Darmstädter Tagblatt 1879


03. Oktober 1879

[  ][ ]

Adonnemeyisdten
Wrlch 6 Mark iuncl. Pringerlohn.
Auswärts werden von allen Voſt=
amtern
Beſtellungen enſgegengenam=
nen
zu 1 Marl 50 Pf. vro Quurtal
mel Voſſauiſchlog und Beſtellgeblbhr.

(Frag= und Anzeigeß(att.)
Mit der Sonntags=Beilage:

J7 ſerer=
werden
angenommen inDarmſtah
voa der Expedition Rheinſt. R 2.
m Beſſungen von Friedr. Bllher,
Holzſtraße Nr. 18. lovte anzwirn
von ellen ſollden Annoneo-Tehr
Ntlanz.

142. Jahrgang.
Amtliches Grgan für die Bekanntmachungen des Großh. EKreigamis, ſowle des Großh. Polizeiamts Darmſtadt.

4 195.

Freitag den z. Octaber.

137D.

Zu publiciren iſt aus den Regierungsblättern Nr. 48, 49 und 50:
Verordnung, das Armenrecht beir.;
Verordnung, die allgemeine Einführung von Stempelmarken betr.;
Bekannntmachung, die allgemeine Einführung von Stempelmarken betr.;
Verordnung, die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen der Gerichte beir.

B e k a n n t m a ch u n g.
Laut Verfügung der Königlichen Regierung, Abtheilung des Innern zu Breslau, vom 26. September l. J. wurde auf Grund
des Reichsgeſetzes gegen die gemeingefährlichen Beſtrebungen der Socialdemokratie vom 21. October 1879 die am Montag den
22. d. Mts. ausgegebene Nummer 22 der im Verlag von A. Reichenbach und im Druck von H Zimmer u Comp. zu Breslau
erſcheinenden periodiſchen Druckſchrift: Freie deutſche Warte', ſowie das fernere Erſcheinen dieſes Blattes verboten, was hiermit
zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird.
Darmſtadt, den 30. September 1879.
Großherzogliches Polizeiamt Darmſtadt.
Haas.

Bekanntmachung.
Samstag den 4. October d. J.,
Nachmittags 3 Uhr, wird in dem der
Großherzoglichen Landes=Waiſen=Anſtalt ge=
hörigen
Walde, Diſtrict Tanne, die
Kartoffel=Ernte von 4.4487 Hect. Gelände
in 33 Looſen öffentlich an die Meiſtbietenden
verſteigert.
Darmſtadt, den 30. September 1879.
Der Rechner der Großherzoglichen Landes=
Waiſenkaſſe.
Wagner.
8232)

Fohlen=Verſteigerung.
Die bis heute nicht abgeholten lebenden
Gewinne aus der Lotterie des hieſigen
Herbſitpferdemarktes, beſtehend in:
2 halbjährigen Fohlen,
ſollen
Samstag den 4. October, Vormit=
tags
1 Uhr,
auf dem Pferdemarktplatz öffentlich gegen
Baarzahlung unter den im Verſteigerungs
Termin näher bekannt zu gebenden Be=
dingungen
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 1. October 1879.
8259)
Das Pferdemarkt=Comits.

8269) Gute Ueberrheiner u. See=
länder
=Kartoffeln ſind zu haben in
Jacob Hambach,
Maltern bei
Caſinoſtraße 15.

HFür Hausfrauen und Wäſche=Anſtalten.
A. Erkenbrecher's ſCineinnati) weltberühmte
Cheuisch-reine Malz-türhem.
Unübertroffen! Höchſt prämiirt!
Sind ſchneeweiß, geruchlos, ausgiebiger und geben den höchſten Glanz ohne Zu=
ſätze
, ſind deßhalb billiger als alle anderen Stärken.
Royal Gloss-Stärke in 1 und 3 Pfd =Packetn, ſowie looſe,
Eont-Ton-Stärke in 1 Pfd. Packeten,
Verbessertes Mais-Stürke-Mehl für Kuchen, Puddings, Kinder=
nahrung
ꝛc. in ½ und ¹ Pfd.=Packeten.
Zu haben bei: Fr. Schaefer, Ludwigsplatz; M. W. Praſſel, Rheinſtraße;
Gg Liebig Sohn, Louiſenplatz; W. Manck, Ballonplatz; G9. Philippi, Marienplatz.
8191) Meine verehrlichen Abnehmer
1879er Russ. Caviar, ächter Aſtrachan
mache ich darauf aufmerkſam, daß das
Elb-Caviar,

Ausmachen und der Verſandt meiner vor=
Russ. Sardinen,
züglichen Kartoffeln nächſter Tage be=
Eieler Bückinge,
ginnt, und ſehe recht baldiger Aufgabe des
Geräucherte Aals,
Winterbedarfs entgegen. Auch verſende
Koch= und Tafelobſt und Zwetſchen von
Neunaugen,
. Centner=Körbe an. Herr Kaufmann
Rheinlachs, geräuchert,
Reh, Louiſenſtraße 4, nimmt Beſtellungen
Sardluen in Pieles,
für mich entgegen. Toblas Deiss,
Häringe, martuirte,
Offſtein.

Rollmöpse, Berliner,
empfiehlt
L. Brüchweh.
Hoflieferant,
Ernſt=Ludwigsſtraße 17.
8271)

8193) Zu verkaufen: Eine Näh=
maſchine
, noch wenig gebraucht, für Fa=
milien
oder Schneider Paſſend. Einzuſehen
bei
Th Hotsch,
Mechanikus, Mühlſtraße 10,
470

[ ][  ][ ]

E 193

1804
FriCar. vonaetet,
Ludwigsplatz,
empfiehlt.
6966
Aecht Cölniſches Waſſer von Johann Maria
Farina, gegenüber dem Jülichsplatz,
Cölniſches Waſſer, eigenes Fabrikat, be=
ſonders
fein,
Glycerin=Zeiſe, durchſichtig,
Glycerin=Fett.Seiſe von Mouſon,
Peilchen=Seiſe per Stück 25 u. 50 Pfg.,
Windſor-Beife, weiß und braun,
Feinſte franz Glumen=Parſums in Flacons
und im Anbruch,
Bahn=Pulver und
Bahn=Tincturen,
Bahn=Paſta von Bergmann,
Sarg's flüſſige Glycerin=Zeiſe,
Glycerin=Créme und Toilette=Elycerin,
Toilette-Eſſig und Schminken,
Pommaden aller Art,
Schwämme in großer Auswahl:
Namen-Toilelte-Schwümme,
gerren Schuämme,
Rinder=Schwämme,
PferdeSchwämme,
Schul=Schwämme,
Fenſter=Schwümme; ferner
Fenſter Leder, ſchön weich, in allen Größen.
Neue Hülſenfrüchte
in vorzüglichſter Waare empfiehlt
Philzpp Weber
Carlsſtraße 24.
8272)
Berliner Rollmöpse,
ElbingerRiesen Heunaugen
Engl. Bückinge zum Roheſſen,
Russische Sardinen

friſch eingetroffen.

Huarlemer Blumanzwicboln,
als: Hyacinthen. Tulpen, Cro-
cus
, Tazetten, Anemonen, Ra-
munkelm
ete., für Töpfe, Gläser
und für den Gartey, in bekannter Güte,
billigst bei Handelsgärtner
C. Völker,
8028)
untere Hügelstrasse.
RAAuG
Granada .
85 Pf.
Spech-Java M. 1.
Gmatemala Perl 1. 15
A. Geoer,
Carlsſtraße 24.
8273)

8 lGummi=Bruſt=Paſtillen!
von Georg Hech in Diez a. d. Lahn
durch viele mediciniſche Autoritäten empfohlen,
bewähren ſich vorzüglich durch viel in den=
ſelben
enthaltenen Kräuter=Extract bei:
cakarrhaſiſchen Affeclionen, chroniſchen
Hals= und Bruſtleiden, allen leichteren Fr.
ſrankungen der Reſpirafions-Organe, ſowie
bel Keuchßuſten durch Abhaltung ſtaubiger
und rauher Luft. Preis per Schachtel 24
Stück 40 Pfg.
Niederlage bei Herrn Fr. Eichberg.
Th. Amend, Fr. Schäfer, C. Watzinger.
Hioler Oprotton,
Bückiogo
ſtets friſch bei
Philipp Weber,
Carlsſtraße 24.
8274)

8275) Ein in allen Theilen gut erhaltener
vorderer Seitenbau von 725 Em. Länge,
560 Em. Breite u. 460 Em. lichte Höhe,
mit einer Vorhalle von 300 Em. Breite u.
725 Em. Höhe, ſowie eine anſchließende
neue Halle von 645 Em. Br. u. 730 Cm. H.
iſt wegen Bauveränderung ſofort billig zu
verkaufen. Näheres auf dem Bureau des
Unterzeichneten.

H. Mößinger, Architekt,
Ernſt=Ludwigſtraße 15 Darmſtadt.

zu verkaufen, jung und lernbegierig, ſowie
junge, gelblöpfige, zahme Amozonen.
J. H. Dieckmann,
Gaſthaus zur goldnen Roſe, Schloßgaſſe 2.
Nur bis Samstag Abend hier.

7070a) Ein gut gerittenes,
Davevollſtändig ſicheres Pferd von
zelegantem Aeußeren u. angeneh=
T
men Gängen, auch als Damen=
pferd
geeignet, iſt preiswürdig zu verkaufen.
Näheres bei der Exp. d. Bl.

Triſche Scheuſſche,
in Eis verpackt, eingetroffen beiſ
WilL. Weber
Eliſabethenſtraße 14.
8277)

Vermiethungen.
7280) Obere Heinrichſtraße 49 eine
hübſche Wohnung. 6-8 Zimmer, großer
Garten, ſofart zu vermiethen.
7281) Ecke der Magdalenen= und
Lauteſchlägerſtr.1eine hübſche Wohnung,
4 Zimmer mit Balkon, Glasabſchluß, ſofort
zu vermiethen, auf Wunſch auch möblirt.
7506) Lindenhofſtraße 7 iſt der mitt=
lere
Stock mit 3 oder 4 Zimmern nebſt
allem Zubehör zu vermiethen u. 1. Oktbr.
zu beziehen.
1591) Ernſt=Ludwigſtraße 9 drei St.
hoch ein ſchönes Logis, enthaltend 3 Zimmer
nebſt allem Zuzehör, an eine ruhige Fa=
milie
alsbald zu vermiethen.
7764) Eine elegante möbl. Wohnung,
6 Zimmer mit eingerichteter Küche,
großem Garten, per 1. Oktober zu
vermiethen.
7768) Eliſabethenſtraße Nr. 42
ein möbl. Zimmer zu vermiethen.
7984) Frankfurterſtraße 46 ſind vom
. Ottober an 2 ſchöne Zimmer mit oder
ohne Möbel an einen einzelnen Herrn zu verm.

Vermiſchte Nachrichten.
8255) Unterzeichneter hat nach drei=
wöchentlicher
Abweſenheit ſeine ärztliche
Praxis heute wieder angetreten.
Darmſtadt, am 1. Octbr. 1879.
Dr. Eüfell,
Hölgesſtr. 14.
8035) Zur angehenden Winter=Saiſor
empfehle ich meine reichhaltige
Husikalien Leihanstalt
zur gefl. Benutzung.
Georg Tkuies,
Buch= und Muſikalien=Handlung.
7167) Ein unverheiratheter Gärtner
mit guten Zeugniſſen findet dauernde Stellung.
Landwehrweg Nr. 75.
8267) Ein Offizier=Sübel mit Koppel
und Portépée iſt auf der Fahrt von Gries=
heim
nach Beſſungen vom Wagen verloren
worden und gegen Belohnung in der Exp.
d. Bl. abzugeben.

[ ][  ][ ]

1805

193
Geſchäfts=Empfehlungen,
welche in dem in unſerem Verlage in amtlicher Ausgabe demnächſt erſcheinenden
Wiuker =Pahrplan
der Eiſenbahuen, Dampfſchiffe und Poſten im Großherzogthum Heſſen
Aufnahme finden ſollen, werden bis längſtens 7. Oktober erbeten.
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
Großherzogliche Handelskammer zu Darmſtadt.
Heffentliche Hitzung:
Freitag 3. Oetober 1879, Abends 6 Uhr, im neuen Lokale: Aliceſtraße 21.
Tagesordnung: 1) Neue Einläufe.
2) Die Einführung von Arbeiter=Penſions kaſſen (Antrag Stumm).
3) Abänderungen des amtlichen Waarenverzeichniſſes.
8278)
4) Die Verlegung des Großherzogl. Hauptſteueramtes dahier.

8 Für Geſchäftsleute.
Ein junger Mann mit ſchöner Hand=
ſchrift
, in Buchführung und Correſpondenz
vollſtändig vertraut, empfiehlt ſich zum Nach=
tragen
der Bücher, Ausziehen der Rech=
nungen
ꝛc. Näheres in der Expedition.

8218) 1700 Mrk. ſind gegen doppelt
gerichtliche Sicherheit auszuleihen.

8224) Marktſtraße 1 finden noch einige
Schüler Aufnahme. Guter Mittagstiſch
wird auf Wunſch auch allein gegeben.

8279) Ein Mädchen ſucht für den ganzen
Tag Arbeit oder Monatplatz. Langegaſſe 41.
8280) Ein Lehrling kann ſofort ein=
treten
bei A. Noſenthal u. Comp.,
Ernſt=Ludwigſtraße 16.
8281) In eine Colonialwaaren= und
Delicateſſenhandlung wird ein junger
Mann mit guten Schulkenntniſſen, als
Lehrling zu engagiren geſucht.
Näheres in der Expedition.

8282) Ein Lehrmädchen geſucht.
D. Opel, Modes, Eliſabethenſtr. 32.

8283) Obſt=Verſteigerung.
Montag den 6. October, Nachmittags
3 Uhr, ſoll auf dem Grundſtück Erlenberg
das Obſt, Aepfel und Zwetſchen, verſteigt
werden. Nähere Auskunft bei
G9. Karl Diehl, Beſſ. Kirchſtraße 12.
In beiden
T

Kindergärten
(Grafenſtr. 39 u. kl. Wogplatz 3) dauern
die Ferien von Sonnabend den 20. Sep=
tember
bis Montag den 6. October.
Anmeldungen werden Grafenſtraße 39
entgegengenommen.
Therese Sohullz.
8 Geſucht nach Caſſel
zum 1. November ein feineres Haus=
mädchen
, welches gründliche Uebung im
Schneidern hat u. gute Zeugniſſe aufweiſt.
Näheres bei Frau Mattern, Waldſtr.
8285) In meine Buch= u. Muſikalien=
Handlung kann ein mit guten Schulkennt=
niſſen
verſehener junger Mann als Lehrling
eintreten.
Georg Thies.
3
8
J
10000 Mark.
90
Zehntauſend Mark werden gegen
hypothekariſche Sicherheit auf einem
Gute zu leihen geſucht. Näheres mit frank.
Briefen sub R 8286 an die Exp. d. Bl.

Vermiſchte Mittheilungen.
Darmſtadt, 3. October.
Nachſtehend bringen wir die von Sr. Exc. dem Herrn Staats=
miniſter
Frhrn. v. Starck gelegentlich der Einſetzung der neuen Ge=
richte
gehaltene Anſprache:
E3 iſt ein denkwürdiger Tag, ein bedeutungsvolles Ereigniß,
welches heute uns in dieſen Raumen verſammelt, während zu gleicher Zeit
in ganz Deutſchland die Hallen der Juſtiz ſich öffnen, um die einheit=
lichen
Formen der Rechtspflege, wie ſie vor zwei und einem halben
Jahre im Rathe der Nation für das neu geeinte Deutſche Reich feſtgeſtellt
wurden, nun in das Leben einzuführen und damit die Rechtseinheit
in Deutſchland als unverlierbares Gut in das Bewußtſein der Nation
einzuprägen. Sind es doch vorzugsweiſe die Formen und Normen des
Verfahrens, die, weil ſie äußerlich in die Erſcheinung treten, dem Volke
das Bewußtſein der Rechtseinheit vermitteln. Wir beſitzen ſeit Langem
ein gemeinſames deutſches Handelsrecht, wir beſitzen ſeit Jahren ein deu=
tſches
Strafrecht und in verhältnißmäßig kurzer Zeit wird, ſo Gott will,
ein deutſches bürgerliches Geſetzbuch den ſtolzen Bau der deutſchen Rechts=
einheit
zum Abſchluß bringen. Aber im Bewußtſein des Volkes wird
durch Jahrhunderte der 1. October 1879 als der Tag fortleben, an dem
die deutſche Rechtseinheit zuerſt in die Erſcheinung trat, von dem ab von
Memel bis Conſtanz, von Poſen bis Metz Gerichte gleicher Verfaſſung mit
dem gleichmäßig geordneten Beiſtand der Rechtsanwälte in gleichen Formen
das Recht finden und ſprechen. Speciell für uns in Heſſen hat dieſer

Tag noch eine beſondere Bedeutung, indem heute die Verheißung des
Art. 103 unſerer Verfaſſung zu einem bedeutſamen Theile zur Verwirk=
lichung
gelangt. Die Verſchiedenheit, welche ſeither noch zwiſchen den
beiden dieſſeitigen Provinzen und der Provinz Rheinheſſen in Bezug auf
die Organiſation der Gerichte, auf den Geſchäftskreis der Staatsanwalt=
ſchaft
, auf die Formen des Verfahrens und auf die Betheiligung der
Rechtsanwälte an demſelben beſtand, verſchwindet. Es war dadurch die
Möglichkeit gegeben, auch andere gerichtliche Functionen, insbeſondere auf
dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch die Landesgeſetzgebung
in den Schweſterprovinzen mehr übereinſtimmend zu geſtalten und binnen
wenigen Jahren wird mit dem Erlaß des deutſchen bürgerlichen Geſetzbuchs
jeder Unterſchied in der Rechtsgeſetzgebung zwiſchen den verſchiedenen
Theilen des Landes in Wegfall kommen.
An dieſem feierlichen Tage geziemt es ſich zunächſt der nunmehr auf=
gelöſten
Gerichte zu gedenken. Unſer Oberappellationsgericht, das ſeit
mehr als fünfzig Jahren auch als Caſſationshof für Rheinheſſen fungirte,
hat ſeit weit mehr als hundert Jahren die oberſte Entſcheidung in Rechts=
ſachen
für Heſſen gehabt. Seit 1803 wurden die Hofgerichte als Gerichte
ſweiter Inſtanz von der Verwaltung getrennt, und 1821 durch Ein=

richtung der Landgerichte die Trennung der Juſtiz von der Verwaltung
vollendet. Was dieſe unſere Gerichte, insbeſondere die Collegialgerichte
durch wiſſenſchaftliche Vertiefung und Weiterbildung der ihnen zur An=
wendung
überwieſenen Rechtsnormen, die ſo vielfach einer weit zurück=
liegenden
Zeit angehörten, geleiſtet haben; wie ſie durch gründliche gewiſſen=
hafte
Prufung und unpartheiiſchen Richterſpruch die Rechtsordnung
aufrecht hielten und das Vertrauen der Rechtſuchenden beſaßen, wie die
Untergerichte unter oft den ungünſtigſten äußeren Umſtänden unver=
droſſen
und mit pflichtgetreuer Hingebung ihres ſchweren Amtes warteten,
das Alles wird unvergeſſen und unverloren bleiben, denn alle dieſe den
deutſchen Beamtenſtand zierenden Eigenſchaften werden ja, größtentheils
durch dieſelben Perſonen getragen, auch auf die neuen Gerichte über=
gehen
. Nicht wenige freilich der bisherigen Richter, durch Alter oder
Krankheit veranlaßt, werden der neuen Organiſation nicht mehr ange=
hören
und ihnen, den Scheidenden, werden wir eine dauernde dankbare
Erinnerung bewahren.
Denen aber, welche in die neuen Gerichte eintreten, iſt ein ſchöner er=
hebender
Wirkungskreis geſichert. Zwar wird nicht mehr der oberſte Rechts=
pruch
in unſerem Lande von einem Gerichte unſeres Staates erfolgen.
Wenn im vorigen Jahrhundert in allen Territorien die Exemtion von
der Reichsgerichtsbarkeit angeſtrebt wurde, um zu einer prompten Juſtiz
zu gelangen, ſo betrachten wir es heute als den erſten und bedeut=
ſamſten
Vorzug der deutſchen Gerichtsverfaſſung, daß ſie die Einheit der
Rechtsanwendung durch die Bildung eines Reichsgerichts ſicher geſtellt
hat. Damit iſt denn auch die wiſſenſchaftliche Bearbeitung und Weiter=
bildung
des Reichsrechts in einem Maße ſicher geſtellt, zu welchem es ſeit=
her
kein Territorialrecht, auch der größeren Staaten nicht, bringen konnte.
Welchen Gewinn daraus ſowohl die Ausbildung der angehenden Juriſten,
als die Sicherheit der Rechtsanwendung ſchon in den unteren Inſtanzen
ziehen wird, vermögen wir heute kaum zu überſehen.
Im Uebrigen kann es nicht meine Aufgabe ſein, Männern vom Fach
gegenuber die charakteriſtiſchen Unterſchiede der neuen Geſetzgebung
von der nun obſolet gewordenen zu erörtern. Nur wenige Geſichts=
punkte
darf ich noch hervorheben. Gegenüber dem ſeitherigen weſentlich
ſchriftlichen Civilproceß werden wir von nun an, unter Befreiung der
Richter und Rechtsanwälte von weitläufigen ſchriftlichen Ausführungen,
als weſentliche Grundlage des richterlichen Erkenntniſſes die lebendige
mündliche Verhandlung haben, in der die Vertreter der Parteien, ent=
gegengeſetzt
wie ihre Stellung iſt, doch die gemeinſame Aufgabe haben,
dem Richter die Findung des objectiven Rechts zu erleichtern. Das
richterliche Ermeſſen in der Beurtheilung und Zulaſſung der von den
Parteien vorgebrachten Thatſachen und Beweiſe iſt erweitert. Wir er=
warten
von dieſen Aenderungen eine raſchere Erledigung der Rechts=
ſtreitigkeiten
, eine größere Bürgſchaft dafür, daß das materielle Recht

[ ][  ]

R6.
1806
nicht unter formellen Schwierigkeiten unterliegt, und einen wohlthätigen
Einfluß auf die Hebung der Volkswohlfahrt und auf die Zufriedenheit
und Vaterlandsliebe der Bevölkerung.
Der Bevölkerung ſelbſt wird ein größerer Antheil als ſeither an der
Rechtsfindung eingeräumt ſein. Nichtrechtsgelehrte Richter werden nicht
blos wie bisher in den Geſchworenengerichten, ſondern in einer großen
Zahl von kleineren Straffällen, und im Civilproceß in Handelsſachen
mit dem rechtsgelehrten Richter zuſammenwirken.
Die Staatsanwaltſchaft, an allen Gerichten vertreten, wird in or=
ganiſcher
Gliederung und in angemeſſener Begrenzung ihrer Befugniſſe
das öffentliche Intereſſe an der Verfolgung ſtrafbarer Handlungen und
bei der Verhandlung von Ehe= und Entmündigungsſachen wahrzunehmen
haben.
Den Rechtsanwälten iſt die ihrem hohen und wichtigen Berufe ent=
ſprechende
Stellung neben dem Richter eingeräumt und ihrer Selbſt=
verwaltung
iſt die Disciplin über die Berufsgenoſſen anvertraut.
So ſind wir berechtigt, mit zuverſichtlichem Vertrauen der Thätigkeil
der neuen Gerichte entgegenzuſehen. Wir ſind berechtigt zu dem Ver=
trauen
, daß mit der Ausführung der Reichsjuſtizgeſetze die Größe und
die Wohlfahrt des Reichs und damit auch unſers theuren Heſſenlandes
eine mächtige Förderung erfahren wird.
So lade ich denn im Namen Seiner Königlichen Hoheit des Groß=
herzogs
das Oberlandesgericht für das Großherzogthum Heſſen, das
Landgericht für die Provinz Starkenburg einſchließlich der Kammer für
Handelsſachen, und die Amtsgerichte L und I1, ein, von dem heutigen
Lage ab die ihnen nach Maßgabe des Geſetzes übertragene Gerichtsbarkeit
auszuüben und auf die in geſetzlich geordneter Weiſe an ſie gebrachten
Anträge der Staatsanwaltſchaft und der Parteien unparteiiſch und ohne
Anſehen der Perſon Recht zu ſprechen, wie es die Richter in dem von
ihnen geleiſteten oder noch zu leiſtenden Richtereid eingelobt haben.
Ich erkläre das Oberlandesgericht für das Großherzogthum Heſſen,
das Landgericht für die Provinz Starkenburg einſchließlich der Kam=
mer
für Handelsſachen und die Amtsgerichte Darmſtadt l und I hier=
durch
für eingeſetzt.
(D. 3.)
Die Großherzogliche Hofhaltung iſt ſeit dem 1. d. M.
vom Jagdſchloß Wolfsgarten wieder in das neue Palais verlegt
worden.
O Stadtverordnetenverſammlung vom 2. Oct. Zunächſt
theilte der Herr Oberbürgermeiſter mit, daß Herr Stadtverord=
nete
Holzapfel in Folge ſeiner Beförderung zum Landgerichtsrath
in Gießen ausgeſchieden ſei und den Mitgliedern ein herzliches Lebe=
wohl
ſage. Mit aufrichtigem Bedauern, ſo fügte der Herr Oberbürger=
meiſter
bei, ſehe man ein ſo tüchtiges und zuverläßiges Mitglied, wie
Herrn Holzapfel, ſcheiden. Weiter wurde mitgetheilt, daß das Miniſte=
rium
die Beſchlüſſe wegen Errichtung einer Vorſchule an der Realſchule
genehmigt und dieſelbe ſchon mit Beginn des neuen Schuljahres-
13. October in's Leben treten werde. - Ferner gab der Vorſitzende
auszugsweiſe Kenntniß von den Geſichtspunkten, welche er bei der am
Samstag den 11. d. Mts. vor dem Provinzialausſchuß ſtattfindenden
Verhandlung wegen Aufhebung des vierten Polizeireviers im Intereſſe
der Stadt entwickeln werde. - Zunächſt wurde der ziemlich umfang=
reiche
Entwurf der Feuerlöſchordnung für die Stadt Darmſtad.
verleſen. Hiernach wird der freiwilligen Turnerfeuerwehr das Löſch=
und Rettungsgeſchäft übertragen. Genanntes Corps ordnet ſeine inneren
Obliegenheiten ſelbſtſtändig u. wählt ſeine Obleute u. Führer. Die unmittel=
bare
techniſche Leitung ſteht dem Branddirector, in deſſen Verhinderung
ſeinem Stellvertreter, dem Brandmeiſter, zu. Ihr Amt iſt ein Ehrenamt
und erfolgt die Wahl durch die Stadtverordneten auf die Dauer eines
Jahres, vorbehaltlich der Beſtätigung der Regierungsbehörde. In der
Debatte betonte Gaule die Nothwendigkeit der Errichtung eines Feuer=
telegraphen
und erhielt die Zuſicherung, daß dieſelbe im Anſchluß an
den Telegraphen für das Waſſerwerk erfolgen werde, worauf der Ent=
wurf
einfach en bloc angenommen wurde, desgleichen die Vorlage über
die Ausſtände und uneinbringlichen Poſten der Stadtkaſſe aus 1878.
Aus der definitiven Nachweiſung der Baukoſten für die Realſchule und
die neuen Volksſchulhäuſer erhellt, daß die Realſchule 572,260 M. oder
4335 M. weniger wie der Voranſchlag gekoſtet, während die Volksſchul=
häuſer
einen Koſtenaufwand von 391630 M. erfordert, hier alſo
18369 M. erſpart wurden, welche Credite zu noch anderweitigen Ver=
wendungen
auf die 1870er Rechnung übertragen werden. Die Firma
Bopp u. Reuther iſt dahin vorſtellig geworden, ihr die Druckproben
bei dem über den Exercierplatz zu führenden Zuleitungsſtrang - es war
eine Druckprobe auf 25 Atmoſphären vereinbart - zu erlaſſen, wofür ſie
gleichwie Aird u. Mark eine Garantie auf 6 Jahre zu übernehmen be=
reit
iſt. Die Bauleitung hatte ſich gegen eine ſolche Conceſſion aus=
geſprochen
. Nach kurzer Debatte wurde beſchloſſen, dem Geſuch unter
den obwaltenden Umſtänden keine Folge zu geben. Einem Geſuch des
Herrn Architekten Harres um Abanderung des Bauplans in der Ried=
eſelſtraße
, wonach die von ihm dort projectirten Häuſer 5 Meter breite
Vorgärten erhalten, alſo nicht in die Straßenflucht zu ſtehen kommen
Cine Petition wegen Regu=
ſollen
, wurde dagegen entſprochen.
lirung der Verbindungsſtraße zwiſchen Kies= und Heinrichſtraße
(grüner Weg) verlangt eine größere Straßenbreite wie die vorgeſehene,
11 Meter. Hierauf wurde beſchloſſen, die Breite unter der Bedingung,

193
daß die Anlieger die Koſten tragen, auf 125 Meter zu normiren.-
Die übrigen zur Verhandlung gelangten Gegenſtände boten kein beſonderes
Intereſſe.
K. Geſtern Abend 5 Uhr fand in dem neuen Theater die erſte
Schauſpielprobe Wallenſtein=Trilogier ſtatt.
C Wie wir hören, ſoll mit dem 13. d. M. die Fortbildungs=
ſchule
wieder eröffnet und zur Freude aller Freunde des Unterrichts
allabendlich fernerhin nicht um 8, ſondern um 7 Uhr Abends abgehalten
werden. Man kann dieſe letztere Einrichtung im Intereſſe der Schule
nur begrüßen, da die Schüler dann nicht mehr wie früher in zu ſpätr
Abendſtunde nach Hauſe kommen und vor allzugroßer Ermüdung u.
geſchützt werden.
Die Vorleſungen des Kaufmänniſchen Vereins, welch=
in
letzter Zeit bei dem hieſigen gebildeten Publikum immer größere An=
erkennung
und Unterſtützung gefunden, beginnen in dieſem Jahre Sams=
tag
4. October Abends 8 Uhr im großen Saale des Darmſtädter Hofes
mit einem Vortrag des Herrn Profeſſor Gottfried Kinkel aus
Zürich über das alte Faſtnachtsſpiel in Deutſchland und der Schweiz.
Das Programm für den diesjährigen Cyklus umfaßt 12 Vorträge, wah=
rend
noch mit drei weiteren hervorragenden Gelehrten Unterhandlungen
gepflogen werden. Berückſichtigt man, daß der Kaufmänniſche Verein,
deſſen ganzes Streben darauf gerichtet iſt, ſeinen Mitgliedern in geiſtiger
und wiſſenſchaftlicher Beziehung nur Gutes und Gediegenes zu bieten,
große Opfer bringt, um allen Anforderungen Rechnung zu tragen, ſo
darf auch dieſes Jahr bei dem ſehr ſorgfältig gewählten Programm eine recht
zahlreiche Betheiligung der Mitglieder wie Intereſſenten, welch letzteren dieſe
Vorleſungen gegen ein verhältnißmäßig geringes Entree zugänglich ſind,
erwartet werden.
9 Der Gartenbauverein wird Sonntag den 12. October
abermals einen Ausflug zur Aufſuchung barer Schwämme und
zwar dieſesmal in der Tanne an der nach Heidelberg führenden Chauſſee
unternehmen, und hat ferner beſchloſſen, die Ausſtellung und Prämiirung
von Pflanzen, welche in Arbeiterfamilien cultivirt werden, zu einem
dauernden Unternehmen zu machen.
R. Ende dieſer Woche wird der große Woog gezogen.
In der Rundethurmſtraße bereiten dermalen den Waſſer
rohrlegungsarbeiten am Ausgangspunkt der großen Kaplaneigaſſe di
Fundamente eines alten Stadtthurms große Schwierigkeiten. E
handelt ſich hier um den runden Thurm, an den das Stockhaus= ange=
baut
war und der erſt in den 1830er Jahren beim Bau des neuen
Arreſthauſes abgebrochen wurde. Er ſtand in der inneren Stadtmauer
und kommt urkundlich im Jahr 1481 als höherer Thorn am alten
Roßdörfer Weg: der damals dort gezogen hat, und ſpäter in den Bau=
rechnungen
als Centh=Thurm vor.
K. Ein Müller zwiſchen Nieder= und Ober=Ramſtadt ſchickte am
30. vorigen Monats ſeinen Knecht mit einem Wagen voll Mehl nach
Frankfurt, von wo derſelbe eine Ladung Weizen zurückbringen ſollte.
Spät in der Nacht kam der Wagen mit Weizen in der Mühle an, auf
demſelben lag der Knecht, von ſieben Stichen getödtet.
Ziehung der Frankfurter Silberlotterie: In der
Ziehung der Palmengarten=Lotterie fiel der erſte Preis auf Nr. 2440l,
der zweite auf Nr. 41,024; weitere Hauptgewinne fielen auf die Num=
mern
18935 10769 20071 6762 23496 1053 9457 46789 20102 2217
44944 46295 16713 41162 49836 24582 11564 46957 12657.
Ziehung der Frankfurter Pferdemarktlotterie:
Die Hauptpreiſe fielen auf nachſtehende Nummern: den 1. Preis Nr.
17464, den 2. Preis Nr. 22038, den 3. Preis Nr. 6416, den 4. Preis
Nr. 12198, den 5. Preis Nr. 1345, den 6. Preis Nr. 19781, den 7. Preis
Nr. 26329, den 8. Preis Nr. 10722, den 9. Preis Nr. 18950, den 10.
Preis Nr. 3089. Pferde ohne Wagen gewannen die Nummern: 26156
7942 4198 11046 3155 27903 36211 21042 34944 8816 5768 701
31103 4204 18365 39805 26111 36283 9158 37104 10758 19556 856
9462 38757 6051 32456 29017 31654 11731 39299 17596 22660 2477.
1443 31051 25876 25362 10818 19470 9666 30631 11505 10804.
Die Ziehung der Ludwigshafener Kirchenbau=Lotterie
iſt nochmals bis zum 30. October d. J3., verſchoben worden, an welchem
Tage ſie nunmehr unwiderruflich vor ſich gehen wird.
Vom 22. bis 24. October findet in Berlin in Arnim's Hotel
unter den Linden ein deutſcher Kellner=Congreß ſtatt, der erſt=
ſeit
dem Beſtehen des deutſchen ſtellner=Bundes.

Tages=Kalender.
Freitag 3. October: Oeffentliche Sitzung der Großh. Handelskammer zu
Darmſtadt.
Samstag 4. October: Abendunterhaltung mit Tanz des Geſangvereins
Liederzweig. Vortrag des Herrn Prof. Kinkel im Darmſtädter Hof
Sonntag 6. October: Einziges Concert der K. K. Kammerſängerin Frl.
Minnie Hauk im großen Caale des Saalbaues.
Montag 6. October: Generalverſammlung des Proteſtanten=Vereins im
Gartenſaale des Darmſtädter Hofs.

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.