Darmstädter Tagblatt 1874


19. Juni 1874

[  ][ ]

4
boTAhoruosvLo½ o.
10
LEII

Abonnementsprei=
41. air jählich incl. Brungelohn
Auswärts werden von allen Poſt=
ämtern
Beſtellungen enigegengenom=
men
zu 59 kr. pro Quartäi ſinc Poſt=
aufſchlag
und Beſtellgebühr


O1dg=UNd Aklhkoiail.

137. Jahrgang.
Amkliches Organ für die Bekannkmachungen des Großherzoglichen Ereizamts Darmſtadt.

Jaſetate.
werden angenommen in Darmſta.
vor der Expedition Rhinſtt ur 23!
in Beſſungen von Friedr. Blößer,
Friedrichsütr Nr 7½ ſdwie auswärtz
bor allen ſolzden Annoncen= Erpe=
digonen

RKilz.

Freitag den 19. Juni

1874.

Darmſtadt, am 16. Juni 1874.
Betreffend: Die Vorſchriften zur Vollziehung des Reglements vom 5. October 1854 über Verpflegung der Relruten, Reſerviſten
bei Elnziehungen reſp. Entlaſſungen.
Das Großherzogliche Kreisamt Darmſtadt
an die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien des Kreiſes.
Das nachſtehend abgedruckte Ausſchreiben Großherzoglichen Miniſteriums des Innern vom 5. d. Mts. zu Nr. M. d. J. 6104
theilen wir Ihnen zur Kenntnißnahme und unter dem Auftrage mit, die Gemeinde=Einnehmer Ihrer reip. Gemeinde alsbald
darnach zu bedeuten.
J. Verh. d. Kr.:
Dr. Momberger, Kreisaſſeſſor.
Abdruck.
Zu Nr. M. d. J. 6104.
Darmſtadt, am 5. Juni 1874.
Betreffend: wie oben.
Das Großherzogliche Miniſterium des Innern
an die Großherzoglichen Kreisämter.
Nach Mitheilung der Commiſſion zur Abwickelung der Großherzoglich Heſſiſchen Militär=Verwaltungs=Angelegenheiten laufen
bei der Intendantur der Großherzoglichen (25.) Diviſion, Abwicklungs=Abtheilung, noch immer Nachweiſungen der Gemeinden über
an einberufene Heerespflichtige vorſchußweiſe gezahlte Marſcheompetenzen aus den Jahren 1869, 1870 und 1871 Behufs Erſatz=
leiſtung
aus der Großherzoglichen Kriegskaſſe ein.
Mit Rückſicht auf die Rechnungsſtellung der Kriegskaſſe und auf die demnächſtige Beendigung der Abwickelungs=Arbeiten wollen
Sie die Gemeinde=Einnehmer anweifen, etwa noch rückſtändige Nachweiſungen der fraglichen Art aus den Jahren 1869, 1870 und
1871 bis längſtens Ende Juli d. J. bei Ihnen zur Prüſung und Viſirung nach Maßgabe der Beſtimmungen unſeres
Amtsblattes Nr. von 1868 bei Vermeidung der Nichtberückſichtigung einzureichen, und ſofort nach Rückempfang
derſelben die darin von Ihnen feſtgeſtellten Beträge bei der betreffenden Großherzoglichen Diſtricts=Einnehmerei zu erheben.
unterz.: von Starck.

EAin

5481) Oeffentliche Aufforderung
Forderungen an den Nachlaß des Mallers
Johann Martin Jordan zu Darmſtadt
ſind bei Meidung der Nichtberückſichtigung
bei Ordnung jenes binnen drei Wochen von
heute an dahier anzumelden.
Darmſtadt, am 15. Juni 1874.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
J. V. d. St.:
Weyland
Hirſch,
Stadtg. Aſſeſſor.
Landg.=Aſſeſſor.

Verſteigerungen.
Bekanntmachung.
5482) Donnerſtag den 25. Juni d. J.
Vormittags 9 Uhr ſoll auf dem hieſigen
Zeughaushofe ausrangirtes Artllerie= Ma=
teriul
, worunter 2 Wagen, Räder, 112 große
Packfäſſer, 6 Schraubſtöcke, 1 Ambos, Ge=
ſchirrſtücke
ꝛc., gegen gleich baare Bezahlung
öffentlich meiſtbietend verkauft werben.
Darmſtadt, den 17. Juni 1874.
Artillerie=Depot.
Klein.
Paulini.

Rmtr. Rmtr. Rmtr. Wellen.
4600
2250
32

Holz=Verſteigerung
im Domanialwald der Oberförſterei Möfelden
Es werden verſteigert:
1) Dienſtag den 23. Juni im neuen
Schlüchter:
Scheith. Prügelh. Stockh. Reisholz.
330
Buchen 66
18
Birken 54
244
Eichen 280
38 50 28 500
Erken,
2) Mittwoch den 24. Juni daſelbſt
und im Alteſchlüchter:
Scheitholz. Prügelholz. Reisholz.
Rmtr. Wellen.
Rmtr.
188
8700
Buchen
174
5900
2
Eichen
23100
Kiefern
Die meiſten Wellen ſitzen auf dem Gund=
weg
im Alteſchlüchter.
Zuſammenkunft jedesmal um 9 Uhr Mor=
gens
im Schlüchter, am 1. Tag auf dem
Kreuz der Beideſchlüchter= und Tannacker=
ſchneiße
, am 2. Tag auf dem Heuweg am
Mörfelder Feld.
Mörfelden, den 16. Juni 1874.
Großherzogliche Oberſörſterei Mörfelden.
Marr.
5483)

Feilgebotenes.
5021) ¾ Morgen Heugras zu
verkaufen lächſt der Gasfabrik.
Näheres bei der Expedition.
4370) Eichene Hauſpähne ( Ab=
allholz
) fortwährend bei
Küfer Gelfius.
3620) Annaſtraße 36 ein neuer eiſ.
Kochheerd z. vert.

5

pr Kumpf
inſtes Blummehl ſ. 1. 24.
pr. Kumpf
Kaiſermeh u. 30.
Ph. Carde.

G
3 Trockene Lohkäſe
ſind wieder zu haben in der
Heyl'ſchen Gerberei,
Mühlftraße 9.
5102) Eine Fiege zu verkaufen.
Langegaſſe Nr. 5.

299

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1110

M 119.

5051

(
aus der Freiherrlich Riedeſel'ſchen Brauerei
8 Lagerbier in Lauterbach das Glas zu 6 kr. in der
Garten=Wirthſchaft des Darmſtädter Hofesi.
A u Z v e r k a u f.
Wegen Ausverkauf meines Laden=Geſchäfts erlaſſe meine ſämmtlichen Specerei=
Waaren zu herabgeſetzten Preiſen; ferner empfehle Rum, Cognac und
ſonſtige Liqueure unter dem Fabrilpreiſe.
PP. Garde,
gegenüber der Krone.

Altenburger Rahmkäse,
Alpenkräuter-Käse,
Chester Käse, ächter engliſcher,
Emmenthaler Käse, Ia vollſaftige
Waare,
Edamer Käse,
Elsasser HünsterKäse in Schach=
teln
,
Handkäse, Hechtsheimer,
Limburger Käse, prima,
ParmesanKäse,
empfehlen
Brüchmeh & Frisdrich,
5313)
Kirchſtraße 9.
5485) Einige ſchöne Lapins nebſt Stallung
ſind billig zu verkaufen. Wo? ſagt die Exp.
Felnste franz. & engl. Lahn- 6
Hagelbürsten,
Béste Frisirkämme von Büſfelhorn,
Triester Schwämme jeder Gattung
in großer Auswahl,
Parfümerien, Toilelteseifen eto.
mpfiehlt billigſt
Carl Watzinger,
5486)
Louiſenplatz 4
ETTar

4472) Caſinoſtraße Nr. 14
zwei ineinandergehende Zimmer mit Aus=
ſicht
auf die Straße zu vermiethen und gleich
zu beziehen.
4619) Ein möblirtes Zimmer zu verm.
und gleich beziehbar. Mühlſtraße 52.
4697) Friedrichſtraße 20 iſt der 1. St
mit 6 Zimmern, 3. St. mit 5 Zimmern
und allen Bequemlichkeiten bis Auguſt be=
ziehbar
zu vermiethen.
Zu erfragen Eliſabethenſtraße Nr. 49.
4702) Ein freundlich möblirtes Zimmer
ſogleich zu beziehen Marienplatz 5.
4750) In einem neuen Hauſe der zweit=
Stock für 250 fl., ſowie ein Manſarden=
Logis für 150 fl. auf einem der höchſten
freien ſchön gelegenſten ſüdlichen Punkte
Darmſtadts auf ſogleich zu vermiethen.
Näheres in der Expedition.
Daſelbſt auch 3 kleinere Zimmer im erſten
Stock zu vermiethen.
5191) Mathildenplatz 5 iſt der 3. Stock
beſtehend aus 4 Zimmern, 2 Kabinetten
und allen ſonſtigen Bequemlichkeiten, zu
vermiethen und Anfangs Sept. zu beziehen.
5196) Eliſabethenſtraße Nr. 1 ein freund=
lich
möblirtes Manſardezimmer ſofort zu
M. Selzer.
vermiethen.

5229) Ein ſchön möblirtes Zimmer iſt
zu vermiethen und bis 1. Jull zu beziehen.
Hügelſtraße Nr. 20. Jacob Roth Wtw.
5404) Ein Logis mit Werkſtätte zu ver=
miethen
. Langegaſſe 5.
5444) Ein freundliches unmöblirtes Zim=
mer
iſt zu vermiethen. 21 Roßdörferſtr. 21.
5446) Am Bahnhof ein ſchönes unmöb=
lirtes
Zimmer zu verm. Näh. b. d. Expd.
5472)
Sofort,
ſoder bis 1. September Wienerſtraße 9
die bel Etage, 4 Zimmer mit allem Zu=
behör
, zu vermiethen.
5443) 3 Zimmer, Küche, Keller und
Speicher für 100 fl., oder nebſt großer
Werkſtätte und Remiſe für 200 fl. zu ver=
miethen
. Untere Rheinſtraße 49 parterre.
5447) Langegaſſe Nr. 8 ſind 2 Logis zu
vermlethen und bald zu beziehen. Auskunft
ertheilt während meiner Abweſenheit Herr
Herzberger nebenan. H. Hirſchhäuſer.
5487) Heinrichſtraße v6
Hoch=Parterre, 8 Zimmer, Souterrain,
Stallung für 3-4 Pferde mit Zubehör;
beziehbar im September.
5488) Caſinoſtraße 14 im Hinterbau ein
Logis zu vermiethen: 2 Zimmer, Küche ꝛc.
A. Nold, Schloſſermeiſter.
5489) Ein Logis zu vermiethen.
Arheilgerſtraße 28.
Vermiſchte Nachrichten.
5062) Ein braver Junge kann unter ſehr
günſtigen Bedingungen die Stuhl aacherei
erlernen.
Karl Knaub, Stuhlfabrik.
5211) 82,000 Gulden
ſind gegen Hypotheken und gute Accepte
durch den Unterzeichneten auszuleihen.
W. Kalkbrenner, Grafenſtraße 19.

Vermiethungen.
3663) In meinem Hauſe, Friedrichſtraße
Nr. 26, iſt der dritte Stock, beſtehend aus
5 Zimmern nebſt allem Zugehör, zu ver=
miethen
und im Juni zu beziehen.
Wilhelm Schäfer.
3698) Obere Hügelſtraße Nr. 26 ſind
Theile des Manſardenſtocks (auch mit =
beln
) veu hergerichtet, zu vermiethen.
3721) Heinheimerſtraße Nr. 16 iſt im
mittleren Stock ein freundliches Zimmer mit
ſchöner Auficht zu vermiethen und ſogleich
zu beziehen.
3992) Ein großes und ein kleineres Lo=
gis
zu vermiethen. Gardiſtenſtr. 31.
4214) Ein Zimmer mit oder ohne =
bel
zu vermiethen. Promenadeſtraße 13.
4360) Zu vermiethen im Darmſtädter
Hof im weſtlichen Flügel 2 Treppen hoch
2 Zimmer, 2 Cabinet nebſt Küche; ferner
im Erdgeſchoß die bisher von dem Gerichts.
Büreau benutzten Räumlichkeiten mit Sepa=
rateingang
von der Grafenſtraße.
4579) Heinheimerſtraße 7 ein möblirtes
Zimmer zu vermiethen, ſogleich zu beziehen.
Auguſt Herwegh.

Main=Neckar=Bahn.
HoJo Rundreiſebillele nach der Schweiz.
izuutni
Von den dieſſeitigen Stationen Frankfurt und Darmſtadt

E werden vom 20. l. Mis. ab Rundreiſebillete gültig während 30
Tagen zu allen fahrplanmäßigen Zügen, welche die betreffende Wagenklaſſe führen, für
die Tour:
Von Frankfurt reſp. Darmſtadt über Heidelberg, Offenburg, Baſel, Bern, Thun,
Interlaken, Brienz, Alpnach (oder Fluelen oder Beggenried), Luzern, Zürich, Schaff=
hauſen
, Singen, Triberg, Hauſach, Offenburg, Heidelberg oder in umgekehrter Richtung
zu nachfolgenden ermäßigten Preiſen ausgegeben:
Preis ab Darmſtadt.
Preis ab Frankfurt.
I. Cl. 31 fl. 14 kr.
l. Cl. 32 fl. 53 kr.
I. Cl. 22 20
I. Cl. 23 23
II. Cl. 15 27
Il Cl. 16 8
Der Reiſende hat jedoch auf der nicht mit Dampf befahrenen Strecke zwiſchen
dem Vierwaldſtätter= und Brienzer=See auf eigene Koſten für ſeine Beförderung zu
ſorgen.
Darmſtadt, im Juni 1874.
Direction der Main=Neckar=Bahn.
5415)
Schreiblehrer Maximilian ſander aus Alainz
eröffnet - (gleichwie alljährlich ſeit 1858 in Darmſtadt) - für Herren, desgll
Damen nächſten Montag 22. Juni einen weiteren Cyclus von XII. Lehrſt. ſeiner
Schreib=Methode und ſeht baldgefl. Anmeldungen: Ernſt=Ludwigſtraße 18
bei Frau Schmidt, woſelbſt die überraſchendſten und faſt unglaubl. Er=
(5490
folge zur geneigten Beſichtigung aufliegen, entgegen/

[ ][  ][ ]

M 119
1111
5480) Bei dem Feſteſſen am 9. Juni d. J. im Saalbau iſt mir ein ſchwarz=ſeidner HerrnRegenſchirm mit
Krückenſtock und Lederſchleife von dem Geſtelle, wo ich ihn aufgehangen hatte, weggekommen. Da hier nur ein Irrthum obwalten
kann. bemerke ich, daß innen auf einem oberhalb der Drähte um den Stock gellebten Zettelchen mein Namen ſteht, und bitte um
gefällige Rückgabe.
Lorey, Realſchuldirector.

5056) Umzugshalber erlaſſe eine gute
abgelagerte 1 kr. Cigarre, per mille 10 fl.
gegen baar. Bei Abnahme von größeren Parthien entſprechend billiger.
Darmſtadt.
Ph. Garde,
gegenüber der Krone. 78
3 Für junge Kaufleute.
Gründlicher Unterricht in der dop=
pelten
Buchführung, kaufmänni=
ſchen
Correſpondenz und Rechnen
wird von einem praktiſchen Kaufmann
ertheilt. Wo? ſagt die Exp. d. Bl. 5417)
Geſchäfts=Empfehlung.
Hiermit erlaube ich mir einem geehrten Publikum die ergeſenſte Anzeige zu machen,
daß ich unter heutigem Tage in dem Hauſe des Herrn C. Schmidt, vorm. Kling,
(Kirchſtraße), ein Colonialwaaren=Geſchäft en détail eröffnet habe.
Indem ich mich bemühen werde, durch eine ſorgſame und reelle Bedienung mich
des geſchenkten Wohlwollens würdig zu zeigen. bitte ich um gütigen Zuſpruch.
Hochachtungsvoll
F. Pröscher. 5422) Der Schirmmacher=Gehülfe Fr. W.
Schluter iſt ſeit dem 12. d. Mts. nicht
mehr in meinem Dienſte.
Paul Berger, vorm. Wilhelm Harres. 4972) Vollſtändig geübte Weißzeug=
näherinnen
werden geſucht.
Nähere Auskunft bei der Exp.
5278) Einen Lehrling ſucht gegen Koſt
und Logis oder Wochenlohn.
G. Beck, Schreinermeiſter,
Schützenſtraße 12. Die Nummern 10601 bis 12100 50 Dollar,
34001 , 37400 100

17601 19300 500

41001 , 46100 1000
ſind auf den 3. Geptember d. J. zur Rückzahlung gekundigt, und löſe ich dieſelben
jetzt ſchon zum höchſtmöglichen Cours ein.
Verdinand Sander,
5491)
Louiſenplatz, Eck der Rheinſtraße.
5066) Ein braves Mädchen kann noch
2972) Einen Lehrling ſucht
das Strohſtuhlflechten erlernen. Sehr gute Bedingungen und ſchon in kurzer Zeit hohen/
Verdienſt. Karl Knaub, Stuhlfabrik.
5430) Es wird in oder außerhalb der
Stadt ein kleines Familienhaus
mit Garten geſucht. Adreſſen unter Chiffre
O. 5430 in der Exp. d. Bl.
Zu hoch hinaus!
Erzählung von Friedrich Friedrich. Der Förſter trat vor den Hof, wo der Jäger mit dem Un= glücklichen ſtand. Langſam brachten ſie ihn zum Hauſe. Schon, ihm die Hand entgegen.
Kommen Sie - kommen Sieln ſprach er haftig, aufge= ſlürzten ihre Thränen hervor, als ſie ihres Bruders abgezehrte
Geſtalt erblickte.
In größter Aufregung kam Grete ihm entgegen. Sie hatte Verlegenheit glitt über ſein Geſicht hin.
von ihm entfernt war, als ſie ſein bleiches, abgezehrtes Geſicht= haſt ja nichts von Dir hören laſſen. trat Steffens wieder aus der Thür.
regt. Ich habe es ihr geſagt
Die Männer geleiteten den Halberſtarrten in das Zimmer.
in dem Augenblicke vergeſſen, wie viel Elend und Thränen er
über ſie gebracht hatte. Als ſie indeß nur noch wenige Schritte

Gortſetzung.)

mit den tiefliegenden Augen, als ſie ſeine ärmliche dürftige Klei=
dung
erblickte, wich die Faſſung von ihr, und das Geſicht in
beiden Händen bergend, brach ſie in heftiges Schluchzen aus.
So trat ihr ihr Bruder entgegen, der vor wenigen Jahren mit
einem ſtolzen, halb mitleidigen Lächeln auf ſie herabgeblickt hatte!
Das war zu viel für ihre Kraft. Ihr Mann geleitete ſie zu
einem Stuhle und ſuchte ſie zu beruhigen.
Der Förſter und Steffens brachten den Unglücklichen, auf
deſſen Geſicht bei dem Wiederſehen ſeiner Schweſter keine beſon=
dere
Erregung zu bemerken war, zu dem Lehnſtuhl, auf welchem
wenige Minuten zuvor der Ackerbauer ſo behaglich geſeſſen hatte.

Gänzlich erſchöpft, brach er auf demſelben zuſammen. Während
die Männer noch um ihn beſchäftigt waren, eilte die Bäuerin
fort, um Erfriſchungen und Stärkungen für ihn zu holen.
Auch Grete hatte ſich unter dem Zuſpruche ihres Mannes
wieder gefaßt. Sie trat zu dem erſchöpft Daſitzenden und ſtreckte
Karl, Karl! Woher kommſt Du ?u rief ſie und aufs Neue
Der Genannte ſah zu ihr auf. Ein ſchwaches Lächeln der
Ich wollte ſehen, wie es Dir erging=, ſprach er.
Seit Jahren hatte ich nichts von Dir gehört, denn Du
Grete erwiderte auf dieſe Worte nichts.
Es geht ihr gut=, erwiderte Steffens. Sie hat in mei=
nem
Hauſe eine neue Heimath gefunden.
Ein dankender Blick aus Grete's Auge traf ihn.
Ihr habt mehr an mir gethan, als mein eigener Vaters,
ſprach ſie.
Laß - laß, Kind ſagte der Bauer.
Schweigend, den Blick vor ſich hingerichtet, ſaß Karl da.
Iſt nichts von der Mühle meines Vaters übrig geblieben Pu
fragte er.
Dieſe Frage erfülle den Bauer mit Unmuth.

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1112

N6 119.

Nunv, erwiderte er nicht ohne Bitterkeit, ſie hat noch
nicht einmal ausgereicht, um die Schulden zu decken! Hier ſteht
Grete, ſie kann bezeugen, wie viel ſie von dem ganzen Vermögen
ihres Vaters erhalten hat. Nun, ſie bedarf deſſelben gott=
lob
nicht!u
Karl ſchwieg. Als die=Bäuerin ihm indeß Speiſe und Trank
brachte, griff er tüchtig zu, und es ſchmeckte ihm vortrefflich.
Die Jahre welche er im Gefängniß zugebracht hatte, ſchienen
ſeinem leichten Sinne wenig Abbruch gethan zu haben.
Während er noch mit dem Eſſen beſchäftigt war, trat Marie
an Georgs Seite in das Zimmer. Der verlegene Gruß der
Ihrigen fiel ihr auf, allein ſie ſtand bereits mitten in der Stube,
ehe ſie den in dem Lehnſtuhle Sitzenden erblickte. Erſchreckt
fuhr ſie zuſammen. Röthe und Bläſſe wechſelten auf ihrem
Geſichte.
Karl! Karlu ſchrie ſie auf und wollte auf ihn zuflürzen,
ehe ſie ihn indeß erreicht hatte, wandte ſie ſich von ihm ab und
flüchtete zu ihrem Manne, gleichſam an deſſen Bruſt Schutz
ſuchend.
Auch Karl hatte ſich in dem Stuhl empor gerichtet. Das
Wiederſehen derjenigen, mit welcher er einſt verlobt geweſen war
und die er nun in voller Schönheit vor ſich erblickte, ſchien ihn
zu erſchüttery. Es mochte auch der Gedanke in dieſem Augen=
blick
durch ihn hinziehen, wie glücklich er hätte werden können
und wie leichtſinnig er ſich ſelbſt um dies Glück betrogen hatte.
Steffens trat zu ſeiner Tochter und Georg und theilte ihnen
mit, in welcher Weiſe Grete's Bruder in ſein Haus gekommen
war. Das Mitleid regte ſich in dem Herzen der jungen Frau.
Sie vergaß in dieſem Augenblick, wie viel ſie durch ihn gelitten
hatte. Auf Georg richtete ſie einen fragenden Blick. Der ver=
ſtand
denſelben. Ruhig ſchritt er auf Karl zu und reichte ihm
die Hand dar.
Sobald Karl durchwärmt war und ſich durch Speiſe ge=
kräftigt
hatte, wurde er durch Steffens zur Ruhe gebracht. Wil=
lig
ließ er Alles mit ſich geſchehen
In Mariens Gegenwart war er ſtill und ſchweigend ge=
weſen
.
Sein Unglück ſcheint ihn doch geändert uud gebeſſert zu
haben ſprach Georg, als er das Zimmer verlaſſen hatte.
Ich glaube es nicht entgegnete der wieder eingetretene
Bauer, der die Worte gehört hatte. Ich glaube es nicht. Was
meinen Sie, Herr Förſter ?u
Der Förſter zog ausweichend, zweifelnd die Achſeln empor.
Wir müſſen es abwarten;, gab er zur Antwort. Hat
ihn dieſe Erfahrung nicht klüger gemacht, ſo wird er es nie
werden.
Georg und Marie nahmen ſich Karls an. Steffens war
gegen ihn. Schweigend ſaß Grete daneben.
Grete, ſag Du uns Deine Meinung Du kennſt ihn
ja am beſten, wandte ſich der Bauer an ſie.
Traurig, bekümmert blickte die junge Frau ihren Schwieger=
vater
an.
Es iſt mein Bruder, erlaßt mir jedes Urtheil, bat ſie.
Du haſt Recht fiel Steffens eig, Du darſſt nicht hart
über ihn urtheilen, denn mag er gegen Dich noch ſo unrecht ge=
handelt
haben, ſo bleibt er doch immer Dein Bruderl Was
ſoll aber jetzt aus ihm werden? Zur Arbeit wird er wenig Luſt
haben, und einen Vater, der ihn erhält, hat er nicht mehr!
Laß ihm Zeit, bat Marie.
Er hat ja Jahre lang Zeit gehabt, über ſeine Zukunft
nachzudenken fuhr Steffens fort. Beurtheile meine Worte
nicht falſch, Marie. Nicht ſein früheres, unverantwortlich leicht=
ſinniges
Leben trage ich ihm nach, denn es iſt einmal geſchehen
und nicht mehr zu ändern - daß er hierher gekommen iſt
das kann ich ihm nicht verzeihen. Wär' ich an ſeiner Stelle ge=
weſen
, ſo würde ich mir lieber durch die ſchwerſte und gewöhn=
lichſte
Arbeit mein Brod verdient haben und alle Kräfte aufge=
boten
haben, um ein ordentlicher Menſch zu werden, ehe ich mich

vor meiner Schweſter und meinen früheren Bekannten wieder
hätte ſehen loſſen. Sein Vater hat ſich das Leben genommen,
weil er die Schmach nicht zu ertragen vermochte, ihn ſcheint ſie
nicht beſonders ſchwer zu drücken. Das macht mich um ſeine
Zukunft beſorgt!
Steffens; Blick war der richtige geweſen. Kaum waren
einige Tage geſchwunden, kaum fühlte Karl ſich wieder wohler
und kräftiger, ſo trat auch ſein früherer hochfahrender, leichter
Sinn wieder hervor. Ohne Scham erzählte er rühmend von
ſeinem frühern Leben. Thörichte, große Pläne fanden bereits
wieder in ſeinem Kopfe Raum, obgleich er nicht ſo viel beſaß,
um einen Tag lang davon leben zu können. Er ſprach ſogar
davon, nach der Reſidenz zurückzukehren und ein neues Geſchäft
zu beginnen.
Ich bin klüger geworden !u ſprach er. Was ich verloren
habe, will ich wiederge vinnen, nur darf ich nicht zu klein be=
ginnen
.
Wer langſam anfängt und weiter ſchreitet, kommt am
ſicherſten zum Zieles, warf Steffens ein, der meiſt ſchweigend
und ihn ruhig beobachtend zuhörte.
Ein ſpöttiſches Lächeln glitt über Karls Geſicht.
Das iſt nicht meine Art und Weiſe; entgegnete er. Ich
will Eurer Klugheit nicht zu nahe treten, allein über ſolche Ver=
hältniſſe
habt Ihr keinen Ueberblick - ich kenne ſie indeß. Was
man angreiſt, muß man großartig beginnen. So iſt es in
der Reſidenz Mode, ſo hält man es auch in Paris und London!
Das beſtreite ich nicht, weil ich es nicht kenne: erwiderte
Steffens ruhig. Ich will auch Niemand Vorſchriften machen,
denn es muß ein Jeder ſelbſt wiſſen, wie weit er mit ſeinen
Kräften und ſeinen eigenen Mitteln gelangen kann.
Er ſtand auf und verließ das Zimmer.
Karl hatte ihn verſtanden, denn mit einem halb ſpöttiſchen,
halb unwilligen Blick ſah er ihm nach.
Der Ackerbauer würde ihn ohne Weigerung noch Wochen
und Monde im Hayſe behalten haben, hätte er nicht bemerkt,
wie ſehr Grete durch ſeine Anweſenheit litt. Sie fühlte ſich
gedrückt, und doch wagte ſie in keiner Weiſe ihm entgegen zu
treten, weil er ihr Bruder war.
(Schluß ſolgt.)

Mittheilungen aus Stadt und Land.
- S. M. der Kaiſer von Rußland wird Freitag N. M. 4 Uhr
in Jugenheim eintreffen und wahrſcheinlich bis zum 7. nächſten Monats
dort Auſenthalt nehmen.
Das Gr. Regierungsblatt Nr. 34 vom 18. d3. enthält: 1) Geſetz,
die landſtändiſche Geſchäftsordnung betr. 2) Ueberſicht der für 1874 ge=
nehmigten
Umlagen zur Beſtreitung der Bedütfniſſe der iſraelitiſchen Reli=
gionsgemeinden
des Kreiſes Darmſtadt.
Das Reichskanzleramt hat das neue Betriebsreglement
für ſämmtliche Eiſenbahnen Deutſchlands publicirt. Unter
den Beſtimmungen derſelben heben wir hervor, daß der Reiſende jetzt an
jedem Punkt berechtigt iſt, die Fahrt zu unterbrechen (8 10), hohe Strafen
für verſpätete Ablieferung des Reiſegepäcks und Verluſt desſelben, ſo wie
für verſäumten Anſchluß, ſtrengere Beſtimmungen über Lieferzeit der Güter
und Haftpflicht für dieſelben ꝛc. Das Reglement tritt am 1. Juli in Kraft.
- Bei günſtiger Witterung feiert kommenden Samstag den 20. dſs.
der kaufmänniſche Verein in Mainz ſein alljährliches Nachtfeſt
in der neuen Anlage. Das Programm verſpricht Concert der 87er, bril=
lantes
Feuerwerk, Schattenbilder und Aufführung zweier Luſtſpiele.
Am Mittwoch erhängte ſich hier ein in dem Kreiſe ſeiner Freunde
und Bekannten wohl gelittener und geachteter penſionirter Wachtmeiſter des
1. Drag=Regts. Nur die in letzterer Zeit in Folge eines inneren Bruches
unerträglichen Schmerzen und ohne jede Ausſicht auf eine Beſſerung ſeines
Leidens dürfen als Motiv zu dieſer That angeſehen werden.
- Vergangenen Dienstag ließ in Goddelau eine Frau ein Fläſchgen
mit Schweſelſäure, welches ſie zum Putzen von Geſchirr verwenden wollte
unbeachtet ſtehen; ihr Kind trank davon und ſtarb nach kurzem aber qual=
vollen
Leiden.
- In Cöln ſind 2 für Coblenz und Mainz beſtimmten Kanonen=
boote
eingetroffen.

Hierzu eine Extra=Beilage, betr.: Kleinkinderſchule zu Darmſtadt.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.