Darmstädter Tagblatt 1873


24. Januar 1873

[  ][ ]

136. Jahrgang.

Wennementwri
2fl. 48 kr. jhrk inc. Einzw.
Lhn. -- Auswirs werden von
allen Poftämtern Beſtellungen
Ahegengemmen zu 5s kr. pre
Quatal incl. Poſtauffchlag und
Beſtellgebühr.

Iuſerote
verden angenmmen:uDarm.
ſtadtvnde Eppedition Rhein-
ſtraße
R. V. in Beſſungen
von Friedrig Buzer, Friedrich=
ftraße
Nr. . ſewie auvim
von allen ſoliden Annoncen
Expeditionen.

Amtliches Organ
für die Bekanntmachungen des Großherzoglichen Kreisamtes Darmſtadt.
R. L7.
Freitag den 24. Januar
1873:

Verſteigerungen.
338a) Bekanntmachung.
Samſtag den 25. d. Mts., Vormittags
10 Uhr, ſollen die bei der Erbauung eines
Schulhauſes in der Friedrichſtraße dahier
vorkommenden Arbeiten, als: Maurer=,
Steinhauer=, Zimmer=, Dachdecker=, Speng=
ler
=, Schreiner=, Schloſſer=, Glaſer= und
Weißbinder=Arbeiten auf dem Soumiſſions=
wege
vergeben werden. Die Soumiſſions=
Offerten ſind bis zu obigem Termin ver=
ſchloſſen
und mit der Aufſchriſt Schulhaus
betr. in den vor unſerem Büreau aufge=
hängten
Soumiſſionskaſten einzulegen. Zeich=
nungen
, Voranſchlag u. Bedingungen liegen
von Montag den 20. d. Mts. an auf dem
Stadtbauamt zur Einſicht offen, woſelbſt
auch die Soumiſſions=Formularien zu er=
heben
ſind.
Darmſtadt, den 12. Januar 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
Fuchs.
Bekanntmachung.
Montag den 27. l. Mts., Nachmit=
tags
3 Uhr, ſollen auf dem hieſigen Fried=
hof
verſchiedene Parthien Abfallholz und
Bäume öffentlich an die Meiſtbietenden/
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 22. Januar 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
575)
Fuchs.
Verkauf von Brauerei=
Geräthſchaften.
Wegen Aufgabe der Brauerei im Groß=
herzoglichen
Landeshospitale werden folgende
Geräthſchaften, nämlich:
1) ein kupferner Braukeſſel, 2652 Liter
haltend,
2) eine Maiſchbütte, circa 5900 Liter
haltend, mit lupfernem Senkboden,
verſehen;
3) ein Kühlſchiff von Eiſenblech, 11 Me=
ter
lang, 3775 Meter breit;
4) ein Waſſer=Reſervoir von Eiſenblech,
circa 7040 Liter haltend;
5) neue Gährbütten, eine jede circa 2200
Liter haltend:
6) eine Dickmaiſchpumpe,

ſaus freier Hand verkauft und ſind Offerten
auf ſämmtliche Geräthſchaften oder einen
Theil derſelben bei der unterzeichneten Be=
hörde
ſchriftlich einzureichen. Bemerkt wird,
daß ſämmtliche Geräthſchaften in durchaus
gutem, zum Theile ſich in faſt noch neuem
Zuſtande befinden.
Hofheim, Poſt Goddelau, 9. Januar 1873.
Großherzogliches Hospital=Rentamt.
298)
Dittmar.
576) Holz=Verſteigerung.
Weiterſtadt.) Montag den 27. d. M.
werden in dem Weiterſtädter Gemeindewald,
Diſtrict Täubcheshöhl, verſteigert:
315 Raum=Meter kiefern Scheidholz.
144
Prügelholz.

211
Stockholz,
44 Hundert Kiefern=Wellen
und Dienſtag den 28. d. Mts. daſelbſt:
268 Stämme kiefern Bauholz.
Die Zuſammenkunft iſt an jedem der
Tage Morgens 9 Uhr auf der Wixhäuſer
Hausſchneiſe, nächſt der Eiſenbahn.
Weiterſtadt, am 21. Januar 1873.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Weiterſtadt.
Petri.

Feilgehotenes.
Direct importirte
Habana-Cigarren
in reicher Auswahl vorräthig bei
C. L. Auber & Söhne,
177)
Großh. Hof=Lieferanten.
8
2 in allen Größen
8 Tafelglas auf Lager Gor=
maltiſten
zu Fabrilpreiſen) bei
Jacob Christ,
Glashandlung in Mainz.

512) Marienplatz Nr.
Dung zu verkanfen.

4 eine Kaute

Neue ſüße Zwetſchen per Pfund 10 kr.
Italieniſche Maccaroni,
18 kr.
Faul törger Sohn;
577)
Kirchſtraße 25.

578) Trockene Eichen= u. Kiefern=
Diele, 1½ Zoll ſtart, ſind zu verkaufen
bei
Conrad Göhrig
in Langen.

180)
Liobis Companys Peisch-Extract
aus FRAT-BEUTos Cud-Amerika).
Höchste Auszeichnung bei den Ausstellungen
Paris 1867
Havre 1868- Amsterdam 1869- Moscau 1872
Iyon 1872 - Paris 1872.
wenn jeder Topf untenstehende Unterschritten trägt
und aut der Etiquette der Name J. v. LIEGlE in blauer
Mur ächt.
Parbe aufgedruckt ist.

Dr.peptt.

Wxlzz
Engros Lager bei dem Correspondenten der Gesellschaft:
Herrn H. Herehz in Darmstadt.
Lu haben in Darmstadt bei den Herren: C. H. Anber &am Söhne, Elisabethen=
Strasse 14, Wüh. Hanck, Ballonplatz 5, G. P. Poth vorm. J. F. Henigst,
Casinostrasse 12, Jacob Röhrich Wtwe, Sandstrasse 10, E. Soriha, Apotheker,
Kirchstrasse 25; in Bessungen: Wilh. Hensel.

[ ][  ][ ]

108

M. I7.

Vermiethungen.
8658) Ein kleiner Laden ohne Woh=
nung
am 17. Februar 1873 zu vermiethen.
H. Noack, Ludwigsplatz Nr. 1
541) Ein möblirtes Zimmer zu 5 fl. zu
vermiethen. Holzhofſtraße 20.
579) Ecke der Eliſabethen= u. Zimmer=
ſtraße
Nr. 2 parterre ſind 2 ſchön möblirte
Zimmer an einen einzelnen Herrn oder eine
kleine Familie zu vermiethen.)

Vermiſchte Nachrichten.
Sedes t. Amt, jeder Geſchäftsmann,
L zahlloſe Private ſind heutzutage
dann und wann genöthigt, Anzeigen in den
jedesmaligem Zwecke entſprechenden Zeitungen
zu veröffentlichen. Zu ſolchen Füllen eu=
pfiehlt
es ſich die Vermittlung der als ſolid
und diseret bekannten Süddeutſchen
Annoncen=Expedition von E. Stöck-
hardt
(in Darmſtadt Vertreter: Herr
Jos. Waitz, Firma Würtz'ſche Buchhand=
lung
) in Anſpruch zu nehmen, welche bei
Original=Zeitungspreiſen keinerlei, Speſen,
weder Porto noch Proviſion, in Anrechnung
bringt.
p.
EiiAazu
Für
589
Stellen-Angebote & fesuche.
namentlich von Buchhaltern, Geſchäfts=
reiſenden
, Commis, Gehülfen, Lehrern,
Gouvernanten ꝛc., ꝛc., für
und dergl.
A8socié-Gesuche ſovie für
Verpachtungen. Au= C Verkäufe
von Häuſern, Liegenſchaften, Fabriken, H
Bergwerken ꝛc. ꝛc. iſt die Zeitungs=
Annonce das Mittel, welches raſch und
ſicher zum Ziele führt.
Zur Beſorgung derartiger Annoncen
in die für jeden jpeciellen Fall beſige=
eigneten
Zeitungen und zur Entgegen=
nahme
darauf einlaufender Oferten H
empfiehlt ſich die
Annoncen-Eæpedition
No
von G. L. Daube & v.
Central=Bureau: Frankfurt a. M.
Repräſentanten in allen größeren Städten/
Curopas.
Auzi
4

F. L eine tüchtige Einlegerin
Geſuctjur Schon=u. Widerdruc.
Näheres in der Exp.

8 Maſchinenſchloſſer,
welche pro Tag mindeſtens 1 Thlr.,
Monteure,
welche pro Tag 1½-2 Thlr. beanſpruchen
können, wollen ſich unter Beifügung von
Zeugniſſen melden. Wo? ſagt die Exp. d. Bl.
550) Einen Lehrling ſucht gegen Lohn
die Handelsgärtnerei von K. Arheilger.

8

HashCm-Costime

jeden Zeitalters und Genres von den brillanteſten bis zu den gewöhnlichſten bis
für Damen und Herren werden zu fertigen übernommen, ebenſo werden Quadrillen
ausgeſtattet und eine bedeutende Serie neuer und älterer Coſtüme verliehen. Zeich=
nungen
liegen zur Einſicht bereit. Carlsßraße 29, Parterre.

581) Darmſtädter Volksbauk, e.
G.
Vom 1. bis 15. Februar d. J. werden die Zinſen der Spareinlagen für
1872 ausbezahlt und zwar in den Vormittagsſtunden von 9-12 Uhr und Naymittags
von 3-5 Uhr. Die bis zum 16. Fehruar nicht erhobenen Zinſen werden den Capi=
talien
beigeſchrieben und weiter mit denſelben verzinſt, auch wenn uns die Einlage=
büchelchen
nicht vorgelegt werden.
Der Vorſtand.

582)

C O N
CERI

zum Beſten der nothleidenden Bewohner der deutſchen Oſtſeküſte
Montag den 27. Januar in der Turnhalle am Woogsplatz
Abends 7½ Uhr präcis.
Unter gütiger Mitwvirklung der Damen Frau Jaide, Frau Zenger und Frln. Dern,
ſowie der Herren Böllert, Vern, heim, Lederer, Gppenheimer, Reitz, Sedlmayer
und Weber.


PROOR A MM.
.
1) Chor: Sturmbeſchwörung von Dürrner.
2) Prolog von Frln. L. Büchner, geſprochen von Frau Senger.
3) Lied, geſungen von Frau Jaide.
4) Hymne an die heilige Cäcilie, Trio für Harfe, Harmonium und Bioline, vorgetr.
von den Herren Böllert, Sedlmahr und Heim.
5) Zwei Lieder von Schubert, geſungen von Herrn Lederer.
6) Sonate für Clavier und Flöte von Kuhlau, vorgetr. von Frln. und Hrn. Dern.
7) Lied für Baß von Mozart, geſungen von Hrn. Oppenheimer.
M.
8) Adagio aus der Sonate pathétique von Bethoven, arrang. für Harmonium,
Harfe, Bioline und Cello, vorgetr. von den Herren Sedlmayr, Böllert, Heim
und Reitz.

9) Lied, geſungen von Frau Jaide.

10) Declamation, vorgetr. von Frau Senger.
11) Zwei Lieder von Schumann, geſungen von Hrn. Lederer.
12) Jägers Abendlied
componirt von Schubert, geſungen von Hrn. Weber.
Des Müllers Blumen
13) Chor: Voltslied, arraugirt vpn Spindler.
Eintrittspreiſe: Sperrſitz 1 fl. 30 kr. - 1. Platz 48 kr. - 2. Platz nach Be=
lieben
, jedoch nicht unter 24 kr.
Eintrittskarten für Sperrſitz und 1. Platz ſind von Samſtag an in den Buch=
handlungen
der Herren Bergſträßer, Rühl u. Rettig, Schödler und Schorkopf, ſolche
für 2. Platz nur am Concertabend an der Kaſſe zu haben.
Darmſtadt, am 23. Januar 1873.
Der Vorſtand der Turngemeinde.

[ ][  ][ ]

M11

109

Der Reſidenzkalender für 1873
iſt auf unſerm Comptoir zu 12 kr. per Stück zu haben.
I. C. Wittich'ſche Hoſbuchdruckerei.

4*
1

in Schriftſetzer findet Condition,
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.

er der zu
8 Ein Maſchinenſchloſſe., drehen
verſteht auf kleinere Maſchinen, bei gutem
Verdienſt und dauernder Arbeit geſucht.
Offerten unter P. H. beſorgt die Annoncen-
Expedilion von J. Schaeker in Mainz.
583) Ein braves jolides Mädchen, das
einer kleinen Haushaltung hinlänglich vor=
ſtehen
kann, wird gegen guten Lohn geſucht.
Näheres Grafenſtraße. 13 bel Etage.
584) Ein Mädchen geſucht zur Haus=
und Küchenarbeit. Logis wird vergütet.
Georgſtraße 11 Hinterhaus.

585) Ein Herr kann eine Schlafſtelle erhalten
bei G. Brähler, Kiesweg 27 im 3. Stock.
0
In dem Großherzoglichen Holzmagazin
per Raummeter.
wird abgegeben:
buchen Scheidholz 1. Claſſe 6 fl. 40 kr.
kiefern 4 fl. 40 kr.
Der an den Ueberbringer für einen Raum=
meter
zu zuhlende Fuhrlohn beträgt für
Darmſtadt und Beſſungen 18 kr.
Beſtelltage: Dienſtag, Freitag und
Samſtag, Vormittags von 8 bis 11 Uhr.
Großherzogliches Reikamt Darmſtadt.
Hauſer.

Großherzogliches Hoftheater.
GFreitag, 24. Jan. 3. Vorſt. im 6. Abonn.
Narziß. Drama in 5 Akten von Brachvogel.
Großh. Muſeum und Billdergalerie im Schloß,
geöffnet Sonntag von 11-1 Uhr, Dienſtag. Mitt=
woch
, Donnerſtag und Freitag von 11-12 Uhr.
Großh. Hofbibliothek im Schloß, geöffnet täg=
lich
von 9-12 Uhr Vormittags und ſauher Samſtag)
von 2- 4 Uhr Nachmittags.
Sparlaſſe. Zahltage Montag, Dienſtag. Donner=
ſtag
, Freitag von 9-12 Uhr Vormittags. Jeden
Dienſtag von 2- 4Uhr Nachmittags werden die Spar=
kaſſebüchelchen
gegen die Interimsſcheine ausgegeben.
Darmſtädter Vollsbauk, eingetragene Ge=
noſſenſchaft
, verbunden mit Spar=Kaſſe.
Geſchäftsſtunden täglich Morgens von 9-12 Uhr,
Nachmittags von 3-6 Uhr. Kaſſeſchluß um 5 Uhr
Nachmittags. Sparkaſſe=Büchelchen werden ſogleich
bei der Elnlage ausgefertigt.
Spar= und Leihlaſſe in Beſſungen, Carlsſtraße
Nro. 2. Zahltage Dienſtag und Samſtag von
8-12 Uhr Vormittags.

Ein Lebensbild.
Von 8.


Fortſetzung.)
Da der kleine Bruno mehrere Jahre der einzige Enkel der
Iutendantur=Rüthin blieb, da ſie den Sohn der Amme, eben ſo
wie das Kind ihrer Tochter, unter ihren Augen erwachſen und
ſich entwickeln ſah, und der Karl wirklich ein holdes und äußerſt
liebenswürdiges Kind war, ſo fühlte das Herz der alten Dame
eine gewiſſe großmütterliche Zuneigung auch für dieſen, beſchenkte,
ermahnte, ſchalt und küßte ihn wie ihren Bruno, und Karl ſagte
Großmutter und Mama zu den beiden Damen eben wie ſein
Milchbruder. Nur den Hausherrn nannte er bei ſeinem Titel,
den er Anfangs in ziemlich drolliger Weiſe zu einem Herrn Bauch=
meiſter
verketzerte.

Als die beiden Jungen ſieben Jahre alt waren und gemein=
ſchaftlich
mit Fibel, Bibel und Tafel in die Schule wanderten,
klapperte eines Tages der Storch wieder über dem Hauſe der
Frau Serno und brachte eine kleine Schweſier, brachte Zucker=
düten
und Herrenſtiefel für Bruno und Karl.
Das war eine Freude! Lenchen'3 Junge kam ganz verwil=
dert
nach Hauſe, als er das Püppchen zum erſtenmal geſehen
hatte. Seine Wangen glühten, ſeine blauen Augen funkelten und
die glänzend braunen Locken hingen ihm in tauſend Ringeln um
die heiße Stirn. 3ch ſage Dir, ich ſage Dir, Mutter lieb
ſchrie er, ſie iſt nur ſo groß, und hat die Aeugelchen ganz feſt
zu, und ihre Händchen ſind auch ſo kleinchen, ſo klein, und ſie
ſchläft in einem Bettchen, da hält ein goldener Vogel einen grün=
ſeidenen
Vorhang drüber, daß ihr die Sonne nicht in's liebe
Geſichtchen ſcheinen kann. Ach Du meine Herzensmutter, wenn
ich nur immer bei der kleinen Schweſter ſein könnte! - Und
ich, Karl 2u fragte Lenchen, die jetzt mehr und mehr das Anſehn
einer hübſchen, verſtändigen, bürgerlichen Matrone bekam, woll=
teſt
Du mich verlaſſen, Deine Mutter, um immer bei dem klei=
nen
Mädchen zu ſein z
3h Gott bewahre, Mutter lieb, Dich verlaſſe ich nie, ich
laufe nur oft hin zum Schweſterchen, Du weißt ja, ich bleibe
bei Dir und lerne ſehr, und werde mit der Zeit ein Herr, wie
der Baumeiſter, und dann biſt Du ſo meine Mutter, wie die
Großmama Intendantur=Räthin, und ich laſſe Dich auf einem
Sopha ſitzen und ſtelle Dir ein Bänkchen unter die Füße, und
ach, meine einzige trauteſte Herzensmutter, Dich verlaß ich
nieln Die Augen Lenchen's füllten ſich mit Thränen. Wenn
er ſchmeichelte, der Kleine, dann war er ganz, aber auch ſo ganz
wie der Vater! Sogar dieſelben Worte brauchte er wie der,

obgleich er ſie doch nie aus ſeinem Munde gehört hatte. O wie
ſie ihn liebte, ihren Sohn, ihren Stolz, ihr ganzes Glückl
Aber Lenchen's Mutterliebe war keine thörichte. Sie erzog
und belehrte ihr Kind, und die Liebe gab ihr Weisheit und
Wiſſenſchaft. Sie lehrte ihn Gott lieben und hielt auf ſtrikten
Gehorſam, ſie gewöhnte ihn zu Reinlichkeit, Sparſamkeit und
Fleiß. Sie ſah nach ſeinen Schularbeiten und nach ſeinen Klei=
dern
, daß alles ordentlich und manierlich an ihm ſei. Sie lehrte
ihn ſeine Lehrer achten und ihre Gebote befolgen. Sie hielt ihn
fern von Müſiggang und fern von böſer Geſellſchaft. Denn
wenn er nicht bei ihr im Kellerſtübchen war, Gemüſe putzte,
Bohnen verlas, Strumpfgarn wickelte oder Körbe flocht, ſo war
er bei ihrer Herrſchaft oder mit Bruno in der Schule, immer
aber unter Aufſicht.
Sie ſelbſt war nun oft allein. Sie ſtand ihrem kleinen
Handel vor, ſtrickte und nähte für ſich und ihr Kind, ja auch
für die Kinder des Serno'ſchen Hauſes, wo man ihr immer noch
gern Arbeit gab. Sie war nicht mehr traurig und unglücklich.
Der Schmerz um ihren Karl war milder und ſtiller geworden,
und wenn ſie noch einen Wunſch hatte, den Geliebten ihrer Ju=
gend
betreffend, ſo war es der, ſein Grab ſchmücken und an
demſelben beten zu können.
Freilich verging kein Tag und keine Stunde, wo ſie nicht
an ihren Karl dachte, rief doch der Anblick des Kindes, das ihm
ſo ähnlich ſah, jede Minute die Erinnerung an den Vater wach.
Aber dieſe war ſchmerzlos, ja ſie war füß. Sie glaubte an
ſeine Liebe und Treue und hoffte mit feſtem Gottvertrauen auf
ein Wiederſehen jenſeits des Grabes, wo ſie ihm ihr Kind zu=
führen
und es als einen rechtlichen Menſchen zeigen würde. Das
Andenken an den Dahingeſchiedenen verwebte ſich mit ihrem
Glauben. Bei ihrer Herzenseinfalt und ihrem Mangel an wiſſen=
ſchaftlicher
Erkenntniß fühlte ſie ſich vollkommen befriedigt durch
das Leſen ihres Katechismus. Sie glaubte ſchlecht und recht,
daß der Erlöſer für ſie geſtorben und ihr durch ſein theures
Blut die Vergebung ihrer Jugendſünde erlauft habe. Sie glaubte
buchſtäblich an eine einſtige Auferſtehung des Fleiſches und freute
ſich mit rechter Seligkeit auf das Wiederſehen. Sie war eine
fleißige Kirchengängerin und beſuchte auch gern die Vereinigung
jener Frommen, zu denen der Bäcker Stump gehörte, der jetzt
ſchon ſeit längerer Zeit Meiſter und Bürger war, ein gutes Ge=
werbe
hatte und allgemein für einen wohlhabenden, frommen
und ſehr rechtſchaffenen Mann galt.
Kurz nach der Nachricht von Kar's Verſchwinden hatte
Lenchen den Herrn Stump, der damals noch als Geſelle arbei=
tete
, aufgeſucht, um ſich von ihm etwas von ihrem Schatz er=

[ ][  ]

110
EIz.
bevor er nach Elbing zurücklehre. Stump glaubte feſt, daß ſein und ein ſolches nimmt das Gewerk nur ſchwer an.
ehemaliger Kamerad in Amerika ſei, und dieſe Behauptung machte
weichem Haar und bleichem, etwas ſchwammigem Geſicht. Stump zuletzt mit zitternder Stimme den Antrag gemacht, ſie zu hei=
Er beſchenkte den letztern oft und bot der Mutter einen Brod= dem Mann gar nicht einmal eine rechte Antwort geben konnte,
handel mit hübſchem Rabatt an, als er ſelbſt zu backen anfing.l und er hatte ihr vierzehn Tage Bedenkzeit gelaſſen.
Lenchen aber ſchlug das aus. So fromm und rechtſchaffen, ſo
wohlhabend und anſehnlich der Mann auch war, ſie mochte ihn
nicht, weil er Schlimmes von ihrem Karl ſagte und dachte.
Indeß kam Stump alle Tage zu Lenchen, trat in das Keller=
gewölbe
, ſchenkte dem Kinde eine Semmel, kaufte etwas für ein
Paar Groſchen und ging dann wieder. Sie konnte das nicht
ändern, obgleich ihr's gar nicht recht war, ihre Waaren ſtanden
ja für jeden da, und Herr Stump war ein wohlberufener, ſehr ) Geſetzblatt Nr. 1 enthalt unter Nr. 1 den Poſtvertrag zwiſchen Deutſchland
ür den Karl zu bezahlen. Sie dankte ihm. Der Herr Super= und un gariſcher Eprache und das dazu gehörige Schlußprotokoll
intendent, der wackere Mann, der gegen ſie immer ſo gütig war, hervorzuheben: 1) ein Antrag des Abg. Landmann betreffend die Erbauung
hatte auf der Elementarſchule ihr das Schulgeld aus der Armen= und Unterhaltung der Vieinalſtraßen auf Staatskoſten; 2 ein Antraz
ſtiftung zukommen laſſen und jetzt unlängſt das Verſprechen ge= deſſelben Abg. beir. die Aufhebung der geſeßzlichen Beſchraͤnkung der Ge=
geben
, daß Karl eine Freiſtelle im Gymnaſium haben ſollte.
zu einem neuen Anzuge. Leuchen konnte eigentlich den guten/ Haltſtelle zu Mittel=Gründau und Errichtung einer Güter=Expedütion da=
Willen nicht zurückweiſen; wenn ſie ſich aber genöthigt ſah, das ſelbſt;5 ein Antrag der Abag. Schaum und Scriba betr die Uevernahme
ben, ein Gefühl, über das ſie ſich keine Rechenſchaft geben konnte, und Theobald betr. die Auſhebung der Verordnungen vom 1. März 1849
hielt ſie davon ab, ſie that den Gulden und Groſchen zu dem und vom 29. Januar 1868½ 7) ein Antrag der Abgg. Heinzerling, Stüber,
als ein Nothgroſchen bleiben, wenn ſie etwa ſterben ſollte. Dem, Küchler, Schaum und Dumont betr. die Reviſion des Einkommen=Steuer=
Knaben fehlie nichts, er hatte eine Kindheit, wie ſie dem Sohn Geſetzes und 9) eine Interpellation des Abg. Freiherrn von Wedekind betr.
einer Amme ſonſt wohl nie zu Theil wird. Von den Eltern die Fortſetzung der Odenwald=Bahn.
ſeines Milchbruders erhielt er anſtändige Kleidung. faſt täg=
lich
dort, und wenn er einmal zu Hauſe im Kellerſtübchen der rathung noch auszeſetzt blieb, von der Kammer einſimmig für
Mutter , ſo gab ſie ihm gewiß das Beſte und reichlich zum gültig erklaͤrt.
Sattwerden, obgleich ſie ſelbſt ſich gar kümmerlich behalf. Sie
ſorgte für ſtets reinliche Wäſche des Knaben, ſie ſah danach, daß mann Exc., im 81 Lebensjahre nach 8tägigem Krankenlager.
ſeine Stiefeln nie zerriſſen waren. Hunger, Froſt und Lumpen ſendungen mach den beiden, innerhalb des Großherzogthums belegenen
blieben ſeiner heiteren Kindheit fremd und er ahnte nicht, daß Orten Jugenheim vielfach inſofern ungenau adreſſirk werden, ds es
Welches Kind kennt die Opfer, die die Mutterliebe bringt, und ziehungsweije in Rheinheſſen anzügeben. nimmt die Ober=Poſt=Dirction
verſucht ſie zu ſchätzen! Aber daß die Mutter gut, unendlich 3gerungen, welche durch eine derarlige ungenaͤue Adreiſirung in der Be=
zem
Herzen.
Nur ein Geſchöpf in der Welt liebte er faſt mehr noch als aufmerkſam zu machen.
ſie, die ernſte, immer fleißige Mutter, das kleine Klärchen, das 6 fl. 25 L. v. 1837. Braunſchweigiſche Thl. 20 L. v. 1868. 3½ ⁄₈ Köln=
Schweſterchen im Hauſe des Herrn Baumeiſters. Beide Knaben Mindener E.B. Thl. 100 L. v. 1870, Graf=Pappenheim fl. 7 L. v. 1864.
kleinen Dinge den Willen zu thun. Im Winter fuhren ſie ſie 5½. Turkiſche fr. 400 L. v. 1870, 3⁄₈ Belgiſche Komm. fr. 100 L. v.
im Schlitten und ſahen mit aller Sorgfalt darauf, daß kein 1868. 3½ Stadt Lutich fr. 100 L. v. 1868, St. Roubair und Lourcoing
rauher Wind das kleine, roſige Geſichtchen anwehe. Im Som= fr. 55 L. v. 1860, 3% Stadt Antwerpen fr. 100 L. v. 1867 4% Stadt
mer ſpannten ſie ſich an den Kinderwagen, machten ihr Puppen Florenz fr. 250 L. v. 1868, 30, Stadt Lille fr. 100 L. v. 1863, 34 o⁄b
aus Mohnknospen, und Theekannen aus dem Piſtill der gelben Stadt Reggio fr. 120 L. v. 1871.
Waſſerroſe, Löffelchen aus Kornblumenkelchen und tauſend andere ſich dahin entſchieden haben, die Verbindungsgeleiſe zwiſchen den ſudlichen
hübſche Spielereien, und als ſie anfing verſtändiger zu werden, l Linien Aſchaffenburg, Frankfurt und Worms und den noͤrdlichen Linien
da erzählte Karl ihr alle Märchen, die ſeine Mutter ihm und Alzei, Bingen und der noch zu erbauenden nach Wiesbaden welche gegen=
Prinzeſſin, der zu Ehren ſie mit Rieſen und Drachen kämpften, führen unter welchem ſich der Verkehr frei bewegen könnte.
oder auch das gefangene Burgfräulein, das ſie mit allen mög=
lichen
Anſtrengungen erlöſten aus ihrer Noth.
Das war nun ſo fortgegangen manchen Sommer und Winter des 18. und in Keöln am 20. Morgens beobachtet wurde.
lang. Die beiden Jungen waren nach Sexta, Quinta, Quarta,

zählen zu laſſen. Freilich wußte er wenig oder nichts von ihm. j ⁄a endlich nach Tertia und Secunda gekommen, und da Karl nun
Sie waren in der Compagnie nicht Freunde geweſen, Stump auch mit Bruno zuſammen eingeſegnet wurde, ſo fragte denn die
meinte, er hätte ſich in Berlin etwas auf die liederliche Seite Mutter nun, welch ein Handwerk er erlernen würde ? Das des
gelegt. Von ſeiner Erbſchaft habe Stump noch gehört, aber Zimmermanns wäre ihr wohl das liebſte geweſen, doch war ein
dann nichts mehr, da Krauſe allein gereiſt. Er habe auch ſchon ſchlimmes Aber dabei, über welches ſie nicht einmal recht ſprechen
im Regiment geäußert, daß er noch erſt eine Reiſe machen müſſe, konnte, ihrem Sohne gegenüber. Er war ja ein uneheliches Kind
Etwas eigenes war ihr übrigens in dieſen Tagen paffirt.
ihn dem Müdchen verhaßt und widerwärtig. obgleich es ein hüb= Herr Stump nämlich hatte ſich erboten, den Karl unentgeltlich
ſcher, anſehnlicher Mann war, groß, breitſchulterig. mit blondem, in die Lehre, ja ihn als eigenes Kind anzunehmen, und hatte ihr
dagegen 'ſchien ſich für Helene und den Knaben zu intereſſiren. ratben. Sie war darüber ſo erſtaunt, ja ſo erſchrocken, daß ſie
.
ſcortſ. folgt)

Mittheilungen and Stadt und Land.
Darmſtadt, 24. Januar. Das am 13. Januar erſchienene Reichs=
anſtändiger
Mann. Eines Tages bot er ihr an, das Schulgeld und der öſterreichiſch=ungariſchen Monarchie vom 7. Mai 1872 in deutſcher
- Von weiteren Eingaben an die 2. Kammer der Landſtäͤnde ſind
meinden bei Ausübung des Jagdrechts. 37 ein Antrag deſſelben Abg. betr.
die Einführung der obligatoriſchen Civilehe und der Civilſtandes=Buch=
Dann ſchenkte Herr Stump dem Jungen Geld zu Büchern, jührung: 2) ein Antrag des übg. Ellenberger betr. die Verlegung der
der Bieinalſtraße von Friedberg über Aſſenheim nach Staden auf den
Geld anzunehmen, ſo verwendete ſie es doch nicht für den Kua= Staatsſonds: 6 ein Antrag der Abgg. Frank, v. Rabenau, Goldmann
Dukaten, den ſie noch immer aufgehoben, und dachte, es lönne ) Küchler und Theobald betr. die Erhöhung der an Wittwen und Maiſen
von Staatsdienern zu zahlenden Penſionen; 8) ein Antrag der Abgg.
Es erfolgten hierauf die Wahl=Prüſungen und wurden ſammtliche
Wahlen, mit Ausnahme der ndes Abg. Schaub, bezüglich welcher die Be=
Geſtern Vormittag 11 Uhr verſchied Hr. GBeheimerath Dr. Gold=
Kachdem die Wahrnehmung gemacht worden iſt, daß Poſt=
ſeine
Mutter ihr ganzes Leben daran ſetzte, ihn zu erhalten. unterlaſien wird, die Unterſcheidungs=Bezeichungen an der =Bergſtraße' be=
Veranlaſſung. das correſpondirende Publikum, zur Vermeidung von Ver=
gut
ſei, das wußte er ſchon und liebte und ehrte ſie von gan= ſorderung der Sendungen herbeigeführt werden. auf die Rothwendigkeit der
recht deutlichen Beiſetzung der betreffenden Unterſcheidungsvermerle hierdurch
Am 1. Februar lommen nachſtehende Loſe zur Ziehung: Naſſauiſche
hatten das Kind in ihr Herz geſchloſſen und wetteiferten, dem Stadt Augsburg 7 fl. L. v. 1864. 50 Oeſtreich. fl. 500 L. v. 1860,
Graf St. Genois fl. 40 L. v. 1855, Finnländiſche Thl. 10 L. v. 1868.,
Mainz, 23. Januar. Die Heſiſche Ludwigsbahn=Verwaltung ſoll
wartig den Verkehr zwiſchen der Stadt und dem Rhein faſt vollſtändig
Bruno zu erzählen pflegte, da war ſie bei ihren Spielen die 1 hemmen, auf einem moͤglichſt nach dem Strom gelegten Viaduct vorüber zu
Worms, 21. Jan. Wir hatten hier geſtern Abend ein Gewitter,
welches unter Donner und Blitz in der Richtung nach N. O. vorüberzog.
Es ſcheint daſſelbe Gewitter geweſen zu ſein. welches in Paris am Abend

Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.