Darmstädter Tagblatt 1874


26. Juni 1874

[  ][ ]

Abonnementsprei=
2fl. 48 tr jährlich incl. Hringerlohn.
Auswäris werden von allen Poſt=
Amtern Beſtellungen enigegengenom.
men zu 53 kr peo Quiartal ind Poſt=
aufſchiag
und Veſtellgebllhr

Frng= und-Anseigeblatt.

137 Jahrgang.
Amtliches Organ für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Ereigamts Darmſtadl.

Anherate
werden angenommen in Darmſta.
vor der Ezpedeſion Rheinſtr i' 2
in Beſſungen von Friedr. Bötzer.
Friedrigsimn Mr 7 ſowite audockez
von allen ſobden Annonen= Ewe=
duionen

R I22.

Freitag den 26. Juni

1874.

=
Darmſtadt, am 16. Juni 1874.
Betreffend: Die Vorſchriſten zur Bollziehung des Reglements vom 5. October 1854 über Verpflegung der Relruten, Reſerviſten
bei Einziehungen reſp. Entlaſſungen.
Das Großherzogliche Kreisamt Darmſtadt
an die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien des Kreiſes.
Das nachſtehend abgedruckte Ausſchreiben Großherzoglichen Miniſteriums des Innern vom 5. d. Mts. zu NNr. M. d. 8. 6104
theilen wir Ihnen zur Kenntnißnahme und unter dem Auftrage mit, die Gemeinde=Einnehmer Ihrer reſp AGemeinde alsbald
darnach zu bedeuten.
J. Verh. d. Kr.:
Dr. Momberger, Kreisaſſeſſor.
Abdruck.
Zu Nr. M. d. J. 6104.
Darmſtadt, am 5. Juni 1874.
Betreffend: wie oben.
Das Großherzogliche Miniſterium des Innern
an die Großherzoglichen Kreisämter.
Nach Mittheilung der Commiſſion zur Abwickelung der Großherzoglich Heſſiſchen Militär=Verwaltungs=Angelegenheiten laufen
bei der Intendantur der Großherzoglichen (25.) Diviſion Abwicklungs=Abtheilung, noch immer Nachweiſungen der Gemeinden über
an einberufene Heerespflichtige vorſchußweiſe gezahlte Marſcheompetenzen aus den Jahren 1869, 1870 und 1871 Behufs Erſatz=
leiſtung
aus der Großherzoglichen Kriegskaſſe ein.
Mit Rückſicht auf die Rechnungsſtellung der Krlegskaſſe und auf die demnächſtige Beendigung der Abwickelungs=Arbeiten wollen
Sie die Gemeinde=Einnehmer anweifen, etwa noch rückſtändige Nachweiſungen der fraglichen Art aus den Jahren 1869, 1870 und
1871 bis längſtens Ende Juli d. J. bei Ihnen zur Prüfung und Viſirung nach Maßgabe der Beſtimmungen unſeres
Amtsblattes Nr. 7 von 1868 bei Vermeidung der Nichtberückſichtigung einzurelchen, und ſofort nach Rückempfang
derſelben die darin von Ihnen feſtgeſtellten Beträge bei der betreffenden Großherzoglichen Diſtricts=Einnehmerei zu erheben.
unterz.: von Starck.

5481) Oeffentliche Aufforderung.
Forderungen an den Nachlaß des Maklers
Johann Martin Jordan zu Darmſtadt
ſind bei Meidung der Nichtberückſichtigung
bei Ordnung jenes binnen drei Wochen von
heute an dahier anzumelden.
Darmſtadt, am 15. Juni 1874.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
3 B. d. St.:
Weyland,
Hirſch,
Stadtg. Aſſeſſor. Landg.=Aſſeſſor.

5499) Oeffentliche Aufforderung.
Marie geborene Wolf, Wittwe des zam
9. September 1839 dahier verlebten Schnei=
dermeiſters
Georg Philipp Friedrich,
etwa in den Jahren 1811-1813 in Obern=
hauſen
oder Niedernhauſen (Landgerichts
Reinheim) geboren, angeblich in Groß=Bieberau
bei einem gewiſſen Volz erzogen und ſeit
einer Reihe von Jahren dahier wohnhaft,
iſt am 13. Mai 1874, ohne letzten Willen,
kinderlos verſtorben. Ihre nächſten Ver=
wandten
ſind dahier unbekannt. Es werden
daher Alle, welche Erbanſprüche an den
Nachlaß der beſagten Wittwe Friedrich bil=
den
zu können vermeinen, hiermit aufge=
fordert
, ſolche Erbanſprüche um ſo gewiſſer

binnen vier Wochen von dem erſten Er=
ſcheinen
dieſer Bekanntmachung in den öffent=
lichen
Blättern an gerechnet vor unterfertigtem
Stadtgericht zur Anzeige zu bringen und
näher zu begründen, als ſonſt der Nachlaß
lediglich den etwa auftretenden und ſich ge=
hörig
als Erben legitimirenden Verwandten
oder in Ermangelung ſolcher Erben dem
Großherzoglichen Flscus ausgeliefert werden
würde. Zugleich wird allen Gläubigern
der gedachten Wittwe Friedrich und ihrer/
Nachlaßmaſſe, zur Geltendmachung ihrer
Forderungs=Anſprüche vor unterfertigtem
Stadtgericht, eine gleiche Friſt unter dem
Rechtsnachtheil der Nichtberückſichtigung bei
Regulirung und Vertheilung der Maſſe,
andurch vorbeſtimmt.
Darmſtadt, den 12. Juni 1874.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt
J. V. d. St.=R.
Joſt,
Weyland,
Stadtgerichtsaſſeſſor. Stadtgerichtsaſſeſſor.

einer Wieſen=Anlage neben dem neuen Fried=
hof
zu Darmſtadt erforderlichen Arbeiten
ſauf Ort und Stelle an die Wenigſtnehmen=
den
in Acrord gegeben.
Planirarbeit, veranſchlagt zu 40 fl.
Das Pflügen u. Eggen,
36 fl.
Hof Hopfengarten, am 24. Junl 1874.
L. Erb.
5690) Großherzoglicher Wieſen=Commiſſar.

Gras=Verſteigerung
in den Domanial=Waldungen der Ober=
förſterei
Kalkofen.

Arbeits=Verſteigerung.
24Dienſtag den 30. d. Mts., des Vormit=
tags
um 8 Uhr, werden die zur Herſtell ung

Donnerſtag den 2. Juli wird das
Gras von den forſtfiscaliſchen Wieſen auf
der Neuwieſe, in dem Mörsbacher=
Grund und auf der Sülz öffentlich ver=
ſteigert
.
Die Verſteigerung beginnt um 9 Uhr
Morgens und iſt die Zuſammenkunft am
Hirtenhäuſer Fallthor.
Bei dieſer Verſteigerung wird auch eine
kleine Quantität Holz verſteigert.
Darmſtadt, den 24. Juni 1874.
Großherzogliche Oberförſterei Kallofen.
Winheim.
5691)
313

[ ][  ][ ]

1162

M122.

Verſteigerungs=Anzeige.
Montag den 29. Juni Vormittags 9 Uhr
werden wegen Geſchäfts=Aufgabe im Laden Holzſtraße 2 nächſt der Krone nach=
folgende
Gegenſlände gegen gleich baare Zahlung verſteigert: eine große Parthie Bremer,
Hamburger und andere Cigarren, verſchiedene Specereiwaaren, einige Fäſſer
Branntwein, ſowie Liqueure in Flaſchen; Gchreib= und Poſtpapier;
ferner eine vollſtändige Laden=Einrichtung für ein Material= und Colonialwaaren=
Geſchäft; 1 viertheiliger Oelkaſten mit Gemäs, 2 Auslegekaſten für Cigarren,
einige Waagen, altes Gewicht, eine Parthie Einmachgläſer u. ſ. w.
K. Strauß, Taxator.

Arbeits=Vergebung.
Montag den 29. d. Mts., Nachmittags
um 4 Uhr, ſollen auf dem Rathhaus zu
Eberſtadt nachbenannte Straßen=Arbeiten
und die erforderlichen Arbeiten bei Erbau=
ung
eines Schuppens in der Oberförſters=
Wohnung, unter den bei der Verſteigerung
bekannt gemacht werdenden Bedingungen
öffentlich an die Wenigſtfordernden vergeben
werden, und zwar:
2) Straßenarbeiten.
1) Planir= und Chauſſirarbeit, veran=
440 fl.
Lr.
ſchlagt zu
151 fl. 15 kr.
2) Pflaſterarbeit
3) Material zur Pflaſter=
224 fl. - kr.
arbeit
zb) Erbauung eines Schuppens.
4) Maurer=u. Dachdecker=
103 fl. 3 kr.
arbeit
5) Zimmerarbeit
119 fl. 36 kr.
Eberſtadt, am 23. Juni 1874
Größherzogliche Bürgermeiſterei Eberſtadt.
Müller.
5693)

Feilgebotenes.
G
2 Trockene Lohkäſe
ſind wieder zu haben in der
Heyl'ſchen Gerberei,
Mühlſtraße 9.
5244a) Ein gut erhaltenes 6octaviges
Clavier wird billig abgegeben. Näheres
bei Hofkammmacher Kling, Ludwigsplatz.
5527) 4 Pfündig reines Kornbrod
zu 19 Kreuzer iſt täglich zu haben bei
Bäcker Mainzer, Bleichſtraße 13.
5648) Mehrere alte Reiſekoffer.
Rheinſtraße Nr. 28.

5694) Dickwurzpflanzen iſind zu
haben bei L. Debus, Heinheimerftr. 32.

Vermiethungen.
3663) In meinem Hauſe, Friedrichſtraße
Nr. 26, iſt der dritte Stock, beſtehend aus
5 Zimmern nebſt allem Zugehör, zu ver=
miethen
und im Juni zu beziehen.
Wilhelm Schäfer.
3698) Obere Hügelſtraße Nr. 26 ſind
Theile des Manſardenſtocks (auch mit =
beln
), neu hergerichtet, zu vermiethen.

3721) Heinheimerſtraße Nr. 16 iſt im
mittleren Stock ein freundliches Zimmer mit
ſchöner Auficht zu vermiethen und ſogleich
zu beziehen.
3992) Ein großes und ein kleineres Lo=
gis
zu vermiethen. Gardiſtenſtr. 31.
4214) Ein Zimmer mit oder ohne =
bel
zu vermiethen. Promenadeſtraße 13.
4360) Zu. vermiethen im Darmſtädter
Hof im weſtlichen Flügel 2 Treppen hoch
2 Zimmer, 2 Cabinet nebſt Küche; ferner
im Erdgeſchoß die bisher von dem Gerichts=
Büreau benutzten Räumlichkeiten mit Sepa=
rateingang
von der Grafenſtraße.
4472) Caſinoſtraße Nr. 14
zwei ineinandergehende Zimmer mit Aus=
ſicht
auf die Straße zu vermiethen und gleich
zu beziehen.
4579) Heinheimerſtraße 7 ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen, ſogleich zu beziehen.
Auguſt Herwegh.
4619) Ein möblirtes Zimmer zu verm.
und gleich beziehbar. Mühlſtraße 52.
4697) Friedrichftraße 20 iſt der 1. St.
mit 6 Zimmern, 3. St. mit 5 Zimmern
und allen Bequemlichkeiten bis Auguſt be=
ziehbar
zu vermiethen.
Zu erfragen Eliſabethenſtraße Nr. 49.
4702) Ein freundlich möblirtes Zimmer
ſogleich zu beziehen Marienplatz 5.

4750) In einem neuen Hauſe der zweit=
Stock für 250 fl., ſowie ein Manſarden=
Logis für 150 fl. auf einem der höchſten
freien ſchön gelegenſten ſüdlichen Punkte
Darmſtadt's auf ſogleich zu vermiethen.
Näheres in der Expedition.
Daſelbſt auch 3 kleinere Zimmer im erſten
Stock zu vermiethen.
5191) Mathildenplatz 5 iſt der 3. Stock
beſtehend aus 4 Zimmern, 2 Kabinetten
und allen ſonſtigen Bequemlichkeiten, zu
vermiethen und Anfangs Sept. zu beziehen.
5229) Ein ſchön möblirtes Zimmer iſt
zu vermiethen und bis 1. Juli zu beziehen.
Hügelſtraße Nr. 20. Jacob Roth Wtw
5127) Ein möbl. Zimmer parterre.
Beſſunger Carlſtraße 3.
5444) Ein freundliches unmöblirtes Zim=
mer
iſt zu vermiethen. 21 Roßdörferſtr. 21.
5570) Ein ſehr ſchönes - unmöblirtes-
Zimmer (auf Wunſch mit Cabinet) ganz
neu billig zu verm. Beſſunger Schulflr. 55.
5404) Ein Logis mit Werkſtätte zu ver=
miethen
. Langegaſſe 5.
5472)
Sofort
oder bis 1. September Wienerſtraße 9
die bel Etage, 4 Zimmer mit allem Zu=
behör
, zu vermiethen.
5695) Magdalenenſtraße Nr. 12 iſt ein
kleines Logis im Hinterhaus zu vermiethen.
Am liebſten an eine einzelne Perſon.
5696) Ein Zimmer mit oder ohne Ca=
binet
iſt zu vermiethen Näheres Kiesſtraße
Nr. 16 zweiter Stock.
-

Vermiſchte Nachrichten.
5613h) Forderungen an den Nachlaß
der Wittwe des Großherzogl. Hofgerichts=
Advokaten Dr. Schazman, bitte ich nun
baldigſt anzuzeigen.
Eigenbrodt, Hofgerichte=Advokat.


Handwerkerſchule in Darmſtadt.
Montag den 29. Juni beginnt ein neuer Curſus für den Abendunterricht
in der Handwerkerſchule. Der Unterricht findet an drei Wochenabenden von 8 bis
10 Uhr in folgenden Füchern ſtatt: Rechnen, Geometrie, Stylübungen, gewerbliche
Buchführung, Naturlehre, Materialienkunde, Technologie und Anfertigung von Voran=
ſchlägen
.
Anmeldungen für dieſen Unterricht und dem damit verbundenen Zeichen=Unterricht
an den Sonntagen werden auf dem Büreau des Landesgewerbvereins, Rheinſtraße 14,
entgegen genommen. Alle diejenigen Schüler, welche ſich zum Beſuch der Anſtalt bereits
gemeldet haben, aber wegen vorgerücktem Schuljahr noch nicht zum Abend=Unterricht
zugelaſſen werden konnten, werden erſucht, ſich Montag den 29. Juni, Abends 8 Uhr,
im Schul=Lokal, Woogsſtraße Nr. 5, eiazufinden.

Vereinigte Geſellſchaft.
Samſtag den 27. Juni im Garten der Vereinigten Geſellſchaft;
RGOOO
453)
L.OAcee
AG
ausgeführt vom
Auſik-gorps des 2. Großh. Heſſ. eibdragoner-
Regiments Nr. 24
unter Leitung des Herrn Capellmeiſters Gaubatz.
Anfang halb 6 Uhr.
Bei ungünſtiger Witterung findet das Concert nicht ſtatt.
Der Ausſchuß der Vereinigten Geſellſchaft.

[ ][  ][ ]

. 122
Schlreiblehrer- Maxlmilan ſander aus Mainz
eröffnet=Montag den 20. Juni den
569¾
Schlüß=Eyelus, ſeiner XI ſtündigen Schreib Methode.
Diejenigen verehrl. Herren deßgl. Damen,=welche an demſelben Thel zu nehmen 4972) Vollſtindig geübte Weißzeug=
gedenken
, beliehen ſich rechtzeitg: Ernſt=Ludwigſtraße 18 bei Frau Schmidt
anzumelden.

pC.Geld.
ſucht. Markt Nr. 4 im erſten Stock.

D1o) Eun Aelg uadr
H. Delp, Schreinermeiſter.

51163
5278) Einen Lehrling ſucht gegen Koſt
ſund Logis oder Wochenlohn.
G. Beck, Schreinermeiſter,
Schützenſtraße 12.
näherinnen werden geſucht.
Nähere Auskunft bei der Exp.
5664) Eine Hobelbank mit etwas
Werkzeug zu kaufen geſucht. Näheres Beſſ.
Kirchſtraße 48.
5699) Eine Putzmacherin, die auch
den Verkauf verſteht, findet ſofort Stelle
bei.
H. Münch.
5700) Ein reinl. Mädchen ſucht Laufdienſt.
Zu erfr. gr. Kaplaneigaſſe 23. 2 Stieg. h.
5701) Für einen großen Neubau werden
eine Accord=Parthie von 12- 15 Mann
tüchtige Speißarbeiter geſucht per ⬜Meter
Verputzen der Wände 15-18 kr.
Näheres Eliſabethenſtraße 62.
5702) Tüchtige Weißbinder ſucht in
Accord und Taglohn.
Friedrich Voigt.

Aus dem Leben eines Thunichtgut.
Von Ferdinand Dieffenbach in Darmſtadt.

Man hört oft darüber klagen, daß die ſogenannten Origi=
nale
ſo ſelten geworden ſind. Der geehrte Leſer weiß, daß
daran die Umgeſtaltung des ſocialen Lebens, welche ſich in die=
ſem
Jahrhundert vollzog, die meiſte Schuld trägt, oder ihr, um
richtiger zu urtheilen, hieran das meiſte Verdienſt zuzuſchreiben
iſt. Der lebhafte Verkehr zwiſchen den einzelnen Klaſſen der
Geſellſchaft, zwiſchen Dorf und Stadt, zwiſchen ganzen Völkern,
ſchleift die eigenthümlichen, oft ſo vielgeſtaltigen Ecken und Kanten
des Characters ab und hat zwar, wie Viele klagen, einen euro=
püiſchen
, befrackten Normalculturmenſchen geſchaffen, deſſen Eigen=
artigkeiten
man erſt nach langjähriger Erfahrung herausfindet,
allein dieſer innige Wechſelverkehr zwiſchen den verſchiedenen
Theilen der menſchlichen Geſellſchaft bürgt auch für ihre gleich=

artige Entwickelung.
Die verfeinerten Sitten unſerer Zeit üben auch auf das
roheſte Gemüth einen unwillkurlichen Zwang aus und die Gegen=
wart
, welche jedes Atom phyſiſcher und geiſtiger Kraft der Ge=
ſellſchaft
zu retten und nutzbringend zu verwerthen ſucht, zeigt
uns nicht mehr das beklagenswerthe Schauſpiel, das uns noch
das Ende des vorigen Jahrhunderts bot, daß einzelne begabte
Menſchen, beſtimmt, eine hervorragende Stellung in der menſch=
lichen
Geſellſchaft einzunehmen, unſtät als Abenteurer umherirren,
ohne ihre Kräfte zum Nutzen des Ganzen dauernd verwerthen zu
können.
Solche Betrachtungen ruft in uns das Thun eines Mannes
hervor, deſſen Leben zwar im Ganzen wenig Rutzbringendes auf=
zuweiſen
hat, das vielmehr beinahe eine fortlaufende Kette toller
und ſonderbarer Streiche bildet, deſſen Fähigkeiten und Wiſſen
aber ihm in der heutigen Geſellſchaft eine ehrenvolle Stellung
geſichert hätten, und der unter ihrem Einfluſſe manche ſeiner rohen
Angewohnheiten abgelegt haben würde.
Es iſt jedoch nicht meine Anſicht, culturhiſtoriſche Parallelen
zwiſchen dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert zu ziehen
und bei dieſer Gelegenheit einem ercentriſchen Kopfe ein Denkmal
zu ſetzen, es beſtimmt mich zu dieſer Arbeit noch ein beſonderes
literariſches Intereſſe. Friedrich Chriſtian Laukhard
iſt nicht allein ein eleganter Schriftſteller und Sathriker, wir
beſitzen in ſeinen Annalen der Univerſität Schllda ein bedeu=
tungsvolles
Werk, das für die Beurtheilung des Culturlebens

der Univerſitäten des vorigen Jahrhunderts für den künftigen
Geſchichtſchreiber von beinahe nicht geringerer Wichtigkeit ſein
wird, als es der Simpliciſſimus für die Beurtheilung der Sitten
im dreißigjährigen Kriege und Hans von Schweinichens Denk=
würdigkeiten
für die Kenntniß des Mittelalters ſind.
Laukhard, ein heller und aufgellärter Kopf, iſt ein vortreff=
licher
Schilderer der Sitten ſeiner Zeit und geißelt auf die er=
götzlichſte
Weiſe die Abgeſchmacktheiten des academiſchen Lebens.
Obwohl ſeine Schriften einzelne Angriffe auf Docenten enthal=
ten
, welche allerdings auf eine perſönliche Animoſität zurückzu=
führen
ſind, ſo ſind ſie doch, ſo viel man auch aus dieſem Grunde
gegen ſie einwenden mag, der Hauptſache nach Urkunden von
eminenter Bedeutung. Gerade dadurch daß der Verfaſſer über
jeden ihm bekannten academiſchen Lehrer und alle ſonſtigen öffent=
lichen
Perſönlichkeiten auf das Unverhohlenſte ſein Urtheil ab=
giebt
, dabei aber ſich ſelbſt nicht ſchont und von ſich Dinge an
die Oeffentlichkeit bringt, die jeder Andere auch ſeinen intimſten.
Bekannten verbergen würde, erlangen ſeine Ausſagen eine unge=
meine
Zuverläſſigkeit und Glaubwürdigkeit.
Dabei ſind Laukhard's Schickſale derartige, daß ſein an den
merkwürdigſten Abenteuern reiches Leben faſt einem Roman
gleicht, und auch reichliche Unterhaltung für die bietet, die einen
Gefallen darin finden, ſich an menſchlicher Thorheit zu ergötzen.
Friedrich Wilhelm Laukhard wurde 1758 in dem damals
zur Grafſchaft Grehweiler gehörigen rheinheſſiſchen Dorfe Wen=
delsheim
, wo ſein Vater Pfarrer war, geboren. Sein Vater
gab ihm wohl einen tüchtigen Unterricht im Lateiniſchen und
Griechiſchen, allein er vernachläſſigte die in den Knabenjahren
ſo nothwendige Beaufſichtigung des vielverſprechenden talentvollen
Jungen. Knechte und Mägde, mit welchen er verkehrte, vergif=
teten
frühzeitig die Seele des Kindes und ſeine trunkſüchtige
Tante Eliſe gewöhnte ihn, wie er ſelbſt erzählt, an den Trunk,
ſo daß er in zarter Jugend ein Säufer ward:. Manchmal
ſchlief er ſchon in den frühen Mittagsſtunden auf ſeinem Zim=
mer
einen gewaltigen Weinrauſch aus.
Wir können dieſe betrübende Thatſache nicht unerwähnt
laſſen, weil ſie nicht allein zum Verſtändniß der moraliſchen
Entwicklung Laukhard's erforderlich, ſondern auch, weil aus ihr
eine erfreuliche Beſſerung der Sitten der Pfälzer hervorgeht,
denn er entſchuldigt das Laſter ſeiner Tante damit, daß es nicht
ungewöhnlich, daß in der Pfalz die Frauenzimmer dem Trunke

[ ][  ]



1164

ergeben ſeien," eine Behauptung, welche in ſeinen Schriften wie=
derholt
ſich vor findet.
Leider war auch ſein ſonſtiger Bildungsgang ſeiner zukünf=
tigen
Beſtimmung wenig entſprechend, Er ſollte Theologe wer=
den
, allein um ſeinen Proteſtantismus und ſein Chriſtenthum
ſtand es von voraherein ſchon arg ſchief. Sein Vater,
der ihm die erſten theologiſchen Lehrbegriffe beibrachte, war ſeiner
Ueberzeugung nach Phantheiſt und bemühte ſich weit mehr den
Blick ſeines Sohnes auf die Irrthümer als auf die Wahrheit
des Chriſtenthums hinzulenken.Sotwurde bei ihm der Grund
zu einem eraſſen Indifferentismus gelegt und ſchon frühzeitig
gibt er jene Proben von Charatterloſigkeit, welche uns in ſeinem
ſpätern Leben häufig ſo widerwärtig berühren.
Einen Beleg hierfür liefert ſeine erſte Jugendliebe zu ſeinem
Bäschen Thereschen. Er liebte Thereschen wirklich aufrichtig und
noch in ſeinen alten Tagen gedenkt er nicht ohne Rührung an
dieſe ſeine erſte und einzige Liebe. Der ſiebenzehnjährige Junge
hielt um die Hand ſeiner Geliebten an, allein Thereechen war
katholiſch und der Vater wollte die Ehe vur unter der Bedingung
zugeſtehen, daß ſein zukünftiger Schwiegerſohn zur katholiſchen
Kirche übertreten würde. Er hatte auch die feſte Abſicht heimlich
den katholiſchen Glauben anzunehmen, und nur dadurch, daß ſein
Vater von der Sache Wind bekam und die auf des Sohnes Vor=
haben
bezügliche Correſpondenz mit einem Kapuziner zu Alzey
entdeckte, wurde die Ausführung des Planes verhindert. Um
ihm ſein Thereschen und den Kutholicismus aus dem Kopfe zu
entfernen, brachte ihn ſein Vater auf die Univerſität Gießen und
ſtatt katholiſch zu werden, ließ er ſich als Student der proteſtan=
tiſchen
Theologie immatrikuliren.
Gießen, das damals an wiſſenſchaftlicher Bedeutung ſehr
abgenommen hatte und außerdem als eine der roheſten Univer=
ſitäten
in Deutſchland bekannt war, war keineswegs geignet, als
Bildungsſchule eines jungen Mannes mit Laukhard's Charakter=
anlagen
, der, bei geiſtiger Ueberlegenheit über ſeine Altersgenoſſen,
abgeſtoßen von der dürftigen wiſſenſchaftlichen Nahrung, welche
ihm dort geboten wurde, nur zu dald Neigung fühlte, die Rolle
eineslStudirenden mit der eines Renommiſten zu vertauſchen. In
ſeiner Lebensbeſchreibung ſchildert er uns ausführlich das tohe
und wüſte Leben der Gleßener Studenten und er gibt uns das
Urbild eines damaligen honorigen Gießener Burſchen in fol=
gendem
, von einem ſeiner Mitſtudirenden verfaßten Gedicht, deſſen
Schilderung dem Gießener Student von 1774 wie ein Ei dem
andern gleichen ſoll.
Gortſetzung folgt.)

Mitthellungen ans Stadt und Land.
Die geſtrige D. 8. bringt die Ernennung des Präſidenten des
Ober=App.= und Caſſ.=Gerichtes Dr. Maller zum wirkl. Geheimerath mit
dem Pradicat Excellenz. Dem Director des Ober=App.= und Caſſ=Gerichts
Dr. Zentgraf wurde der Charakler als Geheimerath verliehen.
Haüptmann Klein vom Fuß=Art. Regt. Nr. 4 zu Magdeburg,
ſeither als Vorſtand des Art=Depots hierher commandirt, iſt zum Vorſtand
des erwühnten Depots ernannt worden.
- Fur die Herſtellung und Unterhaltung der Straßen in Darmſtadt
wurden in 1873 verausgabt:
a. für Pflaſterung, Chauſſirung und Anlage von Floß=
rinnen
und Uebergänge: 1) Pflaſterung der Wilhelminenſtraße von
der Hügelſtraße bis zur Eliſabethenſtraße 4426 fl. 15 kr., 2) Pflaſterung
des Banquets lüngſt der Coch'ſchen Hofraithe in der unteren Wilhelminen=
ſtraße
642 fl. 51 kr., 3) Pflaſterung der Floßrinnen am Wilhelminen=und
kath. Kirchenplatz 658 fl. 13 kr., 4) Pflaſterung der Straße vor dem Juſtu=
palaſt
2501 fl. 24 kr., 5) Chauſſirung der Lagerhausſtraße 3993 fl. 8 kr.,
6) für Herſtellungen in der Blumenthalſtraße 164 fl. 42 kr., 7) Chauſſi=
rung
der Kahlertſtraße 1497 fl. 57 kr., 8 Koſten bei Eröffnung der Caſino=
ſtraße
an dem Hauſe vor Franz Weber und Gottfried Schwab 3349 fl. 16 kr.,
9) Pflaſterung von Uebergängen in der Frankfurterſtraße 648 fl. 53 kr.,
10) Pflaſterung der Ruthsſtraße 1309 fl. 3 kr., 11) Pflaſterung der Neu=
gaße
1044 fl. 54 kr., 12) Pflaſterung der H. Ochſengaſſe 1317 fl. 10 kr. form verwandelte.

13) Pflaſterung der Bachgaſſe 125 fl. 86 kr., 14 Pflaſterung des Banquets
am Ballonplatz 406. fl. 9 kr., 15) Pflaſterung der Hochſtraße 11499 fl. 41 kr.
16) Pflaſterung der Mühlſtraße 5939 fl. 36 kr., 17) Pflaſterung und Er=
weiterung
der Soderſtraße 7347 fl. 14 kr., 18) Chauſſirung des alten Roß=
dörſer
Wegs 2797 fl. 39 kr., 19) Pflaſterung der Floßrinnen in der oberen
Riedeſelſtraße 1212 fl. 25 kr., 20) Chauſſirung der Saalbauſtraße von der
Sandſtraße bis zur Heinrichſtraße 3901 fl. 81 kr., 21) Nachtragliche Ar=
beiten
bei der Pflaſterung der Heidelbergerſtraße, 370 fl. 41 kr., 22) An=
lage
von Floßrinnen in der Heinrichſträße, Pflaſterung eines Theils der
oberen Heinrichſtraße und Herſtellung eines Ueberaanas 4571 fl. 47 kr.,
23) Anlage eines Durchlaſſes in der Carlsſtraße 549 fl 34 kr 24) für
die Arbeikten in den Steinbrüchen und im Baumagazin 1833 fl. 6 kr.
Summe 52708 fl. 45 kr.
b. fuͤr Unterhaltungder Straßen: U in der Stadtg7Ifl 42 kr.,
2) auperhalb der Stadt 6472 fl. 5 kr., 3) der Feldwege 1906 fl. 33 kr.,
Summa 18,150 fl. 25 kr.
c. fur Straßengelände: 1) Ecke der Caſinoſtraße und des
Landwehrwegs 4500 fl., 2) Gelände in der Magazinſtraße vor der Win=
ter'ſchen
Hofraithe 700s fl. 16 kr, 3) Gelände in der Soderſtraße 1383 fl.,
4) Gelande im alten Roßdörſerweg 564 fl. 16 kr. 5) Gelände in der
Pancratius= und Kranichſteinetſtraße 2792 fl., 6) Gelände in der Schützen=
ſtraße
450 fl., 7) verſchiedene Straßengelande 166 fl. 24 kr. Summa
16 863 fl. 56 kr. Im Ganzen wurdenz hiernach in 1873 87723 fl., 6 kr.
fur Straßen ausgegeben.
Die Stadt Darmſtadt hatte am 1. Januar 1874 im Ganzen
1151532 fl. 45 kr. Schulden. Dieſe beſtehen in:
A. Obligationen au portonr: 1 zu 8½ 1Ct. 328200 fl.,
2) zu 4 pCt. 107,000 fl., 3) zu 4½ pCt. 417000 fl., 4 zu 5 p6t.
105,000 fl. = 958100 fl.
b. in Schuldſcheinen: D zu 3½ vCt. 8500 fl., 2 zu 4 pCt.
189932 fl. 45 tr. 2 193422 fl. 45 kr. Summa 1151532 fl. 45 tr.
Für dieſe Schuld iſt im Jahr 1873 bezahlt worden: 1) Zinſen
44666 fl. 18 kr., 2) an Capitalrückzahlungen 30255 fl. Zuſammen
74921 fl. 18 kr.
M.
Das Conzett des Salzunger Kirchenchors, welches in der
Katharinenkirche zu Frankfurt a. M. ſtattfand, hat, wie wir hören allge=
meinen
Beiſall gefunden, es ſteht daher zu erwarten, daß dasſelbe nächſten
Freitag auch hier der Fall ſein werde. Der Sängerchor trifft im Laufe
des Vormittags am 26. hier ein und wird von Mitgliedern des hieſigen
Comite's, ſowie einer Claſſe der Großh. Realſchule in Empfang genöm=
men
werden. Die Knaben werden ſodann ihre Quartierbilleis empfangen
und von ihren Darmſtädter Führern in die Familien geleitet. welche ſich zu
deren Aufnahme bereit erklatt haben. Nach dem Conzert ſoll eine geſellige
Zuſammenkunft der aͤlteren Chormitglieder und hieſiger Kunſtfreunde ſtall=
finden
.
Mainz, 24. Juni. In unſerer Fruchthalle herrſcht bereits eine rege
Thätigkeit um dieſes große und ſchöne Lokal zur Aufnahme der vorzüg=
lichſten
Erzeugniſſe des Gewerbfleißes hieſiger Stadt herzurichten. Der An=
ſtrich
des Dachwerks und der Wände iſt vollendet und das aus vielen
tauſenden von Stangen gebildete Gerllſt wieder beſeitigt. Die Legung des
Fußbodens hat begonnen und das Baſſin für die große von Zulauf und
Comp. aufjuſtellende Fontaine iſt gemauert und erhält ſchon ſeine Ge=
mentbetleidung
. In den Fabriken und Werkſtätten iſt man ebenſo beſchäf=
tigt
die Gegenſtände herzuſtellen, welche Zeugniß fuͤr ihre Leiſtungsfähigteit
abzugeben beſtimmt ſind. Bei dieſem Zuſammenwirken iſt nicht mehr zu
bezweiſeln, daß die Ausſtellung. wenn nicht am erſten Tage des
Auguſt, doch in der erſten Hälfte dieſes Monais dem Publikum geöffnet
werden kann.
- Sonntag den 21. Juni ſand zu Ober=Ingelheim das 1874er Be=
zirksturnen
der Rheinheſſiſchen Turnvereine unter Bethei=
ligung
von etwa 300 Turnern aus 12 Vereinen ſtatt. Zwei Mitglieder
der Turngemeinde Darmſtadt und ein Mitglied aus dem Turnverein Mainz
waren zur Bildung einer techniſchen Beurtheilungs=Commiſſion berufen.
Die Betheiligüng der dortigen Krieger= und Geſangvereine ſowie die
zahlreiche Theilnahme Seitens des Publikums geſtalteten das Turnfeſt zu
einem wahren Volisfeſte fuͤr Ober=Ingelheim und die ganze Umgegend. N. L.
Ein junger Mannheimer, angethan mit vollendetem Hochzeitsſtaate
fuhrte am verfloſſenen Montag Nachmittag ſein errsthendes Bräutchen über
das Trottoir der Cquipage zu und ließ ſie einſteigen, alsdann den Wagen=
ſchlag
zuwerſend. Er ſelbſt, als Mann von Welt, lief um den Wagen
herum auf die andere Seite, um von hier aus einzuſteigen. Bevor er je=
doch
dazu kam, fuhr der Kutſcher, in der Meinung, das Paar ſei vollzählig
im Coupe, im ſcharſen Trabe davon. Der Bräutigam ſtand nicht an, ſo=
ſort
in einen ſtarken Dauerlauf überzugehen und galloppirte eine ganze
Strecke neben dem Wagen her, ehe es ihm und dem Publikum gelang. den
eifrigen Kutſcher auf ſein Verſehen aufmerkſam zu machen und zum Halten
zu bewegen. Daß die ſonderbare steeple chase unter homeriſchem Ge=
lächter
der Umſtehenden erfolgte, braucht kaum erwähnt zu werden, um ſo
weniger, als der gehetzte Brautigam endlich bei der Heißgeliebten anlangend.
im Uebereifer beim Einſteigen ſich den neuen Cylinder vollſtändig ſelbſt
antrieb und ihn zugleich beim Stoß gegen das Wagendach in Eierkuchen=

Dem heutigen Platte liegt General=Anzeiger für Baden Nr. 30= bei. Die darin empfohlenen Bücher und Zeit=
ſchriften
halten vorräthig die Buchhandlungen von Bergſträßer, A. Klingelhöffer, F. L. Schorkopf, Buch: Kunſt= und
Muſikalien=Handlung, Rühl, Rettig. C. M. Kühn, Schlapp, A. Schödler, Würtz.
Redactton und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckeret.