das
auf=
ſtrebende Unkraut zu vernichten und durch Lockerung des Bodens
möglichſt günſtige Wachstumsbedingungen zu ſchaffen. Vielfach
wird der Fehler gemacht, daß mit dem Hacken begonnen wird,
wenn die jungen Pflänzchen ſichtbar werden. Der Möhrenſamen
keimt ſehr langſam, während bei den meiſten Unkräutern das
Gegenteil der Fall iſt; es liegt mithin die Gefahr vor, daß die
jungen Möhrenbflanzen durch das ſchon üppig wachſende
Un=
kraut in ihrer Entwicklung ſtark gehemmt werden. Es iſt daher
dringend notwendig, daß die Möhnen ſchon vor dem Aufgehen
gründlich durchgehackt werden. Sobald die Pflanzen eine Höhe
von 4—6 Ztm. erreicht haben, werden ſie auf 12—15 Ztm. ver=
ſahen zu, wvie ſich hin und wieder eine muntere, ſilberglänzende
Forelle mit lautem, wie Glöcklein klingenden Plätſchern über dem
glatten Waſſerſpiegel erhob, um dann wieder blitzſchnell in dem
naſſen Elemente unterzutauchen und zu verſchwinden.
Ja, hier iſt es ſchön”, ſagte Mar, als ihn ſeine Begleiterin
fragend anblickte, nund ich danke Ihnen, daß Sie mich hergeführt
haben.”
„Kommen Sie!” verſetzte ſie und ſchritt am Iifer entlang zu
einer Stelle, wo Schilf und Röhricht wuchſen.
Hier lag ein Kahn angekettet.
„Können Sie rudern?” fragte ſie und deutete auf das kleine
Fahrzeug.
„Das will ich meinen!” entgegnete Max übermütig lachend.
„Ein Königlich Preußiſcher Offizier der Schutztruppe muß alles
können.”
„Na, na!” lachte ſie ſchelmiſch. „Sind die Herren Offiziere
alle ſo von ſich eingenommen?”
„Na, da hab ich ja meinen erſten Rüffel ſchon!” entgeguete
er, auf den Ton ihrer Redewendung eingehend. „Weun das ſo
weitergeht, werden wir uns wvohl nicht gut vertragen.”
„Nun, ganz fo ſchlimm iſts nicht gemeint, Herr Offizier”,
lachte ſie, „und ich bitte gleich um Verzeihung.”
„Wenn ich nun aber nicht verzeihe?” ſagte er heiter geſtimmt.
Sie ſtampfte mit dem Fuße. Faſt wollte es Max ſcheinen,
als ob ein wenig Eigenſinn in ihrem Köpſchen ſteckte. Doch er
ſah bald ein, daß er ihr Unrecht mit dieſem Gedanken getan hatte,
denn ſie ſagte kleinlaut: „Dann würde ich mich ärgern, daß ich
das vorhin geſagt habe. Aber gelt, Sie haben es doch nicht in
Wirklichkeit übel genommen?”
Max lachte ſie beluſtigt an. „Aergern Sie ſich nur nicht, Sie
ſollen ſchon eine Strafe haben.”
„Was ſoll denn das für eine Strafe ſein?”
Faſt ſah es aus, als ob ihr die Tränen kommen wollten.
„Nun, daß Sie mit mir zu jener Stelle des Weihers fahren,
tuo die Seeroſen blühen, die in verlockender Weiſe
herüberſchim=
mern. Von jetzen Blüten follen Sie mir die ſchönſte brechen.”
„Aber das iſt ja gar keine Strafe!” kam es jubelnd von ihrei
Libteii. „D. Sie ſid gut! Ich hatte ſchon gedacht, daß ich Sie
druſtlich erzürrit hätte.”
„Aler Früutlein Liesbeth, wie konnten Sie ſo etwas glau=
einzelt. Das Saatquantum von ſcharf abgeriebenen Samen
beträgt bei Breitſaat 7—8 Kg, bei Reihenſaat 6—7 Kg. und bei
Dibbelſaat 4—5 Kg. pro Hektar.
R0
Obſi= und Gartenbau
— Schutz der Baumſtämme vor Froſtſchaden.
Von Mitte Januar an wirkt die Sonne von 12—2 Uhr
nach=
mittags oft ſchon recht belebend und löſend auf den Saft der
Obſtbäume ein. Bei klarem Himmel haben wir in dieſer Zeit
auch die höchſten Kältegrade in der Nacht zu erwarten. Der am
Tage flüſſig gewordene Saft gefriert alſo in der folgenden Nacht
und ſprengt Holz und Rinde. Die dadurch entſtehenden
Froſt=
riſſe können dem Baum ſehr ſchädlich werden. Man muß
des=
halb zuſehen, daß keine entſtehen. Man verhütet es durch
Lat=
ten, die man auf der Südſeite an den Stamm lehnt, odir durch
Nadelreiſig, das man an den Stamm bindet.
Mit der erſten Erbſenſaat ſoll nicht zu langs
gewartet werden. Wenn im Februar das Land einigermaßen
betreten werden kann, ſollen die erſten Erbfen gelegt werden.
Dieſe ſind nicht beſonders empfindlich gegen den Froſt und
hal=
ten fünf Grad Kälte ohne Deckung und ohne Schaden aus. Der
Aubau von Früherbſen mit vorher gezogenen Sämlingen iſt
recht einfach. Zu dieſem Zweck werden in der letzten
Januar=
woche die Samen in Saatkiſten oder kleine Töpfe gelegt und
dieſe im kalten Miſtbeet, welches nur froſtfrei gehalten wird,
zum Keimen gebracht. Ende Februar oder Anfangs März
wver=
den die jungen Pflänzchen auf die Beste geſetzt, und zwar ſo tief,
daß die erſten Blätter gleich der Erde ſtehen. Die Arbeit iſt nur
ſcheinbar langwierig; ſie geht ſchnell von ſtatten und man ſtaunt,
wie ſchnell die Erbſen neue Wurzel ſchlagen und weiterwachſen:
ſie haben im Vergleich zu den zur ſelbigen Zeit als Samien
ge=
legten Erbſen immer einen Vorſprung, und die Ernte kann 8—14
Tage früher vorgenommen werden.
— Eine recht dankbare und gleichzeitig ſehr
auſpruchsloſe Spinatpflanze iſt die Gartenmelde
(Artriplex hortenſis). Dieſelbe liefert uns im Frühjahr und im
Sommer ein ärßerſt angenehm ſchmeckendes Gemüſe, welches
von dem Spinat, faſt gar nicht zu unterſcheiden iſt, vielfach
dieſem noch vorg=zogen wird.
— Gladiolus kann man aus Samen anziehen. Viele
Samenhandlungen bieten zu billigen Preiſen ſchon Samen in
Miſchung von Prachtſorten an. Die Ausſaat erfolgt in ein
kaldwarmes Miſtbeet. Die Sämlinge pflanzt man ſpäter ins
Freie häit ſie unkrautfrei, behackt und düngt ſie fleißig. Im
Herbſt werden die Zwiebelchen ausgehoben und froſtfrei
auf=
bewahrt. Die Zwiebeln werden nach dreijähriger guter Kultur,
blühfähig.
Hyaziuthen ſelbſt ziehen zu wollen, wie es
manch=
mal Laien wünſchen oder beabſichtigen, iſt ein undankbares
Ge=
ſchäft. Abgeblühte Zwiebeln wirft man am beſten weg oder
pflanzt ſie im Herbſt auf ein Gartenbeet. Junge Brutzwiebeln
ſind wertlos. Die Hyazinthenkultur iſt an eine beſtimmte
Bodenart und dreijährige Kultur gebunden. Für den Laien
ſind dieſe Bedingungen unerfüllbar.
— Treibroſen verlangen regelmäßig Dunggüſſe,
be=
ſtehend aus 2 Teilen Kuhdung, 8 Teilen Waſſer und etwas
Blut. Auf 50 Liter dieſer Miſchung füge man 0,25 Liter
Knochenmehl zu. Beim Begießen drrdünne man die Miſchung
zu einer hellen klaren Löſung.
Bieß= und Geflägefzacht
ASc e eten
res Geflügel nur noch ausnahmsweiſe geſchlachtet wird und
die Haſenjagd vorbei iſt, ſetzt die Mäſtung der
Trut=
hühner ein. Für ſie werden dann gewöhnlich die über drei
Jahre alten Zuchthähne, ſowie die jungen, zur Zucht nicht
taug=
lichen Hähne ausgewählt. Wenn es auch an
Gerſtenſchrot=
nudeln fehlt, auch bei Freimaſt werden die Puter hübſch ſchwer.
Zu dieſem Zwecke werden ſie gemeinſam in einen etwas
ver=
dunkelten Stall geſperrt und hier mit geſtampften Möhren
ge=
füttert, denen einige gekochte Kartoffeln zugeſetzt ſind, die ſich
zur menſchlichen Nahrung nicht eignen. IIſt Abfallgetreide
vor=
handen, ſo eignet ſich dies natürlich auch vorzüglich als
Maſt=
futter.
— Läuſe beim Rindvieh. Die Läuſe finden ſich
hauptſächlich an jungen Tieren, und zwar vorzugsweiſe im
Winter, bei ſchlecht genährten und unreinlich gehaltenen, wenn
ſie lange im Stall ſtehen. Vorzugsweiſe ſitzen die Läuſe an Kopf,
Hals, Schulter und Rücken. Durch ihre Stiche beläſtigen ſie ſehr
die Tiere. Dieſe reiben ſich, wodurch die Haut oft blutrünſtig
wird. Als Mittel gegen das Ungeziefer wendet man an:
Lyſol (25 Gr.), vermiſcht mit 1 Liter Tabakabſud (40 Gramu
Tabak auf 1 Liter Waſſer!. Mit dieſer Flüſſigkeit waſche man
gehörig die Stellen und wiederhole ſolches nach 3—4 Tagen.
Zuweilen iſt das Scheren der Tiere ſehr angezeigt. Man hüte
ſich aber, zur Beſeitigung dieſes Ungeziefers die graue
Queck=
ſilberſalbe, wie beim Pferd, anzuwenden, weil das Nind leicht
an Quecküilbervergiftung erkranken kann.
ben?” warf er ein. „Ich glaube nicht, daß Sie mich böſe machen
können.”
„Es iſt für mich eine große Freude, daß ich Ihnen die
See=
roſe brechen ſoll”, gab ſie zur Antwort. „Aber haben Sie mir
dann auch ſicher verziehen?”
„Ich habe Ihnen ja garnichts zu verzeihen”, ſagte er mit
leiſer Stimme. „Aber eine Waſſerroſe pflücken Sie mirs Nicht?
Die werde ich dann zum Andenken an dieſe ſchönen Stunden
aufheben.
Langſam glitten Sie über die kriſtallklare Flut dahin und
wußten nichts zu ſagen ob des wpunderſamen Eindruckes, den
die bezaubernde Landſchaft ob ihrer ſchwermütigen Schöne auf
ſie machte.
Das ſtille Waſſer, das Schweigen des Waldes, die ſich in der
Ferne verlierenden Bergrieſen und die ganze herbe Stimmung
der ſie umgebenden Natur wirkten ſo eigenartig, ſüßbeklemmend,
daß ſie genug mit dem Schauen und Erleben der köftlichen
wech=
ſelſeitigen Bilder ringsum zu tun hatten.
Liesbeth hatte die Hände in den Schoß gelegt und blickte
vei=
loren über die dunkelgrünen Berge. Daß die Wolken ſich
ver=
dichtet hatten, merkten ſie nicht. Sie wußte eigentlich ſelbſt nicht,
wvas ſie ſah. Am liebſten hätte ſie immer ſo ſitzen mögen, die
Hände gefaltet, vor ihr der ſchlauke Mann mit dem ſeinen,
blei=
chen Geſicht und den forſchenden Augen, die ſo tief blicken
konn=
ten. Von ihm im Kahne gewiegt, mit ihm allein, fern von allen
Menſchen, das ſchien ihr jetzt das Allerſchönſte und Liebſte. Nun
dachte ſie auch einmal daran, daß er heute geſagt hatte, daß ſeines
Bleibens nicht mehr lange ſei. Das wollte ihr mit einem Male
nicht mehr aus dem Sinn. Bisher hatte ſie überhaupt noch nicht
daran gedacht. Und nun war es ihr, als ob ein Wehgefühl dutch
ihre Scele zuckte. — Würde ihr dann nicht etwas fehlens
Würd=
es nicht einſamer im Förſterhauſe ſein? Unwvillkürlich legte ſie die
Hand aufs Herz. Sie vermeinte einen Stich zu verſpüren bei dem
Gedankeu, daß Wallenhorſt nicht mehr da ſein würde. und
gleichzeitig ſeikte ſie die Blicke und ſah auf ihu, der die Ruder
fahren gelaſſen hatte.
Und da kam es, daß ihre Blicke ſich mit einem Male trafen.
Dies Iueinandertauchen der Blicke war anderer Art wie
bisher.
Beide fühlten es blitzartig.
(Fortſetzung folgt.)