Allergnädigſt privilegirtes
40)
ra9-U.
136. Jahrgang.
Abonnenentspreis
2fl. 48 kr. jährl. incl. Bringer=
Johu. - Auswärts werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
eutgegengenommen zu 59 kr. pro
Quartal inel. Poſtaufſchlag und
Beſtellgebühr.
3ale5oe
vEtA m angtnauma:iDeri=
Radt vonder FKrpedition. Rheia=
Paße Ne. 2, in Beſſungen
don Friednich Bützer, Friedrich=
Fraße Nr. 7. ſowie auswürts.
van allen ſollden Knnonsez
Exxiditienez.
Amtliches Organ
für die Belanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.
Ne 233.
Freitag der 28 November
18T¾
9901) Oeffentliche Aufforderung.
Forderungen und Anſprüche jeder Art an
den Nachlaß der ledig verſtorbenen Margarethe
Keller von Waſchenbach ſind binnen acht
Tagen dahier geltend zu machen,
widrigen=
falls der Nachlaß dem Teſtaments=Erben
überlaſſen wird.
Darmſtadt, den 20. November 1873.
Großherzogliches Landgericht Darmſtadt.
Gutfleiſch,
Bauer.
22,
Landrichter. Landgerichts=Aſſeſſor.
Feilgebotenes.
Neue Baumnüſſe
per 86 Stück aufs Pfund, das Pfund zu
12 kr. empfiehlt
Imanuel Fuld,
1873r importirte Habana-Cigarren.
Die erſte Sendung direcet importirter Habana=Cigarren (1873r
Grute) triſſt ſoeben ein.
C. H. Zuber ≈ Höhne.
9469)
Großherzogliche Hof=Lieferanten.
9905)
M
Zu
ereien
1
9902)
Kirchſtraße Nr. 1.
9189) Von heute an verkaufe ich erſte
Qualität Rindfleiſch das Pfund zu 22 kr.
A. Guckenheimer, Langegaſſe 15.
9715) Mein Lager in Reiſekoffern,
Haud=, Courier= u. Damentaſchen,
Hofenträgern, Schulranzen in
rei=
cher Auswahl empfehle billigſt.
E. Bauernfeind,
Sattlermeiſter, Rheinſtraße 28.
9853) Eichen=Brennholz verkauft
A. Federlin, Küfermeiſter.
9887) Kanarienvögel ſind zu verkaufen.
Große Ochſengaſſe Nr. 2.
Frirna
vor vorzüglichſter Süße empfiehlt billigſt
Carl Eäanehi,
9963) Eliſabethenſtraße 6.
Chineſiſche u. Oflindiſche
HEcOS
in friſcheſter Sendung eingetroffen bei
Emannel Fuld,
9904)
Kirchſtraße Nr. 1.
empfehle:
Melis feinſten
Kunstmehl, feinſtes,
ganz und
ſelbſt Rosinen, ſtielfrei,
Aimmt chin. & Ceyl.
geſtoßen, Corinthen
Helken
Mandeln
Citronen Hessina
Citronat
grangeat.
Auis= 6 Blechformen in ſehr großer Auswahl gratis
verliehen.
„
w. Cord
Hanele,
Eliſabethenſtraße Nr. 6.
NrAtirrnna
Moskau.
Wien.
Cahrikmarke
Buschenthaks Fleischertract,
Untersuchungs-Controlle,
Mlditar d
General=Bepot Leippig.
Haupt=Depot: M. Andreae. Frankfurt a. M., Chr. Reller & Co. in Heidelberg.
Engros=Lager bei Apoth. Dr. Tenner' in Darmſtadt.
Verkaufsſielle bei: Friedrich Sehaeler, Apotheler R. Calnberg. Darmſtadt,
Apotheker Hess, Michelſtadt.
[9250
Ciuurzrirfir-tiiritrtirertrtrrrz El
AAAAAIiAe
1924
283.
2.
Zu Wächeroiom empfehlt:
Rafſinade, feinſt, geſtoßen per ½ Corinthen &
neue Waare,
Kilo 18 kr.,
Rosinen
Kunstmehl in ¹ Ctr.=Säckchen be=Aimmt, Ceyl, Java &-Chin, ganz
und gemahlen,
kannter Güte,
Handeln, ſüße und bittere, großel Helken, Amboina, ganz u. gemahlen,
beleſen,
Huscatnüsse,
Orangeal &
friſcheſte Waare,
Citronal
Eitronen Hessina,
Citronenschaalen, getrocknete,
Vanille, feinſt eryſtalliſirt,
Anis, geſiebt,
Formen werden gratis geliehen.
Emanuel Fuld, Kirchſtraße I.
8164) In dem neuen von mir erkauften
Frische Soles,
Muscatblüthe,
Saflran, ganz und gemahlen,
Ammonium, friſches,
potlasche, gereinigt,
eto. sto.
Frische Schellüsche (erwartend),
Bückinge zum Roheſſen u. zum Braten.
F Ludwigſtraß=
W. EubOly Nr. 13.
9908) Von heute an koſtet geräuchertes
Schweinefleiſch das Pfd. 22 kr., Schmalz
20 kr., bei größerer Abnahme billiger bei
Seb. Lohr, gr. Bachgaſſe 14.
9909) Harzer Kanarienvögel, kräftige
Schläger, mit ſchönen Käfigen und Hecken,
ſehr billig. Erbacherſtraße Nr. 12.
9910) Neue prima holländ. Voll=
Häringe, kleine Fiſche, das Stück
zu 2 kr. bei
Wilhelm Manck,
Ballonplatz 5.
p.
Neue türt. Zzwetſchen
prima Qualttät das Pfd. zu 14 kr.
Emanuel Fuld,
9911)
Kichſtraße I.
Vermiethungen.
8325) Caſernenſtraße Nr. 64 ein ſchön
möblirtes Zimmer zu vermiethen.
PAVTTTARLAAALVAAæA¾
7613) In meinem neu erbauten
50
5 Hauſe, Caſernenſtraße, gegenüber der
K neuen Güter=Halle, iſt der 1., 2. und
B 3. Stock, beſtehend je aus 5 Zimmerr
4 Küche, Vorplatz, Waſchküche und Bleich=
F platz, zu vermiethen und Ende Oc=
E tober beziehbar.
Auf Verlangen kann auch Stallung
F für 3 Pferde dazu gegeben werden.
L. Geider, Hofweißbinder,
Waldſtraße Nr. 23.
H
32¾
49
Hauſe Roßdörferſtraße Nr. 10 iſt der 2. u.
3. Stock, je 4 Zimmer, 1 Alkoven, Küche,
Magd= und Bodenkammer, Mitgebrauch der
Waſchküche und des Bleichplatzes zu vermiethen
und alsbald zu beziehen.
Ferdinand Brückner.
8764) In meinem Hauſe
Niederram=
ſtädterſtraße 52 iſt der 2. Stock, beftehend
aus 4 Piecen, Küche, Magdkammer und
aller Bequemlichkeit zu vermiethen. Preis
Hch. Martin.
210 fl.
9135) Alexanderſtraße Nr. 11 ſind der
erſte und zweite Stock zu vermiethen.
Auskunft ebendaſelbſt.
9914)
Ea3i9)
9254) Eine hübſche Manſarde, 2
Zim=
mer ꝛc., ſodann 2 Zimmer jzuſammen oder
getrennt, mit oder ohne Möbel billigſt zu
vermiethen.
Beſſungen. Eck der Kirch=u. Hügelſtr. 25.
9329) Rheinſtraße 13 iſt vom erſten
Dec. an ein gut möbl. Zimmer zu verm.
9472) Arheilgerſtraße 19 zu
ver=
miethen ein geräumiges Logis und ſogleich
zu beziehen.
9815) Ein ſchönes Zimmer mit oder ohne
Möbel zu vermiethen. Holzſtraße Nr.
bei
V. Witzler.
9857) Wohnung für ruhige Familie:
3 Zimmer und alles ſonſt Nöthige.
Aus=
ſicht auf den Wald, humaner Miethsherr.
Sogleich beziehbar. Auskunft bei der Exp.
9912) Bleichſtraße Nr. 5 iſt ein
möblir=
tes Manſardenzimmer zu vermiethen und
gleich zu beziehen.
S.
möblirte Zimmer.
6
Louiſenſtraße Nr. 18.
S
C
Vermiſchte Nachrichten.
9871) In meiner bis zum 3. Dezbr. c.
reichenden Abweſenheit werden die Herren
Dr. Lipp, Jäger, Burmann und Fuchs die
Güte haben, mich zu vertreten.
Dr. Haufmann.
9836) Eine tüchtige Verkäuferin für ein
Manufacturwaaren=Geſchäft wird geſucht.
Offerten G. P. 27 poste restante Darmſtadt.
4
4½.
35)
1)
Bekanntmachung.
Die im Weſtdeutſchen Verbands=Gütertarife geltenden Normalgewichte
kane5)
aalildh. beim Transporte des Artilels „Häringe; wonach die ganze Tonne
⁄₈nl.
4
151)
bnita. zu 3 Centner, die halbe Tonne zu 1½ Centner berechnet wird, und die
Tarifſätze der Claſſe für Quantitäten von mindeſtens 100 Centnern ſchon dann zur
Anwendung kommen, wenn mittelſt eines Frachtbriefes wenigſtens 31 Tonnen aufgegeben
ſind, werden am 1. Januar 1874 außer Wirkſamkeit geſetzt, und ſind von genanntem
Zeiſpankte ab die Frachtſätze nach dem wirklichen Gewichte zu berechnen.
Darmſtadt, den 19. November 1873.
Direction der Main=Neckar=Bahn.
4381) Meichſtraße 46 nächſt den
Bahn=
höfen 1 unmöblirtes Zimmer zu vermiethen
und gleich zu beziehen.
7953) In der Nähe der Katholiſchen
Kirche iſt ein ienfach möblirtes Zimmer
ſo=
gleich zu vermiethen. Näheres bei der Erp.
G.
AlURk-Herein.
Erſtes Concert im Saalbau
Winter 1873-74.
Montag den 1. Dezember 1873.
Anfang halb 8 Uhr präcis, Ende gegen halb 10 Uhr,
unter gütiger Mitwirkung des Mozartvereins, der Großherzoglichen Hofſängerin
Frau Mayr=Olbrich, der Herren Concertſänger A. Denner von Caſſel und
Georg Henſchel von Berlin, ſowie der Großherzoglichen Hofmuſik, unter
Leitung von Hofmuſikdirector C. A. Mangold.
Dch
Die Cgöpfung,
Oratorinm von Joſeph Haydn.
Die Abgabe von Tageskarteu und Programmen findet nur am Concerttage in
den Buchhandlungen von Bergſträßer und Klingelhöffer bis Abends 6 Uhr, ſowie
Abends an der Caſſe im Saalbau von halb 7 Uhr an ſtatt.
Die Preiſe der Tageskarten ſind:
1) für die nummerirten Plütze im Saal, Eſtraden und den Logen 1 fl. 30 kr.
2) für die beſonderen Sperrſitze 2 fl. 20 kr.;
3) für Vorſaalplätze 48 kr.
9915
Adas Contert=Local wird um halb 7 Uhr geöfnet.
Der Vorſland des Muſiſivereins.
M238.
Weihnacht=Sendungen nach den Vereinigten Staaten, nach
Kanada und nach Großbritannien
können auf eine ganz zuverſichtliche Abgabe am Beſtimmungsort zur Feſtzeit nur dann rechnen,
wenn erſtere am 5. Dezember und letztere am 15. Dezember ſpäteſtens nicht blos
an=
gemeldet, ſondern auf meinem Büreau Hügelſtraße Nr. 29 auch abgeliefert ſind.
9477)
C. Gaulé.
9916)
Kunſtgenoſſenſchaft.
Samſtag den 29. November Geueralverſammlung bei Bühler.
Gegenſtand der Togesordnung:
Verſchiedene Anträge auf Statuten=Aenderung;
Erſtattung des Jahresberichtes und Neuwahl.
Der Vorſtand.
9917) Ein ordentliches Mädchen wünſcht
Stelle als Mädchen allein, wo keine Kinder
ſind. Zu erfragen Frankfurter Straße 48.
9918) Ein Mädchen ſucht Lanfdienſt, am
liebſten für den ganzen Tag für Aushülje.
Zu erfragen Kiesſtr. 25 parterre Vorderhaus.
9919) Tüchtige Lackirergeſellen
finden dauernde Beſchäftigung in der hieſigen
Central=Wagenwerkſtätte der Heſſiſchen
jLud=
wigs=Bahn.
9867)
Kinderfrau.
Geſucht wird gegen hohen Lohn zu
Weih=
nachten eine Kinderfrau oder ein älteres
Mädchen katholiſcher Religion zu Kindern
unter 5 Jahren. Nur ſolche, welche in
ähn=
licher Stellung gedient und gute Zeugniſſe
aufzuweiſen haben, mögen ſich melden.
Näheres Wilhelmſtraße 8 im 1. St.
1925
8 Gartenbau=Verein.
Generalverſammlung Mittwoch den
3. Dezember 1873 Nachmittags 3 Uhr
im Saalbau.
Der Vorſtand.
2ſin roth=ſeidenes großes Hals=
EEtuch wurde bei dem Saalbau=Feſt
in der Garderobe oder auf dem Weg von
dort verloren. Der Finder wird dringend
gebeten, daſſelbe gegen eine gute
Beloh=
nung bei der Exp. d. Bl. abzugeben.
In dem Großherzoglichen Holzmagazin
wird gegen Vorausbezahlung
abge=
per Raummeter.
geben:
buchen Scheidholz I. Claſſe 6 fl. 40 kr.
4 fl. 40 kr.
kiefern
Der an den Ueberbringer für einen
Raum=
meter zu zahlende Fuhrlohn beträgt für
Darmſiadt und Beſſungen 18 kr.
Beſtelltage: Dienſtag, Freitag und
Samſtag, Vormittags von 8 bis 11 Uhr.
Großherzogliches Rentamt Darmſtadt.
Hauſer.
In Luſt ein Leid.
Von Friedrich Friedrich.
Gortſetzung.)
In ſeinem Kopfe ſtürmte es unruhig durcheinander. Er
war in eine Burſchenſchaft eingetreten und bemühte ſich, dieſelbe
zu der alten Bedeutung zurückzuführen. Für die Freiheit wollte
er die Mitglieder der Verbindung begeiſtern, für die Freiheit in
ihrer weiteſten und edelſten Bedeutung. Deßhalb hatte er ſich
ſchon als Knabe, gleichſam noch unbewußt, durch die
Naturwiſſen=
ſchaft angezogen gefühlt, weil er überall in der Natur das
Prin=
gip einer edlen Freiheitzerblickte, weil er ſah, wie ſich in ihr alles
nach eigenen freien Kräften entwickelte. Seine Beſtrebungen blieben
nicht ohne Erfolg. Er fand eine Anzahl Gleichgeſinnter, deren
Führer und Mittelpunkt er war. Er hatte aber auch die
Auf=
merkſamkeit der Behörde auf ſich gezogen und wurde ſchon nach
einem Jahr relegirt. Er lachte darüber. Es war ihm ſogar
lieb, daß dies die Veranlaſſung wurde, eine andere Univerſität zu
beſuchen. Er ging nach Heidelberg. Heftige Kämpfe hatte es
in=
deß vorher mit ſeinem Vater gegeben. Derſelbe haßte jede
Frei=
heit. Seit langen Jahren eingelebt in die beengenden Schranken
des bureaukratiſchen Lebens war es ihm faſt unmöglich geworden,
anders als bureaukratiſch zu denken und zu empfinden. Er
be=
ſchränkte ihn in den Mitteln, um ihn auf dieſe Weiſe zu zwingen.
Den luſtigen, geiſtig erregten Studenten bekümmerten dieſe
Beſchränkung wenig. Er machte Schulden, als ſeine Mittel nicht
mehr ausreichten. Feſter und klarer waren die Ideen der
Frei=
heit in ihm aufgewachſen. Er ſah, wie überall ſchmachvolle
Schranken errichtet waren, um der Selbſtentwicklung des Volkes
entgegen zu treten, um es immer und immer durch die
Bevormun=
dung und Bedrückung nieder zu halten. Offen ſprach er ſich
da=
gegen aus; auch in Heidelberg war er in eine Burſchenſchaft
ein=
getreten und der Sprecher derſelben geworden. Im heftigſten
Un=
muthe und der Ueberſchätzung ſeiner Kraft glaubte er eine
Ver=
ünderung hervorrufen zu können und wurde nach kaum einem Jahre
auch von Heidelberg fortgeſchickt.
Nun kam es mit ſeinem Vater zum völligen Bruche. Er
wollte und konnte ſeine heiligſten Ueberzeugungen nicht aufgeben.
Darüber war er ſich längſt klar geweſen, daß es früher oder
ſpä=
ter einmal dahin kommen mußte, denn zwiſchen ſeinen Anſichten
und denen ſeines Vaters war eine Kluft, welche nie ausgefüllt
werden konnte. Sein Vater entzog ihm jede Unterſtützung und
er blieb nur auf ein geringes Vermögen, welches er von ſeiner
Mutter geerbt hatte, beſchränlt.
Er ging nach einer norddeuiſchen Univerſität, um ſeine
Stu=
dien zu vollenden oder eigentlich erſt zu beginnen. Hier fehlte
ihm jeder Boden für ſeine freiheitliche Begeiſterung. Mit ganzem
Intereſſe warf er ſich jetzt auf das Studium der Mediein. Er
war unermüdlich und in anderthalb Jahren hatte er ſein Studium
beendet. Sein Examen beſtand er auf das glänzendſte, aufs neue
lenkte er durch daſſelbe die Aufmerkſamkeit auf ſich und jetzt wäre
es für ihn vielleicht möglich geweſen, ſich mit ſeinem Vater
aus=
zuſöhnen, hätte derſelbe nur den geringſten Schritt dazu gethan.
Er ſelbſt war nicht im Stande, ſich ſeinem Vater zuerſt nähern,
denn das freie Recht der eigenen Ueberzeugung war ſein heiligſtes
Eigenthum und dieſes Rechtes wegen zürnte ihm ſein Vater.
Als Student hatte er in der Univerſitätsſtadt ein junges
Mädchen, die Tochter eines Majors Trenken kennen gelernt und
eine glühende Zuneigung zu ihr gefaßt. Sie war kaum ſechzehn
Jahre alt. Sie zu ſerwerben hatte er ſich ſchon damals als
Lebens=
aufgabe geſtellt, dennoch hatte er ihr, da ſie faſt noch ein Kind
war, mit keinem Worte ſeine Liebe geſtanden. Ihr ſtolzer Vater
würde es nimmermehr igeſtattet haben, daß ſie ſich mit einem
Stu=
denten verlobt hätte. Aber auch ſie ſchien ihn ihn zu lieben, und
ohne daß es ſich beide vielleicht ſelbſt bewußt geworden, war ein
ſchweigendes Einverſtändniß zwiſchen ihnen eingetreten.
Es war ſein Streben, ſich eine Stelle zu eringen und dann
um die Hand des Mädchens anzuhalten, das er ſo innig liehte,
das er nimmer vergeſſen zu können glaubte. Daß es ihm nicht
an Kenntniſſen fihlte, hatte er durch ſein Examen bewieſen, dennoch
ſtieß er bei der Bewerbung um eine Stellung überall auf
Schwierig=
keiten. Nur zu bald wurde er gewahr, daß ſeine Geſinnung ihm
hinderlich war, daß aus dieſem Grunde alle ſſeine Bemühungen
erfolglos blieben.
Der heftigſte Unwille erfaßte ihn. Hätte er die Hand des
geliebten Mädchens erhalten, ſo würde die Liebe vielleicht das Ideal
der Freiheit mehr und mehr in ihm zurückgedrängt haben.
An=
dere Intereſſen wären ihm entſtanden. Es lag in ſeinem
Cha=
rakter ein Trotz, der ſich nimmer beugte. Weil er ſeiner
Ueber=
zeugung wegen zurückgeſetzt wurde, um ſo mehr hielt er nun
da=
ran feſt. Zerfallen mit ſeinem Vater und ſeiner ganzen Familie,
zurückgeſetzt, obſchon er den gerechteſten Auſpruch hatte, ohne Mittel
zum Leben, hatte dies Leben ſelbſt jeden Werth für ihn verloren.
Sein leicht erregbarer Geiſt erfaßte alles mit doppelter
Heftig=
kett, in ſeine ſiets ſo luſtige Stimmung miſchte ſich Bitterkeit
und Hohn. Rückſichtsloſer als je trat er jetzt als Vorkämpfer
der Freiheit auf. Ihn feſſelten keine Verhältniſſe und Familien=
1926
banden mehr, mit kühnem Muthe gab er ſich ſeinem Streben
hin. Es währte nur kurze Zeit.
Die Regierung ſchwärmte nicht wie ler für Freiheit. Sie
hielt damals feſt an dem Grundſatze des „beſchränkten
Unterthanen=
verſtandes” und wenn ein Kopf ſich über dieſe Schranke
hinaus=
zuſchwingen verſuchte und von Freiheit und Glück des Volkes
träumte, ſo hielt ſie es für ihre Pflicht, dieſen Kopf durch
Macht=
mittel zu beruhigen und unſchädlich zu machen. Helm hatte eine
kleine Schrift herausgegeben, in welcher er ſeine Ueberzeugung
von dem Rechte des Volks ausgeſprochen. — Dieſe kleine Schrift
brachte ihm fünf Jahre Feſtungsſtrafe.
Ehe er zur Feſtung abgeführt wurde, ſchrieb er dem jungen
Mädchen, welches er ſo tief in ſeinem Herzen trug. Er geſtand
ihr ſeine Liebe. Er ſagte ihr nicht, daß er noch Hoffnung auf
ihren Beſitz habe, denn vor ihm lag eine lange, fünſjährige Haft
und er glaubte nicht, daß er dieſe überleben werde; aber dennoch
hoffte er im Stillen, daß, wenn ſie ihn wahrhaft liebte, ſie ihm
treu bleiben werde. Er erhielt keine Antwort von ihr, er erfuhr
nicht einmal, ob ſie den Brief erhalten hatte.
Bittere, wilde Stunden brachte ihm die Gefangenſchaft.
Mehr als einmal drohte in der einſamen Zelle Wahnſinn ſeinen
lebendigen Geiſt zu erfaſſen, aber dennoch überlebte er die fünf
Jahre. Er war ſogar ruhiger geworden, mochte durch dieſes
Mittel auch viel in ihm zerbrochen und vernichtet ſein. Erſt
jetzt erfuhr er, daß Bertha, die Tochter des Major Trenken, ſich
verlobt hatte. Ein bitteres Lächeln glitt bei dieſer Nachricht
über ſein Geſicht hin. Der Gedanke an ſie war es, der ihn in
dem Gefängniß aufrecht erhalten hatte. Er hatte ihr Treue und
Liebe im Herzen bewahrt und geglaubt, daß auch ſie es thun
werde. Er lachte laut auf. Treue und Liebe gegen einen
Ge=
fangenen! Und hatte er denn ein Recht dazu, dies von ihr zu
verlangen? Hatte ſie ihm je nur mit einem Worte geſtanden, daß
ſie ihn liebe ? Er hatte an ihre Liebe geglaubt, allein das Herz
glaubt ſo gern, was es wünſcht. — Er wollte dies alles in
Ruhe überwinden, wollte die Erinnerung an ſie gewaltſam aus
ſeinem Herzen reißen - ſein Bemühen war vergebens, er lonnte
ſie nicht vergeſſen. - Bertha's Vater hatte ſeinen Abſchied vom
Militär genommen und ſich ein Gut gekauft. Er hörte den
Namen deſſelben, allein er fragte nicht, wo es lag. Was
be=
kümmerte es ihn ?
Nach lurzer Zeit wurde er jetzt als Arzt in H. angeſtellt.
Wohl ſagte ihm dieſe Stadt nicht zu und einſt würde er dieſe
Stelle nicht angenommen haben, allein jetzt zögerte er nicht.
Seine ganzen Lebenshoffnungen waren ja herabgeſtimmt, vernichtet
die Träume, denen er ſich einſt hingegeben hatte, die
Nothwendig=
keit für ſeinen Lebensunterhalt zu ſorgen drängte.
Mit gleichgiltiger Stimmung reiſte er nach H. ab. Das
Leben in der Stadt gefiel ihm beſſer, als er ſich vorgeſtellt hatte.
Gleich anfangs wurde er in die kleine luſtige Geſellſchaft der
Pinkenburg eingeführt und die rief auch in ihm den alten
über=
müthigen Geiſt zurück. Wohl zuckte er erſchreckt zuſammen, als
er erfuhr, daß das Gut des Majors Trenken nur 2 Stunden
von der Stadt entfernt lag; konnte er Vertha nicht jeden Tag
begegnen ? Er faßte ſich indeß, niemand ſollte ahnen, in welchem
Verhältniſſe er einſt zu ihr geſtanden hatte. Zu ſeiner Beruhigung
wurde ihm erzählt, daß der Major und ſeine Tochter die Stadt
ein beſuchten.
Helm hatte ſich den Pflichten ſeiner neuen Stellung mit
allem Eifer hingegeben. Seine reichen Kenntniſſe kamen ihm
da=
bei zu ſtatten. In kurzer Zeit hatte er ſich das allgemeinſie
Vertrauen erworben und ſeine Praxis erweiterte ſich von Tage
zu Tage. Bald war er kaum noch im Stande, ſie allein zu
verſehen. Sein Ruf eines vorzüglichen Arztes hatte ſich ſchnell
in der ganzen Umgegend verbreitet. Und jetzt fand er in ſeinem
Wirkungskreiſe Befriedigung und ſehnte ſich aus H. nicht
mehr fort.
Es war am Morgen nach jenem luſtigen Abende in der
Pinkenburg. Helm befand ſich in ſeinem Zimmer. Auf dem
Sopha ausgeſtreckt blies er den Dampf einer Cigarre langſam
von ſich. Wie er dem ringelnd und wirbelnd emporſteigenden
Dampfe nachblickte, lag in ſeinem Auge etwas Träumeriſches
und Schwärmeriſches. Er dachte allerdings nicht an dieſes Ringeln
des Rauches. Wenn er ſich allein befand, war er imme e uſt,
faſt verſtimmt. Er gab ſich dann ganz der Erinnerung ſeiner
früheren Träume und Hoffnungen hin.
Es wurde kräftig, ſchnell an die Thüre gepocht. Ehe er
noch ſich emporgerichtet und „Herein' gerufen hatte, wurde ſie
geöffnet und Klinger trat ein.
Fortſetzung folgt.
Mittheilungen aus Stadt und Land.
Darmſtadt, 27. November. Sicherem Vernehmen nach wird der
Finanzausſchuß die von der Regierung angeforderten
Beſoldungser=
höhungen nicht ſofort zu bewilligen beantragen. Es ſoll zunächſt
viel=
mehr von der Kammer das Bedürfniß der Erhöhung vom 1. Januar 1873
ab als vorliegend anerkannt, überdieß auch gegen das Maß der geforderten
Erhöhung kein Anſtand erhoben werden. Die definitive Bewilligung wird
dagegen vorausſichtlich im erſten Quartale des kommenden Jahres erfolgen,
nachdem bezüglich der Etatsreviſion eine Einigung zwiſchen Regierung
und Ständen ſtattgefunden hat.
Ueber den Aufwand der von mancher Seite bei dem Saalbauſeſt
entwickelt wurde, circuliren recht nette Geſchichten. So wollte z. B. eine
Dame in einem hieſigen Confectionsgeſchäft bedingen, daß von dem
Seiden=
ſtoff, welche ſie zu einem Kleide aus wählte, an Niemand anderes vor dem Balle
verkauſt werden dürfe und zahlte hierfür eine Abfindung von 5 Friedrichsdor.
Ein Bürger, welcher in keinem hieſigen Geſchäfte eine für ſeine Gemahlin
paſſende Robe finden konnte, beſtellte dieſſelbe in Paris, ein
Spitzenüber=
wurf für ca. 1000 Frs. kam direct von Brüſſel. Ein Geſchäſt in feinen
Schleifen hatte vollſtändig ausverkauft. Einen traurigen Gegenſatz zu dieſen
Herrlichkeiten der Damengarderobe bildete der Zuſtand in welchem ſich die
Herrengarderobe am frühen Morgen befand und waren namentlich die Cylinder
in einem jämmerlichen Zuſtande; nicht wenige derſelen zeigten eine
merk=
würdige Aehnlichkeit mit einer Zugharmonika, welche eben den letzten Ton
ausgehaucht hat. — Viele Herren bemühten ſich ſtundenlang das ihnen
ge=
hörige aus dem Chaos herauszuſinden, aber meiſtens vergeblich und ſo
nahmen eben ſchließlich die kurz Entſchloſſenen was ihnen ungefähr paßte,
während die Zaghaften und Aengſtlichen im Frack und mitunter mit einem
Schnupſuch um den Kopf nach Hauſe zogen. - Im Ganzen wurde die
ſatale Verwirrung, eben weil ſie ſo colloſſal war, mit vielem Humor
er=
tragen, beſonders von denen die ihren Hausſchlüſſel in der Taſche hatten,
die dann wenigſtens nicht nöthig hatten, wie dies einem Herrn paſſirte,
mit Frau und Töchtern durch das Fenſter in ihr Haus einzuſteigen
Am vorigen Sonntag kam es an der Station Griesheim bei den
Arbeiterzügen zu thätlichen Ungehörigkeilen. Aehnliche Scenen haben
ſich auch hier auf der Station Roſenhöhe wiederholt. Sicherem Vernehmen
nach iſt von der Bahn=Direction beſchloſſen, bei dem Wiedervorkommen
ähnlicher Fälle die Ablaſſung von Arbeiterzügen für die Folge einzuſtellen.
— Wie man uns mittheilt, wurde am Dienſtag bei der hieſigen
Ge=
werbebehörde ein Fall verhandelt, in welchem ein Fabrikant einen
Modellarbeiter auf Fertigſtellung ſeiner begonnenen Arbeit belangte. Aus
den Verhandlungen ergab ſich, daß der betr. Arbeiter in 8 Tagen 100 fl.,
ſage Einhundert Gulden verdient hatte und eine ähnliche Arbeit für
den=
ſelben Preis, als zu gering bezahlt, nicht übernehmen wollte, weßhalb der
Fabrikant in Ermanglung anderer Arbeitskräfte einen Accord auf 125 fl.
einzugehen veranlaßt war, mit dem Beding, daß die Arbeit mit
Monats=
ſchluß fertig ſein müſſe. Nachdem der Herr Modelleur erfahren, daß der
Fabrikant ſelbſt durch Conventionalſtrafe an pünktliche Ablieferung der Arbeit
gebunden iſt, baute derſelbe hierauf ſein Erpreſſungsſyſtem, indem er die
Arbeit unter dem Vorgeben ganz einſtellte, der Vertrag gelte nicht, weil er
mit Bleiſtift geſchrieben ſei. Auf das den Arbeiter zur ungeſäumten
Wieder=
aufnahme und Fertigſtellung ſeiner Accord=Arbeit, eventuell zum
Schaden=
erſatz verurtheilendes Erkenntniß, hat ſich derſelbe der Execution durch
die Flucht entzogen, weßhalb nunmehr Pfandung gegen denſelben in ſeinem
Heimathsort (in Württemberg) zum Vollzug kommen wird.
Es wird uns noch weiter mitgetheilt, daß derſelbe Arbeiter, dem keine
Bezahlung hoch genug war, ſeine Familie nur auf das Nothdürftigſte
unterſtützte.
An Wochenmarktagen iſt der Platz um unſere ſo ſchön reſtaurirte
Stadtkirche der Auiſtellungsort für Fuhrwerke aller Art, ſo daß die Kirche
ſörmlich unzugaͤnglich iſt. Wie ſchonungslos überdies hierbei verfahren
wird, beweiſt der Umſtand, daß die vorſpringenden Kanten der Kirche in
anſcheinend muthwilliger Weiſe an vielen Stellen bereits abgeſtoßen ſind.
Die Vorſchrift, daß bei auf der Straße lagernden Baumaterialien
u. dergl. bei einbrechender Dunkelheit eine Laterne anzubringen iſt, wurde
am Mittwoch Abend an einem Hauſe in der oberen Eliſabethenſtraße nicht
beobachtet und gab dies Veraulaſſung, daß eine Chaiſe umgeworfen wurde.
Die darin Sitzenden nahmen glücklicherweiſe keinen Schaden.
Die Marktweiber haben ganz recht wenn ſie hohe Preiſe fordern,
ſchreibt der„Mainzer Anzeiger; werden ſie doch von den Käuferinnen
ſelbſt dazu veranlatzt. Geſtern forderte eine Butterfrau 39 kr. per Pfund,
und 36 kr. ſagte eine Käuſerin; in dieſem Augenblicke kam eine dritte
Käuferin, mit einem ſtattlichen Blumen= und Gemüſemarkte auf ihrem
Hute und bot für den ganzen Plunder von Butter per Pſd. 40 kr., während
ſie doch gehört haben mußte, was vorher geboten wurde. Auf dieſe Art
können natürlich die Käuferinnen auf keinen grünen Zweig kommen.
R233.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerel.