Darmstädter Tagblatt 1873


06. Juni 1873

[  ][ ]

Allergnaͤdigſt privilegirtes

armſtädter Frag-u. Anzeige-

136. Jahrgang.

Wbonnementsvreis
2f. 48 kr. jährl. indi. Bringer
John. - Auzwärtz werden von
allen Poſtämtern Beſtellungen
entgegengenommen zu 50 kr. pro
Quarial incl. Poſtaufſchlag und
Beſtellgebühk.

Ta a bl att.

Mlerat;
werden angenommen in Darm
Gad tvon der Expedition. Rhein=
fraße
Nr. 28, in Beſſungen.
von Friedrich Bußer, Friedrich=
ſtraße
Nr. 7. ſowie auzwärn
von allen ſoliden Unnoncen
Ewedittonen

Amtliches Organ,
für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.

M 108.

Freitag den 6. Luni

1873.

4610)
An die hieſige Einwohuerſchaft!
Mit Bezug auf unſere geſtrige Bekanntmachung bringen wir weiter die aus gleichem Anlaß ergangene
Dankſagung Ihrer Großherzoglich Königlichen Hoheiten des Prinzen und Prinzeiſin C arl nachſtehend hiermit
zur öffentlichen Kenntniß.
Darmſtadt, den 4. Juni 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
Fuchs.
An den großherzoglichen Bürgermeiſler der Haupt= und Reſidenzſtadt Darmſladt, Ritler ꝛc. ꝛc
Herrn Fuchs, Hochwohſgeboren.
Bei der Trauer, in welche Meine Gemahlin und Ich durch den plötzlichen Tod Unſeres geliebten Enkels,
des verewigten Prinzen Friedrich Wilhelm, verſetzt wurden, hat die Theilnahme, die Sie im Namen der
Bewohner der Haupt= und Reſidenzſtadt Darmſtadt ausgeſprochen und die ſich auch ſonſt noch in ſo vielfacher
und rührender Weiſe bethätigt hat, Uns wahrhaft wohlgethan. Indem Wir Ihnen dafür Unſeren herzlichen
Dank ausſprechen, erſuchen Wir Sie zugleich, denſelben in geeigneter Weiſe der geſammten Einwohnerſchaft
kund zu geben.
Darmſtadt, den 4. Juni 1873.
Carl Prinz von Heſſen.

Feilgebotenes.
4026) Wir machen hiermit die ergebene
Anzeige, daß ſämmtliche von uns geführten
O0
Mineralwayer
in friſcher Füllung bei uns eingetroffen ſind.
C. L. Huber ESöhne,
Großh. Hof=Lieferanten.
3828) Ein noch neues Real zu einer
Ladeneinrichtung zu verkaufen. Eliſab=Str. 5.

4545)
6 Fenſter
94144 Em. für Werkſtätten ſehr geeignet,
abzugeben. Wo? ſagt die Expedition.
4274) 4 Morgen ewiger Klee, erſte
Schur, zuſammen oder getheilt zu verkaufen.
Schießhaus bei A. Gärtner.
4357) Unterhalte im Auftrag neue polirte
Kommode im Preiſe von 15 fl, 21 fl.,
26 fl. G. Beck, Rheinſtraße 28.

4537) Ein Aeten=Repoſitorium,
ein großer viereckiger Tiſch, Siehpult,
Kinder=Bettlade und einige weitere Mobilien
ſind abzugeben Neckarſtraße 12 gleicher Erde.

180)

liebig Compaups Heisch-lract
aus FRAT-BEnLos Cud-Amerika).

Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867- Havre 1868 - Amsterdam 1869- Hoscau 1872
Iyon 1872 - Paris 1872.
wenn jeder Lopf untenstehende Unterschritten trägt
und aut der Etiquette der Name L. v. IEBlſ in blauer
Jur ächt.
Parbe aufgedruckt igt.

4.

NrlAAaä.
Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellochaſt:
Herrn H. Herchz in Darmstadt.

Tu haben in Darmstadt bei den Herren:
C. E. Huber &am Söhne, Elisabethenstr. 14.
J. G, Reller, Grafenstrasse,
feorg Liehig Sohn, Louisenstrasse,
Wih. Hanck Ballonplatz 5

4611) Ein großer neuer Holzſchoppen
18= lang. iſt zu verkaufen.
Verlängerte Kiesſtraße 43.

G. P. Poth, Casinostrasse 12,
Jacob Röhrich Wiwe, Sandstrasse 10,
E. Seriba, Apotheker, Kirchstrasse 25.
Wülh. Heusel in Bessungen.

4612) ⁶⁄ Morgen ewiger Klee im
Oberfeld ſind zu verkaufen.
Näheres Kirchſtraße Nr. 19.
237

[ ][  ][ ]

von hier
Begen Weozug
AUAAuzcmt 1usT MGet
meines in allen Artikeln noch wohl aſſortirten
14)
Bur); Hou Souurtk auhll.
und mache ich namentlich auf eine große
Parthie Hemden, Kragen 8 Man=
ſchetten
, für Herren 8 Damen,
Unterhoſen 8 Jacken ꝛc. ꝛc. bedeutend
unter dem Fabrikpreiſe aufmerkſam.
Auch iſt die ganze Laden=Einrichtung
zu verkaufen.
0
ne Damm yöh,

4558)

Markt Nr.

N.

Crosse & Elnchuvell Liondom.
Fahrik von Conserves, Alimentaires & Comestibles.
4440
Niederlage bei

C. H. Huber u. Hohne in Darmſtadt.

Hof=Lieferanten Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs vor Heſſen und bei Rhein.
4288) Ein ſtarkes Zugpferd iſt zu
verkaufen. Frankfurterſtraße 51.

Buschenthals
Fleischextract.
höchſte Auszeichnung
Ausstellung Moskau 1872.
Vorzüglicher billigſter Lleiſchertract
Unterſuchungscontrole:

4613) Eine gute Nähmaſchine billig
zu verkaufen. Schulzengaſſe Nr. 8.
2 Saar=Stückkohlen,
ſowohl in Original=Waggons, als auch ab
Lager zu den billigſten Preiſen empfehlen
L. Woir sönne in Griesheim.

Für Bierbrauer. Eis.
4615) Die Roheis=Fibrik von. A. V.
Tweidorfk in Frankfurk a. H. wünſcht be=
hufs
nändiger Lieferungen mit Conſumenten
in Verbindung zu treten.
WUAmzur
RARAAAAA

4
A Epilepſie
F
5
Fallſucht, Krämpfe heil=
bar
durch ein ſeit 12 Jahren be=
währtes
nicht medizin. Univerſalgeſund=
heitsmittel
. Proſpecte, Referenzen gra=
tis
franco von
Vr. A. Dunnte. Fabrikbeſitzer
zu Wareodork in Wastfalen.

4611) Hügltraße 21 zwen. Treppen hoch
ein Herrnſchreibtiſch mit Bächerbrett zu verk.
4618) Baufand unentgeldlich Alexander=
ſtraße
Nr. 9.
W. Wilke.

Vermiethungen.
4417) Holzhofſtraße 48 ein Logis im
Hinterbau gleich zu beziehen. P. J. Schembs.
4619) Ein möblirtes Zimmer Dieburger=
ſtraße
6.
4620) Ein Zimmer nebſt einem kleinen
Cabinet für eine einzelne Perſon zu verm.
u. gleich beziehbar. Dieburgerſtr. 40, 2. Stock.
4621) Sandſtraße 10 zu vermiethen und
gleich beziehbar:
2 gut möblirte Parterre=Zimmer,
1 Manſarden=Logis, 2 Zimmer, Küche ꝛc.

Vermiſchte Nachrichten.
Oedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
K a)zahlloſe Private find heutzutag=
kann
und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Fällen eu=
pfiehlt
es ſich die Vermittlung der als ſolid
und discret, bekannten Südbeutſchen
Annoncen=Expedition von E. Stöck-
hardt
(m Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz. Firma Würtz'ſche Buchhand=
lung
) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.

eLhor=.


Generalverſammlung2 Darmſtädter Oeconomenvereins
Sonntag den 8. Juni 1873, Nachnittags 3 Uhr, im Goldnen Anker.
Gegenſtände: 1) Rechnungsablage pro 1872.
2) Neuwahl von 4 Vorſtands=Mitgliedern *).
3) Beſchluß über einen Ansflug.
7) Nach den Statuten haben auszutreten: Carl Keller, Ludwig Daum
Adolph Klein und H L. Hirich; die Genanaten ſind wieder wählbar.
4625) Drrmſadt, den 4. Juni 1873.
Dr Vorſtand.
4S
44TO3AIIN

Haupt=Depot: H. Andrege, Fraukſ. a.M.
Chr. Keller & Co. in Heidelberg.
Eng os=Lager bei Apoth. Dr. Tenne.
in Darmſtadt.
Verkaufsſtelle bei: Franz Schaeler,
Apoth. K. Calmberg, Darmſtadt, Avoth.
Hess, Mich=ſſtadt.
4022

14

0 4) Geſellſchaft Eintracht.
43 Rüchſten Gamſtag den 7. Juni d. J ſindet bei günſiger Wilterung das

4
1. Sommer-Caſino
49) auf dem Karlshofe ſtatt. Anfang Abends 7½ Uxr.
45)
Darmſtadt, den 5. Juni 1873.
L.
Die Ver zuügungs=Commiſſion.

R0LO0OeOOOnOOOn0OOaOOOn

[ ][  ][ ]

R 108.

Großh. Kreisamt und Landwehrweg=Viaduct.
Auf die Collectiv=Beſchwerde des Darmſtädter Oeconomen=Vereins und anderer
durch die Verſchleppung der betreffenden Arbeiten Seitens der Heſſ. Ludwigsbahn em=
pfindlich
beeinträchtigter Intereſſenten hat Großh. Kreisamt hier mit dankenswerther
Energie fördernde Maßregeln veranlaßt.
Die vom 29. v. Mts. datirte Rückäußerung, reſp. Mittheilung rubr. Behörde iſt
mir behufs weiterer Communication zugekommen, und liegt in meiner Behauſung
Mühlſtraße Nr. 70 - zur Einſicht bereit.
4623)
A. Mlein, Schrifführer des Oeconomen=Vereins.
4206) Geſucht aaf Johanni gegen/
Fin junger Mann mit ſchöner Hand=
H
3
hohen Lohn ein Dienſtmädchen, welches in
C=ſchrift, der täglich mehrere Stunden
4
der Küche nicht unerfahren, zuverläſig und frei hat, übernimmt ſchriftliche Arbeiten.
mit guten Zeugniſſen verſehen iſt. Carlſtr. 48.) Näheres im Verlag.

En
Dn

871
472) Geſucht wird ein Fräulein
oder eine Frau von geſetztem Alter,
die derHausfrau in Allem zur Stütze
ein ſoll, auch ſich nicht ſcheut, etwas
feinere Hausarbeit mit zu über=
nehmen
. Näh. Frankfurterſir. 48.
4181) Ein ordentlicher Junge kann in
die Lehre treten. Auguſt Nold,
Schloſſermeiſter, Friedrichſtraße 20.
.
2 (Fin Ladenmädchen, welches ſchon con=
3 E ditionirt hat. ſucht
F. Krätzinger Sohn, Ludwigſtr. 11.
Lnazini
L.Ak. .ireiniervrr.tinrei.

Der Arcier.
Von Levin Schücking.
Gortſetzung)

Frohn reichte ihr die Hand. Gerade heute? Kommr's
denn auf die vierundzwanzig Stunden an ?
Sie blickte verlegen zu Boden und ſah dann mit ihren ver=
führeriſchen
Augen leuchtend zu Frohn empor.
Nun, gehen Sie, ſagte ſie, und denken Sie auf der Wach
etwas aus, was der armen Thereſerl aus ihrer Noth hilft. Aber
erfahren darf kein Menſch davon! Was dann alles geſchäh, wenn's
ausgebracht würde, daß der junge Herr die arme Thereſe lieb
hat und zuweilen zu ihr kommt, ganz im Stillen, das wär gar
nicht auszuſagen, und er iſt doch ein gar ſo lieber, lieber Menſch-
Ein Engel, Thereſerl, ein Engel 1 ſiel Frohn mit gutmü=
thigem
Lächeln ein.
Ein Engel iſt's auch von lauter herziger Güte, und ich
hab' ihn auch ſo lieb, daß ich hier gleich das Leben für ihn gäb',
aber die Schande und den Spott und das Gerede von den böſen
Leuten und die Beſchimpfung, die 8 mir anthäten
Ein innerer Schauder zitterte bei dieſen Worten durch die
ganze Geſtalt des geängſtigten jungen Mädchens.
Frohn ſah mit tiefer Theilnahme auf ſie nieder.
Ja, ja. Sie haben Recht, ſagte er ernſt.
In's Waſſer müßt ich mich ſtürzen. lieber als das erleben,"
fuhr ſie, wieder die Hände vor das Geſicht ſchlagend, fort.
Und darum will ich Alles aufbieten, was in meiner Macht
iſt, U entgegnete Frohn; ich weiß ſchon, um was es ſich handelt.
Se ſah ihn fragend und ängſtlich an, als ob ſie aus ſeinen
Zügen den Sinn dieſer Bemerkung leſen wolle.
Ich weiß ſchon, wer Ihr Schatz iſt.1 ſagte Frohn. Soll
ich ihn der Demoiſelle in's Ohr ſagen ?u
Um Gotteswillen 1u rief ſie erſchrocken aus, indem ſie ihre
Hand auf ſeinen Mund legte.
4.
Frohn hatte ſeinen Wachdienſt in der Burg angetreten. Die
Wachtſtube des kleinen Corps in der Reſidenz war eine düſtere
Antecamera mit gepolſterten Bänken, welche an den Wänden
unter einer Reihe von Pflöcken umherliefen, an denen die blanken
Hellebarden der Arcieren hingen. Der zu beſetzenden Poſten wa=
ren
wenige, da ſich in die Bewachung der Burg außer den Ar=
cieren
noch die Corps der Trabanten Leibgarde und der Burg=
wächter
theilten. Die Arcieren, welche in Hofwagen zu ihrem
Dienſt abgeholt wurden, hatten immer die bevorzugten Poſten=
vor
den Gemächern der kaiſerlichen Herrſchaften.
Von vier bis ſechs Uhr Abends hatte Frohn Poſten geſtanden;
um Zehn war wieder die Reihe an ihn gekommen. Der Vice=
Second=Wachtmeiſter und dem Range nach Rittmeiſter, der die
Wache commandirte, ließ die Ablöſung um dieſe Stunde wieder
antreten und mirſchirte mit ihr ab; es waren außer Frohn noch
drei Mann. Dieſe erhielten einer nach dem andern an den ge=
wöhnlichen
Stellen ihre unterhaltende und für das Staatswohl
ſo bedeutſame Miſſion, die geſchulterte Wehr zwei ſchrecklich lang=

ſam verfließende Stunden hindurch auf und ab zu tragen vor ir=
gend
einer hohen dunklen Flügelthüre die ſich aus dieſer Ehren=
bezeigung
auch nicht das Allergeringſte zu machen ſchien. Mit
der abgelöſten Mannſchaft und unſerem Freunde marſchirte der
Vice=Second Befehlshaber weiter und endlich in einen ſtillen ab=
gelegenen
Seitengang hinein. Dieſer hatte in der Wand links
eine kleine Thüre, am entgegengeſetzten Ende eine ſchmale Stiege,
und der Thüre gegenüber hing eine düſter brennende Wandlampe,
die den Gang ſehr unvollkommen beleuchtete.
Es ſoll hier für die Nacht ein Poſten ausgeſtellt werden,"
ſagte der Anführer des kleinen Pelotons. Herr von Frohn bleiht
dazu hier. Vor dieſer Thür hier. Merken Sie ſich Ihre Ordre:
die Thür iſt kaſſirt, Niemand geht da aus und ein, es mag ſein,
wer es will. Verſtanden ?
Zu Befehl ! verſetzte Frohn.
Es iſt Ihrer Majeſtät, der Kaiſerin, ausdrücklicher Befehl,
fuhr der Vice=Second Wachtmeiſter fort. Der Poſten, der um
irgend einer Perſon willen die Ordre verletzt, ſoll ſofort in die
Eiſen gelegt werden!
Der Wachtmeiſter zog nach dieſer kurzen, inhaltvollen Stand=
rede
ab, und Frohn ſtand allein in dem dämmerigen Gange, vor
der Thüre, die ihn ſehr ſchwarz und düſter und wie erboſt da=
rüber
, daß man ihr das Recht auf die Exiſtenz abſprechen wolle,
anblickte. Eine Weile ging er auf und ab und lauſchte auf die
vollſtändige Stille, welche in dieſem entlegenen Theile der weit=
gedehnten
Gebäudemaſſen herrſchte. Seine Gedanten kehrten bald
zu der armen Thereſe und ihrer Noth und Angſt zurück. Es
war wirklich eine verzweifelte Geſchichte, und Frohn hatte trotz
alles Sinnens noch keine Idee, wie es ihm möglich werden ſolle,
ihr zu helfen. Der Orden mußte ohne Zeitoerluſt herbeigeſchafft
werden, die Polizei mußte ihn herausgeben und dazu noch bewogen
werden, keine Nachforſchungen anzuſtellen, wie er in des lieder=
lichen
Franz's Beſitz gekommen. Kam das arme Thereſerl auf
den Polizeibericht, der am Ende der Woche der Kaiſerin vorge=
legt
werden mußte, und dazu die Aufklärung, wie ſie zu dem Or=
den
gekommen, ſo war die in ſolchen Dingen ganz unerbittlich
ſittenſtrenge Monarchin im Stande, dem im Verborgenen blühen=
den
Elfenthum des jungen Mädchens und einer romantiſchen
Jugendliebe durch eine grauſame, entehrende Strafe und eine Aus=
weiſung
aus Wien ein entſetzliches Ende zu machen Unter allen
Umſtänden war die Kaiſerin im Stande ſo zu verfahren
ganz gewiß aber, wenn Frohn's Vorausſetzung über den jungen
Herrn, der ſchon mit zweiundzwanzig Jahren des hohen lotha=
ringiſch
=toscaniſchen Sanct Stephans=Ordens Ritter war, ſich be=
ſtätigte
.
Und geſetzt auch, der ſchlimme Franzl hätte geſchwiegen und
Thereſerl ſelber hätte, wie ſie verſicherte, ſich lieber die Zunge
abgebiſſen, als Geſtändniſſe abgelegt, die Kaiſerin ſelbſt hätte ſi=
cherlich
das Ordenszeichen und wer ſein jeziger Eigenthümer ſei,
ſobald ſie es ſich nur vorlegen laſſen, erkannt. Frohn hatte in
den Stunden, welche er mit ſeinen Cameraden in der Antecamera
zugebracht, heute wie von ungefähr das Geſpräch auf den Orden
gebracht und ſich erkundigt, ob der ehrwürdige Chef des Corps,
der Feldmarſchall Graf Aſpiemont, denſelben trage. Leider wurde

[ ][  ]

872
ihm ausdrücklich verſichert, daß die Excellenz weder Gerechtigkeits=
noch
Gnadenritter von Sanct Stephan ſei. Durch ihn war alſo
nichts zu erreichen.
Frohn hatte etwa zehn Minuten lang ſeinen Poſten einge=
nommen
und ſich dieſen Gedanken hingegeben, als er ein Geräuſch
hörte; ein paar dumpfe raſche Schritte, ein Schlüſſeldrehen, und
plötzlich flog die officiell und dienſtlich nicht vorhandene Thür auf.
Eine ſchlanke jugendliche Geſtalt, gehüllt in einen weißen Mantel,
trat auf die Schwelle. Frohn kreuzte ſeine Hellebarde vor der
Thüre.
Die Thüre iſt caſſirt' ſagte er. Es darf Niemand
heraus.
Der Mann im weißen Mantel ſah ihn offenbar ſehr über=
raſcht
und betroffen an. Erſt nach einer ſtummen Pauſe antwor=
tete
er mit einer gebieteriſch klingenden und doch außerordentlich
wohllautenden Stimme:
Weiß Er, wer ich bin?
Die Lampe, welche der Thüre gegenüber an der Wand brannte,
fiel jetzt hell genug in das durch den aufgeſchlagenen Mantel=
kragen
nur halb verhüllte Geſicht des jungen Mannes, um Frohn
erkennen zu laſſen, wer vor ihm ſtand.
Zu Befehl, Majeſlät!u erwiderte Frohn.
So nehme Er die Hellebarde weg! ſagte der junge Mann.
Dieſer war Niemand anders, als der römiſche König, der ſpäter
als deutſcher Kaiſer Joſeph II. hieß.
Frohn hielt die Waffe feſt.
Ew. Majeſtät halten zu Gnaden - ich habe die ſtrengſten
Befehle.
Wann wird Er abgelöſt ?u
Um zwölf Uhr.
Ich verſpreche ihm, vor zwölf Uhr wieder hier zu ſein, mein
Wort darauf!
Damit ſchob der König die Hellebarde raſch bei Seite, und
der weiße Mantel flatterte an Frohn vorüber. König Joſeph eilte
mit flüchtigen Schritten den Gang hinauf und war im nächſten
Augenblick um die Ecke verſchwunden.
Frohn blickte ihm in einer ſehr begreiflichen Aufregung nach.
7Du biſt ein rechter Thor geweſen,; ſagte er ſich. Das
Thereſerl wird Dir es ſchlecht danken! Er wird zu ihr ſein Ordens=
kreuz
auslöſen gehen!
Die Uhr der Burglirche ſchlug ein Viertel. Frohn begann
wieder auf und nieder zu ſchreiten - aber jetzt mit bedeutend
raſcheren Schritten. Eine Weile verging, die Uhren ſchlugen halb
eilf. Unſer Poſten machte die Bemerkung, daß einer Schildwache
die Zeit nicht immer wie eine Schildkröte krieche, daß ſie zuweilen
auch ſehr hurtige Fittiche haben könne.
Bei ſeinem Auf= und Abwandeln war Frohn ſchon mehr=
mals
bis an die kleine Treppe am Ende des Ganges gekommen.
Nachdenklich ſetzte er ſich endlich auf das niedrige Holzgeländer
dieſer Treppe, das ihm einen bequemen Ruhepunkt darbot, legte die
Hellebarde an ſeine Achſel und verſchlang die Arme über der Bruſt.
So hatte er eine Zeit lang geſeſſen - die Uhren ſchlugen drei
Viertel auf eilf - da hörte er unter ſich Schritte. Sie kamen
ziemlich ſacht aus der Tiefe, die Treppe hinauf ... es waren
offenbar zwei Perſonen, die emporſtiegen und dabei mit einander
ſprachen.
Er kann's mir nicht glaubenI hörte er endlich eine weib=
liche
Stimme ſagen, als die ſich Nähernden in ſeinen Gehörkreis kamen.
Seit zehn Uhr ſteht ein Arcier=Poſten vor der Thüre, ant=
wortete
eine tiefere männliche Stimme.
Als ob man ſich darauf verlaſſen könntelu antwortete die
erſtere. Ich habe den weißen Mantel aus der Thüre zum Burg=
gärtel
unten kommen ſehen, ſo wahr ich ein paar geſunde Augen
im Kopf habe.
Dann,, ſagte die andere Stimme, und zugleich hielten die
Schritte im Steigen inne, dann iſt nichts Anderes zu thun, als
es muß Einer von uns Beiden zu ihm hineingehen und mit eigenen
Augen ſchauen, ob er zu Haus iſt oder nicht. Die Kaiſerin will
Gewißbeit haben, und wenn ich nichts Beſtimmtes weiß, trau ich
mich gac nicht ihr wieder vor's Geſicht zu kommen.

Beide Redenden ſtanden jetzt ſill ein Stockwerk unter dem
Standpunkte Frohn'8.
Es wär' freilich das Allerbeſte ... aber wie macht mane ? die weibliche Stimme ein. Er hat ſtreng verboten, nach
zehn Uhr ſein Zimmer zu betreten..
Einen Vorwand müßt' man haben, lautete die Antwort,
neinen Befehl von der Kaiſerin, - weiß die Frau von Lederer
nichts, was man vorgeben könnte?
Ich meine ſchon, verſetzte die Dame; es ſoll morgen in
der Früh ein Courier nach Parma abgehen, der römiſche König
gibt da gewöhnlich Briefe au die Verwandten in Parma mit.
Der Herr von Echtern lönnte zu ihm hineingehen und ſagen, er
käme zu melden, daß der Courier ſchon in der Nacht abgehen ſolle.
Und daß ich um die Briefe bitte, wenn ſie fertig ſeien; ſo
läßt ſich s machen, antwortete der Herr von Echtern. Aber dann
muß ich zuerſt in meine Uniform fahren, ich kann nicht ſo zu ihm
hinein!
So geh der Herr von Echtern in ſein Zimmer und fahr
hurtig in ſeine Uniform flüſterte die Stimme der Frau von
Lederer: ich erwart' ihn auf meiner Stuben und melde es dann
der Kaiſerin, wies ſteht!
Gortſetzung folgt)

Mittheilungen aus Etadt und Land.
Darmſtadt, 6. Juni. Seit geſtern iſt das Telegrahen=Bureau
mit einem neuen Schild und der Auſſchriſt:Deutſche Reichs=Lelegraphie;
verſehen.
Die Einweihung des neuen Friedhofs betr. hat ſich der
evangeliſche Kirchenvorſtand mit dem katholiſchen Pfarramt dahin ver=
ſtändigt
, daß je bei der nun erſtfolgenden Beerdigung die Einweihung der
neuen Grabſtätte nach evangeliſchem und reſp. katholiſchem Ritus je bejondes
ſtattfinden ſoll.
D. Es iſt von großer Wichtigkeit, daß die für heute Abend bei
Ritſert wegen Verlegung des Telegraphen anberaumte Verſammlung
möglichſt zahlreich beſucht werde. Es it nicht nothwendig, daß man ſich
des Telegraphen regelmäßig bedient. um bei dieſer Frage intereſſirt zu
ſein; gerade diejenigen, welche von dieſem Inſtitut nicht regelmäßig Gebrauch
machen, haben gerade wenn ſie es bedürfen, namentlich in Familienange=
legenheiten
, oft das meiſte Intereſſe daran, die Station möglichſt nahe bei
der Hand zu haben.
An neueſten Verkaufen ſind zu verzeichnen:
Die Reſtauration Dietz'ſche Hofraithe in der Graſenſtraße um 32,000 fl.
ſodann die Glaſermeiſter Schulz= Kaufmann O. Höflinger hier:
ſche Hofraithe in der Alexanderſtraße um 29,000 fl. an Glaſermeiſter C. C.
Blech hier.
Zu dem auf Koſten der Stadt zur Feier des 25jährigen Regierungs=
Jubiläum veranſtaltet werdenden Feſteſſen ſind 100 Stadt=Arme einge=
laden
. Auf dem Menu ſtehen Suppe, Gemüs, Fleiſch und Beilage, Braten,
und ein gutes Glas Wein, durch deſſen Animirung es vielleicht ſchließlich
auch noch zu einem Tänzchen kommen dürſte.
In der Nähe der Stadtcapelle wurde vorige Nacht ein Diebſtahl
mit Einbruch verübt und wie man hört, eine beträchtliche Summe geſtohlen.
Vor dem Mainthor wird nun ebenfalls eine Sodawaſſerbude
errichtet.
Worms, 3. Juni. Die heute hier tagende Verſammlung der
mittelrheiniſchen Aerzte erfreute ſich eines ſehr regen Beſuches.
Etwa 100 Aerzte aus Baden, der bayer. Pfalz und aus Heſſen nahmen
daran Theil.
Eine im vorigen Jahre von den Intereſſenten lebhaft dementirte
Nachricht iſt nun doch zur Wahrheit geworden. Die Deutſche Preſſe= und
die Frankfurter Preſſe; haben ſich fuſionirt und werden vom 1. Juli an
mit gleicher Tendenz ſnationalliberal, vielleicht mit einer ſchwacher Hin=
(M. A)
neigung nach links) unter einem Titel ausgegeben werden.
Nach Beſchluß der ſtändigen Deputation des deutſchen Juriſten=
tages
wird dieſer ſeine Jahresverſammlung zu Hannover in der Zeit
vom 28. bis 30. Auguſt d. J. mit Begrüßungsabend am 27. Auguſt
abgehalten.
Badiſche 100 Thaler=Looſe.) Bei der am 3. Juni ſtatt=
gehiben
Ziehung erhielten folgende Rummern die höchſten Treffer: Serie
428 Nr. 21,398 70000 fl.; S. 826 Nr. 41295 14,000 fl.; S. 481
Nr. 24024 7000 fl.; S. 826 Nr. 41,297 2800 fl.; S. 619 Nr. 30949.
und 41295 je 1400 fl.; S. 17 Nr. 814, S. 76 Nr. 3774, 3800, S. 276
Nr. 13760, 13751, S. 345 Nr. 17248, S. 428 Nr. 21,352, 21386,
S. 466 Nr. 23259, 23295, S. 739 Nr. 36,905, S. 1031 Nr. 51525
je 350 fl.
Nachdem conſtatirt iſt, daß die aſiatiſche Cholera durch Holz=
flößer
nach Schullitz und Schillno eingeſchleppt wurde, ſind Seitens der
preußiſchen Regierung in Gumbinnen, Schullitz und Graudenz Reviſions=
ſtationen
eingerichtet und in Schillno fünſtägige Quarantäne angeordnet
worden.

R 108.

Redaction und Vertag; L. C. Wittich'ſche Hojbuchbruckerei.