Dienſtag den 14. Februar
R7.
1871.
Das Frag= und Anzeigeblatt. die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungsblatt fur den Kreis Darmſtadt erſcheinen woͤchentlich; Erſteres
Samſtag, die Beilage Dienſtagss und Lezteres Donnerſtags. Jabres=Abonnement der drei Blütter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen
Poſtämtern abonniren. In. Darmſtadt bei der Expedition. Rheinſtraße Nr. 23 neu.
B e k a n n t m a ch u n g.
Die Rechnung hieſiger Sparkaſſe für 1869 ſammt zugehörigen Urkunden liegt vom
11. d. Mts. au acht Tage lang auf unſerm Bürcau zu Jedermann's Einſicht offen.
Darmſtadt, den 10. Februar 1871.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
785)
Fuchs.
B e k a n n t m a ch u n g.
Diejenigen ortsfremden Perſonen, welche ihre Beiträge zur Kaſſe der Kranken=Anſtalt
für Gewerbsgehülfen und Dienſtboten für das 4. Quartal v. J. an die Erheber noch
nicht entrichtet haben, werden hiermit anfgefordert, ſolche läugſtens bis zum 18. d. M.
um ſo gewiſſer zu entrichten, als ſonſt polizeiliche Mahnung eventuell Ausweiſung aus
Darmſtadt erfolgt. - Darmſtadt, den 9. Februar 1871.
Die Höspital=Commiſſion.
696)
Fuchs.
786) Bekanntmachung.
Die zum Nachlaß des Fuhrmanns
Jo=
hann Adam Rück zu Darmſtadt
ge=
hörigen Immobilien, und zwar:
Flur. Nr. ⬜Klftr.
Grasgarten, Ar= 3) 4 463 128⁵⁄₈ heilgerſtraße,
Hofraithe daſelbſt, 4) 19 46 237 Acker, unter der 5) 19 45 252 Windmühle,
Acker daſelbſt, 6) 23 555 110,9 Acker gegen den 7) 23 181 252 Chriſtböllen,
Acker im Schnep= 8) 24 58.5 156,9 penzahl,
Acker daſelbſt, 9) 24 595 1932 Acker daſelbſt, 10) 24 126 261 Acker in der Lache, 11) 24 127 167 Acker daſelbſt, 12) 26 33 196 Acker, neben der 13) 26 853 2756 Locherwieſe,
Acker an der Täub 14) 28 170 313 cheshöhle,
Acker bei der Mar= 15) 35 102 187 tinsmühle,
Acker hinterm 16) 40 55 221 Bangert,
Acker über den drei 17) 50 29 356 Brunnen,
Wieſe zu Scheft= 18) 50 36 176 heim
Wieſe daſelbſt, 19) 50 37 109 Wieſe daſelbſt, 20) 50 38 507 Wieſe daſelbſt, 21) 50 39 553 Wieſe daſelbſt,
ſollen Montag den 20. Febr. 1871
Vormittags 10 Uhr öffentlich an den
Meiſt=
bietenden verſteigert werden.
Darmſtadt, den 10 Februar 1871.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt.
Der Vorſteher:
Berntheiſel.
Feilgebotenes.
527) Heu u. Stroh iſt im Centner
wie im Gebund fortwä.rend zu haben bei
F. Gölz. Geiſtberg Nr 1 im Ochſen.
415) Endlich wieder angekommen!
Brennholz.
Nr. 47 untere Rheinſtraße iſt frei
an's Haus geliefert gegen baar zu haben:
pro Stecken.
Buchen=Scheidholz I. Cl. fl. 12.-
Buchen=Scheidholz 2. Cl. fl. 10. 36.
Buchen=Prügelh. geſpalten fl. 9.. 8. 36.
Tannen=Scheitholz
GJ. Wird auch klein gemacht in ganzen,
halben und viertel Stecken abgegeben.
572) Ruhrer Steinkohlen friſcher
Sendung werden billigſt abgegeben.
Magdalenenſtraße Nr 21.
Feiſt Lehmann.
724) Ein Scheerwagen und ein leiner
zweirädriger Wagen zu verkaufen.
Langegaſſe Nr. 6.
528) Kartoffeln werden verkauft der
Kumpf zu 13 kr. bei F. Gölz im Ochſen.
uhrer Steinkohlen.
Friſche Sendung
118)
ſtückreiches Fettſchrot per Ctr. fl. 1.
Stückkohlen
„ fl. 1. 24.
Auf vorherige Beſtellung verſende ab
Zeche in Wagenladungen von 200 Ctr.
zu billigen Notirungen.
mittlere Eliſabethenſtraße 35.
654)
Ruhr=Köhlen.
Ich empfehle ſtückreiches Ruhrer
Fettſchrot und beſtes Schmiedegries
zum billigſten Preiſe. Gefällige Beſtellungen,
ſowie Zahlungen bitte mir durch:
Herrn Georg Möſer Sohu, Kirchſtraße,
C. W. Reh, Louiſenſtraße,
„ Valt. Hebermehl, Eliſabethenſir.
oder per Poſt zukommen zu laſſen.
Stockſtadt, den 18. Januar 187I.
A. Kaſt.
787) Weichen Limburger Käs
per Pfd. 12 kr.
18 kr.
ſeinſten ſpeckigen ditto I. „
Ph. Hebermehl,
Schulſtraße 16.
7
R 7.
26
Reſidenz. ≈ Comploir-Ralender pro 187½
ſind erſchienen und auf unſerem Comptoir zu beziehen.
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
Ezuruem
bietet nur das gediegene Buch: „8x. Werher's
sichere Milfe für Nervenleidende."
Einzig
Hier giebt ein ſachkundiger Arzt gründlichen, aber Jedem
ver=
ſtändlichen Aufſchluß über die Bedeutung der Nerven, deren
sichere Hülfe
Leben, Krankheiten und den hieraus entſtehenden weiteren
Uebeln, wie Rervenſchwäche, Verdauungs- u. Anterleißs.
für
Ceiden, Blutſiranſheiten, Hämorrhoiden, Hſſwäche ꝛc. ꝛc., H
zeigt aber gleichzeitig auch den ſicherſten Weg zur Hülfe:
Vorräthig für nur 27 r. in jeder Buchhandlung; in
uervenleidend=
Darmſtadt bei G. Jonglaus.
269
GES-Tausonde verdanken dem Buche Gesundht und Wohibeſinden.-d
714) Die erwartete Sendung
neue Bülſenfrüchte
in ſehr ſchöner u. guter Qual. iſt eingetroffen.
Holzſtr.
Lud. Heyl Sohn, Nr. 17.
715) Ein Klavier wird ſehr billig
abgegeben Zimmerſtraße Nr. 5.
720)
Ruhrkohlen.
Stückreiches Fettſchrot beſte Qualität
erlaſſe ich von heute an in meinem Magazin,
ſowie auch in meinem Haus pr. Ctr. 54 kr.
Schmiedekohlen
„ 56 kr.
Stückkohlen
1 fl. 12 k.
54 kr.
Kiefern=Holz geſchnitten
frei ins Haus geliefert pr. Ctr. 2 kr. mehl
bei
Fr. Hirſchhauſer,
Langegaſſe Nr. 8.
ſämmtlich
Bohnen,
Erbſen ganz u. gebrochen, weichkochend
und billigſt,
Linſen
bei
Ph. Hebermehl,
Schulſtraße 16.
788)
789) Ein noch guter Kleiderſchrauk
und desgleichen eine Bettlade iſt zu
wer=
kaufen. Magdalenenſtraße 21 im Hinterbau.
Vermiethungen.
4983) Dieburgerſtraße Nr. 40 iſt der
mittlere Stock zu vermiethen.
7133) 1 Zimmer nebſt Cabinet zu
ver=
miethen auf 1. Januar. Louiſenſtraße 10.
Georg Liebig Sohn.
7206) Eine Manſarde=Wohnung uebſt
allen Bequemlichkeiten in einem neuen Haus
iſt an eine ſtille Familie ſogleich zu
ver=
miethen. Mühlſtr. 9.
8084) Ein Logis mit allen Bequemlichkeiten
zu vermiethen. Mühlſtraße 7.
8266) Beſſ. Weinbergſtraße Nr. 26 iſt
ein Zimmer zu vermiethen.
7) Ernſt=Ludwigſtraße Nr. 3 der zweite
Stock bis 1. April zu vermiethen.
292) Obere Sandſtraße Nr. 2 Stube
und Cabinet mit Möbeln zu vermiethen.
339) Ein möblirtes Zimmer an einen
ſoliden Herrn zu vermiethen und ſogleich
zu beziehen. Eck der Schuſtergaſſe und
Holzſtraße Nr. 19 zweiter Stock.
417) In der Magdalenenſtraße Nr. 16
ein Logis im Vorderhauſe und eine große
Scheuer mit oder ohne Stallung zuſammen
oder getheilt zu vermiethen u. zu beziehen.
L. Querdan, Küfermeiſter.
418) Nr. 10 Rheinſtraße bei
G. G. Lange im 3. Stock ein
ſchönes Logis auf der Sommerſeite, beſtehend
aus 4 großen heizbaren Zimmern, Küche,
großem abgeſchloſſenem Vorplatz, Keller,
Boden u. ſ. w.
470) Im Kaufmann Dingeldey'ſchen
Eck=
hauſe, der Infanteriekaſerne gegenüber, iſt
eine Stiege hoch ein möblirtes Zimmer zu
vermiethen und ſogleich zu beziehen.
473) Louiſenplatz 4 iſt in der bel Etage
eine Wohnung von 4-5 Stuben mit Küche
und Zubehör alsbald zu vermiethen.
587) Bleichſtraße Nr. 2931 ein
ſchö=
nes Zimmer ohne Möbel zu vermiethen.
605) Eck der Gardiſten= und kleinen
Schwanenſtraße 12. Ein ſehr ſchönes Logis
beſtehend in 2 Zimmer, Kabinet und Küche,
ſowie Magdſtube, Keller, Holzſtall,
Bleich=
platz ꝛc. zu vermiethen und ſogleich zu beziehen.
Guſtav Heß, Zimmermſtr., Blumenſtr. 6.
Daſelbſt eine geräumige Werkſtätte nebſt
einem Holzſchuppen zu Lagerräumen ſich
eignend ſofort zu vermiethen.
733) Eine große Werkſtätte nebſt Zimmer
1SaOOOOOOOO1
9 658) Zu vermiethen: In Nr. 26 9
der Promenadenſtraße ein ganz neu
hergerichtetes Logis von 6 Piecen nebſt 8
9 allem Zubehör, beziehbar am 1. Mai.
4
„
Das Nähere zu erfragen bei dem
9 Inhaber des Logis, Großh. Juſtiz= 9
9 rath Heyer.
1000OO]
79
137) Zu vermiethen
in meinem Vorderhauſe gleicher Erde
eine Wohnung, beſtehend aus 3
klei=
neren Zimmern, wovon eins nach der
Straße gehend als Laden hergerichtet
werden könnte, nebſt allem Zubehör
und alsbald beziehbar. Auch als
Bureau geeignet. J. Schweitzer,
mittlere Eliſabethenſtraße Nr. 35.
748) Schloßgartenſtraße 41 in der
Man=
ſarde iſt eine freundliche Wohnung, beſtehend
aus einem größeren und zwei kleineren
un=
möblirten Zimmern (ohne Küche) zu
ver=
miethen und alsbald zu beziehen.
790) In meinem Hauſe, Schulſtraße 16,
iſt der mittlere Stock zu vermiethen.
Ph. Hebermehl.
791) Ein Logis vor der Stadt zu 68 fl.
ſogleich beziehbar. Frankfurterſtraße 66.
792) Ein ſchön möblirtes Zimmer an
einen ſoliden Bewohner zu vermiethen.
Wilhelminenplatz Nr. 10 parterre.
793) Caſinoſtraße Nr. 20 iſt der
mitt=
lere Stock, beſtehend aus 6 Piecen nebſt
allem Zubehör, zu vermiethen, kann alsbald
oder den 1. April bezogen werden.
Hermann Koch jun.
BBR¾
TTERTETARAARLAAAT
8 794) Promenadeſtraße Nr. 10 zwei
E ſchön möblirte Zimmer parterre nach
1
F der Straße mit ſeparatem Eingang
A zu vermiethen und gleich zu beziehen.
NAATNNTARUAAAAAETTAs
Vermiſchte Nachrichten.
771) 2 Monteure, 6 Bankarbeiter, 1
Modelltiſchler als Vorarbeiter erhalten
ſo=
fort Arbeit bei gutem Lohn in der Maſchinen=
Fabrik und Eiſengießeret von
Gottlieb, Schramm & Dill,
Hersfeld (Heſſen).
zu vermiethen. Mühlſtraße Nr. 56.
753)
Lokal=Gewerbverein.
Sitzung, Donnerſtag den 16. Februar, Abends 8 Uhr, im oberen
Gaal der Winter'ſchen Brauerei.
Tagesordnung: 1. Beantwortung der Frage: Bei dem Brand in der Gasfabrik
befürchtete man in der Nachbarſchaft die Exploſion des Gaſometers; in wie weit war dieſe
Furcht begründet ? Referent Herr Ober=Baurath Pfannmüller
2. Wahl des Vorſtands, des Ausſchuſſes und der Handwerkerſchul=Commiſſion pro 187I.
Das Lokal wird um 7 Uhr geöffnet; die neueſten Nummern der techniſchen
Zeit=
ſchriften ꝛc. ſind von dieſer Stunde an zur Durchſicht aufgelegt. — Der Fragekaſten iſt
am Eingang des Lokals aufgeſtellt.
683)
Geſchäfts=Verlegung.
Einem verehrlichen Publikum mache hiermit die ergebene Anzeige, daß ſich mein
Geſchäft ſeit 1. Februar Kirchſtraße Nr. 9 neben der Stadtkirche befindet, und
erlaube mir zugleich auf meine Nähmaschimer für Familien und Gewerbtreibende
in großer Auswahl aufmerkſam zu machen.
406
GeOt, Jacohy, Nähmaſchinen=Fabrikant.
N. 7
Sendungen zur Heſſiſchen Biviſion.
Unſere Expedition Nr. 12., welche wir heute unter gütigem Beiſtande des Großh.
Ctappen=Commandos Darmſtadt von hier abſandten, beſtand aus 2200 Collis an einzelne
Soldaten und aus einer allgemeinen Liebesgabe von 2500 Liter Rum.
Da es ungewiß iſt, ob wir noch eine folgende Expedition abgehen laſſen, ſo bitten
wir, uns, bis auf gegentheilige Bekanntmachung, keine Päckereien mehr zugehen zu laſſen.
Darmſtadt, den 11. Februar 1871.
Das Comite zur Verſorgung Heſſiſcher Feldtruppen.
795)
Ohly.
Blumenthal.
M6.
Preisbewerbung.
Der Gartenbauverein zu Darmſtadt ſetzt zur Aufmunterung und Hebung der
Ge=
müſekultur auch dieſes Jahr wieder mehrere Preiſe aus und zwar:
1) Für die ausgedehnteſte und beſteingerichtete Handelsgemüſegärtnerei im freien
Lande zu Darmſtadt oder Beſſungen einen Preis von 20 fl.
2) Für die nächſtgrößte und beſteingerichtete ſolche Gärtnerei einen Preis von 15 fl.
3) Für die drittgrößte und beſteingerichtete ſolche Gärtnerei einen Preis von 10 fl.
4) Für die die viertgrößte und beſteingerichtete ſolche Gärtnerei einen Preis von 5 fl.
Diejenigen Gärtner, welche um obige Preiſe concurriren wollen, belieben ſolches dem
Gartenbauverein ſchriftlich franco anzumelden und zwar ſpäteſtens bis zum 31. Mai d. J.
Darmſtadt, im Februar 1871.
Der Vorſtand.
ChausseChaus.
Auf allgemeines Verlangen Mittwoch den 15. Februar
von
Muſiſkiern des franzöſiſchen l. garde=grenadier=Regiments, unter
Mitwirkiung von Nr. Fouché, Concertſänger aus Paris.
Anfang 3 Uhr.
Freundlichſt ladet ein
F. J. Dietz.
27
3 Ein Ladenmädchen
5n geſetztem Alter, welches einem Geſchäfte
ſelbſtſtändig vorſtehen kann und gute
Zeug=
niſſe beſitzt, wird geſucht.
Eintritt am 1. März l. J.
Schriftliche Offerten unter Nro. 661
befördert die Exp. d. Bl.
774) Saubere Bier= &E Champagner=
Flaſchen kauft
Wilhelm Schulz.
778) Eine Bäckerei zu vermiethen
oder aus freier Hand zu verkaufen.
Zu erfragen bei der Expedition.
779) Zur Pflege von Kranken,
Nachtwachen bei Todten, Aus=und Ankleiden
ſolcher empfiehlt ſich
Katharina Ganz, Schloßgaſſe Nr. 12.
798) Chauſſehaus in Beſſungen ein
Mädchen für die Küche geſucht.
799) Ein leichter Reiter=Officiers=Sübel
wird ſofort zu kaufen geſucht.
Teichhausſtraße Nr. 12.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag 14. Februar. 10. Vorſt. im
4. Ab.: Die Schwäbin. Luſtſpiel in
1 Akt von Caſtelli. Hierauf zum
Erſten=
mal: Ein Engel. Schwank in 3 Akten
von Roſen.
Donnerſtag, 16. Februar. 11. Vorſt.
im 4. Ab.: Lucrezin Borgia. Oper
in 3 Akten von Donizetti.
Freitag, 17. Februar. 12. Vorſt. im
4. Ab.: Erziehung macht den
Men=
ſchen. Luftſpiel in 4 Akten von Görner.
Ein Cricket=Spiel 4) auf den Sandbänken von Goodwin E4)
„Was bedeutet dieſes Leben und Treiben, Kellner 2 Ich. habe
nie eine ſo lebhafte Bewegung in der Stadt geſehenlu
Das war die Frage, welche ich erſtaunt an den glatten,
ge=
wandten Oberkellner des Royal Hotel, des erſten Gaſthofes in
dem Badeörtchen Deal richtete. In der Abſicht, Seebäder zu
nehmen, wohnte ich ſchon ſeit mehreren Tagen in dem Hotel, und
fing an des Aufenthaltes müde zu werden. Die Stadt mit ihrem
Labhrinthe ſchmutziger Straßen, dem ſchlechten Steinpflaſter, den
niedrigen Holzhütten, vor deren Fenſtern lange Reihen gefangener
Flunder und Butten aufgehängt ſind, und dem alle Theile
durch=
dringenden Theergeruche, kann für den Fremden nicht viel
An=
ziehendes haben. Anfangs hatte es mir einige Unterhaltung
ge=
währt, die ſeltſamen Windungen und Verſchlingungen der Gaſſen
des Ortes zu verfolgen; allein dald, wie geſagt, gab ich dieſes
Vergnügen auf und empfand eines Morgens große Langeweile, als
jene ungewöhnliche Bewegung an dem mit eiuer dichtgedrängten
Volksmaſſe beſetzten Ufer meine Aufmerkſamkeit erregte. Muſik
war dort, — wenigſtens die äußere Hülle derſelben, denn ich ſah
mehrere Perſonen gewiſſe Laſten in wollenen Ueberzügen tragen,
aus denen hier und dort die metallene Spitze eines Hornes oder
das braune Holz einer Geige hervorblickte; zahlreiche Körbe,
an=
ſcheinend mit Lebensmitteln gefüllt, wurden herbeigetragen,
Flaggen wehten fröhlich in der milden Luft des Sommermorgens,
und lange Rollen Segeltuch lagen am Ufer, denen ein geübtes
Auge ſogleich anſah, daß ſie zur Errichtung von Zelten beſtimmt
2) Das beliebte engliſche Nationalſpiel, dem deutſchen Ballwpiele ähnlich.
44) Die Goodwins=Bänke, längs der Küſte Kent im Kanal belegen,
ſind jene, allen Schifffahrern ſo gefährliche Meeresſtelle, welche ſchon
Tauſende von Fahrzeugen und Millionen von Menſchenleben verſchlungen
hat und alljährlich neue Opfer fordert. Nur ſelten und bei
ungewöhn=
lich niedriger Ebbe werden ſie vom Waſſer frei. Siegehörten in früherer
Zeit zum Ufer und zu den Beſitzungen eines angelſächſiſchen Grafen
Goodwin von Kent. Daher der Name.
waren. Mehrere, mit Wimpeln und anderen Zeichen geſchmückte
Boote nahmen das Segeltuch, die Körbe und Muſiker auf,
wäh=
rend andere der Paſſagiere harrten, zu deren Beluſtigung dieſe
Vorbereitungen getroffen wurden. Kein Wunder alſo, daß ich
er=
ſtaunt den Kellner fragte, was dieſe ungewöhnliche Seene zu
be=
deuten habe. Selbſt er, ſonſt immer der ruhigſte, gelaſſenſte
Menſch, war jetzt etwas aufgeregt und ſchwenkte die Serviette,
das Zeichen ſeiner Würde, in der Luft, ſtatt ſie in anmuthigen
Falten herabhängen zu laſſen, während ſeine glänzenden Schuhe
auf ganz unerhörte Weiſe knarrten. Dies geſchah aber nicht etwa
aus dem Grunde, weil die erwähnte Begebenheit auch eine
ver=
mehrte Anzahl von Gäſten nach Royal Hotel herbeigeführt hatte;
im Gegentheil war die Zahl derſelben gering, und beſtand, ſo viel
ich ſehen konnte, nur aus einigen Geſchäftsreiſenden, einem
ſonn=
verbrannten Midſhipman und zwei munteren jungen Männern
vom Lande, welche Letztere, mit Flanell und Schuhen von
Büffel=
leder angethan, ein eiliges Frühſtück im Wirthszimmer zu ſich
nahmen. Der Kellner betrachtete mich nach meier Frage mit
ruhigem Wohlwollen und erwiederte:
„Betriffk uns nicht! Bei uns geht es immer ruhig zu,
aus=
genommen zur Zeit der Wahlen, oder wenn die Freiwilligen ſich
verſammeln, und
„Aber heute findet weder eine Wahl noch eine Verſammlung
der Freiwilligen ſtatt=, unterbrach ich ihn ungeduldig. „8ſt es
vielleicht ein Picknick 2„
Der Kellner nahm ſich Zeit, zu überlegen.
„Ein Picknick 2 nein” entgegnete er darauf; aber fuhr nicht
fort, ſondern rief, nach einer andern Seite gewendet: „komme
ſo=
gleich!„ und flog im nächſten Augenblicke zu den jungen Männern
mit den wollenen Unausſprechlichen.
Da gerade ein jüngerer Aufwärter, mit einer Flaſche in der
Hand an mir vorüberging, ſo fragte ich ihn, wie vorher den
Oberkellner, und erhielt die Antwort:
„Ein Cricket=Spiel! Jene Herren dort gehören auch dazu. "
Fort waren im nächſten Augenblicke Aufwärter und Flaſche.
28
N 7
„Ein Cricket=Spiel zu ſagte ich zu mir. „Ich möchte es
ſehen. Kent war die Wiege des Spieles, und obgleich die
Graf=
ſchaft viel von ihren früheren Ehren in dieſer Beziehung verloren
hat, ſo hat ſie doch noch tüchtige Spieler aufzuweiſen. Wo iſt
der Platz zu fragte ich den inzwiſchen zurückgekehrten Oberkellner.
Dort!” ſagte er, auf die See deutend,
„Der Platz?
deren breite blaue Fläche, mit weißen Segeln bedeckt, durch das
Fenſter ſichtbar war.
Was ſoll das heißen Zu rief ich, denn ich glaubte, der ernſte
Mann wolle ſich einen Scherz mit mir machen.
„Das Spiel ſindet heute auf den Goodwins=Bänken ſtatt,
auf der großen Sandbank. Es wird ſehr intereſſant ſein, weil
es nur einmal im Jahre, bei einem beſonders tiefen Stande der
Ebbe, möglich iſt. Meiſtens iſt da tiefes Waſſer, wo heute der
Ball geſchlagen werden wird.
„Auf den Goodwins=Bänken 2u wiederholte ich ungläubig.
„Wollen Sie im Ernſte ſagen, daß das Spiel auf den
Sand=
bänken gehalten werden ſoll ?
Der Kellner blieb bei ſeiner Erklärung, und die Wirthin,
welche aus ihrem Comptoir hervortrat, beſtätigte die Angabe und
fügte hinzu, daß nur bei ausnahmsweiſe niedrigem Waſſerſtaude
dieſe Stelle des Meeresgrundes zu menſchlichen Spielen benutzt
werden könne. Einen ſolchen Stand hatte die See an dieſem
Tage, und da eine große Anzahl von Zuſchauern erwartet wurde,
ſo waren Zelte und Buden, mit Erfriſchungen und Muſik,
aufge=
ſchlagen worden.
Ich konute meinen Ohren kaum trauen. Ein Cricket=Spiel
auf den Goodwins=Bäuken! Seitdem ich mich in Deal befand,
hatten ſich, während meiner Spaziergänge längs der Küſte, oft
meine Augen, wie von einem Zauber angezogen, nach der langen
weißen Brandungslinie gerichtet, die über den unheilvollen
Sand=
bänken kochte und ſiedete. Häufig hatte ich auch mit alten
See=
leuten geſprochen, die nicht genug zu erzählen wußten von der
Ausdehnung dieſer Bänke, der unglaublichen Waſſertiefe in den
Kanälen, welche ſie durchſchnitten, der furchtbar reißenden
Waſſer=
gewalt, welche ſie umſtrömte, und der Zähigkeit ihres Flugſandes;
ja erſt am vorhergehenden Tage war mir von einem alten
Be=
wohner der Küſte verſichert worden, er wiſſe nicht was mehr zu
fürchten ſei, die tückiſche Gewalt des Triebſands, oder die Wuth
der Wellen, mit der letztere bei ſtürmiſchem Wetter auf die
Seiten des Schiffes ſchlagen, welches das Unglück hat, dort zu
ſtranden.
„ Erſt im vorigen Jahrei, erzählte der alte Maun, „bemerkte
ich vom Fenſter meines Schlafzimmers aus einen großen Schooner
mit ausländiſchem Takelwerk, der auf die Bäuke gerathen war,
und lief deshalb auf das Dach, von wo aus man deutlich ſehen
konnte, wie furchtbar die Wellen über das Fahrzeug ſchlugen.
Ich eilte hinab, um mein Teleſkop zu holen und damit zu entdecken,
ob noch Leute auf dem Schiffe ſeien, die ſich vielleicht in das
Takelwerk geflüchtet hatten; allein, als ich zurückkam, war von dem
Schooner nichts mehr zu ſehen als die Maſtſpitzen, welche immer
tiefer und tiefer verſanken.
und jetzt ſollte ein Cricket=Spiel auf der größten dieſer Bäuke
gehalten werden, und Muſik und fröhliches Lachen von Mädchen
und Kindern ſollte dort erſchallen, wo uoch kurz zuvor verſinkende
Schiffbrüchiche mit dem Tode gerungen hatten.
Ich beſchloß, ein Zuſchauer zu ſein, wenn es möglich war.
Der Oberkellner erklärte es für leicht; jedes Boot, verſicherte er,
würde mich hinüber und mit anderen Zuſchauern wieder zurück
bringen.
„Es iſt eine ungewöhnliche Zeit für Cricket; bemerkte er
dazu; „ſonſt werden die Stäbe gewöhulich um 11 Uhr Morgens
zum Anfange des Spieles geſtellt, allein hier hängt alles von der
Zeit der Ebbe ab, denn - wie unſer Sprüchwort ſagt, - Fluth
und Ebbe warten auf Niemand:. Der Nachmittag wird ſchön
werden; aber ich fürchte, gegen Abend zieht böſes Wetter heran,
was jedoch die Spieler nicht beläſtigen wird=, fügte der Kellner
mit einem langen Blicke nach dem Himmel hinzu und entfernte
ſich dann.
Jedermann in Deal iſt mehr oder weniger wetterkundig, allein
ich hörte an jenem Tage nicht auf die verſchiedenen
Prophe=
zeihungen, und hatte mir vorgenommen, dem ſchlechteſten Wetter
zum Trotze Zeuge des Spieles zu ſein. Ich fand einen Platz in
einem der Boote und fuhr mit einer fröhlichen Geſellſchaft von
pI
Zuſchauern hinüber nach der ſogenannten „großen Bank” welche
eine ebene, ſanfte Oberfläche von feſtem Sande hatte und, in
Er=
mangelung von Raſen, zum Ballſpiele wohl geeignet war. Die
Neuigkeit der Scene hatte für mich und alle Anderen großen Reiz.
Zelte und Buden waren erbaut, bunte Fahnen flatterten Körke
prangen und knallten, und Erfriſchungen jeder Art waren im
Ueberfluß vorhanden und wurden fröhlich genoſſen. Viele alte
Tritonen in blauen Kleidern und Wachstuchhüten wanderten umher
und durchſchweiften den Horizont mit ihren Teleſkopen; Städter,
Laudleute, Gäſte aus allen Klaſſen waren dort, and auch an
ſchönen Damenhüten und bunten Sonnenſchirmen war kein Mangel.
Die ganze Einwohnerſchaft der Küſte ſchien ſich eingefunden zu
haben, um das Cricket=Spiel auf der Goodwins=Bank mit
anzu=
ſehen. Die Stäbe wurden zur rechten Zeit aufgeſteckt, und die
Spieler, in ihren bunten Jacken und weißen wollenen Beinkleidern
gingen mit Ernſt und Eifer an die Arbeit. Gute Spieler thaten
ſich auf beiden Seiten hervor, und lauter Beifall wurde den
Ge=
ſchickten zu Theil, ſowie herzliches Lachen dem ungeſchickten Spieler,
gerade ſo, als wenn das Spiel auf einer grünen Wieſe des
Ufers und nicht auf der entſetzlichen Goodwins Bank ſtattgefunden
hätte, in deren Sande die Ueberreſte manches unglücklichen Schiffes
und die Gebeine manches braven Mannes ruhten. Eine Zeit lang
ſah ich mit großer Aufmerkſamkeit zu; allein ich konnte natürlich
nicht das Intereſſe der anderen, mit den Spielern näher bekannten
Zuſchauer gewinnen, und kümmerte mich wenig darum, ob Holmes
beſſer ſchlug, oder Miller, ob dieſe Partei ſiegte, oder jene. Für
mich hatte der ſonderbare Spielplatz mehr Intereſſe als alle
Ge=
wandtheit der Ballſchläger. Das dichtere Gedränge der Zuſchauer
deshalb verlaſſend, ſchlenderte ich den äußeren Waſſergrenzen der
Bank zu und legte mich hier an einem ſanften Sandhügel nieder,
während ich, auf den Elbogen geſtützt, meine Blicke über die ebene
Fläche ſtreifen ließ und müſſig dem Spiele der Wellen zuſchaute.
Die Ebbe war bis zu einer ſelten erreichten Tiefe geſunken,
und ſtatt der ſchlagenden Wellen bewegte jetzt nur ein leichtes
Kräuſeln die Oberfläche des Waſſers. In dieſer Entfernung vom
Lande hatte das Meer ſeine finſtere Farbe verloren, die es meiſtens
am Ufer hat, und trug dagegen ſein ächtes Gewand, - ein zartes
Grün. Ich war ein Kenner von Seewaſſer, denn ich hatte das
Ultramarin des mittelländiſchen Meeres, die Kobaltfarbe des
adria=
tiſchen, das Veilchenblau des Bosporus, das Braun des ſchwarzen
Meeres und die Milchfarbe der Oſtſee geſehen; aber das Waſſer
der Goodwins=Bänke hatte an dieſem Tage das ächte Kanalgrün,
die Farbe eines durchſichtigen Nereidenkleides. Große Büſchel
Seegras von rother, grüner und ſchwarzer Farbe flutheten ſpielend
an mir vorüber, und ein geſtrandeter Sternfiſch, der ſeinen
bläu=
lichen Glanz noch nicht verloren hatte, lag todt vor meinen Füßen.
Dieſe Dinge erinnerten mich daran, daß der Spielplatz dem Reiche
Neptuns entlehnt war, daß ſonſt nur die Füße Amphitritens und
ihrer Aymphen dieſen weichen Sandboden zu betreten pflegten, und
daß nach kurzer Zeit die Tritonen und Seejunfgern ihre
Wohn=
ſtätten von uns, den Eindringlingen, zurückverlangen würden.-
Gut geſchlagen, bei Jupiter! Bravo, Holmes! Laufe, Miller,
— Solche Ausrufungen der
Spielen=
laufe; Hurrah, Walmer
den erweckten mich von Zeit zu Zeit aus meinen
Träume=
reien, und einmal hörte ich den Schrei: „Ein Ball
ver=
loren lu, als ein Ball in die See geſchleudert worden war
und mittelſt eines Bootes wieder geholt werden mußte; allein
mein Intereſſe für die Unterhaltung war vorbei und ich
be=
gann zu gähnen.-Der Tag war heiß, mein Lagerplatz weich und
das genoſſene ſtarke Ale begann zu wirken, kurz, - ich ſank in
Schlummer. Liebliche, roſige Träume umſchwebten mich, aber
ſchwanden, nur einen dunkeln Eindruck zurücklaſſend, und als ſich
der Abendwind erhob, überlief mich ein kalter Schauer, und ich
erwachte, - blickte ſtannend umher, wunderte mich über den
un=
bequemen Ruheplatz und fragte mich im Stillen, wo ich ſei und
wie ich dahin gekommen. Ich rieb mir die Augen und ſchaute
betäubt um mich, während allmälig die Erinnerung erwachte. Mein
Herz begann heftig zu ſchlagen, und unwillkürlich ſtieß ich einen
Schrei des Entſetzens aus. Ich war allein, — allein. Auf
der Sandbank, die kurz vorher noch der Schauplatz ſo bewegten,
roͤhlichen Lebens geweſen, war jetzt kein Zeichen von menſchlichem
Daſein mehr zu entdecken.
Fortſetzung folgt.)
Verlag und Redactiom L. C. Wittich'ſghe Hofbuchdruckerei.