Darmstädter Tagblatt 1910


05. Dezember 1910

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monatl. 50 Pfg., viertelj. 1.50 Mk., aus=
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173. Jahrgang
verbunden mit Wohnungs=Anzeiger und der Sonntags=Beilage:
Illuſtriertes Unterhaltungsblatt.
Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

Inſerafe
werden angenommen in Darmſtadt,
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ſowie von unſeren Agenturen und
den Annoncen=Expeditionen. Bei
gerichtlicher Beitreibung oder bei Konkurs
kommt jeder Annoncenrabatt in Wegfall.

285.
1910,
Montag, den 5. Dezember.

Die heutige Nummer hat 20 Seiten.

Bagatellen aus dem Reichsetat.
* Die große Wirtſchaftsrechnung des Reiches liegt
ſeinen Sendboten vor, und es wäre eigentlich deren
Pflicht und Schuldigkeit, ſich in das dickbändige Druckwerk
zu vertiefen, deſſen wichtigſte Zahlen ſchon zum Gegen=
ſtand
der öffentlichen Kritik gemacht worden ſind. Da iſt
aber, ſo ſchreibt die N. B. C., mancher intereſſante Poſten,
der völlig unbeachtet bleibt. Beim Marine=Etat
erinnern z. B. nur ein paar Zeilen an eine recht uner=
quickliche
Angelegenheit des vorigen Jahres, die Vorgänge
auf der Kieler Werft. Dort heißt es nämlich: Ein=
nahmen
aus dem Verkaufe der auf den kaiſerlichen Werf=
ten
nicht verwendbaren Materialien und Abfälle: 300000
Mark gegen 600000 Mark im Vorjahre‟. Das könnte
überraſchend wirken, doch wird erläuternd hinzugefügt:
Der Wert der bei den Arbeiten gewonnenen Materialien
und Abfälle wurde bisher nicht von den Herſtellungskoſten
in Abzug gebracht. In Zukunft ſoll im Intereſſe kauf=
männiſcher
Ausnutzung des Altmaterials und zur För=
derung
des Ordnungsſinnes in den Werkſtätten ein Teil
des Wertes der Abfälle dem die Ausgaben tragenden
Fonds gutgeſchrieben werden. Der zurückzurechnende
Wertanteil iſt auf 300000 Mark zu veranſchlagen, um
welchen Betrag die bisherige Anſchlagſumme zu kür=
zen
iſt. Man iſt alſo im Reſſort des Herrn von Tirpitz
aus Schaden klug geworden.
Auch der Kriegsminiſter, Herr von Heeringen,
hat Einnahmen in ſeinem Reſſort aufzuweiſen. Freilich
ſind es Sandkörner im Vergleiche zu den Bergen von
Ausgabenſ Aus dem Druck und Verlage der Rang=
liſte
zieht das Kriegsminiſterium 9500 Mark, ein Be=
weis
, welcher Beliebtheit dieſes ſo vorzüglich bearbeitete
Nachſchlagewerk ſich erfreut. An den ausgezeichneten
Generalſtabskarten verdient die Militärverwal=
tung
ſchon mehr: ſie bringen die ſtattliche Summe von
880000 Mark ein. Für ausgemuſterte oder tote
Pferde iſt aber ſogar eine ganze Million als Verdienſt
verrechnet. Die toten Schlachtroſſe ziehen wohl meiſt in
Wurſtform in die weite Welt hinaus! Daß unſere Mars=
jünger
nicht alle Muſter von Pünktlichkeit ſind, erſieht
man daraus, daß jährlich 184000 Mark für Ordnungs=
und Verſäumnisſtrafen, Kaſſenüberſchüſſe und
dergleichen eingenommen werden.
Der Etat des Reichskanzlers weiſt ebenfalls
Einnahmen auf nämlich 1300 Mark aus Dienſtgrund=
ſtücken
. Faſt ſcheint es, als ob man im Reichsamte
des Innern weniger geſchäftstüchtig iſt, denn dort
hat man aus dem Verkaufe von Veröffentlichungen nur
1400 Mark herausgeſchlagen. Und auch beim Reichs=
militärgericht
haperts offenbar in dieſer Hinſicht
hier holt man aus dem Verkaufe von alten Akten, Druck=
ſachen
und Geräten jährlich nur die fürſtliche Summe
von 50 Mark heraus. Am beſten ſteht natürlich das
Reichsſchatzamt da, das aus der Prägung von
Reichsmünzen eine Million 630000 Mark Gewinn er=
zielt
. Steuerprobleme der verſchiedenſten Art werden, wie
es ſcheint, gegenwärtig in unſeren Kolonien erprobt.
So bringt in Samoa die Kopfſteuer 209000 Mark, ein
hübſches Sümmchen. In Südweſtafrika iſt man offenbar
auf die Hunde ebenſo ſchlecht zu ſprechen wie neuerdings
in Berlin. Denn man belaſtet ſie mit einer Steuer, deren
Geſamtertrag nicht weniger als 35000 Mark hoch iſt. In
Oſtafrika hat man dagegen als neue Steuer den Spielkar=
tenſtempel
eingeführt, der ungefähr 11000 Mark einbringt.
Das läßt tief blicken, würde der Abgeordnete Saabor
hierzu geſagt haben!

Woher ſtammen die Lerds?
Zum Verfaſſungskampf in England.
** Im Lager der liberalen Parteien Englands gehen
die Meinungen darüber, wie die Macht des Ober=
hauſes
am wirkſamſten zu brechen ſei, ſehr weit aus=
einander
. Einige Heißſporne meinen, das Einfachſte und
Natürlichſte ſei die gänzliche Abſchaffung des Hauſes der
Lords und die Einführung des Einkammerſyſtems. Andere
Beſonnenere und Verſtändigere, ſchlagen vor, die erbliche
Zugehörigkeit zum Oberhauſe einzuſchränken und ſtatt
deſſen mehr lebenslängliche Mitglieder zu ernennen. Und
von dritter Seite hört man immer wieder das Verlangen
nach einem Peersſchub. Das heißt, das liberale Ka=
binett
, das gegenwärtig am Ruder iſt, ſoll ſoviele ſeiner
Anhänger aus dem Unterhauſe und dem ſonſtigen poli=
tiſchen
Leben zu Lords befördern, daß ihm die Mehrheit
im Oberhauſe geſichert wird.

Dieſer Ausweg iſt in früheren Zeiten des Konflikts
zwiſchen dem Miniſterium und dem Oberhauſe regelmäßig
gewählt worden. Und da das Oberhaus immer die Hoch=
burg
der konſervativen Weltanſchauung war, handelte es
ſich regelmäßig darum, daß liberale Miniſterien die
Zahl der Lords zu ihrem Vorteile vermehrten. Das iſt
während der letzten ſieben Jahrzehnte in ſo großem Maß=
ſtabe
geſchehen, daß das Oberhaus jetzt eigentlich über=
wiegend
aus Liberalen zuſammengeſetzt ſein müßte. Sind
doch von 1832 bis 1909 nicht weniger als 239 Lords durch
liberale und nur 183 durch konſervative Kabinette er=
nannt
worden. Allein unter den vier Miniſterien des
Mr. Gladſtone wurden 85 liberale Parteigänger zu Lords
erhoben und dadurch in das Oberhaus verpflanzt.
Dieſe Tatſache enthält eine ſehr beherzigenswerte
Lehre. Nämlich die, daß das Mittel des Peersſchubs viel=
leicht
für den Augenblick wirkſam iſt, allmählich aber ge=
nau
das Gegenteil von dem erreicht, was es urſprünglich
erſtrebte. Die liberale Geſinnung der neuen Lords reicht
in den allermeiſten Fällen gerade nur für ſie ſelbſt aus.
Schon ihre Söhne, ſpäteſtens ihre Enkel aber bekehren
ſich zu den konſervativen Prinzipien, denen der britiſche
Adel in ſeiner überwältigenden Majorität huldigt. und
da es nicht die am wenigſten intelligenten und die charak=
terloſeſten
Politiker zu ſein pflegten, die von liberalen
Miniſterien eine Lordswürde erhielten, ſo darf man
daraus folgern, daß der engliſche Adel denn doch noch
nicht ſo überlebt und ſo traditionslos iſt, wie ihn ſeine
Gegner zu ſchildern lieben. Er beweiſt ſtets von neuem
die Kraft, die Elemente, die ihm aus der Mitte ſeiner
Gegner zugeführt werden, zu abſorbieren, ſie zu ſeinen
eigenen Ueberzeugungen zu bekehren. Das iſt, ohne
Zweifel, ein Beweis von ſtarker Vitalität und ſollte, um
der Gerechtigkeit willen, nicht überſehen werden.
Selbſt die engliſchen Witzblätter ſchildern das Houſe
of Lords jetzt gern als eine Art von mittelalterlicher
Rumpelkammer, deren Inſaſſen Nachkommen der Kreuz=
fahrer
wären und ſich von den veralteten Gewohnheiten
ihrer Vorfahren noch nicht frei machen könnten. Sieht
man ſich die Liſten der erblichen Mitglieder des Ober=
haufes
etwas ernſthafter an, ſo gewinnt man ein durch=
aus
anderes Bild. Es iſt nicht übertrieben, zu ſagen,
daß das Oberhaus beſtändig durch die tüchtigſten Män=
ner
der Nation ergänzt worden iſt. Davon, daß auch
die Abkunft einer ganzen Reihe alter herzoglicher und
gräflicher Familien ſich nur auf dem Papiere ſehr vor=
nehm
ausnimmt, während ſie ihren Glanz in ( Wirklich=
keit
irgend einem höchſt plebejiſchen Ahnherrn verdanken,
ſoll hier nicht weiter die Rede ſein. Aber neben den
Trägern großer geſchichtlicher Namen ſitzen eine Menge
von Lords, deren Väter oder Großväter Selfmademen
im beſten Sinne des Wortes waren und die auch noch
ſelbſt mitten im bürgerlichen Erwerbsleben ſtehen. Ja,
es gibt kaum einen Beruf, der nicht im Oberhauſe vertre=
ten
wäre. Nur ein paar Beiſpiele mögen dafür ange=
führt
ſein. Die Grafen Eromer und Northbrok, ſowie
die Barone Aſhburton und Revelſtoke ſind Sproſſen jenes
bekannten aus Deutſchland ſtammenden Bankiergeſchlech=
tes
Baring, das noch heute auf dem engliſchen Geld=
markte
eine gebietende Stellung einnimmt. Der Ehef der
Londoner Linie der Frankfurter Freiherren von Roth=
ſchild
ſitzt als Lord Rothſchild im Oberhauſe und iſt eine
der kräftigſten Stützen der konſervativen Partei. Lord
Aldenham ſteht an der Spitze der auſtralaſiatiſchen Bank
und einer Lebensverſicherungsgeſellſchaft, Lord Biddulph
iſt Chef des Bankhauſes Cocks, Biddulph und Co., Lord
Hillingden Teilnehmer der Bankfirma Glyn, Miller und
Co., und der berühmte Naturforſcher, der John Lubbock
hieß, bevor er Lord Avebury wurde, iſt, als Sohn eines
Bankiers, immer in enger Verbindung mit der Geſchäfts=
welt
geblieben. Der Viscount Jveagh und der Baron
Ardilaun, früher Guineß genannt, ſind Vierbrauer und
verfertigen das dunkelbraune Stout, das auf keinem eng=
liſchen
Frühſtückstiſche fehlt. Lord Armitſtead iſt ein
City=Kaufmann, Lord Aſhton Fabrikbeſitzer und Lord
Inverelyde der Enkel des Begründers der Cunard=Linie.
Der Eigentümer der Daily Mail, von Geburt ein Mr.
Harmsworth, ſitzt als Lord Northeliffe, der Beſitzer des
Daily Telegraph, einſt Mr. Leptz=Lawſon, als Lord
Burnham im Oberhaufe, während die Morning Poſt
jetzt der Gemahlin des Earls of Bathurſt, deren Vater
zum Lord Glenesk erhoben worden war, gehört. Lord
Herſchell, dienſttuender Kammerherr des Königs ent=
ſtammt
einer Familie, die England einen ausgezeichneten
Juriſten und der Welt einen großen Aſtronomen gab
und der älteſte und berühmteſte engliſche Arzt, Joſeph
Liſter, ſteht als Lord Liſter im Verzeichniſſe der Mitglie=
der
des Oberhauſes.
Das ſind, wie geſagt, nur einige, mit Leichtigkeit zu
verzehnfachende Proben dafür, daß das engliſche Ober=
haus
nicht, wie man es jetzt ſo häufig lieſt, nur ein Häuf=
lein
von rückſtändigen und verbohrten Feudalherren iſt,
ſondern daß es eine gewiſſe Berechtigung hat, ſich, gerade
vom Standpunkte des Bürgertums aus, als die Elite der
Nation anzuſehen. Und es wird daher ſchwerlich ſo leicht
ſein, das Oberhaus ſeiner Macht und ſeines gefeſtigten
Anſehens zu berauben, wie ſeine Feinde jetzt in der
Uebertreibung des politiſchen Kampfes zu prophezeien
belieben.

Deutſches Reich.
Die Reichstagserſatzwahl in Labiau=
Wehlau iſt für die Konſervativen ungünſtig ausge=
fallen
. Es wurden abgegeben für Burchard (konſ.) 7216,

für Wagner (Fortſchr. Volksp.) 5527, für Linde (Soz.)
3708 Stimmen. Es findet Stichwahl zwiſchen Burchard
und Wagner ſtatt. Im Jahre 1907 erhielten: der konſer=
vative
Kandidat 11575, der freifinnige 1760 und der ſo=
zialdemokratiſche
3179 Stimmen. Der Reichstagswahl=
kreis
war ſeit 1884 im Beſitz der Konſervativen, die nun
auch dieſen Sitz wohl verlieren werden.
In der Frage der Reichszuwachsſteuer
ſcheint nun ein Uebereinkommen zwiſchen den Parteien
und mit der Regierung bevorzuſtehen. Der Köln. Zei=
tung
wird hierzu aus Berlin geſchrieben: Um den Wün=
ſchen
der Regierung, aus der Reichswertzuwachsſteuer
einen höheren Betrag herauszuwirtſchaften, in beſchei=
denen
Grenzen entgegenzukommen, iſt in Ausſicht genom=
men
, die Sätze der Steuer zu erhöhen bei denjenigen
Uebertragungen von Grundſtücken, die innerhalb der
erſten fünf Jahre ſtattfinden. Man wird alſo das ſpeku=
lative
Moment des ſchnellen Veräußerns ſchärfer faſſen.
Liegt dagegen ein längerer Zeitraum dazwiſchen, ſo ſoll
es bei den bisher in Ausſicht genommenen Sätzen ver=
bleiben
. Was die Verkoppelung der Vorlage mit der
Militärvorlage und der Veteranenfürſorge anbetrifft, ſo
wird der Regierung gegenüber nach wie vor die Befürch=
tung
geltend gemacht werden, daß man dazu kommen
könne, die Zuwachsſteuer erneut zu ändern, wenn die An=
forderungen
der anderen Vorlagen ſteigen. Jedenfalls
werden die Nationalliberalen ſolcher Verkoppelung Wi=
derſtand
leiſten. Man will endlich einmal ruhige Ver=
hältniſſe
haben, wenn das Geſetz angenommen wird, alſo
eine genaue Begrenzung, damit es nicht wieder geht wie
mit der Wertzuwachsſteuer; weder die Veteranenbeihilfe
noch irgend welche anderen Erforderniſſe dürfen von der
Steuer abhängig gemacht werden. Ueber den Umſatz=
ſtempel
haben ja die Verhandlungen ſchon begonnen. Wenn
auch noch kein formeller Beſchluß gefaßt iſt, wird er ja
vorläufig unverändert bleiben bis 1914. Es wird mehr
und mehr bezweifelt, daß dann überhaupt eine Herab=
ſetzung
ſtattfinden werde. Man ſpricht den Verdacht aus,
daß damit gerechnet werde, mit der Zeit würden die Be=
troffenen
ſich daran gewöhnen und der Widerſtand ſchließ=
lich
erlahmen. Was bisher verlautet, läßt dieſe Zweifel
nur allzu berechtigt erſcheinen.
Die Fleiſchzufuhr in Bayern. Auf dem
Münchener Viehmarkt iſt infolge ſtarker Zufuhren aus
Frankreich ein erheblicher Preisrückſchlag eingetreten.
Auch aus Bayern ſind im Laufe der Nacht große Zufuhren
eingetroffen. Die Einfuhr aus Oeſterreich iſt in dieſer
Woche um mehr als zwei Drittel zurückgegangen.
Ausland.
Italien.
Italiens auswärtige Politik. In der
Kammer beantwortete bei der Debatte über das Budget
des Miniſteriums des Aeußern Miniſter San Giuliand
die Ausführungen verſchiedener Redner und erklärte:
Unſere auswärtige Politik bezweckt die Aufrechterhal=
tung
des Friedens für uns und die anderen, daher die
Erhaltung des territorialen status quo. Der Friede ge=
nügt
aber nicht, notwendig iſt auch die ruhige Zuverſicht
um ſeine Dauer, damit wir fortfahren können in unſerem
Reformwerk im Innern, in der Förderung der wachſenden
Entwicklung des Landes. Italiens auswärtige Politik
hat keine Hintergedanken. Sie verfolgt ausſchließlich die=
jenigen
friedlichen Ziele, die das Parlament und das
Land oft gebilligt haben. Der Dreibund iſt die feſte
Grundlage dieſer Politik. Italien beſindet ſich in einer
Stellung völliger Parität mit den Verbündeten. Es ſei
zu verwundern, daß irgend ein italieniſcher Deputierter
auch nur einen Augenblick daran zweifeln konnte. Ein
ſolcher Zweifel ſei eine Beleidigung für die Italiener.
Er ſtimme mit dem Deputierten Vali darin überein, daß
eine offene Ausſprache mit den Verbündeten eine weſent=
liche
Bedingung für die Eintracht ſei. Gerade dieſe fand
bei den Zuſammenkünften in Florenz, Berlin, Salzburg,
Bad Iſchl und Turin ſtatt.
Bei dieſen Entrevuen ſei weder eine Erneuerung,
noch eine Aenderung des Dreibundes, noch ein neues
Abkommen über beſondere Fragen erörtert worden. Die
drei verbündeten Mächte ſeien einig in dem Beſtreben, den
Frieden und den territorialen status quo aufrechtzuer=
halten
, deſſen weſentlicher Beſtandteil die Integrität des
ottomaniſchen Reiches und der Balkanſtagten ſei, denen
die verbündeten Mächte friedliche Fortſchritte bei voller
Unabhängigkeit wünſchten. In dieſem Beſtreben ſeien
auch die übrigen Großmächte einig. Die herzliche Freund=
ſchaft
Italiens gegenüber Frankreich, England und Ruß=
land
ſtehe in vollkommenem Einklang mit dem Geiſte des
Dreibundes, und Italiens Aufrichtigkeit und Loyalität
allen Mächten gegenüber ſichere ihm das allgemeine Ver=
trauen
.
San Giuliano ſagte, er erwidere von ganzem Herzen
die freundſchaftlichen und herzlichen Aeußerungen Aehren=
tbals
und er ſei ſicher, der Dolmetſcher entſprechender Ge=

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Nummer 285.

Stadt und Land.

fühle des Parlaments und des Landes zu ſein. Er ſehe
am Horizont keine Frage, die zu Meinungsverſchieden=
heiten
zwiſchen Italien und Oeſterreich führen könne.
Gegenüber den Deputierten, die die inneren Fragen Oeſter=
reichs
behandelten, erklärte der Miniſter, es ſei Grundſatz
der Völkerrechte, daß kein Staat ſich in die inneren Ange=
legenheiten
des anderen einmiſche.
Bezüglich der vereinzelten, Italien feindlichen kleri=
kalen
Kundgebungen im Ausland bemerkte der Miniſter,
die Rede des Bürgermeiſters von Rom ſei ein inner=
italieniſches
Ereignis, über das ſich Italien mit keiner
fremden Regierung in eine Diskuſſion hätte einlaſſen kön=
nen
. Uebrigens habe auch keine Macht einen ſolchen Ver=
ſuch
unternommen. Es ſei überflüſſig, immer wieder zu
betonen, daß Rom unantaſtbar ſei.
Der Miniſter des Aeußern erklärte im weiteren Ver=
lauf
der Debatte noch, das gegenwärtige Miniſterium habe
mit Spanien, Norwegen, Rußland und Belgien neue
Schiedsgerichtsverträge abgeſchloſſen, und hoffe, in näch=
ſter
Zeit ſolche mit mehreren Staaten Amerikas und
Schweden und Rumänien abzuſchließen. Zum Schluſſe er=
klärte
der Miniſter, man ſei auf dem beſten Wege zu einem
Abkommen über die Frage der Arbeiterverſicherung der
italieniſchen Arbeiter in Deutſchland.
Frankreich.
Der Senat verhandelte über die Vorlage, die da=
hin
abzielte, die Zahl der Schankwirtſchaften zu vermin=
dern
. Er nahm Artikel 1 der Vorlage an, der für jede
Gemeinde als Maximum für je 600 Einwohner eine An=
zahl
von drei Schankwirtſchaften feſtſetzt.
Holland.
In der Zweiten Kammer gab während der
Debatte über das Budget des Miniſteriums des Aeußern
der Miniſter des Auswärtigen zur Angelegen=
heit
van Heeckeren die entſchiedene Erklärung
ab, daß keine Tatſache exiſtiere, die die Vermutung zu=
laſſe
, daß ſich irgend welche auswärtige Macht in die in=
neren
Angelegenheiten Hollands eingemiſcht habe.
Rußland.
In der Reichsduma griff bei der Beratung
über das Schulgeſetz der Kadett Roditſchew, ein ehemali=
ger
Adelsmarſchall, den ruſſiſchen Adel heftig an. Es
handelte ſich um die Frage, ob die Adelsmarſchälle den
Vorſitz in den Schulräten beibehalten oder ob die Vor=
ſitzenden
gewählt werden ſollen. Roditſchew warf dem
Adel vor, er verliere ſeine Unabhängigkeit immer mehr.
Er erinnerte an den franzöſiſchen Adel und den 4. Auguſt
des Jahres 1789 und forderte den ruſſiſchen Adel auf,
ſeine Vorrechte aufzugeben und für die Gleichheit aller
Stände einzutreten.
* Wie der N. G. C. aus Nizza gemeldet wird, hat
Prinz Heinrich von Preußen auf die Dauer
von zwei Monaten die dem Mr. de la Broſſe gehörende
Dampfjacht Radium zu einer Fahrt im Mittelmeer ge=
chartert
.
* Rom, 2. Dez. Heute iſt das neue päpſtliche
motu proprio erſchienen, das den Ordensbrüdern
unterſagt, ſich an Handels= oder Finanzgeſellſchaften zu
beteiligen, ſowie ſich überhaupt mit irgend einer der Reli=
gion
fremden Beſchäftigung abzugeben. Gehört dazu
auch die Politik?
* Brüſſel, 3. Dez. Der von den Aerzten der
Königin heute vormittag ausgegebene Krankheits=
bericht
ſtellt feſt, daß das allgemeine Befinden der Köni=
gin
ein ſehr gutes iſt, ſodaß ein zweites Bulletin nicht
mehr ausgegeben wird. Die Huſtenanfälle ſind ſeltener.
Die typhöſen Erſcheinungen (Schleimfieber) nehmen ſtetig
ab. Auch der Bronchialkatarrh hat ſich verringert und die
Symptome von Thorax, die die geſamte Krankheit be=
gleiteten
, ſind im Schwinden begriffen.
C.K. Portugals neue Flagge. Nach viel=
fachen
Beſprechungen und Streitigkeiten iſt nun die
Wahl der neuen Flagge für die Republik Portugal
endgültig getroffen. Die Nationalfahne iſt ſenkrecht
geteilt, halb rot und halb grün. Im Mittelpunkt be=
findet
ſich das ehemalige portugieſiſche Wappen, aber
ohne Krone. Das Hiſſen dieſer neuen Flagge, unter
deren Zeichen von nun an die Geſchicke des portugie=
ſiſchen
Staates ſtehen werden, wurde als ein natio=
naler
Feſttag gefeiert, und reiches Leben entfaltete
ſich auf der Avenue der Freiheit in Liſſabon, wo
die Republikaner am Tage der Revolution ihr Lager
aufgeſchlagen hatten.

Darmſtadt, 5. Dezember.
Ernannt wurden der Militäranwärter Georg
Dietz in Darmſtadt zum Schreibgehilfen am Provinzial=
arreſthaus
in Darmſtadt und der Gefangenwärter
am Haftlokal in Offenbach Georg Joſt zum Gefangen=
aufſeher
an dieſer Anſtalt, ſowie der Kanzliſt bei dem
Miniſterium der Juſtiz Johann Adam Bachmann
zum Kanzlei=Inſpektor an dem Oberlandesgericht.
Vor dem Schwurgericht pro 4. Quartal 1910 ( Vor=
ſitzender
: Großh. Landgerichtsrat v. Pfiſter) gelangen fol=
gende
Fälle zur Verhandlung: Montag, 5. Dezember,
gegen Valentin Jakob Grüll, Taglöhner, aus Gernsheim
wegen Notzucht; Dienstag, 6. Dezember, gegen Georg
Delp, Handarbeiter, aus Eberſtadt wegen Straßenraubs;
Mittwoch, 7. Dezember, gegen Auguſt Kern, Agent, früher
Eiſenbahnaſſiſtent in Offenbach a. M., aus Reichelsheim
(Wetterau) wegen Verbrechen im Amte.
s. Die Strafkammer verurteilte in der Samstagsver=
handlung
einen anſcheinend recht gemeingefährlichen Men=
ſchen
, den 35 Jahre alten Kaufmann Hermann Uelgut
aus Poſen wegen Hehlerei zu 8 Monaten Gefäng=
nis
, unter Anrechnung von 6 Wochen Unterſuchungs=
haft
und Aberkennung der Ehrenrechte auf 5 Jahre. Er
iſt angeblich ſchon weit herumgekommen und will jetzt
einen Unbekannten, mit dem er einmal in Amerika zuſam=
men
geweſen ſei, in einer hieſigen Herberge wieder ge=
troffen
haben Die bei der Feſtnahme in ſeinem Beſitz
gefundenen, vorher bei Trödlern zum Kauf angebotenen
Kleidungsſtücke ſeien ihm von jenem eingehändigt wor=
den
. Uelgut hat, nach ſeinen Vorſtrafen zu ſchließen, die
Spezialität des Kleiderdiebſtahls mittels Einſchleichens,
und die fraglichen Sachen (Damenkleid und Abendmantel)
waren auch aus einem Hauſe hier entwendet worden. Die
Vermutung ſpricht für ſeine Täterſchaft, doch war die Be=
nutzung
des großen Unbekannten nicht ausreichend zu wi=
derlegen
, weshalb der Angeklagte nicht des Rückfalldieb=
ſtahls
ſchuldig befunden wurde. Für acht, von Ende
vorigen Jahres bis vor kurzem begangene Wechſel=
fälſchungen
, deren ſich ein 46 Jahre alter Wagenbauer
und Schmied von Pfungſtadt ſchuldig gemacht hat, waren
mißliche Vermögensverhältniſſe beſtimmend. Der ſeither
unbeſtrafte, als ordentlicher, fleißiger Geſchäftsmann gel=
tende
Angeklagte unterlag zwar der Verſuchung, ſich durch
den Wechſelerlös jeweils aus der Notlage zu helfen, ſtellte
ſich aber zuletzt, von Gewiſſensbiſſen getrieben, ſelbſt der
Staatsanwaltſchaft. Es handelt ſich um acht gefälſchte
Akzepte, die teilweiſe zur Deckung der vorherigen Falſifi=
kate
dienten und ſämtlich von ihm beglichen worden ſind.
In Anbetracht dieſer Umſtände ließ das Gericht für das
im allgemeinen ſchwere und den Geſchäfsverkehr gefähr=
dende
Verbrechen Milde walten und erkannte auf 2 Mo=
nate
Gefängnis.
* Der Provinzial=Ausſchuß der Provinz Starken=
burg
hält ſeine nächſte Sitzung am Samstag, den 10.
Dezember, vormittags 9½ Uhr mit folgender Tages=
ordnung
ab: Die gewerbsmäßige Beſorgung frem=
der
Rechtsangelegenheiten durch den Lehrer der israeli=
tiſchen
Religionsgemeinde Vormberg zu Reinheim.
Beſchwerde des Paul Metz zu Mühlheim a. M. wegen
Heranziehung zu den Umlagen der Landwirtſchafts=
kammer
. Errichtung einer Brandmauer ſeitens der
Karoline Seib in Biblis, hier Beſchwerde des Peter
Völger III. gegen dieſes Bauweſen.
Die 14. Sitzung der Stadtverordneten= Ver=
ſammlung
findet am Donnerstag, den 8. Dezember,
nachmittags 3½ Uhr, ſtatt. Tagesordnung:
1. Mitteilungen. 2. Bebauungsplan für das Viertel
zwiſchen Heidelbergerſtraße, Beſſungerſtraße, der alten
Main=Neckar=Bahnlinie und Landskronſtraße. 3. Be=
ſchaffung
einer Ozonlüftungsanlage für den Sitzungsſaal
im Rathaus. 4. Verſetzung der Randſteine auf der
Nordſeite des Hohlen=Wegs vor dem Baublock I. 5. Be=
feſtigung
und Kanaliſierung des Platzes und der
Straßen vor dem neuen Hauptbahnhof. 6. Stromver=
ſorgung
des Gebietes Dieburgerſtraße=Hohler Weg.
(Anſchluß des Hauſes Hagenburg). 7. Errichtung neuer
Klaſſen an den Mittel= und Stadtſchulen zu Beginn des
Schuljahres 1911. 8. Antrag auf Enthebung eines Bei=
ſitzers
des Kaufmannsgerichts von ſeinem Amt. 9. Auf=
hebung
der Zinsverpflichtung für die Koſten der Kabel=
legung
in der Heinheimerſtraße. 10. Voranſchlag über
die Verwaltungskoſten der ſtädtiſchen Sparkaſſe und der
Pfennigſparkaſſe für 1911.
* Sparen im Staatshaushalt. Die Stelle eines
Miniſterialkanzliſten bei dem Juſtizminiſterium, die durch
die Ernennung des ſeitherigen Inhabers zum Kanzlei=
Inſpektor am Oberlandesgericht frei geworden iſt, wird
vorausſichtlich nicht wieder beſetzt werden.
Ueber die Tätigkeit der Arbeitsnachweisſtelle
im ſtädtiſchen Hauſe, Waldſtraße 6 (Telephon 371),
werden für den Monat November folgende Zahlen

mitgeteilt: 389 offene Stellen, 1167 Arbeitſuchende.
241 Vermittelungeu, darunter 90 Dienſtboten.
* Wohlfahrtsfiguren. Man ſchreibt uns: Im
Auftrag J. K. H. der Großherzogin wurden nach Ent=
würfen
von Profeſſor Riegel von der Künſtlerkolonie
kleine Wohlfahrtsfiguren aus Steingut angefertigt,
von deren Ertrag eine beſtimmte Summe der Großh.
Zentrale für Säuglings= und Mutterfürſorge zufließt.
Dieſe Figuren ſind ſoeben erſchienen und in einem Schau=
fenſter
der Firma Karl Rtttershaus, Ernſt= Ludwigs=
ſtraße
, ausgeſtellt, zuſammen mit noch verſchiedenen
anderen Figuren aus dem gleichen Material, die ſämtlich
nach Entwürfen von Profeſſor Riegel gefertigt ſind.
. Betonarbeiten im Elektrizitätswerk. In An=
knüpfung
an den Strafkammerbericht vom 29. v. M.
wird uns vom Vertreter der Firma Heyl u. Ko. mit=
geteilt
, daß dieſe Firma mit der Herſtellung ſämtlicher
Eiſenbetondecken beim Neubau des Elektrizitäts=
werkes
beauftragt war, wobei keinerlei Beanſtand=
ungen
vorgekommen ſind.
Verein Kunſtfreund. Die diesjährige Jahres=
verloſung
des Vereins Kunſtfreund hatte folgendes
Ergebnis: 1. Behringer, Lagerſzene, gew. von G. Ph.
Geiſt. 2. Schweich, Aus Oberbayern, gew. von Zahn=
arzt
Dr. Lautz. 3. Deuchert, Wildbach, gew. von Rechts=
anwalt
Dr. Geßner. 4. W. Horſt, Partie aus Naßwald,
gew. von Eiſenbahnſekretär Maſſing. 5. Schlegel, Par=
tie
aus Hering, gew. von Oberzahlmeiſter Stamm. 6.
Deuchert, Chiemſee, gew. von Kaufmann Dexheimer.
7. Schoyerer, Starnbergerſee gew. von Kaufmann
Egenolf. 8. Schlegel, Roßdörferſtraße, gew. von Rudolf
Reuter. 9. Splitgerber, Sommermorgen, gew. von Zahn=
arzt
Stock=Bensheim. 10. Höſch, Bauernmädchen, gew.
von Weckerling=Wiesbaden. 11. Deuchert, Dorf bei
Dachau, gew. von Frau Dr. Bernet. 12. Mesmer, Hahn
mit Hühnern, gew. von Kanzleirat Kraft. 13. Mesmer,
Enten, gew. von Kanzleiinſpektor Rittershofer. 14.
Schoyerer, Schleißheimer Moos, gew. von Karl Kahlert.
15. Schoyerer, Bodenſee bei Waſſerbürg, gew. von Prof.
Dr. Schnell. 16. Schoyerer, Sommertag, gew. von
Rentner Pietz. 17. Kröh, Abendlandſchaft, gew. von
Hauptmann Winter. 18. Kröh, Stadtprozelten, gew.
von Uhrmacher Andreß. 19. Kröh, Hof in Zwingen=
berg
, gew. von Hachenburger. 20. Reichenbach, Oſterſee,
gew. von Chriſtian Gräff. 21. Horſt, Blick in die Berg=
ſtraße
, gew. von Hofrat Muther=München. Die aus
den Zinſen des Vereinsvermögens erworbenen beiden
Bildchen von Gehrig, die gratis verloſt wurden, fielen
an Frau Hauptmann Kretzmähr.
Ein ſeltenes Mieter=Jubiläum. Man ſchreibt
uns: Herr Ludwig Bendheim hier feiert am 8. dieſes
Monats ſeinen 50jährigen Geburtstag. Derſelbe iſt in=
ſofern
von Bedeutung, als Herr Bendheim ſeit ſeiner
Geburt, alſo fünfzig Jahre, ununterbrochen in derſelben
Wohnung im Hauſe des Herrn Hofbankier Ferdinand
Sander, Luiſenplatz 7, wohnt.
* Luftflottenverein. Es wird nochmals auf die
Anzeige in heutiger Nummer verwieſen.
* Heſſiſche Spielſachen. Im Hauſe Ecke Grafen=
und Rheinſtraße iſt in den Erkern zur Zeit eine Aus=
ſtellung
heſſiſcher Spielſachen arrangiert, die aus den
Kunſtwerkſtätten des Profeſſors Sutter, der bekannt=
lich
ſeit Jahren auf dieſem Gebiete mit großem Erfolg
reformierend tätig iſt, hervorgegangen ſind. Es iſt
ſchon mehrfach in dieſem Blatte über den künſtleriſchen
und vor allem erzieheriſchen Wert dieſer heſſiſchen
Spielſachen geſchrieben worden. Inzwiſchen haben ſie
ihren Ruf über ganz Deutſchland verbreitet, und zahl=
reiche
Kunſt= und kunſtgewerbliche Zeitſchriften haben
ſich eingehend und anerkennend darüber ausgeſprochen.
So ſchreibt M. Brethfeld in der Rundſchau des Kunſt=
gewerbes
in der Leipziger Meſſe:
Sutter
ging von dem grundlegenden Gedanken aus, daß das
Spielzeug eine ernſte Sache ſei, weil es dem Kind die
erſten bildlichen und plaſtiſchen Eindrücke vermittele,
die lange eine beſtimmte Wirkung ausüben.
Bei einem großen Teil des jetzt gebräuchlichen
Spielzeuges ſei der ſchlechteſte Naturalismus
Trumpf und richte ſchon in der Kinderſtube
heilloſe Geſchmacksverwirrung und Verirrung an.
Auf dieſe Weiſe ergab ſich im Gegenſatze zu dem aus
der Fläche herausgeſchnittenen, ſilhouettenhaft wirken=
den
, modernen Spielfiguren eine überaus kräftige
körperliche Wirkung. Durch dieſe Technik und durch
künſtleriſche Stiliſierung aufs Weſentlichſte, unter Weg=
laſſung
alles Nebenſächlichen, ſind Spielſachen entſtan=
den
, wie wir ſie für kleinere Kinder brauchen. Sie
geben von allen Seiten her ein richtiges, körperliches
Bild, ſind außerordentlich klar in der Form und von
geradezu verblüffender Eindringlichkeit des Ausdrucks,
ſo daß ſie ſich auch dem noch unentwickelten Formen=
ſinn
des Kindes feſt einprägen. Wie man uns mit=
teilt
, iſt der Alleinverkauf der Sutter=Spielſachen der
Firma D. Faix Söhne hierſelbſt übertragen.

Mit dem Laſſo auf der Nashorujagd.
** Kurz nachdem Rooſevelt die afrikaniſchen
Jagdgefilde verlaſſen hatte, traf auf der Stätte, wo
Teddy ſeine großen weidmänniſchen Triumphe geern=
tet
hatte, ein anderer amerikaniſcher Jäger ein: Co=
lonel
C. J. Jones, der berühmte Buffallo Jo=
nes
, der ſich zum Grundſatz gemacht hat, kein Tier
zu töten, es ſei denn in Notwehr. Er war ausgezo=
gen
, um im ſchwarzen Weltteil ſeine neue Jagd=
kunſt
zu erproben; nur mit dem Laſſo ausgerüſtet,
wollte er Löwen und Nashörner fangen. Der Plan,
der damals viel Aufſehen und auch Kopfſchütteln er=
regte
, iſt vollauf geglückt, und mit einer ganzen Me=
nagerie
lebender wilder Tiere konnte Buffalo Jones
wenige Monate ſpäter Afrika verlaſſen. Ein Teil=
nehmer
jener ſeltſamen Jagdexpedition, der Ameri=
kaner
Guy H. Scull, gibt nun in der Weihnachts=
nummer
des Strand Magazine einen feſſelnden Be=
richt
über den Verlauf des eigenartigen Unternehmens
und ſchildert dabei auch den Fang des erſten Nas=
horns
mit dem Laſſo.
Vom Nairobi aus war die Expedition in das In=
nere
Afrikas vorgedrungen, noch war es nicht gelun=
gen
, auf einen Löwen zu ſtoßen, und der Jagdeifer
der verwegenen Laſſowerfer aus Wild Weſt mußte ſich
einſtweilen mit Giraffen, einem Elentier und einem
Tſchita, einer Abart des Leoparden, begnügen. Bis
eines Tages das Lager durch eine aufregende Meld=
ung
alarmiert wurde; der Jagdgefährte Loveleß
brachte die Bptſchaft: Der Oberſt kam eben an den
Abhang und ſagte, drunten liege ein Nashorn. Er
iſt wieder
t um Wache zu halten. Im Nu.
alles auf den; Beinen, der Photograph Kearton, der
tollkühne Schutte, der mit ſeinen kinematographiſchen
Apparaten übprall dabei war, packte haſtig ſeine Ka=
mera
aufs Pferd, und ſchweigend, von geſpannter Er=
wartung
erfüſlt. brach man auf. Plötzlich ſab man

den Oberſt auftauchen. Still! flüſterte er, dort
unten, kaum hundert Meter entfernt. Seid ihr be=
reit
? Alle waren es. Die Laſſos wurden vom Sat=
tel
genommen, Kearton ſprang ab und kroch mit ſei=
ner
großen Kamera durch das Gras. Erſchreckt es mir
nicht, ehe ich meinen Apparat in Ordnung habe, ich
winke mit der Hand. Man ſah nichts von dem Nas=
horn
, die Büſche verwehrten den Ausblick, eine glü=
hende
Hitze lag über der Landſchaft. Wir ſahen, wie
Kearton ſeinen Apparat aufſtellte und ſorgfältig mit
dem Taſchentuch die Linſen abrieb, dann ein Wink,
Colonel Jones ſtieß einen Schrei aus und ſofort
ſahen wir im Graſe ein mächtiges Nashorn auf=
tauchen
. Die Reiter ritten ihm entgegen, mit über=
raſchender
Schnelligkeit machte das Ungetüm Kehrt
und entſchwand im Tal.
Nun begann eine wilde Hetzjagd. Nach drei Mei=
len
endlich kommt eine Pauſe; das Nashorn hat in
einer ſtattlichen Waſſerlache Stellung genommen hier
fühlt es ſich ſicher, wälzt ſich zwei oder dreimal behag=
lich
im Schlamme und ſtellt ſich dann den Reitern ent=
gegen
. Es iſt zu gefährlich, mit den Pferden in die
Pfütze zu folgen. Ich muß es herausholen, meint
Jones, und reitet dem Rhinozeros entgegen. Nicht
weit: denn ſofort beginnt der Angriff, das Waſſer
wirbelt hoch auf, und wie ein Pfeil ſchießt das ſchein=
bar
ſo ſchwerfällige Ungeheuer auf Buffalo Jones
zu, der ſein Pferd herumreißt und davonjagt. Die
Gefährten ſtehen nicht müßig, ein Laſſo ſchwirrt durch
die Luft, legt ſich um den Nacken des Nashorns, das
mächtige Tier fällt hin: aber das Seil zerreißt wie
ein Zwirnfaden. Und nun beginnt die wilde, wech=
ſelvolle
Jagd. Bei einem zweiten Verſuch pacht das
von Loveleß geſchleuderte Laſſo ein Hinterbein des
Nashorns: auf drei Beinen humpelt es davon und
zieht Reiter und Pferd mit ſich. Da erregt plötzlich
die Kamera die Aufmerkſamkeit der Beſtie. Der
Photograph ſteckt unter ſeiner Decke, er ſieht nicht,
wie raich das Verderben auf ihn zuſtürzt. Worſicht!

brüllt der Oberſt; der Photograph hat gerade noch
Zeit, zur Seite zu ſpringen, dann fliegt die Kamera
mit dem Geſtell hoch in die Luft. In dieſem aufregen=
den
Moment hört man Keartons Stimme, der auf der
anderen Seite bei der zweiten Kamera ſteht und mit
der Verzückung ſeines Photographenherzens laut
ſagt: Famos, famos, diesmal habe ich es richtig be=
kommen
, eine prächtige Aufnahme, eine herrliche Auf
nahme. Die Pferde der Jäger ſind erſchöpft, ein Seil
nach dem anderen iſt geriſſen, die Sonne ſinkt im
Weſten: wenn es nicht bald gelingt, wird die Beute
entkommen. Aber auch das Nashorn ermüdet. End=
lich
gelingt es, wieder einen Laſſo an einem Vorder=
bein
feſtzulegen. Noch einmal ein Angriff auf die
Kamera. Ein erſchreckter Maſſai=Krieger ſtürzt vor
der Linſe vorbei, und wieder hört man Keartons em=
pörte
Stimme: Zum Teufel, wie oft ſoll ich euch
ſagen, daß ihr nicht vor die Linſe kommen ſollt. Die
gefährliche Situation kommt ihm nicht in den Sinn.
Zum Glück wendet ſich das Nashorn zur Seite und
attackiert einen Baumſtumpf, an dem Loveleß gerade
den Laſſo feſtbindet. Durch einen Sprung kann er
ſich noch retten. Nun endlich haben wir die Beſtie
halb ſicher. Zwei Cowboys laſſen ihre Pferde arbei=
ten
: Meter um Meter zerren wir das Nashorn da=
hin
, wo wir es haben wollen. Mit ſeinem mächtigen
Horn wühlt es in einem großen Ameiſenbau, der ſo
hart wie Granit iſt, aber unter den zornigen Stößen
des Gefangenen wie Staub aufwirbelt. Dann ſteht
das Nashörn ſtumpfſinnig und erſchöpft da und ſtarrt
auf die Kamera, wo eifrig Kearton am Werke iſt, bis
der letzte Meter Film verbraucht iſt. Die Sonne ent=
ſchwindet
am Horizont, die Dämmerung iſt da, Men=
ſchen
und Tiere ſind von den vierſtündigen Anſtreng=
ungen
und von der Glut des Tages erſchöpft: aber
das erſte Nashorn, das mit dem Laſſo gefangen wurde,
iſt unſer.

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Seite 3.

Die Kaufmänniſche Stenographen=Geſellſchaft
Gabelsberger hielt in ihrem Vereinslokal Heſſiſcher
Hof ihre Generalverſammlung ab, die von
100 Mitg liedern beſucht war. Nach Bekanntgabe diverſer
Eingänge und einiger Aufnahmegeſuche referierte der
1. Vorſitzende in kurzen Worten über das abgelaufene
Geſchäftsjahr, das in Bezug auf Mitgliederzunahme und
Unterrichtstätigkeit in jeder Beziehung als durchaus
günſtig bezeichnet werden darf. Aus dem Jahresbericht
ſei ferner mitgeteilt, daß der Unterrichtsbeſuch eine Be=
ſucherzahl
von 5500 Perſonen aufweiſt, ſodaß eine aus=
gedehnte
und gut organiſierte Unterrichtstätigkeit ent=
wickelt
werden konnte. Auch die von der Leitung nur
für die Mitglieder eingerichteten Monatsarbeiten erfreuen
ſich einer ſteigenden Unterſtützung. Der ſeitherige Bor=
ſtand
wurde nahezu wieder gewählt.
Internationale Ringkampfkonkurrenz. Im Or=
pheum
wurden die Kämpfe fortgeſetzt. Als erſtes Paar
rangen der neu eingetroffene Lemmertz=Köln und der
Ludwigshafener Müller. Lemmertz machte ſeinem ihm
vorausgehenden Ruf alle Ehre, indem es ihm ſchon
nach 4 Minuten gelang, ſeinen Gegner durch Schulter=
ſchwung
zu beſiegen. Ein hochintereſſanter Kampf ent=
ſpann
ſich dann zwiſchen Schneider=Sachſen und
Tſcheſtjakoff=Rußland. Beide Ringer ſind ſich an Figur
und Technik vollſtändig gleich, ſodaß keiner von beiden
in der Lage iſt, einen Erfolg zu erringen. Trotzdem
beide ſichtlich bemüht waren, eine Entſcheidung herbei=
zuführen
, mußte der Kampf nach 20 Minuten ohne
Reſultat abgebrochen werden. Beim 3. Kampf ſiegte
der rieſenhafte Türke Haſſan Mehmed über ſeinen Geg=
ner
Piquard ſchon nach 6 Minuten. Zum Schluß ran=
gen
Chriſtenſen=Schweden und Heß=Mannheim. Nach=
dem
der erſte Gang reſultalos verlaufen war, gelang
es Chriſtenſen nach 18 Minuten intereſſanten Kampfes
ſeinen Gegner durch Untergriff von hinten zu beſiegen.
Auf die Kämpfe des heutigen Abends wird ganz beſon=
ders
hingewieſen. (Siehe Anzeige.)
2 Durchſchnittspreiſe von den Wochenmärkten
der vergangenen Woche. Butter ½ Kg. 1,30 M., in
Partien 1,25 M., Eier 78 Pf., Schmierkäſe ½ Ltr. 18
bis 20 Pf., Handkäſe 610 Pf.; Obſt u. dgl. Aepfel
Zentner 712 M., ½ Kg. 715 Pf., Birnen ½ Kg. 12
bis 18 Pf., Trauben‟ Kg. 60 Pf., 100 Stück Nüſſe 50 Pf.,
Kaſtanien ½ Kg. 15 Pf., Zitronen 6 Pf.; Kartoffeln
der Zentner 3,504 M., Kumpf (10 Liter) 70 Pf., Mäus=
chen
Zentner 9 M., ½ Kg. 10 Pf., Salat, Gemüſe:
Kopfſalat 56 Pf., Endivien 36 Pf., Rettiche 25 Pf.,
Meerrettich 1030 Pf., Zwiebeln ½ Kg. 8 Pf., Roterüben
Kg. 510 Pf., Paradiesäpfel ½ Kg. 40 Pf., Bündel
Römiſch=Kohl 2 Pf., Weißerüben 2 Pf., Roſenkohl ½ Kg.
2025 Pf., Gelberüben ½ Kg. 45 Pf., Wirſing 310 Pf.,
Grünkohl 36 Pf., Blumenkohl 1050 Pf., Rotkraut 10
bis 35 Pf., Weißkraut 815 Pf., Zentner 1,802,00 M.,
Spinat ½ Kg. 1215 Pf., Schwarzwurz ½ Kg. 25 bis
30 Pf., Kohlrabi 34 Pf.; Geflügel, Wild: Gänſe
½ Kg. bis zu 90 Pf., Faſanen 22,50 M., Enten 3 bis
4 M., Hahnen und Hühner 1,502,50 M., Tauben 60 Pf.,
Lapins 90 Pf. bis 1 M., Haſen bis zu 4 M.; Fiſche
1
Kg.: Hecht, Aal 1,001,20 M., Rheinfiſche zum Backen
40 Pf., Rotzungen 80 Pf., Kabeljau, große Schellfiſche
35 Pf., kleine 1820 Pf.; in den Fleiſchſtänden
½ Kg.: Rindfleiſch 60 Pf., Hackfleiſch 80 Pf., Rindsfett
50 Pf., Rindswürſtchen (Stück) 15 Pf., Kalbfleiſch 70 Pf.
Offenbach, 2. Dez. Das Gerücht von der Auf=
findung
der verſtümmelten Leiche der ſeit
einigen Wochen ſpurlos verſchwundenen Anna Göbig
ſetzte die Bewohner unſerer Stadt geſtern abend in große
Aufregung. Dieſes Gerücht, das jeder Grundlage ent=
behrt
, war lt. Off. Ztg. durch die Phantaſtereien von Kin=
dern
entſtanden. An einem Bachtümpel in der Nähe des
Verſorgungshauſes hatte ein neunjähriger Knabe einen
in ein Zeitungspapier eingewickelten alten Unterrock
gefunden. Dieſer ominöſe Fund regte das phantaſie=
volle
Gehirn des Jungen zu einer ſchauderhaften Mär
an. Er erzählte ſeiner Mutter, einer ehrſamen Waſch=
frau
, er habe geſehen, wie ein Mann einem Mädchen
den Kopf abgeſchnitten, dieſen in den Waſſertümpel ge=
worfen
und den Rumpf begraben habe. Er berief ſich
zum Beweis dafür auf das Zeugnis eines Kameraden.
Dieſe Schauergeſchichte pflanzte ſich natürlich ſchnell
weiter und veranlaßte die Polizei, eine genaue Unter=
ſuchung
an der Fundſtelle und des ganzen Tümpels

vorzunehmen, ohne auch nur den geringſten Anhalts
punkt für die Richtigkeit der Ausſagen des Jungen
zu finden. Nachdem deſſen Kamerad erklärt hatte, er
ſei krank und überhaupt nicht aus dem Hauſe geweſen,
gab der junge Karl May auch zu, daß er die Schauer=
mär
frei erfunden habe. Um aber feſtzuſtellen, daß der
Fund des Kleidungsſtückes, an dem einige Blutflecken
hafteten, nicht mit einer anderen unbekannten Sache
zuſammenhänge, ließ die Polizei den Tümpel auch noch
heute morgen mit einer Pumpe entleeren, ohne daß
ſich eine Beſtätigung des ſchnell verbreiteten Gerüchts
ergab. Mit der verſchwundenen Anna Göbig ſteht das
aufgefundene Kleidungsſtück in gar keiner Beziehung.
Das geheimnisvolle Verſchwinden dieſes Mädchens iſt
daher bis zur Stunde noch unaufgeklärt, trotzdem die
Polizei ihre Nachforſchungen eifrig fortſetzt.
t. Lindenfels, 2. Dez. In einer vor vierzehn Tagen
ſtattgefundenen öffentlichen Bürgerverſammlung
bezüglich des hieſigen Steinbruchs, den die Firma
Kreuzer u. Böhringer bis zum Jahre 1913 gepachtet
hat, war man allgemein dafür, den Steinbruch alsbald
auszuſchreiben und die ganze Angelegenheit möglichſt
bis zum 1. Januar 1911 zu erledigen. Der Gemeinde=
rat
hat nun in ſeiner letzten Sitzung beſchloſſen, von
der Verpachtung des Steinbruchs vorläufig überhaupt
abzuſehen. Der Antrag fand Annahme gegen die
Stimme des Bürgermeiſters.
Hirſchhorn, 2. Dez. Der achtjährige Sohn der Witwe
Müller und das kaum fünfjährige Söhnchen des Herrn
Hambach vergnügten ſich auf der am Amtsgerichtsge=
fängnis
vorbeiführenden, ziemlich ſteil zum Neckar ab=
fallenden
Landſtraße mit Rodeln. Infolge des
Glatteiſes verlor der ältere Knabe bei dem ſtarken Ge=
fälle
der jäh zum Neckar abfallenden Bahn die Herr=
ſchaft
über den Schlitten, ſo daß dieſer mit den zwei
Jungen in voller Geſchwindigkeit die ſteile Wand des
Neckarufers hinabſauſte und in den Strom ſtürzte.
Der Schlitten verſank und die ſtarke Strömung riß die
beiden Knaben mit ſich fort. Zum Glück geſchah der
aufregende Vorfall nicht ohne Zeugen. Auf die Hilfe=
rufe
der Unglücklichen eilten Leute herbei, aber nur
mit Mühe gelang es dem Opfermute des Maurers Heck
von hier, unter eigener Lebensgefahr etwa 100 Meter
von der Unfallſtelle entfernt, die beiden Knaben aus
den hochgehenden Fluten zu ziehen und ſo vor dem
ſicheren Tode des Ertrinkens zu retten. Die zwei Kin=
der
waren bereits bewußtlos, erholten ſich jedoch bald
wieder.
Mainz, 3. Dez. Das M. Tabl. ſchreibt: Wir haben
ſchon bei früheren Militärlieferungen auf den
bedeutenden Unterſchied hingewieſen, der zwiſchen den
tatſächlichen Fleiſchpreiſen beſteht undzwiſchen den
Preiſen, zu denen die Garniſonsverwaltung die Ware
erhält; die geſtern ſtattgefundene Eröffnung der Offer=
ten
für die Fleiſchlieferung an die hieſige Garniſons=
verwaltung
hat aber alles bisher Dageweſene in den
Schatten geſtellt. Während nämlich gegenwärtig die
Fleiſchpreiſe den höchſten Stand erreicht haben, waren
die Angebote für die Garniſonsverwaltung fo nieder,
wie ſeit Jahren nicht. Es verlangte nämlich ein
Metzgermeiſter für das Pfund Ochſenfleiſch nur 60
Pfennig und für das Pfund Kuhfleiſch nur 53½ Pfg.
Nach den Marktpreiſen koſtete Ochſenfleiſch 86 bis 91
Pfennig und Kuhfleiſch 76 bis 82 Pfg. Es wird uns
noch weiter mitgeteilt, daß zwiſchen dem niederſten
und dem höchſten Preis für die Geſamtlieferung für
Ochſen= und Kuhfleiſch ein Preisunterſchied von nicht
weniger als etwa 18000 Mark beſteht.
Mainz, 3. Dez. Der in der Mordfache des
Dienſtmädchens Diehl inhaftierte verdächtige Gelegeu=
heitsarbeiter
Legell wurde heute vormittag auf dem
Friedhofe der Leiche genübergeſtellt. Auf die
Ermahnung des Staatsanwalts Dr. Meyer, in Gegen=
wart
der Leiche ein Geſtändnis abzulegen, erklärte L.:
Ich kann nichts eingeſtehen, ich habe das Mädchen
doch nicht umgebracht. Da er bei dieſer Erklärung
blieb und in keiner Weiſe erregt war, wurde er wie=
der
in ſtarkgefeſſeltem Zuſtande in das Unterſuchungs=
gefängnis
gebracht. Die Leiche wurde hierauf ſeziert.
(*) Rockenberg, 2. Dez. Es iſt nunmehr feſtgeſtellt,
daß die Schuld an der Flucht der beiden ſchweren Ver=
brecher
die ungünſtigen baulichen Verhältniſſe der alten
Hebände trifft, die eine ſtrenge Aufſicht durch das Wach=

perſonal erſchweren. Die erforderlichen Schritte zur
Beſeitigung der Mißſtände ſind bereits geſchehen. An
die Wiedereinrichtung eines Militär=Wachkommandos
iſt nicht zu denken.
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt, 3. Dez. Der Unfall,
den der frühere Reichstagsabgeordnete Graf Arnim
geſtern abend erlitten hat, iſt durch eigene Schuld des
Verunglückten, wie jetzt feſtſteht, verurſacht worden.
Der Graf wollte die Straße überſchreiten und bemerkte
nicht, daß etwa drei Meter vor ihm der Motorwagen
der Straßenbahn in der Richtung nach Charlottenburg
nahte. Der Wagenführer ſah die Gefahr, gab ſofort
Warnungszeichen und bremſte. Trotz alledem konnte
der Wagen nicht rechtzeitig zum Stehen gebracht wer=
den
. Graf Arnim erlitt eine ſchwere Gehirnerſchütter=
ung
, ſowie Verletzungen am rechten Arm und am rech=
ten
Bein. Sein Befinden hat ſich im Laufe des heuti=
gen
Vormittags ein wenig gebeſſert, doch beſteht noch
immer Lebensgefahr. In einer von 3000 Perſonen
beſuchten Verſammlung der ſtädtiſchen Gasar=
beiter
wurde berichtet, daß der Magiſtrat die Er=
höhung
der Stundenlöhne um drei Pfennig beſchloſſen
habe. Die ruhigen und ſachlichen Erhebungen
ergaben eine allgemeine Abneigung gegen den
Streikgedanken. Der Brand der Benzin=
tanks
Nobelhof wurde geſtern abend von der Ber=
liner
Feuerwehr unter der Leitung des Brandmeiſters
v. Berger gelöſcht. Die Löſchung wurde lediglich durch
Waſſergeben herbeigeführt. Der ſeinerzeit viel be=
ſprochene
Einbruch in die Villa des Bankiers Mos=
ler
fand geſtern an Gerichtsſtelle ſeine Sühne. Der
Hauptangeklagte Berndt wurde zu 2½ Jahren Zucht=
haus
verurteilt.
Wiesbaden, 2. Dez. Das Wiesb. Tgbl. ſchreibt: Un=
ſere
Nachricht beſtätigt ſich, daß Bürgermeiſter Geheimrat
Gläſſing mit Schöneberg=Berlin in Unterhandlung
getreten iſt wegen der Uebernahme des durch Tod dort
freigewordenen Poſtens eines 1. Bürgermeiſters, zunächſt
mit dem Ergebnis auf Ausſicht, in die Reihe der Bewer=
ber
aufgenommen zu werden. Die Anregung iſt, wie wir
weiter hören, von einem Schöneberger Stadtrat ausge=
gangen
, der alsbald nach dem Ableben des Oberbürger=
meiſters
Wilde ſich wegen einer eventuellen Kandidatur
an Geheimrat Gläſſing gewandt hatte, deſſen erfolgreiche
Wirkſamkeit in unſerer Stadtverwaltung ihm bekannt ge=
worden
war. Die Stelle iſt inzwiſchen zur Bewerbung
ausgeſchrieben worden. Geheimrat Gläſſing hatte in
Schöneberg Unterredungen mit den maßgebenden Perſön=
lichkeiten
, hat ſich ſeine endgültige Entſcheidung aber aus=
drücklich
vorbehalten. Es beſteht ſonach die Möglichkeit,
ihn dauernd an Wiesbaden zu feſſeln, und wir hoffen be=
ſtimmt
, daß dieſe Möglichkeit nicht verpaßt wird. Mittel
und Wege hierzu werden ſich ſchon finden laſſen. Gelingt
das, ſo wird die ganze Bürgerſchaft, die unſere geſtrigen
Mitteilungen in hohem Grade überraſcht haben dürften,
zweifellos ſehr damit einverſtanden ſein.
B. Laubenheim (Nahe), 2. Dez. Als hier eine junge
Frau, die vom Niederrhein kam, aus dem Zuge aus=
ſtieg
, reichte ihr ein Mitfahrender, der ihr beim Aus=
ſteigen
Hilfe leiſten wollte, das Paket, das die Frau bei
ſich hatte. Dabei fiel aus dieſem Paket, zu ſeinem und
der Mitreiſenden Schrecken, das erſt zehn Tage alte
und vollſtändig in Tücher verpackte Kind der jungen
Frau. Das Kind fiel auf das Trittbrett des Wagens.
Der Unfall ging noch glücklich ab, denn das Kind trug
keinen Schaden davon.
München, 3. Dez. In einer Verſammlung
der Brauerei=Union erhob Profeſſor Dr. Vogel
von der königlichen Brauerei=Akademie Weihenſtephan
einen flammenden Proteſt gegen die Mahnung
des Kaiſers, den Genuß von Alkohol einzuſchrän=
ken
. Unter anderem ſagte der Redner: Wenn einige
Perſonen vom Kaiſer zur Mäßigung aufgefordert wer=
den
, ſchön! Man ſoll aber nicht verallgemeinern. Es
gelte ſchon heute eine gemeinſame Aktion für das
deutſche Braugewerbe. Dieſes würde, wenn es not=
wendig
werde, nicht davor zurückſchrecken, gegen die
Mahnung des Kaiſers und ſeiner Ratgeber vorzugehen.
Kaiſerslantern, 3. Dez Der hieſigen Polizei ſtellte
ſich heute nacht, wie der Pfälz. Volksbote und die Pfälz.

Großherzogliches Hoftheater.
Freitag, 2. Dezember:
Antigone‟.
W-l. Die klaſſiſchſte aller klaſſiſchen Tragödien,
Sophokles Antigone, ging heute nach ſehr langer
Pauſe in der bekannten Donnerſchen Ueberſetzung und
der Muſik von Mendelsſohn=Bartholdy wieder in
Szene. Es iſt etwas Schönes und Herrliches um die
klaſſiſche Antike, ihre Wiederbelebung auf der Bühne
aber bleibt ein unlösbares Problem. Mit der Men=
delsſohnſchen
Muſik und ihrem halb opernhaften Cha=
rakter
iſt die Antigone etwas anderes geworden, als
was ſie urſprünglich war. Es lag nicht in der Abſicht
der griechiſchen Tragödiendichter, daß die Chöre, in die
ſie ihre ſchönſten und tiefſten Gedanken in ppetiſcher
Form und Sprache niederlegten und die den poetiſchen
Höhepunkt der Tragödien bezeichnen, unverſtanden
blieben. Wir hören in dieſen Chören aber nicht die er=
habenen
und lieblichen Gedanken des Sophokles, ſon=
dern
nur die Mendelsſohnſche Muſik, alſo nur Töne und
keine Worte. Auch können wir uns nicht zu der Anſicht
bekennen, daß dieſe Muſik geeignet iſt, die Stimmung
zu erhöhen oder den Eindruck des geſprochenen Wortes
zu verſtärken, eher möchten wir das Gegenteil behaup=
ten
. Wir glauben, daß eine tiefere und der Abſicht der
antiken Tragödie entſprechendere Wirkung erzielt wer=
den
würde, wenn die Chöre von einem Chorführer mit
ſchönem Organ und unter Begleitung einer Flöte oder
Orgel geſprochen würden.
Für die Aufführung ſelbſt hatte die Regie ſonſt
alles getan, um den klaſſiſchen Stil äußerlich zu wah=
ren
. Die Herrichtung der Bühne war, wie früher, in
Anlehnung an die antike Bühne erfolgt. Der Vorder=
raum
(die Orcheſtra der altgriechiſchen Bühne), in
deſſen Mitte der Altar ſtand, war für den Chor be=
ſtimmt
; eine Treppe führte zu der erhöhten eigentlichen
Bühne im Hinterraum, der vor Beginn der Aufführ=
ung
durch einen Vorhang von jenem abgeſchloſſen war
und deſſen Hinterwand der Königsbau mit drei Türen,
einer größeren und zwei kleineren, in der Mitte und
je einer zu beiden Seiten bildete. Dieſe Türen bezeich=
neten
den Ein= und Ausgang zu und aus dem Palaſt.
Wer den Palaſt nicht betrat oder nicht aus demſelben
kam, ging über den Vorderraum der Bühne und be=
nutzte
dabei die Treppe. Der Chor thebaniſcher Greiſe,
welcher nach dem Geſpräch zwiſchen Antigone und
Ismene von rechts her einzog, verließ die Bühne bis
m Se nicht mieder. Während des Liedes an

Bakchos, das dem Abgang Kreons folgte, nahmen die
Greiſe die Thyrſosſtäbe vom Altar und machten einen
Rundgang. Die Aufführung fand ohne Szenenwechſel
und ohne jede Pauſe ſtatt, was zu dem einheitlichen
Eindruck weſentlich beitrug.
Kein Gedanke kehrt bei Sophokles ſo häufig wieder,
wie der, daß der Güter Höchſtes die Beſonnenheit iſt,
und der für die ganze Kunſt der griechiſchen Antike als
oberſtes Geſetz geltende Grundſatz des ſchönen Maß=
haltens
iſt auch für den Dichter Sophokles in jeder
Hinſicht bezeichnend. Nach dieſem Grundſatz muß ſich
auch die Darſtellung der Tragödie richten. Ihm wurde
Frl. Oſter in der Verkörperung der Antigone in
vollem Maße gerecht und zwar, trotzdem ſie reichlich
temperamentvoll einſetzte. Das ſchöne Ebenmaß wußte
ſie auch in der ergreifenden Abſchiedsſzene, die den
künſtleriſchen Höhepunkt der Tragödie bedeutet, in
Sprache und Spiel zu wahren. So verlieh die groß=
zügige
und warm empfundene Darſtellung dieſer Rolle
dem klaſſiſchen Abend das Gepräge. Herr Heinz als
Kreon übte anfangs auch die Kunſt löblichen Zurück=
haltens
, und erſt nach der Prophezeiung des Tireſias
wurde er etwas unklaſſiſch maßlos im Schmerz und in
der Verzweiflung, erzielte aber mit ſeiner Darſtellung
einen ſtarken Eindruck. Die Rolle der Ismene ſpielte
Frl. Agnes Lehmann aus Freiburg als Gaſt recht
hübſch; durch ſchöne ſprachtechniſche Behandlung ſeiner
Rolle als Hämon zeichnete ſich Herr Weſtermann
aus. Herr Lehrmann als Tireſias, Herr Wagner
als Wächter und Frl. Heumann als Eurydike er=
gänzten
das Enſemble in entſprechender Weiſe.
Die Chöre waren nicht immer gleich und hätten
ſtellenweiſe etwas diskreter ſein können. In den Chor=
geſängen
der thebaniſchen Greiſe fiel die Modulation
der ſchönen Tenorſtimme des Herrn Jahn ange=
nehm
auf.
Die ſzeniſche Leitung unterſtand Herrn Oberregiſ
eur Valdek, die muſikaliſche Leitung Herrn Kapell=
meiſter
Kittel.

Vorträge.
* Ortsgewerbeverein. Für die dritte
Winterverſammlung hatte der Ortsgewerbeverein die
Herren Ingenieure Braun und Willner zu Vor=
trägen
gewonnen.
Der 1. Vortrag, den Herr Bauingenieur Braun
über Linoleum in uneigennütziger Weiſe, alſo
auch nicht im Auftrage irgend welcher Firma hielt, er=
regte
bei allen Zuhörern das größte Intereſſe, und mit

ſpannender Aufmerkſamkeit lauſchte man den Aus=
führungen
des Redners. Nachdem dieſer zunächſt über
die Herkunft der Bezeichnung Linoleum und die Ge=
ſchichte
des Linoleums berichtet hatte, ſchilderte er an
Hand einer hübſchen Rohmaterialienſammlung der
Bremer Linoleumwerke Delmenhorſt, Schlüſſelmarke,
die Fabrikation des Linoleums, und zwar ſowohl des
einfarbigen als auch des durchgemuſterten und des
Korklinoleums, und legte dabei eine reiche Muſter=
ſammlung
vor. Auch machte er die Zuhörer mit der
Fabrikation des Linkruſta und mit einem neuen Wand=
bekleidungsartikel
Muralin bekannt, das mit dem
Linoleum hinſichtlich ſeiner Herſtellungsweiſe innig
verwandt iſt. Des weiteren legte er dann die Vorteile
des Linoleums als Fußbodenbelag klar, führte die
Gutachten verſchiedener ſtädtiſcher und ſtaatlicher Be=
hörden
über Güte und Dauerhaftigkeit des Linoleums
auf und wies auf den großen Wert des Linoleumbe=
lages
für die Wohnungshygiene hin. Im weiteren
Verlauf ſeines Vortrages unterzog Herr Braun die
verſchiedenen für Linoleumbelag geeigneten Unter=
böden
einer genauen Schilderung und ging dann zur
Beſprechung der Bedeutung des Linoleums über. An
Hand ſtatiſtiſcher Angaben zeigte er, daß die deutſche
Linoleuminduſtrie ſich einen erſten Platz auf dem Welt=
markte
zu ſichern verſtanden hat, welche Stellung vor
allem den Beſtrebungen der deutſchen Linoleumfabri
ken zu verdanken iſt, die ſtets bemüht waren, ein nur
vorzügliches Material auf den Markt zu bringen und
ſo der engliſchen Induſtrie den Vorrang auf dem Welt=
markt
abgerungen haben. Reicher, anhaltender Bei=
fall
lohnte die klaren Ausführungen des Herrn Braun.
Der Vorſitzende des Vereins, Herr Rockel, ſchloß
ſich dieſem mit herzlichen Dankesworten an.

läuterte die Notwendigkeit von beſonderen Apparaten
hierfür. Die einfachſte Form eines Entſtaubungs=
apparates
ſei die unter dem Namen Pipette bekannte
Saugſpritze; dann als ähnliche Einrichtung zu empfeh=
len
der ſogenannte Daiſyapparat und der Exhauſtor.
In der Anſchaffung am billigſten ſei der Roumlſauger
mit Waſſerbetrieb. An zwei in Betrieb geſetzten Ent=
ſtaubungsapparaten
wurden verſchiedene Verſuche vor=
geführt
, die ebenſoviel Intereſſantes boten und man=
chem
der Anweſenden Anregungen gaben. Nach Dan
kesworten an Herrn Willner ſchloß der Vorſitzende die
Verſammlung, die den Teilnehmern durch ihren regen
und intereſſanten Verlauf noch lange in Erinnerung
bleiben dürfte.

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Nummer 285.

Preſſe melden, der 33jährige Händler Ludwig Eberle
unter der Selbſtbeſchuldigung, geſtern abend
wegen ehelicher Untreue ſeine von ihm getrennt lebende
Frau auf der Eiſenſchmelze bei Stelzenberg durch zahl=
reiche
Meſſerſtiche getötet und ſeinen der Mutter zu
Hilfe eilenden 13jährigen Stiefſohn durch Meſſerſtiche
ſchwer verletzt zu haben. Die Nachforſchungen ergaben,
daß er die Tat begangen hat, jedoch, daß ſeine Frau,
wenn auch ſchwer verletzt, noch am Leben iſt.
Bonn, 3. Dez. Wie gemeldet wird, iſt die gegen
die beiden Boruſſen, v. Finckenſtein und v. Quiſtorp,
verhängte achttägige Gefängnisſtrafe in Feſtungs=
haft
umgewandelt worden.
Hamburg, 2. Dez. Heute nachmittag iſt es gelun=
gen
, die Erdgasquelle bei Neuengamme abzu=
ſchließen
.
Hamburg, 3. Dez. Die Unterſuchung der Maga=
rinevergiftung
iſt im Gange. Es ſoll feſtgeſtellt
werden, ob bei der Herſtellung des Backa=Präpargtes
im allgemeinen Stoffe verwendet wurden, die nicht ge=
ſund
ſind, oder ob in einem beſonderen Falle ein Ver=
ſehen
in der Fabrikation vorgekommen iſt. Auch aus
Duisburg und Düſſeldorf wird über Erkrankungen in=
folge
Genuſſes von Magarine berichtet.
Breslau, 3. Dez. Das Muttergottesbild in
der Kirche von Sosnowice wurde nach einer Meldung
der Schleſiſchen Volkszeitung geſtern nachmittag ſämt=
licher
Koſtbarkeiten beraubt. Der Täter iſt unbe=
kannt
.
Guben, 3. Dez. Am Freitag abend gegen ſieben Uhr
brach in der Glacelederfabrik von Immanuel Meyer,
G. m. b. H., Großfeuer aus. Das Fabrikgebäude
iſt ſamt dem Lederlager niedergebrannt. Bei der Hin=
ausſchaffung
der Geſchäftsbücher aus dem Kontor er=
litten
zwei Arbeiter ſchwere Brandwunden. Von etwa
200 Arbeitern werden etwa 80 in der Nebenfabrik der
Firma beſchäftigt werden können.
Prag, 2. Dez. Auf der dünnen Eisdecke eines
Teiches bei Wittingau tummelte ſich geſtern eine An=
zahl
Kinder, als zwei Knaben und zwei Mädchen ein=
brachen
und ertranken.
Paris, 3. Dez. Geſtern nacht ereignete ſich in einer
Menagerie ein furchtbares Drama. In einer einem
Araber gehörenden Tierbude hat ein Löwe einem Mena=
geriewächter
den rechten Arm buchſtäblich bis auf die
Schulter abgebiſſen. Nach beendeter Vorſtellung hatte ſich
der Wächter eben mit ſeinem Herrn und den übrigen Be=
dienſteten
hingeſetzt, als er ſich erinnerte, daß der Riegel
des Läwenkäfigs nicht verſchloſſen war. Er begab ſich
dorthin und ſteckte die Hand durch das Gitter. Mit
einem Sprunge erfaßte die Beſtie den Wärter und biß ihm
den Arm ab. Die Angeſtellten eilten hinzu, es war aber
zu ſpät. Das Tier hat bereits mehrere Menſchenleben
auf dem Gewiſſen. Im vorigen Jahre hatte er einen
Wärter getötet und ſodann ſeinen eigenen Herrn, den
Araber ſelbſt, durch einen Biß ſchwer verwundet. Ein
anderer Tierbändiger, der gleichfalls von ihm angebiſſen
wurde, liegt jetzt noch im Spital an den Folgen danieder.
Charkow, 2. Dez. Drei Zwangsarbeits=
ſträflinge
töteten mit Brechſtangen zwei Aufſeher,
raubten Schlüſſel und Revolver, liefen auf den Hof
hinaus und töteten dort einen dritten Aufſeher und
verwundeten drei weitere Aufſeher tödlich. Die Ver=
brecher
wurden bei dem Verſuch, die Mauer zu erklet=
tern
, erſchoſſen. Die übrigen 96 Sträflinge verhielten
ſich paſſiv. Die Ordnung iſt wieder hergeſtellt.
Kanſas=City, 3. Dez. Der Expreßzug von
Kanſas=City nach Saint=Louis entgleiſte bei Lamont
und ſtürzte einen 25 Fuß hohen Damm herab.
Zwei Schlafwagen überſchlugen ſich mehrmals, trotz=
dem
ſind, nach dem Berliner Tageblatt, keine Todes=
fälle
zu verzeichnen.

Kunſtnotizen.
deber Werke, Künſtler und künſtleriſche Veranſtaltungen ꝛc., deren im Nach
ſehenden Erwähnung geſchieht, behält ſich die Redaktion ihr Urteil vor.
Hofmuſikkonzert am Montag, den
5. Dezember. Erſtmalig gelangt ein ſinfoniſches Frag=
ment
des Wiesbadener Komponiſten Guſt. Cords zur
Aufführung, ein Werk mit folgendem Inhalt: Zu
Gudruns Klage ſucht der Autor die Stimmung der
aus ihrem däniſchen Heimatland durch die Normannen
entführten Königstochter zu ſchildern; in Gudruns
Befreiung das Toſen und Branden der Meereswogen
an der Normanniſchen Küſte, das durch ein nordiſches
Motiv unterbrochen wird, das Nahen der Stammes=
genoſſen
Gudruns, der Kampf um die Heldin der Sage
und deren ſiegreiche Befreiung. Dieſes in kurzen
Zügen die Idee der ſinfoniſchen Tonſtücke.

Freie literariſch=künſtleriſche Ge=
ſellſchaft
. Die Märchenvorleſung mit Kinderliedern
zur Laute am St. Nikolaustage (vergl. heutige Annonce)
iſt, um den Kindern den Beſuch zu ermöglichen, auf 5 Uhr
nachmittags feſtgeſetzt worden. Wie ſchon betont, ſoll ſie
die Dauer einer guten Stunde nicht viel überſteigen. Frl.
Ethel hat ganz reizende neue Märchen von E. v. Wol=
zogen
und Marie Olfers, ſowie ältere von Anderſen, Ko=
piſch
und Friederike Deſſoff zum Vortrag gewählt, wäh=
rend
Frl. Poppe ihre anmutigen Kinderliedchen zur
Laute, zumeiſt aus Des Knaben Wunderhorn und aus
den Schätzen der Kinderlieder Hoffmann von Fallerslebens
genommen hat. Das bekannte Wer will unter die Sol=
daten
dürfte im Verein mit dem von Frl. Ethel erzählten
Standhaften Zinnſoldat bei dem männlichen Teil der
kleinen Zuhörerſchaft ganz beſonderem Beifall begegnen.

Parlamentariſches.
* Von der Erſten Kammer der Stände.
Nach eingehenden Beratungen während des ganzen
Jahres iſt nunmehr der Wahlrechtsausſchuß in ſeiner
Sitzung vom 2. ds. Mts., die unter dem Vorſitze Seiner
Durchlaucht des Fürſten zu Leiningen bei Anweſenheit
aller Ausſchußmitglieder ſowie des Präſidenten der Erſten
Kammer ſtattfand, mit ſeinen Beratungen zum Abſchluß
gelangt. Im Beiſein Großh. Regierung wurde die ganze
Vorlage nochmals durchberaten und über die einzelnen
Artikel ſowie die Vorſchläge abgeſtimmt, worüber nun=
mehr
der ſchriftliche Bericht von Herrn Geh. Juſtizrat
Profeſſor Dr. Schmidt erſtattet werden wird.

Sitzung der Großh. Handelskammer Darmſtadt
vom 29. November.
Die geſetzlich vorgeſchriebenen Ergänzungs=
wahlen
zur Handelskammer haben ſtatt=
gefunden
: für den Kreis Darmſtadt am 23., 24. und
26. November; für den Kreis Groß=Gerau am 28. No=
vember
; für den Kreis Heppenheim am 21. November
und für den Kreis Erbach am 30. November. In
Darmſtadt ſind gewählt reſp. wieder gewählt worden:
in der Wahlgruppe Induſtrie die Herren Geh. Kom=
merzienrat
Dr. L. Merck, Emil Schenck und Regier=
ungs
= und Baurat Jordan; für die Erwerbsgruppe
Großhandel wurde Herr Eugen Trier, für die Er=
werbsgruppe
Kleinhandel die Herren Kalbfuß und
Kölb wieder gewählt. Für den Kreis Groß=Gerau
wurde Herr Direktor W. Zarges wieder gewählt; für
den Kreis Heppenheim wurde Herr Franz Höhn ge=
wählt
; für den Kreis Erbach wurde Herr Fabrikant
Ludwig Reubold wieder gewählt.
In Vertretung des Herrn Kommerzienrats Ja=
cobi
hat Herr Syndikus Dr. Human einer Sitzung
der Verkehrskommiſſion des Deutſchen
Handelstages am 18. und 19. November d. Js.
in Berlin beigewohnt. Außer zahlreichen Punkten,
welche Poſt und Eiſenbahn betreffen, wurde hauptſäch=
lich
ſehr eingehend über den dem Reichstag zugegan=
genen
Entwurf des Geſetzes betreffend den Ausbau
der deutſchen Waſſerſt raßen und die Er=
hebung
von Schiffahrtsabgaben verhandelt.
Einſtimmig wurde beſchloſſen, gegen den ſehr mangel=
haften
Geſetzentwurf entſchiedenen Einſpruch zu er=
heben
. Hauptſächlich müſſe mehr techniſches und wirt=
ſchaftliches
Material herbeigebracht werden, um die
Wirkung von Schiffahrtsabgaben überſehen zu können.
Auch ſeien unbedingt Sachverſtändige aus den Kreiſen
der Schiffahrt, der Induſtrie und des Handels vor
der geplanten Einführung von Schiffahrtsabgaben zu
hören. Der Arbeitsausſchuß der Rhein= Weſer= und
Elbe=Intereſſenten, welcher die beteiligten Städte, Han=
delskammern
und wirtſchaftlichen Vereine vertritt,
hat eine eingehende Denkſchrift über den vorliegenden
Geſetzentwurf bezüglich der Schiffahrtsabgaben ausge=
arbeitet
und dem Reichstag übermittelt. Es wurde
beſchloſſen, im Anſchluß an dieſe Denkſchrift an
die zuſtändige Kommiſſion des deutſchen Reichstages
ebenfalls die Bitte zu richten, es möchte dem vorliegen=
den
Geſetzentwurf die Genehmigung verſagt werden.
Den Kreisämtern Darmſtadt und Bensheim wurde
auf eine entſprechende Anfrage hin mitgeteilt, daß der
Handelskammer keine Tatſachen bekannt geworden
ſeien, welche weſentliche Verſchiebungen der
Verhältniſſe des Arbeitsmarktes für die
nächſte Zeit vermuten ließen. Im großen und ganzen
laſſe die wirtſchaftliche Konjunktur noch viel zu wün=
ſchen
übrig. Jedoch ſei nichts darüber bekannt gewor=
den
, daß in irgend einer Induſtrie weſentliche Arbei=

Aus Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
* Die Scottſche Südpolexpedition. Aus
London, 30. Nov., wird gemeldet: Geſtern iſt die Terra
Nova mit Kapitän Scott von Port Chalmers in Neu=
ſeeland
nach dem unbekannten Süden abgegangen.
Wenn alles programmäßig verläuft, wird man nun
von Scott und ſeinen 50 Mann bis März 1912 nichts
mehr ſehen. Die Expedition verließ London am
1. Juni; in Port Chalmers wurden die mandſchuriſchen
Hunde und Ponies an Bord genommen und die ganze
Ausrüſtung und alle Vorräte noch einmal revidiert.
Im Oktober 1911 ſoll der Hauptvorſtoß gegen den Süd=
pol
beginnen, der nach dem Programm im Dezember
1911 erreicht werden ſoll. Die Rückreiſe nach der Haupt=
baſis
, dem Me Murdo Sund, würde die zwei erſten
Monate von 1912 ausfüllen und im März wäre die
Expedition wieder in Neuſeeland.
* Spielplan des Großh. Hof= und Natio=
naltheaters
in Mannheim. 1. Hoftheater.
Montag, den 5. Dezember: Minna von Barnhelm.
Dienstag, 6., keine Vorſtellung. Mittwoch, 7.: Das
Rheingold. Donnerstag, 8.: Kater Lampe. Freitag,
9.: Der Muſikant. Samstag, 10.: Hamlet. Sonntag,
11.: Margarete. 2. Neues Theater. Montag,
den 5. Dezember (Gaſtſpiel der Schlierſeer): Anno Da=
zumal
. Mittwoch, 7. (Gaſtſpiel der Schlierſeer): Der
Paragraphenſchuſter. Donnerstag, 8. (Gaſtſpiel der
Schlierſeer): Der Stammhalter. Freitag, 9. (Gaſtſpiel
der Schlierſeer): Der Gemeindekaſpar. Sonntag, 11.:
Kater Lampe.

Kleines Feuilleton.
* Die geprellten Gläubiger von Man=
ua
wäre der geeignete Titel für einen Schwank, den
in der Nähe der genannten Stadt zwei kluge Hunde
aufgeführt haben. In Bagnolo San Vito, unweit der
erühmten Feſtung, fanden ſich jüngſt der Wurſtwaren=
händler
Polidoro und ſeine Frau in dem beklagens=
erten
Zuſtand der Zahlungsunfähigkeit. Der Ge=
ichtspräſident
von Mantua beauftragte darauf einen

Amtsrichter, die geſetzliche Verſiegelung des Ladens
vorzunehmen, damit von der Konkursmaſſe nichts
heimlich beiſeite geſchafft würde und die Gläubiger
nicht zu Schaden kämen. Der Amtsrichter machte ſich
mit dem Gerichtsſchreiber und dem Amtsgerichtsboten
auf den Weg nach Bagnolo, nahm eine flüchtige Be=
ſichtigung
des noch ganz gut ausgeſtatteten Ladens vor
und legte die Siegel an Türen und Fenſter. Nach drei
Tagen aber erſcholl aus dem verſchloſſenen Geſelcht=
warengeſchäft
ein wahrer Höllenlärm, ein Geheul wie
von armen Seelen im Fegefeuer, ſo daß die ganze
Nachbarſchaft in Schrecken und Aufregung geriet. Nie=
mand
wagte jedoch die verſiegelten Türen zu öffnen,
um die jammernden Gefangenen zu befreien, die man
bald als die Hunde des bankrotten Händlers erkannte.
Man ſchickte nach Mantua ans Gericht, und am vierten
Tage erſchien der Konkursverwalter mit dem Gerichts=
diener
, um mit aller Vorſicht das Magazin zu öffnen,
weil man die aus Verſehen eingeſchloſſenen Hunde für
tollwütig hielt. Kaum waren die Türen offen, ſo ſchoſ=
ſen
die beiden Köter heraus und an den nächſten Waſ=
ſertümpel
, wo ſie die lechzenden Kehlen erfriſchten.
Sie hatten nämlich die vier Tage unfreiwilliger Haft
dazu benutzt, um alles Geſelchtes, Schinken, Würſte,
Rauchfleiſch uſw. aufzufreſſen oder wenigſtens anzu=
knabbern
, und hatten davon einen Mordsdurſt bekom=
men
. Die geprellten Gläubiger aber überlegen nun
mit ihrem Anwalt, ob das nicht ein betrügeriſcher
Bankrott zu nennen iſt, wenn die Hunde des Schuld=
ners
die Konkursmaſſe auffreſſen.
* Das Ende eines Schmugglerhauſes.
In der Fileybai (Grafſchaft Yorkſhire) iſt das Schif=
fergaſthaus
geſchloſſen worden, das eine 200jährige
Geſchichte hat und in früheren Jahren eine berüchtigte
Schmugglerhöhle war. Der Ship Jun iſt eines der
wenigen noch exiſtierenden Ueberbleibſel aus jenen
Tagen, da das Schmuggeln an der Küſte von Yorkſhire
in höchſter Blüte ſtand. Die Mauern des Gaſthauſes,
die drei bis vier Fuß dick ſind, enthalten an vielen
verborgenen Stellen große Höhlen und Verſtecklöcher.
Alle Arten von geheimen Schränken und verſteckten
Fächern, die unzweifelhaft zur Verwahrung des

terentlaſſungen oder Verkürzungen der täglichen Ar=
beitszeiten
bevorſtänden.
In Mainz hat am 31. Oktober d. Js. eine weitere
Konferenz wegen Schaffung einer Vereinig=
ung
zur Bekämpfung des Beſtechungs=
weſens
ſtattgefunden, an welcher die Herren Ludw.
Fiſcher und Dr. Human teilgenommen haben. Es
wurde nach eingehender Ausſprache beſchloſſen, eine
derartige Vereinigung zu ſchaffen. Auch wurde der
vorgelegte Entwurf einer Satzung im großen und
ganzen gebilligt. Zur weiteren Verfolgung der An=
gelegenheit
wurde ein Ausſchuß aus den größten deut=
ſchen
Verbänden gebildet, welcher beauftragt wurde,
möglichſt bald den in Mainz verſammelten Intereſſen=
ten
das Ergebnis ſeiner weiteren Beratungen über
dieſe Angelegenheit mitzuteilen.
Am 25. Oktober hat in Frankfurt a. M. eine Kon=
ferenz
der Heſſiſchen Handelskammern ſtattgefunden,
gelegentlich welcher unter Anweſenheit verſchiedener
Regierungsvertreter der Geſetzentwurf, be= die Brandverſicherung der Ge=
bäude
, an Hand der vorliegenden Brandverſicherungs=
Statiſtik durchgeſprochen wurde.
Auf eine Anfrage der Großh. Bürgermeiſterei
Darmſtadt wurde mitgeteilt, die Handelskammer ſei
bereit, an einer vorläufigen Beſprechung zur Vorbe=
reitung
der Gründung einer Zentrale
ür Arbeitsloſenfürſorge teilzunehmen.
Herr Dr. Arnold iſt dem Kaiſerlichen Generalkon=
ulat
in Yokohama als Handelsſachverſtändi=
ger
zugeteilt worden.

* Berlin, 3. Dez. Auf der Tagesordnung ſteht
die Beratung des von den Konſervativen eingebrachten
Antrages betreffend
Maßregeln gegen den Niedergang des
Handwerks
und gegen die weitere Abnahme der Zahl der ſelbſtän=
digen
Gewerbetreibenden.
Abg. Pauli=Potsdam (Konſ.): Wenn auch die
Geſetze zum Schutze der Bauforderungen, zur Be=
kämpfung
des unlauteren Wettbewerbes Gutes gewirkt
haben, ſo bleibt doch noch viel zu tun übrig, um dem
Handwerk zu helfen. Will man zahlungsfähige Staats=
bürger
erhalten, dann muß man die Beamten= und
Offizierskonſumvereine, die in gleicher Weiſe wie die
Konſumvereine der Sozialdemokraten ſchädlich für
Mittelſtand und Handwerk wirken, verbieten. Die
polizeilichen und gerichtlichen Befugniſſe zur Kontrolle
des Bauwuchers müſſen erweitert werden. (Am Bun=
desratstiſch
erſcheint inzwiſchen Staatsſekretär Delbrück
mit Miniſterialdirektor Caſpar.) Abg. Pauli ( fortfah=
rend
): Auch das Submiſſionsunweſen verlangt drin=
gend
geſetzgeberiſches Einſchreiten. Durch die Bäckerei=
verordnung
werden weite Kreiſe des Handwerks ſchwer
geſchädigt. Die Gefängnisarbeit ſtellt eine Konkurrenz
dar, die die Handwerksarbeit völlig ausſchaltet. Ich
bitte, unſeren Antrag anzunehmen. (Beifall.) Abg.
Euler (Ztr.): Der Niedergang des Handwerks kann
nicht bezweifelt werden. Wir ſind ſeit langen Jahren
bemüht, dem Handwerk aufzuhelfen. Der kleine Be=
fähigungsnachweis
kann vom Handwerk nur als
Abſchlagszahlung angeſehen werden. Verlangt werden
muß nach wie vor der große Befähigungsnachweis.
Die heutigen Geſetze ſchützen eher den Schwindler
als den kleinen Handwerker. Die Bildungsbeſtreb=
ungen
im Handwerk müſſen unterſtützt werden.
Ebenſo iſt für eine Entwickelung des Genoſſenſchafts=
weſens
zu ſorgen. Nachdem wir eben erſt die Beam=
tengehälter
erhöht haben, erwarten wir, daß dieſe
nicht die Warenhäuſer durch Ankäufe unterſtützen,
ſondern das Handwerk. Hoffentlich finden unſere
Wünſche Gehör bei der Bevölkerung und bei den Re=
gierungen
. Abg. Dr. Pachnicke (Fortſchr. Vgg.):
Die Konſervativen wollen mit ihrem Antrag ihre
Mittelſtandsfreundlichkeit betonen. Poſitive Vor=
ſchläge
werden allerdings nicht gemacht, höchſtens der
Befähigungsnachweis. Dieſer letztere iſt aber von
den Handwerkern ſelbſt als taube Nuß erklärt wor=
den
. (Sehr richtig! links, Widerſpruch rechts.) Aehn=
lich
liegt es mit den anderen Forderungen. Die Kon=
ſervativen
haben ſeinerzeit das erſte Warenhaus für
Armee und Marine gegründet und der Bund der
Landwirte iſt nichts anderes als ein großes Waren=
haus
. (Widerſpruch und Lachen rechts.) Wie die Kon=
ſervativen
für den Mittelſtand ſorgen, beweiſt der
Zolltarif und die Reichsfinanzreform. Die Mittel=
ſtandspartei
iſt deshalb zum Hanſabund überge=

Schmugglergutes dienten, wurden in dieſem Schiffer=
gaſthaus
entdeckt. Unter den großen Deckenbalken der
Küche befindet ſich ein Balken, der ſich äußerlich in
nichts von den anderen Balken unterſcheidet, aber
nichts anderes iſt als ein langer Kaſten, deſſen eine
Seite ſich vollſtändig öffnen läßt. Unter dem Herd be=
findet
ſich ein Geheimkeller, und in einer Hütte auf
dem Hof, die früher mit dem Schmugglevhof direkt ver=
bunden
war, iſt noch heute im oberen Stock ein Zim=
mer
mit doppeltem Fußboden und verborgenen Aus=
gucklöchern
zu ſehen, die einen vollkommenen Ueber=
blick
über die Fileybai gewährten.
* Der geſtutzte Schwanz des Kölner
Kaiſerdenkmals. Wir haben uns unlängſt mit
der unſchönen Darſtellung des verſtümmelten Pferdes
auf dem Kölner Kaiſerdenkmal beſchäftigt. In dieſer
Angelegenheit hat nun der Tierſchutzverein von New=
Jerſey dem deutſchen Kaiſer eine Petition übermitteln
laſſen, in der es heißt: Ohne Zweifel iſt Eurer Ma=
jeſtät
bekannt, daß das Stutzen des =Pferdeſchwanzes
eine der größten Grauſamkeiten dem edlen Tier gegen=
über
iſt. Wir ſind nun der Anſicht, daß es ein Fehler
wäre, das Denkmal in ſeiner jetzigen Geſtalt zu laſſen.
Ein ſchöner langer Schwanz müßte an Stelle des kur=
zen
Stumpfes treten. Er würde nicht nur den ſchönen
Geſamteindruck des Werkes erhöhen, ſondern würde
auch den Behauptungen ein Ende machen, daß Eure
Majeſtät nicht von dem edlen Zweck des Tierſchutzes
volllommen überzeugt ſind. Die Petition iſt zwar
naiv, trifft aber in der Sache ſelbſt das Richtige.
* Der vergeßliche Chirurg. Aus Paris
wird berichtet: Wegen zweier in der Bauchhöhle ver=
geſſener
Leinenverbände hatte eine Frau Rigoutta, die
im Hoſpital Beaujon operiert worden war, eine Schaden=
erſatzklage
auf 50000 Franken angeſtrengt, erhielt aber
nur 5000 Franken zugeſprochen, weil nach der Ausſage
der Sachverſtändigen ſich daraus keine ernſtliche Ver=
wicklung
ergeben hätte. Hätte der Operateur vielleicht
ſeinen Regenſchirm in der Leibeshöhle liegen laſſen,
dann hätte die Frau wohl die beanſpruchten 50000 Fran=
ken
bekommen.

[ ][  ][ ]

Nummer 285

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Seite 5.

gangen. Gewiß ſind einzelne Zweige des Handwerks
abgeſtorben, andere aber erneut in die Erſcheinung
getreten, und es wäre zu wünſchen, daß die Groß=
induſtrie
nicht alle Zweige an ſich riſſe. Nötig neben
der Meiſterlehre wäre die Ausbildung des gewerb=
lichen
Unterrichtsweſens auf praktiſcher Grundlage.
Die Gefängnisarbeit darf keine Konkurrenz bilden
für das Handwerk. Die Handwerker ſollten aber
auch aufhören, ihren Abnehmern Kredit zu gewähren.
Auch ein freies, gerechtes Wahlrecht iſt nötig, um das
Standesbewußtſein im Handwerk zu fördern. ( Bei=
fall
links.)
Abg. Brühne (Soz.): Der Antrag iſt lediglich
aus Rückſichten auf die Neuwahlen geſtellt worden.
(Lebhaftes Sehr richtig! links, Lärm und Widerſpruch
rechts.) Wenn Sie den Handwerkern helfen wollen,
ſo ſchaffen Sie ihnen billiges Brot. Die Warenhaus=
ſteuer
verhindert die Ausdehnung der Warenhäuſer
nicht. Die Steuer wird in den meiſten Fällen abge=
wälzt
auf die Lieferanten; das Nachſehen haben alſo
wieder die Handwerker und Fabrikanten. Man ent=
ſinnt
ſich bei uns der Handwerker nur vor den
Wahlen. Verheiratet ſich aber zum Beiſpiel eine
deutſche Fürſtin, dann wird die Ausſteuer aus Paris
oder London bezogen. (Sehr richtig!) Von den
Zwangsinnungen iſt eine Hebung des Handwerks
nicht zu erwarten. Wollen die Handwerker aber, daß
der Reichstag ihnen helfe, dann ſollten ſie bei den
nächſten Wahlen dafür ſorgen, daß ein Reichstag zu=
ſtande
kommt, der die Brotteuerung beſeitigt. ( Bei=
fall
bei den Soz.)
Abg. de Wendel (natl.): Die Geſetzgebung der
ſozialen Fürſorge hat anſcheinend des gewerblichen
Mittelſtandes lange nicht gedacht, die Mittelſtandspolitik
hat nicht rechtzeitig eingeſetzt, und doch iſt die Entwicke=
lungsmöglichkeit
dieſer wertvollen Klaſſe nicht weniger
wichtig, als diejenige eines anderen Standes. (Sehr
richtig!) Dieſe Kreiſe ſind mit Abgaben und Steuern
verhältnismäßig zu ſtark belaſtet. Ohne die ſoziale
Fürſorge gering zu ſchätzen, muß man doch den Druck
dieſer Laſten anerkennen. Das Handwerkerweſen iſt
zu wenig organiſiert. Setzen wir eine ſolche Organi=
ſation
durch, ſo wird es zum Segen des Vaterlandes
ſein. (Bravo bei den Natl.) Abg. Linz (Rpt.): Die
Reichspartei iſt den Wünſchen des Handwerks vielfach
gerecht geworden. Wenn nicht alle Bemühungen Erfolg
hatten, ſo lag das an der Konkurrenz der Großbetriebe,
vielleicht auch an manchen Eigenbrödeleien und der Ab=
neigung
gegen genoſſenſchaftlichen Zuſammenſchluß, ſo=
wie
dem Mangel an kaufmänniſcher Schulung bei den
Handwerkern. Wenn die Kinderkrankheiten überwun=
den
ſind, dann wird es wieder heißen, daß das Hand=
werk
einen goldenen Boden hat, und das alte Sprich=
wort
wird neue Lebenskraft gewinnen: Gott ſegne das
ehrbare Handwerk! Abg. Raabe (Wirtſch. Vgg.):
Was bisher für das Handwerk geſchehen iſt, iſt nur
ein Kompromiß. Die Organiſation muß durch das
ganze Reich durchgeführt werden, durch die Handwerker=
kammern
, Kleinhandelstage uſw. Die Handwerker=
forderungen
der Sicherung der Bauforderungen, des
Schutzes gegen die Konſumvereine und dergleichen ſind
durchaus berechtigt, die Liberalen ſind aber dafür nicht
zu haben. Das Bedenklichſte iſt aber die Boykottierung
von Geſchäften, ſobald eine ſoziale Forderung der Ge=
hilfen
abgelehnt wird. Das Handwerk erzeugt heute
ſchon recht gute Leiſtungen, es fehlen ihm aber die
Käufer. Unſere Steuer= und Zollpolitik iſt durchaus
mittelſtandsfreundlich geweſen. (Widerſpruch links.
Sehr richtig! rechts.) Gerade der Schutzzoll iſt berufen,
für unſer inländiſches Gewerbe ſegensreich zu wirken.
Der Hanſabund iſt außerſtande, für den Mittelſtand
einzutreten, da er anderſeits die Konſumvereine prote=
giert
. Ich warne den Mittelſtand wie vor ſeinen alten
Freunden, ſo auch vor ſeinen neuen Freunden.
Darauf tritt Vertagung ein. Nächſte Sitzung
Montag 2 Uhr. Tagesordnung: Arbeitskammergeſetz.
Schluß 5¼ Uhr.
Diplom=Ingenieurtag in Darmſtadt.
St. Darmſtadt, 5. Dezember.
Geſtern tagte in Darmſtadt der erſte deutſche Di=
plom
=Ingenieurtag, den der Mittelrheiniſche Bezirks=
verein
des Verbandes Deutſcher Diplom=Ingenieure
für Darmſtadt übernommen hatte. Den Verhand=
lungen
, die in der Aula der Techniſchen Hochſchule
ſtattfanden, wohnten als offizielle Vertreter u. a. bei
die Herren Geh. Oberregierungsrat Dr. Wagner,
Provinzialdirektor Fey, Rektor der Techniſchen Hoch=
ſchule
Geh. Hofrat Profeſſor Dr. Schenck, Regier=
ungs
= und Baurat Wagner und viele Profeſſoren
der Hochſchule.
Herr Dipl.=Ing. Kraemer, der Vorſitzende des
Bezirksvereins Darmſtadt, der die Tagung leitete, er=
öffnete
die Verhandlungen mit einer herzlichen
Begrüßungsanſprache,
in der er u. a. ausführte: Namens der Mittelrheini=
ſchen
Bezirksvereine des Verbandes Deutſcher Di=

plom=Ingenieure heiße ich Sie zu unſerem erſten
Diplom=Ingenieur=Tag, den ich hiermit eröffne, herz=
lichſt
willkommen. Ich habe den Vorzug, Herrn Geh.
Oberregierungsrat Dr. Wagner als Vertreter der
Regierung und Herrn Provinzialdirektor Geheimerat
Fey zu begrüßen und ihnen zu danken, daß ſie uns
mit ihrer Anweſenheit beehren. Ich begrüße Se.
Magnifizenz den Herrn Rektor der Techniſchen Hoch=
ſchule
, ſowie die erſchienenen Herren Profeſſoren, Do=
zenten
und Aſſiſtenten dieſer Anſtalt und verfehle
nicht, der Hochſchule unſeren verbindlichſten Dank
auszuſprechen für das Entgegenkommen bei Ueber=
laſſung
der Aula zu unſerer Tagung. Weiter be=
grüße
ich die Herren Vertreter der ſtaatlichen und
ſtädtiſchen techniſchen Behörden, die Herren Vertreter
der techniſchen und wiſſenſchaftlichen Vereine, des
Ausſchuſſes der Studierenden, des Studentenverban=
des
, der ſtudentiſchen Korvorationen und Vereinig=
ungen
, ſowie alle hier erſchienenen Studierenden. Ich
begrüße ferner die Herren Kollegen Patentanwalt
Münch, ſowie unſeren Geſchäftsführer Dr. Lang,
die die Verbandsleitung in Berlin mit ihrer Ver=
tretung
betraut hat, die anweſenden Herren Förderer
unſeres Verbandes, die Herren Vertreter der übrigen
Bezirksvereine und unſere anweſenden Mitglieder.

von großem Nutzen ſein.
Der Verband Deutſcher Diplom=Ingenieure, der
im Sommer vorigen Jahres gegründet wurde, iſt
eine reine Standesvereinigung, eine Vertretung
aller Diplom=Ingenieure zur Wahrung und Förder=
ung
ihrer Standesintereſſen. Er ſoll deren Wünſche
an den maßgebenden Stellen zu Gehör und ſoweit als
möglich zur Geltung bringen. Wir verkennen nicht,
daß uns die Früchte unſerer Arbeit nicht über Nacht
in den Schoß fallen werden; indeſſen hegen wir die
feſte Zuverſicht auf einen ſicheren Erfolg. Der Ver=
band
beſteht aus Mitgliedern und Förderern. Die
Zahl der Mitglieder und Förderer des Verbandes be=
trägt
zurzeit etwa 1800, Bezirksvereine beſtehen bis
jetzt 28. Der Redner ſchloß mit dem Wunſche,
daß der geſamte akademiſche Technikerſtand
endlich einmal diejenige Stellung im öffentlichen
Leben einnehmen möge, die ihm vermöge ſeiner Bild=
ung
, ſowie für die ſeitherigen Leiſtungen auf wirt=
ſchaftlichem
und ſozialem Gebiete gebührt und die ihm
bisher vorenthalten wurde. Haben wir doch ſeit Jah=
ren
hierfür keinen geringeren Fürſprecher als Se.
Maj. unſeren Kaiſer, der dies in ſeiner jüngſten, in
Breslau gehaltenen Rede klar zum Ausdruck gebracht
hat. (Beifall.)
Rektor Geheimerat Dr. Schenck führt aus: Als
Rektor der Techniſchen Hochſchule Darmſtadt heiße ich
Sie herzlichſt willkommen und danke Ihrem Herrn
Vorſitzenden für die warmen Worte, die er an uns
gerichtet hat. Ich darf ſagen, daß wir gerne unſerer
Aula für Ihre hochanſehnliche Verſammlung zur Ver=
fügung
geſtellt haben, zumal ja doch viele Ihrer Mit=
glieder
einſt Schüler unſerer alma mater geweſen
ſind. Ihren Beſtrebungen ſtehen wir durchaus ſym=
pathiſch
gegenüber und wir hoffen, daß ſich geeignete
Mittel und Wege finden laſſen, um die Intereſſen
Ihres Standes gebührend zu wahren Ich darf dazu
auch wohl erwähnen, daß die Techniſchen Hochſchulen
Deutſchlands ſelbſt beſtrebt ſind, den Diplom= Inge=
nieuren
die ihnen zukommende Anerkennung zu ver=
ſchaffen
. Es ſind auch auf der letzten Rektoren= Kon=
ferenz
Mittel und Wege beraten worden, die Rechte
der mittleren Techniker zu begrenzen zugunſten der
Ingenieure mit akademiſcher Vorbildung. (Lebh. Bei=
fall
.) Ich hoffe, daß das auch Ihnen zugute kommen
wird und wünſche Ihren heutigen Verhandlungen
erſprießlichen und erfolgreichen Verlauf.
Herr Provinzialdirektor Fey: Namens der Pro=
vinzialverwaltung
und Kreisverwaltung danke ich
herzlichſt für die Einladung, der ich gerne Folge ge=
leiſtet
habe. Wir haben in der Provinzial= und Kreis=
verwaltung
mannigfaltige Berührung mit der Tech=
nik
. Ueberhaupt iſt eine öffentliche Verwaltung ohne
Verbindung mit der Technik heute undenkbar. Beide
müſſen Hand in Hand gehen, wollen ſie die großen
Aufgaben, die ihnen auf wirtſchaftlichem Gebiete zu=
fallen
, löſen. Wir haben in Deutſchland ſeit Mitte
des vorigen Jahrhunderts einen gewaltigen wirt=
ſchaftlichen
Aufſchwung zu verzeichnen. Dieſen Auf=
ſchwung
verdanken wir zum großen Teile der Tätig=
keit
unſerer Techniker und Ingenieure. Wir ſind
ſtolz auf unſere Ingeniure, auf ihre Werke, nicht
allein in Deutſchland, ſondern vor den Augen der
ganzen Welt. Haben wir doch unſerer Weltmacht=
ſtellung
zum großen Teil der Tatkraft unſerer Inge=
nieure
zu verdanken. Ich hoffe, daß wir auch in kom=
menden
Zeiten noch recht viele Werke unſerer Inge=
niure
bewundern dürfen in unſerem Vaterlande und
in der ganzen Welt, und daß anch die Entwickelung
Ihres Standes auf wirtſchaftlichem Gebiete in er=

Erſtaufführung von Puceinis Tosca
im Saalbau.
W-l. Durch das Berliner Opern=
Enſemble, Direktor Rudolf Johndorff, ge=
langte
am Sonntag im Saalbau die hier noch unbe=
kannte
Oper Tosca von Puccini zur Aufführung.
Aus der bereits mitgeteilten Inhaltsangabe der Oper
iſt zu erſehen, daß die Handlung ziemlich verworren
iſt. Trotzdem verdankt ſie ihr einen Teil ihrer ſtar=
ken
Wirkung, die aber nicht rein künſtleriſch, ſondern
zum Teil ſenſationell iſt. Die Handlung könnte ſehr
wohl Stoff zu einem Schauerroman abgeben: Folter,
Erdolchung mit einem Tiſchmeſſer, Hinrichtung und
Selbſtmord alſo viel Grauen und Blut!
Trotzdem aber erweckt die Oper auch ein künſtle=
riſches
Intereſſe, das ja der Komponiſt der Opern La
Boheme und Madame Butterfly die nach Tosca
entſtanden ſind, von vornherein für ſich in Anſpruch
nehmen darf. Der ſtark realiſtiſche Grundzug, der
der Muſik der Bohéme eigen iſt, kommt in der Oper
Tosca in erhöhtem Maße zum Ausdruck, der Wider=
ſpruch
zwiſchen dem Sujet und der muſikaliſchen, be=
ſonders
der inſtrumentalen Behandlung, tritt hier
aber weniger in die Erſcheinung, da der veriſtiſche,
tonlich ſtark auftragende Charakter der Muſik der bis
zu den kraſſeſten Effekten geſteigerten Handlung ent=
ſpricht
. Neben den Verismen, die nicht ſelten an das
Naturaliſtiſche ſtreifen und den dramatiſchen Effekten
im Sinne der Neuitaliener dienen, enthält die Muſik
aber auch unleugbare Schönheiten intimer Art, wie
zum Beiſpiel die Anfangsſzenen des erſten Aktes
und das Duett des letzten Aktes, die indeſſen bei der
hieſigen Aufführung weniger zu ihrem Rechte kamen,
als die hochdramgtiſchen Szenen, auf deren Heraus=

arbeitung die Künſtler mehr Gewicht legten und für
die ſie ſtimmlich auch mehr beanlagt erſchienen. Das
Gefühlsmoment kam beſonders bei der Vertreterin
der Titelpartie, Eliſabeth Schulgard=Ottowo,
die über ein mächtiges Organ gebietet und ſonſt muſi=
kaliſch
ungemein ſicher und geſanglich durchaus zu=
verläſſig
iſt, etwas zu kurz. Franz Hanauer als
Cavaradoſſi ſang und ſpielte mit vielem Tempera=
ment
, ſeine wuchtige Individualität harmonierte mit
dem Charakter der Rolle. Dagegen könnte aus der
Rolle des Scarpia in darſtelleriſcher Hinſicht mehr
gemacht werden. Den Charakter des verſchlagenen
Böſewichts erſchöpfte Marian Kondracki nicht.
Durch ſchöne ſtimmliche Mittel und geſchmackvollen
Vortrag zeichnete ſich Fritz Kapitza als Meßner
aus. Die kleine Partie des Angelotti ſang Walter
Lüdtke gut.
Das Orcheſter war von der Kapelle des Leibgarde=
Inf.=Regts. Nr. 115 gebildet, das ſich ſeiner neuen Auf=
gabe
mit überraſchendem Gelingen unterzog, und wurde
vom Kapellmeiſter Rudolf Johndorff mit Umſicht
und künſtleriſcher Hingabe geleitet. Bedauerlich war,
daß man von den geſungenen Worten ſo gut wie nichts
verſtand. Es lag dies nicht allein an der ſchlechten
Akuſtik des Saales und der ungünſtigen=Aufſtellung des
Orcheſters.
Bei der Inſzenierung der Oper muß man mit den
gegebenen Verhältniſſen rechnen. Viel mehr zu machen
iſt bei den Bühnenverhältniſſen nicht. Die mancherlei
harmloſen Anachronismen, z. B. Stearinkerzen und
Hinterladegewehr zur Zeit der Folter, wollen wir der
Regie nicht weiter anrechnen.
Das Publikum nahm die Aufführung mit ſtarkem
Intereſſe auf und ſpendete nach jedem Akte ſehr leb=
haften
Beifall.

wünſchter Weiſe fortſchreiten möge, daß nicht nur
Worte geredet werden, ſondern daß wir auch Werke
zu verzeichnen haben, die eine Zierde ſind für unſer
großes deutſcher Vaterland. (Beifall.)
Regierungs= und Baurat Wagner hat zunächſt
dem Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß es
dem Vorſitzenden der Miniſterialabteilung für Bau=
weſen
, Frhr. von Biegeleben, leider unmöglich iſt, an
den Verhandlungen teilzunehmen. Im Auftrage des
Verbandes Deutſcher Architekten= und
Ingenieur=Vereine, ſowie des Mittel=
rheiniſchen
Architekten= und Inge=
nieur
=Vereins richtete Redner dann warme
Begrüßungsworte an die Verſammlung und ver=
ſicherte
, daß die von ihm vertretenen Körperſchaften
lebhaften Anteil an den Beſtrebungen der Diplom=
Ingenieure nehmen und ſie, ſoweit es mit ihren Satz=
ungen
vereinbar iſt, gern unterſtützen werden. Mit
einem herzlichen Glückauf in die Zukunft ſchloß
Redner.
Weitere Begrüßungsanſprachen hielten Direktor
Dipl.=Ing. Köſt er=Frankfurt a. M. als Vertreter
des Vereins Deutſcher Ingeniure und Pa=
tentanwalt
Dipl.=Ing. Dippel=Frankfurt namens
des Frankfurter Bezirksvereins Deutſcher Chemiker,
des Bezirksvereins Frankfurt des Verbandes Deut=
ſcher
Ingenieure und des Techniker=Verbandes.
Darauf begannen die Vorträge. Ueber
Berechtigung und Ziele des Verbandes
Deutſcher Diplon=Ingeniure
ſprach Herr Patentanwalt Dipl.=Ing. Weihe= Frank=
furt
.
Ausgehend von der Erwägung, daß alle bisherigen
techniſchen Vereinigungen es nicht vermocht haben,
einen Ingenieurſtand in Deutſchland zu ſchaffen, der
den anderen wiſſenſchaftlichen Ständen gleichgeachtet
und gleichbewertet ſich anſchließen kann, ſchilderte der
Redner, wie aus den Bedürfniſſen der Zeit heraus, ins=
beſondere
aus der Tatſache, daß trotz der bereits 1900
erfolgten Gleichſtellung von Univerſität und Techniſcher
Hochſchule das Anſehen der Jünger der Technik heute
noch ein ſehr geringes iſt, der Zuſammenſchluß aller
techniſchen Vollakademiker im Verbande Deutſcher
Diplom=Ingenieure erfolgte, der jetzt, nach etwa 1 ½jäh=
rigem
Beſtehen, bereits gegen 2000, in 30 Bezirksver=
einen
in ganz Deutſchland verteilte Mitglieder zählt.
Von dem umfangreichen Programm, das ſich der Ver=
band
geſtellt hat, wurde näher die Notwendigkeit von
Diplom=Ingenieur=Kammern, die Verſtärkung des tech=
niſchen
Elementes in den Parlamenten und in der Ver=
waltung
, ſowie der Schutz und die Anerkennung des
von der Techniſchen Hochſchule verliehnen akademiſchen
Titels Dipl.=Ing. erörtert. Den Schluß des Vortrages
bildete die an die Behörden, Profeſſoren, die Studieren=
den
und die Leiter induſtrieller Werke gerichtete Bitte,
die Beſtrebungen des Verbandes zu unterſtützen, und
die Aufforderung an alle akademiſchen Techniker jeg=
licher
Fakultät und Stellung, dem Verbande als Mit=
glieder
beizutreten und dadurch zum Wohle unſerer
Induſtrie und unſeres deutſchen Vaterlandes das An=
ſehen
und den Einfluß des deutſchen Ingenieurs för=
dern
zu helfen. (Lebh. Beifall.)
Der folgende Vortrag des Herrn Dipl.=Ing. K. F.,
Steinmetz, Lehrer am Rheiniſchen Technikum in
Bingen, behandelte ein ſpezielles Thema, nämlich
Der Diplom=Ingenieur in der Geſectz=.
Das Geſetz hat den Berufen, die ſich auf einer abge=
ſchloſſenen
Hochſchulbildung aufbauen, eine wohl berech=
nete
und durchdachte Sonderſtellung gegeben, die dieſe
Berufe freimachen ſoll von allen Hemmungen, die ihre
Leiſtungsfähigkeit beeinträchtigen könnten, ſo daß der
Staat wie auch die Volksgemeinſchaft den größtmög=
lichen
Nutzen aus dieſen Berufen ziehen kann. Dieſe
Sonderſtellung gipfelt in dem Rechte der Selbſtver=
waltung
(Aerztekammern, Anwaltskammern u. a.).
Eine einzige Ausnahme unter den akademiſchen
Ständen macht der Stand der Diplom=Inenigeure, ob=
wohl
die Ausbildung der Diplom=Ingenieure auf der
gleichen Stufe ſteht, wie die der Aerzte und Juriſten, ſie
hat ſogar bisher über den Ausbildungsgang der Zahn=
ärzte
und Tierärzte geſtanden, indem für die Ablegung
der Diplom=Prüfungen Maturität und mindeſtens acht
Semeſter Hochſchulſtudium gefordert werden. Es
nehmen heute im Geſetz die Diplom=Ingenieure eine
Stellung ein, die als eine Sonderſtellung nach unten be=
zeichnet
werden muß im Hinblick auf die Stellung der
anderen akademiſchen Berufe mit gleichartiger Vorbil=
dung
und Tätigkeit. Dieſe Sonderſtellung des Diplom=
Ingenieurs iſt gekennzeichnet durch ſeine Unterordnung
unter die Arbeitergeſetze. Redner führt aus, wie die
Einreihung der Diplom=Ingenieure unter die gewerb=
lichen
Arbeiter entſtanden iſt, und wie dieſe dazu bei=
trägt
, daß der Stand der akademiſchen Ingenieure und
mit ihnen die Techniſchen Hochſchulen nicht jene Achtung
genießen, die ihnen vermöge ihrer Bedeutung für das
wirtſchaftliche Leben zukommen müßte. Redner ſkizziert
dann in kurzen Strichen die Stellung der Diplom= In=
genieure
in der zukünftigen Rechtsordnung, wie ſie vom
Verbande angeſtrebt wird. Dieſelbe ſoll analog der
Stellung der anderen wiſſenſchaftlichen Berufe ſein, ſo
daß im Mittelpunkte des zu ſchaffenden Rechtes die
Diplom=Ingenieur=Kammern ſtehen, durch die die
Diplom=Ingenieure ihre Beziehungen zu Staat und
Oeffentlichkeit ſelbſt regeln können. Eine Hauptauf=
gabe
dieſer Kammern wird auch die Ausübung der
Ehrengerichtsbarkeit ſein müſſen. Dem Stand
der Diplom=Ingenieure und den Techniſchen Hochſchulen
die höchſte Achtung zu verſchaffen zu Nutz und Frommen
des deutſchen Vaterlandes, iſt Aufgabe des Verbandes
Deutſcher Diplom=Ingenieure. (Lebh. Beifall.)
Regierungs= und Baurat Dr. Wagner hob gegen=
über
dem erſten Referenten die Verdienſte der älteren
Verbände hervor, die zu unterſchätzen er warne.
Nach einem
Schlußwort
des Patentanwalts Dipl.=Ing. Münch=Mannheim
als Vertreter des Vorſtandes des Verbandes Deutſcher
Diplm=Ingenieure in Berlin, in dem beſonders den
Vereinen Dank geſagt wurde, die den erſten Diplom=
Ingenieur=Tag vorbereiten halfen, wurden die offizi=
ellen
Verhandlungen geſchloſſen.
Nachmittags fanden nach einem gemeinſamen Feſt=
mahl
im Hotel Heß Beſprechungen interner Ange=
legenheiten
ſtatt. Den Beſchluß des erſten Diplom=
Ingenieur=Tages bildete ein geſelliges Beiſammenſein.

Der Moabiter Krawallprozeß.
Berlin, 2. Dez. Die heutigen Verhandlungen
im Moabiter Krawallprozeß drehten ſich zunächſt um den
Fall des Angeklagten Weiß, der von der Anklagebehörde
zu jeuer Gruppe von Tumultuanten gerechnet wird, die

[ ][  ][ ]

Seite 6e

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Nummer 285.

den Krawall durch Hinunterwerfen von Blumentöpfen,
Steinen, Holzteilen uſw. aus den Fenſtern der Häuſer in
der Beußel=, Wieleſ= und Huttenſtraße verſtärkten. Der
Angeklagte wohnt in dem Hauſe Wiclefſtraße 31 und hat
einen Balkon an ſeiner Wohnung. Er will am Tage der
Tat ruhig an ſeinem Schreibtiſch geſeſſen haben, während
eine Nachbarsfrau, die Zeugin Oberländer, vor dem Un=
terſuchungsrichter
ausgeſagt hat, ſie habe auf ihrem Balkon
geſtanden und deutlich geſehen, wie Weiß aus ſeiner in
der dritten Etage belegenen Wohnung bezw. vom Balkon
herab einen Blumentopf auf die Schutzleute hinunterge=
worfen
habe, die die in derWielefſtraße angeſammelten Men=
ſchenmaſſen
zu zerſtreuen ſuchten. Der Angeklagte Weiß
bleibt jedoch dabei, daß die Zeugin ihn wider beſſeres
Wiſſen beſchuldige. Die Verhandlung wendet ſich dann
dem Fall des Angeklagten Wand zu, der in der Nacht zum
28. September in der Oldenburger Straße ſeinen Spazier=
ſtock
in eine Straßenlaterne geworfen hat, um dieſe zu
zertrümmern. Mit Wand zuſammen ſoll der nächſte An=
geklagte
Schultz gegangen ſein und einen Stein in eine an=
dere
Laterne geworfen haben. Er gibt dies zu, während
der Angeklagte Wand leugnet. Den Schluß der heutigen
Verhandlung bildeten weitere Feſtſtellungen über das
Gebaren der verſchiedenen Angeklagten an den Krawall=
tagen
, worauf die Weiterverhandlung auf morgen früh
vertagt wurde.
3. Dezember. Zu Beginn der heutigen Sitzung
ergreift der Erſte Staatsanwalt das Wort: Es ſind
hier in dieſem Prozeß eine große Anzahl Zeugen ver=
nommen
worden, die über das Verhalten der
Polizei in Moabit eingehende Ausſagen gemacht
haben. Dieſe Ausſagen waren zum Teil für die Polizei
ungünſtig. Es haben ſich nun im Verlaufe dieſes
Prozeſſes eine große Anzahl Perſonen bei mir gemeldet,
etwa 70 an der Zahl, die bekunden werden, daß die
Schutzleute ſich korrekt verhalten haben. Ich beantrage
vorläufig die Ladung von 42 Zeugen, deren Namen ich
hiermit dem Gericht übergebe. Außerdem beantrage ich
die Vernehmung des Geſchäftsführers Borchardt, der
Bekundungen machen wird über das Verhalten der
Arbeitswilligen zu den Streikenden. Ueber dasſelbe
Thema beantrage ich, noch einen Zeugen Richter zu ver=
nehmen
. Das Gericht beſchließt, alle dieſe Zeugen zu
laden. Sodann wird in der Erörterung der einzelnen
Anklagefälle fortgefahren.

Fürſtenbeſuch am Großherzoglichen Hofe.
St. Am Samstag vormittag trafen der Herzog
Johann Albrecht zu Mecklenburg, Regent
des Herzogtums Braunſchweig, und ſeine Gemahlin, Her=
zogin
Eliſabeth zur Abſtattung des Antrittsbeſuches
beim Großherzogspaar von Heſſen hier ein. Dem Her=
zogspaar
wurde am Bahnhof der bei regierenden Fürſten
übliche große Empfang zuteil, der bekanntlich beim
heſſiſchen Hofe beſonders feſtlich und pomphaft iſt. Eine
zahlreiche Menſchenmenge hielt die fahnengeſchmückte
Rheinſtraße und den Platz vor dem Bahnhof beſetzt, um
das farbenfrohe, lebendige Bild des Einzugs zu ſchauen.
Zur Begrüßung am Bahnhofe hatten ſich eingefun=
den
: Se. Exz. der Herr Staatsminiſter Dr. Ewald,
Provinzialdirektor Fey, Oberbürgermeiſter Dr. Gläſ=
ſing
, die Generalität und viele Offiziere der Garniſon,
ſowie die oberſten Hofchargen. Auf dem Bahnſteig hatte
eine Ehrenkompagnie des Leibgarde=Regiments Nr. 115
in Kriegsſtärke in Paradeuniform Aufſtellung genommen,
die unter dem Kommando des Hauptmanns Frhrn. von
Lehmann ſtand. Auf dem rechten Flügel der Ehren=
kompagnie
, die mit Fahne und Regimentsmuſik, ſowie den
Bataillonsſpielleuten erſchienen war, verſammelten ſich
die Generäle, an der Spitze Se. Exzellenz der Diviſions=
kommandeur
Frhr. von Strantz, ſowie die Stabsoffi=
ziere
und der zum Ehrendienſt bei Seiner Hoheit kom=
mandierte
Oberſt von Müller, Kommandeur des
Großh. Artilleriekorps Nr. 25. Auf dem Bahnhofsplatz
ſtand eine Eskadron des Garde=Dragoner=Regiments
Nr. 23 unter Rittmeiſter und Eskadronschef von
Schmelzing und Wernſtein.
Gegen 10¼ Uhr erſchien das Großherzogspaar
mit Gefolge: Oberhofmeiſterin Freiin von Grancy, die
Hofdamen von Rotsmann und von Bellers=
heim
, Generaladjutant Generalmajor Hahn, die Flü=
geladjutanten
Frhr. v. Maſſenbach und v. Schroe=
der
, Kammerherr Freiherr von Leonhardi u. a. Der
Großherzog trug die Uniform ſeines Leibgarde=
Regiments mit den Abzeichen des Generals der Infan=
terie
, dazu die Kette des Goldenen Löwenordens und das
breite hellblaue Band des Mecklenburgiſchen Or=
dens
der Wendiſchen Krone. Die Großherzogin
hatte ein einfaches dunkelgrünes Koſtüm mit ſchwarzem
Krimmerbeſatz angelegt und trug dazu ſchwarzen Hut mit
großer weißer Straußenfeder.
Pünktlich um 10,20 Uhr lief der Schnellzug in den
Bahnhof ein. Die Großherzoglichen Herrſchaften traten
auf den Bahnſteig heraus und die Regimentsmuſik in=
tonierte
die Nationalhymne. Die hohen Herrſchaften be=
grüßten
ſich ſehr herzlich. Der Herzog=Regent trug die
Uniform des Braunſchweigiſchen Huſaren=Regiments
Nr. 17 mit Generalsabzeichen. Er ſteht bekanntlich als
preußiſcher General der Kavallerie à la suite des Leib=
garde
=Huſaren=Regiments. Der Herzog hatte dazu das rot=
ſchwarze
Band des heſſiſchen Ludewigsordens ange=
legt
. Herzogin Eliſabeth hatte ein olivgrünes Reiſe=
koſtüm
angelegt und trug dazu eine Nerzgarnitur, das
Barett mit Reiherfeder geſchmückt. Im Gefolge des Her=
zogspaares
befanden ſich Oberhofmeiſterin Gräfin von
Baſſewitz, Exzellenz, Hofdame Gräfin von Wedel,
Hofmarſchall von Rantzau, fungierender Oberhof=
meiſter
, und Flügeladjutant Oberleutant von Grone.
Nach der Begrüßung ſchritten der Großherzog und
Herzog Johann Albrecht die Front der Ehrenkompagnie
ab, worauf Parademarſch folgte. Dann begaben ſich
die hohen Herrſchaften durch den Fürſtenpavillon zu den
draußen harrenden Galawagen. Dieſe waren in
üblicher Weiſe à la Daumont beſpannt und wurden vom
Sattel aus gefahren, während je zwei Spitzenreiter
vorweg trabten. Die Geſpanne trugen die bekannten
koſtbaren Silbergeſchirre aus dem Großh. Marſtalle.
Im erſten Wagen nahmen der Großherzog und Herzog
Johann Albrecht, im zweiten die beiden fürſtlichen
Damen Platz. Zwei Züge der Ehreneskorte ſetzten ſich
an die Spitze und zwei Züge folgten dem zweiten Gala=
wagen
, die im Trabe durch die Rheinſtraße zum Reſi=
denzſchloſſe
fuhren. Das Publikum bereitete den
beiden Fürſtenpaaren lebhafte und herzliche Ovationen.
Der fürſtliche Beſuch nahm im Reſidenzſchloſſe Woh=
nung
.
Herzog Johann Albrecht empfing mittags ½1 Uhr
eine zu ſeiner Begrüßung erſchienene Abordnung der
Abteilung Darmſtadt der Deutſchen Kolonialge=
ſellſchaft
, deren Pröſident der Herzog bekanntlich iſt
beſtehend aus dem Vorſitzenden Inſtizrat Grüne=
wald
und den Vorſtandsmitgliedern Generalleutnant

von Beaulien, Generalmajor von Lyncker und
Major Maaß.
Nachmittags fand im Weißen Saale des Reſidenz=
ſchloſſes
Galatafel ſtatt, zu der 53 Gedecke aufgelegt
waren.
Nach der Galatafel war Feſtvorſtellung im Hof=
theater
, der die höchſten Herrſchaften in der großen Mittel=
loge
beiwohnten. Als ſie die Hofloge betraten, brachte
Herr Generaldirektor Geh. Hofrat Werner ein dreimaliges
Hoch auf den Herzog=Regenten und ſeine hohe Gemahlin
aus, worauf die Nationalhymne geſpielt wurde, die das
Publikum ſtehend anhörte. Der Großherzog trug die
Uniform des Leibgarde=Inf.=Regts., der Herzog die des
braunſchweigiſchen Huſarenregiments, die hohen Damen
trugen Kleider in Mattroſa und reichen koſtbaren Brillant=
ſchmuck
.
Auch der Bonifacius=Aufführung am Sonntag,
die als Volksvorſtellung zu ermäßigten Preiſen und bei
faſt ausverkauftem Hauſe ſtattfand, wohnten die Groß=
herzoglichen
und Herzoglichen Herrſchaften bei, die dies=
mal
in den Parterrelogen zur Rechten der Bühne Platz
genommen hatten.

Stimmen aus dem Publikum.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion
keinerlei Verantwortung; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des
Preßgeſetzes in vollem Umfange der Einſender verantwortlich.)
In den hieſigen Blättern äußert ſich
eine angeblich zuſtändige Stelle über die Frage des
Oktroi auf Wildbret und Geflügel. Dieſen Ausführungen
gegenüber muß auf folgendes hingewieſen werden: Es
kommt bei der Frage, ob die Stadt Darmſtadt zu Recht
oder Unrecht auf Wildbret und Geflügel Oktroi erhebt,
abſolut nicht darauf an, wie die Stadtverwaltung darüber
denkt, was die Stadtverwaltung bei der Aufrechterhaltung
dieſer Oktroiabgabe gedacht und gewollt hat, am aller=
wenigſten
darauf, ob eine größere oder kleinere Anzahl
von Einwohnern dieſe Abgabe beſeitigt wiſſen will, ob
dieſe Intereſſenten wohlhabend ſind oder nicht und ob
deren Beſtrebungen von einem Teil der Preſſe gefördert
werden, ſondern einzig und allein auf die
Rechtsfrage, ob dieſe Oktroiabgabe ge=
genüber
einem Reichsgeſetz, dem Zoll=
tarifgeſetz
, Beſtand hat oder nicht. Dieſe
Frage kann aber nur gerichtlich ausgetragen werden, und
dies wird auch für das Gebiet des Großherzogtums ge=
ſchehen
, ſobald unſer Oberlandesgericht in dieſer Sache
entſchieden haben wird. Alle Stimmungs=
macherei
für oder gegen dieſe Abgabe iſt
mithin völlig zwecklos. Stimmungsmacherei
aber iſt es, wenn die zuſtändige Stelle von einer Ent=
laſtung
der Reichen (eine angeſichts der dermaligen
Fleiſchpreiſe ganz falſche Behauptung) ſpricht und die
ihre Zuſtändigkeit ſtark erſchütternde Behauptung auf=
ſtellt
, es ſeien in dieſer Frage bisher nur mittelinſtanz=
liche
Urteile ergangen, während ſie ſchon aus der Zeitung
wiſſen ſollte, daß bereits eine ganze Anzahl höchſtrichter=
licher
Entſcheidungen vorliegt.

Wahlen in England.
* London, 3. Dez. Bis 1 Uhr 15 Min. nachmittags
waren gewählt ohne Gegenkandidaten 13 Liberale, 27
Unioniſten und 4 Redmondiſten. Unter den Gewählten
befindet ſich John Redmond.
* London, 3. Dez. Bis 4½ Uhr waren ohnn
Oppoſition gewählt 17 Liberale, 33 Konſervakive 5 An=
hänger
Redmonds.
* London 3. Dez. Bis 9 Uhr 30 abends waren
gewählt: 23 Liberale, 35 Konſervative und 5 Nationa=
liſten
. 1 Die Liberalen gewannen einen Sitz, die Konſer=
vativen
ebenfalls.
* London, 3. Dez. 10.15 N. Gewählt ſind bis
jetzt 30 Liberale, 47 Konſervative, 3 Kandidaten der
Arbeiterpartei, 5 Anhänger Redmonds.. Die Liberalen
gewannen einen Sitz, die Ksnſervativen ſechs.
* London, 3. Dez. 10.45 N. Gewählt ſind
bis jetzt 40 Liberale, 54 Konſervative, 6 Mitglieder der
Arbeiterpartei und 5 Remondiſten Die Liberalen ge=
wannen
zwei, die Konſervativen ſechs Sitze. Miniſter
Birell iſt in Briſtol wiedergewählt.
* London, 3. Dez. 11.15 N. Gewählt ſind
44 Liberale 57 Konſervative, 6 Mitglieder der Arbeiter=
partei
, 5 Anhänger Redmonds. Die Liberalen gewannenr
zwei, die Konſervativen ſechs Sttze.
* London, 3. Dez. 11.30 N. Gewählt ſind
47 Liberale, 60 Konſervative, 7 Mitglieder der Arbeiter=
partei
und 5 Redmondiſten. Die Liberalen gewannen
drei, die Konſervativen ſechs Sitze.
* London, 4. Dez. 2.30 N. In Exter wurde der
Liberale Gain mit 4 Stimmen Mehrheit gewählt.
Es ſind nunmehr gewählt: 51 Liberale, 62 Konſervative,
7 Mitglieder der Arbeiterpartei und 5 Redmondiſten. Die
Liberalen gewinnen 4, die Unioniſten 7 Sitze.

Darmſtadt, 5. Dezember.
Jagdausſtellung. Die definitive Abrechnung der
im April hier veranſtalteten Jagdausſtellung konnte erſt
fertig geſtellt werden, nachdem der Jagdſchutzverein ſeine
Herbſtverſammlung abgehalten hatte. Die Rechnung iſt
nun abgeſchloſſen und ergibt einen Ueberſchuß von
faſt 1000 Mark. Dieſer Ueberſchuß fließt in den Fonds
des Heſſiſchen Jagd=Klubs zur Unterſtützung der Hinter=
bliebenen
von im Jagdſchutzdienſt verunglücktem Jagd=
und Forſtperſonal.

n. Guſtavsburg, 4. Dez. Durch einen eigenartigen
Unfall büßte eine hieſige ältere Frau das Leben ein.
Vor kurzem war ſie im Lehnſtuhl am Ofen ſitzend ein=
geſchlafen
, fiel gegen den Ofen und ſetzte dadurch ihre
Kleidung in Brand. Den erlittenen Brandwunden iſt
die Unglückliche nunmehr geſtern nachmittag im Rochus=
ſpital
zu Mainz trotz aller ärztlichen Bemühung en erlegen

Jetzte Nachrichten.
(Wolffs telegr. Korreſp.=Burean.)
* Berlin, 3. Dez. Bei vier Familien in der Box=
hagener
Straße in Berlin ſind nach dem Genuß von
Margarine, die ſich eine dieſer Familien in einem
Zehnpfundpaket aus den Altonger Margarinewerken von
Mohr & Ko. in Altona=Ottenſen hatte ſchicken laſſen, mehr
oder minder ſchwere Erkrankungen vorgekommen,
deren Urſache zurzeit noch in dem Inſtitut für Infektions=
krankheiten
genau ermittelt wird.
* Berlin, 4. Dez. Nach dem Genuß von Backa
Margarine von der Firma Mohr & Ko. erkrank=
ten
in Spandau in der Achenbachſtraße drei Kinder der
Famile Kiesland unter Vergiftungserſcheinungen leicht.
* Berlin, 4. Dez. Seit längerer Zeit glaubt ſich der
Ordinarius der Nationalökonomie an der hieſigen Univer=
ſität
, Profeſſor Bernhard, durch mehrere Kollegen in
ſeiner Lehrfreiheit behindert. Infolge perſön=

licher Konflikte, die ſich daraus ergeben haben, hat ein
Profeſſor der philoſophiſchen Fakultät, wie es heißt, Pro=
feſſor
Sering, ihn zum Zweikampf herausgefordert. Man
glaubt, das Duell werde nicht zur Ausführung gelangen.
* München, 4. Dez. Kunſtmaler und Profeſſor der
Kgl. Akademie der Künſte Ludwig v. Löfftz iſt geſtern
geſtorben.
Profeſſor Ludwig von Löfftz war einer der
größten und anerkannteſten heſſiſchen Künſtler. Er war
1845 in Darmſtadt geboren als Sohn des Hoftapezie=
rers
und Tapetenfabrikanten L. Er erhielt ſeine Ausbil=
dung
auf dem Gymnaſium zu Darmſtadt und im Inſtitut
Schmitz, ſtudierte als Maler in Nürnberg, Darmſtadt,
München (bei H. Hofmann, Raupp, Kreling, Dietz). Seit
1874 Lehrer und Profeſſor an der Kgl. Akademie der bil=
denden
Künſte in München, war Löfftz auch einige Jahre
Direktor dieſer Akademie und beſaß eine eigene Mal= und
Komponierſchule. Werke Löfftz’ finden ſich in der Pina=
kothek
München, in den Galerien Stuttgart und Frank=
furt
a. M. Auf der Ausſtellung Darmſtadt 1908 war
Löfftz u. W. ebenfalls vertreten.
* Landshut (Bayern), 4. Dez. Auf dem Heimweg
vom Wirtshaus gerieten in der vergangenen Nacht zwei
Tagelöhner in Streit, der in Tätlichkeiten ausartete.
Dabei wurde einer durch einen Stich ins Herz ge=
tötet
, während der andere durch einen Stich in die
Lunge tödlich verletzt wurde.
* Stuttgart, 4. Dez. Wegen Spionageverdachts
wurde geſtern der franzöſiſche Kapitän Lux in Friedrichs=
hafen
von der Polizei verhaftet und hierher gebracht.
Derſelbe wird heute dem hieſigen Amtsgericht vorgeführt
werden, das darüber zu entſcheiden hat, ob ſeine Feſtnahme
aufrecht erhalten bleibt.
* Rudolſtadt, 3. Dez. Da bei der heutigen Land=
tagsſitzung
vor der Abſtimmung über das Wahl=
geſetz
die ſieben ſozialdemokratiſchen Abgeordneten der
Sitzungsſaal verließen und infolgedeſſen der Landtag
beſchlußunfähig wurde, erklärte Staatsminiſter Freiherr
v. Recke, daß die Verhandlungen keinen Zweck mehr
hätten. Er vertagte infolgedeſſen im Namen des Fürſten
den Landtag.
* Bremen, 3. Dez. Der Sonderzug mit der
Leiche des Präſidenten von Chile, Montt,
traf heute früh 8 Uhr 10 Min. hier ein. Im Zuge befan=
den
ſich Mitglieder der Militärkommiſſion in Berlin, Ge=
neralleutnant
Pein, Konſul Schmidt=Berlin, ſowie
der Führer der chileniſchen Abordnung. Um 11 Uhr trafen
die Herren im Freihafen ein, wo die Trauerfeier ſtatt=
fand
. Erſchienen waren unter anderen: der Chef der
Marineſtation der Nordſee Admiral Graf Baudiſſin
im Auftrage des Kaiſers, Vertreter des Senats mit dem
Bürgermeiſter Dr. Pauli an der Spitze und der Komman=
deur
des Infanterie=Regiments Nr. 75, Oberſt v. Weber.
Die Kapelle des Infanterie=Regiments ſpielte den Trauer=
marſch
von Beethoven. Die Leiche wurde dann von Un=
teroffizieren
des Infanterie=Regiments Nr. 75 vor den
Altar getragen. Pfarrer Völker hielt die Trauerrede. Die
Feier ſchloß mit einem Chorgeſang. Durch chileniſche
Offiziere erfolgte dann die Ueberführung der Leiche nach
dem Schiff. Infolge des anhaltenden Oſtwindes haben
ſich die Waſſerverhältniſſe ſo ungünſtig geſtaltet, daß der
Kreuzer Blanco Encalada die für heute angeſetzte Aus=
reiſe
nicht antreten konnte. Das Schiff iſt wieder nach
ſeinem alten Ankerplatz im Werfthafen zurückgekehrt und
liegt zur ſofortigen Abreiſe bereit.
Leipzig, 3. Dezbr. Wie der Leipziger Abend=
zeitung
von zuverläſſiger Seite mitgeteilt wird, erklärte
ſich Profeſſor Nikiſch auf Wunſch des Direktoriums des
Gewandhauſes bereit, den an ihn ergangenen Ruf als
Operndirektor an das Wiener Hofburgtheater abzu=
lehnen
.
Nenſtadt i. Holſt., 4. Dez. Das Segelſchiff Anna
Chriſtine Kapitän Hagelſtein, von der Firma Pel=
terſen
in Neuſtadt in Holſtein, iſt in der vergange=
nen
Nacht im Oſtſturm vor der Hafeneinfahrt von Neu=
ſtadt
leck geſprungen und geſunken. Der Kapitän
und drei Mann der Beſatzung ſind ertrunken. Die
Leichen wurden noch nicht gefunden.
* Turin, 4. Dez. In Gegenwart des Unterrichts=
miniſters
Credaro wurde heute hier die erſte inter=
nationale
Ausſtellung für weibliche
Kunſt eröffnet. Außer Italien ſind Deutſchland, Oeſter=
reich
=Ungarn, Belgien, Frankreich und die Niederlande
auf der Ausſtellung vertreten.
* Rom, 3. Dez. Cammarotta unternahm mit dem
Pionier Caſtellani auf dem Flugfelde von Centocelle einen
Aufſtieg mit einem Zweidecker. Als er ſich in großer
Höhe befand, ſtürzte das Flugzeug plötzlich herab. Caſtel=
lani
war ſofort tot, Cammarotta wurde ſterbend

ins Lazarett geſchafft.
* Rom, 3. Dez. Der tödliche Sturz des Inge=
tieurs
Cammarotta und des Soldaten Caſtellani iſt
durch einen Motordefekt des Farmanapparates ver=
rſacht
worden. Die beiden Leichen ſind im Hoſpital
aufgebahrt, wo ſich Oberſt Morris und andere Offiziere
es Ingenieurkorps einfanden.
* Corunna, 4. Dez. Das Segelſchiff Princeſa
ina mit 12 Matroſen unter; nur der Eigentümer des
Schiffes rettete ſich durch Schwimmen.
* Brüſſel, 4. Dez. Wie der heute ausgegebene
rankheitsbericht beſagt, iſt der Geſundheitszuſtand der
önigin befriedigend. Die Patientin hat meh=
ere
Stunden in der Nacht ohne Fieber verbracht.
* Paris, 4. Dez. In der Nähe von Le Mans wurde
bei einem Eiſenbahnübergang heute nacht ein Automobil,
n welchem ſich die Gräfin de Nicolay und deren 26jähriger
Sohn Chriſtian befanden, von dem Pariſer Expreßzuge
rfaßt und vollſtändig zertrümmert. Die Gräfin, ihr
Sohn und der Chauffeur wurden auf der Stelle getötet.
* Paris, 4. Dez. Heute nacht riß oberhalb Nantes
nfolge Hochwaſſers ein als Eiſenbahndamm die=
tender
Berg. Sechs Dörfer wurden von den Fluten
überſchwemmt.
* Liſſalon, 4. Dez. Infolge heftiger Regengüſſe iſt
e Böſchung des Eiſenbahndammes der Linie Cintra=
iſſabon
, während ſie ein Zug paſſierte, einge=
ürzt
. Mehrere Paſſagiere wurden verletzt.
* Oporto, 4. Dez. Der Streik der Eiſen=
ahnangeſtellten
in den Provinzen Minho und
ouro iſt beendet. Die Arbeit iſt allgemein wieder
ufgenommen, der Dienſt geht regelmäßig von ſtatten.
er Streik der Gasarbeiter wird morgen endigen.

* Berlin, 3. Dez. Das Befinden der Kaiſerin,
die in den letzten Tagen an einer Ohrenentzündung er=
krankt
iſt, hat ſich weſentlich gebeſſert. Sie hat infolge=
deſſen
den Verband entfernt und hütet nur noch das
Zimmer.
Berlin, 3. Dez. Der Magiſtrat beſchloß heute ovr=
mittag
, das Schennenviertel an die Neue Boden=
aktien
=Geſellſchaft für 6700000 Mark zu verkaufen.
Breslau, 3. Dez. In der ruſſiſchen Ortſchaft Olgins=
kafe
bei Roſtow wurden durch Großfeuer 314 Häuſer

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Seite 7.

eingeäſchert, 6 Perſonen ſind in den Flammen unge
kommen.
* Köln, 3. Dez. Wegen Veruntreuung von
600000 Mark wurde heute nachmittag der Notar Juſtiz=
rat
Güntzer aus Kempten verhaftet. Die Krefelder
Staatsanwaltſchaft hatte gegen ihn einen Haftbefehl er=
laſſen
, weil er geflüchtet war. Seit geſtern befand er ſich
in einem Kölner Hotel. Bei ſeiner Feſtnahme brachte er
ſich in ſelbſtmörderiſcher Abſicht einen Schuß in den Kopf
bei, ſodaß er ſchwer verletzt zunächſt ins Krankenhaus
geſchafft werden mußte.

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Heute Nacht 3 Uhr verſchied nach langem
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Elisa Wirthwein.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Helene u. Chr. Wirthwein.
Darmſtadt, den 3. Dezember 1910.
Die Beerdigung findet Dienstag, den 6. Dez.,
nachmittags 3 Uhr, vom Portale des Darm=
ſtädter
Friedhofes aus, ſtatt.

Todes-Anzeige.
(Statt besonderer Mitteilung.)
Dem Herrn über Leben und Tod hat es gefallen, heute mittag 4 Uhr meine
innigstgeliebte, treue Frau, unsere gute, liebe, treubesorgte Mutter, Schwester,
Schwägerin, Tante und Schwiegermutter
(23492
Frau Elisabeth Hornung
geb. Dehn
im 52. Lebensjahre nach kurzem, schwerem, doch in Geduld ertragenem Leiden,
zu sich in sein himmlisches Reich abzurufeu.
Im Namen der tieftrauernden Hinterbliebenen:
Georg Hornung.
Darmstadt, am 3. Dezember 1910.
Heidelbergerstrasse 90.
Die Beerdigung findet statt: Dienstag, 6. Dezember, nachmittags 3 Uhr, von der Kapelle des
städtischen Friedhofes aus.

Todes-Anzeige.
(Statt jeder beſonderen Anzeige.)
Geſtern ſtarb nach kurzem Krankenlager
Herr Sanitätsrat
Dr. Ludwig Völcker
im 71. Lebensjahre.
(23489
Arheilgen und Darmſtadt,
den 5. Dezember 1910.
Frau Dr. Völcker, geb. Moore.
Karl Bögel, Mil.=Intendanturſekretär.
Klara Bögel, geb. Völcker.
Theodor Bögel.
Die Beerdigung findet Dienstag, den 6. d. M.,
nachmittags 3 Uhr, in Arheilgen ſtatt.
Kondolenzbeſuche dankend verbeten.

Todes-Anzeige.
Heute Morgen 2½ Uhr verſchied nach
kurzem Leiden mein innigſtgeliebter Gatte,
Schwager und Onkel
(23488
Herr Adam Dietrich
Diener.
(Um ſtille Teilnahme bitten
im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Dorothea Dietrich, geb. Kramer.
Darmſtadt, 3. Dezember 1910.
Die Beerdigung findet Montag nachmittag
2½ Uhr, von der Leichenhalle des Beſſunger
Friedhofs aus, ſtatt.

Städtiſche Beke und Bücherhall, Dauſenſt. 30.
Die Leſehalle iſt geöffnet an Wochentagen von
102 und von 69½ Uhr, Sonntags von 111 und
von 59 Uhr. Büche rausgabe findet ſtatt an jedem
Wochentage von ½11 bis ½1 Uhr und abends von
6 bis 9½ Uhr.

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Heute früh erlöſte der Tod unſeren lieben
Gatten und Vater von ſeinem langen ſchweren
(23490
Leiden.
Im tiefſten Schmerz
Familie Laskowski.
Darmſtadt, den 4. Dezember 1910.
Die Beerdigung findet Dienstag, den 6. Dez.,
nachmittags 2 Uhr, vom ſtädtiſchen Kranken=
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aus, ſtatt.

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(Hauptprobe vormittags 10 Uhr).
Vorſtell ung um 8¼ Uhr im Orpheum.
Vortrag von Privatdozent Dr. Gaſſer um 8¼ Uhr
im Kaiſerſaal (Luftflottenverein).
Vortrag des Evangeliſten Veller um 4 und 8½ Uhr
Rheinſtraße 2.
Verſammlung der Vereinigten Geſellſchaft um 6 Uhr
in den oberen Geſellſchaftsräumen.
Monatsverſammlung des Vereins für Vogel= und
Geflügelzucht um 9 Uhr in der Krone‟.
Konzert um ½ 8 Uhr im Bürgerkeller.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
Ausſtellung von Bildern und Büchern Waldſtr. 33
(geöffnet von 37 Uhr).
Vorſtellung um 8 Uhr im Reſidenztheater.
Verſteigerungskalender.
Dienstag, 6. Dezember.
Faſelochs=Verſteigerung um 11½ Uhr auf der
Bürgermeiſterei Nieder=Ramſtadt.

Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei.
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldaeſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: Mar Streeſe;
für den Inſeratenteil: Jt. Kroſt, ſämtlich in Darmſtadt.
Für den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind
an die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen, nachträgliche werden
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden nicht.
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Roman von K. v. d. Eider.
(Nachdruck verboten.)
25)
Rolf ſchwieg. Er hatte ſeit jenem Tage, da er an
Antjes Treuloſigkeit glauben mußte, kein Weib wieder
lieb gewinnen können. Die Mädchen waren ihm gleich=
gültig
; es war ihm auch egal, ob Rethwiſchhof eine
Herrin bekam, ob das Geſchlecht weitergepflanzt wurde
oder nicht. Aber freilich, wenn die Mutter mal ſterben
ſollte, wurde es anders; daß er dann mit lauter Dienſt=
boten
hauſen ſollte, war ihm ein ungemütlicher Gedanke.
Er ſah die Mutter aufmerkſam an. Sie ſah wirklich
jämmerlich aus. Ihre Hautfarbe war fahlgrün; überall
traten die Knochen ſcharf unter der Haut hervor.
Er ſah wohl ein, daß es nicht lange mehr ſo weiter
ging. Die Hauswirtſchaft hatte ſſchon längere Zeit
gelitten. Die Mägde verſtanden kaum eine ordentliche
Mahlzeit zu kochen. Die Wäſche wurde ſchlecht gewaſchen
und kam oft unausgebeſſert in den Schrank. Im Hühner=
ſtall
herrſchte keine Ordnung; die Kälber wollten nicht ge=
deihen
, ja, ſelbſt die Butter von Rethwiſchhof büßte ihren
alten Ruhm ein. Ueberall fehlte die kräftige, leitende
Hand der Hausfrau. Einen Augenblick lang kam Rolf der
Gedanke an Antje. Er ſchüttelte ihn ab, wie er ihn oft
abgeſchüttelt hatte. Er wollte nicht an ſie denken, ſelbſt
micht, wenn ſeine Mutter geſtorben und er ein freier Mann
wäre, Ein=Weib, das mit jedem Manne kokettierte, konnte

Aie c enen en en ſe ir en
wäre. Antje würde ſich auch längſt getröſtet haben.
Der Gedanke an das Kind kam ihm niemals. Er
hatte nie davon gehört; es war ihm nie in den Weg ge=
kommen
.
Die Mutter hatte noch viel zu ſchmieden. Rolf hatte
einen zu harten Kopf. Eine nette Deern, die Karline,
hob ſie ein andermal an, gar nicht häßlich und dabei ſo
ehrbar; die macht ihrem Mann mal keine Flauſen vor.
Ihr würdet fein zueinander paſſen.
Rolf dachte nach. Ja, häßlich war ſie gerade nicht,
auch nicht roh und ungeſchliffen und wieder nicht über=
freundlich
. Sie kam mindeſtens zweimal in der Woche,
um ſich nach der Mutter Befinden zu erkundigen; das
zeugte gewiß von einem guten Herzen. Ja, die Mutter
hatte recht; es mochte Schlechtere geben, und wenn er
einmal heiraten mußte, dann war es wohl gleichgültig,
ob er dieſe oder eine andere heiratete.
Eines Nachmittags kam Karline Peters wieder zu
Frau Anderſen und brachte ihr ein Rezept gegen Magen=
ſchmerzen
. Sie mußte bleiben und Kaffee trinken. Als
Rolf ſpäter hinausging, ſagte die Mutter: Das wäre ein
Mann für Dich, Karline!
Das Mädchen ſchüttelte mit zweifelnder Gebärde den
Kopf.
Was macht ſich Rolf wohl aus mir.
Na, paß man auf, er wird ſchon mal anbeißen.
Dann halt Du ihn man ordentlich feſt, mein Deern.

Das uiſt icht Kauhne unſanie hre bileindei
ſo feſt mit ihren ſpitzen Fingern, daß ſie zerbrach.
Nicht lange danach traf Rolf eines Abends Kar=
line
allein. Ihr Vater wäre mal über die Fennen ge=
gangen
, ſagte ſie, und Mutter hätte noch einen Augen=
blick
mit dem Butterklopfen zu tun. Sie müßten aber
gleich kommen. Karline ſaß auf der Sonnenbank vor
der Tür, von wo aus man über die Werfte blickte; ſie
rückte bei dieſen Worten ein Ende weiter, was für
Rolf eine Aufforderung war, Platz zu nehmen.
Er ſetzte ſich. Sein Blick ſchweifte umher. Es ſaß
ſich gut hier draußen im Grünen, wo man den ſchwer=
fälligen
Gang der Ochſen und den Flug der Kibitze be=
obachten
konnte. Still und friedevoll war es rings=
umher
. Er lebte ordentlich auf, nachdem er ſtunden=
lang
die düſtere Krankenſtubenluft Rethwiſchhofs ge=
atmet
hatte. Sein Blick glitt über Karline hin, die die
Maſchen an ihrer Häkelarbeit zählte. Es freute ihn
heimlich, daß ſie auch ſo etwas machen konnte, was er
früher nur bei Antje geſehen hatte, wie flink und zier=
lich
ihre Finger ſich bewegten! Sie ſahen gar nicht dick
und rot aus wie die der Dienſtdeerns. Sein Blick ging
weiter und blieb auf ihrem Haar haften, auf das gerade
etwas von dem Glanze der untergehenden Sonne fiel.
Ihm wurde eigen und warm ums Herz. O, wenn dies
Mädchen es verſtände, den Sonnenſchein hineinzutra=
gen
auf Rethwiſchhof!
In dieſem Angenblick hob Karline den Kopf und
ſah ihn freundlich und lächelnd an. Ihre Augen forſch=

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[ ][  ][ ]

Seite 10.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Nummer 285.

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ſohle
Mk. 2.25
Filzſtraßenſtiefel, Lederbeſatz, M. 3.50

Herren
Hausſchläppchen von 30 Pf. an
Hausſchuhe, gefüttert, von 90 Pf. an
Filzſchuhe, warmes Futter, M. 1.20
Lederhausſchuhe Mk. 2.25
Filzſchnallenſtiefel, Filz= und Leder=
ſohle
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Filzſtraßenſtiefel, ſehr warm gefüttert,
hoher Lederbeſatz, kräftige Sohlen,
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ten, an was er dachte. Er wurde ein wenig verlegen
unter ihrem fragenden Blick. Ihm fielen der Mutter
Worte ein. Er hatte durchaus nicht die Abſicht, ihr
einen Heiratsantrag zu machen; ſoweit war er noch
lange nicht. Er ſprach die Worte nur aus, weil er ſich
verpflichtet fühlte, überhaupt etwas zu ſagen, was den
Blick, mit dem er ſie angeſehen und den ſie aufgefangen
hatte, motivierte.
Mutter meinte, wir würden gut zuſammenpaſſen,
ſagte er und lachte dabei, wie über einen guten Witz.
Er dachte, ſie würde auch lachen, aber ſie fing das
Band, das er auswarf, auf mit ihrer kleinen Hand und
knotete es feſt.
Ja, Rolf, Du haſt keine Unrechte gewählt, antwor=
tete
ſie ernſt. Ich will Deine Mutter wohl pflegen und
Dir eine gute Frau ſein. Hier haſt Du meine Hand.
Sie reichte ihm ihre Hand und ihm blieb nichts
weiter übrig, als die dargebotene zu faſſen. Er ließ
ſie freilich ſofort wieder los, als ob er dem Feuer zu
nahe gekommen wäre und ſie verbrannt hätte, aber da
kam gerade ihre Mutter heraus, ſich im Näherkommen
die naſſen Hände abtrocknend, und Karline teilte ihr in
ihrer leidenſchaftsloſen Weiſe mit, daß ſie und Rolf
einig geworden wären.
Bald danach kam auch der Vater; die jüngeren Ge=
ſchwiſter
ſtürzten wie auf Kommandowort hervor. Alle
waren in prächtigſter Laune. Der Bauer holte eine
Flaſche Wein aus dem Keller. Man machte es ſich in
der Wohnſtube gemütlich. Es wurde auf die Verlobung

angeſtoßen und von Hochzeit und Ausſtener geſprochen.
Als er ging, hing ſich Karline an ſeinen Arm und be=
gleitete
ihn bis an die Trift.
Rolf fühlte ſich in gehobener Stimmung und nahm
dies für das Glück. Jetzt würde es doch ein anderes
Leben werden. Er war des düſteren, troſtloſen Einerlei
überdrüſſig. Es kam ihm kaum zum Bewußtſein, daß
er in die Falle gegangen war, wie ein Mäuslein, das
nur ein bißchen an dem Speck riechen wollte. Die Wei=
ber
waren nun mal klüger als er, was ſollte er da=
gegen
machen?

Rolfs Hochzeit verlief großartig; Rehtwiſchhof bot,
was es zu bieten vermochte.
Frau Anderſen hielt ſich tapfer, obgleich das ſchwere
Seidenkleid ihre Magerkeit nicht verdecken konnte und
hinter dem wohlwollenden Lächeln auf ihren Lippen
der Schmerz ſich krümmte.
Die Braut ſah in dem weißen Tüllſchleier und dem
Myrtenkranze hübſch aus, und Rolf war ruhig und ge=
laſſen
wie immer. Er ſah durchaus nicht unglücklich
aus und ließ ſich den Hochzeitsbraten gut ſchmecken.
Die Stimmung wurde, dank der vortrefflichen Spei=
ſen
und des ſtarken, guten Punſches bald eine luſtige.
Dem jungen Paare gegenüber ſaßen Ingeborg und ihr
Mann. Sie war eine hübſche Frau geworden, wie ſelbſt
Rolf zugeben mußte. Ja, ihm gefiel ſie jetzt beſſer als
früher, obgleich ſie nicht mehr die roten Backen hatte.
Ihr Haar hatte eine hübſche bräunliche Bronzefarbe be=

kommen; ſie trug es in kleidſamer Weiſe hoch gekämmt
und in einem Knoten aufgeſteckt. Auch ihr Weſen war
angenehmer; das Heftige, Herausfordernde, das er nie
an ihr hatte leiden mögen, hatte ſie vollkommen abge=
ſtreift
und benahm ſich freundlich und zuvorkommend.
Dafür beging ihr Gatte in ſeiner Dummheit, vielleicht
auch infolge des ſtarken Punſchgenuſſes, eine Takt=
loſigkeit
.
Ihr hattet doch früher mal eine kleine Dienſtdeern
hier, rief er über den Tiſch. Wo iſt die eigentlich ge=
blieben
? Das war ne niedliche, kleine Deern.
In Rolfs Augen ſprühte es momentan auf, wie
wenn man mit der Feuerzange in die ſchlafende Herd=
glut
ſtößt, er bezwang ſich aber und ſah in ſein Glas.
Ein Irrwiſch war ſie! gab Frau Anderſen zur
Antwort, wer weiß, wo die herumſtreicht! In dieſem
Augenblick verbarg die ſtrenge Frau durch ein Lächeln
ihren inneren Schmerz und ihre Herzenshärte.
Ach, Timm, kümmere Dich doch lieber um andere
Sachen; ich ſitze hier ſchon eine ganze Weile vor dem
leeren Glas. Mit dieſen Worten griff Ingeborg ihrem
Mann in die Zügel und lenkte geſchickt das Geſpräch
in eine andere Bahn. Rolf warf ihr einen dankbaren
Blick zu, und ſie quittierte wieder mit einem freund=
lichen
Kopfnicken.
Der einzige Verwandte, der auf der Hochzeit fehlte,
war Iven. Man wunderte ſich aber nicht weiter dar=
über
, da er allgemein für einen Sonderling galt.
(Fortſetzung folgt.)

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II. Halbjahrskurse zur Vorbereitung für den kaufm. Beruf.
Neue Kurse beginnen Dienstag, den 10. Januar, vorm. 8 Uhr.
Lehrplan und Aufnahmebedingungen durch
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Sprechstunden:
Wilh. Siedersleben
Montag bis Freitag 121 Uhr
staatl. geprüfter Handelslehrer u.
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag gerichtl. beeidigt. Bücherrevisor.

Nummer285.

zember 1910.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den

Seite 11,

Bekanntmachung,
betr. die Ausſtellung von Gewerbelegitimationskarten.
I. Nach § 44 der Reichsgewerbeordnung iſt derjenige, welcher ein ſtehendes Ge=
werbe
betreibt, befugt, auch außerhalb des Gemeindebezirks ſeiner gewerblichen Nieder=
laſſung
perſönlich oder durch in ſeinem Dienſte ſtehende Reiſende für die Zwecke ſeines
Gewerbetriebs Waren aufzukaufen und Beſtellungen auf Waren zu ſuchen. Das
Gleiche gilt für Handlungsagenten, die ein ſtehendes Gewerbe betreiben, in Anſehung
der Befugnis, als Vermittler oder Vertreter des Geſchäftsherrn den Ankauf von Waren
vorzunehmen oder Beſtellungen auf Waren zu ſuchen.
Hierzu iſt nach § 44a der Gewerbeordnung eine Legitimationskarte erforderlich,
welche auf Antrag des Inhabers des ſtehenden Gewerbebetriebs (Antrag des
Reiſenden ſelbſt genügt nicht) von der für deſſen Niederlaſſungsort zuſtändigen Ver=
waltungsbehörde
auf die Dauer eines Kalenderjahres und den Umfang des Reiches
ausgeſtellt wird.
II. Für Gewerbetreibende, welche in Darmſtadt eine gewerbliche Niederlaſſung
haben, iſt das Großh. Kreisamt Darmſtadt zuſtändig. Der Antrag iſt bei dem zu=
ſtändigen
Polizeirevier zu ſtellen.
III. Die Legitimationskarte iſt zu verſagen;
1. wenn derjenige, für den ſie beantragt wird, entweder mit einer abſchreckenden
oder anſteckenden Krankheit behaftet oder in abſchreckender Weiſe entſtellt iſt,
oder
2. unter Polizeiaufſicht ſteht, oder
3. wegen ſtrafbarer Handlungen aus Gewinnſucht, gegen das Eigentum, gegen die
Sittlichkeit, wegen vorſätzlicher Angriffe auf das Leben und die Geſundheit der
Menſchen, wegen Land= oder Hausfriedensbruchs, wegen Widerſtands gegen
die Staatsgewalt, wegen vorſätzlicher Brandſtiftung, wegen Zuwiderhandlungen
gegen Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betr. Einführung oder Verbreitung
anſteckender Krankheiten oder Viehſeuchen, zu einer Freiheitsſtrafe von min=
deſtens
drei Monaten verurteilt iſt, und ſeit Verbüßung der Strafe drei
Jahre noch nicht verfloſſen ſind, oder wenn er
4. wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsſcheu, Bettelei, Landſtreicherei, Trunkſucht
übel berüchtigt iſt.
Die Legitimationskarte darf außerdem verſagt werden, wenn derjenige, für den ſie
beantragt wird, wegen einer der vorſtehend unter 3 bezeichneten ſtrafbaren Handlungen
zu einer Freiheitsſtrafe von mindeſtens einer Woche verurteilt iſt und ſeit Ver=
büßung
der Strafe fünf Jahre noch nicht verfloſſen ſind.
IV. Wer zum Zweck der Erlangung einer Legitimationskarte wiſſentlich unrichtige
Angaben über die für die Erteilung derſelben weſentlichen Tatſachen macht, hat
Geldſtrafe bis zu 150 Mark und im Unvermögensfalle Haftſtrafe bis zu 4 Wochen
verwirkt. (§ 148,6 Gewerbeordnung.)
Die oben bezeichnete Tätigkeit darf bei Meidung der gleichen Strafe nicht
früher begonnen werden, als bis der Gewerbetreibende im Beſitz der Legiti=
mationskarte
iſt. (§ 148,5 Gewerbeordnung).
Wer ſeine Legitimationskarte einem Anderen zur Benutzung überläßt, hat die
gleiche Strafe verwirkt. (§ 148,5 Gewerbeordnung).
V. Da vor Erteilung der Legitimationskarte Ermittelungen über die Perſönlichkeit
desjenigen, für welchen ſie ausgeſtellt werden ſoll, insbeſondere über ſeine etwaigen
Vorſtrafen angeſtellt werden müſſen (dies auch dann, wenn der betreffenden Perſon
im verfloſſenen Jahre eine Legitimationskarte ausgeſtellt war), fordern wir alle
Beteiligten auf, ihre diesbezüglichen Anträge rechtzeitig auf dem zuſtändigen
Polizeirevier zu ſtellen, da ſie es ſich andernfalls ſelbſt zuzuſchreiben haben, wenn
die Ausſtellung der beantragten Legitimationskarten durch das Großh. Kreisamt
nicht bis zu dem gewünſchten Zeitpunkte erfolgen kann.
Darmſtadt, 2. Dezember 1910.
(234490im
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
J. V.: Lauteſchläger.

Autz= und Brennholz=Verſleigerung Nt. 11.
(Stadtwald.)
Montag, den 12. Dezember I. Js., morgens 9 Uhr,
werden in der Turnhalle hier, Woogsplatz 5, verſteigert:
1. Aus der Forſtwartei Heiligkreuz, Abt. 50 (Langwieſenteil), 163,46 fm Fichten=
Nutzholz, und zwar:
V. Kl. 226 St. mit 39,93 fm
Fichten=Stämme

Derbſtangen I. 851 72,14 II. 666 18,13 =Reisſtangen I. 550 5,29 II. 55 0,15

Ferner Brennholz: Fichten: Reiſigwellen 9,41 Hdt., Stöcke: 18 rm (grob).
Das Fichten=Nutzholz iſt beſonders gut zu Rüſtſtangen, Leiterbäumen, Baum=
pfählen
, Zaunſtangen geeignet, ſitzt am Scheftheimer Weg und Kahlebergsſchneiſe, und
iſt ſehr gut abzufahren.
Herr Forſtwart Hofmann, Hirſchköpfe, zeigt dasſelbe am 9. ds. Mts., mor=
gens
9 Uhr, auf Verlangen vor.
II. Aus der Forſtwartei Beſſunger Tanne, Abt. 31 und 33 (Maitanne), 128,82 fm
meiſt Kiefern=Schichtholz zu Baumpfählen, Einzäunungsſtangen geeignet, nämlich:
Kiefern Scheiter: 5 rm, Knüppel: 49 rm, Reiſigknüppel: 92 rm (kurz),
97 rm (lang), Bäckerwellen: 6 Hdt.; Stöcke: 11 rm (grob).
Das Holz ſitzt zwiſchen Stadtſchneiſe und Eſchollbrückerſtraße, unweit der letzteren,
und wird von Herrn Forſtwart Geriſch am 10. ds. Mts., morgens 9 Uhr, Eſcholl=
brückerſtraße
, auf Verlangen vorgezeigt.
(23456of
Darmſtadt, den 1. Dezember 1910.
Großherzogliche Oberförſterei Darmſtadt.
Kullmann.

Verſteigerung von Chriſtbäumen und Reiſig.
Donnerstag, 8. d. Mts., von vormittags 9 Uhr an, werden aus Domanial=
wald
Diſtrikt Beſſunger Forſthaus
662 Fichten=Chriſtbäumchen u. 80 Wellen Fichten=Nutzreiſig
an Ort und Stelle verſteigert. Zuſammkunft: Kreuzung von Heuweg und Eiſern=
handſchneiſe
.
Darmſtadt, den 2. Dezember 1910.
(23453
Großherzogliche Oberförſterei Beſſungen.
Heinemann.

Der Frauenverein der Martinsgemeinde
bittet fr. um Gaben fur die Weihnachtsbeſcherungen der Kleinkinderſchule und der
beiden Kindergottesdienſte.
Entgegennahme derſelben von den Pfarrern der Martinsgemeinde, den Schweſtern
der Kleinkinderſchule (Mollerſtraße 23) und den Helferinnen.
(23443

Darmstädter Sprach- und Handelsschule
Leiter:
Emil Held
Hieron. Schneider
Bücher-Revisor
beeid. Bücher-Revisor
10 Luisenstrasse 10.
Gründl. Unterricht in allen kaufmännischen Fächern, Stenographie,
Maschinenschreiben, fremden Sprachen, bes. Korrespondenz.

Beginn neuer Kurse:

Donnerstog, 5. Januar 1911.
Anmeldungen möglichst frühzeitig erbeten. Anfang der Abend- und
Einzelkurse jederzeit.
(20601a
Die Leiter der Anstalt empfehlen sich zu sachgemässer
Einrichtung, Revision und Abschluss von Geschäfts-
büchern
unter strengster Diskretion.

Künstler, in farbigem Marmor

Maner &haufe
Hofkunsthandlung
Darmstadt
Elisabethenstr. 5.

bet erſehne.
Am kommenden Montag, den 5. d. M.,
nachmittags 3 Uhr,
werden in der Landgraf=Georgſtraße,
am Hallenſchwimmbad, 3 daſelbſt lagernde
Akazienſtämme verſteigert. Das Holz iſt
als Nutzholz verwertbar. (23310so
Die Verſteigerungs=Bedingungen werden
am Tage der Verſteigerung an Ort und
Stelle bekanntgegeben.
Darmſtadt, den 1. Dezember 1910.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
J. V.: Jaeger.

Abbruchsarbeiten.
Der Abbruch des alten Werkſtättege=
bäudes
, ſowie des dreiteiligen Schuppens
des ehemaligen Gaswerks an der Lager=
hausſtraße
, letzterer beſtehend aus drei
getrennt verwendbaren Schuppen von je
ca. 15 Meter Länge und 10 Meter Breite
ſoll nochmals vergeben werden.
Arbeitsbeſchreibungen und Bedingungen
liegen bei dem unterzeichneten Amte, Grafen=
ſtraße
Nr. 30, Zimmer Nr. 9, während der
Dienſtſtunden offen, woſelbſt auch die An=
gebotsſcheine
abgegeben werden.
Angebote ſind bis
Samstag, den 10. Dezember 1910,
vormittags 10 Uhr,
bei unterzeichneter Stelle einzureichen.
Darmſtadt, am 3. Dezember 1910.
Stadtbauamt.
Burbaum.
(23450oi

Bekanntmachung.
Donnerstag, den 5. Januar 1911,
vormittags 10 Uhr,
ſoll die den Hans Hartenſteiner Eheleuten
dahier zugeſchriebene Liegenſchaft:
Flur Nr. qm
22 6599/100 441 Hofreite Viktoria=
ſtraße
,
in unſerem Bureau zwangsweiſe verſteigert
werden.
(K137/10
Darmſtadt, den 3. Dezember 1910.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt I.
Müller. (D23458,10

Fichtendeckreisig
zum Einwintern werden abgegeben Gärt
nerei Schneider, Schwanenſtraße 39. Tele=
fon
780.
(23402so
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** Diwan, Ottomane, Vertiko, Kleiderſchr.,
bill. z. verk. Heizrichſtr. 113. uart. (*29553

Bekanntmachung.
Donnerstag, den 22. Dezember I. Js.,
vormittags 10 Uhr,
ſollen die den Karl Jockel Eheleuten da=
hier
zuſtehenden Grundſtücke:
Flur Nr. qm
27
96 2753¾10 Acker hinter der
Methwieſe,
27 98 2779 Acker daſelbſt,
in unſerem Bureau zwangsweiſe verſteigert
werden.
(K150/10
Darmſtadt, den 10. November 1910.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt I
Müller. (D22519,10

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(23442

MustkVeren
Protektor: Seine Königliche Hoheit der Grossherzog.
Soches Kenzerr-

88
66
im Winter 1910/11.
(Neunundſiebzigſtes Vereinsjahr)
unter Leitung des Herrn Hofkapellmeiſters Hofrat W. de Haan
und unter Mitwirkung
der Konzertſängerinnen Frau Alida Noordewier-Reddingius aus
Amſterdam und Frau Pauline de H an-Manifarges aus Rotterdam,
des Konzertſängers Herrn An on Kohmann aus Frankfurt a. M., des
Hofopernſängers Herrn Alfred Stephani von hier, ſowie der Gross=
herzoglichen
Hofkapelle.
Montag, den 12. Dezember 1910
im Saalbau.
Aulang halb 8 Uhr. Ende nach 9 Uhr.

190d Soienhhe

(D-dur op. 123)

von

Preise der Eintrifsskarfen von A. Bergstracsser, Rhein=

Ludwig van Beethoven.
Die verehrlichen Damen werden dringend erſucht, vor Betreten des
Konzertſaales die Hüte abzunehmen.
Sonntag, den 11. Dezember, vormittags 10 Uhr, im Saalbau.
Haupfprobe. Der Zutritt iſt nur gegen die Hauptprobekarten geſtattet.
(für Nichtmitglieder vom 5. Dezember
an erhältlich in der Hofbuchhandlung
ſtraße 6, ſowie abends an der Kaſſe).
Numerierte Plätze in den vier Balkonlogen .
Mk. 6.00
Numer erte Plätze auf dem Balkon (Galerien) 1. Reihe . . . Mk. 4.50
Numerierte Plätze auf dem Balkon (Galerien) 2. Reihe .
Mk. 2.50
Nichtnumerierte Plätze auf dem Balkon (Galerien) 3. Reihe . Mk. 1.50
Plätze in dem Vorſaal
... . Mk. 1.50
Texte 20 Pfennig.
Die hier nicht genannten Plätze ſind nur den Mitgliedern vorbehalten.
Fremde (d. h. außerhalb Darmſtadts Wohnende, welche ſich vorübergehend hier
aufhalten) können Karten für Saal und Eſtraden zu Mk. 4.50 erhalten. Geſuche ſind
an den Platzordner des Vereins, Herrn Architekten J. Harres, Saalbauſtraße 79, zu
richten.
(23452
Der Vorstand.

Richard Waqner-Verein Darmstadt.
Donnerstag, den 8. Dezember 1910, abends 8 Uhr,
im Festsaale der Turngemeinde (Woogsplatz 5):

Klavier-Abenc

von Fräulein

Alice Rioper
aus Budapest.
Programm: Präludium E-moll von Mac Dowell (zum erstenmale): Fantasie
C-dur und Toccata op. 7 von Robert Schumann; Sonate H-moll von Christian
Sinding (zum erstenmale): Notturno Ges-dur von Niccola Spinelli (zum ersten-
male
): Sextenstudie Fis-dur von Sophie Menter; Mazeppa (Etude) von Franz Liszt.
Eintrittskarten für Nichtmitglieder: Sperrsitz zu 5 M., Saal zu 3 M., Vor-
saal
zu 1.50 M. und Galerie zu 1.50 M.; Studentenkarten zu 1 M. und Schülerkarten
zu 50 Pfg. bei Georg Thies Nachfolger, im Verkehrsbüro und abends an der Kasse.
Beitrittserklärungen, welche noch vor dem obigen Konzerte erfolgen, berech-
tigen
zum freien Besuche desselben. Der Beitrag für den Rest des Jahres
(2 Konzerte) beträgt 4 M. Jedes Mitglied hat das Recht, an der im Januar statt-
findenden
Verlosung der von dem Verein angekauften Eintrittskarten (zu 20 M.)
zu den Bayreuther Bühnenfestspielen des Sommers 1911 teilzunehmen.
Der Vorstand.
23481)

Montag, den 5. Dezember 1910, abends 7 Uhr
Drittes Konzert
im Grossh. Hoftheater zum Besten des Witwen- und Waisenfonds
der Grossh. Hofmusik und unter Mitwirkung des Herrn Gérard
Hekking-Denancy aus Amsterdam (Violoncello).

Programm:
1. Sinfonische Dichtung (Gudrun) in zwei Sätzen
2. Konzert für Violoncell und Orchester
3. Kol-Nidrei für Violoncell und Orchester
4. Sinfonie (Nr. 5 E-woll) . .
*) Unter persönlicher Leitung des Komponisten.

G. Cords.)
E. Lais.
M. Bruch.
. Tschaikowsky.

Montag, den 5. Dezember, vormittags 10 Uhr,
Hauptprobe:
Eintritt Mk. 1.50.
In dieser Hauptprobe werden sämtliche Nummern des Programms zu Gehör
gebracht. Karten zur Hauptprobe sind in der Musikalienhandlung von Thies
(23425so
Nachf., Elisabethenstr. 12, zu haben.

Knaben=Arbeits=Anstalt.
In der Knaben=Arbeits=Anſtalt ſoll, wie immer, den Zöglingen eine Weihnachts=
freude
bereitet und dadurch manche treue Arbeit während des ganzen Jahres belohnt
werden. Die Verwaltung der Anſtalt bittet zu dieſem Zweck, wie in den Vorjahren,
edeldenkende Mitbürger um gütige Zuwendung von Geldſpenden, ſowie um Ueber=
aſſung
von Kleidungsſtücken, Büchern, Spielſachen und Unterhaltungsſpielen, die in
(23197da
ibren Familien überflüſſig geworden ſind.

[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Seite 13.

DerN.

Markt 7.

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mit Seidenglanz . . . . . . 1.65, 1.55, I

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Qualitäten; mit
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des Herrn Privatdozenten Dr. Gasser über
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hierfür interessieren, werden zu dem Vortrag hierdurch freundlichst eingeladen.
Eintritt frei.
Der Vorstand.

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(Rheinland)
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(Mannheim)
(Transvaal)
Kosak Terrikoff
Pietro
(Russland)
(Belgien)
Entscheidungskampf:
Tschestjakoffgegen Schneider
(Kaukasus)
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Beginn der Ringkämpfe gegen 10 Uhr.
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[ ][  ][ ]

Seite 14,

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Nummer 285

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[ ][  ][ ]

Nummer 285.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5. Dezember 1910.

Seite 15.

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Nummer 285

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 5.:Dezember 1910.

Seitel19.

Aus Darmſtadts Vergangenheit.
Der Nickeloos.
Am Hausdoor rumbelt’s ferchderlich,
Dezwiſche heert mer laud Gekriſch.
Die Mahd ſterzt hi unn macht ſchnell uff,
Springt mit drei Sätz! die Trepp eruff
Unn rukt dann nur: E Nickeloos!,
Glei is im Haus de Deiwel los.
Die Kinner krawwele unners Bett,
De Scholli kimmt ſchnell an ſei Kett.
Die Fraa guckt dorch die Stuwwedihr
Unn hot im Voraus ſchun Pläſir.
Es dauert dann aach gar net lang,
Schun ſtehd e Bärnkerl uff em Gang:
En Bard bis an de Bauch erunner,
Unn Hoor debei ſo rod wie Zunner.
*5 Mädche fragt: Wer iſt denn da?
Ich bin de Nickeloos, lieb Fraa!
Unn kumm jed Johr um dieſe Zeit
Unn mach de Kinner ſehr viel Freid.
Doch wer ſei Eltern hot gequehlt,
Der krickt von mir was uffgezehlt.
Die Kinner, die wo brav geweſe,
Die krieje nix von mir mitm Beſe;
Die krieje Ebbel, Nüſſ, Gebäck,
Lebkuche aach un merwe Weck.
Drum ſchickt mol her die Buwe all:
De Schorſch, de Heiner und de Kall.
Die ſolle jetz ihr Freid erlewe
Unn alles, was da lickt, uffhewe.
Die Mutter ſpringt aach ſchnell ehinner
Unn holt ebei die brave Kinner.
De Heiner hadd e gud Gewiſſe
Unn wor aach net weid ausgeriſſe.
Er iſt zwar erſt drei Johr geweſe,
Doch ferchd er ſich net vor dem Beſe;
Er ſtellt ſich vor dem Nickloos uff
Unn guckt erunner und eruff,
Ruft dann, e echt Darmſtädter Perl,
Zur Mudder nur: Ui, wos e Kerl!
Anisgebackenes unn Lebbkuche
Duhd er ſich ſchnell zuſammenſuche,
Die Nüſſ und Ebbel läßt er lieje,
Die kann er ſonſtwo aach noch krieje.
Und konzentriert ſich rückwärts dann
Dort, wo mer’n net mehr packe kann.
So zahm wie’s Hinkel in ſeim Stall
Is Schorſch jetz unn ſein Bruder Kall.
Die wolle net ſo recht ebei,
Nur langſam kumme ſe unn ſcheu,
Weil ſe dem Kerl doch net recht draue;
Er kennt en leicht es Fell verhaue.
Doch hadde ſe, falls werd gekloppt,
Vorher ihrn Buckel ausgeſtobbt.
De Nickloos ſpricht mit Dunnerſtimm:
Kummt her, ſunſt geht’s Eich heid noch ſchlimm.
Vor Angſt falle die zwaa uffs Knie
Unn ſpreche ihr Gebet mit Mih:
Ach du mein lieber Nickelmann,
Ich will dir gewwe, wos ich kann.
Doch der, gefühllos, ohne Herz,
Der ſpiehrt nix von der Buwe Schmerz
Unn hagt mitm Beſe druff wie doll,
Bis jeder hott ſein Buckel voll.
Die Schlingel ſpiehrn die Schleh zwor net,
Doch kreiſche ſe jetzt um die Wett.
Do ſpricht die Mudder mit Gefiehl,
Hält feſt debei de Beſemſtiel:
Herr Nickeloos, Sie hawwe jetzt
De Buwe ſchun genug verſetzt;
Leern Se Ihrn Sack doch widder aus
Heid iwwers Johr in unſerm Haus.
8.
Handel und Verkehr.
H. Frankfurt a. M., 3. Dez. ( Börſen=
wochenbericht
.) Wenn auch das Geſchäft in der
verfloſſenen Woche wiederum ſehr beſchränkt blieb, ſo
war hingegen die Tendenz eine recht feſte. Von New=
York lagen allerdings matte Kurſe vor infolge von
Aeußerungen eines großen Eiſenbahnmagnaten, die
indes ſpäter wieder von anderer, maßgebender Seite
Heu
Rasier-

dementiert reſp. widerlegt wurden. Unſere Börſen leg=
ten
dieſen Kursſchwankungen jedoch keine Bedeutung
bei, denn es handelt ſich offenbar um Spekulations=
manöver
. Das deutſche Publikum hat, durch die frühe=
ren
Vorgänge an der New=Yorker Börſe gewitzigt, nur
noch mäßiges Intereſſe für dort, das erſt nach weſentlich
geklärter Lage wieder wachgerufen werden dürfte. An=
genehm
beachtet wurde die Diskont=Ermäßigung der
Bank von England von 5 Prozent auf 4½ Prozent. Die
Deutſche Reichsbank wird jedoch angeſichts der ſtärkeren
Anforderungen in der letzten Woche und im Hinblick
darauf, daß der Dezember große Anſprüche zu bringen
pflegt, einſtweilen von einer Herabſetzung abſehen. Zu
den Einzelheiten des Verkehrs übergehend, iſt zunächſt
die Feſtigkeit für Deutſche Renten bemerkenswert auf
die offiziellen Auslaſſungen des Finanzminiſters, wo=
nach
das Reich und Preußen verſuchen wollen, im kom=
menden
Jahre ohne Anleihen auszukommen.
Ausländiſche Staatsfonds waren im ganzen eben=
falls
in guter Stimmung. So konnten beſonders Tür=
kiſche
und Ruſſiſche Fonds ſich reger Kaufluſt erfreuen.
Wenn auch die Ernte in Rußland etwas hinter der=
jenigen
des Vorjahres zurückblieb, ſo iſt ſie denjenigen
der vorhergegangenen Jahre doch in jeder Beziehung
überlegen. Mexikaner ſind weiter erholt, nachdem die
Ruhe in dieſem Lande wieder hergeſtellt iſt. Trans=
portaktien
lagen ſtill, bei ganz geringen Veränderungen.
Der Markt für Bankwerte war ziemlich belebt, nament=
lich
in Diskonto=Kommandit entwickelte ſich zeitweiſe
ſtärkere Nachfrage. Man taxiert die Dividende dieſes
Inſtitutes auf 10 Prozent. Deutſche Effekten= und
Wechſelbank wiederum mehr beachtet (110).
Am Montangebiet wurden Berichte bekannt, die
eine vorübergehende Abſchwächung verurſachten, doch
war bei Wochenſchluß größere Erholung, namentlich
für Laura, Deutſch=Luxemburger und Phönix. Unver=
ändert
zuverſichtliche Stimmung herrſchte wieder für
einzelne Kaſſainduſtrieaktien, von welchen insbeſondere
die Chemiſchen avancieren konnten. Höchſter Farb=
werke
ſtiegen auf 545,50, Chemiſche Albert auf 509,
Badiſche Anilin auf 504. Von den übrigen Gattungen
ſchließen Illkirchener Mühlenwerke 117,75, Kleyer 431,
Holzverkohlung 253,75. Matter lagen hingegen
Weſteregeln Alkali (222) und Kunſtſeide (103); ferner
die Zuckerfabriken Waghänſel (183), ſowie Franken=
thal
(370).
Am Kolonialmarkt notierten Southweſtafrika 168
und Otavi 147½. Die A.=G. für Hoch= und Tiefbauten
konnten ihren Kurs auf 97½ erhöhen, nachdem ſie in der
Lage ſind, wieder Dividende (diesmal 5 Prozent) zu
verteilen. Die letzthin eingeführten Aktien Schlinck
u. Co. ermäßigten ihren Preis um 5 Prozent auf 227,60.
Zu erwähnen iſt noch die Abſchwächung für Kupfer=
werte
in London (zuletzt Rio 68¾ und Amalgama=
ted
67). Peruaner, für welche auch in Deutſchland
Intereſſe beſteht, ſind feſter, Proferéd Shareis bis 38,
da für dieſe Gattung 1¼ Prozent deklariert wurde.
Von Loſen notieren: Augsburger 37,60, Braun=
ſchweiger
218, Meininger 37,20, Finnländer 330, Pappen=
heimer
68, Freiburger 59,75, Ungariſche 385, Genua 215,
Türkiſche 180,40, Mailänder 45=Fres.=L. 168, Mailänder
10=Frcs.=L 32, Venediger 43,50, alles in Reichsmark;
Gothaer Prämie I 136,50, Gothaer Prämie II 116,40,
Donau=Regulierung 150, Madrider 76,80 alles in Pro=
zent
. Ferner ſchließen: 4proz. Reichs (bis 1918 unkünd=
bar
) 101,75, 3½proz. Reichs 92,30, 3proz. Reichs 83,85,
4proz. Heſſen von 1899 100,80 B., 4proz. Heſſen von 1906
101 G., 4proz. Heſſen von 1908/09 101,20 G., 3½proz.
Heſſen 91,20, 3proz. Heſſen 80,05, 4proz. Darmſtädter 100.
3½proz. Darmſtädter 91,30 G., Darmſtädter Bank 130½,
Südd. Eiſ.=Geſ. 122,20 G., 4proz. Heſſ. Land.=Hyp.=Pfdbr.
(Serie 1820) 101,40 G., 3½proz. Heſſ. Land.=Hyp.=
Pfdbr. (Serie 911) 91,30 G., 4proz. Heſſ. Kommunal=
Pfdbr. (Serie 1012) 101,40 G., 3½proz. Heſſ. Kommu=
nal
=Pfdbr. (Serie 13) 91,70 G., 3½proz. Heſſ. Kommu=
nal
=Pfdbr. (Serie 4) 91,30 G., Baltimore und Ohio
107,75, 4½proz. Innere amortiſ. Portug. 83,50, 3proz.
Portug. (Beira=Baixa) 78,70, 3proz. Portug. I 64,60,
3proz. Portug. III 66,75, Spezial=Portug. 11,10, Portug.
Eiſ.=Oblig. I. Rang 93,60, Portug. Eiſ.=Oblig. II. Rang
92,40, 4proz. Stadt Liſſabon 80,90 B., 4½proz. Ruſſen
100,10, 4proz. 1880er Ruſſen 92,60, 4proz. 1902er Ruſſen
93,25, 3¼proz. Ruſſen 90,50, 3½proz. Ruſſen 85,60,.
S

3proz. Ruſſen 78,25, 4½proz. Japaner 97,75, 4proz.
Japaner 93,60. Privatdiskont 4½ Prozent.
Gewinnanszug
der
223. Höniglich Prenßiſchen Klaſſenlotterie.
5. Klaſſe. 21. Ziehungstag. 2. Dezember 1910.
(Nachdruck verboten.)
(Ohne Gewähr. A. St.=A. f. Z.)
In der Vormittags=Ziehung wurden Gewinne
über 240 Mk. gezogen:
1 Gewinn zu 15000 Mk. 73399
1 Gewinn zu 10000 Mk. 290783
3 Gewinne zu 6000 Mk. 87521 91242 287316
65 Gewinne zu 3000 Mk. 7449 10496 12460 13006
31962 43234 48262 55846 56862 61807 64425 65938
68396 77846 82551 96654 98310 100424 100457 122111.
128108 134251 160204 161580 162895 163809 164244
168515 168554 179552 160912 186955 195819 204674
209638 215492 216937 221526 223053 230697 233770
233830 237047 245054 249672 251143 266105 266205
280156 282612 263771 285485 286596 292869 295397
69 Gewinne zu 1000 Mk. 346 5019 11473 19032
31680 33796 48390 45111 46160 52340 63537 53792
57204 61450 6169a 64331 64557 67514 72149 75757
76555 77323 78222 84467 93465 93947 96837 97413
104754 120929 138795 141799 141918 145223 149083
150236 152297 156015 172100 179204 183449 190865
191208 192716 201754 204605 212435 à 214172 214362
219083 219825 226863 232465 235397 § 235416 236141
236972 237637 249648 251032 251121 260382s 269683
262743 283079 285927 288671 289206 298842
106 Gewinne zu 500 Mk. 354 1410 467422124
27958 28021 28192 29366 37196 43132à 43154: 44155
45619: 48921 49861 49903 52104 52119 F53197g 58046
68709 62611 64484 66532 78078 78644 80787 80811.
83829 88591 91103 95216 98498 103713 104341.
105557 105794 106189 109010 116746 117426 120956
130016 133165 138111 141445 143289 144062 150560
151476z 156604 g 157344 160744 161079 165386 1 173801.
175652 182907 183826 184690 186604 193019 7197372
199984 205144 205327 205363 205458 206281 211818
213003 218418 220627 222611 224626 225457 226373
227119 228105 230281 233196 233521 233720 234135
236180 236317 237709 239589 245032 247267 § 248725
248755 253573 254474 255984 25858d 267052 267170
271913 282788 283508 290854 291801 f 296794 § 298472.
303182
In der Nachmittags=Ziehung wurden Gewinne:
über 240 Mk. gezogen:
1 Gewinn zu 40000 Mk. 202434
2 Gewinne zu 10000 Mk. 16227 145712
2 Gewinne zu 5000 Mk. 173695 220828
37 Gewinne zu 3000. Mk. 1411 5718 6701§ 13106
13403 1798a 20502 22630 35180 44080 48666 56584
74551 79939 88067 90679 128306 150567 169037
171197 173043 197540 206629 214156 220311. 226672
227952 256055 266072 258178 260643 261976 271372
280520 297734 298132 299414
56 Gewinne zu 1000 Mk. 1970 13217 17148 22050
26825 27057 38033 38635 40006 41344 44678 48276
61634 74181 77407 78495 83524 91564 97412 102258
124417 124532 126281 127760 128745f 132357 137808
138072 144985 155179 4161142 163780 165624 166615
173757 174960 189438 189784 190855 200432 204456
206286 214818 214957 215576 228242 239290 239720
245451 261377 264711 267567 271616 280225 267997
293296,
116 Gewinne zu 500 Mk. 4341 5285 8072 8773
11737 12303. 12364 13861 18106 21298 26396 32031
33172 35960 39705 43225 46246 46440 46714 53016
53648 56642 59426 59546 59946 61305 à 63020 69795
71584 74349 74447 76941 81590 83593 85370 86759
88258 88379 89397 92993 92630 94657 96255 96410
99602 102909 106037 111228 117710 122465 123215
126462 127599 130749 130835 134630 138394 160411
152342 155430 156821 157431 157984 159917161412
166279 1 171985 173309 177198 179740 179932 180695
180886 180961 187734 190484 194816 195673 198380
200865 201524 201697 204547 206305 210185 235342
235666 236344 236862 239528 239286 240751 243935
246316 246360 247843 250634 250914 251289 254756
256355 256538 262040 265083 271213 273441 278783
279368 280515 261091 286026 290859 292230 296979
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[ ][  ]

Seite 20.

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