Darmstädter Tagblatt 1877


19. Januar 1877

[  ][ ]

l.
ſtaͤdter
4

14
LG44

E5onnemen peeis
6 Mark jährlich inck. Bringerlohn.
Auswärt werden von allen Poſt=
Umtem Beſtellungen entgegengenom=
men
zu 1 Mark 30 Pf. pro Quartal
nd Poſtaufichlag und Beſtellgebühr.

(Frag= und Anzeiges(att.)
Mit der Sonntags=Beilage:
G
Plluſtrirtes Anterhaltungsblalt.

Inſerate
werdenangenommer hnDarnſtadt
von der Eweditton. Rhenſtr. Rr. W.
in Beſſungen von Frldr. Bßer,
Friedrichsſte. Nr. 7. ſowie answurtz
von allen ſoltden AnnonemEpe=
ditlonen
.

140. Jahrgang.
Amtliches Grgan für die Bekanntmachungen des Großh. Freisamtz, ſowie des Großh. Volizeiamts Darmſtadt.
N 14.
1877
Freitag den 19. Januar

10923) Oeffentliche Aufforderung.
Forderungen und Anſprüche jeder Art
an das für concursfällig erkannte Ver=
mögen
des Pumpenmachers Carl Fraas
und ſeiner Ehefrau Thereſe geb. Röſch da=
hier
, ſind, unter gleichzeitiger Namhaft=
machung
etwaiger Vorzugrechte, vor unter=
fertigtes
Stadtgericht, Juſtizgebäude, Zim=
mer
Nr. 3 im Termin
Montag den 5. Mürz 1877, Vor=
mittags
9 Uhr,
bei Meidung ſtillſchweigenden alsbaldigen
Ausſchluſſes von der gefammten rubricirten
Concursmaſſe, und der Annahme Verzichts/
auf Vorzugsrechte, zu Anmeldung zu
bringen.
Eine im Debitweſen bereits erfolgte
Forderungsanzeige vermag obige Anmel=
dung
nicht zu erſetzen.
In demſelben Termin ſoll nochmals
Arrangement verſucht und über alle ſich
ergebenden ſonſtigen Punkte Beſchlußfaſſung
erzielt werden. Man wird bezüglich nicht
in Selbſtperſon erſcheinender oder doch
durch gehörig Bevollmächtigte Vertretenen,
ſtillſchweigenden Beitritt zu den von der
Mehrheit der erſcheinenden Gläubiger ge=
faßt
werdenden Beſchlüſſen und namentlich
auch zu einem etwa vereinbart werdenden
Arrangement lediglich unterſtellen.
Darmſtadt, den 9. Dezember 1876.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
Joſt.
Königer,
Stadtrichter. Stadtgerichts=Aſſeſſor.

Wagen=Verſteigerung.
Ein entbehrlich gewordener ſechsſitziger
Poſtwagen wird Freitag den 26. Jan.
d. J. Vormittags 11½ Uhr gegen als=
baldige
Zahlung in dem hieſigen Poſthofe
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 10. Januar 1877.
Kaiſerliches Poſtamt.
284)
Pfaltz.

Feilgebotenes.
Holz=Handlung v. Gebr. Vogel
Nauheim bei Groß=Gerau.
Großes Lager (OF. 5791)
ſelbſt ausgehauener Daubhölzer
4909) für Bier= und Weinfaß.

ſrsouonersGhotorar IPtd. 1I..
1 60.
E8ERGOGOLI0k
SL. HoosGnocoL40k 1 70.
2
CaCorenz,
rEEE ſön
ln I
65.
80nViuz

H. Bh. ½½ -
1050) EmsdtApornett, Markt I.

Emser Pastillen.
aus den festen Bestandtheilen der
Emser Quellen unter Leitung der
Administration der Rönig Wilhelms
Felsenquellen bereitet, seitdahren
gegen Hals- und Brustleiden be-
währt
, in plombirten Schachteln
mit Controllstreifen vorrätbig in
Darmstadt in der Adler-Apotheke
des Herrn Dr. A. Tenner.
und bei Apotheker H. Calm.
10119)
berg.
Engros-Versandt: Hagarin der Enser
Felsenquelen in Cöln.

392) Eine noch neue ein= und zwei=
ſpännige
Rolle zu verkaufen.
Martinſtraße Nr. 18.

127)
Für Kutſcher.
Ein blauer Liureeüberzieher iſt billig zu
verkaufen.
Hochſtraße 24.
482) Eine wohl erhaltene Mange iſt für
30 Mark zu verk. Beſſ. Wilhelminenſtr.14.

483) Jeden Tag friſche Kreppel bei
Bäcker Schäfer, Landwehrſtraße.

Frische Sohellfsche,
Prima Laberdan friſch gewäſſert.
G. P. Poth,
459) Eck der Caſino= und Bleichſtraße.
chellfische Amsterdamer,
eezungen Ostender,
Cabliau Amsterdamer,
Gechte lebende,
Laberdan friſch gewäſſert,
Butter friſch rein pr. Pfd. M. 1.20.
empfiehlt
Lc die Fluß. u. Seeſiſch=Handlung
von
h. Brüohweh.
460)
Hof=Lieferant, Kirchſtraße 9.
2
Stearmlichter
von Münzing &a Co., in allen Packungen,
ſempfiehlt zu ſehr billigen Preiſen.
Bei Abnahme von 5 Pfund gewähre
5 pCt. Nabatt.
20
Wober,
4'
461)
Carlſtraße 24.
Waſchtrockengeſtelle
zuſammenlegbar, wenig Raum beanſpruchend,
äußerſt praktiſch für Kinderzimmer, empfiehlt
die Dreherei v. L. Kuhn,
Schulſtraße I.
462)

Vermiethungen.
9370) Eine elegant möblirte Stube.
Steinſtraße 8.
43) 2 gut möblirte Zimmer zu ver=
miethen
. Ernſt=Ludwigſtraße 10, 1 Tr. hoch.
24

[ ][  ][ ]

96

R 14.

tLvr.
TTTzR-uai. Arrzrx.
8921) Ecke der Magdalenen= und
Lautenſchläger=Straße eine hübſche
5 Wohnung von 3-4 Zimmern, Küche . 4.
d6 mit Glasabſchluß ſofort zu vermiethen.
1
2
N Auf Verlangen möblirt.
p0.

p⁄
pCe.
ArxxarAraz.xxrzrzrz
202) Ein möbl. Zimmer zu vermiethen.
Friedrichſtraße 11.
430) Zwei Logis, ein großes und ein
kleines, gleich zu beziehen.
Teichhausſtraße 6.
463) Landwehrſtraße 25 ein Logis, vier
Zimmer, desgl. ein Manſarden=Logis, zwei
Zimmer mit Küche, zu vermiethen.

Friſche Amſterdamer Schellfiſche.
465)
Eaamuel Fuld, Kirchſtraße.

Großherzogliche Handelskammer zu Darmſtadt.
Oeffentliche Sitzung
Samſtag den 20. Januar 1877, Abends 6 Uhr.
Tagesordnung: 1) Wahl des Präſidenten.
2) Organiſation des deuſchen Handelstages
1466
3) Neue Einläufe.

Vermiſchte Nachrichten.

83)

Permanente
Kunſtausſtellung.
73 Saalbauſtraße 73.
Die größten Kunſtwerke dieſes
Jahrhunderts. Koloſſale Gemälde von
Prof. A. Feuerbach in Wien, Prof. Baur,
Prof. Löfftz, v. Schwerin, ſte Peerdt ꝛc.
Täglich geöffnet von 10 Uhr Morgens bis
zum Abend. Eintrittspreis per Perſon
1 Mark. Für Mitglieder des Kunſtvereins
50 Pfg.
Semeſterkarten für Schüler u. Studirende
ſind 1 Mark an der Kaſſe zu haben.
Wegen der außergewöhnlichen Auslagen
mußte der Eintrittspreis ethöht werden.
TTTXN

Samſtag den 20. Abends im
Vereinslokal.
Vortrag über die gegenwärtig hier N
d6 ausgeſtellten Werke des Malers Prof. d=
d
Feuerbach.
e.
M 464)
Der Vorſtand.
.
ArxrAzzTTrzATexrzxzr.
9372) Gründlicher Unterricht im Kla=
vierſpiel
für Kinder vom 8. Lebensjahre an.
1 Mark per Stunde. Näh. in der Exp.

Geſucht.
168)
Eine kleine Familie mit ruhigem Ge
ſchäft ſucht inmitten der Stadt eine paſſende
Wohnung (Seiten=oder Hinterbau) bis zum
Preiſe von 160 fl. Offerten unter F. R.
beſorgt die Expedition.

371) Ein Mädchen aus guter Famiie
wünſcht als Stütze der Hausfrau Stelle.
Gef. Adr. unter 4 8 beſorgt die Exp.

436) Es wird in der Martinſtraße oder
in deren Nähe eine Wohnung mit circa 7
Zimmern geſucht; am liebſten ein entſpre=
chendes
Haus mit Garten zum Alleinbe=
wohnen
.

467)
Loßalgewerboerein Darmſtadt.
Nächſten Freitag den 19. Januar keine Verſammlung.

Spanische Coupons pro 30. Juni 1877.
werden ſchon von heute an zum höchſten Courſe eingelöſt bei
468)
J. Lehrmamt. Rheinſtraße 16.

Geſangverein
Liedertafel
Samſtag den 27. Januar 1877
u0 A A1

im Saale des Gaſthauſes zur Traube.
Die Herren Mitglieder wollen ihre Perſonalkarten mithringen und werden außer=
dem
erſucht, nur ſolche Familienangehörigen einzuführen, deren Einführung ihnen nach
8 12 a und b der Statuten geſtattet iſt.
469)
Der Vorſtand.

Emser Pastillen

mit und ohne Plombe von den verſchiedenen
Quellen in Ems offerirt in ganzen und
halben Schachteln zu billigen Preiſenz,
Georg Liebig Sohn.

k. Caskan, Glaſermeiſter,
Lautenſchlägerſtraße, frühere Holzhof=
471)
ſtraße 10,
lieſert Fenſterrahmen nebſt ſämmtlichen
Reparaturen ſehr gut und billig.
Ein Lehrling kann in die Lehre treten.
417) Ich ſuche zu einem Specereigeſchäft
einen geeigneten Laden mit Einrichtun=
nebſt
Logis auf einem frequenten Platz hier.
Jakob Stumpf, Runde=Thurmſtraße.
439) 6500 Mark werden gegen dop=
pelt
gerichtliche Sicherheit auf erſte Hypothel
zu leihen geſucht. Näheres Wingertſtraße
Nr. 14 parterre Beſſungen.

472) Lauffrau geſucht. Zu erfr. zwiſchen
2- 4 Uhr Kiesſtraße 70.

473) Ein Mädchen ſucht Arbeit für Nach=
ittags
9u erfr Lauilenſr. 16 Manſarde.

474) Nach Frankfurt a. M. fähr
am 3. Febr. a. c. ein gr. Möbelwagen le=
zurück
. Näheres: G. L. Janſen, Möbel=
Transport=Anſtalt in Frankfurt a. M.

475) Eine tüchtige Monatsfrau geſuch=
Louiſenſtraße 42, 1. Stock.

476) Für eine kleine Haushaltung wir
in junges braves Mäddhen vom Land
geſucht. Bei guter Behandlung iſt den
ſelben auch Gelegenheit geboten, ſich in alle
häuslichen Arbeiten auszubilden.
Näheres in der Expedition.

477) Eine reinl. kräftige Frau empfiehl
ſich zum Waſchen, Putzen u. ſonſtigen Haus
arbeiten. Arheilgerſtraße 64.

478) 20 Centner Hafer= oder Gerſten,
ſtroh kauft

Hopfengarten.

L. Erb.

479)
Verloren.
Vor einiger Zeit wurde ein kleines gold
nes Medaillon mit der Inſchriſt: Got
ſchütze Dich: u. 2 Photographien enthalten.
verloren. Dem Wiederbringer gute Belohnung
Vromenadeſtraße 29 dritter Stock.

[ ][  ][ ]

M 14.

Der Reſidenzkalender
für 1877
iſt auf unſerem Comptoir zu 40 Pfg. per Stück zu beziehen.
A Wiederverkäufer erhalten Rabatt.
L. C. Wittich'ſche Hoſbuchdruckerei.

GGta1ION
findet nicht Freitag, sondern
damstag den 20.
480)
8tatt.
Director Wauer.

481)
Todes=Anzeige.
Freunden und Bekannten die traurige
Mittheilung, daß es Gott dem Allmächtigen
gefallen hat, unſeren guten Sohn u. Bruder
Erust Maschmann,
Kaufmann,
nach langem und ſo ſchwerem Bruſtleiden
heute Abend 7 Uhr im Alter von 23 Jah=
ren
in ein beſſeres Jenſeits abzurufen.
Um ſtille Theilnahme bitten die trauernd
Hinterbliebenen:
Mutter und Geſchwiſter.
Darmſtadt, den 17. Januar 1877.
Die Beerdigung findet Freitag Nach
mittag 3½ Uhr ſtatt.
Sterbehaus: Schulſtraße Nr. 4.

Cages-Kalender.
Camstag 20. Januar: Hauptverſammlung der
Turngemeinde Darmſtadt. Darmſtädter Oeko=
nomen
=Ball. Concert mit Tanz des Bürger=
Vereins. Vortrag der Kunſtgenoſſenſchaft.-
Oeffentliche Sitzung der Handelskammer zu Darm=
ſtadt
. Dramatiſcher Vortrag von Hugo Wauer.
Sonntag 21. Januar: Genetal=Verſammlung des
Geſangvereins Liedertafel.
Samstag 27. Januar: Maskenball der Vereinig
ten Geſellſchaft. - Ball des Geſangvereins
Liedertaſel.
Sonntag 28. Januar: Generalverſammlung des
Geſangvereins Liederzweig.
Montag 28. Jan.: Concert von Robert Emmerich.
Großherzogliches Hoftheater.
Freitag 19. Januar.
Mariaund Magdalena.
Schauſpiel in 4 Akten von Paul Lindau.
Perſonen,
Bernd, Fürſt zu Rothenthurm Hr. Edward.
Graf Egg, ſein Oheim.
Hr. Wisthaler.
Werren Geheimer Commei=
zienrath

Hr. Butterweck.
Elly, ſeine Tochter
Frl. Ethel.
Magdalena, geb. v. Hohen=
ſtraßen
, ſeine Frau zweiter
Ehe
Frl. Berl.
Laurentius, Profeſſor an der
Akademie
Hr. Fiala.
Maria Verrina
Fr. Reubke=Beilhac
Dr. Gels von Gelzinnen
Hr. Mendel.
Frau von Zingelburg
Fr. Eppert.
Alma, ihre Tochter.
L. Hedrich.
von Gulzbach
Hr. Schimmer.
von Merz.
Hr. Rrichhardt.
Schelmann, Theateragent
Hr. Weener.
Anfang halb 7 Uhr. Ende nach 9 Uhr.

91
4
IEu1. StAderct,
9967) Ludwigsplatz 7.
1uuu ulbun.
Alle feinen Sorten zu billigen Preiſen.
CAocOlade-Faorik.
Chocoladen bekannter Sorten.
Cacoigna ſcharf entölt.
npöpan.
- Dvo-
Cacao p.apa-ſt - 11oparoll Coooa
ſehr feines, wohlſchmeckendes u. nahrhaftes
Cacao=Product, nach einem bewährten eng=
liſchen
Recept bereitet, mit Gebrauchs=
Anweiſung, ½ Kilo M. 1.50.
PunschEssenzen.
Drangen= u. Ananas=Bunſch=ſſenz
von Arac und Rum, eigenes Fabrikat, von
bekannter Qualität, keinen Kopfſchmerz ver=
urſachend
. Ganze und halbe Flaſchen.
Arac de Batavla,
Rum de Jamaica,
Cognae St. ouge,
Schwarzwälder Eirschwasser,
Feine Liqueure von Wynand
Fockink, Amſterdam, als: Curaçao
weiß und braun, Aniſette, Thee, Mocca
Vanille und Cacao.
Ruſiſchen Allaſch, Genever, Benedictiner
Gilka=Getreidekümmel, Maraſchino di Zara
Ferner:
eigenes
Lgueure Fabrikat
in feiner Qualität, ganze u. halbe Flaſchen,
ſowie im Anbruch.

Mittheilungen ans Stadt und Land.
Darmſtadt, den 19. Januar.
Auf Anregung des Vorſtandes der Turngemeinde hielt dieſer
Tage Hr. Hofgerichtsadvokat Metz vor zahlreicher Verſammlung einen
Vortrag über die Reichs=Juſtizgeſetze, deſſen weſentlichen In=
halt
wir nach dem L. A. in Nachſtehendem wiedergeben:
Wir haben in Deuſchland ſeit 6 Jahren ein Strafrecht, ein Civil=
recht
wird in Berlin von einer ſeit 5 Jahren verſammelten Commiſſion,
die wohl noch die gleiche Zeit zur Bewälligung ihrer Auſgabe nöthig haben
wird, ausgearbeitet, ein Cwil= und Straf=Prozeß ſind vom Reichstag be=
ſchloſſen
, vom Bundesrath genehmigt worden und ſehen ihrer Publikation
in den erſten Wochen entaegen. Der Inhalt dieſer letzteren Geſetze iſt der
Gegenſtand des heuligen Vortrags. Zu keiner Zeit halten wir in Deuiſch=
land
ein gemeinſames Civil= und Straſverfahren. Die alte deutſche Ge=
richts
=Organiſation, die aber kaum den Namen eines Geſetzes verdienen
darſte, wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts durch das römiſche Recht
verdrangt und dieſes ſelbſt, das in Bezug auf Strafverfahren und Civil=
verfahren
ſehr lückenhaft war, mußte durch verſchiedene Reichsgeſetze in noth=
dürftiger
Weiſe ergänzt werden. Aber auch dieſe Reichsgeſetze genügten dem
Bedürfniß nicht und ließen den Einzelgeſetzen verſchiedener deutſcher Staa=
ten
den weileſten Spielraum, der ausgiebig genug benutzt wurde. Alle
dieſe Vorſchriſten waren ebenſo, wie die ſpäter in Preußen im Anſchluß
an das dortige Landrecht erſchienene Gerichtsordnung, Außerſt mangelhaſte
Im Großherzogthum Heſſen haben wir bis in die neueſte Zeit die Prozeß=
ordnung
von 1724 gehabt, welche fur ihre Zeit einen gewiſſen Werth be=
anſpruchen
konnte, die aber heuzutage ſich total überlebt har und ſelbſt mit
den Verbeſſerungen aus dem vor. und dieſem Jahrh. kaum Anſpruch auf
Exiſtenz hat. Die Herſtellung des Deutſchen Reiches ließ alsbald den
Ruf nach einheitlicher Regelung dieſer fuͤr das practiſche Leben ſo wichtigen
Frage ertönen und bereus im Jahr 1871 wurde vom Bundes=ath eine
Commiſſion niedergeſetzt mit dem Auftrag, ein neues Civil= und Straſver=

rath vor, die jetzt durch Beſchluß des Reichstages und Genehmigung des
Bundesrathes beendet worden iſt.
Dieſe ſogenannten Reichs=Juſtiggeſetze beſtehen aus 3 Abſchnitten, dem
Gerichtsverfaſſungs=Geſetz, der Civilprozeß=Ordnung und der Strafprozeß=
Ordnung. Das Gerichtsverſaſſungs=Geſetz regelt das Verfahren, wie (die
Gerichte eingerichtet ſein ſollen. Als erſte Inſtanz erſcheinen die Amtsge=
richte
mit einem oder mehreren Einzelrichtern. Dieſelben ſind zuſtändig für
alle bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten, welche den Geldwerth von 300 Mark
nicht überſteigen, ferner für Streitigkeiten, die eine ſummariſche Verhand=
lung
nöthig machen, für Miethſtreitigkeiten und ſolche zwiſchen Arbeitgebern
und Arbeitern. Die Amtsgerichte ſind den jetzigen Stadt= und Landgerich=
ten
zu vergleichen. In Straſſachen werden ihnen 2 Schöffen zugeſellt
werden, bezülglich deren Wahl das Geſetz ſehr beſtimmte Vorſchriſten ent=
hält
. Die Schöffengerichte entſcheiden über Vergehen, die mit dem Höchſt=
betrag
von 3 Monaten Strafe bedroht ſind, fernere über kleinere Vergehen
und leichtere Straſſachen. - In zweiter Inſtanz entſcheiden die Landge=
richte
, welche im Allgemeinen den Hofgerichten verglichen werden können.
Dieſe Landgerichte ſind Beruſungs=Inſtanz und theilen ſich ein in Civil=
und Strafkammern, erſtere für bürgerliche Prozeßſachen mit drei Richtern,
bei einer Majorität von 4 gegen 1. Außer in Beruſungsſachen entſcheiden
die Landgerichte in allen Streitigkeiten über 300 Mark als 1. Inſtanz,
ferner in einigen ihnen durch die Reichsgeſetze zugewieſenen Fällen. Neben
den Landgerichten exiſtiten ſodann flr Handelsſachen die Handelskammern,
aus einem Landgerichtsrath und 2 Kaufleuten gebildet, und die Schwur=
gerichte
, welche über diejenigen Verbſechen, die nicht den Landgerichten zu=
gewieſen
ſind, urtheilen werden. Den Landgerichten als Strafkaramern
ſind zugewieſen alle diejenigen Vergehen, die nicht den Amtsgerichten zu=
ſtändig
ſind und alle Verbrechen, die im Maximum mit 5 Jahren Zucht=
haus
beſtraft werden, ferner eine Reihe von Strafſachen, welche jetzt vor
die Schwurgerichte gehören. - In höherer Inſtanz entſcheiden die Ober=
Landesgerichte mit 5 Richtern einſchließlich dem Vorſitzenden. Dieſelben
ſind zuſtändig als Beruſungs=Inſtanz gegen das Endurtheil und als Be=
1.
Nandgerichte ſerpar alo Pel

[ ][  ]

R 14

93
ſionsgericht gegen Entſcheidungen der Schwurgerichte und der Strafkammern,
ſoweit nicht die Reviſion an's Reichsgericht geht. Neben den Ober= Laudes=
gerichten
beſt ht namlich zur Wahrung einheinlicher Rechtſprechung des Rei=
ches
ein Richsgericht, das wie jene in Cvil= und Straſſenat eingetheilt
iſt, mit 7 Richtern Recht ſpricht, als Reviſionsgericht gegen die Entſchei=
ſowen
es
dungen und En urtheile der Ober=Landes= und Landgerichte
ſich um Geſetze handelt, die Uber den Geltungsbereich dieſer Gerichte hinaus=
gehen
- ferner in Strufſachen in allen Hoch= und Landesverrathsſällen
gegen das Reich competent iſt.
Das zweite der Reichs=Juſtiz=Geſetze regelt die Eivil=Prozeß=Ordnung.
Mehr noch als das Gerichtsverfaſſungs=Geſetz macht dieſe Civilprozeß= Ord=
nung
mit dem heſſiſchen Recht vollſtändig tabula rasa. Wührend unſer
Prozeß ſeither auf Schrifllichkeit und Heimlichkeit baſirte, wührend der
Richter wieder beſſeres Wiſſen an das gebunden war, was die ſtreitenden
Parteien vorbrachten, wahrend die Parteien zur Beibringung ihrer Beweiſe
genau beſtimmte Friſten einhalten mußten, hoͤren dieſe Beſtimmungen mit
einem Mal auf. Das ganze Princip beruht auf Oeffentlickkeit und Münd=
lichkeit
, alle Stzungen ſind öffentlich, das Verfahren mündlich. Außerdem
iſt beſeitigt die Trennung des Vor= und Beweisverſahrens, ferner das ſo=
genannte
Eventual=Moxim, ſo daß alle neuen Beweiſe und Beweismittel
bis zum Schluß der Verhandlungen unbeſchränkt vorgebracht werden kön=
nen
; beſeitigt iſt ferner die geſetzliche Beweistheorie, ſo daß es jetzt dem
freien Etmeſſen des Richters anheimgegeben iſt, welchen Zeugenausſagen er
größeren Glauben beim,ſſen will. Die Friſten ſind auße ordentlich kurz,
ihre Verlängerung ſehr erſchwert, eine Berufung in ſogenannten Bagatell=
ſachen
moͤglich, die Ausfertigung auch der umfaſſendſten Urtheile in den
ſchwierigſten Rechtsſachen hat binnen 8 Tagen zu erſolgen. Um die Um=
waͤlzung
, welche dieſes Verfahren zur Foige haben wird, ſeinen Zuhoͤrern
klar zu machen, führt Hr Hofger=Adv. Metz 2 Fülle vor, wie ſie nach
Einſührung der neuen Geſetze vor den Gerichten ſich abwickeln werden,
woraus erſichtlich iſt, daß das neue Gerichtsverfahren in eben ſo viel Ta=
gen
eine Sache zum Schluß bringt, als jetzt bei gutem Willen aller Be=
theiligten
Monate erforderlich ſind.
Die Sttaſprozeß=Ordnung, welche ſich von der in Heſſen geltenden-
die
erſt ſeit 10 Jahren beſteht - nicht ſo weit zu entfernen vermochte, als
die Civilprozeßordnung, hat dennoch bedeutende Neuerungen aufzuweiſen.
Vor allen Dingen wird die Vorunterſuchung in weitaus den meiſten Fal=
len
wegfallen, die Rechte des Angeklagten ſind erweitert, iſo daß er ſich
alsbald mit dem Vertheidiger benehmen, eine Vorunterſuchung und die
Ausſetzung der Verhandlung verlangen kann. Auch die Rechte des Ver=
theidigers
ſind erweitert, er kann die Zeugen direct befragen, während er
ſich jtzt der Vermittelung des Richters bedienen muß. Ferner wird der
freigeſprochene Angeklagte von Staatswegen eine theilweiſe Entſchädignng
bekommen. Die Straſprozeßodnung hat, was für Heſſen weniger von
Bedeutung, aber fur andere Staaten von größter Wichtigkeit iſt, das An=
klagemonopol
des Staatzanwalts gebrochen. Seither konnte nur durch den
Staatsanwalt eine Anklage erhoben werden und wenn dieſer das Anſuchen
ablehnie, ſo war die Anklage beſeitigt. Jetzt kann der Verletzte ſelbſt die
Unterſuchung beantragen, in Folge Einführung des Inſtituts der Privat=
klage
. Alle dieſe Neuerungen laſſen ſelbſt in Heſſen die Straſprozeßord=
nung
als einen weſentlichen und erheblichen Fortſchritt bezeichnen. Es iſt
ſchließlich auch gelungen, die Verſolgbarkeit der öffentlichen Beamten durch=
zuſetzen
, wodurch Beamte, die ſich einer Amtsüberſchreitung ſchuldig ge=
macht
oder eine Amtshandlung nicht vorgenommen haben, ſofort vom Be=
ſchädigten
in Anklagezuſtand verſetzt werden koͤnnen, während dies ſeither
in's Belieben des Miniſteriums geſtellt war, was in den meiſten Fällen
die Anklage nicht erhob.
Das dritte größere Geſetz, das die Concursordnung enthält, macht ge=
wiſſe
Fortſchritte auf dem Gebiete des Selbſtregierens, indem es die Be=
handlung
der Concuiſe den Handen des Richtrs entzieht und in die Hände
des Maſſeverwalters legt, die Anwendung fraudulöſer Akie erſchwert, die
Anſechtung ſolcher Akte erleichtert duich Erſchwerung des Atſchluſſes ſog.
Atrangements und den ehrlichen und fleißigen Gläubiger ſchützt vor der
Benachtheiligung durch den ſchwindelhaften Schuldner.
Dieſe 4 Geſetze werden unter dem Namen der Reichs=Juſlizgeſetze be=
griffen
. Der allgemeine Vorzug derſelben iſt der der Raſchheit, die weſent=
lich
durch das mündliche Verfahren und kurze Friſten verbürgt wird
der Unpartheilichkeit, die durch den Richter ſchützende Beſtimmungen über
Unabſetzbarkeit und Unverſetzbarkeit erlanat iſt der Sicherheit der Recht=
ſprechung
, die verburgt iſt durch Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Ver=
ſahrens
.
Redner kann nicht ſchließen, oder er würde glauben unvollſtuͤndig reſerirt
zu haben, wenn er nicht mit einem Worte der ſchweren Kämpfe gedenken
wollte, die die Juſtizgeſetze zu beſtehen hatten und die mit dem ſog. Com=
promiß
ihr Ende erreichten. Nach der 3. Leſung ber Juſtizgeſetze hatte der
Bundesrath eine große Reihe von vom Reichstag genehmigten Beſtimmun=
gen
als unannehmbar bezeichnet, die zwar ſpäter auf ein beſcheidenes Maß
zurückg=führt wurden, aber immer noch 19 Differenzpunkte ergaben. Durch
die Bemühungen der aus dem Schooße der Reichsjuſtizcommiſſion hervor=
gegangener
Commiſſion aus den Abog. Miquel, von Benningſen und Lasker
beſtehend, gelang es, alle ſtreitigen Puntte vis auf 3 zu erledigen, bezüglich
deren jedoch eine Conceſſion Seitens des Reichskanzlers nicht gemacht
wurde. Dieſe 3 Punkte betreffen den Gerichtsſtand, den Zeugnißzwang
und die Verw.iſung der Preßvergeben vor die Schwurgerichte. Erſtere
beiden ſind, da ſchon die ſeitherige Proxis der Gerichte ſich der milderen,

fuͤr die Angeklagten und zum Zeugniß Aufgeruſenen günſtigeren, Anſchauung
anſchloß, mcht von beſonderer Wichtigkeit; dagegen erſcheint der dritte
Punkt, die Verweiſung der Preßvergehen vor die Geſchworenen, wichtig
genug, daß er nicht ſo leicht häne hatte aufgegeben werden ſollen. Jeden=
ſalls
muß der Reichstag, trotzdem er wegen dieſes Einen Punktes nicht
das ganze Werk der Juſtizgeſetze, das als ein Meiſterwerk der Geſetzgebung
betrachtet werden kann, aufgeben wollte, für die Folge auf ſeinem P ogramm
beſtehen, welches lautet: Verweiſung aller Preßvergehen vor die Schwur=
gerichte
.
Die Juſtizgeſetze ſind dem Deutſchen Volke nicht auf dem Prüſentir=
teller
dargebracht, ſie ſind unter ſchweren Kümpfen und Mühen errungen
worden. Wir wollen hoffen, daß die mit Mühen geborenen Juſtizgeſetze
zur bürgerlichen Wohlfahrt des Deuiſchen Volkes gedeihen moͤgen.

1 Das Finanzgeſetz vom 27. Decbr. v. J. hat für 1877 und 1878
eine kleine Erhöhung der directen Steuern zur Folge, welche ſich wie
folgt geſtaltet:
In 1877 und 1878 ſind dagegen
In 1876 waren zu entrichten für
1 Ziel:
zu bezahlen:

v.

1 fl. Gewerb= und Einkommen=
ſteuerkapital
53 Pf.

10 fl. 53 Pf. 50 fl. 2 M.65 Pf. 100 fl. 580 200 fl. 10, 60 500 fl. 26 49 1000 fl. 52 98 2000 fl. 106 95 v. 1 fl Grundſteuerk. 488 P.

10 fl.

100 fl.
500 fl.
1000 fl.

50 fl.

49 Pf
2 M. 44 Pf.
L88
24 40

48 81

2
8
11
27
55
110

2
5
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b.12
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Darmſtast, 18. Januar. Die geſtrige Schwurgerichtsverhandlung
gegen Margarethe, Wittwe des Hutmachers Ph. Roth von hier, ( Ver=
theidiger
Grünewald) endete mit der Verurtheilung der Angeklagten in eine
Zuchthausſtrafe von 2 Jahren 6 Monate. In der heutigen Sitzung wurde
gegen Ed. Poppowitſch. Vergolder aus Ungarn, dermalen zu Offen=
bach
, Adam Waller Graveur, Wilhelm Waller, Schloſſer, und Joh.
Pfeiffer, Weisbinder, ſämmilich von Offenbach, unter Anweſenheit eines
zahlreichen Publikums, worunter viele Offenbacher, verhandelt. Die Anklage
erging wegen des Verbrechens der Falſchmünzerei. Vertheidiger ſind die
Advokaten Buchner und Heyer II. Das Urtheil erging vie folgt: Pop=
powitſch
2 Jahre. Adam Waller 1 Jahr, Wilhelm Waller 8 Monate und
Joh. Pfeiffer 1 Jahr Geſängniß, ſammtlich mit Aufrechnung von 2 Mo=
naten
Unterſuchungshaft.
Kaufmann C. S. Weil von hier iſt dem Vernehmen nach in
Marienſchloß geſtorben.
Wir machen darauf aufmerkſam, daß der Vortrag des Herrn Dire=
tor
Wauer (Fauſt) ſtatt am Freitag erſt Samstag den 20. Januar
ſtattfindet, was gewiß den Wunſchen vieler Theaterfreunde entſpricht.
Herr Nicola Racke von Mainz, der ultramontane Candidat des
Wahlkreiſes Offenbach=Dieburg, welcher bei dem erſten Wahlgang unter=
legen
iſt, veroffentlicht nachſtehendes Manifeſt und überlaſſen wir es
Ammtlichen Liberalen und reichstreuen Wählern Darmſtadis die ent=
ſprechenden
Betrachtungen darüber anzuſtellen. Wahrſcheinlich wird bei
der Stichwahl in Mainz eine entiſprechende -Gegengeſalligkeit' erwartet.
Man hat mich von verſchiedenen Seiten zu einer Meinungs= Aeuße=
rung
betreffs des Verhaltens meiner Wähler bei der demnüchſt ſtaufinden
den Stichwahl zwiſchen den Herren Dernburg und Liebknecht auf
gefordert. Meine Meinung geht dahin, daß bei den obwaltenden Verhält=
niſſen
ein Sieg des nationalliberalen Candidaten wo möglich verhindert
werden muß und daß zur Erreichung dieſes Zweckes meine Wähler ihre
Stimme dem Herrn Liebknecht geben können. Zwar ſind die Grund=
ſatze
der Socialdemokratie nicht weniger geſahrlich als jene des National=
liberalismus
, allein da es ſich gegenwärtig hauptſüchlich um Starkung der
Oppoſition handelt, ſo iſt die Wahl Liebknech's von zwei Uebeln jeden=
alls
das kleinere.
Denjenigen, welche mir am 10. Januar ihre Stimme gegeben, ſpreche
ich meinen verbindlichſten Dank ſür das mir bewieſene Vertrauen aus.
Mainz. den 16. Januar 1877.
Nicola Racke.
- Gegen das Zeitungsbeſtellgeld, welches Seitens der Poſt
von den Abonnenten erhoben wird, hat das Publikum ſich wiederholt aus=
geſprochen
. Eine Anzahl Zeitungsherausgeber hat ſich jetzt an die zuſtaͤn=
dige
Stelle gewendet, um eine Beſeitigung dieſes Uebelſtandes zu erlangen.
In der betreffenden Eingabe heißt es, die Poſtverwaltung müßte, wie ſie
für Brieſe ſchon ſeit Jahren keine Beſtellgebühr erhebt, ſondern ſich mit
dem Porto begnügt, auch mit der für einzelne Zeinngen recht hohen Zei=
tungsproviſion
ſich begnügen. - Es wuͤrde dies auch außerdem nur ein
Aequivalent für die vielen Bekanntmachungen und officiöſen Nolizen ſein,
welche die Poſtverwaltung im, ganzen deutſchen Reiche gratis durch die
Zeitungen erlaßt.

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.