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2f a8 ir jähtlich incl Bringerlohn.
Aaswärts werden von allen Poſt=
Entern Beſellungen enigegengenom=
4m öa 5 r vo Duariäl indl Poh.
auſichag und Biſellgebübr
Frng- und Anzeigeblatt.
151 Jahrgang.
Amlliches Grgan für die Bekannkmachungen des Großherzoglichen Ereisamks Darmſtadl.
Juſerate
werben angenommen ir. Darmſta,
vor der Expedkön Kytuſtt ur 23
m Beſſungen von Friedr. Bibtzer,
Friedrichsſit j. 7 jdwie auswaͤrts
bor allen ſor=den Annoncen=
Expe=
dilonen
NB22
Freitag den 13. November
1674.
Darmſtadt, am 10. November 1874.
Betreffend: Die Städte= und Landgemeinde=Ordnung, hier die Stellung der Beigeordneten.
Das Großherzogliche Kreisamt Darmſtadt
an die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien des Kreiſes.
Ueber die Stellung der Beigeordneten, welchen der Artikel 38 der Landgemeinde=Ordnung Sitz und volles Stimmrecht in dem
Gemeinderathe (auch dann, wenn ſie den Vocſitz nicht führen) zuſpricht, bemerken wie Ihnen Nachſtehendes:
1) Die Beigeordneten ſind zwar zu allen Sitzungen des Gemeinderaths einzuladen; doch wird hiervon die Gültigkeit der
Berathung, in Ermanglung einer deßfallſigen ausdrücklichen geſetzlichen Beſtimmung, nicht abhängig gemacht.
2) Bei Feſtſtellung der Stimmen=Anzahl, beziehungsweiſe der Stimmengleichheit (Art. 38) ſind die abgegebenen Stimmen der
Beigeordneten mitzuzählen; dagegea ſind die Beigeordneten bei Berechnung der zur Gültigkeit der Berathung erforderlichen zwei
Drittheile nicht zu berückſichtigen.
3) Sofern nicht einzelne Amtsgeſchäfte, welche der Bürgermeiſter den Beigeordneten aufgetragen hat, oder die erforderliche
Vertretung des Bürgermeiſters (Art. 29) die Anweſenheit der Beigeordneten in den Gemeinderaths=Sitzungen erheiſchen, ſind
die=
ſelben im Allgemeinen zum Erſcheinen in dieſen Sitzungen nicht verpflichtet. Ausſiellungen, zu welchen dieſelben bezüglich ihrer
Dienſtführung Anlaß geben, ſind nach Art. 22-24 des Edicts über die Dienſtverhältniſſe der Civilſtaatsbeamten zu beurtheilen
(Art. 54 der Städte=Ordnung, Art. 52 der Landgemeinde=Ordnung).
4) Die Verordnung vom 31. Januar 1850, die Amtspflichten der Mitglieder des Gemeinderaths betreffend, iſt durch Art. 46
der Städte=Ordnung, reſp. Art. 45 der Landgemeinde=Ordnung, als aufgehoben zu betrachten.
Küchler.
Edictalladung.
Nachdem wider den Kanonier (Einjährig=Freiwilligen) Carl Gottfried
Weſter=
nacher, der 1. Batterie Großherzoglich Heſſiſchen Feld=Artillerie=Regiments Nr. 25,
geboren am 22. Dezember 1856 zu Herrnhag im Kreiſe Büdingen, der förmliche
Deſertionsprozeß eröffnet worden iſt, wird derſelbe hiermit aufgefordert, zu ſeinem
Truppenthell zurückzukehren, ſpäteſtens aber in dem auf
Montag den 8. März 1875, Vormittags 10 Uhr,
vor dem unterzeichneten Gericht anberaumten Termin ſich zu geſtellen, widrigenfalls die
wider ihn eingeleitete Unterſuchung geſchloſſen, er in contumaciam für fahnenflüchtig
erklärt und in eine Geldbuße von 50-1000 Thaler verurtheilt werden wird.
Darmſtadt, den 7. November 1874.
Großherzogliches Garniſousgericht.
9902) Veröffentlichung
aus dem Firmen=Regiſter Großherzoglichen
Stadtgerichts Darmſtadt.
Am 20. October d. J. wurde
einge=
tragen:
In Folge Ablebens der früheren Mit=
Inhaberinnen der Firma: Ludwig Carl
Wittich'ſche Hofbuchdruckerei zu Darmſtadt,
Frau Marianne Venator, geb. Wittich, und
Fräulein Wilhelmine Wittich, ſind alleinige
Inhaber der Firma nunmehr Ferdinand
Wittich und Rudolf Wittich zu Darmſtadt.
Darmſtadt, am 20. October 1874.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
J. V. d. St.:
Vogel,
Weyland.
Stadtger.=Aſſeſſor. Stadtger.=Aſſeſſor.
9903) Veröffentlichung
aus dem Firmen=Regiſter Großherzoglichen
SStadtgerichts Darmſtadt.
Unter dem 7. November wurden in das
Firmen=Regiſter des unterzeichneten Gerichts
folgende Einträge vollzogen:
1) Die Firma Theodor Rodberg in
Darm=
ſtadt iſt ſeit dem 1. November l. J.
mit Activa und Paſſiva auf Arthur
Rodberg, Sohn des ſeitherigen Inhabers
Theodor Rodberg, übergegangen. An
dem gleichen Tage wurde dem Jean
Meyer von hier Procura ertheilt.
2) In die Firma Carl Hornmann zu
Darmſtadt, die ſeither von Kaufmann
Carl Hornmann als alleinigen Inhaber
geführt wurde, iſt ſeit dem 1. October
l. J. deſſen Bruder Heinrich
Horn=
mann als gleich berechligter Theilhaber
eingetreten.
Darmſtadt, am 7. November 1874.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
J. V. d. St.=R.:
Weyland, Hofgerichtsrath.
Bekanntmachung.
Donnerſtag den 19. d. Mts.,
Vormit=
tags um 10 Uhr, ſollen die bei der
Er=
bauung zweier Brücken über den
Darm=
u. Soderbach in der Stiftſtraße vorkommenden
Maurerarbeiten auf dem Soumiſſionswege
öffentlich vergeben werden.
Die hierauf Reflectirenden haben ihre
Soumiſſions=Offerten bis zu obigem
Ter=
mine bei unterzeichneter Behörde einzureichen,
woſelbſt auch Voranſchlag u. Bedingungen
zur Einſicht offen liegen.
Stadtbauamt Darmſtadt.
9870)
k is.
Hechler.
an
Feilgebotenes.
Bester hrrao
1 Schopp. 36 kr.
Mirsch-Apothehe.
Stoarin-Jalon Hernen
aus der bad. Stearinkerzen=Fabrik
in Mannheim,
per Paquet 24 und 35 kr.
bei
G. L. Kriegk,
9685)
Rheinſtraße.
Aeberrheiner Praubenmoſt.
Earl Molter,
9323)
Waldſtraße 54.
572
[ ← ][ ][ → ]2110
N. 222.
9822
Specialiläl in Pianino's!
5
2
Fabrik:
0ſe.
33 Erbacherstrasse 33 lan 9ooduu Noo)
Hres
½
4 rD n i s er.
H4äk₈
H⁄r
M4i
14½₈isi
üs
MlDivätonn. s .
KäliiiAhn Aid hiAnd
14
„
Ananas-Arac=Punsch-Essenz von
Vermiethungen.
Carl v. Metternich
Orangen=Rum PunschEssenz,
feinſten Arao,
Rum,
„
Cognao,
11
fetreide-Rümmel von J. A. Gilka
in; Berlin
empfiehlt
9904)
V. Hebermehl.
9153) Ein in beſtem Zuſtande befindliches
ovales Stückfaß wird abgegeben. Näheres
bei der Expedition.
hlausvorhiauf in Frankfurt a. AI.
9829) Wegzugs halber iſt ein ſchönes
neues Haus mit Balcon und Garten im
Weſtend für 35,000 fl. (bei 11,009 fl.
Anzahlung und günſtigen Hypothek
Verhäit=
niſſen) zu verkaufen. Näheres auf Anfragen
unter J. P. 246 poste restante Franl-
O7623)
furt 2. M.
9852) Empfehlung.
beſonders für Ball=Friſuren in jeder
Art; auch können noch einige Damen für
tägliche Friſuren bedient werden.
Magdalenenſtraße 12 Seitenbau gleicher
Erde zu erfragen.
9905)
empfiehlt
Haronen
V. Hebermehl.
11)
iſt der 2. Stock mit allem Zugehör zu verm.
Nop v
Far.
EilaalAe
CllGlaa-aaehAAedaa
5
6373) Zwei große Zimmer, parterre,
3 ſind zum Aufbewahren von Möbeln, C
141)
3 Büchern u. dgl. ſofort zu vermiethen.
9 Näheres in der Exp. d. Bl.
PrN-e
oaevohavier.
Navar=
„)
EdixlisneræiDisnersisishier Arhelaa
8085) Steinſtraße Nr. 36 iſt die
bel Etage mit allen Bequemlichkeiten vom
1. Octbr. an Wegzugshalder anderweit zu
vermiethen.
8315) Ein oder zwei junge Leute, welche
die höhere Lehranſtalt beſuchen wollen,
kön=
nen Wohnung finden. Steinſtraße Kr. 8
im dritten Stock.
8549) Marienplatz Nr. 12 nächſt der
Cavallerlecaſerne ſind im dritten Stock2
freundliche möblirte Zimmer,
zuſammenge=
hörig. zu vermiethen.
Gr.
8997) Kiesſtraße 26 eine Werkſtätte
zu dermiethen.
8830) Neckarſtraße 24 zwei freundlich
möblirte Zimmer zuſammen oder getrennt
ſogleich zu vermiethen.
9004) Ein ſchön möblirtes Zimmer zu
ver=
miethen. Schützenſraße 2, 2 Siegen hoch.
9218) Ein freundlich möblirtes
Man=
ſardenzimmer zu vermiethen.
F. Backofen, Marienplatz 5.
9247) Eine ſchöne Wohnung, 2 Zimmer
und ſtüche, iſt zu vermiethen und ſofort
beziehbar bei
Fried. Ewald, Bäckermeiſter.
9361) Neckarſtraße 20 im oberen Stock
2 gut möblicte Zimmer, zuſammen oder
getrennt, an 1 od. 2 Herrn zu vermiethen.
2597) Grafenſtraße 35 oberer Stock ein
Logis 3 Zimmer, Küche und allem Zugehör,
im Hinterhaus ein kleines Logis für eine
einzelne Perſon ſofort zu vermiethen.
Joh. Ludwig.
9777) Bleichſtr. 5. möbl. Parterrezimmer.
9831) Woogsplatz Nr. 13 eine Stlege
hoch ein ſchön möbl. Zimmer zu vermiethen.
9909) Mühlſtraße 8 zwei ſchön möbl.
6175) Beſſunger Heidelbergerſtraße 89 Zimmer. Auf Wunſch auch Mittagstiſch
bei
Ludwig Beutel.
Vermiſchte Nachrichten.
Vocumt
iſt die General=Agentur
einer der erſten und ſolideſten Zieh
Ver=
ſicherungs=Auſtalten. Durchaus thätige und
energiſche Beweiber wollen ſich unter Chiffre
W.13D4 an die Annoncen=Expedition
von Rudolſ Mosse in
Vranl-
ſeerk a. H. wenden.
9866
Verloren.
Montag zwiſchen 11 und 12 Uhr wurde
in der Mühl= oder Roßdörferſtraße ein
kleines eiſernes Krenz mit der
Jahres=
zahl 1815 verloren. Dem Finder
Carl=
ſtraße 48 eine Belohnung.
Althee-Bonbons,
Retlig=Bonbons,
Malzzucker
empfiehlt
Carl Watuinger,
9906)
Louiſenplatz 4.
9907) Wollene Tücher, Unterhoſen
Unterjacken empfiehlt zu billigen Preiſen
D. Hüthwohl,
Schützenſtraße 8.
Prima Slsarinkerzen
H.
Turngemeinde Darmstadt.
WK
8
Abend=Anterhaltung
veranſtaltet von der Turner=Singmaunſchaft,
unter gütiger Mitwirkung mehrerer Mitglieder der Großh. Hofmuſik
und des Hoftheaters,
zum Beſten eines gemeinnützigen Zwreckes,
Samſtag den 14. l. Mts., Abends 8 Uhr, in der Turnhalle.
Nicht=Mitglieder können eingeführt werden.
von Münzing u. Comp.
in allen Packungen, empfiehlt
9908)
V Hebermehl
Samſtag den 14. November 1874
H. ADOuOrunOntsatoucort
im großen Saale der Vereinigten Geſellſchaft
(für Mitglieder der Vereinigten Geſellſchaft,
ausgefüh=t
von der Großherzoglich Heſſiſchen Leibgarde=Capelle
unter Leitung des Muſikdirector Herrn Tbeodor Adam.
Anfang des Concerts Abends 7½ Uhr.
9858)
Entree an der Kaſſe 1 Mark. - Programme an der Kaſſe,
N 242.
9)
Todes=Anzeige.
Wir machen hiermit unſeren Verwandten, Freunden und Bekannten ſtatt
beſonderer Meldung die traurige Mittheilung von dem geſtern Nachmittag nach
4 Uhr erfolgten Ahleben unſeres unvergeslichen Töchterchens und Enkelin
1da Johannette Homberger
im Alter von 2 Johren 4 Monaten.
Darmſtadt, 12. Nobr. 1814. Ludwig Homberger.
Delphine Homberger, geb. Mayer.
Manaſſes Homberger.
Moſes Moher und Frau.
9850)
Metz=ljuppe
Samſtag den 14. dieſes Monats bei
Scorasich amp; Hunkok,
Heidelbeigerſtraße Nr. 28.
9813) Ein goldnes Medaillon mit
2 Damen=Photographien iſt verloren
worden. Der redliche Finder wird gebeten,
es Neckarſtraße 4 ebener Erde gegen gute
Belohnung abzugeben.
2111
9912)
Metzelſuppe.
Sa m ſt a g den 14. November.
Peter Peter.
9913) Zum Kraut=Einſchneiden
empfiehlt ſich
Frau Henrich,
Schulſtraße 19 Beſſungen.
9914)
Verloren!
Ein ovales Medaillon von mattem
Golde, eine Photographie enthaltend, wurde
vor einiger Zeit verloren. Der redllche
Flnder wird erſucht, daſſelbe gegen
entſpre=
chende Belohnung auf der Exp. d. Bl. abzugeben=
Viola.
Erzahlung von Levin Schücking.
(Schluß.)
„Ich kam hierher, um den Dichter kennen zu lernen, mir
fliel nicht ein zu denken, daß er ein junger Mann ſei!”
„Zürnen Sie mir nicht ... weshalb ich ſo fragte,
wer=
den Sie ſogleich begreifen. Sie ſind jetzt eine Reihe von Tagen
hier geweſen .. als Ihr Brief kam, machte ich mich darauf
gefaßt, einen - nun einen rechten Blauſtrumpf empfangen zu
müſſen .. aber, Viola, jeder Tag, den Sie hier zubrachten,
hat mich unauflöslicher an Sie gefeſſelt. Sie ſind mir lieber
geworden als aller Ruhm, den ich erwerben könnte, wenn ich
ein Homer wäre. Und nun ſagen Sie mir offen, aus Ihrem
tiefen, treuen Frauenherzen - iſt irgend Etwas wie ein ſolcher
Wechſel des Gefühls auch in Ihnen vorgegangen ... ſind Sie
mir auch ein wenig gut ? Lieben Sie mich zu
Sie wechſelte wieder die Farbe, ſie wurde ſo blaß wie das
Mondlicht, welches die beiden jungen Leute überſilberte, und
ihre Lippe zitterte, als ſie nach einigen Augenblicken
hervor=
ſtotterte:
„Es iſt Alles wie ein langer ſchöner Traum geweſen..
aber ich erwache jetzt daraus - ich weiß, was es iſt... was
mir das Herz ſchwillt ... ich liebe Sie von ganzer Seele!
Ich überwand mich noch zu rechter Zeit, um nicht ein
fröh=
liches, lautes Hurrahl auszuſtoßen. Sie hätten es aber
wahr=
ſcheinlich doch nicht gehört, oder irgend etwas Anderes, außer dem
Schlage ihrer eigenen Herzen, die jetzt dicht aneinander ſchlugen
in dem Rauſche der erſten Liebesumarmung.
Arthur ſprach zuerſt wieder:
„ Und Sie ſind ſicher, Viola, ganz ſicher, daß es nicht
Be=
wunderung für meine Talente iſt, weshalb Sie mich lieben ?u
„Wenn Sie auch nie eine Silbe geſchrieben hätten - wenn
Sie die Poeſie haßten - wenn Sie ſo unbekannt und talentlos
wären wie Ihr armer Onkel - ſo würde ich Sie gerade eben
ſo ſehr lieben!
„Ich danke Dir, liebe, liebe Viola,u rief Arthur entzückt
aus. „Und nun darf ich wagen, Dir ein Geſtändniß zu machen.
Vergib mir, wenn Du es kannſt - aber was Du eben
voraus=
ſieh, das iſt leider eine unbeſtreitbare Thatſache. Ich
ſetzteſt
bin nicht der Hellborn, der ein Dichter iſt, ich bin auch nicht ein
klein Bischen berühmt - ich bin Nichts, als ein junger Mann,
der von ganzer Seele Dein iſt - Viola, kannſt Du mich dennoch
lieben ?-
„Wie - was in der Welt wollen Sie damit ſagen?”
„Daß ich eine Maske getragen habe, mein Liebchen, ſo lange
wie Du hier geweſen biſt - ich habe Dich glauben machen,
daß ich der Dichter ſei, nur weil ich ſürchtete, daß Du ſonſt nie,
nie an mich denken, Dich nie um mich kümmern, nie mich lieben
würdeſt. Denn wie würdeſt Du, verſunken in das Anſchauen
Foſ=
des unſterhlichen glorreichan
be2ch
haben 2 Es war freilich abſcheulich, ſolch einen Betrug zu ſpie
len; aber ſtelle Dir auch vor, welche Verſuchung es war, wenn
ich mir ſagen durfte, daß ich ſo das Glück eines ganzen Lebens
erringen könnte!
„Ich bin ſtarr vor Verwunderung, rief Viola aus - wer
iſt denn der Dichter ?
„Der Dichter iſt mein Onkel Hellborn, der gerade hinter
uns auf dem Divan ſitzt
„Der Taubſtumme . .. ſo iſt er gar nicht taub und
H”
tumm.
„ Nicht im allermindeſten und eben ſo wenig meine Lantel
Können Sie mir vergeben, Viola? Sprechen Sie?=
„Sie ſind aber doch ein ganz abſcheulicher, ganz
gränzen=
los unverſchämter Menſch, rief ſie jetzt aus. „Sie falſcher
Diamant, Sie unechte Glasperle, Sie ... ich bin ſo böſe auf
Sie, daß ich gar nicht reden kann!
„Viola” ſagte Arthur mit einem flehentlichen, rührenden
Tone ... „es iſt wirklich ſo wie ich fürchtetel Ich habe freilich
zu viel geſündigt, um Vergebung hoffen dürfen. Ich bin Ihrer
nicht würdig - ich muß mein ganz übriges Leben hindurch die
thörichte Verwegenheit bereuen, durch welche ich Sie verloren
habe .. ich will Sie verlaſſen . . gleich morgen ...
Er wollte in der That aufſtehen, um ſie zu verlaſſen und
machte dabei ein Geſicht, das wirklich die tiefſte
Niedergeſchlagen=
heit ausdrückte. Aber in dieſem Augenblick wurden die
wider=
ſtreitenden Gefühle in Viola's Buſen zu mächtig. um ſchweigend
bleiben zu können und mit jenem Mittel der Erleichterung, das
den Frauen zu Gebote ſteht, warf ſie ſich an Arthur's Bruſt
und brach ſchluchzend in die Worte aus:
„D nein, nein, nein - gehe nicht, gehe nicht - ich liebe
Dich ja - und - nun ja, ich will es auch frei herausſagen:
eine kleine Täuſchung habe ich auch begangen.
„Du auch Liebchen zu rief Arthur verwundert und zugleich
voll Jubel aus, indem er beide Hände auf ihre Schulter legend
ihr voll in das liebliche Augenpaar ſah, das ſie beſchämt auf den
Boden richtetete.
„Wie Du nicht der Dichter Hellborn," ſagte ſie, „ſo bin
ich nicht die Viola Schneider, welche den Brief an Deinen Onkel
richtete Das war meine Tante ... ich war all dieſe Tage
her immer ſo ängſtlich, daß Du mich innerlich verſpotten und
verlachen müßleſt wegen des überſpannten Briefes..
„Wahrhaftig! fiel Arthur ein, „einige Verſuchung dazu
war allerdings da -wenn Du nicht eben Du geweſen wäreſt”
„Meine Tante= fuhr Viola fort, „die mein Pathe iſt, und
deren Namen ich trage, ſchrieb den Brief. Sie hatte mich in
das Geheimniß eingeweiht, als ſie neulich bei meinem Vormunde
in R. zum Beſuch war. Sie reiſte in ihren Wohnort V. ab,
um von dort hierher zu kommen. Aber am andern Tage ſchrieb
ſie mir, daß ſie einen Anfall ihrer ſchrecklichen rheumatiſchen Leiden
bekommen habe, die ſie zwängen, auf das gränzenloſe Glück,
2112
R6 222.
ſie mir als Einlage einen Brief, worin ſie ihre Verzweiflung
darüber in einer rührenden Weiſe an den Tag legte. Sie wollte,
die gute Tante, daß ich an dieſer ſchönen Sprache und dieſen
er=
habenen Erfindungen mich erfreuen und belehren ſollte - vielleicht
auch ihn ein wenig bewundern - wenn ich ihn geleſen, ſollte
ich ihn ſchließen und an Herrn Hellborn abſenden. — Aber es
war an demſelben Tage, an welchem ich ihn erhielt, ein
Ereig=
niß eingetreten, das mich bewog, den Brief in's Feuer zu werfen,
mich auf die Eiſenbahn zu ſetzen und mich dahin zu flüchten,
wo ich wußte, daß man ein Fräulein Viola Schneider mit
gaſt=
licher Zuvorkommenheit erwartete
Ich konnte in dieſem Augenblick meine taubſtumme Rolle
keinen Augenblick länger ertragen. Die Dinge nahmen eine
Wen=
dung, daß ich in ein lautes Hurrah, in ein helles Lachen, kurz
in einen Freudenjubel ausbrach, in welchen ich meine Frau durch
eine ſtürmiſche Umarmung mit hineinriß, und den mein Neffe
noch zu überjubeln verſtand.
„Nun, ſagte ich dann zu Arthur, „nun dieſer Punkt auf
eine für unſere Viola ſo überaus günſtige Weiſe erledigt iſt, magſt
Du doppelt Deiner Tante danken, daß ſie ſich in mich verliebt
und vor langen zwanzig Jahren für ſich in Beſchlag genommen
hat, denn ſonſt hätte ich Dich wahrhaftig nicht zum Statthalter
und Alter=Ego während dieſes lieben Beſuches in meinem Hauſe
gemacht!
Am andern Morgen, als wir das Frühſtück beendet hatten,
ſagte Arthur zu ſeiner Braut, die mit ihrem taubenhaften
Ge=
ſichtchen neben ihm ſaß:
„Ich möchte Dir einen kleinen Ausflug für heute
vorſchla=
gen, Viola - um Jemandem eine höchſt angehme Ueberraſchung
zu bereiten. Dein Vormund iſt, wie ich zufällig geſtern erfuhr,
etwas beſorgt über Deine Abweſenheit, und um ihn zu beruhigen,
habe ich ihn eingeladen, mit dem Zwölf=Uhrzug nach unſerer
Eiſenbahnſtation zu kommen und Nachrichten von Dir entgegen
zu nehmen. Willſt Du mit mir gehen, um ihn zu ſprechen 2
Viola ſah etwas verlegen aus. Dann ſagte ſie; „Theure
Taubſtummen, wollt Ihr mir verſprechen, in der That ganz
ſtumm zu ſein, wenn ich Euch erzähle - Du auch, Arthur:
Ich habe bisher keine Silbe davon geſagt, damit es nicht bekannt
werde, was ich um die Welt nicht möchte; jetzt aber bleibt es
in der Familie! Gerade den Abend zuvor, ehe ich durchging,
machte mir mein Vormund, Herr Breßler einen Heirathsantrag
. ſo ungefähr wie eine Propoſition zu einem Handelsgeſchäft.
Wenn ich einwilligte, verſprach er mir großmüthig ein Treibhaus
in ſeinem Garten bauen laſſen zu wollen. Ich wurde zum Tode
erſchrocken und wußte gar nicht, was ich antworten ſollte
ich weiß auch keine Silbe mehr von dem, was ich hervorſtotterte,
nur ſo viel, daß ich am andern Tage in meiner Angſt in einen
Eiſenbahnwaggon flüchtete - und hierher kam, um hier - nun
das Uebrige habe ich ſchon geſtern geſtanden . . Wir wird mein
Vormund nun auf mich böſe ſein, wenn er mich ſieht! Aber die
Idee, daß ich die Mama des jungen Herrn Auguſt Breßler
wer=
den ſollte, der den ganzen Tag nichts thut als Cigarrenrauchen
und zu träge iſt, ſich die Hände zu waſchen - es war zu
ſchrecklich
„Dem alſo, ſiel Arthur lachend ein, „verdanke ichs, daß
Du zu uns kamſt!
Sie nickte mit dem Kopfe und ſagte dann:
„Doch trotzdem will ich mitgehen, wenn Du's willſt, Herz
- nur laß Dich nicht von ihm ärgern und gerathe nicht in
Zorn, wenn er unangenehm wird!:
Arthur verſprach das Beſte.
Sie fuhren in meinen Wägelchen hinüber. Herr Breßler
erzählten ſie, als ſie zurückkamen, hatte ſich richtig eingeſtellt: er
hatte, als ihm die Lage der Dinge ausführlich mitgetheilt
wor=
den, allerdings einen Verſuch gemacht, unangenehm zu werden;
dann aber hatte Viola ihr Köpfchen aufgeſetzt und ihre feſten
Entſchlüſſe ausgeſprochen; und Arthur war zu der geſchäftlichen
Seite der Sache übergegangen, hatte ihm ſeine
Vermögensum=
ſtände detaillirt und auf dieſem Wege den Dr. Bartolo unſerer
xeizenden Roſine in einen kühl und vernünſtig denkenden Mann
umgeſchaffen. Und ſo waren ſie zurückgekehrt mit ſeinem voller
Segen - ſo daß zwiſchen ihnen und ihrem vollen Glücke
nicht=
ſtand, als das allerdings ſehr gegründete, ſehr beunruhigende Be
denken, was die ſchwärmeriſche Tante dazu ſagen werde, daß
ihr=
kecke Nichte ihre Rolle bei ihrem Lieblingsdichter geſpielt habe
Ich weiß auch nicht, wie die beiden Leutchen ſich mit ihr
abge=
funden haben - ich weiß nur, daß mein Neffe jetzt eine gewiſſ
Achtung vor meinen Gedichten hat . meine Verſe waren j
das Vorſpiel zu der ſüßen Muſik, die noch immer die ehelich
verbundenen Herzen Arthurs und Viola's füllt!
Mittheilungen aus Stadt und Land.
6 Die erſte Kammer erledigte in ihrer am Donnerstag ſtattgehabten
mehr als 5ſtündigen Sitzung zunächſt den Geſetzesentwurf den Mißbrauch
der geiſtlichen Amisgewalt betr., der mit 20 gegen 11 Stimmen bei de
entſcheidenden Schlußabſtimmung zur Annahme gelangte. Auf Antra
Moufangs wurde beſchloſſen die in dieſen Geſetzen angedrohte Gefänz
nißſtrafen überall durch Feſtungshaft zu erſetzen. An Stelle
eine=
eigenen Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten ſoll das oberſte Gerich
des Landes beruſen werden mit welcher Aenderung ſich nunmehr auch di
Regierung einverſtanden erklärt hat.-
Die Verathung des weiteren
G=
ſetzesentwurfs, die Heranbildung und Anſtellung der Geiſtlichen betr.
konnt=
nicht vollſtändig zum Abſchluß gebracht werden. Auf Antrag des Freiherr:
v. Dalwigk beſchloß das Haus die Regierung zu erſuchen mit dem Biſchof vo=
Mainz wegen Errichlung einer kath=theologiſchen Fakultät an einem geeig
neten Ort in Verbindung mit einem Convicte für die Studirenden un
Mitwirkung bei Ernennung der Profeſſoren in Verhandlung zu treter
lehnte aber ab bis dahin einſtweilen die Berathung des Geſetzes zu ſuspen
diren. Ferner entſchied ſich die Kammer für den Fortbeſtand der Knaben
ſeminare reſp. Konvicte.
— Poſt=Perſonalnachrichten. Angenommen wurden: H. Dieh
von Eudorf und C. L. Heil von Crumſtadt als Poſtgehülfen.- Beſtätig
iſt: der Poſtanwärter Decher als Poſtamts=Aſiſtent.
Angeſtellt wurden: der Büreau=Aſſiſtent Malbrandt und der Poſt
amts.=Aſſiſtent Scheer als Poſtſecretäre in Darmſtadt, die Poſtpracticanter
Huttenlocher, Schaltenberg, Bredel, Schultz, L E. C. Schmidt.
Lubowski und Hohlfeld als Poſtſecretäre in Mainz, ſowie der
Secr=
tariais-Aſſiſtent Fuldner als Poſtſecretär in Michelſtadt; der Poſtamt=
Aſſiſtent F. L. Schmidt in Bad=Nauheim und der Poſtamts=Aſſiſter
Decher in Darmſtadt, der Militär=Anwärter Peltz als Poſtſchaffner i:
Mainz und der Militär=Anwärter Geißler als Landbrifträger in Darmſtadt
Verſetzt ſind: die Poſtſec etäre Bräunig von Darmſtadt nach Mainz
Mittler von Mainz nach Gießen, Volk von Offenbach a. M. nac
Mainz. Eſer von Alzey nach Gießen, Cochlovius von Gießen nach
Offenbach a. M. und Buchheim von Friedberg nach Mainz, ſowie de
Poſteleve Ochs von Mainz nach Metz.
Freiwillig aus dem Poſidienſte geſchieden iſt der Poſtgehülfe Mar
quardt. - Geſtorben iſt der Poſtſchaffner Franz in Gießen.
-— Am Mittwoch fand wie bereits mitgetheilt in dem neu hergerichte
ten oberen Rathhausſaal vor der Stadtverordneten=Verſammlung und
de=
hierzu eingeladnen ſtädtiſchen Beamten durch den Gr. Provinzial=Directo
die ſeierliche Verpflichtung des Hrn. Hofger. Adv. Ohly als Bürgermeiſte
der Reſidenz ſtatt. Herr Provinzial=Director Küchler gedachte in ehrendſte
Weiſe der Verdienſte des abtretenden Bürgermeiſters Hrn. Fuchs und mi
Dankesworten des ſeitherigen Gemeinderaths, worauf hieran anſchließeni
Herr Bürgermeiſter Ohly mit einer warmen Anſprache an die Stadtver
ordneten und Beamten das Wort ergriff, indem derſelbe erklärte, ſeine ganz
Kraſt dem Dienſt der Stadt zu widmen und mit Gerechtigkeit und Huma
nität die Verwaltung zu führen. Nach noch einigen dankenden
Worte=
der Erwiederung durch den ſeilherigen Vorſitzenden der Stadtverodneten
Verſammlung erklärte der Gr. Provmzial=Director ſodann die ſeitherig
Gemeindeordnung außer Kraſt und die Städteordnung ſür in Wirkſamkeitge
treten. Es wurde gleichzeitig weitere vorbereitende Sitzung der Stadtver
ordneten=Verſammlung auf kommenden Samstag Nachmittag 3 Uhr i
Ausſicht genommen, in welcher zur Wahl des Schriſtführers, der Beigeord
neten und der nöthigſten Commiſſionen geſchritten werden ſoll.
Nach der Sitzung fand nochmals ſpecielle Vorſtellung der ſtädtiſche=
Beamten ſtatt.
— Vorgeſtern Abend gegen 7 Uhr verkündeten Böllerſchaſſe den Voll
zug der Beſſunger Bürgermeiſterwahl. Es hatte erhalten ſwie bereits
geſter=
mitgetheill) der ſeitherige Bürgermeiſter Demmel 305 Stimmen, Rentne
Groſch deren 3. Eine Muſikbande zog durch den Ort mit Begleitung
eine=
ſchnell improviſirten großen Zugs in dem auch eine Anzahl Lampions
ge=
tragen wurden, und brachte dem Bürgermeiſter Demmel eine Serenade
Gegen 10 Uhr brachte auch noch das Muſikcorps der Artillerie dem Ge
wählten ein Ständchen.
Gießen, 10. Nov. Gutem Vernehmen nach wurden bei einer geſter:
ſtattgefundenen Vergebung von Brod= und Fleiſchlieſerung ꝛc. der Apfündig
Laib Brod, gut ausgebacken, zu 12 kr. und beiſpielsweiſe das Pfund Ochſen
fleiſch zu 17 kr. von hieſigen Bäckern und Metzgern übernommen. G. A.
e Ceverhtgiihs.
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02 x. MittiAicka SafnuchAancoroi