Darmstädter Tagblatt 1923


02. Januar 1923

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Nummer 1

Dienstag, den 2. Januar 1923

Einzelnummer 40.00 Mk.

Neujahr beim Reichspräſidenten.
Berlin, 1. Jan. (Wolff.) Der Reichspräſident
empfing am Neujahrstag die Chefs aller hieſigen" fremden
diplomatiſchen Vertretungen anläßlich des Jahres=
wechſels
. Der apoſtoliſche Nuntius, Monſignore Pacelli, als
Doyew des diplomauiſchen Korps, hielt folgende Anſprache:
Herr Präſidenc! Zum zweiten Male nach dem Weltkriege ver=
ſammelte
ſich das beim Reiche beglaubigte diplomatiſche Korps
aus dem heutigem glüchlihem Anlaſſe um Ihre Perfon, um Sie,
den die Nation zum Beweiſe ihres hohen Vertrauens, das Sie
ihr eimflößen, iw dem höchſten Staatsamt beſtätigte. Nach den
großen Kriſen der letzten Zeit im indernationalem Leben und bei
den noch herrſchenden Schwierigkeiten begrüßen wir mit um ſo
glühenderem Wunſche nach Frieden, Bruderliebe und Gerechtig=
keit
den Anbruch des neuen Jahres. Möchte es die große Men=
ſchenfamilie
dem Ziele nahebringen, wonach die Herzen aller
Menſchen gutem Willens ſtreben und den Völkern zuſammen mit
der Löſung der gegenwärtigen Aufgaben jene Befriedigung und
Sicherheit bringen, die ein Unterpfand der Ordnung, Arbeit, des
Gedeihens und Fortſchrittes ſind. Das iſt der aufrichtige Wunſch,
den wir Sie bitten, Herr Präſident, für ſich perſönlich und für die
deutſche Nation entgegenmehmem zu wollen, deſſew Erfüllung wir
von demjenigem erbitten, der für Völler wie Einzelmenſchen die
reichſte Quelle alles Guten iſt.
Der Reichspräſidenv erwiderte:
Herr Nuntius! Ich danke Ihnem für die Wünſche, die Sie
zugleich namens des diplomatiſchen Korps anläßlich des heu=
tigen
Tages für mich und für Deutſchland zum Ausdruck brachten.
Ich bitte Sie, verſichert zu ſein, daß ich ſie von Herzen erwidere.
Sie verliehem mit Ihrem heißen Wunſche nach Frieden, brüder=
licher
Liebe und Gerechtigkeit dem tiefſten Sehnen auch des deut=
ſchen
Volkes Ausdruch, das die Hoffnung hegt, daß die erhabenen
Gedanken der Weihnachtskundgebung des Papſtes dazu beitragen
mögen, das Zuſammenlebem der Völker immer friedlicher und
harmoniſcher zu geſtaltem. Seien Sie, meine Herren, verſichert,
daß das deutſche Volk und die aus ſeiner Mitte hervorgegangene
Regierung alles tun werden, damit die immer noch getrennten
Völker in wahrem Frieden und in gemeinſamer Arbeit für die
der ganzen Welt ſo notwendige Neugeſtaltung des wirtſchaftlichen
und geiſtigem Zuſammenlebens der Nationen wirken. Ich darf
hiermit die Bitte verknüpfen, Ihrem Staatsoberhäuptern, Regie=
rungem
und Völlern auch meine tiefempfundenen, aufrichtigen
Wünſche für ein friedvolles glückliches neues Jahr, in dem unſer
aller Sehnen Erfüllumg finden möge, übermitteln zuu wollen.
Der Reichspräſidenn begrüßte ſodann die einzelnen Diplo=
maten
und wechſelte mit ihnen Neujahrswünſche. Beim Emp=
fang
waren der Reichskanzler, der Reichsminiſter des Au

wärtigen L. Aolenb Hierauf, ſprachen, die Mitglieder der
Reichsregierung, der Reichskanzler, die Reichsminiſter und
Staatsſekretäre, ferner die Präſidenten des Reichstags und des
preußiſchem Shaatsminiſteriums ſowie Vertreter des Reichsrats
und der Wehrmacht dem Reichspräſidenten ihre Glückwünſche aus.
Berlin, 31. Dez. Der Reichspräſident und der
öſterreichiſche Bundespräſident haben zur Jahres=
wende
folgende Telegramme gewechſelt:
Bundespräſident Hainiſch, Wien.
Auch im Deutſchlands ſchwerſter Zeit eilen meine Gedanken
anläßlich des Jahreswechſels zu Ihnen, Herv Bundespräſident,
und dem öſterreichiſchen Brudervolke. Indem ich wärmſte
Wünſche für Ihr perſönliches Ergehen ausſpreche, bitte ich Sie
zugleich, der Dolmetſch meiner herzlichſten und aufrichtigſten
Wünſche für Oeſterreichs Wohl zu ſein.
Ebert, Reichspräſident.
Der öſterreichiſche Bundespräſident Hainiſch drahtete:
Reichspräſident, Berlin.
Bitte, meine inmigſten Wünche für Ihre und Deuuhlands
Wohlfahrt zu genehmigen. Hoffen zuverſichtlich Beſſerung der
Lage Ihrer Heimat im kommenden Jahre.
Hainiſch.
Der neue italieniſche Botſchafter über=
reicht
ſein Beglaubigungsſchreiben.
Berlin, 30. Dez. (Wolff.) Der Reichspräſident
hat heute den neuemannten italieniſchen außerordentkichem und
bevollmächtigten Botzſchafter Comte de Bosdari zur Entgegen=
nahme
ſeines Beglaubigungsſchreibens und des Ab=
berufungsſchreibens
des bisherigem italieniſchen außerordent=
lichem
und bevollmächtigten Botſchafters Fraſſatzi empfangen.
Bei dem Empfange war der Reichsminiſter des Aeußern zugegen.
Der Botſchafter hielt folgende Anſprache:
Ich habe die Ehre, Eurer Exzellenz das Schreiben zu über=
reichen
, das mich bei ihnen als außerordenſtlichen und bevollmäch=
tigten
Botſchafter des Kömgs von Italien, meines erhabenen
Souveräns, beglaubigt. Die mir von meiner Regierung erteilten
Inſtruktionem und meine perſönliche Ueberzeugung werdem mich
bei der Ausübung meines Amtes veranlaſſen, meine ganze Kraft
einzufetzen, um zwiſchen Italien und Deuſtſchland die von meinen
Vorgängerm glücklich wieder hergeſtellten Beziehungen immer
herzlicher zu geſtaltem. Ich vertraue bei der Durchführung dieſer
Abſicht auf die Mitwirkung Eurer Exzellenz und entbiete Ihnen
meine wärmſten Wünſche für Ihr perſönliches und für das Wohl=
ergehen
der großem Deutſchen Republik.
Der Reichspräſident erwiderte mit folgenden Worten:
Herr Botſchafter! Ich habe die Ehre, aus Eurer Exzellenz
Händen das Schreibem des Königs von Italien entgegenzuneh=
mien
durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter
Botſchafter bei mir beglaubigt wenden. Ich nehme gern davon
Kenmtnis, daß Euere Exzellenz gemäß den Inſtruktionen Ihrer
Regierung und Ihrer perſönlichem Ueberzeugung beſtrebt ſein
werden, das von Ihren verdienſtvollen Vorgängern glücklich an=
gebahnte
Werk der Annäherung zwiſchen Deutſchland und Italien
mit allen Kräften zu fördern. Ich verſichere Sie dabei meiner
und der deutſchen Regierung bereitwilligen Mitarbeit. Indem
fhnen, Herr Botſchafter, für die mir dargebrachten Wünſche

eutſchem Republik meinem aufrichtigſtew Dank ausfpreche, heiße
ch Sie namens der deutſchen Regierung willkommen.
Hieran ſchloß ſich eine Unterhaltung, im deren Verlauf der
Botſchafter denn Reichspräſidenten auch die Mitglieder der Bot=
chaft
vorſtellte.

Vom Tage.
Der Reichskanzler hat in Hamburg eine bemerkenswerte Rede zu den
halten.
Beim Neujahrsempfang beim Reichspräſidenten hielt der päpſtliche
Nuntius Pacelli eine Anſprache, auf die der Reichspraſident erwiderte.
Bonar Law, Bradbury und die übrigen Mitglieder der britiſchen
Delegation ſind am Sonntag nachmittag in Paxis eingetroffen.
Der amerikaniſche Senat bewilligte das Marinebudget von 325 Mil=
lionen
Dollar und nahm gleichzeitig einen Zuſatzantrag an, worin der
Präfident aufgefordert wird, Verhandlungen über ein neues Abkommen
zur Einſchränkung der Rüſtungen zu eröffnen.
Der Mörder des polniſchen Staatspräſidenten, der Maler Niewa=
dowski
, wurde zum Tode verurteilt.
Die Blätter melden die Rückkehr des rufſiſchen Geſandten Obolenski
und kündigen den Wiederbeginn ruſſiſch=polniſcher Handelsvertragsver=
handlungen
an.
Nach Naſz Kurjer wird im Februar in Helſingfors eine Wirtſchafts=
konferenz
Polens und der Baltenſtgaten abgehalten, an der auch
Litauen teilnehmen ſoll.

Die Rede des Reichskanzlers in Hamburg.
Hamburg 1. Jan. (Tel.=Union.) Reichskanzler Cuno
hatte bereits am Samstag die Abſicht, in der Jahresverſammlung
des Ehrbaren Kaufmanns zu ſprechen. Die dringenden Be=
ratungem
in der Reparationsangelegenheit hatten ihn daran ge=
hindert
, doch erklärte ſich der Kanzler bereit, in einer am geſtrigen
Sonntag in der Hambunger Börſe ſtatvgefundenen Sonderver=
ſanmlung
zu ſprechen. Der Präſident der Handelskammer, Se=
nator
Witthöft, eröffnete die ſtark beſuchte Verſammlung
und begrüßte in ihrem Namem den Reichskanzler, der von den
Anweſenden ſtürmiſch begrüßt wurde. Darauf ergriff Dr. Cuno
das Wort zu folgenden Ausführungen:
Die neue Regierung war vom erſten Tage an bemüht, eine
Löſung des Reparationsproblems zu finden, die von uns getra=
gen
und von der Geigenſeite angenommen werden kann. Wir
ſtehen vor einem Problem, das umendlich ſichwierig und nur 15 s=
bar
iſt, wenn alle Beteiligten ſich entſchließen, die Dinge ſo zu
zehmem und zu ſehen, wie ſie ſind. Wir alle kennen das Gut=
achtem
des Interneationalen Anleihe=Komitees in Paris vom
Junz vergengenen Jahres. Seine Gedankengänge kehren in dem
Gütachten der beiden Gruppen internationaler Sachverſtändiger
in Berlin wieder. Die Verbindung des Gedankens der endgül=
tigen
Löſung der Reparationsfrage mit dem Gedankem der An=
leihe
findet ſich ebenſo in den Vorſchlägen des engliſchen Mini=
ſterpräſidenten
gelegenzlich der letzten Premierminiſter=Konferenz.
Dieſe Vorſchläge waren dazu beſtimmt, der endgültigen Löſung
der Reparationsfrage die Wege zu öffnem. Heute handelt es ſich
darum, auf dieſem Wege weiterzugehen. Deutſchland braucht, um
leiſten zu können, internationale Anleihen. Es hat aber nur
dann Ausſicht auf ſoſche, wenm ſeine Leiſtungspflicht endgültig
klargeſtellt iſt. Unſer Ziel, die Leiſtungsfähigkeit
Deutſchlands feſtzuſtellen und Mittel und Wege zu finden,
um dieſe Leiſtungsfähigkeit, für die endgültige Löſung
der Reparatiousfrage nutzbar zu machen, iſt in der Füh=
lung
mit Perſonen und Kreiſen des Wirtſchaftslebens verfolgt
worden. Das gewonnene neue Bild von dem noch verbleibenden
Reſt unſerer Leiſtungsfähägkein iſt trübe. Die Reparationskom=
miſſion
hat ſelbſt am 31. Auguſt einſtimmig
die Zahlungsunfähigkeit Deutſchlands anerkannt.
Es bedarf alſo nicht der Unterſtellung, daß Deutſchland ſich
ſelbſt ſyſtematiſch ruiniert habe. Ein unparteiiſches Barometer
für unſere Leiſtungsfähigkeit iſt der Kredit, den die Finanzwelt
Deutſchland, zu gewähren bereit iſt. Kein Gläubiger der Welt
aber wird Deutſchland Kredit gewähren, ehe die Leiſtungsfähig=
keit
ſo beſtimmt umſchrieben iſt, daß er über die Grundlage ſeines
Kredites ein völlig klares Bild hat. Wir ſind entſchloſſen, eine
erſte feſte Summe auf uns zu nehmen und ſind bereit, dieſe in
Anleihem durch Vermitvelung eines internationalem Finanzkon=
ſortiums
aufzubringen und, ſoweit dies wicht im Anleihewege ge=
lingt
, Zimſen und Tilgungsquote zu bezahlen, da die deutſche
Wirtſchaft für die nächſten Jahre unbedingt der Ruhe be=
darf
. Eine ſolche Regelung der ſinamziellen. Seite
würde die Wege für die Durchführung der wirtſchaftlichen Not=
wendigkeiten
ebnen, die die Grundlage für ein Zuſammenarbeiten
der Induſtrien Europas und namentlich Frankreichs und Deutſch=
lands
geben. Zu einer ſolchen Kooperation, ſind die deutſchen
Wirtſchaftskreiſe bereit. Die Reichsregierung weiß, daß die wirt=
ſchaftlichem
Kräfte Deutſchlands entſchloſſen ſind, die Regierung
bei der Durchführung ihres Vorſchlages zu unterſtützen. Dem
Anleihe=Konſortium wird jede vernünftige Sicherheit eingeräumt
zverden können. Die Beſtinmung dieſer Sicherheiten im ein=
zelnen
iſt Sache der Verhandlumgen. Die endgültige Löſung muß
dem deutſchen Volke die politiſche Freiheit und Gleich=
berechtigung
wiedergeben und der Abbau der Be=
ſatzumg
der deutſchen Laude am Rhein bringen. Wir haben
die Gegenſeite erſucht, einem Vertreter der Reichsregierung Ge=
legenheit
zu geben, der in Paris zuſamunentretenden Konferenz
unſere Vorſchläge ſchriftlich vorlegen und mündlich erläutern zu
laſſen. Hoffen wir, daß dieſer Ausweg nicht durch einen Ent=
ſchluß
vereitelt wird, der über ganz Euroba unabſehbares Unheil
bringen würde. Die Verwirklichung der politiſchem Pfänder=
politik
bedeutet deu Tod aller wirtſchaftlichen Operationen. Der
Wortlaut der Nede des Staatsſekretärs Hughes liegt zwar noch
nicht vollſtändig vor, aber ſoviel kann ſchon jetzt geſagt zwerden,
daß die Gedankengänge des amerikaniſchen
Staatsmannes ſich nahe mit unſerer Auffaſ
ung berühren, und daß wir ihnen aufrichtige Beachtung
wünſchen. Die Bereitſchaft Deutſchlands baben wir durch Ver=
mittelung
einer dritten Macht der franzöſiſchem Regierung mit=
gereilt
. Zu meinem Bedauern hat Frankreich dieſes Anerbieten
abgelehut.
Der Rede des Reichskanzlers folgte ſtürmiſcher Beifall. Da=
rauf
erhob ſich der Präſideut der Handelskammer zu einem kurzen
Schlußwort. Er gab die beſtimmte Erklärung ab, daß Handel,
Juduſtrie u.id Schiffohrt bereit ſein würden zu den alleräußerſten
Opfern, wenn es gelte, die deutſche Wirtſchaft aus den Feſſeln
zu befrcien, in die der unglückliche Ausgang des Weltkrieges mit
ſeinen Folgeerſcheinungen uns verſtrickt habe.

Zum Beginn der Pariſer Konferenz.
Paris, 1. Jan. (Tel.=Union.) Bonar Law iſt geſtern
Reparationsplänen und über die wirtſchaftliche Lage Deutſchlands ge= nachmittag um ½5 Uhr in Paris angekommen. Am ſpäten
Abend traf Lord Curzon aus Lauſanne hier ein. Man nimmt
an, daß die beiden engliſchen Miniſter heute auch ſchon Poincaré
einen Beſuch machen werden, während die offiziellen Pariſer
Verhandlungen erſt Dienstag nachmittag beginnen ſollen. Bei
dieſen inoffiziellen Vorbeſprechungen am Quai d’Orſay wird es
ſich, wie die Blätter melden, nicht nur nicht vor allem um die
Reparationsfrage, ſondern auch die Lauſanner Fragen handeln.
Die franzöſiſche Regierung wird, vie von allen Seiten
berichtet wird, am Dienstag den Reparationsverhandlungen ein
Programm durch eine Reihe von Forderungen zugrunde
legen.
Zur letzten Abfaſſung dieſes Programms fand geſtern vor=
mittag
ein franzöſiſcher Miniſterrat ſtatt, an dem außer Poin=
caré
der Finanz= und Arbeitsminiſter, der Miniſter für die be=
freiten
Gebiete, ferner Barthou und der Unterkommiſſar im
Rheinland, Tirard, ſowie der Direktor der Minen im Arbeits=
miniſterium
, Guillaume, und der Marineinſpektor Coſte teil=
nahmen
. Dem Petit Pariſien zufolge gliedert ſich das Pro=
gramm
der franzöſiſchen Regierung in drei Punkte:
1. Die Frage einer Herabſetzung der deutſchen Schulden
in Verbindung mit einer entſprechenden Verringerung der inter=
alliierten
Schulden.
2. Die Frage des Moratoriums für Deutſchland, und im
Falle der Bejahung,
3. die Frage der Sicherheiten und Pfänder.
Zu dieſen drei Punkten führt das genannte Blatt aus:
Frankreich iſt bereit, einen Teil der deutſchen Schulden, der den
Obligationen entſpricht und 70 bis 80 Milliarden beträgt, zu
ſtreichen, wenn ein entſprechender Teil der interalliierten Schul=
den
geſtrichen wird. Für die Zeitdauer des Moratoriums würde
Frankreich ſcharfe Kontrollmaßnahmen in Deutſchland verlangen,
die in Berlin vom Garantiekomitee zu überwachen wären. Die
Pfänder hätten zu beſtehen: 1. in der Ausbeutung der Do=
mänenwälder
im beſetzten Gebiet, wodurch die verlangten Holz=
lieferungen
gedeckt werden könnten; 2. in der Ueberwachung der
Kohlenlieferungen aus dem Ruhrgebiet für Reparationszwecke;
3. in der Erhebung von Zolleinnahmen im beſetzten Gebiet, ſo=
wie
in den Zollämtern des Ruhrgebietes, wobei es ſich nicht um
die Schaffung neuer Zollgrenzen, ſondern um die Erhebung der
bereits beſtehenden deutſchen Zolltaxe handeln ſoll; 4. in der
Erhebung eines Teiles der durch die deutſche Ausfuhr im Rhein=
und Ruhrgebiet eingehenden fremden Deviſen; 5. in der Be=
ſchlagnahme
der Kohlenſteuer im Rhein= und Ruhrgebiet.
Nach der franzöſiſchen Auffaſſung müßte Hand in Hand
mit der Bewilligung des Moratoriums auch die Aufnahme einer
internationalen Anleihe für Deutſchland gehen,
die ſchon während der Moratoriumsdauer möglich ſein müßte.
Die für dieſe Anleihe notwendigen Sicherheiten würden vom
Garantiekomitee in Verbindung mit Vertretern der Anleihe=
geber
kontrolliert werden.
*
Paris, 31. Dez. (Wolff.) Der Temps ſchlägt für die
Pariſer Konferenz folgende Verhaltungsmaßregeln vor:
1. Wenn England auf ſeine Forderungen verzichtet,
iſt ſein Verdienſt nicht zu verkennen, jedoch kann derartiges
keinen Einfluß auf die bevorſtehenden Eutſcheidungen der
franzöſiſchen Regierung ausüben.
2. Wenn Frankreich erſucht wird, ſeine Forderung an
Deutſchland herabzuſetzen, kann es dem nur in dem Maße
zuſtimmen, als die Herabſetzung ausgeglichen wird durch eine
Verringerung der franzöſiſchen Schulden bei
England und den Vereinigten Staaten.
3. Es iſt unnötig und vielleicht unangenehm, daß die inter=
alliierte
Konferenz Vertreter der deutſchen Regierung
anhört. Wenn die mündlichen Darlegungen dieſes Abgeſandten
den ſchriftlichen Vorſchlägen nichts hinzufügen, ſind ſie über=
flüſſig
. Genauere Angaben oder weitere Angebote aber können
ebenſogut in ſchriftlichen Ausführungen aufgenommen werden.
4. Das Reparationsproblem kann nicht einem Schieds=
ſpruch
einer internationalen Konferenz unterwor=
fen
werden.
5. Die übermorgen beginnende Konferenz muß zuerſt die
Frage prüfen, ob die alliierten Regierungen damit einverſtan=
den
ſind, kein Moratorium ohne Pfänder zu ge=
währen
. Sind ſie hinſichtlich der Pfandnahme einig, ſo kann
die Beratung nützlicher Weiſe fortgeſetzt werden, wenn nicht,
iſt kein Augenblick zu verlieren, um die Folgen der Uneinigkeit
ins Auge zu faſſen.
6. Selbſt wenn es nicht zu einer Einigung komme, kann
Frankreich nicht darauf verzichten, Pfänder zu nehmen.
Wenn die britiſche Regierung zu erkennen geben ſollte, daß ſie
ein ſolches Vorgehen Frankreichs mißbillige, würde ſie eine
ſchwere Verantwortung auf ſich nehmen; denn ſie würde Deutſch=
land
zum Widerſtand ermutigen.
Im Intereſſe Europas wünſcht der Temps, daß die En=
tente
auf alle Fälle fortbeſtehe, ſelbſt wenn Frankreich gezwun=
gen
ſei, iſoliert zu handeln.
Polen.
Warſchau, 31. Dez. (Wolff.) Geſtern fand die Ver=
handlung
gegen den Mörder des Staatspräſidenten Naruto=
witſch
, den Maler Niewiadomski, ſtatt. Der Angeklagte
erklärte, die Ermordung Pilſudskis geplant zu haben, doch habe
er dieſe Abſicht nach dem Nücktritt Pilſudskis aufgegeben. Nie=
wiadomski
griff in ſeiner Verteidigungsrede Pilſudski, den So=
zialismus
und die Juden an und bezeichnete die Wahl Naruto=
witſchs
mit Hilfe der Stimen der Minderheiten als eine Be=
ſchimpfung
Polens. Das Gericht verurteilte Niewiadomski
zum Tode.
Abrüſtung?
Waſhington, 31. Dez. (Wolff.) Präſident Harding
verlangte vom Kongreß einen Nachtragskredit von 6½ Millionen
Dollar zur Moderniſierung der Kreuzerpanzer und
teilte dem Kongreß einen Brief des Marineſtaatsſekretärs mit,
worin erklärt wird, als Folge der Abrüſtungskonferenz von Wa=
ſhington
müßten die Vereinigten Staaten eine neue Politik hin=
fichtlich
der Einheiten erſter Klaſſe einſchlagen, wenn dieſe mit
den Schiffen der gleichen Klaſſe der anderen Mächte auf gleiche
Stuſe gebracht werden ſollten.

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 2. Januar 1993.

Nummer 1.

Die franzöſiſche Stickſtoff=Forderung.
Die Begründung der Ablehnung.
* Berlin, 30. Dez. (Wolff.) Die franzöſiſche Re=
gierung
hat an Deutſchland die Forderung auf Lieferung
von rund 300 000 Tonnen Stickſtoffware geſtellt, gleich rund
60 000 Tonnen reinem Stickſtoff, und zwar 29 000 Tonnen reinen
Stickſtoff für die zerſtörten und 31000 Tonnen für die übrigen
franzöſiſchen Gebiete. Die erſtere Forderung wird auf das
Wiesbadener Hauptabkommen vom 6. Oktober 1921, die letztere
auf den Londoner Zahlungsplan geſtützt.
Nachdem die über dieſe Forderung geführten Verhandlun=
gen
zu keinem Ergebnis geführt haben, richtet die franzöſiſche
Preſſe heftige Angriffe gegen die deutſche Regierung wegen ihrer
ablehnenden Stellungnahme und verſucht anſcheinend, hieraus
eine Verfehlung der deutſchen Regierung gegen den Verſailler
Vertrag zu konſtruieren. Hierzu wird uns von zuſtändiger
Stelle mitgeteilt:
Bis zum 1. April 1923 beſchränkt ſich die deutſche Verpflich=
tung
auf die in Anlage V zu Teil /III des Friedensvertrages
vorgeſehenen Mengen, ſo daß, abgeſehen von der tatſächlichen
Unmöglichkeit weiterer Lieferungen an Frankreich, bis dahin
überhaupt kein weiterer franzöſiſcher Anſpruch auf Stickſtoff=
lieferungen
beſteht. Für die Zeit nach dem 1. April 1923 iſt es,
ſoweit Stickſtofflieferungen auf Grund des Londoner Zahlungs=
planes
für das nicht zerſtörte Frankreich gefordert werden, für
die deutſche Regierung ausgeſchloſſen, eine Lieferungsverpflich=
tünig
einzugehen, da ſie in der Note vom 14. November 1922
gebeten hat, die für das Jahr 1923 zu tätigenden Sachlieferungen
auf reine Wiederaufbaulieferungen zu beſchränken.
Soweit Frankreich für ſeine zerſtörten Gebiete auf Grund
des Wiesbadener Hauptabkommens Stickſtoff fordert, beſtreitet
die deutſche Regierung ihre Lieferungsverpflichtung, denn
Deutſchland iſt auf Grund des Wieshadener Abkommens zu abend. Da ſchon fing die Knallerei der Fröſche und Kanorenſchläge an,
Lieferungen nur in dem Umfange verpflichtet, als
es mit ſeinen zur Aufrechterhaltung des ſozia=
len
und wirtſchaftlichen Lebens notwendigen fany früherer Jahre erreichte das Feuerwerk nicht, dazu waren die
inneren Bedürfniſſen vereinbar iſt. Der in
Deutſchland erzeugte Stickſtoff reicht aber bei weitem nicht aus, zufft. Im Familienkreiſe wurde wie üblich der Chriſtbgum abgebrannt
lichen Bedarf der Landwirtſchaft zu decken. Die bei dem jetzigen
nährung der Bevölkerung erforderlichen Mengen an zuſätzlichen gen und ſehr ſchön und gemüitlich geweſen ſein.
Nahrungsmitteln aus dem Ausland einzuführen, zwingt zu
vermehrter Verwendung von Stickſtoff, insbeſondere, um die
zur Aufrechterhaltung unſeres Viehbeſtandes erforderlichen
Futtermittel in erhöhtem Maße im Inland zu erzeugen. Darauf heim Einſiedel der Qugrter Coſlgcsion Newark eine
iſt es zurückzuführen, daß der Stickſtoffverbrauch in Deutſchland=
zurzeit
weſentlich größer iſt als vor dem Kriege.. Die Schwä=
hungerung
Deutſchlands führen. Nach Anſicht hervorragender und Klein den Wunſchzettsl einzwerfen ſolte. Fielen manche zun auch
Sachverſtändiger auf dem Gebiete der Landwirtſchaft reicht die
derzeitige deutſche Stickſtoffproduktion nicht aus, unn die drin= Wünſche und Sorgen den azerik=ſchen Chriſtkind an, das, wie der
gerden eigenen Bedürfniſſe im Rahmen der vorſtehend angege=
gegeben
worden; auswärtiger Stickſtoff mußte zur Deckung des Bravſein die Kinder ihren Pflegerinnen Freude zu machen fuchten,
es wird erwogen, dieſe Einfuhr weſentlich zu verſtärken. Mit
Einfuhr von Getreide dringend benötigten Debiſen für die Ein= inſaſſen, geladene und große und kleine Zaun=Gäſte, in frohe Weih=
Lage und unſerem internationalen Geldſtande die Stärkung der ſches Weihnachtsſpiel an, das die kleinen Darſteller bis zum kleinſten
Bei dieſer Sachlage würde es vom Standpunkt der Aufrecht= Liedes Vom Himmel hoch, da komm ich her, öffneten ſich die Türen
erhaltung des ſozialen und wirtſchaftlichen Lebens nicht zu ver= des Spielſaals wo der herrliche Chriſtbaum ſtand, ſeinen hellen Schein
antworten ſein, wenn die deutſche Regierung die Lieferung von verbreitend über die rings an den Wänden ſtehenden Gabentiſche. Ein
Stickſtoff über Reparationskonto zugeſtehen würde. Eine Ver= jedes Kind ſuchte ſeinen Platz, und freudiger Ausruf verriet, wem er
pflichtung dazu kann bei dieſer Sachlage aus dem Wiesbadener gefunden war. Was die Kinder beſchert bekamen, überſtieg wohl auch
derung ſcheint, ſoweit ſie die zerſtörten Gebiete betrifft, deren für jedes noch außer den praktiſchen Dingen ein Spiel, Buch oder ein
Bedarf weit zu überſteigen. Wenn man den Bedarf der zer= Pürpchen hinzugetan. Auf dem hochgehäuften Gutſelteller lag außer=
ſtörten
Gebiete im Verhältnis zu dem Geſamtberbrauch Frank= dem ein Umſchlag mit 3000 Mark für Stiefelſohlen, ein Geſchenk, das
reichs im letzten Jahre nach dem Prozentſatz der Bodenfläche
der erſteren zur franzöſiſchen Geſamtfläche berechnet, ſo ergibt das Schöne heimbringen! Der Jubel wollte kein Ende finden, Weih=
die
franzöſiſche Forderung ungefähr das Fünffache des Bedarfs. nachtsfreude war ringsum.
Die Ablehnung der franzöfiſchen Forderung
iſt deshalb unter Berückſichtigung der ſozialen und der wirt= bedacht worden, und dankbar gedachten alle der treuen deutſch= amerika=
ſchaftlichen
Lage Deutſchlands ſowie der rechtlichen Beſtimmun= niſchen Frauen in Newzark, die durch unermüdliche Tätigkeit und Hin=
gen
zu Rechterfolgt. Sollte Frankreich auf der Forderung gab= und Opferfreudigkeit es ermöglichten, in dieſer ſchwveren Zeit ſo
dung das im Wiesbadener Ablommen vorgeſehene Schiedsgericht ſein, ſie alle empfanden, daß treue, gütige Herzen überm Meer für ſie
in Betracht. Die Feſtſetzung einer Lieferverpflichtung für das ſorgen und helfen wollen, daß ein junges Deutſchland groß wird mit ge=
übrige
Frankreich liegt der Reparationskommiſſion ob. Erſt ſunder Seele in geſundem Körper.
wenn Deutſchland, ſich weigern ſollte, ſolchen Entſcheidungen
nachzukommen, könnte von einer Verfehlung gegen den Frie= ſtändigen Beiträgen, die für viele große Opfer bedeuten, wieder reich=
Regierung ſich bereit erklärt, Verhandlungen zwiſchen deutſchen (Präſidentin), Frau Fuller, Frau Zeh, Frau Goertz, Frau

Stickſtoff gegen anderweite Düngemittel zuzulaſſen in der An=
nahme
, daß das Ergebnis ſolcher Verhanölungen den Intereſſen
leider Länder gerecht werden könne.
Flugverkehr DeutſchlandEngland.
London, 31. Dez. (Wolff.) Ein deutſches Han=
delsflugzeug
, das geſtern vormittag mit Divektorem der
deutſchen Luftreederei am Bord von Rotterdam uach London ab=
geflogen
wvar, mußte infolge ungünſtiger Witterumgsverhältniſſe
in der Nähe von Folkeſtone niedergehen. Der Flug ſoll heute
fortgeſetzt werden.
Aus den Buchdruckgewerbe.
Erhöhung der Löhne und der Druckpreiſe.
Berlin, 31. Dez. Der Deutſche Buchdruckerber=
ein
teilt uns mit: Die Tarifkommiſſion des deutſchen Buchdruck=
gewerbes
hat für die erſten beiden Wochen des Monats Januar
eine Lohnerhöhung auf 18000 Mark, für die folgenden beiden
Wochen auf 21000 Mark für die Woche in den Spitzenlöhnen
beſchloſſen. Die Lohnerhöhung in Verbindung mit der wei=
teren
Steigerung der Preiſe für alle Materialien hat eine Er=
höhung
der gegenwärtigen Druckpreife um 50 Pro=
zent
erforderlich gemacht.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 2. Januar.
Sylpeſter und Neujahr
iſt in gewohnter Weiſe in Darmſtadt begangen worden. Die Jugend,
die ja das Geld für derartige Dinge hat, ſorgte für den nun einmal
unentbehrlichen Salut, mit dem das alte Jahr verabſchiedet und das
neue begrüßt wurde. Die Verabſchiedung begann ſchon am Samstag
um am Silveſterabend, und befonders in der Scheideſtunde, unter
Hinzutritt von Schwärmern, Sternregen, bengaliſchem Licht und ſonſti=
gen
ſchönen Dingen ſeinen Höhepunkt zu erreichen. Freilich, den Um=
Preiſe doch zu hoch, immerhin aber wurde raſend gekauft und ver=
um
den eigenen für die Volksernährung unbedingt erforder= und bei dampfendem Punſch (die Flaſche Fxtrekt M003000 Marl) das
neue Jahr erſpartet, das Glockenläuten in üblicher Weiſe ankündete. In
der Traube und anderen Lokalen fanden, jch Leute, die Geld haben, zu
Stande der Mark vorliegende Unmöglichkeit, die für die Er= offiziellen Feiern zuſammen, und überall ſoli es ſehr hoch hergegan=
Wie Liebe gieb:.
* Man teilt uns mit: Kurz vor Weihracn fand im Kinder=
Weihnachtsbeſcherung ſtatt, die 42 Rir de=
(zund keren Fihern wohl niht
minder) ein glückliches Weihirg(/tsfeit bereftsts. Schun ſeit hem 6. De=
ehung
unſerer Stickſtoffverſorgung muß unbedingt zu einer Aus= zember waren die Kinder des Jcime in freudiges Eucarrung, St. Niko=
laus
hatte einen Briefkaſten 7ſ= Himuelspoft mirgebracht, in den Groß
gar beſcheiden aus, ſo vertrauten andese in kindlite: Harmloſigkeit alle
Nikolaus verraten hatte, ſo ſchön füix ſie ſorgeir wolle. Voll Freuden
benen Grenzen zu decken. Daher iſt die Stickſtoffeinfuhr frei= ſahen alle dem Weihnachtsfeſt enigegen, und wenn auch durch beſonderes
dringenden Bedarfs unter ſchwveren Opfern eingeführt werden; 0 ward doch die Ungeduld aufs höchſte geſtiegen, als endlich am 20.
Dezember, nachmittags, Chriſtkindchens Schelle ertönte.
Im tannengeſchmückten =Saal wurde die Feier mit heiteven und
anderen Worten: Deutſchland iſt bereit, einen Teil der für die ernſten Weihnachtsgedichten eingeleitet und die Zuhörer, alle Heim=
fuhr
von Stickſtoff aufzuwenden, weil bei unſerer derzeitigen nachtsſtimmung verſetzt. Dem Vortrag ſchloß ſich ein reizendes poeti=
Engelchen ſo hübſch zur Wiedergabe brachten, daß Groß und Klein aus
eigenen Erzeugung für die Ernährung der Bevölkerung ſicherer, vollem Herzen in den Schlußchoral O du fröhliche, o du ſelige gnaden=
und wirtſchaftlich rationeller iſt, als die Einfuhr von Getreide. bringende Weihnachtszeit einſtimmten. Unter den Klängen des alten
die kühnſten Exwartungen. Wäſche, Strümpfe, Stiefel, Kleider, alle
Abkommen nicht hergeleitet werden. Die franzöſiſche Anfor= Wünſche waren reichlich in Erfüllung gegangen und das Chriſtkind hatte
ſelbſt die Allerkleinſten ſchon in ſeiner ganzen Größe zu würdigen wuß=
ten
immer hieß es: Wie wird ſich die Mutter freuen, wenn wir all
Auch alle Mitarbeiter des Heims waren in liebevollſter Weiſe reich
für die zerſtörten Gebiete beſtehen, ſo kommt für die Entſchei= diel Freude zu bereiten und ſo viel Not und Sorge zu lindern. Den
Kindern wird das Weihnachtsfeſt im Kinderheim Newark unvergeßlich
Alle Mitglieder der Quarter Collection Newark haben außer ihren
lich gegeben, um den Kindern ein ſchönes Feſt zu bereiten. Einiger der
Lensvertrag geſprochen werden. Im übrigen hat die deutſche unermüdlichſten Helfer und Geber ſei beſonders gedacht: Frau Seher
und franzöſiſchen Wirtſchaftskreiſen über einen Austauſch von Heinzemann, Frau Hammerſchlag, Frau Wirtz. Dieſe

Heſſiſches Landesthegter.
Kleines Haus.
Sylveſter Schaeffer.
* Auf der Bühne des Kleinen Hauſes, auf der man ein
lebendes Pfeid höchſtens mit aller Vorſicht langſam geführt ſich
zu bewegen geſpohnt iſt, reitet Sylveſter Schaeffer ſeinen prächtig
gezäumten Schimmel im ſchlanken Trab vor die Rampe, ſalu=
tiert
, ſpringt elegant und leicht ah, und während der Schimmel,
als ſei er zu Haufe auf dieſer Bühne, ohne Führung ſicher und
ruhig links abtritt, iſt Sylveſter Schaeffer ſchon mitten in ſeiner
Arbeit. Heiter grüßend und lächelnd ein ſympathiſches ge=
winnendes
Lächeln , bietet er in ſinnverwirrender Lebhaftig=
keit
in mehrfach fabelhaft ſchnell gewechſelten Koſtümen japa=
niſche
Jongleurkunſtſtücke mit frappierender Sicherheit und ſpie=
lender
Eleganz. Mit jedem Koſtümwechſel es ſind, nebenbei
bemerkt, ausſchließlich fehr originelle, elegante, koſtbare Ko=
ſtüme
wechſelt der Menſch, der Künſtler, ſein Können.
Der da in karrierter Hoſe, Biedermeier=Samtjackett und
Schlapphut in Büitzgeſchwindigkeit eine große holländifche Land=
ſchaft
mit Staffage in Oel auf die Leinwand wirft, iſt ebenfalls
Shlpeſter Schgeffer. Und der dann auf einenn hochbeinigen
ſchlanken Braunen in phantaſtiſch verſchnürter Attila ſchlank
und rank inmitten der Leinwandkuliſſen in magiſcher Beleuch=
tung
auf unglaublich engem Bühnenraum die hohe Schule
reitet, alle bekannten Gangarten im Schritt, Trab und Ga=
lopp
, das iſt wiederum Sylveſter Schaeffer, gleichwie er es iſt,
der in einer feſſelnden Szene Harkikinade mit ſeiner
ſchlanken graziöſen Partnerin elegant, leicht und graziös Ballett
tanzt und mitten im Tanz alle denkbaren Gegenftände, Teller,
Stühle, Tiſche uſw., ſpielend ſicher jongliert. Und, der dann in
einer Jagdſzene, aſſiſtiert von frei ſich auf der Szene tum=
melndem
Reh und Häslein, einem Raubvogel und einem Jagd=
hund
, ſich als nie fehlender Kunſtſchütze produziert, und der
wveiter auf der Violine eine Volksliedkompoſition von Kreißler,
einen Kontertanz von Beethoven mit wunderbar leichtem, ſiche=
rem
Bogenſtrich, feinem muſikaliſchen Empfinden und beſeeltem
Vortrag ſpielt und mit einem Partner amerikaniſche Nigger=
mnuſik
gibt, mit allen erdenklichen Virtuoſenkunſtſtücken die Vio=
line
meiſternd, iſt ebenſo Sylveſter Schaeffer, wie der, der dann
in altrömiſchem Streitwagen mit prachtvollem Zweigeſpann auf
die Bühne galoppiert und in olympiſ hen Spielen ſich als Athlet
produziert, ſchwere Eiſenkugeln, ſchfe Lauzen und ſchließlich
ſeinen ganzen Streitwagen jongliert und (olic, auf ſeinem
Schimmel ſitzend, als Parſifal oder grieGiſher Streiter in
Apotheofen lebende Bilder ſelit.

Iſt es angebracht, von einem Künſtler wie Sylveſter Schaef=
fer
, der ſo viele Virtuoſitäten in ſich vereint, die jede für ſich
ſchon eine Attraktionsnummer bedeutet, Einzelheiten zu kri=
tiſieren
? Kaum. Shlveſter Schaeffer iſt eine ſeltene Vereini=
gung
von varietskünftleriſchen Vielheiten und Vollendetheiten,
deren Uebertroffenwerden man ſich nicht denken kann, kurz, er iſt
eine Art Genie, ein Künftler, der vielleicht berufen iſt, eine
Brücke zu ſchlagen zwiſchen Varieté und Kunſt, der aber letzten
Endes nicht rubriziert werden kann, weil er in ſeiner Vielſeitig=
keit
Ding an ſich iſt. Man bereitete dem ſympathiſchen Künſt=
ler
geſtern Ovationen.
*
Sylveſter Schaeffer jun. wurde am 21. Januar 1883 zu Ber=
lin
geboren. Schon als dreijähriger Kngbe trat er mit ſeinem
Vater, dem bekannten Sylveſter Schaeffer ſen., auf und arbeitete
mit dieſem bis zum Jahre 1904 zuſammen. Dann zog ſich ſein
Vater zur Ruhe auf das Gut der Schaeffers, Groß=Köris bei
Berlin, zurück. Vom Jahre 1914 bis 1921 feierte Schaeffer in
Nord= und Südamerika große Triumphe. Er begeht nun im
Alter von 34 Jahren ſein 30jähriges Bühnenjubiläum.
Schneeſchuhfilm.
Von dem Film Die Wunde des Schneeſchuhs läuft zur=
zeit
der zweite Teil: Eine Fuchsjagd auf Skiern‟. Der
Film erſchließt wieder Bilder aus der Schnee=, Eis= und Berg=
üelt
von märchenhafter Schönheit, wie ſie gewöhnlich Sterb=
lichen
eben nur durch den Film erſchloſſen werden können. Die
Meiſter des Schneeſchuhs aus allen ſkifahrenden Ländern
Nornegen, Finnland, Schweiz, Ungarn, Oefterreich, Deutſch=
land
uſw. geben ſich in dieſem Film ein Stelldichein. Natür=
lich
fehlen auch Damen nicht am Start. Sehr geſchickt iſt eine
loſe zuſammenhängende Handlung aufgebaut, um dem Film
auch unterhaltenden Inhalt zu geben. In übermütiger Laune
wiro von dem Skibaby, einer ebenſo reizenden wie ſportlich
zielbewußten jungen Dame, eine Fuchsjagd vorgeſchlagen und
beſchloſſen, an der ſich alle beteiligen. Fuchs iſt der junge öſter=
reichiſche
Meiſter (der Hanſel), und gefangen wird er von dem
Skibaby, das Evastöchterſchlauheit ſeine Skis mit eigem
Reißnagel verſieht und ſo die Spur kenntlich macht, daß alles
Irreführen nichts nutzt. Durch das ganze Engadin geht die
Jagd auf den Piz Bernina und hinein in den italieniſchen
Frühling. Alles, was Schneeſport bringen kann an Schönheiten,
an Meiſterleiſtungen, gewagteſten Sprüngen, Zwiſchen= und Un=
fällen
, iſt eingeſthoben und mit der Handlung verwoben, auch
die lehrreichen Zeitlupenaufnahmen fehlen nicht.
Dieſe Filme ſtellen in Wahrheit Meiſterleiſtungen der deut=
ſchen
Filminduſtrie dar und auch deutſchen Sportgeiſtes, dem
allein ſie letzten Endes zu verdanken ſind.
II. St.

Namen ſind den Kindern des Newark=Geims Einſiedel wehl bekannt und
haben ihnen auch anläßlich des Weihnachtsfeſtes wieder gezeigt, wie

Liebe gibt.
Der Brotpreis mußte wvegen der weiteren Steigerung der Löhue
und der ſonſtigen Unkoſten abermals erhöht werden. Der große Laib
Brot koſtet nunmehr 230 Mark, ein Brötchen aus gemiſchtem Mehl
9 Mark. (Siehe Bekanutmachurng.)
Im Silberkeunz. Die Eheleute Heinrich Seipel und Frau
feierten am 1. Januar das Feſt der Silbernen Hochzeit.
* Unfall. Vorgeſtern nacht wurde die Rettungswache gegen ½2 Uhr
nach der Rheinſtraße gerufen, wo ein Mann beſinnungslos, anſcheinend
von einem Auto überfahren, liege. Bei Ankunft der Wache war der
Verunglückte bereits tot. Es war der Inhaber des Inkaſſogeſchäfts
Hanfa. Herr Möller. Wie der Unfall entſtand, iſt noch nicht feſt=
geſtellt
.

th. Aus Oberheſſen, 29. Dez. Aainzlar. Dem Gaſtwik Vogel
wurde eine trächtige Kuſ aus den Stalle geſtohlen. Bauern=
ſchwend
. Durch die Stiftung eines Deutſch=Amerikaners und der Ge=
meindeangehörigen
konnte der Kirche eim neues Geläute beſchafft wer=
den
, das an Weihniachten eingeweiht uwurde. Die Scmmlung hatte ſogar
noch einen Ueberſchuß zuu verzeichmen, der zur Erricktung eines Ghnen=
denkmals
für die Gefallenen werwendet werdem ſoll. Renzendorf.
Hier verſuchten zwei Unbekannte eim Mutterſchweim zu ſtehlen. Die
Diebe hatten das Tier ſchon Duurch einen Schlag auf dem Kopf befinnuungs=
los
gemacht. Offenbau denſelben Dieben gelang es dann, einem anderen
Landwirt zwei Schafe aus dem Stall zu ſtehlen. Lauterbach. Die
Polizei Geſchlagnahnute auuf dem hieſigen Bahnhof eine in der Nachban=
ſchaft
geſtohlene Kuh, als dieſe gerade nach Frankfurt berſchobem werdem
ſollte Breungeshazm. Auch unſere Gemeinde hat zwei neue
Glocben erhalten, die einen Werk vom 3/. Millionen darſtellen. =
dingen
. Der Deutfch=Amerikamer Abert im Neu=York hatz ſemer
Vaterſtadt 1 Million geftiftet. Daraufgin wurde er zum Ehrenbürger
von Büdingen ernannt. Hadnchen. Der Preis der hieſigen Ge=
uneindejagd
hat ſich auf eime jährliche Pachtſumme vom 353 000 Mark er=
höht
. Der neug Pächten fiſt aus Küln.
wb. Frankfurt, 2. Jan. Die drei Kinder des elſäſſiſchen Flücht=
lingsheepaares
Gudet wurden geſtern in der elterlichen Wohmug tot
aufgefunden. Die Unterſuchung ergab, daß ſie vergiftet wor=
den
waren. Die Eltern wurden uter dem dringenden Verdacht des
Giftmordes verhaftet.

Spiel, Sport und Zurnen.
e- Eine wohlgelungene Weihnachtsfeiev beranſtal=
tete
am vergangenen Samstag der Sportverein 1898 E. V. ſei=
nen
Jugend= und Schülerabteilungen. In den echt weihnachtlich ge=
ſchmückten
Vereinsräumen des Hauſes Alexanderſtraße 2 herrſchte bald
unter der erſchienenen Jugend des Vereins eine fröhliche Stimmung.
Herr Dr. Grünewald, der äußerſt verdienſtvolle Leiter der Jugend=
abteilung
, begrüßte unter einem ſtrahlenden Weihnachtsbaum ſeine Ge=
treuen
und gab der Vefriedigung Ausdruck, wie er ſtets auf dem Sport=
platz
gewohnt, auch heute wieder mit einer äußerſt zahlreichen, ſport=
begeiſterten
Schar verſammelt zu ſein. Der 1. Vorſitzende des Sport=
vereins
, Herr Dr. Mickel, hielt an die Zutunft ſeines Vereins eine
von echter Kameradſchaft getragene Anſprache, ſich allzeit treu ihrem
Leiter und Führer dankbar für ſeine Anregungen und Vemühungen zu
zeigen. Sein Hipp=Hipp=Gurra galt dem Blühen und Gedeihen der
Jugend des Sportvereins. Ein echter Weihnachtsmamn berteilte unter
beſonders eifrige Jugendmitglieder ſinnreiche Weihuachtsgaben. Die
äußerſt zahlreich ausgeſtatete Verloſung behändigte manchen überreich=
lich
mit Gaben, die, gerne von Alten gegeben, von Jungen mit ſicht=
licher
Freude genommen wurden. Vorträge ernſten und heiteren Ju=
halts
und ein klangſchönes Weihnachtsorcheſter gaben der Veranſtaltung
noch das emtſprechende Gepräge, deren Verlauf wohl allen eine ange=
nehme
Erinnerung bleiben wird.
Fußball.
Man ſchreibt uns: Eine arge Enttäuſchung wurbe allen Fuß=
ballfreunden
am letzten Sonntag in Offenbach zuteſf. Es ſollte dort der
norddeutſche und deutſche Verzichtmeiſter Sportverein Hamburg gegen
die Offenbacher Kickers ſpielen. Die vielen von nah und fern herbei=
geeilten
Sportfreunde machten lange Geſichter, als ſtatt der ſehnigen
ſtrammen Hamburger Helvetia=Frankfurt das Spielfeld
betrat. Hamburg hatte in letzter Minute abgeſagt. Helvetia ſiegte
überlegen mit 3:2 und hätte wohl noch viel höher gewinnen können,
wenn ſein Sturm nicht die ſchönſten Torgelegenheiten verpaßte. 1. a.
wurden drei Tore wegen Abſeits nicht gegeben. Kickers=Offenbach eut=
täuſchte
. Mit ſolch einer Läuferreihe hätte man nicht die Intermatio=
nalen
Harder, Schneider und Breuel gehalten. Es ſtimmt wohl, daß
der Hamburger Sportverein in letzter Zeit überſpielt iſt= und dieſerhald
4:1 gegen Viktoria=Hamburg wie 2:1 gegen Hannover=Braunſchweig ter=
lor
. (Hier zeichneten ſich befonders Buckendahl und Zeidler von der
Eintracht=Braunſchweig aus.) Aber der Hamburger Sportverein ſchonte
die letzten drei Wochen ſeine Kanonen, und es wäre unbedingt zu neuen
Siegen gegangen, dafür kennt man die Hamburger zu gut. Schreibt
doch ein Engländer über die Hamburger: Dieſe Mannſchaft würde
gegen unſere Liga glänzend beſtehen, ſie würde mehr Siege wie Nieder=
lagen
gegen unſere beſten Klubs einſtecken. Ihr Mittelſtürmer, eine
Hüne von Geſtalt, ift ſchnell und berfügt über einen brillanten Schuß,
den er aus allen möglichen und unmöglichen Lagen anbringt, ſeine bei=
den
Nebenleute überbieten ſich ſelber. Die beiden Flügelſtürmer ſind
trotz ihrer Körperſtärke ſchnell und wuchtig, namentlich der Rechts=
außen
, fürwahr ein blendender Spieler. Der Mittelläufer fällt durch
ſein eigenartiges, uutzbringendes Spiel auf, er iſt der Liebling der
Hamburger, ſein Täuſchen und Ballabnehmen reißt das Publikum zu
großem Beifall hin; oft ſah ich, daß ihn begeiſterte Sportanhänger auf
den Schultern vom Platze trugen. Die beiden mustulöſen Verteidiger
und ein baumlanger Tormann bilden eine ſichere Hintermannſchaft,
Die ganze Maunſchaft iſt im Ballſtoppen, Ballverteilen wie wunder=
barem
Kopfſpiel eine der beſten, die ich ſah.

Main=Rhein=Gau, Deutſche Turnerſchaft.
Stand der Handball=Gaumeiſterſchaftsſpiele am
Schluß der Vorrunde:
Turnerklaſffe:
Vereine
Spiele gew. verl. unentſch. Torverh. Punkte

T.=V. Pfungſtadtz 6 34:10 T.=Gem. Griesheim 17.7 T.=Gem. Neu=Iſenbuurg 4 28:11 T.=V. Worfelden 2 11.7 T.=Gſchft. Griesheim 3 11:19 T.=G. 46 Darmſtal 1 22:11 T.=V. Vorwärts=Latgen 1. 5:38 T.=V. Stochſtadt a. Rh. Jugenöklaſſe: *
1 T.=Gſchft. Griesheim I 8:2 6 T.=Gem. Griesheim 2 3 12:2 T.=V. Pfungſtadt * 7.6 T.=Gſchfr. Griesheim II 1:18

Spiel WorfeldenNeu=Iſenburg ſwird wviederholt. Spiel T.=Geu.
GriesheimT.=Gſchſt. Griesheim 4:1, für T.=Gem. ſchwebt Proteſt uud
iſt daher nicht gewertet. Spiel DarmſtadtStockſtadt noch nicht aus=
getragen
.
Verſchiedene Anfragen geben Veranlaſſung, darauf hinzuweiſen, daß
auch Micht=Turnvereine, nach Anerkennung der Satzungen der Deutſcher
Turnerſchaft ſowis der Kreis= und Gaufpielordnung, ſich an dem Haud=
ballſpielen
beteiligen können.

Agschlachtgleiden g
Kein Quecks., ohne Berufsstörung, Blutunters.
Aufkl. Brosch. Nr. 21 gegen Eins. von 200 Mk.
Ambula-
peg
.-Arat Dr. Aouaender 8 torium
Frankfurt a. M., Bethmannstragge 56.

7 Jnk 7

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende nach 10 Uhr
(4 12, a 7): Precioſa‟.
Kleines Haus, 3, 5 und 7½ Uhr: Film:
Wunder des Schneeſchuhs Auftreten Silveſter Schaeffer. Dr=
pheum
, Anfang 34
8 Uhr: Der keuſche Lebeman. Union=, Re=
ſidenz
=, Zentral=Thegter, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen,
Verſteigerungskalender.
Mittwoch, 3. Januar.
Hofreiteverſteigerung 1½6 Uhr zu Nieder=Ramſtadk, Fahr=
ſtraße
22.
Ziegenbock=Verſteigerung vormittags 10 Uhr
im Faſelſtalle zur Arheilgem.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für Sport und Allgemeines:
Kurt Mitſching; für den Inſeratenteil: Paul Lange
ſämtlich in Darmſtadt.

Die hentige Rummer hat 4 Geiten.

[ ][  ][ ]

Nummer 1.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 2. Januar 1923.

Seite 3.

Heute verſchied im 58. Lebensjahre infolge eines
Unfalls plötzlich und unerwartet mein herzensguter
Mann, unſer lieber Bruder, Schwager und Onkel
K
Herr Heinrich moeller
Inhaber der Treuhand= u. Reviſions=Geſ. Moeller & Co.
Um ſtilles Beileid bittet
namens der Hinterbliebenen:
Olga Moeller, geb. Lindner.
Darmſtadt, Kaſſerslautern, Alsfeld, 31. Dez. 1922.
Die Einäſcherung findet am Mittwoch, 3. Januar,
vormittags 11 Uhr, auf dem Waldfriedhof ſtatt. (11

8ung!

8ung!
Die Papierankaufſtelle (*18210
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60
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Berlieb
zahlt, für Zeitungen, Akten uſw. 140 Mk.
Lumpen, unſortierte . .
130 Mk.
ſowie für Eiſen und Alt=Metall
die höchſten Tagespreiſe.
Niemand verſäume ſofort zu räumen.

Todes=Anzeige.
(Statt jeder beſonderen Anzeige.)
Nach ſchwerem, geduldig er=
tragenem
Leiden entſchlief heute
mittag 1 Uhr meine liebe,
herzensgute Gattin, unſere liebe,
treubeſorgte Mutter, Schwieger
mutter, Großmutter und Tante

geb. Lämmer.
Im Namen der
tieftrauernden Hinterbliebenen;
Franz Schneider
Maler= u. Lackierermeiſter
Darmſtadt, Dillenburg
(12
den 31. Dezember 1922,
Die Beerdigung findet Mittwoch.
den 3. Januar 1923, nachmittags
Uhr, von der Einſegnungshalle
des Waldfriedhofs aus ſtatt,

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Nach längerem, ſchwerem Leiden
entſchlief heute, am 31. Dez. 1922,
abends 7½ Uhr, unſere herzens=
gute
Schweſter
(14
e
Johanna Fiſcher
im Alter von 49 Jahren,
Für die trauernden Hinterbliebenen:
Margar, Fiſcher
Frankfurterſtr. 46,
Die Beerdigung finder Mittwoch
3. Januar, vormittags 11½ Uhr,
auf dem Waldfriedhof ſtatt.

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nahme
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allerliebſten
Gretel
ſagen auf dieſem Wege Allen recht=
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herzlichen Dank
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Familie K. Altzweig.

Mehl= und Brotpreiſe.
Durch die Beſchlüſſe der zuſtändigen
Ausſchüfſe und mit Genehmigung des
Miniſteriums für Arbeit und Wirtſchaft,
Abteilung für Ernährung und Landwirt=
ſchaft
, wurden die Preiſe für Mehl und
Brot vom 1. Januar 1923 ab wie folgt
feſtgeſetzt:
A. Mehlpreiſe.
I. Abgabepreiſe der Mehlverteilungsſtelle.
1. Roggenmehl . . . . . Mk. 13 660.
2. Weizenmehl . . . . . Mk. 14510.
3. Gemiſchtes Brotmehl. . Mk. 14 213.
alles für den Doppelzent, ohne Sackpfand.
II. Kleinverkaufspreiſe.
Mk. 153.
1. Roggenmehl
für das kg und 86 Mk. für
560 g.
Mk. 160.
2. Weizenmehl .
für das kg und 90 Mk. für
560 g.
B. Brotpreiſe.
1600 g Brot . . . . . . Mk. 230.
2. 800 g Brot . . . . . . Mk. 115.
3. Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl im Gewicht von
50 g .. . . . . . . . . Mk. 9.-
Darmſtadt, den 30. Dezember 1922.
(st7
Lebensmittelamt.

Mahnung
der Kanalbenutzungsgebühren
und Wohnungsbquabgabe,
Das 3. Ziel der vorgenannten Ge=
älle
iſt bei Meidung der Beitreibung
dis 10. Januar 1923 hierher zu zah=
en
. Vom 11. Januar ab werden Pfand=
(st3
gebühren erhoben.
Darmſtadt, den 2. Januar 1923.
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3, 5 u. 7½ Uhr
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Wunder des
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Grafenſtr. 26.

ROTAL HAL LINE
Die Königl. Englische Postdampfer-Linie‟
Regelmässiger beschleunigter Post-, Passagier- und Frachtdampfardienst
W Hamburg-New VorkA
Postdampfer Orbita‟
. . . . . . . . . 10. Januar 1923
Postdampfer Orduna‟ . . . . . . . . . . 31. Januar 1923
Vorzügliche Einrichtungen für Passagiere 1., 2. und 3. Klasse.
Brasilien-La Plata
von Southampton
Postdampfer Arlanza( 5, Jan. 1923 Postdampfer Avon‟ 19. Jan. 1923
Regelmäßiger Frachtdampfer-Dienst von Hamburg nach
Brasilien-Westindien-Westküste Amerikag
Nähere Auskunft erteilen:
G. m.
ROTAL MAIL EINA bIH.
sowie deren Agenten
TV,10454
in Mannheim: Reigebüro Karl M. Fournier, Mannheim C. 3 12
Frankfurt a. M.: J. Schottenfels & Co., Bethmannstr. 54
Tel.-Nr. Hansa 3385
Hendschels Reigebüro, Schillerplatz 3, Tel.-Nr. Hansa 5873/4
für Fracht in Stuttgart: Sebastian Roser, G. m. b. FI.
Zeiderungen vorbehalten.
EEsteeengtset

Deog Ambnt
Aahmradroifon

Automobil= und Motorradturnier Bad Nauheim 1922
Wagen 6 PS
Sieger Walb . . . . . . . auf Benz
8 PS
Bieger Glöckler . . . . . . N. S. U.
Zweiter Wallraff . . . . . . Adler
10 PS
über 10 PS. Bieger Kleemann . . . . . Adler
Zweiter Schultze-Steprath . . Adler
Südweſtdeutſche Dauerprüfungsfahrt 1922
Industriefahrer Zweiter Walb . . . . . . . . auf Benz
Abusrennen 1922
Wagen 6 PS
Sieger Gebser . . . . . . . anf Dixi
Zweiter Braun . . . . . . . Dixi
Automobil= und Motorradturnier Bad Homburg 1922
Schönheitskonkurrenz:
Sportwagen:
Bieger Roller .. . . . . . auf Opel
Offene Wagen: Bieger Kleemann . . . . . Adler
Geschl. Wagen: Bieger Gischel . . . . . . . Dux
Bergprüfung:
Bieger Schultze-Steprath . . . Benz
Gymkhana:
Zweiter v. Meister . . . . Austro-Daimler
Bieger Lanprecht . . . . . auf Benz
Gesamtklassement: Zweiter Lauprecht . . . . . Benz
Bergprüfungsfahrt nach Schloß Solitude 1922

Wagen 5 P8
6 PS

Zweiter
Zweiter

Diemer
Eimer

-

auf Wanderer
Aga

Rund um Belzig 1922
Wagen 5!/. PS
7 PS. Bieger Loge . . . . . . . . 48a
8,5 PS Bieger Kittsteiner . . . . . Fafnir
über 8,5 PS Bjeger Reinecke . . ... . . Presto
Gabelbachrennen 1922

Bieger Ritter . . . . . . . anf 4g4
Zweiter Dir, Günther . . . . Aga

Bester Wertungsfaktor aller Ganklassen: Heusser
ADAC-Klassen: Walb

auf Sterr
Benz‟

Eifel=Rundfahrt 1922
Wagen 5 PS
Bieger Du Mont . . . . . auf Wanderer
Bieger Fritz v. Opel . . . Opel
8 PS
Sonderpreis für schnellste Runde: Fritz von Opel
Automobil=Turnier Baden=Baden 1922
Schönheitskonkurrenz:

Offene Wagen: Bieger Behrens ..... anf Hercedes Sportwagen: Bieger Gen.-Dir. Hof . . . Mercedes Zweiter Dr. Schröder . .. Benz Geschl. Wagen: Zweiter Dir. Götte . .... Dinos Flachrennen: 6 PS Sieger Dr. Tigler ..... Benz Zweiter Dir. Wendt .... Dixi 10 PS
v Zweiter Schultze-Steprath . Benz 24 PS Zweiter Ing. Kappler .. .. Benz über 24 PS Zweiter Gen.-Dir. Hof . .. . Mercedes Bergrennen: 6 PS Bieger Dr. Tigler . . . . . Benz Zweiter Frhr. v. Thäna . . . Mercedes 10 PS
9 Bieger Walb . . . . . . . Benz 24 PS Zweiter Ing. Kapplen. . . . Benz über 24 PS Zweiter Gen.-Dir. Hof . .. Mercedes Gymkhana: 6 PS Zweiter Winter . . . . . . Aga 10 PS
v Bieger Schultze-Steprath Benz 24 PS Bieger Ing. Kappler .... Benz über 24 PS Zweiter Gen.-Dir. Hof . . . Meroedes Baischari-Preis Bieger Ing. Kappler . . .. Benz Zwelter Schultze-Steprath . Benz

Durch Schleſiens Berge 1922
Wagen
10 PS Zweiter Hielscher . . . . . . auf Presto
Intern. Prager Bergrennen 1922
Reunwagen: Bieger Salzer .. . . . . auf Wercedes
4. Intern. Bergprüfungsfahrt Dornach=Genten 1922
Bieger Knobel . . . . . . . auf Aga
Fanoe=Rennen 1922
Bioger Graf Kolowrat auf Austro-Daimler
Klasse A
Bieger Graf Kolowrat auf Austro-Daimler
Klasse B
Rumäniſche Zuverläſſigkeltsfahrt 1922
Bieger Werner . . . . . . aut Mercedes
Fernfahrt Berlin=Amſterdam 1922
Sieger Ing. Stuhr . . . . auf Dürkopp
2. Intern. Rennen in Eſtland 1922
Sieger Ott
auf Selve
Goldene Medaille für schnellsten Wagen
Semmering=Rennen 1922
Bieger Malcek . . . . . . auf Dinos
Klasse IV
Bieger Kaufmann . . . . . Steiger
Klasse V
Alle auf
Peters Union Zahnradreifen
M.,8.
Siehen dei Segenwnr

[ ][  ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 2. Januar 1923.

Rummer 1.

Landwirtſchaft, Gartenbau, Kleintierzucht und Siedlungsweſen

1903 /12 1913 1919 D.=Ztr. D.=Ztr. D.=Ztr. 192 13,9 24,2 16,7 22,1 14,8 20 15,0 156,6 98,5 48,9 37,3 Der Rückgang findet ſeine natürliche Erklärung in der aus=

Steigerung der Erzeugung und Düngemittel=
Preispolitik.
Oberſekretär Kadel=Darmſtadt.
Die Erträge unſerer Aecker und Wieſen ſind infolge des
langen Kriegs und der dadurch bedingten manuigfachen empfind=
lichen
Störungen in der landwirtſchaftlichen Betriebsführung er=
heblich
zurückgegangen. Die ſeit Beendigung des Kriegs uun=
mehr
verfloſſenen vier Jahre haben zwar nach verſchiedeuen
Nichtungen erfolgreiche Anſätze zu einer Steigerung der Erzeu=
gung
gebracht, allein wir befinden uns, im ganzen betrachtet,
bezüglich unſerer Nahrungsmittelerzeugung doch auf einem viel
tieferen Stand, als dies etwa im Jahre 1913 der Fall war. Die
Reichsſtatiſtik gibt z. B. folgende Zahlen als Durchſchnittserträge
vom Hektar an:
Roggen z r 170
Weizen .rrr: 203
Gerſte .rz.195
Hafer .. . . 18,6
Kartoffeln . . .. 132/4
Wieſenheu .... 425
nehmend großen Verſchlechterung des Kultur= und Düngungs=
zuſtandes
der Felder, die durch den eingangs erwähnten Umſtand
hervorgerufen worden iſt. Es iſt eben leichter, einen Acker zu
vernachläſſigen und herunterzuwirtſchaften, als ihn wieder auf
die frühere Höhe ſeiner Ertragsfähigkeit zu bringen, womit frei=
lich
nicht geſagt ſein ſoll, daß die Schuld an der erheblich gemin=
derten
Ertragsfähigkeit auf das Konto unſerer Landwirte zu
ſetzen iſt. Wir wiſſen und der Nachweis darüber iſt einwand=
frei
zu erbringen , daß die durch die Kriegs= und Nachkriegs=
verhältniſſe
bedingten beſonderen Umſtände Mangel an
Arbeitskräften, Geſpaunen, Saatgut, Düngemittel uſw. die
Schuld an dem Ernterückgang tragen. Wir ſind auch alle durch=
drungen
von der Erkenntnis der Notwendigkeit, dieſen Rückgang
ſo raſch wie möglich auszugleichen und die frühere Ertragsfähig=
keit
der Aecker und Wieſen wieder herzuſtellen, denn wir wiſſen,
was eine Steigerung der landwirtſchaftlichen Erzeugung gerade
jetzt für unſer hart bedrängtes Deutſches Reich bedeutet; wir
wiſſen, daß der Wiederaufbau, den wir alle ernſtlich erſtreben,
unbedingt bei der Landwirtſchaft einzuſetzen hat, wenn er
von Erfolg begleitet ſein ſoll. Deshalb verdienen alle Maßnah=
men
, die zur Steigerung unſerer landw. Erzeugung führen oder
ſie verbürgen können, weitgehende Unterſtützung, und es darf als
ein erfreuliches Zeichen angeſehen werden, daß man an den
leitenden Stellen dieſe Tatſache immer mehr berückſichtigt und
der Förderung der Landwirtſchaft weiteſtgehendes Intereſſe ent=
gegenbringt
.
Prüfen wir nun auf welche Weiſe es möglich iſt, eine erheb=
liche
Steigerung unſerer inländiſchen Erzeugung herbeizuführei,
ſo gelangen wir zu der Erkenntnis, daß wir vor allem in der
ſachgemäßen Anwendungkünſtlicher Düngemit=
tel
ein ſicheres Mittel beſitzen, um die Höhe des Ernteertrags
günſtig zu beeinfluſſen. Leider muß hervorgehoben werdeu, daß
wir in Deutſchland trotz des im Vergleich zu anderen Ländern
recht erheblichen Verbrauchs an künſtlichen Düngemitteln noch
lange nicht diejenigen Düngermengen anwenden, die dringend
erforderlich ſind, um nicht nur die vor dem Kriege geernteten
Erträge dauernd hervorzubringen, ſondern darüber hinaus noch
ein Mehr zu erzeugen. Daß es möglich iſt, durch intenſite
Düngung ganz bedeutend höhere Ernten zu erzielen, wird nach=
gewieſen
durch zahlreiche Düngungsverſuche und die Ergebniſſe
von Beiſpiels= und Muſterwirtſchaften, die zeigen, was bei ſach=
gemäßer
Bewirtſchaftung erreicht werden kann.
Sehr lehrreich und intereſſant ſind die Ergebniſſe, die bei=
ſpielsweiſe
von der Akademiſchen Gutswirtſchaft in Hohenheim
(Württemberg) erzielt worden ſind und die auf das deutlichſte
die Erfolge geſteigerter Kunſtdüngeranwendung vor Augen füh=
ren
. Einige Zahlen mögen hier genannt ſein:
Es betrugen die Ernteerträge pro Hektar
bei einem Kunſtdüngerverbrauch pro Hektar

Weizen.
Hafer.
Bohnen

i. J. 1911 von:
8,kg Stückſtoff
43,1 kg Phosphorſäure
39,5 kg Kali
. 260 D.=Ztr.
26 D.=Ztr.
10,1 D.=Ztr.

Futterrüben .38E.0 D. Ztr.
Zuckerrüben 197,0 D.=Ztr.

i. J. 1917 von:
47,/4 kg Stickſtoff
73,2kg Phosphorſäure
109,1 hg Kali.
37,5 D.=Ztr.
0 D.=Ztr.
25,1 D.=Ztr.
7850 D.=Ztr.
407,0 D.=Ztr.
214,0 D.=Ztr.
56,0 D.=Ztr.

Kartoffeln .. . 133,0 D.=Ztr.
Heu ... . 390 D.Ztr.
Die Ertragsunterſchiede zwiſchen ſtarker und ſchwacher
Düngung ſind, wie man erkennen wird, ganz erheblich und be=
ſtätigen
das oben ſchon Geſagte, daß wir nämlich durch verftärkte
Düngung tatſächlich ganz bedeutend höhere Erträge zu erzielen
imſtande ſind. Ueberlegen wir, auf welche Weiſe die Steigerung
der Ernten auf Grund dieſer Erkenntnis in der Praris zu er=

reichen ſein wird, ſo werden wir unſer Augenmerk in erſter Linie
auf diejenigen Betriebe zu richten haben, die für eine erhöhte
Düngerverwendung und eine Steigerung der Ernten am meiſten
in Betracht kommen. Obwohl keine amtliche Statiſtik beſteht, aus
der der Düngerverbrauch der verſchiedenen Betriebsgrößen in
der Landwirtſchaft zu erſehen iſt, ſo kann doch angenommen
werden, daß der Großbetrieb, der ja von Anfang an nicht zu=
letzt
freilich wegen der ihm zur Verfügung ſtehenden größeren
Geldmittel! in bezug auf die Düngerverwendung vorbildlich
geweſen iſt, auch heute noch den größten Anteil an dem Dünger=
verbrauch
hat. Aber auch der groß= und mittelbäuerliche Beſitz
hat im Lauf der letzten Jahrzehnte immer mehr künſtliche Dünge=
mittel
aufgenommen und damit ſeine Ernten entſprechend er=
höht
, wie aus wirtſchaftsſtatiſtiſchen Veröffentlichungen hervor=
geht
. Verhältnismäßig am ſeltenſten wird die regelmäßige Ver=
wendung
künſtlicher Düngemittel bei den Kleinbetrieben
anzutreffen ſein, die bis zu einer Betriebsgröße von 20 Hektar
gerechnet insgeſamt 14,6 Millionen Hektar Land bebauen
und damit 46 Prozent, alſo faſt die Hälfte, der geſamten land=
wirtſchaftlich
benutzten Fläche einnehmen. Die hohe Bedeutung
der Düngerfrage gerade für den Kleinbetrieb liegt alſo auf der
Hand, und es iſt daher ohne weiteres klar, wie wichtig es iſt,
die kleinbäuerlichen Kreiſe mit allen Mitteln zu einer geſteigerten
und ſachgemäßen Anwendung künſtlicher Düngemittel zu veran=
laſſen
. Leider iſt nun aber ein Umſtand zu erwähnen, der einer
vermehrten Anwendung der Düngemittel in den Kleinb=trieben
hinderlich zu werden droht, nämlich die ungeheuere Preisſteige=
rung
, die alle künſtlichen Düngemittel während der letzten Zeit
erfahren haben, und deren Stillſtand zur Zeit noch nicht abge=
ſehen
werden kann. Das Ausmaß dieſer Erhöhungen iſt in den
nicht Landwirtſchaft treibenden Kreiſen viel zu wenig bekannt,
denn ſonſt würden manche Vorwürfe, die unſerem Bauernſtand
in bezug auf ſeine Forderungen gemacht werden, unterbleiben.
Ich will die wichtigſten Düngemittel, hier anführen und die
Preisſteigerung berechnen:
Es koſteten bei Waggonbezug ohne Fracht:
100 Kilo
Ainter Dezember Die Steigerung
1922
1913/14
beträgt das
18proz. Thomiasmehl
3,84 Mk. 5840 Mk.
1520fache
16proz. Superphosphat 3,60 Mk. 13200 Mk.
2350fache
809 Mk.
12proz. Kainit.
673fache
120 Mk.

40proz. Kaliſalz .
6,20 Mk. 3 473 Mk.
560fache
ſchwefelſ. Ammoniak 27,00 Mk. 27250 Mk.
1012ſache
Natronſalpeter
1019fache
23,00 Mk. 25 757 Mk.
Die Preisſteigerung für dieſes wichtigſte aller Hilfsmittel iſt
alſo enorm. Sie wird von den die Preiſe beſtimmenden Stellen
allerdings mit der Tatſache zu rechtſertigen verſucht, daß auch die
landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe eine erhebliche Preisſteigerung
erfahren haben. Das iſt richtig, wenn wir die Preiſe zugrunde
legen, die im freien Verkehr für die verſchiedenen Getreidearten
und auch für die in der bäuerlichen Wirtſchaft gewonnenen Fut=
terſtoffe
erzielt werden. Nachdem aber der deutſchen Landwirt=
ſchaft
in Form von Umlagegetreide erhebliche Lieferungsver=
pflichtungen
auferlegt worden ſind, für die nur ein Bruchteil der
im freien Handel erzielten Preiſe dergütet wird, iſt es ohne wei=
teres
verſtändlich, daß der Anreiz, künſtliche Düngemittel um
jeden Preis und in der Hoffnung zu verwenden, die Erzeugungs=
koſten
mit den Produktionspreiſen wieder hereinzubekommien,
erheblich beeinträchtigt werden muß. Abgeſehen von dieſem durch
die jüngſte Preiserhöhung für Umlagegetreide etwas gemilder=
ten
Mißſtand iſt aber auch noch darauf hinzuweiſen, daß ein
ſchematiſcher Vergleich der Preisſteigerungen zwiſchen den Pro=
duktionsmitteln
und den Erzeugniſſen ſchon deshalb unzweck=
mäßig
und auch unzuläſſig iſt, weil ja die Annahme, daß durch
eine beſtimmte Menge dem Boden zugeführter Nährſtoffe eine
rechneriſch im Voraus zu beſtimmende Ertragsſteigerung eintritt,
nur in ganz beſtimmten Fällen richtig ſein kann, und zwar nur
da, wo ſämtliche eine Ertragsſteigerung verbürgenden Faktoren
in einem die höchſte Düngewirkung gewährleiſtenden Umfange
vorhanden ſind. Solche Fälle bilden nicht die Regel, denn zahl=
reich
ſind die Möglichkeiten, die die volle Ausnützung und Wir=
kung
der Düngemittel beeinträchtigen können. Dabei brauchen
nicht immer Witterungs= und klimatiſche Verhältniſſe die erſte
Rolle zu ſpielen. Wir wiſſen, daß nach dem Geſetz des Mini=
mums
der Ernteertrag ſich nach demjenigen Nährſtoff richtet, der
ſich im Boden in geringſter Menge vorfindet, ſo daß wir, wenn
wir einem Acker oder einer Wieſe künſtliche Düngemittel zuführen
wollen, über den Düngungszuſtand und Nährſtoffbedarf des
Feldes unterrichtet ſein müſſen, wenn die in den Boden gebrachten
Düngemittel uns auch einen finanziellen Erfolg bringen ſollen.
Daß derartige Ueberlegungen und die Berechnung der Wirt=
ſchaftlichkeit
der Düngemittelverwendung aber gerade in klein=
bäuerlichen
Kreiſen großen Schwierigkeiten begegnet, habe ich
bereits an dieſer Stelles) näher dargelegt. Steht aber feſt, daß
infolge der an der angegebenen Stelle von mir geſchilderten

*) Ausgabe vom 11. September 1922 Die volkswirtſchaftliche Be=
deutung
einer fachgemäßen Anwendung des Kunſtdüngers und die be=
rufliche
Ausbildung des Kleinbauern.

Verhältniſſe die rationelle Verwendung künſtlicher Düngemittel
im kleinbäuerlichen Betrieb an ſich ſchon erſchwert iſt, ſo werden
wir, wenn wir ernſtlich eine Steigerung der Erzeugung beſon=
ders
in den Kleinbetrieben erreichen wollen, alles vermeiden
müſſen, was die Düngemittelanwendung noch ſchwieriger zu
geſtalten geeignet iſt. Unter dieſem Geſichtspunkte müſſen die
fortgeſetzten Preisſteigerungen für künſtliche Düngemittel be=
dauert
werden, denn ſie werden zweifellos veranlaſſen, daß in
kleinbäuerlichen Betrieben, in welchen die vermehrte Anwendung
der Düngemittel am dringendſten iſt, ein weiterer Rückgang in
der Düngerverwendung eintreten wird und die Erträge weiter
nach unten beeinflußt werden. Es iſt daher im allge=
meinen
Intereſſe dringend erwünſcht und not=
wendig
, daß Mittel und Bege geſucht und ge=
funden
werden, die dem in der oben dargelegten
Richtung uns drohenden Rückgang der land=
wirtſchaftlichen
Erzeugung entgegenwirken
können.

R0

Landwirtſchaft

Volldüngung für Kartoffeln. Die Kartoffel
kann weder durch Stallmiſt noch durch Kunſtdünger allein zu
Höchſterträgen gebracht werden. Beide Arten ſind nötig, denn
die Kartoffelpflanze nimmt ſehr viel Nährſtoffe aus dem Boden
auf, hat aber dabei ein ziemlich geringes Wurzelvermögen. Die
Frage nach den zweckmäßig anzuwendenden Düngermengen be=
antwortet
ſich natürlich verſchieden nach der natürlichen Nähr=
kraft
des Bodens. Sehr lehrreich iſt folgendes Ertragsergebnis
eines Verſuchs auf verſchieden gedüngten Ackerſtücken. Ein Hek=
tar
lieſerte durchſchnittlich ohne chemiſchen Dünger 15 400 Kilo,
mit Stickſtoff, Phosphorſäure und Kali 21 500 Kilo, mit Kali
und Stickſtoff 18300 Kilo, mit Phosphorſäure und Kali 18 100
Kilo, mit Stickſtoff und Phosphorſäure 18800 Kilo. Kali gibt
man am beſten als Chlorkalium und ſchwefelſaure Kaliniagneſia.
Am wenigſten eignet ſich Kainit, da deſſen Gehalt an Kochſalz
den Geſchmack der Knollen beeinträchtigt. Gleichzeitige aus=
reichende
Zufuhr von Phosphorſäure und Stickſtoff laſſe man
nie fehlen. Insbeſondere die Phosphorſäure wirkt Werteinbußen
entgegen, ſie erhöht auch die Haltbarkeit der Kartoffel im Win=
terlager
. Im allgemeinen wird man neben Stallmiſt auf den
Hektar rechnen können: 100180 Kilo ſchwefelſaures Ammoniak
oder Kalkſtickſtoff, 300500 Kilo Thomasmehl oder doppel ſoviel
Rhenaniaphosphat und 150250 Kilo 40prozentiges Kaliſalz
oder 120200 Kilo Chlorkalium oder 220360 Kilo ſchwefel=
ſaure
Kalimagneſia. Baut man ohne Stallmiſt, ſo ſind die eiit=
zelnen
Gaben bei Ammonigk oder Kalkſtickſtoff um 2030 Kilo
zu erhöhen, bei Thomasmehl um 100200 Kilo, bei 40proz.
Kaliſalz um 150 Kilo, bei Chlorkalium um 50100 Kilo und bei
Kalimagneſia um 100200 Kilo.
Wie gewinnt man gute Bindeweiden? Ob
man von einer Weidenpflanzung lange ſtarke Flechtruten oder
dünne, ſchmiegſame Bindeweiden erhält, hängt nur von der
Pflanzweite ab. Die Sorte ſpielt dabei keine Rolle. Bei 5060
Zentimeter Reihenentfernung und 50. Zentimeter Abſtand in
den Reihen, erzielt man faſt nur ſtarke, ſchlanke Flecht= und
Neifenruten. Will man dürre Triebe, dann rückt man die Pflan=
zen
in den Reihen auf 20 Zentimeter zuſammen und die Reihen
auf 40 Zentimeter. In der engeren Pflanzung erhalten die
einzelnen Ruten weniger Licht und werden dadurch zum Geil=
treiben
gezwungen. Die Bodenkraft hat darauf weniger Ein=
fluß
als die Feuchtigkeit, Beſſerer Boden erlaubt etwas engeren
Stand als Sandboden. Genügende Bodenfeuchtigkeit iſt unent=
behrlich
.

Obſ. und Gartenbau.

Die Johannis= und Stachelbeeren tragen
ihre Früchte wie das Steinobſt an einjährigem Holz, und zwar
bilden die unterſten Augen die ſchönſten Beeren. Man kürzt des=
halb
die Jahrestriebe auf fünf bis ſechs Augen ein, um beſſeres
Fruchtholz zu erzielen. Alte Zweige und ſolche, welche in das
Innere hineinwachſen, werden herausgeſchnitten, damit die
Sonne Zutritt bekommt. Zeigt ſich nach einer gewiſſen Zeit der
Holztrieb ſchwächer und erſcheinen kräftige Wurzelſchößlinge, fo
iſt dies ein Zeichen, daß der Strauch altersſchwach wird. Man
ſägt daher das alte Holz weg und läßt die ſtärkſten Sprößlinge
ſtehen, welche bei entſtrechender Reinigung wiederum einen
ſchönen Strauch geben. Als paſſende Dünger ſind Holzaſche und
Latrinendünger allen anderen Düngemitteln vorzuziehen.
Deckmaterial für Roſen=und Zwiebelbeete.
Torfſtreu und Torfmüll ſind das beſte Deckmaterial für Roſen,
empfindliche Freilandſtauden, Zwiebelbeet uſw., denn ſie halten
nicht nur die Pflanzen trocken und ſichern ſie vor dem Anfaulen,
ſondern ſie halten auch den Froſt ab und verhindern ſo alle Froſt=
beſchädigungen
.

Der Wunderdoktor.
Erzählung von E. Streff.
(Ernſt Elias Niebergall.)
(Nachdrnck verboten.)

Mit Entwürfen beſchäftigt, wie er den gefürchteten Barthel
unſchädlich machen könnte, bemerkte der Doktor Bespillarius
nicht, daß er ſich der Hütte näherte, worin Käthchens Vater
wohnte. Beſonders ängſtigte er ſich, den Sinn der Worte: ich
weiß noch mehr, zu enträtſeln; aber ſo oft er ſich auch vorſagte:
es iſt unmöglich, er kanu’s nicht wiſſen, ſo vermochte er doch die
peinliche Vermutung nicht zu unterdrücken, daß jener damit auf
die Verwundung des Förſters hingedeutet habe.
Hinter dem papierverklebten Hüttenfenſter ſaß Käthe mit
gefalteten Händen, und ihr Buſen hob ſich ſtürmiſch von Weinen
und Schluchzen. Als ſie den Doktor erblickte, der laugſam, mit
geſenktem Haupte vorüber wandeln wollte, flog ſie hinaus und
hemmte ſeine Schritte.
Der Himmel ſchickt Euch her! ſtammelte ſie in heftiger Er=
regung
und ergriff ſeine Hand, um ihn zum Stehen zu zwingen.
Als ich in meiner Drangſal weinte und betete, erſchienet Ihr mir
wie ein Engel vom Himmel!
Die Heftigkeit, mit der ſie dieſe Worte hervorſtieß, raubte ihr
auf einige Augenblicke den Atem, weiter zu reden, und Vespil=
larius
fragte:
Was fehlt Dir, Kind?
Ihr habet ſchon ſo vielen geholfen jetzt helfet auch hier!
Und könnet Ihr nicht, ſo gebet mir Gift, denn dann mag ich nicht
mehr leben!
Der Doktor mußte unwillkürlich an Barthel denken, ſagte
aber ziemlich gelaſſen:
Sprich, wo ſoll ich helfen?
Ach, ſtellet Euch den Jammer vor! Heute früh haben ſie
meinen Stephan geholt und ins Gefängnis geſetzt; er ſoll den
Förſter geſchoſſen haben.
Der Doktor ſpannte den Regenſchirm aus, obwohl es weder
ſchneiete noch regnete, ſo verwirrt wurde er.
Unmöglich, ſagte er und trocknete ſich die Schweißtropfen
ab, welche plötzlich auf ſeine Stirn traten.

Benen ece iH
dann und wann auf den Anſtand ſchlich, wo er nicht das Necht
hatte o, ich habe ihn tauſendmal beſchworen, ſeine Verwegen=
heit
zu unterlaſſen , ſo zielte er doch uie auf einen Meuſchen;
dazu iſt er zu brav!
Wer hat ihn augeklagt?
Der Förſter ſelber, der will ſeine Beſchuldigung beſchwören,
und damit iſt mein Stephan verloren.
Und mit erneuetem Jammer beſchwor ſie den Doktor, ihn
zu retten.
Wie kann ich, mein Kinds erwiderte er und blickte anders=
wohin
, um ihr nicht in die überſtrömenden Augen ſehen zu
müſſen.
Ihr müßt ein Mittel zu ſeiner Rettung wiſſen Ihr ſeid
ja ſo diel klüger als andere Menſchen . Gott! wenn er auf
ſeiner Unſchuld beharrt, ſo ſpannen ſie ihn auf die Folter und
martern ihn ſo lange, bis er vor Schmerzen ausſagt, was er nicht
getan!
Dem Doktor wurde das Bitten des Fiſchermädchens je
länger, je unangenehmer; es kam ihm jetzt zum erſtenmal recht
deutlich vor, wie tief ihn ſeine Ruhmſucht mit Verderben um=
ſtrickt
hatte. Er ſtrebte, ſich von ihrer Hand zu befreien, und ſagte
mit weggewendeten Blicken:
Was kann da helfen? Meine Kunſt erſtreckt ſich nur auf
Seilung körperlicher Leiden. Stephans Schickſal überlaſſe
Gott wollte er ſagen, aber das Wort wollte nicht über ſeine
Lippen: Gott kannte ja den heuchleriſchen Täter; er konnte ihn
an’s Licht ziehen.
Käthe ließ langſam den Arm des Doktors los, hielt die linke
Hand wie geblendet vor die verweinten Augen und ſagte dumpf:
Auch Ihr verlaſſet mich, auf den ich meine einzige Hoffnung
bauete.
Sie verſtummte, und Vespillarius benutzte den Moment, ſich
mit weitausgeholten Schritten davon zu machen.
Er war ſchon eine ziemliche Strecke gegangen, als er leichte
Tritte hinter ſich hörte. Er blickte um, und Käthe ſtand mit vor
Eile hochgeröteten Wangen abermals vor ihm. Diesmal waren
ihre Blicke entſchloſſener und ihre Mienen verrieten eine freudige
Zuverſicht.
Herr Dolto:, ſprach ſie: Ihr botet mir vor noch nicht
langer Zeit viel Geld, hinreichend, um Stephan und mich glück=

Uggnnggmngnmmgg
nehmen ſollte, der mich einen Tag lang in tiefen Schlaf verſenken
würde. Ich ſchlug damals Euer Anerbieten aus; doch wenn Ihr
beim Gericht ein Fürwort für Stephan einlegen und Euch be=
mühen
wollt, ſeine Unſchuld ans Licht zu bringen, ſo will ich in
Gottes Namen den Trank trinken, und wann ich auch nimmer=
mehr
aus dem Schlaf erwache.
So, wollteſt Du das? fragte der Doktor, deſſen Geſicht auf
einmal einen ganz andern, viel milderen Ausdruck annahm.
Nun, wollen ſehen. Verlaß Dich darauf, es geſchieht, was ich
tun kann; heute geh ich noch zum Richter.
Vor allem, daß Stephan nicht gemartert wird!
Er ſoll nicht auf die Folter, und wenn er auch noch eine
Weile in Gewahrſam ſitzt, bis ſeine Unſchuld erwieſen iſt. Aber
Du mußt auch Dein Verſprechen halten, Kind, es ſoll Dich nicht
gereuen.
Ich tu alles, was Ihr wollet.
Vespillarius reichte ihr eine Phiole.
Höre, Kiud, was Qu jetzt zu befolgen haſt. Heute abend,
wenn Dein Vater vom Fiſchfang heimkommt, biſt Du verdroſſen
und unwohl, trinkeſt dann heimlich das Fläſchchen aus und wirfſt
es in den Rhein; alsdann legſt Du Dich zu Bette.
Käthe barg die Phiole ſchaudernd im Bruſttuch und ſagte:
Ich werde ſicher nie mehr erwachen.
Längſtens bis morgen abend. Du wirſt ſo ſüße Träume
haben, daß es Dir leid tun wird, wenn ich Dich wieder erwecke.
Doch vor allem, verrätſt Du eine Silbe, ſo iſt es um Deinen
Stephan geſchehen; auch ihm entdeckſt Du nichts davon, ſo lange
Du lebſt.
Das Mädchen verſprach es heilig und teuer. Mit Abſcheu
wies es das Geld von ſich, welches ihm der Doktor noch überdem
bot, und begab ſich, über das Schickſal ihres Geliebten getröſtet,
in die ärmliche Hütte zurück.
Auch der Doktor ſetzte ſeinen Heimweg fort. Als er ſich ent=
fernt
hatte, trat Barthel hinter einem mächtigen Eichenſtamm
hervor, grinſte ihm nach und ſagte:
Giftmiſcher, Du ſollſt mir noch mauchen ſchönen Gulden
ſchwitzen, bis ich Deinem Hokuspokus ein luſtiges Ende mach.
(Fortſetzung folgt.)