R3G.
Abonnementsp.
2fl. 48 kr jährlich incl. Bringeclohn
Auswärts werden von allen
Poſt=
ämtern Beſtellungen
enigegengenom=
men zu 59 kr. pro Quartal inch
Poſt=
aufſchlag und Beſtellgebühr
Frug- und Anzeigeblatt.
137. Jahrgang.
Amtliches Orgau für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreizamts Darmſtadt.
Verſteigerungen.
Bekanntmachung.
Am Montag den 23. dieſes Monats,
Vormittags 9 Uhr, ſollen auf dem Hofe
des Artillerie=Depots, Zeughausſtraße 1,
nachſtehend aufgeführte Baumaterialien ꝛc.
öffentlich an den Meiſtbietenden gegen gleich
baare Bezahlung verkauft werden: eine
Par=
thie alter bearbeiteter Haufteine, Thorpfeiler,
Fenſtergeſtelle, Treppentritte, 1 viertel
ge=
wundene geſtemmte Treppe von Eichenholz
mit Geländer, 8 verſchiedene geſtemmte
Thore, darunter ein=, zwei= u. dreiflügelige
mit Glasſcheiben verglastem Oberlicht und
Beſchlag, 4 zwei= reſp. einflügelige Fenſter
mit Beſchlag, 1 Durchzug von tannen Holz,
tannenes Bauholz, Brennholz, Bretter,
358 Meter Gasleitungsrohr mit Zubehör,
7 Steinkohlenöfen, 1 Holzofen, 786 Kilo
Guß= und 10½ Kilo Schmiedeeiſen, 348
Kilo Eiſenblech in alten Oefen.
Darmſtadt, den 17. Februar 1874.
1362)
Artillerie=Depot.
1380a) GBraunshardt.) Montag den
23. d. Mts., Mittags 1 Uhr, ſoll auf dem
Vicinalweg von hier nach Weiterſtadt die
Erbauung von 3 Durchläſſen u. die Chauſſier=
Arbeiten unter den bei der Verſteigerung
bekannt gemacht werdenden Bedingungen an
Ort und Stelle öffentlich verſteigert werden:
1) Die Mauerarbeit der Durchläſſen,
verüberſchlagt zu
261 fl. 45 kr.
2) Die Chauſſierarbeiten,
verüberſchlagt zu 1067 fl. - kr.
Braunshardt, den 17. Februar 1874.
Großherzogliche BürgermeiſtereiGraunshardt.
Schmidt.
1402)
Verſteigerung
auf dem Forſthaus Koberſtadt.
Dienſtag den 24. Februar von Morgens
9 Uhr an gegen Baarzahlung von:
1 vorzügl. Milchkub (Mitte März kalbend),
Hühnern, 2 Birnſtämmen, Brenn= und
Nutzholz. verſchiedenen Haus= u.
Oecono=
miegeräthen, Kartoffeln, Miſt ꝛc.
Koberſtadt, den 18. Februar 1874.
Bommersheim, Oberförſter.
Feilgebotenes.
1327a) Mehrere neue
Pfeilerſchränk=
chen ſind billig zu verkaufen.
G. Beck, Rheinſtraße 28.
Freitag den 20. Februar
1874.
Die Masken-Garderobe-Fabrikk und Leih-Anstalt,
1403)
von
A. H. Poch in Darmſtadt, Bleichſtr. 7,
hat nurmehr wieder alle ihren aus wärtigen Filialen zum diesjährigen Faſching
über=
gebinen Coſtüme für Herren, Damen und Kinder zurückgezogeu und erlaubt ſich hiermit
für die Nachbälle, Maskenkränzchen und Tableaux zum Beſuch und Beſichtigung ergebenſt
einzuladen. Gleichzeitig wird noch bemerkt, daß die Anſtalt ein großes Theater=Garderobe=
Inventar beſitzt, welches ihr ermöglicht, theatraliſche Aufführungen bei Vereinen und in
Privatzirkeln, wie bei Leſekränzchen mit Coſtümen gegen mäßiges Honorar auszuſtatten.
40 Gaa4
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42
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CooLdunoonoubueönanrrusannn
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1404)
44)
GAAuAN
2
Bei Abnahme von 10 Pfund verkaufe:
feinen grünen Java=Kaffee zu 18 kr. gegen gleich
feinſten
Zeylon=
52 kr.
gelben Java=
52 kr. Zahlung R
„
unter Garantie des reinen Geſchmacks.
Pfundproben werden abgegeben.
Enuanuer Fund, Kirchſtraße 1.
Oeſterreichiſche Guldenſtücke zu 1 fl. 6 kr.
16 kr.
„
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4
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baare
4
4
6 kr. Stücke
„ 4½ kr.
„
K nehme an Zahlung.
Aaonou an o an ge ur ao e4
40020K
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4
godnannouanRRnn Avargsr uuunn
„
Le SChufer, Schirmfabritant,
S
24 Ernſt=Lubwigſtraße 24,
beehrt ſich hiermit anzuzeigen. daß ihm von einem bedeutenden auswärtigen
Damen=
ſchub=Geſchäft der Verkauf deſſen Erzeugniſſe an hieſigem Platze übertrogen iſt.
Der Preis ſämmtlicher Schuhwaaren iſt ſo billig geſtellt, daß ſolche nur gegen
baar verkauft können werden. und iſt für preiswürdige Waare garantirt. Reparaturen
ſan allen bei mir gekauften Schuhen werden von mir angenommen und nach
Ueberein=
kunft mit einem tüchtigen Schuhmacher von demſelben billigſt ausgeführt.
Indem ich mich bei Bedarf beſtens empfohlen halte, zeichne achtungsvoll
L., Schüfer, Schirmfabrikant,
24 Ernſt=Ludwigſtraße 24.
Dr. Pattison's
—
C
- Getuatte
lindert ſofort und heilt ſchnell
Gicht und Rheumatismen,
ſaller Art, als: Geſicht=, Bruſt=, Hals= und
Zahnſchmerzen, Kopf= Hand= und Kniegicht,
Gliederreißen, Rücken= und Lendenweh.
In Paketen zu 30 kr. u. halbe zu 16 kr. bei
Heinr. Damm, Kirchſtr., Darmſtadt.
1406) Eine ſchwere Vogelsberger Kuh
ausgezeichnet gut, iſt mit oder ohne Kalb
zu verkaufen bei
P. Fauſt in Gräfenhauſen.
1407) Wegen Mangel an Raum verkaufe
ich mein vorjähriges ſteinern Geſchier
noch um den Einkaufsprets.
A. Boos, Holzſtraße 7.
78
280
1408) Ein gut erhaltenes Taſel,
Clavier iſt wegen Wohnungsveränderung
zu verkaufen. Louiſenſtraße 24 parterre.
Vermiethungen.
9472) Arheilgerſtraße 49 zu
ver=
miethen ein geräumiges Logis und ſogleich
zu beziehen.
10821) An eine ruhige Familie,
Ma=
thildenplatz 9 bel Etage, 7 Zimmer mit
Speicher, Keller, Magdzimmer und allen
Bequemlichkeiten, auch kann Stallung für
2 Pferde dazu gegeben werden, ſofort zu verm.
10826) An eine ruhige Familie,
Ma=
thildenplatz 9, Ausſicht Gartenſtraße, 4
Zim=
mer nebſt einer großen Dachſtube, mit allen
Bequemlichkeiten ſofort zu vermiethen.
188) Mathildenplatz Nr. 5
iſt der mittlere Stock, beſtehend aus 4
Zim=
mern, 2 Cabinetten, Küche, Glasabſchluß
und allen ſonſtigen Bequemlichkeiten zu
ver=
miethen und 1. April zu beziehen.
390) Ein hübſch möblirtes Zimmer zu
vermiethen, ſogleichzu beziehen. Schirngaſſe2.
518) Gartenſtraße 7 ſind 3 heizbare
Zimmer, Küche mit Glasabſchluß, 2 Keller,
Mitgebrauch der Waſchküche und des
Bleich=
platzes zu vermiethen.
J. Noack.
571) Eliſabethenſtraße Nr. 34 mittlerer
Stock, 7 Zimmer enthaltend, zu vermiethen
und Ende März beziehbar.
Inſtitut Schmitz.
703) Ein ſchön möblirtes Zimmer im
1. Stock, Ausſicht auf die Straße, ſofort
zu vermiethen. Eliſabethenſtraße 35.
944) Heinheimerſtraße Nr. 7 iſt der
mittlere Stock zu vermiethen und bis 1. März
bezi.hbar.
1151)
Neckarſtraße 18.
Drei ſchöne Zimmer mit abgeſchloſſenem
Vorplatz im dritten Stocke ſind mit oder
ohne Möbel an einen Herrn ohne Familie
zu vermiethen und bis 15. März beziehbar.
1157) Lautenſchlägerſtraße Nr. 30 im
Seitenbau zwei freundliche Zimmer, Keller,
Boden, Bleichplatz, Waſchküche, Ende April
beziehbar.
1205)
Zu vermiethen.
In einer geſunden Lage ein Zimmer nebſt
Kabinet mit oder ohne Möbel an eine ſtille
Perſon oder an eine ſtille Familie mit allem
Zubehör und Bleichplatz, in einem großen
Garten gelegen. Hochſtraße Nr. 38.
1221) Zwei Zimmer, unmöblirt,
ineinandergehend, mit Ausſicht auf die Straße,
im 1. Stock Ludwigſtraße 12 zu vermietheu.
1370) Ein möblirtes Zimmer ſogleich zu
vermiethen. Schützenſtraße 14.
1374) Ein gut möblirtes Zimmer zu
vermiethen. Eliſabethenſtraße Nr. 58.
1387) Louiſenſtraße Nr. 4 zwei Stiegen
hoch ein großes Zimmer mit oder ohne
Möbel zu vermiethen für eine auch zwei
Perſonen.
1384) Wohuungs=Vermiethung.
Heinrichſtraße 106 parterre iſt eine
ſehr ſchöne große Wohnung mit allen
Be=
quemlichkeiten nebſt Gartenantheil ſofort oder
bis 1. März Verhältniſſe halber billig zu
vermiethen.
M. 36.
1409) Ein ſchönes Logis zu vermiethen
und ſogleich zu beziehen. Holzſtraße Nr. 7.
1410) Wienerſtraße Nr. 14 iſt der erſte
Stock, enthaltend 5 Zimmer, Küche mit
Waſſereinrichtung nebſt allen
Bequemlich=
keiten, zu vermiethen, 1. Mal beziehbar.
Preis 280fl. Auf Verlangen ein großer Garten.
Vermiſchte Nachrichten
Oeffentliche Aufforderung.
Forderungen und Zahlungen an den
ver=
ſtorbenen Rentner Chriſtian Jacobi
ſind binnen 14 Tagen Langegaſſe 3 geltend
zu machen, widrigenfalls vach Ablauf dieſer
Zeit keine Berückſichtigung ſtattfindet.
J. A.:
1352
Georg Jacobi.
819)
Geſucht!
Ein junges braves Mädchen, für
Haus=
haltung tüchtig, Näheres Schützenſtraße
Nr. 18 parterre.
351)
Geſucht!
Logis nebſt Räumlichkeit, für Werkſtätte
geeignet. Adreſſen bittet man in der Exp.
d. Bl. unter Nr. 1351 abzugeben.
1411) Soeben erſchienen:
Houester Insertions-Larik
und
Heitungs-Catalog
von
alldoh ao6s0.
Officieller Agent ſämmtlicher Zeitungen.
11. Auflage.
Dieſer Catalog enthält ſaͤmmtliche in
Deutſchland erſcheinenden Zeitungen und
Fachzeilſchriften, ſowie die geleſenſten Blätter
des Auslandes, mit Angabe der Auflage,
der Erſcheinungsweiſe und des Original=
Inſertionspreiſrs, zu welchem die
un=
terzeichnete Expedition Annoncen ohne Preis=
Aufſchlag und Porto=Berechnung prompt
befoͤrdert.
Der Catalog wird auf Wunſch gratis
verabfolgt.
Die Beitungs=Annonten=Expedition
von
Rudolf Mosse,Frankfurt a M.
Zeil 45 gegenüber der Hauptpoſt. 45 Zeil
1412)
Hausfrauen=-erein.
Die Abgabe von Waaren findet von Samſtag den 21. Februar an
Dienſtags, Donnerſtags, Freitags und Samſtags
Vormittags von 9 bis 12 Uhr ſtatt.
Beitrittserklärungen zum Verein werden nur im Local. Eliſabethenſtraße Nr. 30,
Montags von 10 bis 12 Uhr entgegen genommen und daſelbſt auch zu gleicher Zeit
Legitimationskarten ausgegeben.
Der Vorſtand.
1413)
Katholtken=Verein.
Sonntag den 22. Februar Nachmittags 1 Uhr
General-Versammlung.
Rechnungsablage und Ergänzungswahl des Vorſtandes.
„
C046
3:
Geſangverein „Läederzwoigeé”
Sonntag den 22. Februar 1874 Ausflug nach Nieder=Ramſtadt
bei Gaſtwirth Schneider), wozu ſämmtliche Mitglieder und Freunde des Vereins
ein=
geladen werden.
WB. Bei günſtiger Witterung um 2 Uhr Nachmittags Zuſammenkunſt an der
Stadtkapelle; im Falle ungünſtigen Wetters um halb 3 Uhr Sammelplatz an der Station
Roſenhöhe.
Der Vorſtand.
1376) Einen tüchtigen Küfer ſucht
H. Ritſert, Wilhelminenſtr. 17.
2 Am Dienſtag den 17. d. Mts. wurde
2 - von der Martinſtraße bis zum Theater
ein goldner Ohrring verloren. Der
Finder erhält gegen Rückgabe eine gute
Belohnung. Martinſtroße Nr. 23.
1414) Ein Mädchen ſucht Laufdienſt.
Große Ochſengaſſe Nr. 35.
1415) Ein ordentliches Hausmädchen mit
guten Zeugniſſen findet eine Stelle mit
hohem Lohn. Beſſunger Wilhelminenſtraße
Nr. 9 bel Etage.
1416) Tüchtige Mechaniker
inden bei gutem Lohn dauernde
Beſchäfti=
gung in der Maſchinenfabrik von
J. Schröder in Darmſtabt.
1417) Eine reinliche junge Frau ſucht
Laufdienſt. Zu erfragen Langegaſſe Nr. 3.
1418) Promenadeſtraße Nr. 25 wird eine
ſollde Wäſcherin geſucht, welche große
und kleine Waſche übernimmt und raſch und
ſchön beſorgt.
1419)
Samſtag Abend
Meyklſuppe,
wozu freundlichſt einladet
Fr. Wolf, Soderſtraße.
Großherzogliches Hoftheater.
Freitag. 20. Febr. 12. Vorſt. im 6. Abonn.:
Aſchenbrödel. Luſtſpiel in 4 Akten von R.
Benedir. Elfriede Fräulein Alma Rembach vom
Stadttheater in Goͤrlitz - Jda, Sophie Hauſer
von Mannheim, als Gäſte.
Sonntag, 22. Febr. 13. Vorſt. im 6. Abonn.:
Die ſicilianiſche Vesper. Große Oper in
Akten; Muſik von Verdi. Mit dem großen
Ballet: Die vier Jahreszeiten.
1420) Wir bitten ſämmtliche bei Herrn Stadtrechner Michell oder einzelnen Comite=
Mitgliedern beſtellten Plätze zu der Vorſtellung am 25. d. Mts. an dem zur Abholung aller beſtellten
Plätze beſtimmten Tage
Montag den 23. Februar Vormittags von 10-1 Uhr und Nachmittags von 3-5 Uhr
an der Großh. Hoftheater=Kaſſe abholen zu laſſen.
Die oben gedachten Beſtellungen ſind, ſoweit es die Menge derſelben und der verfügbare Raum geſtattete,
thunlichſt berückſichtigt worden. Ueber die hiernach für die Mitglieder des Comite's und die Angehörigen der
Mitwirkenden reſervirten Plätze ertheilt die Großh. Hoftheater=Kaſſe Auskunft.
Darmſtadt, im Februar 1874.
Das Comité.
Geſpenſter in den Ardennen.
In einem der Thäler der Ardennen, etwa ſechs Stunden
oſtwärts von dem Städtchen Huy an der Maas, erhebt ſich ein
iſolirter Felſenkegel, der nur durch einen ſchmalen Erdrücken mit
den dahinter liegenden bewaldeten Höhen verbunden iſt. Der
Felſen ſelbſt fällt nach allen Seiten ſo ſteil ab, daß er völlig
unzugänglich erſcheint, und dieſe Naturbildung iſt früh ſchon zur
Anlage einer Veſte benützt worden, die dem alten Hochſtifte
Lüt=
tich gehörte und, nach und nach erweitert, viele Jahre hindurch
ihre guten Dienſte leiſtete gegen „die Eber der Ardennen= und
andere Feinde des Kirche des heiligen Lambert. Sie beherrſchte
namentlich die Straße, welche aus dem Maasthal, von Huy her,
nach Luxemburg führte; dabei galt ſie für uneinnehmbar, wie der
Königsſtein, wie manch andere altberühmte Veſte, denen jetzt ein
Feind nicht mehr die Ehre anthut, ſie zu beachten. Im vorigen
Jahrhundert nur noch von einigen Invaliden beſetzt, iſt ſie im
Anfange des jetzigen ganz verlaſſen worden. Sie iſt Ruine heute,
die Dächer ſind geraubt, die Mauern ſchleift Sturm und Wetter;
der letzte Bewohner hat ſie längſt verlaſſen, ja ſogar der
Haus=
geiſt, die zweiße Frau von Braſienne, iſt von ihr gewichen
und ſeit mehr als ſechzig Jahren nicht mehr erblickt worden.
Denn ſeine weiße Frau hatte das alte Bergſchloß ſo gut wie
unzählige ander; und wie ſie zum letzten Male in Braſienne
ſichtbar geworden, davon geht eine Sage, die mit einem
Aben=
teuer, mit einer That von unglaublicher Kühnheit, Entſchloſſenheit
und Geiſtesgegenwart, unterſtützt von auffallendem Glück,
zuſam=
menhängt - eine That, die wir hier erzählen wollen, in der
Hoffnung, daß es uns gelingt, dem Leſer den ganzen Hergang
Alar zu machen, ohne der Hülfe eines Situationsplanes von dem
alten Bauwerk zu bedürfen.
Erſtes Capitel.
Die Erkerdame.
Es war Ende März des Jahres 1793 Die glorreichen
Schlachten von Neerwinden und Löwen, wodurch der kaiſerliche
und des Reichs Feldmarſchall Prinz Friedrich Joſias von
Sach=
ſen=Koburg dem Feldzuge von 1793 die entſcheidende Wendung
gab, waren geſchlagen. Das Heer der franzöſiſchen Republik
war innerlich tief zerrüttet, faſt ſeiner Auflöſung nahe. Sein
Führer, der General Dumouriez, mußte jede Hoffnung aufgeben,
die Niederlande gegen den ſiegreichen Feind zu behaupten; in
Frankreich aber ſtand die Guillotine hinter ihm. Dumouriez
wußte das ... die Gewalthaber kannten ſeine royaliſtiſchen
Ge=
innungen und haßten ihn. So entſchloß er ſich zu dem Schritte,
der ihn ſpäter dennoch in's Verderben führte. Er urterhandelte
mit dem Heerführer, der ihn beſiegt hatte, und während dieſer
Unterhandlungen trat eine Art ſtillſchweigenden
Waffenſtillſtande=
ein: die franzöſiſchen Truppen zogen ſich zurück . über Hal
und Ath und Doornik; der rechte Flügel behauptete einſtweilen
noch Namur, doch ſchickte er ſich an, ſich auf Givet zurück zu
ziehen, da der öſterreichiſche General Latour mit ſeinem Korps
Huy eingenommen hatte, und ihn von dort aus bedrohte.
Es war bei dieſem Stande der Dinge, während dieſes durch
die Verhältniſſe von ſelbſt herbeigeführten Waffenſtillſtands, daß
ſich in einem alterthümlichen, im Sthle Louis quatorze gebauten
Landhauſe, welches einſam in einem Seitenthal der Maas
un=
weit Huy lag, eine heitere Geſellſchaft zuſammengefunden hatte.
Sie hatte doppelten Anlaß, heiter zu ſein, denn nicht allein war
der Feind geſchlagen, nicht allein gab man ſich der vollen
Hoff=
nung hin, daß er für's Erſte nicht zurückkehren und daß der
Friede heimiſch bleiben werde in dieſen ſtillen Thälern der
Ar=
denen, wohin der Kriegslärm bis jetzt freilich nur ſehr gedämpft
und wie aus weiter Ferne gedrungen war — es war noch eine
beſondere Veranlaſſung da, ſich einer feſtlich heitern Stimmung
hinzugeben, denn die Geſellſchaft gruppirte ſich um ein ſeit zwei
Tagen neuvermähltes Paar.
Der junge Mann war ein öſterreichiſcher Rittmeiſter vom
Regiment Latour=Dragoner, von jenen durch ihre ſtürmiſche
Tap=
ferkeit bekannten Blanc-bees, die ſeit dem Tage von Kollin die
Auszeichnung hatten, keine Schnurrbärte zu tragen. Er hieß
Panl von Terwagne, war daheim aus eben dieſem
Wallonen=
lande, das ſeit je, ſeit den Tagen Johann von Werth's, den
kaiſerlichen Heeren die tapferſten Kavalleriſten gegeben hat, und
war früh in die öſterreichiſchen Dienſte eingetreten, in denen er
jetzt, im ſiebenundzwanzigſten Jahre, bereits eine Schwadron
führte.
Es war eine männlich kräftige Geſtalt, unſer Rittmeiſter;
feſt gebaut. breit in den Schultern, die keck aufrecht den aus
ſtarkem Nacken ſich entwickelnden Hals und ein ſchönes, ſtolzes,
offenes Männerhaupt trugen, das aus den feurigen Augen wie
in eine Welt blickte, die keine Schranken für ſeinen Muth und
ſeinen Unternehmungsgeiſt habe.
Paul von Terwagne war in bürgerlichen Kleidern. Er ſaß
an einem kleinen Tiſche im Rücken der übrigen Geſellſchaft, die
ſich im Halbkreis auf niedern Tabourets um ein flammendes
Kaminfeuer gruppirt hatte. Paul hatte ſeinen Platz zwiſchen
ihnen verlaſſen, draußen herrſchte eine milde Lenztemperatur, und
es war ſeinem jungen heißen Blut in der Nähe des Feuers zu
warm geworden. Am Ende der Reihe, der marmornen
Kamin=
einfaſſung zunächſt, ſaß die junge Frau, eine reizende ſchlanke
Blondine, mit feinen und ausdrucksvollen Zügen, die ihre blauen
Augen mit einer gewiſſen Schüchternheit von Zeit zu Zeit nach
der Richtung hin aufſchlug, wo der junge kaiſerliche Ofizier,
das Haupt nachläſſig auf den Arm=geſtützt, ſich an den Tiſch
lehnte, und wo ſie dann jedesmal ſicher war, ſeinem zärtlich auf
ihr ruhenden Blick zu begegnen.
Neben ihr ſaß ein würdiger Herr von etwa fünfzig Jahren,
der Marquis de Noſſagnac, ihr Bater; daneben ein Herr von
Maldagham, ein großer, dürrer Kriegsknecht der kaiſerlichen
Heere; dieſem zur Seite der Chevalier de Noſſagnac, ein dem
Anſchein nach ziemlich ſchwächliches Mutterſöhnchen, einige
zwan=
zig Jahre alt und der Neuvermählten Bruder; den Beſchluß des
282
N 36.
Kreiſes machte ein junger, kaum achtzehn Jahre alter Mann,
der bis jetzt in der Armee bis zum Cornet vorgedrungen war;
er hieß Baron Hellrath, und er wie Maldagham waren
Kame=
raden Paul Terwagne's, die ihm bei der Cermonie am
vor=
geſtrigen Tage als Führer und Zeugen gedient hatten.
Paul Terwagne, ſagten wir, war aus dieſem Wallonenlande
daheim. Er kannte ein gut Stück des Ardennenwaldes und alle
Schluchten und Wälder des ſchönen Maaslandes; er hatte als
junger Menſch darin gebirſcht, den Auerhahn gebeizt und den
Eber gejagt; dann war er in den kaiſerlichen Dienſt getreten,
hatte unter dem Oberbefehl des Prinzen von Koburg ſich in
Ungarn mit den Türken gerauft, und war im vorigen Jahre,
während des Feldzugs von 1792, in ſeine Heimat
zurückgekom=
men. Als er damals einen längeren Urlaub genommen und die
Stätte ſeiner Geburt wieder zu ſehen gegangen war, die ein
paar Stunden weiter anfwärts in den rauheſten Theilen unſeres
Thales lag, hatte er auf Beauraing, unſeren Landhauſe,
vorge=
ſprochen und die Bekanntſchaft mit der Familie des Marquis
von Noſſagnac erneuert, deren er ſich aus ſeinen Knabenjahren
ſo gut erinnerte, mit der die heiterſten und angenehmſten Bilder
ſeiner erſten Jugendzeit verwebt waren. Der Marquis von
Noſſagnac hatte vor Jahren mit ſeiner Gattin. und ſeinen zwei
Kindern, den jüngeren Spielgenoſſen Paul Terwagne's auf
Beauraing gewohnte, Später hatte er durch Erbſchaft einen
be=
deutenden Beſitz in Frankreich überkommen. Er war dahin
über=
geſiedelt, hatte lange Jahre dort zugebracht, hatte die erſten
Stürme der Revolution dort erlebt, und war dann, vor dieſen
entweichend, mit dem größten Thelle des alten franzöſiſchen Adels
emigrirt - leichteren Herzens als dieſer, weil er eine neue
Hei=
matſtätte, ganz bereit zu ſeiner Aufnahme, in Beauraing, ſeinem
ehemaligen Wohnſitz, fand. Aber er ſah ſie wieder, dieſe
Hei=
mathſlätte, ohne ſeine treue Gattin in ſie zurückzuführen: die
Mutter ſeiner Kinder hatte er in Frankreich verloren.
Paul Terwagne hatte im Kreiſe dieſer Familie im vorigen
Jahre den größten Theil ſeiner Urlaubszeit zugebracht, denn die
Seinigen waren in der Welt zerſireut, ſein Vaterhaus ſtand
ver=
ödet und der Obſorge eines Pachters anvertraut; er hatte Dorette
von Noſſagnac, mit der er einſt als Kind geſpielt, mit der er
Blumen geſucht und um ein entdecktes Vogelneſt ſich gezankt, als
ein reizendes, ſauftes und doch lebhaftes und geiſtig reich
ent=
wickeltes Mädchen wieder gefunden; aus den alten
Jugendge=
ſpieſen war ſehr bald ein verbündetes Paar geworden; Herr von
Noſſagnac hatte mit Freuden ſeinen Segen dazu gegeben, und
jetzt hatte Paul Terwagne einen vierwöchentlichen Urlaub
erhal=
ten, um mit zwei Freunden nach Beauraing zu reiten und ſich
ſeine Braut antrauen laſſen zu können.
Eine Hochzeitreiſe war damals nicht wie heute Sitte; auch
durfte ſich der junge Offizier nicht entfernen, damit ihn eine etwaige
Zurückberufungsordre von ſeinem Regiment ſofort erreichen konnte.
So war das junge Paar an Beauraing gefeſſelt und die einzige
Reiſe, die es am Abend nach der Trauung angetreten, war die
durch den Garten nach der Gloriette: geweſen, einem Pavillon,
an den ein Gewächshaus ſtieß - dieſen Pavillon hatte ſchon
früher Dorette für ſich in Beſitz genommen und ſich darin
häus=
lich eingerichtet - jetzt, ſeit zwei Tagen wohnte das junge
Ehe=
paar darin.
(ortſetzung folgt.)
Mittheilungen ans Stadt und Land.
Darnſtadt, 20. Febr. Sr. Großh. Hoheit Prinz Alexander iſt am
Mittwoch Abend wieder hier angekommen.
Die 41. Inſanterie=Brigade das 87. und 88. Infanterie=Regimenth
wird wie der M. A. mittheilt, verläſiger Mittheilung zu Folge nach Poſen
verlegt werden.
Die „Darmſtädter 8tg.u veröffentlicht den „Entwurf der
Grund=
züge einer neuen Medicinalordnung für das Großherzogthum Heſſen.
Die ſeitherige Obermedicinaldirection als eigne Behörde wird aufgehoben,
an ihre Stelle tritt eiue Miniſterialabtheilung für Medicinalangelegenheiten,
welche die ihr obliegenden Geſchäfte theils innnerhalb des Miniſteriums
des Innern, theils ſelbſtſtäͤndig, theils unter Mitwirkung der
Centralaus=
ſchüſſe erledigt. Centralausſchüſſe werden für das ärztliche, veterinärztliche
und pharmaceutiſche Fach conſtituirt; dem ärztlichen Centralausſchuß
com=
petirt die ſelbſtſtändige Herausgabe eines mediciniſchen Correſpondenzblattes
für das Großherzogthum Heſſen. Die Aerzte jeden Kreiſes treten zu einem
Kreisverein, die Veterinärärzte und ebenſo die Apotheker der drei
Provin=
ſen zu Provinzialvereinen zuſammen; die Organiſation iſt denſelben
ſelbſt=
ſtändig überlaſſen. Für jeden Kreis gibt es blos noch einen Kreisarzt.
Der ganze Entwurf gewährt der Autonomie des ſanitätlichen Perſonals
den weiteſten Spielraum und iſt den Klagen deſſelben wegen
unſelbſtſtändi=
ger Stellung hiermit wogl in jeder Beziehung abgeholfen. Zur Berathung
der Vorlage tritt eine Commiſſion von 6 Aerzten, 3 Veterinkrärzten und
8 Apothekern zuſammen, welche von denſelben frei gewählt werden.
Die Nachricht, daß an der alten Stadtmauer nächſt des weißen
Thurms ein Schatz gefunden worden, verſammelte raſch an Ort und Stelle
ein großes Publikum. In der That war von Arbeitern, die mit
Durch=
führung der Straße durch das Homberger'ſche Haus beſchäftigt waren etwa
1 Fuß tief unter dem Boden eines an die Stadtmauer ſtoßenden
Holzſtal=
les eine Blumenſcherbe und darin ein Säckchen voll alter Silbermünzen
gefunden worden, die dem Anſehen nach vielleicht etwas Uber 1100 fl.
Werth hatten. Abentheuerliche Gerüchte aller Artcurſitten ſofort unter den
Leuten. Wir wollen verſuchen, das Räthſel zu löſen. Ueber dieſem
Holz=
ſtall beſand ſich früher eine kleine Wohnung in die eine Art Hühnerſteige
führte. In dieſer lebte vor etwa 100 Jahren der alte Moritz, welcher
mit einer Penſion des Landgrafen Georg begnadet vor ca. 66-70 Jahren
tarb. Moritz war ein gelernter Metzger und hielt obwohl in der Küche
des Landgrafen angeſtellt doch zu ſeinen Geſchäftsgenoſſen, indem er mit
den alten Metzgermeiſtern in ſtändigem Verkehr und Freundſchaft lebte, die
ihn anhaltend mit kleinen Geſchenken unterſtützten. An äußerſte
Einthei=
lung in ſeinen ökonomiſchen Verhältniſſen gewöhnt, hat ſich derſelbe
jeden=
falls einen Nothpfennigtzurücklegen können, und bildet das heute gefundene
Münzen=Sammelſurium aller Wahrſcheinlichkeit nach die Sparſchaft des
alten Moritz.
Der Soldat, der an Krämpfen litt und in Folge davon öfter auf
der Straße zuſammenſtürzte, iſt nun außer Dienſt geſtellt.
Die Feier der Faſtnachtzeit ſcheint ſich in unſerem früher
in dieſer Richtung ſo ruhigen Darmſtadt immer mehr einbürgern zu wollen.
Im verfloſſenen Jahre hatte die hieſige Turngemeinde eine ſog.
Faſchings=
kneipe abgehalten. Diesmal gewann das Carneval=Vergnügen im
Allge=
meinen ſchon an Ausdehnung. Der allgemeine Maskenball im Saalbau
wurde arrangirt; am Faſtnacht=Dienſtag ſah man eine große Anzahl
mas=
kirter Kinder die Straßen beleben, was früher nur ganz vereinzelt
vorge=
kommen war, und des Abends hielt die Turngemeinde eine
Faſchings=
kneipe ab, welcher wir beigewohnt haben. Unter der ſicheren Oberleitung
des Narren=Präſidenten verlief dieſelbe zur allgemeinen Erheiterung der
Theilnehmer in närriſch gelungenſter Weiſe. Von den einzelnen
Auffüh=
rungen verdienen der ſeierliche Einzug des Schah von Perſien, das
Automaten=Cabinet, eine Seiltänzer=Geſellſchaft, die reich coſtümirte
No=
bel=Garde und pyramidenſtellende Athleten lobend erwähnt zu werden.
Nach den Vorführungen verlieh der Sohn der Sonne einzelnen beſonders
ausgezeichneten Anweſenden die Inſignien ſeines mächtigen Reiches. Die
von dem Präſidenten den Mitgliedern des närriſchen Geſammt=Miniſteriums
verliehenen Auszeichnungen bildeten den Schluß des erheiternden Abends.
Verartige Jocoſa können ihre anregende Wirkung nicht verfehlen und wir
wollen freudig begrüßen, wenn dieſes bisher von uns noch ſo wenig
culti=
virte Gebiet künftig mehr bearbeitet wird.
Seit dem 1. d. Mts. iſt ein gewiſſer Bernhard Simons von
Rotterdam, welcher im Hotel „Stadt Coblenz= in Mainz logirte und Tags
zuvor in Frankfurt Werthpapiere in bedeutendem Betrage umgewechſelt
hatte, mit Hinterlaſſung ſeiner Efſecten ſpurlos verſchwunden. Demjenigen,
welcher über den jetzigen Aufenthalt des Simons Auskunft geben kann,
wird eine Belohnung von 100 Reichsmark, event. dem Auffinder von deſſen
Leiche eine Belohnung von 50 Mark zugeſichert.
Ein moderner Meiſterſänger. Wie ſehr die deutſchen
Schuhmacher beſtrebt ſind, ihrem großen Altmeiſter „Hans Sachsu
nach=
zueifern, beweiſt folgender dem Rh. K. kürzlich zugegangener Vers:
„Es ſchimpft gar Mancher ungeheuer:
„Ach Gott, wie ſind die Stiefel theuer:
Jedoch nach Lohn und Lederpreiſen
Da fragt er nicht, und die beweiſen,
Daß ſelbe vor kaum zwanzig Jahren
Mehr noch als dreimal bill'ger waren.
Sei deßhalb nie ein Widerſacher
Dem armen Schuh= und Stiefelmacher;
Denn du wirſt ſtets am beſten kommen,
Wenn er gut Leder dir genommeu;
Doch zahlſt Du nicht, ſo muß er ſehen.
Mit ſchlechter Zuthat zu beſtehen.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.