Darmstädter Tagblatt 1910


11. März 1910

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173. Jahrgang
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Organ für die Bekanntmachungen des Großh. Polizeiamts Darmſtadt, der Großh. Bürgermeiſtereien des Kreiſes und der andern Behörden.
Das Amtsverkündigungsblatt des Großh. Kreisamts Darmſtadt wird Dienstags, Donnerstags und Samstags nach Bedarf beigefügt.

Die heutige Nummer hat 20 Seiten.

Deutſchland und England.

König Eduard weilt für längere Zeit wieder
ruf franzöſiſchem Boden, um im ſchönen Biarritz Erho=
ung
und Stärkung für ſeinen Körper zu ſuchen. Er hat
’s, wie alljährlich, nicht verſäumt, in Paris kurzen Aufent=
zalt
zu nehmen, und ſelbſtverſtändlich bei dieſer Gelegen=
zeit
auch mit den leitenden Perſönlichkeiten zu konferie=
en
, denn die intime politiſche Entente zwiſchen Frankreich
und England iſt nicht abzuleugnen. Immerhin aber iſt es
ruffällig, daß gerade in dieſem Moment die Nachricht von
iner geplanten Begegnung zwiſchen dem deut=
chen
Kaiſer und König Eduard auftaucht, nach=
dem
ein herzlicher Briefwechſel vorausgegangen ſein ſoll.
Man geht wohl in der Annahme nicht fehl, daß dieſe
Neldung abſichtlich lanziert worden iſt, um nach außen
in zu dokumentieren, daß der Beſuch König Eduards
n Paris keinerlei antideutſche Spitze trägt, daß er viel=
nehr
lediglich ein Freundſchaftsakt ſei, wie ihn König
Eduard auch gegenüber ſeinem kaiſerlichen Neffen in Aus=
icht
genommen habe. Freilich liegt es uns völlig fern,
n die Beziehungen zwiſchen England und Frank=
eich
einzugreifen, denn wenn auch urſprünglich die An=
äherung
zuſtande gekommen ſein mag, in der Abſicht, den
Einfluß Deutſchlands auf dem Gebiete der Weltpolitik zu
rechen, ſo läßt ſich doch nicht leugnen, daß auch dieſe En=
nte
, zumal durch ſie manche Reibungsflächen ausgegli=
en
wurden, der Erhaltung des Weltfriedens mehr wie
inmal gedient hat. Wenn nun aber in jener Meldung ge=
rgt
wird, daß durch den erwähnten Briefwechſel alle
NißverſtändniſſezwiſchendenHöfenvonBer=
in
und London ausgeglichen ſeien, ſo iſt das
deniger verſtändlich, denn man hat von einem Reſt von
differenzen, die früher tatſächlich beſtanden haben, abſolut
ichts mehr gehört, ebenſo wenig davon, daß neue Ver=
immungen
in der Zwiſchenzeit aufgetaucht ſeien, und
kan darf dieſen Teil der Meldung wohl auf das Konto
es betreffenden Wiener Blattes ſetzen. Daß der engliſche
Jahlkampf bei unſeren leitenden Stellen irgendwie ver=
immt
haben könnte, iſt trotz der deutſchfeindlichen Ten=
enzen
der oppoſitionellen Agitation kaum anzunehmen,
enn die Regierung ſtand ja im anderen Lager und beſaß
icht die Möglichkeit, hindernd einzugreifen. Ueberdies
veiß man ja auch, daß derartige Wahlmanöver nicht allzu
agiſch genommen werden dürfen und daß die einſichts=
len
Kreiſe jenſeits des Kanals ſelber über den Rummel
elacht haben. Daß Machenſchaften im Gange ſind, die
eſſerung der Beziehungen zwiſchen Deutſchland und
ngland wieder in ein Gegenteil zu verwandeln, iſt nicht
nbekannt und ebenſo, daß ehrgeizige Diplomaten durch
lerlei Schliche eine erneute Entfremdung herbeiführen
öchten, um dann ihren Erfolg glänzen zu laſſen.
Es iſt ein offenes Geheimnis, daß es in erſter Linie
e Wiener Botſchafter Frankreichs und Englands ſind,
e alle möglichen Minen ſpringen laſſen, weil nach ihrer
nſicht gute Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Eng=
nd
die Entente zwiſchen Frankreich und England ſtören,
im mindeſten die chauviniſtiſchen Pläne gewiſſer Cliquen
beiden Ländern verhindern könnten. Nicht ohne Abſicht
ag daher der Reichskanzler beim Marine=
tat
das Wort ergriffen haben, um vor aller Welt zu
kumentieren, daß die Beſſerung in den Be=
ehungen
zwiſchen Deutſchland und Eng=
ind
eine andauernde ſei und daß der beiderſeitige fried=
he
Wetibewerb keine Gegnerſchaft bedeute. Daß dies
rade beim Marine=Etat geſchah, hat ſeinen guten Grund,
nn die Furcht vor dem Anwachſen der deutſchen Flotte
es, die in England benutzt wird, gegen Deutſchland zu
tzen. Freilich wird es immer Leute geben, die ſich nicht
lehren laſſen wollen, und dieſe werden auch abſeits
hen, wenn es gilt, im beiderſeitigen Intereſſe ein freund=
ſaftliches
Verhältnis zwiſchen Deutſchland und England
feſtigen.

Berliner Peſſimismus.

* Unter der Ueberſchrift Berliner Peſſimismus tiſcht
ie führende franzöſiſche Zeitung ihren Leſern das Mär=
en
auf, man ſei in Berliner politiſchen Kreiſen verärgert
er den Stand der Verhandlungen Oeſterreich=
ngarns
mit Rußland. Es ſei eine Spannung,
re Erkaltung zwiſchen Berlin und St. Peters=
arg
eingetreten; man finde einen Mangel an Rückſicht

darin, daß Deutſchland bei den öſterreichiſch=ruſſiſchen Be=
ſprechungen
nicht beteiligt werde, und dergleichen mehr.
Die Südd. Reichskorr. bemerkt dazu in einer offi=
ziöſen
Berliner Zuſchrift: Ein Beweis für dieſe Angaben
wird nicht verſucht; der Artikel arbeitet mit Wendungen,
wie man ſagt, es ſcheint und mit Hinweiſen auf
Preßauslaſſungen, die irrtümlicherweiſe auf die deutſche
Regierung zurückgeführt werden. An dieſer Stelle iſt be=
reits
erklärt worden, daß unſere Diplomatie in die zwi=
ſchen
Wien und St. Petersburg geführten Verhandlungen
Einblick erhalten hat. Hiernach ſind wir zu der
Hoffnung berechtigt, daß aus den öſterreichiſch=ruſſiſchen
Beſprechungen die auch vom deutſchen Standpunkt wün=
ſchenswerte
Wiederherſtellung eines norma=
len
Verhältniſſes zwiſchen den beiden Kaiſermäch=
ten
hervorgehen wird. Dieſe ruhige Auffaſſung iſt auch
denjenigen mitgeteilt worden, die ſich an zuſtändiger Stelle
in Berlin nach Deutſchlands Anſicht erkundigt haben. Eine
tätige Beteiligung bei den Unterhandlungen aber, ſei es
als Vermittler, ſei es als dritter Unterhändler, hat
Deutſchland nicht erſtrebt, und es heißt wirklich die
Dinge auf den Kopf ſtellen, wenn behauptet wird, in Ber=
lin
ſchmolle man, weil Herr Iswolski die Erörterungen
mit Oeſterreich=Ungarn ohne Zuziehung Deutſchlands
führe.

Die Affäre Duez.

* Im franzöſiſchen Miniſterrat teilte der
Juſtizminiſter die Verhaftung des Liquidators
Duez mit. Der Miniſterrat billigte ein Dekret, wonach
die Finanzinſpeltoren zur Verfügung des Unterſuchungs=
richters
geſtellt werden, um ihn in der Klarſtellung der
Tätigkeit der Liquidatoren zu unterſtützen.
Die Senatskommiſſion für die Unterſuchung
der Liquidation der Güter der aufgelöſten Kongregationen
beſchäftigte ſich ebenfalls mit der Angelegenheit Duez.
Dem Vernehmen nach erklärte Perrier, der mit dem Stu=
dium
der Akten betraut war, die Paſſiven Duez be=
trügen
zehn, nicht fünf Millionen. Die Kom=
miſſion
gab der Anſicht Ausdruck, daß das Gericht damit,
daß es 148 Liquidationen nur drei Liquidatoren übertrug,
einen ſchweren Fehler begangen habe. Es wurden Anträge
dann angenommen, wonach unterſucht werden ſoll, unter
welchen Umſtänden und durch weſſen Fürſprache Duez zum
Liquidator ernannt und im Amte erhalten wurde; ferner
ſoll die Regierung aufgefordert werden, feſtzuſtellen, ob
die Zahlungen der Liquidatoren regelmäßig erfolgen und
welche Verwendung die eingezahlten Gelder finden.
Die Vereinigung der gerichtlichen Liqui=
datoren
hielt in Paris eine Verſammlung ab, um über
die durch die Veruntreuungen des Duez ge=
ſchaffene
Lage zu beraten. Da die Vereinigung vor
einiger Zeit den Fehlbetrag eines anderen Liquidators
durch Subſkription ihrer Mitglieder gedeckt hatte, wurde
die Frage aufgeworfen, ob auch im Falle Duez ſo vorge=
gangen
werden ſolle, doch wurde es geradezu als unmög=
lich
erklärt, die von Duez veruntreuten zehn Millionen
Franken äufzubringen. Immerhin wurde beſchloſſen, erſt
dann eine endgültige Entſcheidung zu treffen, wenn das
Ergebnis der gegen Duez eingeleiteten Unterſuchung vor=
liege
. In der heutigen Kammerſitzung wird wahrſchein=
lich
eine Interpellation über die Veruntreuungen Duez’
eingebracht werden.
Wie weiter mitgeteilt wird, erſtreckt ſich die Unter=
ſchlagung
auf zahlreiche ſogenannte gemeinrechtliche Liqui=
dationen
. Auch viele Familien ſind durch die Unterſchla=
gungen
völlig ruiniert worden. Die Frage iſt aufgewor=
fen
worden, wie es möglich war, daß der Liquidator ſo
lange unentdeckt ſeine Unterſchlagungen begehen konnte.
Dies erklärt ſich auf folgende Weiſe: Nach ſeiner Abſetzung
im Jahre 1909 bemühte ſich der Subſtitut, der vom Ge=
richtshof
der Seine mit der Abwickelung der Angelegenheit
beauftragt war, die Abrechnungen Duez’ zu prüfen, aber
jedesmal, wenn es ihm gelang, den Beweis für einen
Fehlbetrag in der Buchführung des Liquidators zu führen,
erſetzte Duez mit dem Gelde einer noch nicht erledigten
Liquidation den Fehlbetrag. Dem energiſchen Eingreifen
des Subſtituten iſt es zu danken, daß Duez ſchließlich ge=
zwungen
wurde, eine genaue und gleichzeitige Abrechnung
aller Liquidationen einzureichen.

Deutſches Reich.

Der Reichskanzler wird ſeine Reiſe nach
Rom am 19. März antreten. In ſeiner Begleitung wird
ſich der kaiſerliche Geſandte am belgiſchen Hofe, Herr von
Flotow, befinden.

Die Juſtizkommiſſion des Reichstags
nahm den § 3 (neuer Gerichtsſtand der Ergreifung des
Täters) einem Zentrumsantrag entſprechend in folgender
Faſſung an: Zuſtandig iſt ferner das Gericht, in deſſen
Bezirk der Verdächtige verhaftet wird. § 4 wurde nach
längerer Debatte in der folgenden, auf einem freiſinnigen
Antrage beruhenden Faſſung genehmigt: Zuſtändig iſt
endlich das Gericht, in deſſen Bezirk ſich der Angeſchuldigte
zur Zeit der Erhebung der Klage vorübergehend aufhält,
wenn der Angeſchuldigte ausdrücklich eingewilligt hat.
Die Kommiſſionfür das Stellenvermittler=
geſetz
beſchloß zu § 3 des Geſetzentwurfes folgende Zu=
ſätze
: Wer das Gewerbe eines Stellenvermittlers be=
treibt
, darf dieſe Tätigkeit nicht zu Anpreiſungen für an=
dere
, eigene oder fremde Gewerbebetriebe benutzen. Der
Stellenvermittler darf den Stelleſuchenden nicht verpflich=
ten
oder anhalten, aus ſeinem oder einem von ihm be=
zeichneten
Gewerbebetriebe oder Handelsgeſchäfte Waren
zu entnehmen. Der Stellenvermittler darf zu dem Arbeit=
geber
in keinem Dienſt= oder Abhängigkeitsverhältniſſe
ſtehen. § 4 behandelt die Gebührenfrage. Abſatz 1 er=
hält
folgenden Wortlaut: Für die den Stellenvermitt=
lern
zukommenden Gebühren werden von der Landeszen=
tralbehörde
oder den von ihr bezeichneten Behörden nach
Anhörung des Trägers des öffentlichen Arbeitsnachweiſes
der Vertreter der Stellenvermittler, der Arbeitgeber und
Arbeitnehmer Taxen feſtgeſetzt.
Der Hauptausſchuß für die ſtaatliche Penſionsver=
ſicherung
teilt uns mit: Nach neueren, zuverläſſigen Infor=
mationen
iſt das Reichsamt des Innern mit der Ausarbei=
tung
einer Geſetzesvorlage über die ſtaatliche
Penſionsverſicherung der Privatange=
ſtellten
beſchäftigt; die Vorlage bringt die von der
übergroßen Mehrheit der Privatangeſtellten gewünſchte
Sonderkaſſe (Zuſatzkaſſe zur Ergänzung der alten Ver=
ſicherung
), alſo nicht den Ausbau des alten Geſetzes durch
neue Klaſſen. Die vom Hauptausſchuß für die ſtaatliche
Penſionsverſicherung vertretene Mehrheit umfaßt 32 Ver=
bände
mit über 700000 Angeſtellten. Die Freie Vereini=
gung
für die ſoziale Verſicherung der Privatangeſtellten
vertritt dagegen die Minderheit, in der 9 (kleinere) Ver=
bände
mit etwa 60000 Mitgliedern vereinigt ſind. Wie
der Reichstagsabgeordnete Herr Landgerichtsdirektor Dr.
Heinze auf dem Sächſiſchen Privatbeamtentag in Dresden
am 6. März mitteilte, ſei ihm an zuſtändiger Stelle auf
das beſtimmteſte verſichert worden, daß der Geſetzentwurf
über die Verſicherung der Privatangeſtellten noch in
dieſer Seſſion dem Reichstage zugehen werde.
Berliner Blätter wollen aus angeblich gut unter=
richteter
Quelle erfahren haben, daß Graf Wedel aus
dem letzten Vorkommnis die Konſequenzen in der Weiſe
zu ziehen gedenkt, daß er den Kaiſer bitten wird, ſein
Rücktrittsgeſuch anzunehmen. Nach Rückkehr des
Kaiſers von der Nordſeereiſe wird es ſich dann entſcheiden,
ob der Monarch ſich in dieſem Sinne entſchließen wird.
In der Sitzung der Zweiten ſächſiſchen
Kammer kam es bei Beratung der Petition eines aus
dem Staatsdienſt entlaſſenen Werkſtättenarbeiters auf
Wiedereinſtellung zu einem erregten Zwiſchenfall.
Staatsminiſter Dr. Rüger wandte ſich gegen die Peti=
tion
und erklärte u. a., daß er eine Koalition der Eiſen=
bahnarbeiter
nicht zulaſſen könne. Durch wiederholte
Zwiſchenrufe aus dem Hauſe unterbrochen, fuhr der Mi=
niſter
fort: Ich bitte, mir derartige Ungezogenheiten zu
erſparen. Hierauf erhob ſich auf der linken Seite des
Hauſes ein toſender Sturm der Entrüſtung. Rufe, wie:
Unverſchämtheit! und Was bilden Sie ſich ein? wur=
den
laut. Als der Miniſter ſeine Ausführungen beendet
hatte, erklärte der Präſident, er beſitze leider keine
Handhabe, um gegen Aeußerungen eines Regierungsver=
treters
, wie ſie ſoeben gefallen ſeien, vorzugehen. Er be=
dauere
die Aeußerungen zwar, müſſe aber die Würde des
Hauſes wahren, und könne den Abgeordneten ſolche Zwi=
ſchenrufe
, wie ſie ſoeben laut wurden, nicht geſtatten. Dar=
aufhin
erhob ſich auf der linken Seite erneuter Lärm, der
ſich in erregten Rufen laut machte: Das laſſen wir uns
nicht gefallen, mag der Miniſter auch die Würde des Hau=
ſes
wahren! Der ſozialdemokratiſche Abgeordnete Fleiß=
ner
erhielt einen Ordnungsruf; nur langſam legte ſich die
Erregung im Hauſe. Die Petition ließ das Haus ſchließ=
lich
nach längerer Debatte zum Teil auf ſich beruhen, zum
Teil wurde ſie für unzuläſſig erklärt. Die Sitzung wurde
ſodann geſchloſſen.

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Nummer 59.

Ausland.

Das öſterreichiſche Abgeordnetenhaus ſetzte die erſte
Leſung der Finanzvorlage fort.
Der Finanzminiſter betonte, die Regierung ließ
angeſichts des entſchiedenen Widerſtandes des Hauſes die
geplante Bierſteuererhöhung fallen, lund brachte einen
neuen Finanzplan ein. Seitdem einige Landtage
die Bierſteuer erhöhten, werde mehrfach die Notwendigkeit
einer Erhöhung der Bierſteuer zugegeben. Die Regierung
werde abwarten, ob das Haus in dieſer Richtung ſich
äußern werde, doch würden ohne eine Erhöhung der Bier=
ſteuer
den Ländern größere Summen nicht überwieſen
werden können. Der Miniſter wandte ſich gegen die Be=
hauptung
, daß das Deſizit nur fingiert ſei, und daß es
ſeine Deckung in erhöhten Erträgniſſen des Zollgefälles
finde. Dieſe Erhöhung, die auf die ſchlechte Ernte, auf
die hohen Getreidepreiſe und die dadurch notwendig ge=
wordene
Weizeneinfuhr aus Rußland zurückzuführen ſei,
werde zum großen Teile durch die Ueberſchreitungen des
Kriegsminiſteriums aufgewogen. Daß die Lage der öſter=
reichiſchen
Finanzen keine günſtige ſei, ergebe ſich auch aus
der in den letzten Tagen eingebrachten Kreditvorlage. Die
Schuld an der gegenwärtigen Finanzlage trage, ſo führte
der Finanzminiſter aus, die abſteigende Konjunktur und
die erhöhten Ausgaben für das Heer, ferner die Marine=
forderungen
im Zuſammenhang mit den durch die jüngſten
politiſchen Verwickelungen notwendig gewordenen Aus=
gaben
, die mangels vorliegender Delegationsbeſchlüſſe aus
den Kaſſenbeſtänden durch Vorſchüſſe gedeckt worden ſeien,
und deren Rückzahlung jetzt dringend erforderlich ſei. Der
Finanzminiſter erklärte hinſichtlich der Marineforderungen,
daß die der Marineverwaltung geleiſteten Vorſchüſſe nicht
für den Bau von Dreadnoughts, worüber ſo viel geſpro=
chen
werde, ſondern nur für die ſchon im Bau befindlichen
Schiffe und deren Ausrüſtung beſtimmt wären, ferner zur
Stärkung der ſehr erſchöpften Kaſſenbeſtände, ſowie des=
halb
, weil der gegenwärtige Zeitpunkt für die Durchfüh=
rung
der beabſichtigten Kreditoperationen beſonders gün=
ſtig
ſei. Dann appellierte der Miniſter an das Haus, die
eingereichte Regierungsvorlage, in der die Regierung die
Ermächtigung zur Beſchaffung von 181 740000 Kronen im
Anlehenswege nachſucht, möglichſt raſch zu erledigen, weil
die Regierung ſonſt genötigt wäre, zu kurzfriſtigen Obli=
gationen
mit höheren Zinſen zu greifen.
Im engliſchen Oberhauſe gab Lord Roſebery die
Erklärung ab, wenn das Haus ſeinen am 24. Februar
gemachten Vorſchlag, ſich als Komitee zu konſtituieren, um
die beſten Mittel einer Reform ſeiner gegenwär=
tigen
Organiſation zu erwägen, annehme, würde
er folgende Reſolution einbringen: 1. Eine ſtarke
aktionsfähige Zweite Kammer iſt nicht nur ein integrieren=
der
Beſtandteil der Verfaſſung, ſondern für das Wohl des
Staates und das parlamentariſche Gleichgewicht ein not=
wendiges
Erfordernis. 2. Eine ſolche Kammer kann am
beſten durch eine Reform und Neukonſtituierung des Ober=
hauſes
gewonnen werden. 3. Die notwendige Vorbedin=
gung
für eine ſolche Reform und Neukonſtituierung iſt die
Annahme des Grundſatzes, daß der Beſitz der Peerswürde
nicht länger das Recht gibt, dem Oberhauſe als ſtimm=
berechtigtes
Mitglied anzugehören.
Im Unterhauſe fragte der Abg. Byles Mac
Kenna, ob die Erklärung des Reichskanzlers in der Reichs=
tagsſitzung
vom 5. März bezüglich der engliſch= deut=
ſchen
Beziehungen das demnächſt dem Parlament
vorzulegende Flottenbudget in einſchränkender Weiſe be=
einfluſſen
würde. Mac Kenna erwiderte: Der freundliche
Ton der Rede des deutſchen Reichskanzlers wird herzlich
erwidert, aber ich muß darauf hinweiſen, daß unſere Flot=

tenbudgets nicht auf der Annahme baſiert werden, daß
andere Nationen beabſichtigen, uns gegenüber unfreund=
lich
zu ſein, oder daß wir beabſichtigen, gegen ſie unfreund=
lich
zu ſein. Sie werden aufgeſtellt, um den Stand unſerer
Seemacht zu erhalten und hängen von den tatſächlichen
Flottenausgaben anderer Mächte ab. Ich weiß nichts da=
von
, daß irgend welche öffentlichen Erklärungen deutſcher
Miniſter die Abſicht angedeutet haben, die geſetzlich feſtge=
legten
Ausgaben des deutſchen Flottenprogramms abzu=
ändern
.
Nach dreitägiger Debatte bewilligte das Unterhaus
einſtimmig die im Budget feſtgelegte Effektivſtärke
der Armee.
Die Erforderniſſe des Marinebüdgets für
1910/11 beziffern ſich auf 40 603 700 Pfund gegen 35142700
Pfund Sterling im Jahre 1909/10. Der Mehrbetrag iſt
hauptſächlich verurſacht durch die Erhöhung des
Schiffbaugrogramms, die das Parlament im letz=
ten
Jahre bewilligte.
Für Neubauten werden 13 279830 Pfund gegen
8 888 194 Pfund im Jahre 1909/10 verlangt, von dieſen
ſind 11850 790 für den Weiterbau der bereits in Angriff
genommenen Schiffe beſtimmt und 1 429040 Pfund als
erſte Raten für den Bau von Schiffen nach dem neuen
Programm, nämlich: 5 Linienſchiffen, 5 geſchützten Kreu=
zern
, 20 Torpedobootszerſtörern und einer Anzahl Unter=
ſeebooten
, die 750000 Pfund koſten ſollen und von zwei
Schwimmdocks, die jedes ein Kriegsſchiff aufzunehmen
vermögen, die bis zum Jahre 1911 fertiggeſtellt werden
ſollen. Das eine dieſer Docks iſt für Portsmouth, das
andere für Medway beſtimmt. Der Perſonalbeſtand
wird um 3000 Mann erhöht. Es iſt Vorſorge für ein
neues Trockendock in Portsmouth getroffen. Mit dem
31. März 1910 werden folgende Schiffe vollen=
det
und für den Dienſt verfügbar ſein: 5 Linienſchiffe,
2 nicht geſchützte Kreuzer, 9 Torpedobootszerſtörer, 6 =
ſten
=Torpedobootszerſtörer, ſowie 16 Unterſeeboote. Am
1. April 1910 werden im Bau begriffen ſein: 7 Linienſchiffe,
3 Panzerkreuzer, 9 geſchützte Kreuzer, 2 nicht geſchützte
Kreuzer, 37 Torpedobootszerſtörer und 9 Unterſeeboote:
von dieſen werden 1 Linienſchiff, 1 Panzerkreuzer, 1 nicht
gepanzerter Kreuzer, 5 geſchützte Kreuzer, 20 Torpedo=
bootszerſtörer
und 4 Unterſeeboote vorausſichtlich am 31.
März 1911 fertiggeſtellt ſein.
Das norwegiſche Storthing beſchloß mit 97 gegen 24
Stimmen, den Mitgliedern des Storthings für die Seſſion
eine Renumeration von 3000 Kronen, ſowie eine Reiſever=
gütung
während der Ferien zu bewilligen.
Die bulgariſche Sobranje nahm mit Akklamation
die von den Anhängern der Regierung eingebrachten
Dringlichkeitsanträge an auf Einleitung einer Unter=
ſuchung
gegen mehrere Miniſter des früheren Stambulow=
ſchen
Regimes wegen des von dieſn begangenen Amts=
mißbrauches
. Die Löſung der ſeit Monaten die Oef=
fentlichkeit
beſchäftigenden Frage erregt allgemeines Auf=
ſehen
.
Es wird in Wien ſehr bemerkt, daß der von Pe=
tersburg
kommende König Ferdinand von Bulga=
rien
Wien verlaſſen hat, ohne den Kaiſer geſprochen
zu haben. Es war nunmehr zum dritten Male, ſeit er
König iſt, daß er Wien berührt, ohne ſich dem Kaiſer in
ſeiner neuen Würde vorzuſtellen. Dagegen iſt die bevor=
ſtehende
Staatsviſite des Bulgarenkönigs und ſeiner Fa=
milie
in Belgrad ziemlich ſicher.

* Der Kaiſer traf auf der Deutſchland am Mitt=
woch
gegen 4 Uhr vor Helgoland ein und landete an
der Gemeindebrücke. Nach Beſichtigung der Hafenanlagen
und Vortrag über die Schutzbauten erfolgte die Auffahrt
durch den Tunnel und ein Rundgang auf dem Oberlande
bis zur Kommandantur, wo der Kaiſer von der Frau des
Kommandanten Schröder begrüßt wurde. Der Kaiſer ver=
weilte
hier längere Zeit und unterhielt ſich eingehend mit
den Vertretern der Behörden und dem Schriftſteller Ge=
heimrat
Rudolf Lindau. Die Abfahrt von der Gemeinde=
brücke
erfolgte um 6 Uhr. Der Kaiſer machte der Ge=
meinde
die Doeckerſche Baracke für Krankenzwecke zum Ge=
ſchenk
. Der Schnelldampfer Kaiſer Wil=
helm
II. des Norddeutſchen Lloyd, der mit dem Kai=
ſer
eine zweitägige Fahrt nach der norwegiſchen
Küſte antritt, ging am Mittwoch vormittag auf der Reede
von Bremerhaven vor Anker. Nachmittags um 2,30 Uhr
traf Prinz Heinrich von Preußen mit der Stations=
acht
Carmen von Wilhelmshaven ein und wurde an
Bord des Lloyddampfers von dem Direktor des Norddeut=
ſchen
Lloyd, Heiniken, empfangen. Um 7 Uhr erfolgte die
Ankunft des Großherzogs von Oldenburg, der
von Direktor Heiniken mit dem Dampfer Seeadler von
Nordenham abgeholt worden war. Bald darauf trafen
die übrigen Gäſte, annähernd 100, mit Sonderzügen von
Bremen bei der Lloydhalle ein, von wo ſie mittels Tender
nach dem in glänzender Illumination erſtrahlenden
Schnelldampfer übergeſetzt wurden. Bei dem Souper hieß
der Vizepräſident des Norddeutſchen Lloyd, Achelis, die
Gäſte willkommen. Der Großherzog von Oldenburg er=
widerte
mit einem Hoch auf den Norddeutſchen Lloyd.
* Biarritz, 10. März. König Eduard iſt ge=
ſtern
abend hier eingetroffen.

Was die Banknote erzählt.
Von Dr. Adolph Kohut.
(Nachdruck verboten.)

Wenn auch Bertram in Meyerbeers Robert der
Teufel das Geld nur für Chimäre erklärt, ſo iſt dieſe
Behauptung nicht für bare Münze zu nehmen. Auch
widerſprechen ihr die größten Dichter aller Zeiten, die
in Romanen, Dramen und lyriſchen Poeſien die un=
bezwingbare
Macht des Goldes und der geprägten
Münze ſchildern. Ich verweiſe nur auf den Altmeiſter
Goethe, von dem das berühmte Wort herrührt:
Am Golde hängt,
Nach Golde drängt
Doch alles.
Und derſelbe große Lyriker hat einer Binſen=
Wahrheit den poetiſchen Ausdruck gegeben:
Armut iſt die größte Plage,
Reichtum iſt das höchſte Gut.
Der Verfaſſer des Buches der Lieder Heinrich
Heine, der Zeit ſeines Lebens mit dem Golde in
Streit lag, indem ſeine Finanzen ſich faſt immer in
größter Unordnung befanden, hat ſich ſogar zu der
peſſimiſtiſchen Behauptung verſtiegen, daß, wer nichts
hat, ein Lump ſei, der ſich begraben laſſen könne.
Könnten wir nun auch eine ziemlich beträchtliche
Sammlung von Geld= und Goldpoeſie, wie ſie ſich in
den Literaturen aller Zeiten und Völker vorfindet, zu=
ſammenſtellen
, ſo beziehen ſich doch dieſe Dichtungen
in erſter Linie auf die geprägte Münze, dieſes Wun=
dermittel
, das alle Wünſche des menſchlichen Herzens
erfüllen kann, während es erſt der neueren, bezieh=
ungsweiſe
neueſten Zeit vorbehalten war, eine Bank=
notenpoeſie
zu ſchaffen. Freilich ſind bisher dieſe lyri=
ſchen
Perlen noch nicht zuſammengeſtellt worden und
ſchmücken noch nicht den Studiertiſch und das Boudoir.
Doch iſt der Anfang dazu wenigſtens gemacht. Einer,
der es verſteht, ein Fachmann, der Reichshauptbank=
kaſſierer
a. D. und kaiſerlicher Rechnungsrat Karl
Köllich in Berlin hat ſich der Mühe unterzogen,
Banknoteninſchriften zu einem kleinen Heft, das er als
Manuſkript für Freunde hat drucken laſſen, zuſammen=
zuſtellen
. Er, der wie kein anderer Sterblicher Jahre
hindurch Gelegenheit hatte, Millionen, ja Milliarden
von Banknoten an der Deutſchen Reichsbank durch
eine Hände gleiten zu laſſen, hat während ſeiner
Dienſtzeit, als er von Berufs wegen die Banknoten
prüfte, am Rande der verſchiedenen blauen, braunen
oder grauen Lappen mit Bleiſtift oder Tinte hübſch
geſchriebene oder gekritzelte poetiſche und proſaiſche
Ausſprüche entdeckt, die er fein ſäuberlich aufgezeich=
net
und zu einem mehr oder weniger duftigen Blu=
menſtrauß
, oder, wenn man will, Dornenbuſch, ver=
einigt
hat.

Was nun dieſe Banknoten erzählen, iſt ein voll=
ſtändiger
Roman aus dem menſchlichen Leben. Laſſen
wir zuerſt den Humoriſten den Vortritt, die ſich einen
gewiſſen Galgenhumor bewahrt haben, ſelbſt dann,
wenn ſie ſich von ihrem treueſten Kameraden, der ſie
längere oder kürzere Zeit durchs Leben begleitet hat,
haben trennen müſſen. Sie erſcheinen vor unſerem
geiſtigen Auge gleichſam leibhaftig, und wir ſehen, wie
ein mildes, ironiſches oder ſarkaſtiſches Lächeln ihre
Lippen umkräuſelt. Der eine dieſer Witzbolde ſingt nun:
Der eine wünſcht ſich hundert Mille,
Ich bin zufrieden mit halb ſo ville.
Der andere bemerkt, ſich über ſeinen eigenen
Leichtſinn luſtig machend:
Ihr Weiber, Weine, Bier,
Gleich teuer ſeid ihr mir.
Ich habe dich vom Alten
Erſt heute früh erhalten
Und dich in einer Nacht
Doch glücklich durchgebracht.
Der Dritte ſingt frei nach Heinrich Heine:
Flieg’ hinaus, mein Fünfmarkſchein,
Flieg’ hinaus ins Weite,
Wenn dich meine Brüder ſchau’n,
Sage, ich ſei pleite.
Der Schmerz des Abſchieds von den geliebten
Banknoten erpreßt manchem Beſitzer ſo manchen Schrei
des Jammers und der Qualen, und wenn er ſich auch
der Hoffnung hingibt, daß es ein frohes Wiederſehen
gebe und daß der Bläuling doch einmal wiederkehren
werde, ſo zieht ſich doch durch all die poetiſchen und
proſaiſchen Gedankenſpäne wie ein roter Faden die
Qual der Trennung hindurch. Man höre nur die
nachſtehenden Stoßſeufzer:
Der letzte Sproß meiner Ahnen, ſo leb’ denn wohl.
Leb’ wohl, es wär’ ſo ſchön geweſen,
Leb’ wohl, es hat nicht ſollen ſein.
Lebe wohl und komme wieder
Mit viel tauſend deiner Brüder.
Leiſe flehen meine Lieder,
Wann ſehen wir uns wieder?
Bleibe treu, fahre hin, lebe wohl.
Holder Fetzen bleibe doch bei mir.
Unter den Banknotenpoeten ſind entſchieden auch
Philoſophen, die große Worte gelaſſen ausſprechen.
Hier nur einige dieſer Sinnſprüche, an deren Wahrheit
niemand zweifeln kann:
Wenn du ſolche Scheine haſt,
Iſt das Leben dir nie ine Laſt.
Wo du nicht biſt,
Herr Organiſt,
Da ſchweigen alle Flöten.
Qu biſt mein Schatz, mein Augentroſt.

Neben den deutſchen geſchriebenen Stoßſeufzern
fehlen auch ſolche in fremden Sprachen nicht. So be=
merkt
ein Franzoſe kurz und erbaulich:
Cent de vous
Assez pour nous.
(Hundert von dir genügen mir.)
Eine tiefe Reſignation verraten die meiſten golde=
nen
Worte, die dem Papier anvertraut werden. Ein
Unglücklicher meint:
Für jetzt entſchwindeſt du meinen Händen,
Ich habe keinen zweiten zu verſenden.
Nur wenige bleiben augenſcheinlich gleichmütig
und tröſten ſich über das Unvermeidliche. Ja, ſie be=
finden
ſich ſogar in roſiger Stimmung. Wie verſöhn=
lich
klingt nicht der Ausſpruch:
Glück ſei dein Los,
Zukunft deine Hoffnung.
Oder der reſolute Entſchluß:
Fort mit dem Mammon!
Es wäre ſehr zu wünſchen, wenn, den leuchtenden
Spuren des Reichshauptbanſkkaſſieres folgend, auch
andere Kaſſierer großer und kleiner Banken die Bank=
noteninſchriften
, deren ſie habhaft werden konnten,
hübſch ſäuberlich ſammelten und aufzeichneten, und da=
durch
die Banknotenpoeſie um ein Beträchtliches ver=
mehrten
, denn es iſt klar, daß die wenigen Stichproben
Köllichs den Gegenſtand in keiner Weiſe zu erſchöpfen
geeignet ſind.
Ich ſelbſt habe, wohl nicht auf die Banknoten ſel=
ber
, die merkwürdigerweiſe nie eine beſondere An=
hänglichkeit
für mich bezeigten, ſondern in einer ein=
ſamen
ſtillen Stunde flüchtig einige Aufzeichnungen
über dieſen Gegenſtand gemacht und ſtelle ſie gern hier=
mit
den diverſen Sammlern von Hauptkaſſierern, Mil=
lionären
, Multimillionären und Mſlliardären, ſowie
anderen dergleichen angenehmen Zeitgenoſſen vollſtän=
dig
koſtenlos zur Verfügung:
Die Banknote allein macht nicht glücklich, man muf
ſie auch beſitzen.
Dem hungernden armen Teufel knurrt der Mager
nach Noten.
Der Schein trügt, aber nur, wenn er nicht echt iſt
Zwiſchen Lipp’ und Kelchesrand
Schwebt des Lappens dunkle Hand.
Nota bene, richtiger wär’s ſchon Note bene.
Ohne Noten keine Muſik,
Ohne Noten nicht Stern, nicht Glück.
Selbſt das abgegriffenſte Papiergeld bedarf keine:
Parfüms, um wohlzuriechen.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 11. März.

Die Ausnutzung des neuen ſtädtiſchen
Elektrizitätswerks.
Die Großh. Bürgermeiſterei hat vor
einiger Zeit an die hieſige Handelskammer ein
Schreiben gerichtet, deſſen Ausführungen, in den nach=
ſtehenden
Zeilen ungefähr wiedergegeben, für die All=
gemeinheit
der Einwohner unſerer Stadt Intereſſe
haben.
Es iſt wohl anzunehmen, daß die Vorteile, die durch
die Erbauung und Inbetriebſetzung desneuen
ſtädtiſchen Elektrizitätswerkes am Dorn=
heimer
Weg inbezug auf Abgabe von elektriſchem Strom
geboten werden können, noch nicht in weiteren Kreiſen
der hieſigen Bevölkerung bekannt geworden ſind. Die
möglichſte Ausnutzung des neuen Werkes, die allein
eine finanziell günſtige Lage des letzteren herbeiführen
kann und ſomit die unbedingte Vorausſetzung für
etwaige weitere günſtige Stromlieferungsbedingungen
ſein wird, erfordert namentlich eine Aufklärung indu=
trieller
Kreiſe über die neuerdings gebotenen Vor=
teile
.
Zunächſt iſt darauf hinzuweiſen, daß durch die Lage
und die maſchinellen Einrichtungen des neuen Werkes
weitere Gebiete, die infolge ihrer Abgelegenheit ſeither
richt oder doch nur unter verhältnismäßig hohen Ver=
luſten
an Strom verſorgt werden konnten, nunmehr
beſſer erreicht und vorteilhafter der Stromverſorgung
erſchloſſen werden können.
Insbeſondere iſt die Stadt jetzt in der Lagepnicht
nur Gleichſtrom, ſondern auch Drehſtrom abzugehen
und den Strom auf größere Entfernungen zu leiten,
Für Neuanſchließende ſowohl als auch für die jetzi=
gen
Stromabnehmer wäre es gewiß von Vorteil, wenn
die Abnehmerzahl auf einen möglichſt hohen Stand ge=
ee

bracht und hauptſächlich auch Abnehmer größerer Strom=
mengen
gewonnen würden.
Die Stadt wäre hierdurch leichter und jedenfalls
ſehr bald in die Lage verſetzt, dem in allen Kreiſen der

[ ][  ][ ]

Nummer 59.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Seite 3.

Bevölkerung beſtehenden Wunſch auf Herabſetzung des
Strompreiſes in befriedigender Weiſe Rechnung zu
tragen.
Eine Vergrößerung des Abnehmerkreiſes muß auch
ſchon deshalb Vorausſetzung für eine Strompreiser=
mäßigung
ſein, weil die Elektrizitätswerke bekanntlich
allgemein durch die Einführung der Metallfadenlampen,
deren Stromverbrauch zirka 50 bis 70 Prozent geringer
iſt wie der der Kohlenfadenlampen, große Einnahme=
ausfälle
zu verzeichnen haben, die nur durch vermehrte
Stromabgabe ausgeglichen werden können.
Es würde nicht nur eine Ermäßigung des Preiſes
für Lichtſtrom, ſondern auch, was beſonders für die
induſtriellen Kreiſe unſerer Stadt ins Gewicht fiele,
eine Ermäßigung des Preiſes für Kraftſtrom durch
eine beſſere Staffelung der Rabattſätze ins Auge gefaßt
werden können
Die ſtädtiſche Elektrizitätswerksverwaltung iſt
jederzeit gerne bereit, eingehende Belehrung über die
Anſchlußmöglichkeit in jedem einzelnen Falle, unter
Feſtſtellung der Koſten, zu erteilen, ſowie Intereſſenten
ſonſt nach Möglichkeit zu beraten.

* Vom Hofe. Ihre Königl. Hoheit die Groß=
herzogin
empfing am Mittwoch mittag im Neuen
Palais Frau v. Brentano aus Offenbach, die hierauf an
der Frühſtückstafel teilnahm. Nachmittags 2 Uhr 28 Min.
traf Gräfin Wilhelm zu Solms=Laubach zum Beſuch im
Neuen Palais ein und reiſte abends wieder ab.
Uebertragen wurde dem Lehrer Jakob Leng=
felder
zu Nieder=Beerbach, Kreis Darmſtadt, eine
Lehrerſtelle an der Gemeindeſchule zu Ober=Eſchbach,
Kreis Friedberg; dem Lehrer Albert Reuß zu Mühl=
heim
, Kreis Offenbach, eine Lehrerſtelle an der Ge=
meindeſchule
zu Klein=Steinheim, in demſelben Kreiſe.
In den Ruheſtand verſetzt wurde der Lehrer
Ferdinand Dickel zu Darmſtadt auf ſein Nachſuchen
mit Wirkung vom 1. April 1910 an; die Lehrerin
Eliſabeth Neßling zu Darmſtadt auf ihr Nachſuchen
nter Anerkennung ihrer langjährigen treuen Dienſte mit
Wirkung vom 1. April 1910 an.
Ernannt wurde der Gefangenwärter am Pro=
dinzialarreſthaus
in Darmſtadt Emil Jakob Schleppy
um Gefangenaufſeher an dieſer Anſtalt mit Wirkung
vom 1. April 1910 an.
*
Die Erſte Kammer der Stände tritt am
Mittwoch, den 16. d. Mts., zu einer Plenarſitzung zu=
ammen
.
Herr Generalmajor von Eckenbrecher hat, wie wir
rus ſicherer Quelle erfahren, ſein Abſchiedsgeſuch
ingereicht
X* Das Kriegsgericht der 25. Diviſion verurteilte
n der geſtrigen Sitzung den Musketier Karl Florenz
Schmidt III. vom Inf.=Regt. Nr. 117 in Mainz
egen Falſchmeldung und unerlaubter Entfernung zu
Monaten Gefängnis, von der weiteren An=
lage
der verſuchten Urkundenfälſchung wurde er frei=
eſprochen
. Der Angeklagte dient ſeit Herbſt v. J. und
rſchwindelte ſich, als ihm der Weihnachtsurlaub ver=
agt
worden war, durch gefälſchte Zettel ſeiner Mutter
nd die Vorſpiegelung, zum Begräbnis ſeines Bruders
eimreiſen zu müſſen, Urlaub; dieſen überſchritt er
ann um etwa zwei Wochen und ſtellte ſich dann ſelbſt
r Straßburg, in deſſen Bezirk ſein Heimatsort liegt,
ei dem Bezirkskommando. Von dem zur Erlangung
er Militärfahrkarte gefälſchten Urlaubspaß hatte er
einen Gebrauch gemacht. Der begutachtende Stabsarzt
ezeichnet den Angeklagten als erblich belaſtet und
egeneriert und nicht völlig zurechnungsfähig, doch
Hloß ſich das Gericht dieſer Auffaſſung nicht an, weil
rs zielbewußte, raffinierte Verhalten Schmidts dem
iderſpreche.
Weiter wurde der Dragoner Peppi Jecki aus
Sien, vom 23. Drag.=Regt., der ſich Sonntags öfters zu
etrinken pflegt und dann Montags in entſprechendem
uſtande iſt, wegen Ungehorſams nebſt Achtungsver=
Bung vor verſammelter Mannſchaft zu 3 Monaten
Woche Gefängnis verurteilt. Erſt kurz vorher
die Kaſerne zurückgekehrt, war er während des
talldienſtes um 5 Uhr abgefallen, hatte die wiederhol=
n
Befehle des Unteroffiziers zum Dienſt unberück=
btigt
gelaſſen und dann noch ein ungehöriges Be=
hmen
dem Vorgeſetzten gegenüber an den Tag ge=
gt
. Verſchiedene Vorbeſtrafungen ſind aus ähnlichen
nläſſen erfolgt. Der Erſatzreſerviſt Johann Adam
erg aus Friedberg kam ſeiner Meldepflicht bei dem
ezirkskommando nicht nach, weil er in Nauheim
nen ſchweren Rückfallsdiebſtahl verübt hatte und ſich
Shalb der Verfolgung durch die Staatsanwaltſchaft
tziehen wollte. Vor kurzem wurde er trotzdem er=
iffen
und befindet ſich ſoeben in Unterſuchungshaft.
ür das militäriſche Vergehen erhielt er die Mindeſt=
afe
von 43 Tagen Gefängnis.
* Bei der Landesverſicherungsanſtalt Großh. Heſſen
d im Monat Februar 261 Rentengeſuche (235 Inva=
den
= und Krankenrentenanträge, ſowie 26 Altersrenten=

anträge) eingegangen. Unerledigt wurden in den genann=
ten
Monat übernommen 327 Rentengeſuche, ſodaß 588 Ge=
ſuche
in Bearbeitung ſtanden. Es fanden Erledigung:
192 durch Rentenbewilligung (171 Invaliden=, 10 Kran=
ken
= und 11 Altersrentengeſuche); 29 durch Ablehnung, weil
unbegründet (23 Invalidenrenten= und 6 Altersrentenge=
ſuche
), 18 durch andere Weiſe Zurücknahme uſw. (14
Invaliden= und 4 Altersrentengeſuche), zuſammen 239, ſo=
daß
349 Geſuche als unerledigt auf den Monat März über=
nommen
werden mußten. Ferner wurden im Monat
Februar l. J. 290 Anträge auf Beitragserſtattung geſtellt,
und zwar 234 infolge Heirat weiblicher Verſicherter (H.),
54 infolge Todes verſicherter Perſonen (T.) und 2 wegen
Bezugs von Unfallrente (U.) Unerledigt wurden in den
genannten Monat übernommen 108 Erſtattungsanträge,
ſodaß zu bearbeiten waren 398 Geſuche. Bewilligt wur=
den
279 Anträge (229 H., 49 T. und 1 U.), abgelehnt wur=
den
26 Anträge (17 H., 8 T. und 1 U.). Unerledigt blie=
ben
93 Erſtattungsanträge (71 H., 20 T. und 2 U.), die auf
In welchem
den Monat März übernommen wurden.
Umfange die Landesverſicherungsanſtalt Großh. Heſſen
Heilverfahrenskoſten für ihre Verſicherten übernimmt, er=
gibt
ſich aus nachſtehenden Erläuterungen. Ende Februar
1910 waren in den nachverzeichneten Anſtalten ver=
ſicherte
Perſonen untergebracht: 1. Ernſt Ludwig=
Heilſtätte bei Sandbach 112, 2. Eleonoren=Heilſtätte bei
Winterkaſten 59, 3. Göttmannſche Heilanſtalt in Reichels=
heim
31, 4. Kuranſtalt von Dr. Schmitt in Lindenfels 12,
5. Konitzkyſtift in Bad Nauheim 21, 6. Dr. Liebes Lungen=
heilanſtalt
in Wäldhof=Elgershauſen 5, 7. Ernſt Ludwig=
Heilanſtalt von Dr. Loſſen hier 2, 8. Klinik von Dr. Grein
in Offenbach 3, 9. ſonſtige Anſtalten, wie Krankenhäuſer,
Kliniken u. dergl. m. 19, Summa 264.
** Die Konferenz der höheren heſſiſchen Polizei=
beamten
unter dem Vorſitz des Bürgermeiſters Dr.
Sutor=Alzey fand Mittwoch in Frankfurt ſtatt. Eine
Reihe wichtiger Gegenſtände ſtand zur Verhandlung,
deren Ergebnis jedoch geheim gehalten wird. Nach Er=
ledigung
der Tagesordnung wurden noch einige
ſchwebende Fragen beſprochen und u. a. feſtgeſtellt, daß
die gegenwärtige Bewaffnung der Schutzleute unge=
nügend
ſei; ebenſo ſprach man ſich für eine allgemeine
Einführung der Polizeihunde und für Errichtung einer
Zuchtſtation für das Großherzogtum Heſſen aus; auch
beſchloß man, Maßnahmen gegen Mißbrauch der Hyp=
noſe
zu ergreifen, Als Ort der nächſten Tagung wurde
Offenbach a. M. beſtimmt.
Verkehrsverein. Der Vorſtand des Ver=
kehrsvereins
hielt am Mittwoch abend im Hotel
zur Traube eine Sitzung ab. Auf eine Eingabe an die
Großh. Verkehrsinſpektion teilte dieſe mit,
daß Gelegenheit geboten iſt, von den Güterhallen das
ganze Jahr über von 7 Uhr vormittags an Güter ab=
zufahren
. Der Verkehrsverein hat dem Gaſtwirte=
verein
während der vorjährigen Ausſtellung den ihm
gehörigen Eingangstempel am Platanenhain überlaſ=
ſen
, wogegen ihm nun die Plakatſtänder, welche wäh=
rend
der Ausſtellung am Bahnhof ſtanden, übergeben
wurden. Der Verein wird dieſe Ständer bei künftigen
Ausſtellungen, Kongreſſen uſw. vermieten. In letzter
Zeit ſind dem Verein wiederholt Klagen zugegangen
über Beläſtigung des Publikums durch große
Hunde; es ſcheint den meiſten Hundebeſitzern nicht
bekannt zu ſein, daß nach der neuen Verfügung über
die Beaufſichtigung der Hunde in hieſiger Stadt große
Hunde, wie Bernhardiner, Doggen, Bulldoggen, ſowie
alle biſſigen Hunde jeder Größe nicht frei herumlaufen
dürfen, ſondern angeleint zu führen ſind.
Die Beteiligung des Vereins an der vom Bund
Deutſcher Verkehrsvereine geplanten Errichtung von
Auskunftsſtellen im Auslande wird gutge=
heißen
. Die Verkehrsvereine der fünf größten Städte
Heſſens beabſichtigen, eine Kollektivannonce in dem jetzt
neu erſcheinenden Organ des Bundes aufzugeben; ein
entſprechender Betrag wird hierzu bewilligt. Die
Großh. Bürgermeiſterei hat dem Verein zum Austauſch
mit anderen Verkehrsvereinen wiederum eine größere
Anzahl Adreßbücher überwieſen. Um jedoch dieſen
Austauſch mit noch mehr Vereinen bewerkſtelligen zu
können, wäre man für Ueberlaſſung von Adreßbüchern
von 1909 von ſeiten der hieſigen Einwohner ſehr dank=
bar
. Auf eine entſprechende Mitteilung würden die
Bücher auch abgeholt. Der Verein der Detail=
liſten
dankt für den ihm zu den Koſten des allge=
meinen
Verkaufs= und Dekorationstags überwieſenen
Betrag. Die Volksbank hat auch in dieſem Jahr
wieder dem Verkehrsverein einen Betrag von 100 Mk.
überwieſen; der Vorſitzende nimmt Gelegenheit, der
Direktion den wärmſten Dank für die tatkräftige Unter=
ſtützung
der Beſtrebungen des Vereins auszuſprechen.
Der Verband Heſſiſcher Privatarchitek=
ten
hat zur Beſichtigung ſeiner zurzeit hier ſtattfin=
denden
Ausſtellung eingeladen. Die Direktion des
Großh. Botaniſchen Gartens hat auf das Ge=
ſuch
des Vereins, den Garten auch Sonntags offen zu
halten, mitgeteilt, daß auch ſie ſchon wiederholt die

Offenhaltung des Gartens an Sonn= und Feiertagen in
Betracht gezogen habe, aber davon Abſtand nehmen
mußte, weil ihr die Mittel für Einſtellung von Auf=
ſichtsperſonal
fehlen. Wiederholt wurde in Zuſchrif=
ten
an den Verein über zu hohe Steuerverhält=
niſſe
in unſerer Stadt geklagt. Der Verein hat ſich
nun bemüht, Material von anderen Städten zu beſchaf=
fen
, um eine vergleichende Ueberſicht der Steuerver=
hältniſſe
Darmſtadts mit anderen Städten zuſammen=
zuſtellen
. Ueber den gegenwärtigen Stand der Ver=
handlungen
über die Erbauung einer elektri=
chen
Bahn nach der Bergſtraße berichtet der
Vorſitzende; es wird wohl erſt nach dem endgültigen
Abſchluß der Verhandlungen mit der Süddeutſchen
Eiſenbahngeſellſchaft in der für unſere Stadt ſo wichti=
gen
Angelegenheit ein Entſchluß gefaßt werden können.
Der Verein wird die Erbauung dieſer Bahn energiſch
weiter verfolgen.
Die diesjährige Hauptverſammlung ſoll
anfangs April im Fürſtenſaal ſtattfinden; auf der=
ſelben
wird das Vorſtandsmitglied Herr Profeſſor Dr.=
Ing. Vetterlein einen Vortrag halten. Ueber die
Beitragspflicht der hieſigen Hotelbeſitzer und ge=
meinſames
Inſerieren derſelben mit dem Verkehrsver=
ein
wurden Verhandlungen eingeleitet. Bei Be=
ſprechung
ſtädtiſcher Angelegenheiten wurde bedauert,
daß die früher ſo beliebten Muſeumsführungen
aufgegeben wurden; man hofft, daß dieſe Führungen,
für die immer ein großes Intereſſe vorhanden war,
wieder eingeführt werden. Ueber die neuerdings wie=
der
angeregte Verſetzung des Landeskrieger=
denkmals
wurde lebhaft debattiert. Auch wurde
darauf hingewieſen, daß in den Tageskalendern unſerer
hieſigen Zeitungen mehr auf die Sehenswürdigkeiten
unſerer Stadt und deren Beſuchszeiten aufmerkſam
gemacht werden müßte. Der Verein wird in ſeinem
neuen Führer ein Verzeichnis der Sehenswürdigkeiten
bringen; dieſes ſoll dann den Zeitungen zur Veröffent=
lichung
überlaſſen werden. Der Sommerfahr=
plan
der ſtädtiſchen Straßenbahn wurde dem
Verein von der Großh. Bürgermeiſterei zur Begutacht=
ung
überſandt; eine Kommiſſion von vier Mitgliedern
wird ſich darüber äußern. Dem in der Pfingſtwoche
hier ſtattfindenden Deutſchen Turnlehrertag wird
der Verein in jeder Beziehung zur Seite ſtehen und
insbeſondere die Wohnungsfürſorge übernehmen. Nach
einer kurzen Beſprechung über die diesjährige Kunſt=
Ausſtellung wurde die anregend verlaufene Sitzung
nach halb 12 Uhr von dem Vorſitzenden geſchloſſen.
Der heutige Kammerbericht befindet ſich auf
Seite 12 und 13 dieſes Blattes.
Odenwaldklub. Das neue Wanderjahr der
Darmſtädter Ortsgruppe naht heran und die Ausflugs=
kommiſſion
iſt ſchon rührig. Wer von den Mitgliedern
Vorſchläge für das neue Programm machen will, wolle
ſie in den nächſten Tagen dem Vorſtande einſenden.
Das Dekorierungsfeſt am Samstag, den 12.
d. Mts., abends 8 Uhr, im Saalbau, gewinnt ſchon um
deswillen einen beſonderen Charakter, als eine erfreu=
lich
große Anzahl von Ehrengäſten wie auch Sport=
freunden
aus dem Odenwald ihre Teilnahme zugeſagt
hat. Es wird mit einem Maſſenbeſuche gerechnet; ſo
daß zur Unterbringung der vielen Gäſte und Mitglieder
beſondere Maßnahmen getroffen werden mußten. Der
Saal wird durch Bäume und Girlanden in einen
Wald umgewandelt. Auch ſonſt iſt auf die Deko=
rationen
viel Sorgfalt verwandt. So ſind für die Ur=
aufführung
des heſſiſchen Luſtſpieles Die Maus be=
ſondere
Kuliſſen gemalt und zwar in Anlehnung an
das Situationsbild, wie es das im ehemals Schneiderſchen
Hauſe eingerichtete Odenwaldmuſeum zeigt. Originale
Odenwälder Koſtüme vervollſtändigten die Naturtreue
des äußeren Rahmens. Viel Vergnügen werden die
Wanderbilder in Verſen machen, bei denen manches be=
kannte
Geſicht in freundlichem Rahmen auftauchen
dürfte. Es iſt geboten, ſich rechtzeitig Plätze zu ſichern.
Deutſch=Evangeliſcher Frauenbund. Da weiblicher
Dilettantismus jeder Art von Frauentätigkeit ſchädlich iſt,
ſo läßt es ſich der Deutſch=Evangeliſche Frauenbund an=
gelegen
ſein, auch für die freiwillige Hilfs= und Vereins=
arbeit
Frauenkräfte zu ſchulen. Zu dieſem Zweck hielt
der Bundesvorſtand zu Hannover vom 15. bis 25. Februar
einen Ausbildungskurſus für Vorſtands=
mitglieder
ab. An der Hand grundlegender Referate
wurden die Prinzipien und Ziele des Bundes, wie ſeiner
Arbeitsgebiete diskutiert und die Vereinsleitung geübt. Zu
eingehender Beſprechung kamen: Volkswirtſchaftslehre,
Geſchichte der Frauenbewegung, Dienſtbotenfrage, Sittlich=
keitsfrage
, Arbeiterinnenfrage, Jugendfürſorge, kirchliches
Stimmrecht. Der Kurſus wies eine rege Beteiligung auf.
Da dieſer erſte Verſuch als wohlgelungen bezeichnet wer=
den
kann, ſo ſteht eine regelmäßige Wiederholung des
Kurſus in Ausſicht.
Die Frauenmiſſion in den Heidenländern gehört
heute mit zu den Fragen, die ſich einer wachſenden Beach=
tung
erfreuen. Ein kleiner treuer Freundeskreis vor allem

Kleines Feuilleton.

*** Das Geſchäft mit gebrochenen Her=
n
. Die ſcharfen Geſetzesbeſtimmungen in England.
den Bruch eines Verlöbniſſes mit außerordentlich
hen Geldſtrafen belegen und dabei dem Begriff der
rlobung eine ſehr weitgehende Dehnbarkeit geben,
edern in wachſendem Maße die Kritik der britiſchen
gatsmänner heraus, die täglich beobachten, wie
upelloſe Damen dieſes Geſetz in gewiſſenloſer Weiſe
preſſerzwecken dienſtbar machen. Vor etwa zwei
hren wurde ein Fall bekannt, der die Zuſtände tref=
id
charakteriſiert. Eine Zeitlang hatten die profeſ=
nellen
Bräute mit Vorliebe die Eiſenbahn zum
hauplatz ihrer Tätigkeit gemacht. Ein Herr reiſte in
em Coupé erſter Klaſſe; er war anfangs allein,
nn ſtieg eine elegant gekleidete Dame ein, die leb=
t
mit ihm kokettierte und Verſuche machte, ein Ge=
äch
hervorzurufen. Allein der Herr war erſt kurz
eher das Opfer einer profeſſionellen Braut gewor=
r
und nun gewitzigt. Er reagierte nicht, er ſprach
ht, er konzentrierte ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf
ne Havannazigarre und rührte ſich nicht. Bei der
ifahrt in die nächſte Station reißt die Dame plötz=
das
Fenſter auf und ſchreit verzweifelt um Hilfe.
amte eilen herbei, die Bahnhofspolizei erſcheint: die
me ſchreit und weint und erklärt den Beamten, der
rr im Coupé habe ſie mit Anträgen verfolgt und ſie
valtſam geküßt. Zum Glück konnte der Paſſagier
Anklage der Frau mit einem alle überzeugenden
weis widerlegen: er wies ſchweigend auf die Aſche
ter Zigarre, die er ſeit einer halben Stunde nicht
eſtreift hatte und die ſeine ſorgſame Kunſtfertig=
im
Rauchen verriet. Es war klar, daß bei irgend
er Bewegung die Aſche hätte herabfallen müſſen
* Abenteurerin wurde ſofort verhaftet. Die Fälle,
denen erwerbsſüchtige junge Damen den Breach
Promiſe‟=Paragraphen als Mittel zu bequemem
emögenserwerb ausnutzen, haben ſich in letzter Zeit

ſo ſehr gehäuft, daß eine große Bewegung entſtanden
iſt, die auf die Abſchaffung dieſes Paragraphen hin=
arbeitet
. Es iſt bemerkenswert, daß gerade die Frauen=
welt
der lebhafteſte Gegner dieſer Beſtimmung iſt,
deren Zweck urſprünglich war, die Frau zu ſchützen.
Man macht geltend, daß vornehm denkende Frauen doch
nie im Falle des Bruches einer Verlobung an das
Geſetz appellieren; dagegen läßt der gefährliche Para=
graph
unzählige unglückliche Ehen entſtehen und be=
deutet
damit eine wirkliche ſoziale Gefahr. Viele
Männer, die in die geſchickt geſtellten Fallen gehen,
haben nachher keine Wahl mehr: die Entſchädigungs=
ſummen
ſind ſo hoch, daß die wenigſten ſie bezahlen
können, ganz abgeſehen davon, daß viele Männer
durch ihren Beruf ſich niemals einer ſolchen Klage aus=
ſetzen
dürfen, da dies einen Skandal bedeuten und ihre
Exiſtenzen gefährden würde. So wird ein flüchtiges
Wort, das vielleicht im Ballſaal unter der Einwirkung
einer mitreißenden Walzermelodie und des Champag=
ners
geſprochen wurde, für die ganze Zukunft eines
Menſchen entſcheidend. In der engliſchen Preſſe, die
ſich jetzt emſig mit dieſer Frage beſchäftigt, wird ein
Fall erzählt, der ſich erſt kürzlich ereignete. Ein jun=
ger
Mann heiratete ſchließlich unter Androhung der
Klage; er iſt jetzt geſchieden, ſeine Exiſtenz iſt aber
ruiniert, da er noch nicht in der Lage iſt, den Unter=
halt
für die geſchiedene Frau aufzubringen. Was war
der Anfang der Tragödie? Auf einem Balle hatte er
ſeine Tänzerin flüchtig auf die Wange geküßt, ohne
daran zu denken, ein Eheverſprechen damit zu ver=
knüpfen
. Er war völlig faſſungslos, als die junge
Dame ſofort die Arme um ſeinen Hals ſchlang und ihn
Darling nannte. Merkwürdigerweiſe erſchien in
demſelben Moment die Mutter, der die Tochter ſofort
entgegenrief: Mutting, Bobby und ich ſind verlobt‟
Als der unbeſonnene junge Mann die Situation auf=
klären
wollte, war die Androhung der Klage die Ant=
wort
. Und um dieſer Unwürdigen willen, die das
Geſetz mißbrauchen, wollen die Frauen Englands den

Paragraphen beſeitigt wiſſen, der nur Abenteurerinnen
den Vorwand bietet, unerfahrene Jünglinge in ihre
Fallen zu locken und dann vor die Alternative zu
ſtellen: Ihr Geld oder Ihr Leben.
* Ein humaner Einbrecher. Aus New=
York wird berichtet: Ein Einbrecher namens James
Ferrick hatte jüngſt ein außerordentliches Erlebnis,
als er um Mitternacht in die Wohnung einer Frau
Angeline Caſello eindrang. Die Frau beſand ſich ge=
rade
in dem ihrem Schlafzimmer benachbarten Bade=
zimmer
. Als ſie den Einbrecher plötzlich vor ſich ſah,
ſtieß ſie einen Schreckensſchrei aus, verlor die Beſin=
nung
und verſchwand im Waſſer. Der Einbrecher,
Ferrick, wußte nicht, was er zunächſt tun ſollte. Schließ=
lich
rief er ſelbſt: Zu Hilfe! Zu Hilfe!
Die Mutter
der Frau Caſello erſchien, und mit Hilfe des Ein=
brechers
konnte ſie ihre Tochter, die die Beſinnung
verloren hatte, aus der Badewanne herausziehen und
vor dem Ertrinken retten. Als die Rettung vollzogen
war, hatte Ferrick nur noch das eine Beſtreben, ſo
ſchnell wie möglich zu verſchwinden. Als er aber das
Haus verließ, fiel er in die Hände eines Polizei=
beamten
, der ihn verhaftete.
* Ein Orden des Schahs von Perſien
in Form eines großen goldenen Medaillons mit drei
Reifen, die ganz mit Brillanten beſetzt waren, wurde
bei Lepke in Berlin am Dienstag verſteigert. Das
am blauen Bande um den Hals zu tragende Schmuck=
ſtück
enthielt in der Mitte das ſehr fein gemalte Bild=
nis
des Schahs, auf einer Elfenbeinplatte und als
Agraffe eine ebenfalls mit Brillanten beſetzte Schleife
mit einem Blumenſtrauß. Der Orden war einſt dem
bekannten Weltreiſenden und Philanthropen Baron v.
Korff, einem Schwiegerſohn Meyerbeers, vom Schah
von Perſien verliehen worden. Für 1250 Mark er=
ſtand
das Aufſehen erregende Stück der Kunſthändler
Auerbach in Berlin.

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Seite 4s

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910

Nummer 59.

in der Frauenwelt verfolgt mit warmer Anteilnahme alle
Ereigniſſe und Fortſchritte auf dem Miſſionsfeld draußen
Auch für weitere Kreiſe dürfte es wertvoll ſein, ſich mit
dem Wirken und Arbeiten der Frauenmiſſion bekannt zu
machen. Schöne Gelegenheit hierzu bietet ein Vortrag,
den der hieſige Hilfsverein für die Basler
Frauenmiſſion am Donnerstag, den 17. März,
nachmittags 5 Uhr im Gemeindehaus, Kiesſtraße 17, ver=
anſtaltet
. Frl. Margarete Beck aus Nordhauſen am Harz
wird über ihre Tätigkeit berichten. Sie ſteht ſchon ſeit
Jahren im Dienſt der Basler Miſſion und arbeitet als
geprüfte Lehrerin an einer Brahmanenmädchenſchule in
Mangalur in Indien. Wie anziehend die Wiedergabe
von Selbſterlebtem und Selbſterfahrenem auf die Zuhörer
zu wirken pflegt, braucht wohl nicht beſonders hervorgeho=
ben
zu werden und ſteht allen Beſuchern des Vortrages
eine gewinnbringende Stunde in Ausſicht.
Volksbildungsverein. Die Wiederholung des Ko=
metenvortrages
von Herrn Prof. Dr. Meiſel iſt auf
Donnerstag, den 17. ds. Mts., feſtgeſetzt. Der Vortrag
wird wieder in der Hochſchule gehalten. (Näh. d. Anz.,
Der Freiſinnige Verein hält nächſten Dienstag,
abends 8½ Uhr, im Hotel Prinz Karl eine Mitglie=
derverſammlung
ab, in der die Delegierten über den
Parteitag in Berlin Bericht erſtatten werden.
Der Landesverband heſſiſcher Privatange=
ſtellten
=Vereine hält am Sonntag ſeine zweite Haupt=
verſammlung
ab. Die Tagesordnung ſieht zur
Verhandlung vor die Entgegennahme des Jahres
berichtes, Vorſtandswahlen und Anträge auf Aenderung
der Verbands=Satzung. Außerdem wird ſich die Ver=
ſammlung
mit dem heutigen Stand der Privatbeamten=
Verſicherungsfrage zu befaſſen haben. Zu den Verhand=
lungen
haben alle Mitglieder der dem Landesverbande
angeſchloſſenen Vereine Zutritt.
Martinsgemeinde. Der vierte und letzte dies
winterliche Vortrag in unſerer Männervereinigung
findet am Montag, den 14. März, abends 8½ Uhr, im
neuen Gemeindehaus ſtatt. Herr Pfarrer Hofmann aus
Winnerod wird ſprechen über: Die Fürſorge an
unſerer ſchulentlaſſenen Jugend‟. Gäſte
ſind willkommen. (Siehe auch heutige Anzeige.
Edelinenhaus Zimmerſches Töchterheim. Wie
immer zu Semeſterſchluß, findet auch dieſes Mal eine
Ausſtellung der Arbeiten derjenigen Schülerinnen
ſtatt, die den Kurſus vollendet haben. Dieſelbe iſt am
Samstag, den 12. ds., zu beſichtigen, wozu Intereſſenten
höflichſt eingeladen ſind.
Vortrag. Es ſei hiermit nochmals auf den von
der Ortsgruppe Darmſtadt des Allgemeinen Deutſchen
Frauenvereins veranſtalteten Vortrag des Schriftführers
des Deutſchen Nationalkomitees des Internationalen
Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels Herrn
Major a. D. Wagener=Berlin über Die Erfolge im
Kampfe gegen den Mädchenhandel hingewieſen. Der
Vortrag findet heute am 11. März, abends 8 Uhr im
Fürſtenſaal ſtatt.
Perzina=Harfenklavier. Man ſchreibt uns: Ein
beſonderer Genuß bot ſich am Mittwoch abend Herren
des hieſigen Mozartvereins. Sein Mitglied, Herr
Pianofortefabrikant Karl Arnold hatte eines ſeiner
Perzina=Harfenklaviere im Probelokal aufgeſtellt, das
von dem Komponiſten Siegfried May in hervorragen=
der
Weiſe geſpielt wurde. Die Nachahmung des Har=
fentones
iſt ſo vollkommen, daß man von einem Unter=
ſchiede
von einer richtigen Harfe nicht ſprechen kann.
In der Begleitung von Geſängen, z. B. Lied an den
Abendſtern, Weylas Geſang uſw., von Inſtrumental=
Vorträgen, wie Meditation von Bach=Gounod, ebenſo
wie zum Vortrag von Solopiecen iſt dieſes neuartige
Klavier wunderbar geeignet. Die Handhabung geht
ſo einfach vor ſich, daß man während des Spielens
Klavier=, Harfen= oder Cembaloton einſtellen kann.
Große Theater= und Konzertorcheſter haben ſich des
willkommenen Inſtrumentes ſchon angenommen. So
iſt es in das Oldenburger Hoftheater=Orcheſter bereits
als Harfenerſatz einrangiert, wie es ja auch bei dem
letzten hieſigen Konzert der Meininger Hofkapelle auch
bereits Verwendung fand. Den Komponiſten iſt da=
durch
eine leichtere und vollkommenere Schreibart des
Harfenparts ermöglicht, da ſie nicht Rückſicht auf die
Umſtimmungen der Harfe bei Modulationen zu neh=
men
brauchen.
Wandern und Spiele Lebenskraft! Man ſchreibt
uns: Vor einigen Wochen bereits wurde hier von einer
größeren, herrlichen Rodelpartie in unſerem heimatlichen
Odenwald berichtet. Nun, die Schneezeit ſcheint heuer für
uns vorbei zu ſein. Dafür tritt jetzt allenthalben mehr
und mehr die Wanderluſt in den Vordergrund! Der
Odenwaldklub feiert ja nächſten Samstag wiederum Deko=
rierungsfeſt
und Alt und Jung rüſtet ſich zu neuen
Touren. Heute jedoch ſei berichtet von den Spielen
im Naturheilverein. Weniger wäre zu ſagen über
die ſelbſtverſtändlichen, zur naturgemäßen Lebensweiſe ge=
hörigen
Ball=, Tennis=, Geellſchaftsſpiele, die während der
Saiſon auf dem großen Spielplatz im Lichtluftbad aus=
geübt
werden, als über die allmonatlich ſtattfindenden Fa=
milienausflüge
. Während erſtere wie auch eingangs
angedeutete Rodel= und Wanderfahrten vorzugsweiſe
von einem Stamm ausgeführt werden, vereinigt ſich zu
den Vereinsausflügen Jung und Alt, um in fröh=
lichen
Stunden mitzutun. Man geht je nach Jahres=
zeit
in die nähere oder weitere Umgebung Darmſtadts.
Auf freier Waldwieſe oder in dem beim Ziel gelegenen
Garten treten große Bälle in ihr Recht. Damen und Her=
ren
beteiligen ſich in gleicher Weiſe an abwechslungs=
reichen
, Bewegung und Freude auslöſenden Spielen. Ge=
ſellſchaftsſpiele
ohne Bälle in Gottes freier Natur werden
eingeſchaltet. Für alle Teilnehmer bringt dieſes Tun und
Treiben Stunden der Erholung, Erwecken und Steigern
von Lebensmut Geſundheit Lebenskraft! Für näch=
ſten
Sonntag nachmittag iſt ein Spaziergang nach Traiſa
Darmſtädter Hof) angeſetzt. Gäſte ſind ſtets will=
kommen
.
Ortsgewerbeverein. Die Handwerksmeiſter und
Gewerbetreibenden ſeien hiermit auf die bei der hieſigen
Zentralanſtalt für Aebeits= und Wohnungsnachweis be=
ſtehende
Einrichtung der Lehrſtellenvermittlung
aufmerkſam gemacht. Die Anmeldung vorhandener offe=
ner
Lehrſtellen wolle man alsbald bei der Geſchäftsſtelle
(Waldſtraße 6) veranlaſſen.
Tierſchutzverein. Die Hauptverſammlung des Tier=
ſchutzvereins
für das Großherzogtum Heſſen ſindet dieſes
Jahr Mittwoch, den 13. April, zu Schotten ſtatt. Auf der=
ſelben
wird Herr Oberlehrer Dr. Rauſch einen Vortrag
halten über das Thema: Unſere Haustiere im Lichte der
Sprache und Geſchichte.
Beſitzwechſel. Das Haus Heidelberger Straße 7
ging durch Kauf in den Beſitz des Herrn Zahnarztes
Stroh hier über.
Das der Familie Brandſtätter hier gehörige
Haus Wilhelminenſtraße 23 ging durch Kauf an die
Firma Joſeph Trier hier über. Die Verkaufsver=
handlungen
und=Abſchluß geſchahen durch das Immo=
bilienbüro
von Hermann Marx hier.

* Vereinigte Ortskrankenkaſſe Darmſtadt. Der
Mitgliederſtand betrug am 5. März l. J. männ=
lich
8864, weiblich 5716, zuſ. 14 580, in Prozenten 60,79,
39,21; am 26. Februar I. J. männlich 8686, weiblich 5687,
zuſ. 14373, in Prozenten 60,43, 39,57. Der Kranken=
ſtand
betrug am 5. März l. J. männlich 494, weiblich
208, in Prozenten 5,57, 3,64; am 26. Februar I. J. männ=
lich
533, weiblich 204, in Prozenten 6,13, 3,58. An
Krankengeld wurde gezahlt in der Woche vom
28. Februar bis 5. März I. J. 5903,75 Mk., in der Woche
vom 21. Februar bis 26. Februar I. J. 6490,64 Mk.
An Wöchnerinnen waren vorhanden am 5. März
I. J. 32, am 26. Februar l. J. 34; Sterbefälle
kamen vor in der Woche vom 28. Februar bis 5. März
I. J. 2; vom 21. Februar bis 26. Februar I. J. 4.
Erſter Darmſtädter Kinematograph, Ecke Rhein=
und Grafenſtraße, bietet in ſeinem neuen Programm wie=
der
eine Reihe nur erſtklaſſiger Neuheiten. Darunter ſeien
kurz erwähnt: Die Diamanten der Sängerin, großartige
ſpannende Sherlock Holmes=Erzählung, Treue Liebe auf
die Probe geſtellt Epiſode aus der Zeit Napoleons I.
Ferner ſei ganz beſonders hingewieſen auf die Mikroben=
kinematographie
Die Ameiſe‟ (Weiteres ſiehe Anz.)
Ludwigshöhe=Konzert. Am kommenden Sonntag,
den 13. März, konzertiert die Kapelle des Großh. Heſſ.
Artillerie=Regiments Nr. 61 unter der Leitung des Herrn
Weber auf der Ludwigshöhe. Es iſt dies das letzte
Sonntagskonzert vor Oſtern. Das Programm
iſt diesmal beſonders reichhaltig gewählt.
Aus dem Ried, 9. März. Der Milchkrieg ſol
nun auch auf die Ziegenmilch ausgedehnt werden;
das iſt das Neueſte in dem heißen Ringen zwiſchen
Milchproduzenten und =Händlern. In einem größeren
Riedorte, in dem die Ziegenzucht auf hoher Stufe ſteht,
will man aus der geforderten Milchpreiserhöhung auch
ſeinen Vorteil ziehen. Man hat eine Verſammlung der
Ziegenzüchter beantragt, um eine allgemeine Erhöhung
der Ziegenmilchpreiſe durchzuführen.
Mainz, 10. März. Vor dem Schwurgericht der
Provinz Rheinheſſen begann heute die Verhandlung gegen
den 24jährigen vorbeſtraften Hausdiener Franz Selzer
aus Pfeddersheim wegen der Ermordung des Lehrers
Chriſtian Kruger aus Wachenheim (Pfalz) durch ihn
und die Witwe Scheid in Worms. Es ſind nicht
weniger als 80 Zeugen und 4 Sachverſtändige zu hören.
Die meiſten Zeugen ſind aus Worms und Pfeddersheim,
aber auch aus Ludwigshafen, Mannheim, Heidelberg, Kai=
ſerslautern
, Wachenheim, Speyer, Monsheim, Kriegsfeld
Oppenheim, Bobingen uſw. ſind Zeugen geladen. Heute
wurde zunächſt die Anklage verleſen. Für heute waren 40
und für morgen ſind weitere 40 Zeugen beſtellt. Die Ver=
handlung
dürfte Freitag nacht oder Samstag vormittag
zu Ende gehen.
Mainz, 9. März. Generalleutnant v. Schlieffen,
bisher Kommandant der fünften Diviſion, wurde zum
Gouverneur von Mainz ernannt.
Mainz, 10. März. Unter Leitung des Wahlkom
miſſars Regierungsrats von Krug wurde heute vor=
mittag
die Erſatzwahl zum Landtag vorge=
nommen
. An Stelle Dr. Pagenſtechers (natlb.) wurde
von den Nationalliberalen und Zentrums= Wahl=
wännern
Hauptlehrer Bach zum Landtagsabgeord=
neten
für Mainz gewählt.
Offſtein, 10. März. Zu der geſtrigen Familien=
tagödie
iſt noch zu bemerken, daß die Frau des Ver=
walters
Gräber nicht tot iſt. Sie wurde zuſammen
mit ihrem Manne geſtern nachmittag ins Wormſer
Krankenhaus übergeführt. Sie ſchweben beide noch in
größter Lebensgefahr und dürften wohl auch nicht mit
dem Leben davonkommen. Das eingenommene Lyſol
und Sublimat wirkt gewöhnlich erſt am dritten Tage
tödlich. Die Staatsanwaltſchaft von Mainz und das
Amtsgericht Pfeddersheim kamen heute vormittag hier=
her
, um den Tatbeſtand feſtzuſtellen. Die drei Kinder
befinden ſich auf dem Wege der Beſſerung und werden
dem Leben erhalten bleiben.
(*) Gießen, 10. März. Eine große militäri=
ſche
Uebung fand heute in der Gegend von Klein=
Linden, Hochelheim und Hörnsheim ſtatt. Die Garni=
ſonen
von Marburg, Butzbach und Gießen, ſowie eine
Abteilung Dragoner nahm daran teil. Die 116er bil=
deten
die rote Partei; die Marburger Jäger und das
erſte Bataillon der 168er die blaue Partei. Die Jäger
waren mit der Bahn im Gefechtsgelände eingetroffen,
die 116er marſchierten über Klein=Linden und Großen=
Linden nach Hörnsheim. Auf den Höhen von Hörns=
heim
, Hochelheim und Lang=Göns entwickelte ſich das
Gefecht. Um halb 10 Uhr begannen die Angriffe und
um halb 12 Uhr war die Schlacht aus. Die Einlad=
ung
der Militärbehörde hatten viele Schulen angenom=
men
; höhere Schulen aus Gießen und die Volksſchulen
aus Lützellinden, Hörnsheim, Hochelheim, Lang=Göns
und anderen Orten hatten ſich zur Uebung eingefunden
und genoſſen ein ſchönes Schauſpiel.
A Alsfeld, 10. März. Die Arbeiten zur Erwei=
terung
unſeres Waſſerwerks und zur Er=
bauung
einer Hochdruckzone ſind nunmehr wie=
der
aufgenommen worden. Bekanntlich iſt die zurzeit be=
ſtehende
Waſſerleitung, die von einem Quellgebiet bei Lie=
derbach
geſpeiſt wird, nicht imſtande, Waſſer unter genü=
gendem
Druck in den hochgelegenen Stadtteil in der Nähe
des Bahnhofes zu liefern. Schon ſeit Jahren war unſere
Stadtverwaltung bemüht, dem in der Oberſtadt ſich im=
mer
mehr fühlbar machenden Waſſermangel durch Er=
bauung
einer Hochdruckzone abzuhelfen, aber erſt im vori=
gen
Jahre iſt es der Stadt gelungen, ein großes Quellen=
gebiet
in der Gemarkung Ober=Breidenbach bei Streben=
dorf
zu erwerben, auf das die Stadtverwaltung durch die
Großh. Kulturinſpektion Gießen aufmerkſam gemacht
wurde. Die dort befindlichen Quellen, die ergiebig genug
ſind, um auf Jahrzehnte hinaus die Waſſerverſorgung der
hieſigen Einwohnerſchaft ſicherzuſtellen, liegen ſo hoch, daß
ihr Waſſer mit natürlichem Gefälle dem projektierten Hoch=
druckzonenbehälter
auf dem Kippelchen zufließen kann.
Die Baukoſten einſchließlich des Quellenerwerbs ſind auf
114000 Mark veranſchlagt. An dem Hochdruckbehälter, der
300 Kubikmeter Nutzinhalt erhalten und etwa 40
Meter höher ilegen wird als der beſtehende Hochbehäl=
ter
am Bahnhof, wird gegenwärtig die Baugrube ausge=
ſchachtet
. Die Erweiterung des Waſſerwerkes ſoll bis
Mitte des Jahres beendet ſein, ſodaß das erweiterte Werk
eine außerordentliche Verbeſſerung in den Druckverhält=
niſſen
aufweiſen und vor allem auch dem hochliegenden
Stadtteil einen ausreichenden Waſſerbezug unter genügen=
dem
Druck gewährleiſten wird.

Reich und Ausland.

Aus der Reichshauptſtadt, 9. März. Prinz und Prin=
zeſſin
Eitel Friedrich traten heute abend von dem
Anhalter Bahnhof aus ihre Orientreiſe an. Eine allge=
meine
Unterbrechung des Straßenbahnver=
kehrs
trat heute kurz nach Mitternacht im Zentrum der
Stadt ein. Auf der Zentrale der Berliner Elektrizitätswerke
in der Rathausſtraße war Kurzſchluß erfolgt. Dieſer

bewirkte, daß mit einem Schlage auf ſämtlichen Linien des
Straßenbahnnetzes, die von der Station geſpeiſt werden,
alle in Fahrt befindlichen Wagen ſtehen blieben und das
Licht in ihnen erloſch. Alle Straßenlaternen, ſoweit ſie
ihre Kraft von der betreffenden Station beziehen und alle
privaten Betriebe, für die dasſelbe galt, waren plötzlich
erloſchen. Der Schloßplatz lag in tiefes Dunkel getaucht
da. Da der Straßenbahnverkehr vom Zentrum nach allen
Himmelsgegenden unterbrochen war, reichten die wenigen
vorhandenen Droſchken und Autos nicht aus, die Bedürf=
niſſe
des Publikums zu befriedigen. Die Tarif=
bewegung
im Groß=Berliner Holzgewerbe
hat geſtern ein friedliches Ende gefunden. Der Vertrag
wurde auch von den Arbeitgebern anerkannt. Großes
Aufſehen erregte geſtern in Rixdorf die Verhaftung
des früheren Stadtverordneten Füllgraf und des Land=
wirts
Arnold Jörg. Beide ſchädigten gemeinſchaftlich
zahlreiche Geſchäftsleute durch eine ganze Reihe großer
Schwindeleien. Gegen die Bankräuber in der
Friedrichſtraße verhängte der Gerichtshof in der
letzten Nacht Strafen von 1 bis zu 3 Jahren Gefängnis.
Die Anklage gegen die Räuber Wedzicki. Bluhm und
Thimm lautete auf verſuchten ſchweren Raub, die gegen
Powalla auf Anſtiftung zu dieſem Verbrechen.
Frankfurt, 9. März. Der Finanzausſchuß der
Ila hat in ſeiner heutigen Sitzung beſchloſſen, auf
die Garantie=Zeichnungen eine Quoté von
20 Prozent einzurufen. Die endgültige Schlußabrech=
nung
bleibt vorbehalten. Dieſe kann erſt in einigen
Monaten erfolgen, da noch eine Reihe von Prozeſſen
ſchwebt.
Frankfurt, 10. März. Wie die Kleine Preſſe meldet,
hat der Zeitungsverleger Auguſt Huck, der an einer großen
Reihe von Anzeigern und Tagesblättern unbeſtimmter
politiſcher Richtung beteiligt iſt, das Frankfurter
Amtsorgan, das Intelligenzblatt, zum Preiſe
von 400000 Mark erworben und gedenkt das Unternehmen
in eine Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung umzuwan=
deln
.
Aſchaffenburg, 10. März. In der vergangenen Nacht
erſchoß der Schuhwarenhändler Hohe ſeine Stief=
ſchweſter
Marie Schick in deren Wohnung. Darauf be=
gab
ſich der Mörder auf den kleinen Exerzierplatz und
erſchoß ſich ſelbſt. Der Grund der Tat iſt in einem
Erbſchaftsſtreit um das Vermögen der Mutter zu
ſuchen. Der Prozeß endete geſtern mit einer Nieder=
lage
des Hohe.
München, 9. März. Der Pfarrer Münſterer
von Pondorf, Schriftſteller und Mitverleger des Bayr.
Vaterlands iſt nach grpßen Unterſchlagungen
zum Schaden des dortigen Darlehnskaſſenvereins, des
Kirchenvermögens und vieler Privater durchgebrannt.
Man ſpricht von 120000 Mark. Das Bayr. Vaterland
geſteht, daß auch zahlreiche Freunde und ganz fern=
ſtehende
Leute nichts Beſſeres zu tun wußten, als ihr
Geld bei Münſterer zu hinterlegen, deſſen Vielgeſchäf=
tiakeit
den Leuten ſo ſehr imponierte. Das Vaterland
gibt keine Summe an, ſondern erklärt nur, daß die
Unterſchlagungen ſchon nach den von Münſterer hinter=
laſſenen
Aufzeichnungen ſehr hohe ſind. Münſterer hat
vor ſeiner Abreiſe um Entſendung eines Reviſors ge=
beten
; er war angeblich zuckerleidend und erklärte vor
14 Tagen, nach München zu einem Spezialiſten reiſen
zu wollen; er las noch eine Meſſe und verließ dann
den Pfarrhof. Am 28. Februar kam ſchon aus= Rom
ein Telegramm, dringende Angelegenheiten hätteneden
Pfarrer dorthin gerufen. Seitdem hat er nichts mehr
von ſich hören laſſen.
Kempten, 9. März. Auf der Fahrt von Ravensburg
nach Leutkirch ſtieß das Automobil des Rechtsanwalts
Gut mit einem Fuhrwerk zuſammen. Rechtsanwalt Gut
wurde ſchwer verletzt, ein anderer Inſaſſe des Automobils
wurde getötet und ein dritter leicht verletzt.
Kiel, 9. März. Durch einen Zuſammenſtoß
mit einer Pinaſſe des Linienſchiffes Naſſau wurde
ein Werftdampfer ſo ſchwer beſchädigt, daß man die
Kohlen der Feuerung über Bord werfen und der Damp=
fer
auf Strand geſetzt werden mußte. Die Beſatzung
wurde durch Boote gerettet. Nach Dichtung des Lecks
wurde der Dampfer zur Reparatur in die Werft ein=
geſchleppt
.
Breslau, 10. März. In der Schule zu Saarau
kam eine achtjährige Schülerin beim Aufhängen ihrer
Jacke der glühenden Ofentür zu nahe. Die Kleider
gerieten in Brand und das Mädchen ſtand ſofort in
Flammen. Es erlitt ſo ſchwere Brandwunden, daß es
bald darauf ſtarb.
Grandenz, 9. März. In Schöneich, Kreis Kulm,
wurde, wie der Graudenzer Geſellige meldet, heute
morgen der 18jährige Müllerburſche des Müllers Buhſe
mit der Axt ermordet aufgefunden. Der Tat
dringend verdächtig iſt ein Knecht, ein Ruſſe, der heute
morgen abgereiſt iſt.
Thorn, 9. März. Im Verfahren gegen den
Grafen Pfeil wurde um 6 Uhr 45 Min. heute
abend das Urteil vom Kriegsgericht der 35. Diviſion
gefällt. Graf Pfeil wurde von der Anklage der Ver=
leitung
zum Meineide in acht Fällen und von der An=
klage
einer verleumderiſchen Beleidigung freige=
ſprochen
und das Verfahren eingeſtellt. Die Ur=
teilsverkündigung
fand unter ungeheurem Andrange
des Publikums ſtatt. Der Zutritt war nur gegen Kar=
ten
geſtattet, doch war die Zahl der Erſchienenen ſo
groß, daß ſie der Zuſchauerraum bei weitem nicht zu
faſſen vermochte, weshalb der Vorſitzende geſtattete, daß
ein Teil des Publikums im Zeugenraume Platz nahm.
Bevor der Verhandlungsleiter zur Urteilsbegründ=
ung
ſchritt, wies er darauf hin, daß im Publikum ver=
ſchiedene
falſche Auffaſſungen entſtanden ſeien. Von
der eidesſtattlichen Verſicherung des Grafen ſei nicht er=
wieſen
, daß ſie falſch geweſen ſei. Auch ſeien nicht die
Mißhandlungen der Gräfin Gegenſtand der Gerichts=
verhandlung
geweſen; das Gericht hatte lediglich die
Frage zu prüfen, die gegen den Grafen erhobenen
Anſchuldigungen richtig oder unwahr waren. Zur Be=
gründung
ſelbſt übergehend teilte der Verhandlungs=
leiter
weiter mit, daß es ſich um vier Anklagen wegen
Verleitung zu falſchen eidesſtattlichen Verſicherungen
gehandelt habe, in vier Fällen um Verleitung zum
Meineid, in zwei Fällen um Beleidigung. In den
erſten vier Fällen iſt bereits die Verjährung eingetre=
ten
, da die geſetzliche Friſt von fünf Jahren ohne rich=
terliche
Unterbrechung bereits verſtrichen iſt. Trotzdem
iſt das Gericht auch in eine ſorgfältige Prüfung dieſer
Fälle eingetreten, und zu dem Reſultat gekommen, daß
auch, abgeſehen von der Verjährung, eine Freiſprechung
hätte erfolgen müſſen. Was die weiteren Fälle anlangt
die ſich auf Verleitung zum Meineid beziehen, ſo waren
in zwei Fällen die Unterlagen ſo wenig belaſtend für
den Angeklagten, daß die Anklage überhaupt fallen ge=
laſſen
wurde. In den beiden anderen Fällen erfolgte
gleichfalls Freiſprechung. Der neunte Punkt betraf die
Beleidigung der Gräfin Pfeil. Sie wurde vom Ange=
klagten
beſchuldigt, eine Nota der Firma Roſenthal in
Breslau gefälſcht zu haben. Es iſt nachgewieſen, daß
die Nota nicht aus dem fraalichen Geſchäft ſtammt. Der

[ ][  ][ ]

Nummer 59.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Seite 5.

Angeklagte hat einmal zu ſeinem früheren Rechtsver=
reter
Schmeidler geſagt, die Gräfin hätte ihm gegen=
iber
die Fälſchung eingeſtanden. Die Urteile der Sach=
verſtändigen
ſprachen aber die Möglichkeit, ja zum Teil
vgar die Wahrſcheinlichkeit aus, daß die Handſchrift
ruf der Nota von der Gräfin herſtamme. Daß die Nota
richt vom Grafen herrühren kann, hat die Gräfin ſelbſt
5ekundet. Da durch die Beweisaufnahme ein Beweis
für die Fälſchung der Nota durch die Gräfin nicht er=
bracht
werden konnte, ſo liegt immerhin eine ehren=
rührige
Beleidigung der Gräfin durch den Angeklagten
vor. Doch wurde dieſem der Schutz des Paragraphen
193 zugebilligt, ſo daß auch hier auf Freiſprechung
erkannt wurde.
Wien, 9. März. Wie die Blätter melden, ereignete ſich
bei Himberg in der Nähe von Wien ein ſchwerer
Automobilunfall. Ein mit ſieben Chauffeuren be=
ſetztes
Schulautomobil der neugegründeten Wiener Lohn=
wagenunternehmung
überſchlug ſich bei einer Kurve und
begrub die Inſaſſen, von denen einer getötet, drei
chwer und zwei leicht verletzt wurden.
Rom, 9. März. Das Duell zwiſchen dem General
Prudente und dem Deputierten Chieſa fand mittags
ſtatt. Chieſa wurde durch einen Säbelhieb leicht an der
linken Wange verwundet.
Paris, 10. März. Ein ſchwerer Unfall hat
ſich geſtern in einem Kinematographen=Theater
in San Benedetto bei Mantua ereignet. Eine Galerie,
uf der ſich 80 Perſonen befanden, brach zuſammen und
ille ſtürzten in die Tiefe. Zwei Perſonen wurden ge=
ötet
, eine ganze Anzahl ſchwer verletzt.

S. ordentliche evangeliſche Landesſynode.

Nach Eröffnung der Sitzung durch den Präſidenten
der Synode, D. Stamm= Gießen, ſpricht Syn.=Abg.
Bayer=Groß=Gerau das Gebet. Es folgt eine An=
ſprache
des Präſidenten, ferner die Verkündigung neuer
Einläufe, Berichtsanzeigen und die Verpflichtung der
nen eingetretenen Mitglieder: Lic. Schettler= Darm=
ſtadt
, Sachs=Erbach und Diefenbach==Darmſtadt.
Hierauf wird zur Beratung und Beſchlußfaſſung
iber die Vorlage Großh. Oberkonſiſtoriums, den Vor=
nſchlag
der Einnahmen und Ausgaben
es evangeliſchen Zentralkirchenfonds
ür die Jahre 19101914 betreffend, überge=
angen
.
Der Präſident des Oberkonſiſtoriums D. Nebel
erläutert im allgemeinen den Voranſchlag, der mit
768 985,90 Mk. in Einnahme und Ausgabe abſchließt;
desgleichen als Berichterſtatter des Erſten Ausſchuſſes
Syn.=Abg. Keil=Spachbrücken, der für Umwandlung
der fünfjährigen in eine dreijährige Budgetperiode und
für den Antrag des Ausſchuſſes eintritt, die Synode
volle über den vom Oberkonſiſtorium vorgelegten Vor=
anſchlag
hinaus 30000 Mark für die Erhöhung der
Pfarrwitwenpenſionen einſtellen.
Ueber dieſen Poſten entſpinnt ſich in der General=
diskuſſion
eine lebhafte Debatte, an der ſich in ableh=
iendem
Sinne der Syn.=Abg. Dreſſel, in zuſtim=
mendem
Syn.=Abg. Lucius beteiligen. Letzterer be=
fürwortet
die Abkürzung der Budgetperiode, die im
Zuſammenhang mit der geplanten und notwendigen
Reviſion der Kirchenverfaſſung vorzunehmen ſei, und
empfiehlt dieſe Reviſion aufs angelegentlichſte. Syn.=
Aba Wimmenauer=Gießen beanſtandet die in dem
Voranſchlag geplante Erhöhung der Kirchenſteuer und
wünſcht, wie ſein Vorredner, Lic. Schettler= Darm=
ſtadt
, über die prozentuale Höhe des Steuerzuſchlags
Auskunft. Dieſe erteilen in längeren Ausführungen
räſident D. Nebel, ſowie die Syn.=Abg. Lucius
Jaudt und D. Schloſſer die ſämtlich darauf hin=
wveiſen
, daß die Steuererhöhung notwendig ſei, aber
prozentugliter über den bisherigen Zuſchlag zur Staats=
ſteuer
(12½ Prozent) ſicher nicht hinausgehen werde.
Zu den Einzelpoſten der Ausgaben gibt der
BZerichterſtatter Dekan Wagner=Grünberg die Er=
läuterungen
. Ohne Diskuſſion angenommen werden
die Poſitionen I (Koſten der Landesſynode: 6800 Mark),
II (Koſten des Oberkonſiſtoriums: 81 134 Mk. 50 Pfg.)
III (Bureaukoſten der Superintendenten; 926 Mark).
Zu Poſition IV (Tagegelder und Reiſekoſten der
Superintendenten und Dekane) bittet Syn.=Abg. Din=
geldey
=Darmſtadt in Hinblick auf einen Artikel im
Volksfreund um Auskunft über die tatſächliche Höhe
der Diäten. Es wird von Präſident D. Nebel im
einzelnen dargelegt, daß die Diäten ſich ganz in den
Grenzen der Diäten halten, die im ſtaatlichen Betriebe
herkömmlich ſind. Hierauf wird die Poſition (8500 M.)
genehmigt. Desgleichen Poſition V (Anwalts= und Ge=
richtskoſten
: 500 Mark).
Bei Poſition VI (Koſten des Predigerſeminars),
die mit 24706 Mark genehmigt wird, entſpinnt ſich eine
Debatte über die Seminarbibliothek, an der
ſich die Syn.=Abgg. Wahl, D. Flöring, D. Eger
und D. Eck beteiligen. Es wird dem Großh. Ober=
konſiſtorium
anheimgegeben, der Veröffentlichung des
Katgloges der Bücher und der jeweiligen Zugänge
näherzutreten. Desgleichen wird eingehend die Frage
erwogen, wie die Kandidaten mit den Grundlagen der
Verwaltungstätigkeit im Kirchendienſt vertrauter ge=
macht
werden können, damit allerlei Anſtände, die ſich
namentlich in den letzten Jahren herausgeſtellt haben,
in Wegfall kommen.
Bei Beſprechung von Poſition VII (Beſondere Be=
lohnungen
und Tagegelder: 3200 Mark) gibt Prälat
D. Flöring. Auskunft über geplante Maßnahmen
zur Ausbildung junger Geiſtlicher in der Gefange=
nenſeelſorge
, und Superintendent Euler über
die Ergebniſſe der eingerichteten Taubſtummen=
gottesdienſte
, die an verſchiedenen Orten des
Landes abgehalten werden. Die Poſition wird geneh=
migt
, desgleichen Poſition VIII (Druck= und Ver=
kündigungskoſten
: 1700 Mark), IX (Vergütung der den
Dekanen dienſtlich obliegenden Aufwendungen: 9300
Mark) und X (Beitrag zu den Dekanatsbibliotheken:
1345 Mark). Zur letztgenannten Poſition machte Syn.=
Abg. D. Herrmann=Darmſtadt Vorſchläge zur Re=
form
der Dekanatsbibliotheken; desgleichen Syn.=Abg.
Lühl=Niedereſchbach zur Beſeitigung des Zwangs zur
Teilnahme an den Dekanatsleſezirkeln und zur Halt=
ung
des Regierungsblattes. Superintendent Euler
möchte an beiden feſtgehalten haben.
Schluß der Sitzung ¾2 Uhr.

Stadtverordneten=Verſammlung.

Darmſtadt, 10. März.
Der Vorſitzende, Oberbürgermeiſter Dr. Gläſ=
ing
, eröffnet die 25. Sitzung der Stadtverordneten=
Verſammlung um ¾4 Uhr mit folgenden
Mitteilungen:
Der Verkehrsausſchuß hat die von der Verlags=
buchhandlung
Degener in Leipzig ſeinerzeit nachge=
ſuchte
Beteiligung der Stadt an dem vierten Jahrgang
von Polſters Jaßrbuch für induſtrielle Auſte=

delungen uſw. abgelehnt. Die Anwohner der Kirch=
ſtraße
bitten in einer Eingabe, den zweigleiſigen Be=
trieb
im Sommer erſt um 9 Uhr beginnen zu laſſen,
und die Halteſtelle in der Kirchſtraße wieder ein=
zuführen
, ferner die Schutzmannspoſten einzuziehen
und zur Zurechtweiſung des Publikums größere Schil=
der
mit entſprechender Aufſchrift anzubringen. Stadt=
verordneter
Stephan bringt den Milchkrieg und
das Verhalten des Hofmeiereipächters Schwarz zur
Sprache. Beig. Mueller teilt mit, daß die Bürger=
meiſterei
ſich an Schwarz und an das Großh. Polizei=
amt
gewandt, aber noch keine Auskunft erhalten habe.
Die Bürgermeiſterei ſei jedoch der Anſicht, daß in dieſer
Angelegenheit unbedingt etwas geſchehen müſſe. Dar=
auf
tritt man in die Tagesordnung ein. Der
erſte Punkt iſt der
Voranſchlag für 1910.
Stadtv. Henrich erſtattet als Berichterſtatter des
Finanzausſchuſſes das Referat: Der in Ein=
nahme
und Ausgabe mit 6682310 Mark für die Ver=
waltung
und 957300 Mark für das Vermögen, zuſam=
men
mit 7639610 Mark abſchließende Voranſchlagsent=
wurf
muß als ein ſelten ungünſtiger bezeichnet
werden. Von der allgemeinen Finanzkriſis, die Reich
und Staat und nicht zuletzt auch die Städte in ihren
Bannkreis gezogen hat, iſt leider auch die Stadt Darm=
ſtadt
nicht verſchont geblieben. Gegen das Jahr 1909
ergibt ſich ein
Geſamtfehlbetrag von 1032 750 Mk.
Zur Entſtehung dieſes Fehlbetrags, der ein Sechſtel
unſeres Verwaltungsbudgets ausmacht, wirkte eine
Reihe von ungünſtigen Umſtänden mit, die die augen=
blickliche
Finanzlage der Stadt in einem ausnahms=
weiſe
ungünſtigen Lichte erſcheinen laſſen. Für 1910
ſind Einnahmeausfälle zu verzeichnen von im
ganzen 1032000 Mark. Die Schwierigkeit der allge=
meinen
wirtſchaftlichen Lage macht ſich auch inſofern
noch auf das Budget geltend, als die Großherzogliche
Bürgermeiſterei Grund dafür zu haben glaubte, für
das kommende Jahr keine Steigerung der Ein=
nahmen
aus Quellen wie Steuern, Oktroi uſw., die
ſonſt naturgemäß mit dem Wachſen der Bevölkerungs=
zahl
ein Mehr abzuwerfen pflegen, im Voranſchlag vor=
zuſehen
. Zum Glück hat ſich noch in letzter Stunde er=
geben
, daß dieſe peſſimiſtiſche Auffaſſung nicht in vollem
Umfange berechtigt iſt, vielmehr hat ſich, entgegen frü=
heren
Schätzungen, nach Aufſtellung der Steuerliſten
ein Mehr von etwa 90000 Mark an direkten Steuern
ergeben; ein Umſtand, der nicht nur zu einem günſti=
gen
Abſchluß des Budgets hilft, ſondern wohl auch als
ein Anzeichen dafür begrüßt werden darf, daß die all=
gemeinen
wirtſchaftlichen Verhältniſſe in unſerer Stadt
begonnen haben, in eine Aufwärtsbewegung einzutre=
ten
. Zur Deckung des Fehlbetrages ſchlägt
die Großh. Bürgermeiſterei in dem Voranſchlagsent=
wurfe
vor, etwa 430000 Mark auf dem Wege der Ge=
bührenerhöhung
und der Konſumbelaſtung, die größere
Hälfte dagegen mit rund 600000 Mark durch
Erhöhung der Umlagen mit etwa
(
22,2 Prozent
aufzubringen. Der Voranſchlag ſelbſt iſt mit aller an=
erkennenswerten
Umſicht aufgeſtellt, die ſich auch in un=
günſtigeren
Zeiten nicht von der notwendigen Rückſicht=
nahme
auf die Zukunft und auf die Solidität unſerer
Finanzgebarung abwenden läßt. Von dieſem Geſichts=
punkte
aus hat der Finanzausſchuß davon abgeſehen,
eine Verbeſſerung der Abſchlußziffern lediglich durch
zahlenmäßiges Herabſetzen von Ausgabe= oder Herauf=
ſetzen
von Einnahmeziffern herbeizuführen. Er hat ſich,
unbeſchadet der ſelbſtverſtändlichen genauen Prüfung
der einzelnen Anſätze auf ihre Annehmbarkeit oder
Richtigkeit, im weſentlichen darauf beſchränkt, die
Streichung oder Aenderung einzelner Poſten nur in
ſolchen Fällen vorzuſchlagen, in denen hinſichtlich der
Art oder des Umfanges der Einnahme oder der Aus=
gabe
ſelbſt eine Aenderung beabſichtigt wird.
Was die Gemeindeſteuer anbetrifft, ſo beträgt nach
Mitteilung des Großherzoglichen Finanzamts Darm=
ſtadt
I die Summe der ſtaatlichen Einkommenſteuer
und der Grundzahlen für die Grund=, Gewerbe= und
Kapitalrentenſteuer 2775000 Mk. Der Finanzausſchuß
ſchlägt vor, hiervon 128 Prozent (18,2 Prozent mehr
wie im Vorjahre und 4 Prozent weniger als im Vor=
anſchlagsentwurſ
vorgeſehen) für die Gemeinde=
ſteuer
auszuſchlagen. Zur Erleichterung des Aus=
ſchlages
mit Rückſicht auf die Verteilung der Steuern
in 6 Zielen iſt der Ausſchlagskoeffizient feſtzuſetzen
auf 128,4 Prozent.
Die Bürgermeiſterei hat ſich mit den An=
trägen
des Finanz=Ausſchuſſes einverſtanden er=
klärt
. Am Schluſſe ſeines dreiviertelſtündigen Refe=
rats
bittet Stadtv. Henrich um Annahme des Vor=
anſchlages
mit den Vorſchlägen des Finanz= Aus=
ſchuſſes
.
Der Vorſitzende dankt dem Referenten für ſeine
Mühe und weiſt darauf hin, daß mit dem neuen
Steuerausſchlag von 128,4 Prozent Darmſtadt gleich
hinter Offenbach käme, und mit Offenbach verglichen
zu werden, wäre kein Ruhm. Die Steuererhöhungen
müßten daher ein Ende nehmen. Darauf werden
die einzelnen Poſitionen des Voranſchlags durchge=
nommen
. Die Poſitionen 1. Reſte aus früheren Jah=
ren
, 2. Verpachtete Gebäude und Grundſtücke, 3. Grund=
ſtücke
in Selbſtverwaltung, 4. Waldungen, 5. Jagden,
6. Elektrizitätswerk, 7. Gaswerk, 8. Waſſerwerk mit
dem Vorſchlag des Finanz=Ausſchuſſes, 9. Lagerhäuſer
und 10. Meſſen und Märkte werden ohne weſentliche
Debatte genehmigt.
Verſchiedene Stadtverordnete bringen Spezial=
wünſche
und Anregungen vor, die nach Tunlichkeit
berückſichtigt werden ſollen. Die folgenden Poſitionen
11. Oeffentliche Wagen, 12. Kirche und 13. Schulen
finden Annahme vorſchlags= und ausſchußantragsge=
mäß
. Zu dem letzten Punkt beantragt Stadtv. Rockel
einige Abſtriche, darunter 6000 Mk. für die Jugend=
ſpiele
, worauf der Vorſitzende mitteilt, daß in Kürze
eine Vorlage über die Raumfrage in der Oberrealſchule
den Stadtverordneten zugehen werde. Die Jugend=
ſpiele
kämen in erſter Linie den Volksſchulen zugute,
deshalb ſolle die Poſition ruhig beſtehen bleiben.
Stadtv. Pickert tritt warm für die Jugendſpiele ein,
ebenſo Stadtv. Henrich. Stadtv. Nodnagel be=
tont
die ungeheure Wichtigkeit der Jugendſpiele, die
auch in ſittlicher Beziehung von größter Bedeutung
ſind. Hier dürfe nie und nimmer geſpart werden.
Stadtv. Saeng polemiſiert gegen die Ueberbeſetzung
der Lehrerſtellen mit Akademikern und befürwortet die
größere Bevorzugung der Seminariſten für die unteren
Klaſſen. Nach weiteren Bemerkungen des Stadtv.
deyd, der gegen die Ueberbelaſtung der kleinen
Schüler proteſtiert, des Stadtv. Nodnagel, der dem
Stadtv. Saeng entgegentritt und ausdrücklich betont,
daß die Zahl der Elementarlehrer niemals vermindert
werden würde, wird die Debatte geſchloſſen und die
Poſition angenommen.

14. Friedhof, 15. Straßen, 16. Kanäle, 17. Ver=
meſſung
und Ausſteinung, 18. Landwirtſchaftszwecke,
19. Militärzwecke, 20. Oeffentliche Sicherheit, wobei von
mehreren Stadtverordneten auf die mangelhaften Zu=
ſtände
der verſchiedenen Polizeireviere hingewieſen
wird, 21. Sanitätszwecke, 22. Straßenreinigung, 23.
Oeffentliche Beleuchtung, 24. Oeffentliche Uhren und
Fernſprechanlagen, 25. Feuerlöſchweſen, 26. Städtiſches
Muſeum und Denkmäler, 27. Holz= und Kohlenmaga=
zin
, 28. Oeffentliche Anlagen, 29. Armenpflege, 30.
Zwecke des Kreiſes werden ohne ausführliche Debatte
erledigt.
Bei der Poſition 31, Gemeinnützige Anſtalten, ſtellt
Stadtv. Rockel anheim, Streichungen für die Beſſun=
ger
Krippe, für den Verband der Kunſtfreunde in den
Ländern am Rhein, für den Verkehrsverein und auch
für die Volksſchülerwanderungen vorzunehmen. Sie
werden unter allgemeiner Entrüſtung zurückgewieſen.
Der Vorſitzende verſpricht eventuelle Berückſichtigung=
32. Städtiſche Leſe= und Bücherhalle, 33. Gemeinde=
ſteuer
(wird bis zum Schluß ausgeſetzt), 33a Wert=
zuwachsſteuer
, 33b Umlage für die Landwirtſchafts=
kammer
, 34. Oktroi, 35. Hundeſteuer, 36. Kapitalzinſen,
37. Schuldentilgung, 37a Koſten der Erneuerung von
Zinsſcheinbogen, 38. Allgemeine Verwaltung, werden!
ziemlich glatt erledigt. Faſt zu allen Poſitionen macht,
Stadtv. Rockel Vorſchläge für Abänderungen, er er=
fährt
aber regelmäßig entweder vom Vörſitzenden oder
aus der Verſammlung heraus Berichtigungen. Stadtv.
Heyd befürwortet Gleichſtellung der Beamten im
Hoch= und Tiefbauamt. 39. Ruhegehalte, Witwen=
und Waiſengelder, 40. Saalbau, 41. Ausſtellungs=
gebäude
auf der Mathildenhöhe (5000 Mk. für ein ein=
zubauendes
Piſſoir werden bewilligt), 42. Gemeinde=
Nutzungen der Beſſunger Ortsbürger, 43. Betrieb der
Abfuhranſtalt, 44. Baumagazin, 45. Elektriſche Stra=
ßenbahn
, 46. Schlachthof, 47. Hallenſchwimmbad, 48.
Knaben=Arbeits=Anſtalt, 49. Reſervefonds, 50. Aus=
gleichsfonds
werden ebenfalls ohne Debatte angenom=
men
. Damit iſt der Voranſchlag für die Verwaltung
erledigt, da er für das Vermögen keine Diskuſſion
mehr entfeſſelt. Der Vorſitzende teilt mit, daß die
geplante Beſitzwechſelabgabe die Gemeindeſteuerumlage
noch um etwa 3 Prozent erniedrigen würde. Der neue
Umlageſatz von 128,4 Prozent wird ſodann genehmigt.
Damit iſt der geſamte Voranſchlag erledigt.
Die übrigen auf der Tagesordnung vorgeſehenen
Punkte werden wegen der vorgerückten Zeit auf die
nächſte Sitzung verſchoben. Der Vorſitzende ſchließt nach
einigen geſchäftlichen Mitteilungen die Sitzung um
8 Uhr.

Deutſcher Reichstag.

* Berlin, 10. März. Die
zweite Beratung des Poſtetats
wird bei dem Titel Gehalt des Staatsſekretärs fortge=
ſetzt
. Abg. Zubeil (Soz.): Trotz des erheblich vermehr=
ten
Verkehrs iſt die Zahl der Beamten, namentlich der
Unterbeamten, noch verringert worden. In den oberen
Stellen gibt es vollbeſetzte Tafeln, während in den un=
teten
Stellen die Frauen und Kinder zum Broterwerb
herangezogen werden müſſen. In Kaſſel wird ein ganz
ungehöriger Druck auf die Unterbeamten ausgeübt, ſich
dem Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie
anzuſchließen. Hier und an anderen Orten iſt bei den
Wahlen ein unerhörter Druck auf die Unterbeamten aus=
geübt
worden. Außerhalb ſeines Dienſtes muß jedem Be=
amten
die volle politiſche Meinungsfreiheit gewährleiſtet
werden. Die Beſchäftigung von ſchulpflichtigen Kindern
im Poſtbetriebe, z. B. in der Packkammer in Poſen, ſollte
endlich beſeitigt werden. Derartige Zuſtände ſollten bei
der Reichspoſt nicht möglich ſein. Unglaublich geradezu iſt
die Kontrolle, die beim Telephonamt in Frankfurt a. M.
und in der Franzöſiſchen Straße in Berlin geübt wird.
Wie auch bei der Poſt aus dem Vollen gewirtſchaftet wird,
das beweiſt der Fall bei dem Poſtamt in der Charlotten=
burgerſtraße
in Berlin, wo ein Zimmer, für das 3000 Mk.
Miete geboten wurden, als unentbehrlich nicht vermieten=
wurde
. Das betreffende Zimmer ſteht aber noch heute,
nach fünf Jahren, leer. Ich hätte noch Material für zwei
Stunden (Oho! rechts und Große Heiterkeit), es gibt aber=
noch
eine dritte Leſung, wo noch manches andere beſprochen
werden kann. Für heute mag’s genug ſein. (Große Hei=
terkeit
.) Abg. Dröſcher (konſ.): Man braucht nicht
zwei Stunden, um einen ſolchen Brei hier breitzutreten.
Der Etat ſollte nicht dazu benutzt werden, um die Begierde
der Beamten aufs neue anzuſtacheln. (Unruhe links.)
Es darf niemals wieder ein Poſtetat mit einem Defizit=
wie
im Jahre 1909 kommen. Geſpart wird, das muß man
anerkennen, aber bei der tatſächlich großen Laſt der Ge=
ſchäfte
müſſen wir doch wieder neue Stellen einſetzen. Die
frühere verfehlte Beamtenpolitik hat durch die Einſtellung
zu vieler Anwärter eine Stockung im Avancement hervor=
gerufen
. Kaufmänniſcher Geiſt mit vollſtändiger Rückſicht
auf die Rentabilität läßt ſich in einem ſtaatlichen Betriebe
nicht rein durchführen. Allerdings ſind mancherlei Verein=
fachungen
möglich. Aber die Grenze dafür iſt da, wo die
Verkehrsfeindlichkeit anfängt. Die Poſt muß ein muſier=
gültiges
Verkehrsinſtitut ſein, aber auch ihr Bauweſen muß:
ein Muſter ſein. Welche Ergebniſſe hat die Tätigkeit der
Kommiſſion gehabt, welche im Vorjahre eine Vereinfachung
im Dienſtbetriebe herbeiführen ſollte? Den überſeeiſchen
Kabelverbindungen iſt beſondere Aufmerkſamkeit zuzuwen=
den
. Den berechtigten Wünſchen der Beamten iſt die Ver=
waltung
im allgem nen entgegengekommen, aber es wäre
zu wünſchen, daß die Beamten ſich dieſes Entgegenkom=
mens
bewußt werden, jedenfalls aber mit unvermindertem
Eifer ihren Dienſt weiterverſehen. Abg. Nacken (Ztr.):
Erfreulich iſt die ſparſame Anſetzung des Poſtetats. Die
Poſt iſt jedoch in erſter Linie eine Verkehrseinrichtung.
Wir werden verſchiedene Wünſche aus früheren Jahren wie=
derholen
, ſo z. B. die Reform der fürſtlichen Portofreiheit,
die Sonntagsruhe, das Poſtzeitungsweſen uſw. betreffend.
Das Pauſchalſyſtem bei der Telephonie läßt ſich bei Han=
del
und Induſtrie nicht durchführen. Gegen die Schaf=
fung
eines ſtändigen Poſtbeirates haben wir nichts einzu=
wenden
. Der Poſt wünſchen wir einen weitausſchauenden
Geiſt, der nicht dem Verkehr nachhinkt, ſondern ihn för=
dert
. Staatsſekretär Kraetke: Der letztere Aypell war
nicht nötig, wir fördern den Verkehr nach Möglichkeit.
Aber finanzielle Rückſichten ſprechen auch mit. Andere
Länder denken nicht an eine Herabſetzung des Portos=
Ich habe mit meiner Verwaltung mich der allgemeinen Po=
litk
des Reichskanzlers einzufügen. Nach dieſer ſollen
keine neuen Stellen geſchaffen werden. Ueber Brieftele=
gramme
liegen noch nicht genügende Erfahrungen vor=
Die Privattelephonie verſchwindet neben der ſtaatlichen,
ohne daß wir ihr durch unſere Beamten Konkurrenz zu
machen brauchen. Das Poſtzeitungsweſen wird durch eine
Novelle zum Poſtgeſetz neu geregelt werden. Abg.
Beck (natl.): Sparſamkeit an allen Ecken und Enden, das
iſt der Grundſatz bei der Aufſtellung dieſes Etats geweſen=
Er zeigt ſich in erſter Linie bei der Einſchränkung der Per=
ſonalvermehrung
. Leider werden dadurch zuerſt die U

[ ][  ][ ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Nummer 59.

terbeamten betroffen. Bei der Neuregelung der Fernſprech=
gebührenordnung
iſt darauf zu ſehen, daß nicht ſo hohe
Gebühren erhoben werden, da ſie abſchrecken werden. An=
dererſeits
aber darf die Verwaltung nicht mit Verluſt ar=
beiten
. Für den Weltpoſtverkehr ſollte nach den Nachbar=
ländern
ein Zwiſchenporto eingeführt werden.
Abg
Linz (Reichsp.): Die Schaffung eines Poſtbeirates wür=
den
wir begrüßen. Dieſer würde das Vertrauen der Be=
völkerung
finden. Wir verlangen im Intereſſe der Spar=
ſamkeit
eine Neuregelung der Reiſe= und Tagegelder, ſowie
Einſchränkung der Dienſtreiſen. Eine Differenzierung des
Wohnungsgeldzuſchuſſes für Reichs= und Staatsbeamte iſt
eine politiſche und wirtſchaftliche Unmöglichkeit. (Beifall
rechts.)
Abg, Seyda (Pole): Die Beamten müſſen die
Sprache der Bevölkerung, mit der ſie zu tun haben,
lennen. Das iſt aber in den polniſchen Kreiſen nicht
der Fall; auch wird die politiſche Geſinnung der Be=
amten
kontrolliert. Für eine Oſtmarkenzulage ſind wir
nicht zu haben. Staatsſekretär Krätke: Ich halte
meine vorjährige Behauptung aufrecht, daß wir nach
der politiſchen Geſinnung der Beamten nicht forſchen.
Die Rentenempfänger müſſen genau nach den in der
Liſte aufgeführten Regeln ausgezahlt werden. Von
einem ſtändigen Beirat verſpreche ich mir nichts. Abg
Werner (Reſpt.): Die Beförderung der mittleren
Beamten läßt ſehr zu wünſchen übrig; für die Unter=
beamten
und Arbeiter der Poſt muß viel mehr getan
werden.
Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird ange=
nommen
. Das Gehalt des Staatsſekretärs wird be=
willigt
. Die Reſolution auf Schaffung eines Poſtbei=
rats
wird abgelehnt. Die Weiterberatung wird dann
auf Freitag 1 Uhr vertagt. Vorher: Interpellation der
Sozialdemokraten wegen Verhinderung des Treptower
Spazierganges. Schluß ¾8 Uhr.

* Berlin, 10. März. Die Budgetkom=
miſſion
des Reichstages ſetzte die Beſprech=
ung
der
Mannesmann=Angelegenheit
fort. Ein Mitglied der fortſchrittlich en Volks=
partei
erklärte, die Veröffentlichung des Weißbuches
ſchädige die Mannesmannſchen Intereſſen. Ueber die
Konzeſſionsurkunde, hatte die deutſche Regierung eine
andere als die geſtern mitgeteilte Auffaſſung. Den
jetzigen Standpunkt zu ändern, könne man dem Aus=
wärtigen
Amt nicht zumuten. Er hoffe auf Verſtäu=
digung
. Die Budgetkommiſſion möge dieſe Erwartung
in einer Reſolution ausdrücken. Ein national=
liberaler
Abgeordneter erklärte, vor der Ver=
öffentlichung
des Weißbuches hätte man ſich an ein
Schiedsgericht wenden ſollen. Eine abſolute Unrichtig=
keit
des marokkaniſchen Berggeſetzes ſei nicht nachge=
wieſen
; die Forderungen an den Sultan müßten auf=
recht
erhalten werden. Die Brüder Mannesmann
hätten mit den eigenen Intereſſen die deutſchen Inter=
eſſen
zu wahren geſucht. Das Auswärtige Amt müſſe
ſeinen Fehler wieder gut machen. Ein anderes Mit=
glied
der fortſchrittlichen Volkspartei begrüßte die
vorgeſchlagene Einſetzung eines Schiedsgerichts. An
einem Monopol Mannesmann hätten wir kein Inter=
eſſe
. Ein Sozialdemokrat wies den Verſuch eines
nationalliberalen Blattes, den Staatsſekretär des Ver=
kehrs
mit ſozialdemokratiſchen Abgeordneten zu denun=
zieren
, zurück.
Staatsſekretär Frhr. v. Schoen: Das Weißbuch
habe nicht die Mannesmannſchen Intereſſen ſchädigen
können, weil ſein Inhalt und noch weit mehr den
Gegnern Mannesmanns und den fremden Regierungen
bekannt geweſen ſei. Das Weißbuch ſei veröffentlicht
worden, weil das Auswärtige Amt genötigt war, den
leidenſchaftlichen Angriffen gegenüber ſeine Stellung
zu bewahren. An dem Gerücht, der deutſche Botſchafter
habe privatim erklärt, die Sympathien der deutſchen
Regierung ſtänden mehr auf Seiten der Union des
Mines, ſei kein wahres Wort. Ebenſo entſchieden
müſſe er gegen die Vorwürfe gegen den Konſul Vaſſel
Verwahrung einlegen, der nur ſeine Pflicht tat, als er
auf den zweifelhaften Charakter der Angelegenheit auf=
merkſam
machte. Unrichtig ſei, daß Vaſſel ſeine Be=
richte
aus einer reizbaren, nervöſen Stimmung heraus
geſchrieben habe. Zu einem Zweifel, ob Freiherr von
Wangenheim ausreichend informiert geweſen ſei, ſei
kein Anlaß. Die Herbeiführung des Beſchluſſes des
diplomatiſchen Korps vom 20. Auguſt 1908 habe die den
Intereſſen Dentſchlands und der Gebrüder Mannes=
mann
drohende Gefahr abgewandt. Die ſpaniſche Re=
gierung
und das Miniſterium Moret ſelber haben der
deutſchen Regierung erklärt, ſie ſeien in allen Punk=
ten
der Minenfrage mit dem Inhalt des Weißbuches
einverſtanden. Das Auswärtige Amt ſei bereit, zu
Beratungen über ein Berggeſetz die Brüder Mannes=
mann
verkraulich zuzuziehen, die ſich aber bisher ab=
lehnend
verhielten.
Ein Mitglied der Fortſchrittlichen Volks=
partei
legte eine Reſolution vor, die die Regierung ver=
pflichten
ſoll, die Mannesmann=Intereſſen mit allem Nach=
druck
wahrzunehmen. Ein Abänderungsantrag der Wirt=
ſchaftlichen
Vereinigung will die Reſolution etwas anders
förmulieren und die Verpflichtungen der Gebrüder Man=
nesmann
ſchärfer betont wiſſen. Gegen beide wandte ſich
ein Mitglied der Reichspartei. Ein nationalliberaler Ab=
geordneter
hält die Mannesmannſchen Anſprüche für zu
Recht beſtehend und wünſchte ſtatt der Reſolution eine for=
mulierte
Erklärung des Staatsſekretärs. Frhr. v. Schön
erklärte, nach ſeiner perſönlichen Auffaſſung ſei zu befürch=
ten
, daß die Reſolution, wie ſie auch laute, die Verhand=
lungen
zwiſchen den Regierungen und unter den Inter=
eſſenten
erſchweren, ſogar gefährden würde. Dadurch
würde auch ein Anreiz gegeben, daß andere Parlamente
Beſchlüſſe faßten, die ein Zuſammenarbeiten nicht förder=
ten
, ſondern Differenzen ſchüfen. Würde nicht durch eine
Verſtändigung unter den Regierungen ein Berggeſetz er=
reicht
, ſo träte der alte Zuſtand des Wirrwarrs in Ma=
rokko
, der Kampf aller gegen alle ein, wobei die deutſchen
Intereſſen ſchwere Gefahr liefen und als Ende vom Liede
keine einzige Tonne Erz nach Deutſchland käme. Der
Staatsſekretär erklärte nochmals nachdrücklichſt, die Regie=
rung
ſei entſchloſſen, die deutſchen Intereſſen und deutſchen
Rechte in jeder Weiſe zu wahren innerhalb der urch inter=
nationale
Abmachungen und Verträge gezogenen Gren=
zen
. Die von der Fortſchrittlichen Volkspartei vorge=
ſchlagene
Reſolution wurde zurückgezogen, der Abände=
rungsantrag
der Wirtſchaftlichen Vereinigung dagegen
wurde aufrecht erhalten und begründet. Nächſte Sitzung
Frettsg.

Luftſchiffahrt.

Parſeval=Ballonfahrien. In dem
Terrain der Ausſtellung München 1910 iſt am Mon=
tag
mit dem Betonieren des Fundaments für die Halle
begonnen worden, in welcher während der Ausſtellungs=
dauer
der Parſeval=Ballon uniergebracht werden ſot.

Die Halle wird beſtimmt bis zum Mai fertiggeſtellt ſein
und wird München die erſte Stadt in Deutſchland ſein,
die einen geregelten Luftſchiffverkehr mit beſtimmtem
Reiſeziel (Oberammergau) unterhält. Es unterliegt
wohl keinem Zweifel, daß dieſes Unternehmen eine
große Anziehungskraft auf das reiſende Publikum aus=
üben
wird.
sr. Die Aeroplanfahrten über das Mit=
telländiſche
Meer werden von Rougier mit un=
getrübtem
Erfolge fortgeſetzt. Bei ſeinem dritten Flug
ſtieg er bis 400 Meter Höhe empor und flog von Monaco
zum Kap Martin und dann direkt zum Kaſino von
Monte Carlo zurück, um dann nach einigen Schleifen
nach einer Geſamtzeit von 15 Minuten wieder meiſter=
haft
direkt vor ſeinem Schuppen zu landen.
Zum Studium der Fortſchritte in
der Aviatik beabſichtigt ſich der Großfürſt
Nikolaus von Rußland nach Berlin zu begeben.
Der Großfürſt Nikolaus, der ſich um die Förderung
der Aviatik in Rußland bemerkenswerte Verdienſte er=
worden
hat, wird in Berlin vorausſichtlich die Werk=
ſtätten
der Wright=Geſellſchaft, ſowie einige andere
Aeroplanfabriken beſuchen und auch an den Flügen in
Johannisthal teilnehmen.
* Paris, 10. März. Rougier ſtieg geſtern
nachmittag in Monaco bei ſchönem Wetter vor einer
zahlreichen Zuſchauermenge auf, erreichte, über das
Meer hinwegſetzend, das Kap Martin, über dem er
wendete. Er erhob ſich dann bis zu 1000 Meter Höhe,
überſetzte den Col de la Turbie, flog um den Pie de
Chien, ein 900 Meter hohes Gebirgsplateau, und lan=
dete
nach 29 Minuten wieder auf dem Hafenkai von
Mongco.

Sport.

Fußball. Kommenden Sonntag, 13. März,
ſpielt die 1. Mannſchaft des Sportklubs Heſſen gegen
die kombinierte 1. und 2. Mannſchaft des F.=K. Ger=
mania‟
=Pfungſtadt auf dem Exerzierplatz. Da F.=K.
Germania zurzeit noch Meiſter der Klaſſe B iſt, dürfte
ein interſſantes und faires Spiel zu erwarten ſein.
sr. Eine neue Segelregatta über den
Ozean um einen vom Präſidenten Taft geſtifteten
Pokal im Werte von 5000 Dollar, will der Atlantic
Yacht Klub für den Sommer dieſes Jahres ausſchrei=
ben
. Die Wettfahrt, die international gedacht iſt, ſoll
von Europa nach Amerika gehen. Falls das Rennen
zuſtande kommt, wäre es das fünfte in der Reihe der
Ozeanracers. Die erſte Wettfahrt wurde bereits im
Jahre 1866 abgehalten und von Mr. Gordon Bennett
dem bekannten Herausgeber des New=Yorker Herald,
mit ſeiner Jacht Henriette gewonnen. 1870 folgte
die zweite Wettfahrt, die als Match zwiſchen James
Asbury und Gordon Bennett ausgetragen wurde. Dies=
mal
ſiegte die Asbury=Jacht Cambria 1887 wurde
dann die dritte Regatta abermals zwiſchen zwei ameri=
kaniſchen
Sportsmen ausgetragen. Der beſonders für
den Zweck gebaute Schoner Coronet des Herrn Buſch
blieb Sieger. Die bemerkenswerteſte der bisher abge=
haltenen
Ozeanregatten iſt die im Jahre 1905. Damals
hatten ſich 11 Jachten gemeldet, um ſich um den von
Kaiſer Wilhelm II. ausgeſetzten Pokal zu bewerben
Den Sieg errang diesmal die Atlantie des Ameri=
kaners
Marſhall vor der deutſchen Jacht Hamburg.
Zweifellos wird das neue Rennen ſowohl in Amerika,
wie in England und Deutſchland das lebhafteſte Inter=
eſſe
finden, wenn es auch zweifelhaft iſt, ob ſich wieder
eine ſo große Zahl von Jachten wie 1905 am Start ein=
finden
wird.

Vermiſchtes.

Warnung. In der letzten im Februar erſchiene=
nen
Nummer der Evangeliſchen Frauenzeitung, Organ
des Deutſch=Evangel. Frauenbundes, leſen wir folgende
Warnung und halten dieſelbe für ſo begründet, daß
wir glauben, ſie einer allgemeinen Oeffentlichkeit nicht vor=
enthalten
zu dürfen. Der betreffende Artikel lautet: Für
die Brüſſeler Weltausſtellung werden jetzt ge=
bildete
, nette junge Mädchen durch Annoncen ge=
ſucht
. Wie die Tägl. Rundſchau mitteilt, ging kürzlich
einer Bewerberin folgendes Schreiben zu: Amſterdam
Tag d. Poſtſtempels. Sehr geehrtes Fräulein! Antwort=
lich
Ihres Bewerbungsſchreibens teile ich Ihnen mit,
daß Sie in einer vornehmen Teeſtube innerhalb der Aus=
ſtellung
tätig ſein können. Sprachkenutniſſe nicht erfor=
derlich
, dagegen nettes Ausſehen und Gewandtheit im Ver=
kehr
mit dem Publikum. Für dieſen Poſten werden Ihnen
150 Fr. monatliches feſtes Salär und 50 Fr. Reiſeentſchä=
digung
bei Ihrer Rückkehr bewilligt. Außerdem erhalten
Sie 5 v. H. von Ihrem geſamten Umſatz. Wenn Ihnen
dieſe Poſition zuſagt, wollen Sie umgehend die beiliegende
Annahmeerklärung unterſchreiben u. nebſt 5,10 M. für Aus=
fertigungsgebühren
und Auslagen (per Brief) an mich ein=
ſenden
. Dann werde ich Ihnen den Ausſtellungsvertrag
übermitteln. Die Bewerberin fragte daraufhin an, wes=
halb
die 5,10 Mark nicht vom erſten Gehalt abgezogen
würden. Auch verlangte ſie mindeſtens die Hälfte der
Reiſeentſchädigung gleich nach Ankunft. Sie erhielt auf
dieſes Schreiben aber keine Antwort. Wie die Morgen=
poſt
hört, ſollen ſchon verſchiedene junge Mädchen aus
Berlin derartige Anſtellungsverträge abgeſchloſſen haben.
Die ganze Sache macht einen ſehr wenig vertrauenerwecken=
den
Eindruck. Schon der Umſtand, daß die Antwort=
ſchreiben
aus Amſterdam, einem der Hauptorte des Mäd=
chenhandels
kommen, gibt zu denken. Beſonders verdächtig
iſt aber, daß die jungen Mädchen für Teeſtuben geſucht
werden. Jeder, der Brüſſel kennt, weiß, was er von den
dortigen ſogenannten Teeſtuben, die einen ganz anderen
Namen verdienten, zu halten hat. Junge Mädchen, die
ohne genügende Geldmittel und ohne genaue Kenntnis
der franzöſiſchen Sprache nach Brüſſel gehen, können, falls
ſie in ſolche Häuſer verſchleppt werden, in die größten Ge=
fahren
geraten, und es dürfte ihnen ſchwer werden, ſich
wieder zu befreien. Vor der Annahme derartiger Stel=
lungen
muß auf das dringendſte gewarnt werden. Für
ein Monatsgehalt von 150 Fr. ſind, ſofern es ſich um eine
einwandfreie Beſchäftigung handelt, in Belgien tauſende
junger Mädchen zu haben. Das Geſuch in deutſchen Zei=
tungen
iſt alſo an ſich ſchon äußerſt verdächtig.
Ein Vergleich des Berliner, Pariſer
und Wiener Fremdenverkehrs wird von den
Aelteſten der Kaufmannſchaft von Berlin in ihrem
ſoeben veröffentlichten Jahresberichte Berliner Jahrbuch
für Handel und Induſtrie (Verlag von Georg Reimer,
Berlin) gegeben. Die Statiſtik bezieht ſich auf das Jahr
1907; vergleichbare Zahlen aus neuer Zeit liegen nicht
vor. In dem erwähnten Jahr wurde Berlin von 1082000,
Paris von 1193000 und Wien von 515000 Fremden be=
ſucht
. Das Bild, das ſich aus der Statiſtik für einen Ver=
gleich
des Berliner und Pariſer Fremdenverkehrs ergibt
entſpricht allerdings kaum den Tatſachen. Paris wird
von Ausländern in weit höherem Maße beſucht als Berlin
oder Wien. Im Jahre 1907 befanden ſich in Varis unter
den Fremden 461000 oder 38.7 Prozent Ausländer, in

Berlin 201000 oder 18,6 Prozent, in Wien 85 774 oder 16,6
Prozent. Die Gründe für die ſcheinbar geringe Zahl der
Fremden in Paris liegen an den verſchiedenen ſtatiſtiſchen
Aufmachungen. Auf London konnte der Vergleich nicht aus=
gedehnt
werden, da dort ein Meldeſyſtem überhaupt nicht
beſteht.
Die evangeliſchen Deutſchen in den
Schutzgebieten. Das Erſtarken des Gemeinde=
bewußtſeins
unter den evangeliſchen Deutſchen in unſeren
afrikaniſchen Schutzgebieten tritt, wie wir den Mittei=
lungen
des Deutſchen Evangeliſchen Kirchenausſchuſſes, der
zur Wahrung der evangeliſchen Intereſſen in den Säutz=
gebieten
an erſter Stelle berufen iſt, entnehmen, ſeit einiger
Zeit in erfreulicher Weiſe in die Erſcheinung. Während
bis vor kurzem nur in Dar=es=Salam, Windhuk und
Swakopmund deutſche evangeliſche Gemeinden beſtanden,
haben ſich die Evangeliſchen in den letzten Monaten an
nicht weniger als ſechs Stellen zu ſelbſtändigen Gemeinden
zuſammengeſchloſſen, und zwar vor allem in Lüderitzbucht,
ferner in den drei neuen Gemeinden an der Otavi=Bahn,
Karibib, Omaruru und Uſakos, ſowie in Gobabis. Jn
Deutſch=Oſtafrika iſt für den nördlichen Teil des Küſten=
landes
und Uſambara eine einheitliche Gemeinde Tanga
und Hinterland gebildet worden. Nach Aufbringung er=
heblicher
weiterer Mittel iſt nunmehr auch die Vollendung
des Kirchenbaues in Windhuk geſichert. Hoffentlich fließen
dem Deutſchen Evangeliſchen Kirchenausſchuß, wie bisher,
auch weiterhin aus dem deutſchen Mutterlande opferwil=
lige
Gaben der Liebe zu, um ſeiner wichtigen Aufgabe in
den Schutzgebieten gerecht werden zu können.

Literariſches.

Profeſſor R. Feſter in Halle unterſucht die Frage:
Der Staat und die zeitgenöſſiſche Geſchichtsſchreibung
in dem ſoeben zur Ausgabe gelangten erſten Heft des
dritten Bandes der Zeitſchrift für Politik
(Karl Heymanus Verlag, Berlin W. 8, Preis des Jahr=
gangs
16 Mark). Hieran ſchließt ſich ein für das poli=
tiſche
Leben außerordentlich wichtiger Aufſatz von Pro=
feſſor
Max Ernſt Mayer: Die Bekämpfung der Wahl=
umtriebe
durch das Strafrecht, und Profeſſor Dr. Th.
Fiſcher zieht in einer ausführlichen Abhandlung die
Bilanz des italieniſchen Irredentismus, welche infolge
der Erſchießung Ferrers allgemeinem Intereſſe begeg
nen wird. Nicht minder gilt dies von dem Aufſatz des
Profeſſors Michels in Turin: Der ethiſche Faktor in
der Parteipolitik Italiens. Eine ausführlichere Ar=
beit
des Geheimen Admiralitätsrates Panl Koch be=
ſchäftigt
ſich mit den neueren Tendenzen der Marine=
politik
, ſie umfaßt alle europäiſchen Großſtaaten, ſowie
Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika und
berückſichtigt auch die techniſchen und finanziellen Fra=
gen
. Bücherbeſprechungen, unter denen die neuere
Literatur zum türkiſchen Problem an erſter Stelle ſteht,
beſchließen das außerordentlich inhaltreiche und inter=
eſſante
Heft.
Ohne Rechtsanwalt Forderungen ein=
treiben
, Außenſtände retten, raffinierte Schuldner er=
folgreich
faſſen. Alle nötigen Maßnahmen und Einzel=
fälle
für jedermann leichtverſtändlich dargeſtellt unter
Berückſichtigung aller Neuerungen des Mahn=, Klage=
und Zwangsverfahrens, die gegenwärtig im Gerichts=
verfaſſungsgeſetz
, Zivilprozeß, und Koſtenweſen einge
treten ſind. Mit Anweiſungen und ſämtlichen Formn
larien für das neue Mahn= und Klageverfahren, nehſt
den bezüglichen Beſtimmungen und Tabellen. Heraus=
gegeben
von Dr. jur. Ed. Karlmeyer. Preis 3 Märk.
Verlagsanſtalt Emil Abigt, Wiesbaden 35. Für jeden
Geſchäftsmann, vom Kleinhandwerker bis zum Gloß=
kaufmann
, für Hausbeſitzer und alle Privatleute,die
Schuldner beſitzen und ihre Außenſtände einziehen wol=
len
, iſt dieſes Handbuch unentbehrlich, weil hier von
AZ ſelbſt für die ſchwierigſten Fälle genau gezeigt
wird, wie man ſäumigen oder böswilligen Schuldnern
erfolgreich beikommt.
Werdandi=Bücherei, Band 1: Richard Nord=
hauſen
, Zwiſchen Vierzehn und Achtzehn. 144 Seiten, geb.
2 Mark. Leipzig 1910, Fritz Eckardt Verlag. Zwiſchen
14 und 18 die Jahre ſind die gefährlichſten für unſere
Jugend. Und doch überlaſſen wir ſie gerade in dieſen
Jahren faſt völlig ſich ſelbſt. Schule und Heer nehmen ſich
ihrer im Auftrage des Staates früher und ſpäter an; wäh=
rend
der wichtigſten, der entſcheidenden Zeit aber fehlt jede
eigentliche Aufſicht und Erziehung. Nordhauſens Buch
will auf die Lücke hinweiſen. Es will den Erwachſenen
das Gewiſſen ſchärfen und ſie zwingen, ſich ihrer vaterlän=
diſchen
Pflicht gegen die Heranwachſenden bewußt zu wer=
den
, gegen die Männer und Frauen von morgen, die die
Zukunft unſeres Volkes bedeuten.
Kaufmänniſche und gewerbliche Kal=
kulationskunde
von W. Trempenau. Preis 2,75
Mark. Verlag der modernen kaufmänniſchen Bibliothek
(vorm. Dr. jur. L. Huberti) G. m. b. H., Leipzig=R.,
Eilenburgerſtraße 10/11. Das vorzügliche Werk biete
eine klare und verſtändliche Anleitung zur richtigen
Aufſtellung von einfachen und zuſammengeſetzten Ein
kaufs=, Produktions= und Verkaufs=Kalkulationen, fer=
ner
praktiſche Nachweiſe der Unrichtigkeiten fehlerhaft
aufgeſtellter Kalkulationen, Vorteile bei den Kalkulgti=
onsberechnungen
durch Anwendung des Kettenſatzes und
der gewöhnlichen Brüche, ſowie eine Tabelle zur Be=
rechnung
der Prozente vom, auf und im Hundert.

Letzte Nachrichten.

(Wolffs telegr. Korreſp.=Bureau.)
* Berlin, 10. März. Die Budgetkommiſſion
des Abgeordnetenhauſes ſetzte heute die Be=
ratung
des Kultusetats fort. Im Laufe der Debatte
erklärte der Miniſter, bewährte ältere Lehrer würden
auch ohne Examen als Rektoren zugelaſſen. Betreffend
den obligatoriſchen Unterricht der Taubſtummen und
Blinden ſei ein Geſetz in Vorbereitung. Zu dem Pro=
jekt
, in Frankfurt a. M. eine Univerſität zu
errichten, habe er noch keine Stellung genommen, er
habe aber Bedenken, ſeine Hand zu bieten zur Grün=
dung
einer Univerſität auf einer anderen Grundlage
als der bisherigen. Ein Lehrauftrag für die Luftſchiff=
fahrt
beſtehe in Göttingen. Es handle ſich dabei aber
nur um techniſche Fragen. Zu einem Lehrauftrag für
die rechtlichen Fragen ſcheine ihm noch keine Ver=
anlaſſung
vorzuliegen. Nächſte Sitzung Montag.
Berlin, 10. März. Die Norddeutſche Allgemeine
Zeitung ſchreibt: Die engliſche Preſſe bringt
wieder einmal detaillierte Angaben über den großen
Kreuzer H der bei Blohm u. Voß in Hamburg auf
Stapel ſteht, deſſen erſte Rate 1909 bewilligt wurde.
Nach dieſen Mitteilungen ſoll das Schiff 21500 Tonnen
Waſſerverdrängung beſitzen und Maſchinen von 70000
Pferdeſtärken haben, die ihm eine Geſchwindigkeit von
27,5 Seemeilen geben ſollen; ebenſo werden detaillierte
Angaben über die Armierung gemacht. Durch Erkundi=
gung
an maßgebender Stelle ſtellten wir feſt, daß die
engliſchen Daten Zahl für Zahl falſch ſind, ſie richtig

[ ][  ][ ]

Nummer 59.

Seite 7

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

u ſtellen, liegt kein Grund vor, da, entſprechend den
Sepflogenheiten anderer Nationen, an dem Grundſatz,
oſitive Angaben über unſere Schiffsbauten während
es Bauſtadiums nicht zu veröffentlichen, im Intereſſe
er Landesverteidigung nach wie vor feſtgehalten wer=
en
muß.
* Bremerhaven, 10. März. Das Linienſchiff
Deutſchland mit dem Kaiſer an Bord iſt in
Jegleitung des Kreuzers Königsberg und zweiſer
Torpedoboote heute nacht 12¼ Uhr hier eingetroffen
ind auf der Reede vor Anker gegangen.
* Bremerhaven, 10. März. Der Kaiſer verließ
urz vor 10 Uhr das Linienſchiff Deutſchland und
egab ſich an Bord des Schnelldampfers Kaiſer Wil=
ſelm
II.. Gleich darauf trat dieſer, begleitet von dem
dreuzer Königsberg und den Depeſchenboten V. 150
ind V. 161 die Fahrt in See an. Beim Paſſieren des
Veſerforts feuerten Langenlütje II und Brinkama=
ſof
II‟ den Kaiſerſalut. Die Mannſchaften der dritten
Matroſen=Artillerieabteilung hatten auf den Wällen
des Forts Aufſtellung genommen und begrüßten den
kaiſer mit einem dreimaligen Hurra.
* London, 10. März. Die Daily News ſchreibt
n ihrem Leitartikel, das Budget hätte unter an=
eren
Umſtänden im ganzen Lande einen Sturm von
Leberraſchung und Entrüſtung hervorgerufen, bei der
rugenblicklichen Spannung der Geiſter aber müſſe man
ürchten, daß es faſt unbemerkt bleiben würde.
Morning Leader findet, es ſei wenig Grund vorhan=
en
, mit dem Budget zufrieden zu ſein. Erfreulich ſei,
die Koſten aus den ordentlichen Einnahmen, nicht
durch eine Anleihe gedeckt werden ſollen. Daily
Shronicle rühmt dem Budget nach, daß es weder über=
riebene
Forderungen ſtelle, noch arlarmierend wirken
könne. Die Intereſſen der Sparſamkeit ſeien nicht ver=
geſſen
, und die Sicherheit des Landes ſei mit einer ent=
prechenden
Vermahnung, deren Tempo man nicht for=
iere
, gewährleiſtet. Durch das Budget ſei England
is zum März 1912 geſichert. Das Blatt fährt dann
ort: Wir erwidern herzlichſt die in letzter Zeit von
eutſchen Miniſtern und Botſchaftern gehaltenen
reundſchaftlichen Reden und haben das Vertrauen, daß
n den Beratungen über das Marinebudget jede Ani=
noſität
, jedes Vorurteil gegen andere Völker vermie=
en
wird. Die Daily Graphie ſchreibt, das Land
verde mit einem Gefühl von Erleichterung hören, daß
ie Ausgaben ſchließlich nach einer Skala aufgeſtellt
verden, die den Bedürfniſſen der Nation entſpreche.
Die Morning Poſt hält die Ausgaben für unge=
rügend
, beſonders was die Vermehrung der Mann=
haften
und Marinebauten betrifft. Der Standard‟
lußert ſich in ähnlichem Sinne und wünſcht ſechs
Linienſchiffe anſtatt fünf, mehr Kreuzer, ſowie die Er=
zöhung
des Mannſchaftsbeſtandes um 5000 anſtatt 3000.

* Wien, 10. März. Bürgermeiſter Lueger iſt
heute morgen 7 Uhr 55 Minuten im Alter von 66 Jahren
geſtorben.
Nachdem Dr. Lueger die Nacht in vollſtändiger Agonie
verbracht hatte, wurden heute morgen wenige Minuten vor
3 Uhr die verſammelten Gemeinderäte und Abgeordneten
n das Sterbegemach Dr. Luegers gerufen, kurz nach
Uhr wandte ſich der behandelnde Arzt zu den Anweſen=
en
mit den Worten: Es iſt vorbei! Das Leichenbegäng=
nis
findet am Montag ſtatt. Die Einſegnung erfolgt im
Stephansdom unter Anweſenheit des Kaiſers. Der Leich=
kam
iſt in der Volkshalle aufgebahrt. Sofort nach dem Ab=
eben
Luegers wurden in allen Kirchen Wiens die Glocken
zeläutet. Die Todesnachricht rief in den Straßen lebhafte
Bewegung hervor. Die Blätter verbreiteten die Nachricht
durch Extra=Ausgaben. Noch im Laufe des Vormittags
haben der Kaiſer, der Thronfolger, ſämtliche hier weilen=
den
Erzherzöge und Erzherzoginnen ſowohl den Angehöri=
gen
des Verſtorbenen, als auch dem Gemeinderat kondo=
liert
. Um 11 Uhr vormittags wurde die Sitzung des Ab=
geordnetenhauſes
eröffnet. Der Präſident hielt dem ver=
ſtorbenen
Bürgermeiſter Dr. Lueger einen warm empfun=
denen
Nachruf. Sodann wurde die Sitzung zum Zeichen
der Trauer auf anderthalb Stunden unterbrochen.
Karl Lueger war am 24. Oktober 1844 in Wien
geboren, er ſtudierte dort Rechtswiſſenſchaft und wurde
1874 Advokat in ſeiner Vaterſtadt. 1875 wurde er in den
Gemeinderat der Stadt Wien, 1885 in das Abgeordneten=
haus
und 1890 in den niederöſterreichiſchen Landtag ge=
wählt
. Zuerſt Demokrat, trat Lueger ſpäter als Vor=
kämpfer
der antiſemitiſchen Bewegung hervor. Er wurde
am 14. Mai 1895 zum Vizebürgermeiſter von Wien ge=
wählt
, was den liberalen Oberbürgermeiſter Grahl ver=
anlaßte
, ſein Amt niederzulegen. Der Gemeinderat be=
harrte
jedoch auf ſeiner Entſcheidung und übertrug Lueger
auch bei der zweiten Wahl am 30. Mai 1895 die Bürger=
meiſterwürde
. Daraufhin erfolgte die Auflöſung des Ge=
meinderats
. Aber auch der neue Gemeinderat wählte Lue=
ger
zum Bürgermeiſter. Die Körperſchaft wurde abermals
aufgelöſt und die kaiſerliche Regierung verſagte Dr. Lueger
die Beſtätigung. Schließlich verzichtete Lueger auf Wunſch

des Kaiſers auf die Annahme der Wahl zum Oberbürger=
meiſter
und begnügte ſich mit der Stellung des zweiten
Bürgermeiſters. Als dann am 8. April 1897 nach dem
Rücktritt ſeines Parteifreundes Strohbach die Wahl zum
erſten Bürgermeiſter zum fünften Male auf Lueger fiel, er=
Im
folgte endlich auch die Beſtätigung des Kaiſers.
Grunde genommen, hatte die Stadt Wien es nicht zu be=
reuen
, ſo ſtarr an Lueger feſtgehalten zu haben. Denn ſein
Antiſemitismus trat immer mehr zurück; ſtatt deſſen ſetzte
er alle Kraft ein zur Hebung des Gemeinweſens von Wien,
das ihm zweifellos viel zu verdanken hat. Auch ſeine po=
litiſchen
Gegner haben ihm ihre Anerkennung nicht ver=
ſagt
.
* Wien, 10. März. Der Kaiſer richtete an die
Schweſter Luegers eine Depeſche, in der er, von leb=
hafter
Trauer über die Todesnachricht erfüllt, den Hin=
terbliebenen
das aufrichtige Beileid und die beſondere
Anteilnahme ausſpricht. Auch an das Präſidium des
Gemeinderats richtete der Kaiſer eine Kondolenz=
depeſche
. Im Abgeordnetenhauſe widmete heute
Präſident Dr. Pattai dem verſtorbenen Bürger=
meiſter
einen Nachruf, in dem er hervorhob, Lueger ſei
im Parlament aus einſamer Stellung zu einem auch
von den Gegnern geachteten Parteiführer und zu einem
Volksmann von beiſpielloſer Popularität, ſowie zu
Wiens erſtem Bürgermeiſter emporgeſtiegen. Der
Nachruf wurde ſtehend angehört. Die Sitzung wurde
dann zum Zeichen der Trauer geſchloſſen.
* Wien, 10. März. Dr. Lueger hinterließ ein
politiſches Teſtament, in dem er die Wahl des
Prinzen zu Liechtenſtein für die Leitung der Partei
und des Dr. Weißkirchner für den Bürgermeiſterpoſten
der Stadt Wien empfiehlt. Der Gemeinderat wird
einen eigenen Ausſchuß einſetzen, welcher Anträge be=
hufs
einer bleibenden Ehrung des verſtorbenen Bür=
germeiſters
vorbereitet.

Hohenlohe

Suppen

ebensegut wie frische
Fleischbrühsuppen. 2 bis 3 Teller 10 Pfg.

für Spezial-Austrünfte, Er=
Detektlv-Institut mittelungen, Beobachtungen
u. Vertrauens-Angelegenheiten.
Uebernahme nur einwandfreier Aufträge. Garantie für
gewissenhafte Eriedigung. Kiesstr. 34 I. Tel. 1668. (C1028,2

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Der heutigen Nummer unſeres Blattes liegt ein Pro=
ſpekt
der Firma Fahrrad=Pneumatik=Spezial=Haus
Philipp Walter in Eiſenach bei, welche Firma
es ſich zur wichtigſten Aufgabe gemacht hat, Sports=
freunden
ein ſeit langen Jahren als außerordentlich
gut bewährtes Fabrikat in Pneumatiks zu billigſten
Preiſen zu liefern.
(5412

Gottesdienſt bei der israelitiſchen Religionsgemeinde.

Hauptſynagoge (Friedrichſtraße 2).
Freitag, den 11. März 1910.
Vorabendgottesdienſt 6 Uhr 15 Min. Jugend=
gottesdienſt
und Predigt 5 Uhr 30 Min,
Samstag, den 12. März 1910.
Morgengottesdienſt 8 Uhr 45 Min. Sabbat=
ausgang
7 Uhr 15 Min.

Gottesdienſt in der Synagoge der israelitiſchen Religions=
geſellſchaft
.

Samstag, den 12. März 1910.
Vorabend 5 Uhr 50 Min. Morgens 8 Uhr Min.
Nachmittags 4 Uhr Min. Sabbatausgang 7 Uhr
10 Min.
Wochengottesdienſt von Sonntag, den 13. März
an: Morgens 6 Uhr 30 Min. Nachmittags 6 Uhr Min.

Amtlicher Wetterbericht.

Oeffentliche Wetterdienſtſtelle Gießen.
Verlauf der Witterung ſeit Mittwoch früh: Die
geſtrigen Nachmittagstemperaturen erreichten vielfach
14 Grad, während durch Ausſtrahlung nachts die Tem=
peratur
bis nahe 0 Grad ſank. Faſt überall herrſcht
heute früh noch heiterer Himmel vor, doch beginnt von
Süden her Trübung einzutreten. Das weſtliche Tief=
druckgebiet
dringt noch etwas oſtwärts vor und bringt
ſtrichweiſe leichte Regen.
Ausſichten in Heſſen am Freitag, 11. März:
Zeitweiſe wolkig, ſtrichweiſe leichter Regen, ſehr mild.

Tageskalender.

Hoftheater, Anfang 7 Uhr: Prima Ballerina.
Vorſtellung um 8 Uhr im Orpheum.
Vortrag von Major a. D. Wagener um 8 Uhr im
Fürſtenſaal (Allgemeiner deutſcher Frauenverein).
Konzert um 6 Uhr im Reſtaurant Metropol.
Konzert um 8 Uhr im Hotel Heß.
Konzert um 8 Uhr im Bürgerkeller.
Münchner Bierfeſt um 5 Uhr in der Turnhalle am
Woogsplatz.
Konzert im Chauſſeehaus.
Kaiſerpanorama Luiſenplatz 1 (Thüringen).

Verſteigerungskalender.
Samstag, 12. März.

Möbel=Verſteigerung um 10 und 3 Uhr Rhein=
ſtraße
14.

Ebenſo wie in unſerer Expedition
C.
Rheinſrraße 20
werden Inſerate, ſowie Abonnements=
Beſtellungen jederzeit entgegengenommen;
Beſſungerſtraße 47
bei Heinrich Blösser,

Dieburgerſtraße 9
bei Georg Roth,
Kiesſtraße 34
bei Guido Kneip,
in Arheilgen
bei Frau H. Anthes, Waldſtraße,
in Auerbach
bei Johann Kaltwasser, Maurer,
in Eberſtadt
bei Ludw. Pritsch, Weingartenſtraße 4,

in
in
in
in
in
in
in
in
in
in
in
in
in
in

Erfelden
bei Jak. Ludw. Petri, Schuhm., Neugaſſe,
Eſchollbrücken
bei Ludw. Roth, Makler,

Griesheim
bei Peter Jackelen, Darmſt. Chauſſee 27,
Groß=Zimmern
bei Georg Ramge,
Hahn
bei Polizeidiener Caspari,
Nieder=Ramſtadt
bei J. Oehlschläger,
Ober=Ramſtadt
bei Wilh. Schuchmann,
Pfungſtadt
bei Karl Grünig IV., Taunusſtraße 8.
Reinheim
bei Marg. Böhm Wwe.,
Seeheim
bei Aug. Schneider, Muſiklehrer,
Stockſtadt
(e
bei Jak. Zeissler,
4
Traiſa
bei Adam Mahr, Schuhmacher,
Weiterſtadt
bei Karl Böhm, Darmſtädterſtraße,
al.
Wolfskehlen
bei Frau Ernst Kraft.

Druck und Verlag: L. C. Wittich’ſche Hofbuchdruckerei=
Verantwortlich für den politiſchen Teil, für Feuilleton,
Reich und Ausland: Dr. Otto Waldarſtel; für den übrigen
redaktionellen Teil und Letzte Nachrichten: Mar Streeſe;
für den Inſeratenteil: J. Kroſt, ſämtlich in Darmſtadt.
Für den redaktionellen Teil beſtimmte Mitteilungen ſind
an die Redaktion des Tagblatts zu adreſſieren. Etwaige
Honorarforderungen ſind beizufügen; nachträgliche werden
nicht berückſichtigt. Unverlangte Manuſkripte werden nichs
zurückgeſandt

Kurſe vom 10. März 1910.
Mitgeteilt von Hermann Reichenbach.

Bf. Staatspapiere. In Proz.
4 Dſche. Reichsſchatzanw. 100,70
3½ Deutſche Reichsanl. . 83,80
84,60
3
do.
4 Preuß. Schatzanweiſg. 100.70
3½ do. Conſols . . . . 93,75
84,60
Z do.
do.
4 Bad. Staatsanleihe . . 101,75
94,10
do.
3½
S
do.
4 Bayr. Eiſenbahnanl. . 102,20
do.
93,10
3½
83,80
do.
3
4 Hamburger Staatsanl. 101,90
4 Heſſ. Staatsanleihe . . 101,70
do.
½
81,60
do.
3 Sächſiſche Rente .
84,30
4 Württemberger v. 1907 101,60
93,90
do.
3½
Bulgaren=Tabak=Anl.
5
¾ Griechen v. 1887 . . 49,00
¾/ Italiener Rente . .
4½ Oeſterr. Silberrente . 99,00
do. Goldrente . . 100,00
4
do. einheitl. Rente 95,00
Portug. unif Serie I 65,30
3
do. unif. Ser. III
do.
Spezial .
5 Rumänier v. 1903 . . 102,00
do.
4
v. 1890 . . 94,60
4
do.
v. 1905 . . 91,40
Ruſſen v. 1830 . . . . 91,60

In Proz.
Zf.
4 Ruſſen v. 1902 . . . . 91,20
do. v. 1905 . . . . 100,25
½ Schweden . . . . . . . 93,90
4 Serbier amort. v. 1895 83,60
Türk. Admin. v. 1903 88,50
4 do. unifiz. v. 1903 94,70
4 Ungar. Goldrente . . 95,50
do. Staatsrente . 92,80
5 Argentinier . . . . . .
do.
4
91,75
4½ Chile Gold=Anleihe . 94,30
Chineſ. Staatsanleihe 103,00
do.
100,00
4½
4½ Japaner . . . . . . . 98,25
Innere Mexikaner . . 101,40
do.
4 Gold=Mexikan. v. 1904 96,70
5 Gold=Mexikaner . . . 102,80
Aktien inländiſcher
Transportanſtalten.
4 Hamb.=Amerika= Paket=
ahrt
. . . . . . . . 144,00
Nordd. Lloyd . . . . 108,50
4 Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 123,20
Aktien ausländiſcher
Transportanſtalten.
4 Anatol. Eiſenb. 60%
Einz. Mk. 408
4 Baltimore & Ohio . . 113,10
4 Gotthardbahn . . .

3f.
In Proz.
4 Oeſt.=Ungar. Staatsb. 161,70
4 Oeſt. Südbhn. (Lomb.) 23,20
4 Pennſylvania R. R. 135,00
Induſtrie=Aktien.
Mainzer Aktienbrauerei . 190,60
Werger=Brauerei . . . . 83,00
Bad. Anil.= u. Sodafabrik 434,00
Fabrik Griesheim . . . . 263,00
Farbwerk Höchſt . . . . . 447,50
Verein chem. Fabriken
Mannheim . . . . . . . 327,25
Lahmeyer . . . . . . . . . 108,00
Schuckert . . . . . . . . . 135,90
Siemens & Halske . . . 238,50
Adlerfahrradwerke Kleyer 370,50
Bochumer Bb. u. Guß . . 245,50
Gelſenkirchen . . . . . . . 216,40
Harpener . . . . . . . . . 202,70
Phönix, Bergb. u. Hütten=
betrieb
. . . . . . . . . 225,10
Prioritäts=
Obligationen.
3½ Südd. Eiſenb.=Geſ. . . 90,70
4 Pfälzer Prt. . . . . . 101,10
do.
93,20
4 Eliſabeth., ſteuerpfl. . 99,60
do.
ſteuerfrei .
5 Oeſterr. Staatsbahn. 106,50
do.
99,30
alte
do.
5 Oeſterr. Südbahn . . 102,80
do.
84,60
do.
58,70
3 Raab=Oedenburger . . 76,30
Ruſſ. Südweſt. . . . . 89,40
Kronpr. Rudolfhahn . 99,60

Zf.
In Proz.
24! Livorneſer.
76,20
98,00
4 Miſſouri=Paciſic . .
4 Bagdadbahn Mk. 408 86,90
Anatoliſche Eiſenb. . .
5 Tehuantepec . . . . . 102,70
Bank=Aktien.
Berliner Handelsgeſ. 181,00
Darmſtädter Bank . . 136,50
Deutſche Bank . . . . 258,50
Deutſche Vereinsbank 128,75
4
Diskonto=Geſellſchaft 197,00
4
4 Dresdner Bank. 166,00
Mitteldeut. Kreditbk. 120,60
Nationalbk. f. Deutſchl. 128,00
101,50
Pfälzer Bank . . . .
4 Reichsbank . . . . . . 145,10
4 Rhein. Kredit=Bank . 137,50
Wiener Bank=Verein 141,00
Pfandbriefe.
4 Frankft. Hypoth.=Bank
S. 16 und 17 100,50
do. S. 19. . . . . 92,50
4 Frif. Hyp.=Kreditverein
S. 1519, 2126 99,60
Hamb.=Hypoth.=Bank 101,00
do.
3½
91,50
4 Heſſ. Land.=Hyp.=Bk. 101,60
3½
92,60
do.
Meining. Hyp.=Bank 101,00
3½
do.
91,50
4 Rhein. Hypoth.=Bank
unk. 1917) 100,20
3½
do. (unk. 1914) 91,60
4 Südd. Bd.=Kr.=Bk.=Pf. 100,40
3½.
da,
93,80

InProz.
Jf.
Städte=
Obligationen
Darmſtadt .. Sothre 100,80
3½ do.
92,20
4 Frankfurt . . . . .. . 101,00
3½ do.
95,50
4 Gießen . . .. . .. . 101,00
do.
3½
4 Heidelberg . .. . . .100,50
3½
do.
91,80
Karlsruhe .7 . . . . 101,20
3½ do
92,10
Magdeburg . . . . .
do.
-
-
4 Mainz . . . . . . . .
3½ do.
91,60
Mannheim . . . . . .
do.
92,00
München . . § s s . . 101,40
½ Nauheim
92,00
4 Nürnberg . . . . . .
½ do.
Offenbach . . . . . . .
3½ do.
4 Wiesbaden . . . . . . 101,20
3½ do.
4
Worms . . . . . . . .
3
do
5½
4 Liſſaboner v. 1886 . . 82,30
Verzinsliche
Anlehensloſe.
4
Badiſche Tlr. 100 159,20
3½ Cöln=Mindner 100 137,10
5
Donau=Reg. fl. 100 144,00
3 Holl, Komm. 100

Zf.
Inßroz
3 Madrider Fs. 100
4 Meining. Pr.=Pfand= 78,00
briefe. .
. . . 137,80
4 Oeſterr. 1860er Loſe 174,40
3 Oldenburger . .
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Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

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Der ſchmale Weg.
Roman von Paul Bliß.
(Nachdruck verboten.)

4. Kapitel.
Die erſte, die Fritz Stark beim Eintritt in ſein neues
Heim traf, war Elsbeth.
Sie hatte den ganzen Nachmittag auf der Lauer ge=
egen
nun hatte ſie ihren Willen durchgeſetzt.
Als Fritz das hübſche Mädchen ſah, wurde er rot wie
in Schulknabe und grüßte verlegen.
Das beluſtigte ſie mächtig ein Mann, der rot wird,
ſachte ſie, wie ſonderbar! Aber ſie verbarg ihre Heiter=
eit
und erwiderte ſeinen Gruß mit ruhiger Würde, wobei
ie noch Zeit genug fand, feſtzuſtellen, daß er gut gewachſen
var und ein ſehr intereſſantes Geſicht hatte.
Lange und ſinnend ſah Fritz ihr nach, dann wurde er
lötzlich heiter und dachte: Der erſte Gruß in der neuen
Vohnung von einem ſo ſchönen, jungen Mädel darge=
racht
, das muß doch Glück bringen!
Als er ſich in ſeinem neuen Heim eingerichtet hatte,
am auch Papa Rüſtig und hieß ihn willkommen.
Na, junger Freund, gefällt es Ihnen nun auch
ei uns?
O, Herr Profeſſor, ich bin überglücklich, rief er in ehr=
icher
Begeiſterung.
Kommen Sie, ich ſtelle Sie meinen Töchtern vor.
Ohne weiteres nahm er ihn beim Arm und führte ihn ins
5ßzimmer,

Ans griß die bader Mlhn ſch, unde er wieder
ein wenig verlegen.
Aber der alte Herr lud ihn gleich zu einer Taſſe Kaffee
ein und begann ihn in eine längere Unterhaltung zu
ziehen, und da ſchwand denn die leichte Befangenheit bald.
Es war ein nicht zu großer Raum, der mit altmodi=
ſchen
Möbeln ausgeſtattet war, aber deshalb gerade außer=
ordentlich
traulich und anheimelnd wirkte.
Schon nach wenigen Minuten empfand Fritz es deut=
lich
, welche angenehme, wohltuend ruhige Stimmung über
ihn kam; er, der bisher ſo wild vom Leben herumgewor=
fene
Junggeſelle, der nie eine wirkliche Heimat gekannt
hatte, er wurde hier in einen Familienkreis gebracht, in
dem man ſich wohl fühlen konnte Ruhe, wohltuende,
behagliche Ruhe atmete hier alles . . . er war glücklich,
überglücklich.
Elsbeth, die ihn ſo lange immer von der Seite ge=
muſtert
hatte, benutzte nun die erſte Geſprächsſtockung, um
ihm näher zu kommen.
Verzeihen Sie die Frage, Herr Stark haben Sie
ſchon ein Buch veröffentlicht?
Aber Kindchen, ſchalt lächelnd der Alte.
Fritz aber erwiderte ohne jede Verlegenheit: Ja, mein
gnädiges Fräulein, einen Novellenband, betitelt Loſe
Blätter.
Famos, den hole ich mir ſofort! rief Elsbeth lebhaft.
Aus der Leihbibliothek natürlich, brummte Malwine.
Na ja, wozu iſt ſie denn ſonſt da? verteidigte die
Kleine ſich heiter.

Fritz aber ſagte: Ich werde mir geſtatten, den Herr=
ſchaften
einen Band zu widmen!
Freudiges Nicken und Lächeln von Papa und Els=
beth
nur Malwine rührte ſich nicht.
Als Fritz ſich nach einer halben Stunde empfohlen
hatte und der Vater mit den Töchtern allein war, ſagte
er: Na?
Elsbeth rief ſofort: Er iſt rieſig intereſſant, Vati!
Na, und was ſagſt Du, Malwine?
Ruhig, aber kurz antwortete ſie: Vorerſt gar nichts,
das iſt wohl das Klügſte.
Sie ſtand auf, ſetzte das Geſchirr zuſammen und
nahm es mit hinaus.
Aber als ſie draußen in der Küche ſtand, wurde ſie
plötzlich nachdenklich, ſie trat ans Fenſter, ſah ſinnend in
den Hof hinunter, wo eben die Sonne im letzten Schein
ſtand, und mit einem Male entdeckte ſie, wie die jungen
Weidenruten, die am Fenſter in einem hohen Glas ſtanden,
ſchon ganz gelblich in Blüten ſchimmerten. Da kam
ein leiſes Lächeln auf ihr Geſicht, ein Stück glückliche Hoff=
nug
keimte ihr im Herzen auf, und ſie dachte: Es wird
Frühling!
Eine Stunde ſpäter zahlte Fritz ihr die Miete prä=
numerando
.
Ruhig und ſchlicht dankte ſie, bei ſich aber dachte ſie:
Er ſcheint ein ordentlicher Menſch zu ſein.
Und als er dann ſpäter ausging, da betrat ſie ſein
Zimmer, um zu ſehen, ob die Magd auch alles gut her=
gerichtet
hatte.

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Los Mk. 1.,
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Aber als ſie ſah, wie wenig Wäſche er hatte und wie
knapp es mit der Kleidung beſtellt war, da erregte er ihr
Mitleid, und ſie ſagte: Armer Kerl!
Auf dem Schreibtiſch fand ſie das Bild ſeiner Eltern
ſtehen. Eben hob ſie es auf, als die Tür geöffnet wurde.
Zu Tode erſchrocken fuhr ſie zuſammen.
Aber es war nur Elsbeth, die neugierig näher kam.
Malwine nahm ſich zuſammen. Was willſt Du
hier? fragte ſie finſter.
Ein bißchen ſchnüffeln, ſagte die Kleine luſtig.
So was gibt’s nicht. Geh’ hinaus!
Herrgott, hab’ Dich doch nicht ſo! Ich will ja nur
mal ſehen, wie er ſich eingerichtet hat! Damit ſprang ſie
ſchnell umher und guckte alles an.
Malwine aber wurde immer finſterer, und endlich
ſchob ſie die Schweſter bis zur Tür. Du ſollſt hier nichts
anfaſſen, ich will es nicht! Und ich verbiete Dir ganz ernſt=
haft
, dies Zimmer zu betreten! Wenn Du nicht hörſt,
ſag’ ich es Papa! Das merk’ Dir!
Elsbeth erſchrak nicht vor dem Ton, aber vor dem
Geſichtsausdruck der Schweſter. Nie, niemals hatte ſie
dieſe Augen und dieſe Zornesfalten bei ihr geſehen!
Was war das? Woher kam das? Sie wußte es nicht.
Aber es erſchreckte ſie, über die Maßen erſchreckte es ſie,
und deshalb huſchte ſie ſchnell hinaus.
Als Malwine allein war, wurde es ihr erſt klar, daß
ſie viel zu ſchroff geweſen war . . . es tat ihr leid ſie
hatte es doch gar nicht tun wollen ſie wußte nicht, wie
es zugegangen war, ſie wußte es wirklich nicht. . ..
Schnell verließ ſie das Zimmer und ging ihrer Ar=
beit
nach.
*
Für Fritz Stark begann ein neues Leben.
Mit großer Energie ſammelte er alle Kraft, um in
ſeiner neuen Stellung mit Ehren zu beſtehen.

Da er im Zeitungsweſen ſchon ein wenig Beſcheid
wußte, wurde es ihm nicht allzu ſchwer, ſich in ſeinen
neuen Funktionen zurechtzufinden; ſchon nach den erſten
paar Tagen war er eingearbeitet, und an der Behandlung,
die der Chef ihm zuteil werden ließ, merkte er, daß man
mit ſeinen Leiſtungen zufrieden war. Das beruhigte ihn
und ſtärkte ſeine Kraft.
Abends, wenn ſein Dienſt beendet war, ſaß er zu
Hauſe am Schreibtiſch und arbeitete an ſeinen eigenen
Sachen. Jetzt, nun er in geregelten Verhältniſſen lebte
und keine Sorgen ihn mehr einengten, jetzt kam auch
ſeine bisher abgehetzte Phantaſie wieder zur Ruhe, und
er fand Zeit und Stimmung, auch ſeinen dichteriſchen
Plänen wieder näher zu treten; Stoffe und Ideen, die er
eit langem ſchon in ſich trug, nahmen jetzt nach und nach
feſtere Form an, ſo daß er daran gehen konnte, ſie lang=
ſam
zu geſtalten. Und als alles dies ſich ſo nach und nach
zu entwickeln begann, als er ſeine Ideen auf dem Papier
ſich verwirklichen ſah, da kam das herrliche Gefühl über
ihn: Du kannſt etwas, Du haſt Talent, Du wirſt Deinen
Weg machen die Wonne des Schaffens kam über ihn,
ſie beglückte ihn, denn ſie machte ihn ſtark.
Papa Rüſtig hatte ſich während der erſten Tage ab=
ſichtlich
von ſeinem neuen Mieter ferngehalten, er wollte
ihm Zeit laſſen, ſich erſt in die neuen Verhältniſſe einzu=
gewöhnen
.
Nachdem ſo eine Woche vergangen war, hielt er es an
der Zeit, den Verkehr mit ſeinem Schützling wieder auf=
zunehmen
.
Am Samstag früh ſagte er ſeinen Töchtern beim
Frühſtück: Ich habe Herrn Stark für morgen zu Tiſch ge=
beten
.
Elbseth nahm die Mitteilung ſehr erfreut auf, Mal=
wine
ließ ſich nicht das Geringſte anmerken.
Oder iſt es Dir nicht recht? fragte der Alte ſie,

Da antworte ſie ganz ruhig und ernſt: O doch er
ſcheint ja ein anſtändiger Menſch zu ſein.
Der alte Herr nickte. Sicher iſt er das. Und er tu
mir leid, der arme Junge, er iſt heimatlos.
Elsbeth bekam ein paar Tränen in die Augen. Mal=
wine
biß die Zähne zuſammen und verzog keine Miene.
Und Papachen ſprach weiter: Wenn ſich ſo’n junger
Mann jeden Wochentag mittags hat in der Kneipa
herumdrücken müſſen, dann iſt er Sonntags gewiß ganz
gern ein bißchen in der Familie. Na, und uns macht
das ja nichts aus. Wo drei eſſen, wird der vierte auch
noch ſatt. Stimmt’s nicht? Er ſah Malwine an, darauf
gefaßt, daß ſie widerſprechen würde.
Aber diesmal tat ſie es nicht.
So kam Fritz Stark am Sonntag zu Tiſch.
Diesmal war er weder befangen, noch wurde er
rot; er fühlte ſich ſchon ganz als Hausgenoſſe.
Elsbeth prangte in einem neuen, hellen Kleide und
war ſehr bei Laune.
Malwine trug ihr gewöhnliches Sonntagsgewand,
nur ihr Haar war, heute anders geſteckt, ſo daß ſie
jugendlicher ausſah als ſonſt.
Papachen hatte für einen guten Tropfen geſorgt,
und ſo kam man bald in Stimmung.
Das Geſpräch kam auf den Novellenband. Alle
hatten ihn geleſen.
Der Profeſſor ſagte: Sehr ſtimmungsvolle Sachen
haben mir außerordentlich gefallen.
Und Elsbeth fragte neckiſch: Haben Sie denn die.
ſchönen Liebesgeſchichten alle wirklich erlebt?
Der alte Herr lachte laut auf.
Fritz aber ſah die Kleine feſt an. Weshalb glau=
ben
Sie das?
Nun, Sie ſchildern ſo lebenswahr.
(Fortſetzung folat.)

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Seite 112

die Abfuhr des Kaldannendüngers

ir den ſtädtiſchen Schlachthof pro 1910/11
I vergeben werden.
Die Bedingungen liegen bei der unter=
ichneten
Verwaltung zur Einſicht offen.
Angebote ſind daſelbſt bis zum
4. März 1910, vormittags 12 Uhr,
nzureichen.
(5385
Darmſtadt, den 9. März 1910.
Schlachthofverwaltung.

ie Lieferung von Steinkohlen für die
Ober=Poſtdirektion, die Poſtämter und

as Telegraphenamt in Darmſtadt für das
lechnungsjahr 1910 ſoll im Wege des
ffentlichen Anbietungsverfahrens vergeben
erden. Angebote mit der Aufſchrift:
Lieferung von Kohlen, ſind bis zum
4. März, 10 Uhr vormittags, an die
ber=Poſtdirektion einzureichen, zu welchem
eitpunkte ihre Oeffnung im Zimmer 93
folgen wird. In dieſem Zimmer können
ie Anbietungs= und Lieferungsbedingungen
ngeſehen oder in Empfang genommen
erden. Zuſchlagsfriſt 14 Tage. (5377
Darmſtadt, 8. März 1910.
Kaiſerliche Ober=Poſtdirektion.

Bekanntmachung.

(Stadtwald.)
Die am 7. ds. Mts. abgehaltene Holz
erſteigerung iſt genehmigt. Die Abfuhr=
heine
können vom 14. ds. Mts. bei der
tadtkaſſe in Empfang genommen werden.
eberweiſung findet am 15. d. M. ſtatt.
Darmſtadt, den 10. März 1910. (5430
Großh. Oberförſterei Darmſtadt.
Kullmann.

Bekanntmachung.

Die am 8. und 9. ds. Mts. im Do=
kanialwald
Frankenſtein abgehaltenen
olzverſteigerungen ſind genehmigt. Ab=
abe
der Abfuhrſcheine von Donnerstag,
F. ds. Mts. an, bei den Untererhebe
ellen. Ueberweiſung und erſter Abfahrtag
reitag, den 18. März I. Js. (5375
Eberſtadt, den 10. März 1910.
Großh. Oberförſterei Eberſtadt.
Joſeph.

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[ ][  ][ ]

Seite 12.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. Mäsz 1910.

Nummer 58.

Zweite Kammer der Stände.

54. Sitzung.
St. Darmſtadt, 10. März.
Am Regierungstiſch: Finanzminiſter Braun Exz.,
Miniſter des Innern v. Hombergk zu Vach Exz.,
Miniſterialrat Süffert, Oberregierungsrat Hein=
richs
, Landesökonomierat Müller, Oberbaurat
Mangold; ſpäter: Staatsminiſter Ewald Exz.,
Miniſterialrat Lorbacher.
Vizepräſident Korell eröffnet die Sitzung um
9½ Uhr. Das Haus berät zunächſt die geſtern zurück=
geſtellten
Kapitel. Zu Kapitel 72: Landwirtſchaft=
liches
Unterrichts= und Verſuchsweſen,
erkennt Abg. Brauer die Berechtigung der Wünſche
der Landwirtſchaftslehrer an, doch müßten auch dieſe
wegen der ſchlechten Finanzlage zurückgeſtellt werden.
Zu Kapitel 74: Bodenmeliorations= und
Waſſerverſorgungsweſen, rügt Abg. Bert=
hold
, daß, trotzdem ſchon vor Jahren entſprechende
Anträge geſtellt wurden, die Regulierung des Schwarz=
bachbettes
noch nicht erfolgt iſt, daß infolge deſſen all=
jährlich
das Schwarzbachtal Ueberſchwemmungen aus
geſetzt ſei. Oberregierungsrat Heinrichs referiert
über die Maßnahmen der Regierung. Es würde ſich
hier um maſchinelle Anlagen handeln, die nach den Be=
rechnungen
und Projekten ganz erhebliche Summen
erfordern würden, die in keinem Verhältnis zu dem
eventuellen Nutzen ſtehen; doch würde die Regierung
die Angelegenheit im Auge behalten. Bei der in
Ausſicht genommenen Reorganiſation der Bauverwal=
tung
in Verbindung mit der Vereinfachung der Staats=
verwaltung
empfiehlt der Ausſchuß die Prüfung der
Frage, ob nicht durch Einbeziehung des kul=
turtechniſchen
Dienſtes die Organiſation der
Baubehörde verbeſſert und verbilligt werden könne.
Der Ausſchuß beantragt: 253000 Mark in Einnahme
und 492 150 Mark in Ausgabe zu bewilligen. Das Haus
ſtimmt dem zu.
Bei Kapitel 75 beſpricht Abg. Raab das Wild=
ſchadengeſetz
und regt unter Schilderung eines
Spezialfalles an, eine Inſtanz zu bilden, die über dem
Kreisausſchuß ſteht, reſp. bei der gegen das Kreisaus=
ſchußurteil
Berufung verfolgt werden kann. Abg.
Dr. Weber bittet um Auskunft, wie ſich die Regier=
ung
in Zukunft die Bekämpfung der Rebſchädlinge
denkt. Abg. Brauer hält ebenfalls die Beſtimm=
ungen
des Wildſchadengeſetzes für reformbedürftig.
Miniſter des Innern v. Hombergk zu Vach
Exz. ſtellt feſt, daß die Regierung urſprünglich ſelbſt
vorgeſchlagen habe, den Kreisausſchuß als erſte und
den Provinzialausſchuß als zweite Inſtanz einzufüh=
ren
. Auf Wünſche der Kammer ſelbſt wurde aber der
Kreisausſchuß dann als einzige Inſtanz eingeſetzt. Die
Regierung werde trotzdem den Wünſchen zu entſprechen
ſuchen.
Abg. Molthan wünſcht ebenfalls von der Regie=
rung
zu hören, wie ſie ſich in Zukunft die Bekämpfung
des Heu= und Sauerwurms denkt. Jedenfalls müſſe
dieſe Bekämpfung einheitlich und planmäßig geſchehen.
Wenn der Vernichtungsarbeit der Rebſchädlinge nicht
bald Einhalt geboten werden kann, iſt es um die Zu=
kunft
des heſſiſchen Weinbaues ſchlecht beſtellt und mit
der Wohlhabenheit Rheinheſſens wird es bald vorbei
ſein. Abg. Finger wendet ſich gegen den Abg. Raab
und verteidigt beſonders den von dieſem angegriffenen
Kreisausſchuß Worms. Abg. Noack ſpricht der Wein=
und Obſtbauſchule Oppenheim hohes Lob aus. Aus
dem veröffentlichten Tätigkeitsbericht geht hervor, daß
diefe Schule ein Muſterinſtitut ſei, das vorbildlich
wirke für ganz Deutſchland. Abg. Eibach wünſcht,
daß zur Bekämpfung des Heu= und Sauerwurms noch
größere Mittel bereit geſtellt werden. Abg. Raab
tritt nochmals für Reviſion des Wildſchadengeſetzes ein.
Oberregierungsrat Heinrichs verbreitet ſich über
die Frage, ob die Regierung zur Bekämpfung der Reb=
ſchädlinge
verpflichtet iſt. Seine Ausführungen ſind
bei den fortgeſetzt im Hauſe geführten Privatunterhal=
tungen
nicht zu verſtehen. Landesökonomierat Mül=
ler
erörtert die techniſche Seite der Rebſchädlingsbe=
kämpfung
. Was die Bekämpfung der Peronoſpöra be=

trifft, der man ja nun völlig Herr geworden ſei, gingen
die Verſuche mit der Vernichtung des Heu= und Sauer=
wurms
Hand in Hand. Leider nicht mit gleichem Er=
folg
. Immerhin haben die Bekämpfungsverſuche in
Oppenheim einen gewiſſen Erfolg gezeitigt. Es wird
Aufgabe der berufenen Organe ſein, vorerſt wiſſen=
ſchaftlich
zu erforſchen, welches Verfahren gegen dieſen
gefährlichen Schädling anwendbar iſt. Wenn das zu
ſicheren Reſultaten geführt hat, wird man die einzige,
Erfolg verſprechende einheitlich e Bekämpfung durch=
ſetzen
. Es bleibt zu hoffen, daß es den vereinten Be=
mühungen
bald gelingt, eine wirkſame Waffe gegen
dieſen gefährlichſten Feind des Weinbaues zu finden.
Abg. Breidenbach bedauert, daß der Antrag
Bähr-Köhler, 9000 Mark als Notſtandskredit zur Be=
kämpfung
des Heu= und Sauerwurms in den Etat ein=
zuſtellen
, keine Annahme findet. Doch begrüßt er es,
daß ein Mitglied der freiſinnigen Partei für dieſen
Antrag geſprochen hat. Der Ausſchußantrag
31 210 Mark in Einnahme und 366301 Mark in Aus=
gabe
zu bewilligen, wird angenommen. Nach=
dem
Kapitel 75a: Schlachtviehverſicherung,
debattelos angenommen iſt, iſt die 7. Hauptabteilung
erledigt.
Es folgt die Beratung der 9. Hauptabteilung
Miniſterium der Juſtiz.
Zur Generaldebatte macht Abg. Gutfleiſch
längere Ausführungen, insbeſondere zu den Perſonal=
und Anſtellungsverhältniſſen der Aſſeſſoren und Refe=
rendare
. Dadurch, daß dieſe oft 510 Jahre auf An=
ſtellung
warten müſſen, geht ihre beſte Arbeitskraft ver=
lören
. Die Gerichtsſchreiber, auch die als ſolche ver=
wendeten
Aſſeſſoren, müßten ſtenographieren können;
dadurch würde bei Protokollierung von Zeugenver=
nehmungen
viel Zeit und Geld und Kraft geſpart wer=
den
. Der Wert der Stenographie für das Rechtsleben
werde ſehr unterſchätzt. Auch in der Anwaltſchaft habe
ſich ein Ueberſchuß an Kräften eingeſtellt; daß da ein
gewiſſer Notſtand herrſcht, daran ſeien die gllgemeinen
Verhältniſſe ſchuld. Abg. Winkler ſieht ſich ver=
anlaßt
, die ſcharfen Angriffe, die von der Linken mehr=
fach
gegen den heſſiſchen Richterſtand gerichtet würden,
zurückzuweiſen und dem Richterſtand vollſtes Vertrauen
auszuſprechen. (Bravo.) Zu der mehrfach laut gewor=
denen
Anſicht, daß gelegentlich der nun vorübergegan=
genen
Miniſterkriſe auch der Herr Juſtizminiſter hätte
gehen müſſen, möchte er im Gegenteil der Hoffnung
Ausdruck geben, daß der gegenwärtige Herr Juſtiz=
miniſter
noch recht lange an der Spitze unſeres Juſtiz=
miniſteriums
bleiben möge. (Lebhaftes Bravo.) Red=
ner
geht dann auf Einzelfälle ein. Der Notwendigkeit
der Anſtellung eines weiteren Staatsanwalts in Mainz
kann er ſich nicht anſchließen. Die Begründung der
Regierung ſcheine die Strafprozeßreform dabei nicht
genügend in Rückſicht zu ziehen. Er ſchätze die dadurch
eintretende Entlaſtung der Staatsanwaltſchaft auf 40
Prozent. Die Klagen über die ſchlechten Anſtellungs=
verhältniſſe
der Aſſeſſoren ſeien durchaus begründet
Wenn der Staat die Arbeitskräfte gebrauche, ſoll er die
Aſſeſſoren auch anſtellen. Denn die Forderung, daß der
Richter unabhängig ſein ſoll, ſei wohl begründet. Die
Belaſtung des Budgets durch Schaffung einer Anzahl
definitiver Richterſtellen ſei lächerlich gering gegen=
über
den Vorteilen für unſeren Richterſtand und damit
für die Volksintereſſen. Durch Verzichtleiſtung auf
das Hilfsblatt im Grundbuchweſen und durch ge=
rechtere
Verteilung der Arbeitslaſten auf die verſchie=
denen
Gerichtsſchreibereien, könnten erhebliche Erſpar=
niſſe
erzielt werden. Was der Vorredner über die
Einführung der Stenographie geſagt hat, unterſchreibe
er. Auch die Schreibmaſchine müſſe noch viel mehr
eingeführt werden. Weiter fordert Redner den Erlaß
des Stempels bei Anerkennung der unehelichen Vater=
ſchaft
und dann, wenn der Vater einem unehelichen
Kinde ſeiner Frau ſeinen Namen geben will.
Nach der Pauſe ſpricht Abg. Dr. Oſann. Er be=
grüßt
das Ausſchreiben des Generalſtaatsanwalts, be=
treffend
die Auswüchſe des Juriſtendeutſch
Die
geplante Aufhebung der Weiberſtrafanſtalt in Mainz
ſei im Intereſſe der Sparſamkeit zu befürworten. Was

über die Einführung der Stenographie im Rechtsdienſt
geſagt wurde, ſei ſehr beachtenswert und werde ſicher
auch zu Erſparniſſen führen. Die größeren Gerichte
ſollten ihre Bibliotheken an einer Stelle vereinigen.
Redner kommt dann ebenfalls auf die Anſtellungsver=
hältniſſe
der Aſſeſſoren zu ſprechen und meint, die Zahl
der mit Aſſeſſoren beſetzten Richterſtellen müßte ver=
mindert
werden. Zur Zeit habe man in Heſſen 152
Aſſeſſoren und 163 Referendare, während nur 6
Stellen jährlich frei werden. Bedauerlich ſei es und
ein Mangel an Lebensmut, wenn die jungen Leute
warten, bis ſie Anſtellung finden beim Staat, oft 510
Jahre, anſtatt ſich in den Strudel des Lebens zu ſtürzen
und Stellung zu ſuchen, wo ſie ſich eben findet. Be=
dauerlich
ſei weiter, daß die beſten Kräfte durch die
ſchlechten Verhältniſſe veranlaßt werden, außer Lan=
des
zu gehen. Auch bei den Rechtsanwaltszulaſſungen
ſoll jetzt die perſönliche Fähigkeit und Tüchtigkeit maß=
gebend
ſein. Es müſſe gefordert werden, daß den
Aſſeſſoren, die ſich nicht durch Examen oder ſonſtwie
hervorgehoben haben, von vornherein mitgeteilt wird,
daß ſie keine Ausſicht auf Anſtellung im Staatsdienſt
haben. Wenn man einen ſolchen Aſſeſſor aber erſt jahre=
lang
ohne Entſchädigung beſchäftige, ſei das nicht mehr
möglich. Redner beſpricht dann die am 1. April ein=
tretende
neue Geſchäftsordnung bei den Amtsgerichten,
für die jetzt noch kein Ausſchreiben erlaſſen ſei. Ob die
ſo oft geforderte ſtärkere Heranziehung des Laien=
elements
zur Rechtſprechung ſich bewähren werde, bleibe
abzuwarten. Redner möchte das bezweifeln. Es ſeien
da immer die vorliegenden beſonderen Verhältniſſe in
Betracht zu ziehen. Redner hofft, daß die von ſeinem
Freunde Winkler und von ihm gegebenen Anregungen
fruchtbar wirken mögen, daß man namentlich dahin
kommen möge, für den Richterſtand nur die allerbeſten
Kräfte in Betracht zu ziehen.
Abg. Stoepler (ſehr ſchwer verſtändlich) beſpricht
Mängel in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Abg.
Zuckmayer kann ſich nicht mit allem einverſtanden
erklären, was die Kollegen von ſeiner Fakultät aus=
geführt
haben. Zuſtimmen müſſe er durchaus dem,
was die Abgg. Winkler und Oſann über die Anſtellung
der im Richterdienſt verwendeten Aſſeſſoren geſagt
haben. Auch der Forderung, daß nur die tüchtigſten
Juriſten zum Richterdienſt zugelaſſen werden. Ent=
ſchieden
dagegen ſei er aber, wenn dieſe Tüchtigkeit
nach dem Examen bewertet werden ſoll. Beim Examen
könne ſoviel mitſpielen, daß es durchaus kein klares
Bild von der Leiſtungsfähigkeit des Betreffenden gibt.
Man müſſe da wenigſtens ein Nachexamen einführen,
in dem er ſeine Note verbeſſern kann, und die praktiſche
Vordienſtzeit. Redner beſpricht dann ebenfalls die Ge=
ſchäftsführung
der Amts= und Landgerichte in Ver=
bindung
mit der beabſichtigten Reform, durch die die
Arbeit auf den Gerichtsſchreibereien am 1. April ganz
außerordentlich wachſen würde. Die Stenographie
wäre ein außerordentliches Glück inſofern, als der
Wortlaut der Zeugenausſage feſtgelegt würde. Im=
merhin
ſtänden der Einführung der Stenographie all=
gemeine
Bedenken entgegen, da beim Uebertragen der
Stenogramme wieder zuviel Zeit verloren ginge.
Abg. Dr. Schmitt ſtimmt den Vorrednern inbezug
auf Anſtellung der Aſſeſſoren ebenfalls zu und be=
dauert
, daß noch Streichungen von Richterſtellen beau=
tragt
worden ſeien. Er bittet, dem Reorganiſations=
ausſchuß
auch die Eingabe der Aſſeſſoren vom Auguſt
1909 als Material zu überweiſen. Weiter ſei notwen=
dig
, daß die Auswahl der Richter nur getroffen werde
nach objektiven, von keinerlei politiſchen Rückſichten be=
einflußten
Geſichtspunkten. Wohl biete das gegenwär=
tige
Miniſterium die Gewähr dafür, doch könne das in
Zukunft einmal anders werden. Darum müſſe geſetz=
liche
Feſtlegung gefordert werden. Weiter müſſe die
Regierung für einen zufriedenen Beamtenſtand ſorgen.
Redner wendet ſich dann gegen die Streichungen am
Mainzer Juſtizpalaſt. Auf eine Anfrage des Redners
wann das neue Juſtizgebäude in Mainz nun bezogen
werden könne, teilt Staatsminiſter Ewald Exz. mit,
daß das vorausſichtlich am 1. Juli geſchehen kann.
Darauf wird die Sitzung um 1.10 Uhr auf nach=
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3 Uhr vertagt.

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Nummer 59.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910

Seits 13.

55. Sitzung (Nachmittags=Sitzung).

E
Am Regierungstiſch: Staatsminiſter Ewald Exz.,
Finanzminiſter Braun Exz., Miniſterialräte Lor=
bacher
, Süffert, Pückel.
Die Sitzung wird um 3¼ Uhr durch Vizepräſident
Korell in Anweſenheit von 13 Mitgliedern er=
öffnet
. Abg. Dr. Fulda führt aus, die Behauptung
der Eingabe des heſſiſchen Richtervereins, daß hier in
der Kammer die heſſiſche Rechtspflege ungerechter Weiſe
ſchlecht gemacht würde, ſei unwahr. Von einem Miß=
brauch
des Rehts der Volksvertretung ſei keine Rede.
Uebrigens habe die ſchärfſte Kritik der nationalliberale
Abgeordnete Oſann geübt. Die Eingabe ſei ſelbſt von
der Köln. Ztg. gerügt worden. Die Regierung ſei
den Richtern gegenüber manchmal zu ſchwach. Redner
bringt dann einzelne Beſchwerden gegen Richter uſw.
vor. Er wünſcht dann weiter, daß man jüngeren An=
wälten
das Amt eines Konkursverwalters, Nachlaßver=
walters
uſw. übergebe. Er ſpreche da nicht pro domo,
da er für ſeine Perſon dieſe Aemter ſchon ſeit Jahren
ablehne. Angeſichts der immer ſchlechter werdenden
Lage der Anwälte ſei dieſe Anregung doch zu beachten,
wenn es manchem Amtsrichter auch nicht angenehm iſt,
mit einem Anwalt als Konkursverwalter zu verkehren.
Was die Behandlung des Publikums betrifft, ſo müſſe
Redner anerkennen, daß dies im allgemeinen beſſer
geworden ſei unter dem Miniſterium Ewald. Einzel=
fälle
bleiben aber immer noch zu rügen. Weiter kommt
Redner auf den ſächſiſchen Geheimbundprozeß zu ſpre=
chen
und rügt, daß der Schutzmann Sperling von hier,
der hier zwei Ruſſen verhaftet hatte, auch als Dolmet=
ſcher
fungierte. Die Heranziehung des Laienelements
zur Rechtſprechung möchte er nicht beſchränkt haben.
Aber man ſollte es vermeiden, daß, wie es kürzlich der
Fall war, 5 Offiziere unter den Geſchworenen ſich be=
finden
. Man ſollte die Erwerbsſtände mehr heran=
ziehen
. Auch zu den Gewerbegerichten müſſe das Laien=
element
mehr herangezogen werden. Man ſollte ferner
die Arbeiterſekretäre bei mündlichen Verhandlungen
vor Gericht als Vertreter von Arbeitern zulaſſen. In
den Schulen, mindeſtens in den Fortbildungsſchulen,
ſollte man Rechtsunterricht einführen. Ein warmes
Wort möchte Redner für die Angeſtellten der Gerichts=
vollzieher
und Anwälte einlegen, die zum 1. April brot=
los
werden. Man möge ſie anderweit zu verwenden
ſuchen. Schließlich tritt Redner für die Aufbeſſerung
der unteren Beamten ein. Es ſei unbedingt nötig, daß
in dieſer Hinſicht etwas geſchieht.
Abg. Wolf äußert Wünſche bezüglich der Zuſammen=
legung
von Grundſtücken und rügt verſchiedene Fälle der
Handhabung des Weingeſetzes. Beſonders unklar und ge=
fährlich
ſei der Artikel 3 betr. die Zuckerung. In der
Praxis ſei es direkt unmöglich, dem Weingeſetz zu ent=
ſprechen
. Auch den heſſiſchen Detailliſten wird das Wein=
geſetz
nicht zum Segen gereichen. Redner verbreitet ſich
ſehr eingehend über techniſche Fragen des Weinverſchnitts
uſw. Er tritt dann für Dezentraliſation der Behörden,
Einführung der Selbſtverwaltung lokaler Behörden uſw.
ein. Der Präſident bemerkt ſchließlich, daß die ganze Rede
zum Miniſterium des Innern gehört. (Heiterkeit.)
Abg. Schönberger bleibt dauernd unverſtändlich.
Abg. v. Brentano möchte gleich dem Abg. Fulda
ſeſtſtellen, daß dem heſſiſchen Richterſtand alljährlich in den
Budgetverhandlungen volle Gerechtigkeit zu teil wird.
Wenn in einzelnen Fällen ſcharf Stellung genommen
wurde, ſo war dies natürlich berechtigt. Redner verlieſt
zum Beweiſe deſſen Briefe von Richtern und Stellen aus
den Verhandlungen der Richterverſammlung vom 22. Mai,
in denen er und der Abg. Fulda auf das ſchärfſte angegrif=
fen
wurden und zwar unter falſcher Darlegung der tat=
ſächlichen
Verhältniſſe. Redner ſchließt, er werde ſich durch
dieſe Angriffe keineswegs abhalten laſſen, ſeine Pflicht
als Abgeordneter zu erfüllen. Abg. Winkler ſtellt
ſeine Ausführungen vom Vormittag dahin richtig, daß die
Entlaſtung der Staatsanwaltſchaften durch die Reform nicht
nur 40, ſondern 6070 Prozent betragen wird.
Abg. Ulrich wird ſich ebenfalls durch Angriffe, wie
die der Richterverſammlung, nicht ſein Recht, Kritik zu
üben, beſchneiden laſſen. Er beſtreitet entſchieden, daß ein
Abgeordneter aus böſer Abſicht hier Unwahres vorbringe.
Vorkommen kann es aber, daß ein Abgeordneter einmal
nicht richtig informiert werde. Redner bringt dann ſeinen
Zwiſt mit dem Amtsrichter Meyer=Offenbach zur Sprache.
Er begründet dann ſeinen Antrag, eine Anzahl Richter nur
auf den Inhaber zu bewilligen. Es gebe tatſächlich eine
Anzahl Amtsrichter, die faſt nichts zu tun haben. Selbſt=
redend
erkenne er an, daß manche Richter außerordentlich
fleißig ſind. Auch dem Amtsrichter Meyer=Offenbach
ſpreche er gerne dieſe Anerkennung aus. Um ſo ſchlimmer

ſei es, wenn andere ſich von der Arbeit drücken. Der Herr
Iuſtizminiſter möge nur einmal als Harun al Raſchid revi=
dieren
, dann könne er ſich bald davon überzeugen, daß es
wohl recht fleißige Richter gibt, aber auch eine ganze
Menge Herren, die beſſer auf anderen Plätzen beſchäftigt
würden. Auf die Einteilung der Arbeit bei den einzelnen
Amtsgerichten müßte mehr Wert gelegt werden. Zu den
Kammern für Handelsſachen würden zuviel Perſonen
hinzugezogen, die dem eigentlichen Handelsſtande völlig
fernſtehen. Abg. v. Brentano meint, der Vorredner
mache oft den Fehler, daß er einzelne an ſich mit Recht ge=
rügte
Mißſtände verallgemeinert. Er gebe zu, daß ein=
zelne
Richter nicht ſo ſehr beſchäftigt ſind wie andere. In
Offenbach haben die Richter ſicher alle reichlich zu tun. Die
Handelskammer dürfe man nicht verwechſeln mit einer
Zivilkammer.
Staatsminiſter Ewald Exz. ſtellt mit Genug=
tuung
feſt, daß, abgeſehen vom Abg. Ulrich, alle Red=
ner
dem Richterſtand Anerkennung ausgeſprochen
haben. Er danke auch für die Anerkennung ſeiner Be=
mühungen
, die Intereſſen der Juſtiz nach Kräften zu
wahren und zu fördern. Was die von den Rednern vor=
gebrachten
Einzelfälle beträfe, ſo müſſe er wiederholen,
daß man ihm vorher hätte mitteilen ſollen, daß dieſe
Fälle zur Sprache gebracht werden. So ſei er natür=
lich
nicht orientiert. Zu dem Fall Meyer bemerke er,
daß er keineswegs das Strafverfahren gebilligt, daß er
es vielmehr abgelehnt habe, um zu dokumentieren, daß
er die Korreſpondenz des genannten Richters keines=
wegs
billige. Daraufhin habe der Amtsanwalt ſelbſt
das Strafverfahren eingeleitet. Falſch ſei die Be=
hauptung
, daß das Strafverfahren gegen den Redak=
teur
des Offb. Abendbl. eingeleitet wäre wegen
Veröffentlichung der Briefe Meyers. Das Vergehen
werde vielmehr darin erblickt, daß der Redakteur ſich
die Aeußerungen Ulrichs aus der Kammer zu eigen
gemacht hat. Der Abg. Ulrich habe ſich weiter be=
ſchwert
darüber, daß er in dieſem Prozeß als Zeuge
geladen wurde und das als einen Eingriff in ſeine
Immunität bezeichnet. Das habe Abg. Ulrich ſich ſelbſt
zuzuſchreiben, denn im Vorjahre habe er ausdrücklich
verlangt, daß es zum Prozeß kommen möge, damit er
die Korruption der Offenbacher Richter beleuchten
könne. Einzelne Beſchwerden des Abg. Dr. Fulda
ſtellt Redner richtig. Das Verhalten des betreffenden
Richters ſei begründet geweſen. Zurückweiſen müſſe er
den Vorwurf, daß er den Mainzern zu oft Gelegen=
heit
gebe, in ihrer ſchönen Vaterſtadt angeſtellt zu
werden. Es würde hier durchaus gerecht verfahren.
Der Einführung der Stenographie bei Protokollauf=
nahmen
ſtehe die Beſtimmung entgegen, daß die Proto=
kolle
den Zeugen zur Einſicht vorgelegt werden müſſen.
Im übrigen werde aber ſtets auf die Wichtigkeit des
Stenographierens hingewieſen. Die Zuſammenlegung
der Bibliothek ſei praktiſch nicht zu empfehlen, da es
nötig iſt, daß die Richter eine Hausbibliothek alsbald
zur Hand haben. Zu den Wünſchen betreffs Anſtel=
lung
der Aſſeſſoren uſw. iſt zu bemerken, es werden
ſchon jetzt tunlichſt nur ſolche Aſſeſſoren angeſtellt,
die ſehr gut zenſiert ſind. Solchen mit der Note ge=
nügend
wird ſchon ſeit 1908 mitgeteilt, daß ſie auf An=
ſtellung
im Staate nicht zu rechnen haben, daß ſie min=
deſtens
damit rechnen müſſen, daß jüngere, beſſer zen=
ſierte
Herren ihnen vorgezogen werden. Was die Eide
der Schutzleute betrifft, ſo muß gegen die allgemeine
Behauptung, daß die Schutzleute fahrläſſige Eide leiſten,
doch proteſtiert werden. Es handle ſich um eine ſub=
jektive
Kritik des Abg. Dr. Fulda, die zurückgewieſen
werden muß. (Sehr richtig!) Der Abg. Dr. Zuck=
mayer
ſei im Irrtum, wenn er meine, man ſei auf den
1. April nicht vorbereitet. Das ſei nicht der Fall. Die
Anweiſungen an die Amtsgerichte ſeien ſchon unter=
wegs
. Man habe abſichtlich die preußiſchen vorher ab=
gewartet
.
Abg. Ulrich verteidigt wiederholt ſeinen Stand=
punkt
im Falle Meyer.
Miniſterialrat Lorbacher (ſehr ſchwer verſtänd=
lich
) ergänzt die Ausführungen des Herrn Staats=
miniſters
. Es ſprechen noch die Abgg. Dr. Winkler
und Dr. Fulda (der wegen des Ausdrucks Kabarett
Dörr! zur Ordnung gerufen wird).
Seit 6¼ Uhr ſind noch 9 Abgeordnete
im Hauſe anweſend.
Um 6¾ Uhr wird die Generaldebatte geſchloſſen.
Nach dem Schlußwort des Berichterſtatters Abg.
Gutfleiſch wird Kapitel 88, Miniſterium, ange=
nommen
, nach dem Ausſchußantrag 68 294 Mk. in
Ausgabe, d. ſ. 790 Mk. mehr wie im Vorjahre, zu be=
willigen
.
Um 7 Uhr wird die Sitzung auf Freitag 9 Uhr
vertagt.

Literariſches.

Das von Dr. Gaſch in Dresden herausgegebene
Jahrbuch der Turnkunſt (Leipzig, E. Stock)
bringt eine ſolche Fülle gediegener turneriſcher Arbei=
ten
, Statiſtiken und Aufſätze, daß es ſeit vier Jahren
für jeden, der ſich über Schul= und Vereinsturnen
unterrichten will, zu einem unentbehrlichen Nachſchlage=
werk
geworden iſt. Die Empfehlungen der höchſten
deutſchen Schulbehörden ſtehen dem reich ausgeſtatteten
und ſehr billigen Volksbuche (1,20 Mark frei zugeſandt)
zur Seite.
Landleben. Illuſtrierte Wochenſchrift für
das vornehme Landleben mit der regelmäßigen Beilage
Der Lehrmeiſter im Garten und Kleintierhof. Vier=
teljährlich
3 Mark. Verlag: Hachmeiſter u. Thal, Leip=
zig
, Inſelſtraße 20. Eine prächtig ausgeſtattete, zum
Teil farbig illuſtrierte Zeitſchrift, deren vielſeitiger
Text ſo ziemlich alles behandelt, was dem auf dem
Lande lebenden, gebildeten Menſchen am Herzen liegt:
Landhaus=Architektur, Ausſtattung der Wohnräume,
Parkgärtnerei, Obſt= und Gartenbau, Obſtverwertung,
Geflügel= und ſonſtige Kleintierzucht, Jagd, Sport aller
Art, Naturleben, Hauswirtſchaft uſw.
Von dem Humor und den Geheimniſſen der
Künſtlerateliers, wo das frohe Völkchen im vertrauten
Kreiſe der Phantaſie und Laune ungebunden die
Zügel ſchießen läßt, weiß P. Cauſe in einer über=
mütigen
Planderei zu berichten. Zu ihr hat Paul
Halke eine reiche Zahl vortrefflicher, geiſtvoller Hand=
zeichnungen
entworfen, die den humorvollen Erleb=
niſſen
einen echt künſtleriſchen Ausdruck verleihen.
Außer dieſem, von Lebensfreude ſprudelnden Aufſatz
ſei aus dem neueſten (13.) Hefte der illuſtrierten, vor=
nehmen
Zeitſchrift Moderne Kunſt (Verlag von
Rich. Bong, Berlin W. 57, Preis des Vierzehntagheftes
60 Pfg.) noch beſonders der gleichfalls illuſtrierte Auf=
ſatz
von Dr. A. Heilborn Waſſer und Wolken ſo=
wie
die innig empfundene Novellette Briefe aus einem
Kloſter von Eva Gräfin von Baudiſſin hervorgehoben.
Die Fortſetzungen von Scapinellis dramatiſch= ſpannen=
dem
Roman Die Künſtlerkolonie ſchlagen den Leſer
ſtets durch eine Fülle neuer, lebendiger Vorgänge in
Bann. Mit ſicherer Hand weiß der Zick=Zack auch dies=
mal
aus dem ewig bewegten Meere des Theater=,
Varieté=, Kunſt= und Geſellſchaftslebens die kleinen,
ſchimmernden Perlen zu heben.
* Neuerſchienene Broſchüren. Zwei Grund=
fragen
der deutſchen Flottenpolitik. Von Guſtav Adolf
Erdmann. Druck und Verlag von Gerhard Stalling, Ol=
denburg
i. Gr., Verlag des Deutſchen Offizierblattes.
Gewerbliche Mittelſtands=Bibliothek. Herausgegeben von
der Wiſſenſchaftlichen Zentralſtelle der Mittelſtands= Verei=
nigung
für Handel und Gewerbe E. V. (Sitz Düſſeldorf).
Heft 6. Das Geſetz über die Sicherung der Bauforderun=
gen
vom 1. Jnni 1909. Erläutert von Dr. Auguſt Engel.
Düſſeldorf 1909. Verlag der Mittelſtands=Vereinigung
für Handel und Gewerbe.
Preis 25 Pfg. Die Man=
nesmannrechte
und Das Marokko=Weißbuch. Erſter
Nachtrag zu Der Fall Mannesmann von Hans A. Os=
mann
. Broſchürenfolge: Verlag Kontinent, G. m. b. H.,
Berlin W. 50. Schiffahrtsabgaben II. Kritiſche Be=
merkungen
zum Entwurf eines Reichsgeſetzes, die Erhe=
bung
von Schiffahrtsabgaben betreffend. Von Dr. Otto
Mayer, Profeſſor der Rechte in Leipzig. Tübingen, Ver=
lag
von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1910. Moder=
niſtiſche
Vorträge Geburt, Hochzeit und Tod im Glauben
der Menſchheit. Von Dr. Thaddäus Engert. Preis 50
Pfg. Würzburg, Memmingers Verlagsanſtalt 1910.
Zur Reorganiſation des Vermeſſungsweſens im Großher=
zogtum
Heſſen. Im Namen des Vereins Großherzoglich
Heſſiſcher Geometer I. Klaſſe, deſſen Vorſtand. Sonder=
abdruck
aus der Zeitſchrift für Vermeſſungsweſen Jahr=
gang
1910, Heft 1. Stuttgart, Verlag von Konrad Witt=
wer
1910.
CDer Stein der Weiſen eine Geiſterbe=
ſchwörung
von Frank Wedekind (Verlag Paul Caſ=
ſirer
, Berlin W., Viktoriaſtr. 35). Ein eigenartiges,
aber intereſſantes kleines Drama, das nach dem eigent=
lich
noch intereſſanteren Vorwort ſeine Entſtehung
einem Konflikt des Dichters mit dem Berl. Tgbl.
verdankt. Dieſes Vorwort iſt eine Art Bekenntnis des
Dichters und es geht daraus hervor, daß das genannte
Blatt ihm allerhand Liebenswürdigkeiten ſagte, die er
prompt und gleich aufrichtig erwidert. Das Stück ſelbſt
iſt ein echter Wedekind, eine in biſſige Satire, in aller=
hand
Phantaſtereien gekleidete Abfuhr. Für die Auffüh=
rung
iſt es wohl kaum berechnet, aber zur Beurteilung
der ganzen eigenartigen Perſönlichkeit des Dichters
von großem Intereſſe.

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[ ][  ][ ]

Seite 14.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Nummer 5v,

(65
Uhe
e
die auch verändert,
junge Flickerlug pro Tag 1 Mk.
Off. unt. T 83 an die Expedition. (5194a
6070) Mädchen ſucht Laufſtelle von
8 Uhr bis nach dem Spülen oder tagsüber
zu Kindern Dieburgerſtr. 11, Seitb., Manſ.

*6068fs) Aelteres, einfaches Mädchen,
welches 7 Jahre auf einer Stelle war, gut
Zeugnis beſitzt, ſucht Stelle
Frau Nessling, Ludwigſtraße 8.

*6089) 21jähr. Mädchen ſucht Stelle
bis 15. März od. 1. April Schießhausſtr. 64.
*6053) 17jähr., einf. Mädchen von aus=
wärts
ſucht Stelle zu Kind.
Off. unter U 68 an die Expedition.

*6112) Stellen ſuchen: 2 ältere Mäd=
chen
mit langjährigen, guten Zeugniſſen
zum 1. April durch Frau Weißmantel,
Arbeitsnachweis
Eliſabethenſtraße 37.

*6121) Stellen ſuchen: Zimmermädchen
für Badeort, mehrere tücht. Alleinmädchen,
welche kochen u. nicht kochen, erſtes Haus=
mädchen
, Kindermädchen für 1. April.
Stellenbureau Frau Dingeldein,
Schützenſtraße 10½, Telefon 531.

*6114) Gute Belohnung demjenigen,
der einem verheir., kautionsfäh. Mann zu
irgend einer Stelle als Bürodiener, Kaſſen=
bote
od, dergl. behilflich iſt oder nachweiſen
kann. Gefl. Offerten unter U 82 an die
Expedition ds. Bl. erbeten.

(*6101
Tücht., verh. Mann
mit guter Handſchrift ſucht Stelle als
Kaſſenbote, Bürodiener oder ſonſt. Ver=
trauenspoſten
. Off. u. U 75 a. d. Exped.
5257mdf) Junger Gärtnergehilfe, ſowie
Gärtnerlehrling, letzterer bei Koſt u. Logis,
per ſofort geſucht. C. Völker, Kunſt= u.
Handelsgärtner, Hügelſtraße 75.

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Tüchtige 2. Arbeiterinnen
per ſofort oder ſpäter ſuchen
(4871a
Gebrüder Unger, Ludwigsstrasse 9.
5835mf) Arbeiterinnen für Konfektion
geſucht Pallaswieſenſtraße 40, I. Stock.
6
Lageristin
die auch im Nähen bewandert iſt, ſof. geſucht
Oppenheimer & Co-
Schulſtraße 2.
(5256mf
(5301
Arbeiterin geſucht! ars
Mertens Konfektion, N.=Ramſtädterſtr. 89.

5389fso) Für meine Konfektions= Aender=
ſtube
ſuche ich geübte
Arbeiterinnen
in dauernde Stellung.
Theodor Schwab, Eruſt=Ludwigsplatz.
Einlegerin gesucht!
Buchdruckerei Künzel, Eliſabethenſtr. 35.

Fräulein
Arbeiterin ſof. geſucht! Wenzel,
Schneiderin, Kirchſtraße 12, III. (*6026

Schneideri
zum Abändern tagweiſe geſucht
(5414
Willy Schwab, Ludwigsplatz.

Lehrmädchen für Konfektion
geſucht
Riedlingerſtraße 19, part.
5121a)

Modes!

Lehrmädchen für Atelier und Laden
(*6063fs
geſucht
J. Tauber, Ludwigsplatz 6.

Lehrmädchen

(5396a

bei ſofortigem Verdienſt für ein Konfektions=
Geſchäft geſucht. Zu erfrag. in der Exped.

Braves Mädchen
mit guten Zeugniſſen geſucht
(5045a
Heidenreichſtraße 37, 3. Stock.

Jüngeres williges
Haee Rgeg 25
Bienseisäbenen
das etwas kochen kann, in einfachen
bürgerlichen Haushalt (event. zur Aus=
hilfe
) ſofort geſucht. Zu melden Guten=
(5271t
bergſtraße 11, part.

Sthch En geſet, deun, ſeit. Mitbdch.
das Hausarbeit verſteht und etwas kochen
kann, auf das Land (eine halbe Stunde
von der Stadt entfernt) geſucht. Zu er=
fragen
Stiftſtraße 25, part., von 8 bis 12
und von 5 bis 8 Uhr abends.
(*5963df

Lauffrau
die gewandt im Kochen iſt, von ½8 Uhr an
bei hohem Lohn tagsüber geſucht. Zu erfr.
von 812 Uhr und 47 Uhr. Näheres in
der Expedition ds. Bl.
(5360df

Dienstmädchen
geſucht, welches bürgerlich kochen kann und
alle Hausarbeit verſteht, per bald. Off. u.
P 4 an die Expedition.
(5405

*6030fs) Tüchtiges Alleinmädchen bei
gutem Lohn und guter Behandlung für
1. April geſucht
Kiesſtraße 95.
6035) Reinliche Putzfrau für Mittwoch
und Samstag Vormittag geſucht
Mollerſtraße 34, 3. Stock.

6107) Beſſeres Mädchen oder Frau zu
zwei Kindern nachmittags geſucht
Ludwigsplatz 4, part.

des Dienſt.
Wegen Erkrankung mädchens Aus=
hilfe
ſofort geſucht Kirchſtr. 21, II. (*6072

*6099) Mädchen, die kochen können, und
andere Mädchen erhalten die beſten Stellen
Stellenbüro Röſe, Karlſtr. 53, parterre.

Braves, ſleißiges Mädchen
im Alter von 1620 Jahren für dauernde
Stellung ſofort geſucht
(*6074fs
Heinheimerſtraße 59 (Laden).

600712) Herrſchaft, zwei Leute, ſuchen
wegen Verheiratung des Mädchens, braves
Dienſtmädchen. Aeltere Dame ſucht Mädch.
welches koch. kann. Köchinnen u. a. Mädch.
mit guten Zeugniſſen erh. recht gute Stell.
Frau Nessling, Ludwigſtraße 8.
C5406,4) Weg. Verheiratung d. Mädchens
ſucht kl. Familie bis 1. April ein ſolches mit
guten Zeugniſſen, nicht unt. 20 Jahren, das
gut kochen kann Stiftſtraße 47¾/10, parterre.

*6086) Laufmädchen für morgens von
810 Uhr geſucht
Müllerſtraße 38, I.

Kratig. Mlädchen

vom Lande geſucht
in Haush. mit 3 Kind., 15 Jahre alt
Darmſtadt, Liebigſtr. 24, I. (*6073
2
Fleißiges und zuverläſſiges
Enr
Diensrmadchen
das ſchon in einem beſſeren Haushalt gedient
hat, zum 1. April geſucht. Näheres in der
Expedition ds. Blattes zu erfahren. (5381t
ir
Die Kinderſchule, Mauerſtr. 5
ſucht ein Mädchen für die Küche, das in
der Schule wohnt. Anmeldungen in der
Anſtalt oder Friedrichſtraße 21, II. (5386

Junges Madchen
kann die feinere Küche erlernen
(5410
Pension Gaulé.

*6078) Ein tüchtiges Mädchen bei hohen
Lohn ſofort geſucht Neckarſtraße 20, part.

Eine Putzfrau
für Freitag geſucht Viktoriaſtr. 51. (5390
B5398) Alleinmädchen, das alle Haus=
arbeit
gründlich verſteht u. in gutem Hauſe
gedient hat, für Küche und Haus ſofort
geſucht
Mathildenſtraße 11, I.
Ein tüchtiges Mädchen
geſucht für Küche und Hausarbeit. Vor=
zuſtellen
morgens vor 10 Uhr od. abends
nach 6 Uhr Frau Profeſſor Vetterlein,
Schloßgartenſtraße 67.
(*6117

Zum 1. April
reinliches, unbedingt zuverläſſiges Mäd=
chen
, das Liebe zu Kindern hat und
kochen kann, geſucht. Vorzuſtellen zwiſchen
1012 Uhr und nachmittags von 57 Uhr
Martinſtraße 97, part.
(B5425

Gesucht 4 Küchenmädchen
für Hotel u. Reſtaurationen, Lohn 30 bis
35 Mark, 2 Büfettfräulein
(5434
Koſtenloſer Stellennachweis Deutſcher
Kellnerbund, Schloßgaſſe 2, I.

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Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Seite 16.

Nummer 59.

[ ][  ][ ] 230.
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Samstag, den II. u. 12. März

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unabsehbare Zeiten
veiter zu bedienen und empfehle mich
Hochachtend
W. Schwarz.
fe
BM.
d risgewecoverein Harmsfadf.

Einladung
zur ordentlichen
General=Versammlung
am Freitag, den 18. März, abends 8 Uhr,
im Gelben Saal‟ des Restaurants Sitte, Karlstr.
Tages=Ordnung:
1. Bericht über die Tätigkeit des Vorſtandes, der Kommiſſionen und der Ge=
werbeſchule
.
2. Rechnungsablage des Ortsgewerbevereins für 1908 und der Eckhardtſtiftung
für 1909.
3. Neuwahl der 3 Vorſitzenden und 6 Vorſtandsmitglieder.
Es haben auszuſcheiden:
a) Die 3 Vorſitzenden: Rockel, Markwort und Hillgärtner.
b) Die Vorſtandsmitglieder: Geißner, Jacobi, C. Lautz, G. Möſer I.,
Schembs und Thomae.
4. Neuwahl der Meiſter= und Geſellenbeiſitzer für die Geſellenprüfungen.
5. Vorſchläge und Wünſche zu den diesjährigen Exkurſionen.
(5378ff
Unſere Mitglieder erſuchen wir ergebenſt, recht zahlreich erſcheinen zu wollen.
Der Vorstand.
Krankenkaſſe für die Angeſtellten der Mitglieder des
Gaſtwirtevereins Darmſtadt E. H.
Einladung.
Donnerstag, 24. März, nachmittags 3½ Uhr,
findet im Nebensaale des Restaurants Zur Oper‟
die ordentliche Generalverſammlung
obiger Kaſſe gemäß § 37 des Statuts ſtatt.
Tagesordnung:
Vorlage der Jahresrechnung, Bericht über dieſelbe und Abänderung des § 3
der Statuten.
(5124if
Der Vorſtand:
R. Reuter, Vorſitzender.
L. Lind, Schriftführer.
Restauration zum Schwaneneck
Samstag, den 12. ds. Mts.,

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[ ][  ][ ]

Seite 18.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910s

Nummer 59.


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Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 11. März 1910.

Seite 17.

Fauen

Den verehrlichen Hausfrauen von Darmstadt die ergebene Mitteilung, dass
ler Detailmilchverkaufspreis nach wie vor 22 Pfennig pro Liter
beträgt und auch in Zukunft betragen kann, da der Milchpreis an Milch-
händler
für Milch, welche mit den Frühzügen ankommt, auf 17 Pfg-
uund
für solche, welche durch Abholen von der Bahn Extrafuhren verursacht, auf
16½ Pfg. pro Liter festgesetzt ist.
Verkaufsstellen zum direkten Verkauf der frischen Milch an die Kon-
sumenten
werden sofort errichtet.
(5321dfs
Trockenmilch ist viel teuerer wie frische Milch.
Frische Milch zu obigem Preis wird nachgewiesen durch die Verwertungs-
genossenschaft
für landwirtschaftliche Erzeugnisse e. G. m. b. H., Postfach Nr. 8.

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