Darmstädter Tagblatt 1870


01. November 1870

[  ][ ]

Dienſtag den 1. November
1870
N. 44.

Das Frag. und Anzeigeblatt, die Beilage hlerzu, ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen woͤchentlich; Erſteres Samſtag die Beilage
Vienſtags und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſiämtern abonniren. In Darmſtadt Fei
der Exgedilion.- Theinſrase Nr. 23 neu.


B e k a n n t m a ch u n g.
Die Unterſtützung bedürſtiger Familien der zum Dienſt einberufener Reſerve=, Erſatzreſerve= und Landwehr=Mannſchaften betreffend.
Wir bringen hiermit zur Kenntniß der in Darmſtadt wohnenden Intereſſenten, daß die den Familien der zum Dienſt einberufenen Reſerve=, Erſatz=
reſerve
= und Landwehr=Mannſchaften aus der Kreiskaſſe gewährten Unterſtützungen für die erſte Hälfte des Monats November Dienſtag den 1. No=
vember
bis zum 5. November, jedesmal Nachmittags von 1 bis 3 Uhr, in der Wohnung des Rechners genannter Kaſſe, Regiſtratur=
Gehülfen Spangenberg - Ballonplatz Nr. 9 - in Empfang zu nehmen ſind.
Darmſtadt, am 29. October 1810.
Großherzogliches Kreisamt Darmſtadt.
v. Willich.

6903)
Bekanntmachung.
Die zum Nachlaß der Tanzlehrer Rau Wtwe.
gehörigen Mebilien, als: Frauenkleider, Weiß=
zeug
, Bettwerk, Möbel und allerlei ſonſtiger Haus=
rath
, ſoll nächſten Mittwoch den 2. Noͤbbr.
d. J. Vormittags 9 Uhr in deren Wohnung,
kleine Ochſengaſſe Nro. 3, gegen Baarzahlung
verſteigert werden.
Darmſtadt, den 28. October 1870.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt.
Verntheiſel.

Feilgebotenes.
5564) 2 eiſerne Kaminthüren, ein Doppel=
fenſter
, 4½ 7½u hoch, 9' 2½- breit werden billig
abgegeben. Näheres im Verlag.
5695) Eine faſt neue Pelüſchegarnitur
ſteht zu verkaufen. Näheres Kiesſtraße 61.

6356) Vorräthia in jeder Buchhandlung:
Co..
Eilfe rur Nervenleidende.
Ein zuverläſſiger Rathgeber zum Nutzen aller
Nervenkranken beiderlei Geſchlechts, beſonders für
Alle, welche in Folde von Verdauungs= u. Unter=
leibsbeſchwerden
an Nervenſchwäche, Blutkrank=
heiten
, Hyſterie, Hypochondrie, Lühmungen, =
morrhoiden
, Menſtruationsbeſchwerden, Schwä=
che
ꝛc. leiden, und ſich ebenſo leicht als gründlich
helfen wollen. Von Dr. Werner. Preis 27kr.
Bisheriger Abſatz ca. 50,000 Exempl.
p
6181) Hohe Zinſen!
Wer bei höchſtmöglicher Sicherheit gerne hohe
Zinſen und Gewinn an Tauſchgeſchäften macht,
der abonnire ſich bei der nächſten Poſt oder
Buchhandlung auf das Neue Verlooſungsblatt,
Ziehungsliſten u. Finanz=Wochenſchrift von A. Dann
in Stuttgart für 45 kr. vierteljährlich. Probe=
Nummern gratis.
6248) Bei N. Lautz ſind fortwährend weiß=
gelbe
Kartoffeln per Kumpf 8 kr., Simmer
30 kr. zu haben.
6782a) Ein älterer Porzellanofen iſt ſehr
billig zu verkaufen. Obere Sandſtraße Nr. 2.

6590)

HayetemuReste

für Zimmer von 5 bis 16 Stück eingetheilt, werden in bedeutendem Vor=
rath
zum Fabrikationspreiſe abgegeben.

C. Hochſtätter 8 Söhne.

Die Handſchuh=gabrik
von
J. GOTBATAN

Ludwigſtraße
Nr. 20.

Ludwigſtraſte
Nr. 20.
6990
empfiehlt auf bevorſtehende Saiſon ihr wohlaſſortirtes Lager in Handſchuhen:
Glaccehandſchuhe in allen Sorten,
Uniformshandſchuhe von den gewöhnlichſten bis zu den feinſten,
Farbige wildlederne Handſchuhe für Herren und Damen,
mit und ohne
Reiche Auswahl in Burkin=Handſchuhen Futer.,
ſowie alle Größen und Qualitäten von den beliebten Pulswärmern & Kinderfäuſtlingen.
4Rasdi,
84
980,
Ae.
29 44.
249
e24.
vrzaraanzanuanaunuiuunanuuzuunnn
9N
38 6991)
Bitte nicht zu überſehen!
N
Mit dem Heutigen iſt der große Ausverkauf im Hauſe der Herren Gebrüder Gelfius
5 geſchloſſen. Indem wir den geehrten Bewohnern Darmſtadt's und Umgegend für das uns
55 geſchenkte Vertrauen unſeren Dank ausſprechen, bemerken wir, daß wir vom 20. November

T an im Hauſe des Herrn Hof=Juſtrumentenmacher Korn, Ernſt=Ludwig=
H.
R ſtraße, einen zweiten Ausverkauf, verbunden mit einer großen

4
R- Weihnachts=Ausſtellung
.

88 beſtehend in den neueſten Phantaſie= und Wollen=Waaren, eröffnen.-Wir erſuchen daher die
T geehrten Bewohner Darmſtadts und Umgegend, den Weihnachts= ſowie Winterbedarf bis
T zur Eröffnung unſeres Ausverkaufs aufzubewahren.
D
Achtungsvoll
A. Harz & Conp.


NoapeAues
Loge.
geeona4s. ane
144
gogdade
20
RuRRöEöURRLAuvvisruaurra rRtuunane
6692)
J
(Fin neuer ſechsläufiger Revolver
Beennholz.
J E von vorzüglicher Arbeik wird abgegeben
1
Nro. 43 untere Rheinſtraße iſt frei Schützenſtraße 10 um den Anſchaffungspreis von
an's Haus geliefert gegen baar zu habenſ. 25 fl. Geſchoſſe dazu gratis.
Buchenſcheitholz l. Cl pro Steck. fl. 11. 30.
Tannenſcheitholz
fl. 7.30. Neue Hülſenfrüchte empfiehlt
Die Scheitholzſorten werden auch klein
b.

gemacht in ganzen,
Stecken abgegeben.

halben und viertel

Haaenuet Feuld
6879)
am Markt.

43

[ ][  ][ ]

168

4. 44.

IIEBIESCOMPANL TIIISGIETTRIGI.
Febdpostmissig verpncht zkur
Versendung an die Truppen, in
Blechdosen von netto ½ Pfd. englisch, zur
Vereitung von 50 Portionen Bouillon.
Preis: M 1. 45. per Dose. Lu bezichen
durch den Correspondenten der Gesellschaft
Herrn E. Merck in Darmstadt
und dessen Niedorlagen. (6538
6877) Dieburgerſtraße 84 an der Oden=
walb
=Bahn ſind verſchiedene Sorten
Aepfel, ſowie ſehr gute Latwerg zu
verkaufen.
6925) In der Schloßgaſſe Nr. 34 iſt ein
Kaute Kuhdung und eine Kaute Pjuhl zu verkaufen

Süßer Traubenmoſt

iſt angekommen bei


6926)
P. Peter.


Süßer Lraubenmoſt
H. Warnecke.
bei
Illuminations=Lämpchen
von Glas, Thon und Blech vortäthig bei
F. Schmitt,
Seiſen= und Lichterfabrik.
Das Füllen von Lämpchen wird, raſch
(6992
und billig beſorgt.


Vermiethungen.
4983) Diehurgerſtraße Nr. 49 iſt der mitt=
lere
Stock zu vermiethen.
5076) In meinem Hauſe Steinſtraße 21
iſt eine Wohnung mit allen Bequemlichkeiten au
eine ſtille Familie bis Ende October zu vermiethen,
auf Wunſch kann auch Garten=Antheil abgegeben
werden. Zu erfragen im Hinterbau.
Jean Michael.
5244) In meinem neu erbauten Hauſe
in der Blumenſtraße iſt der 2. und 3. Stock,
jeder beſtehend in 5 Zimmern, Küche, abgeſchloſſe=
nem
Vorplatz, 2 Kammern, Keller, Holzſtall, Mit=
gebrauch
des, Bleichplatzes und der Waſchküche, zu
vermiethen und bis Ende October beziehbar.
Guſtav Heß, Zimmermeiſter.
5796) In meinem Neubau, Heidelbergerſtraße,
jenſeits des Chauſſeehauſes, ſind 4 Logis, jedes
mit 3 Zimmern und Souterrainſtube mit Glas=
abſchluß
nebſt 2 ſehr geräumigen Manſardenlogis
zu vermiethen und von October an zu beziehen.
G . Herm. Schulz.;
5856) Obere Heinrichſtraße Nr. 49
die bel Etage mit.- Ballon, 6 Zimmer, Küche,
Einquartierungsſtube u. allen ſonſt. Bequemlichkeiten,
ſowie. die Manſarde=Wohnung mit 4-6 Zim=
mern
. zu vermiethen und kaun ſofort bezogen werden.
Auf Verlangen auch Garten.
6190) Ein gut möblirtes Zimmer, zu ver=
miethen
und gleich zu beziehen. Zu erfragen bei
der=Exped.
A
6391) Ein möblirtes Zimmer zu vermiethen=
Caſinoſtraße Nr. 15. dritter Stock.
6633). 2 neu hergerichtete Logis zu vermiethen
und bald beziehbar. Gardiſtenſtraße 16.
6635) Obere Hügelſtraße Nr. 13 iſt
ein möblirtes Zimer zu vermiethen.
6650) Eck der Sand= und Steinſtraße 2. im
unteren Stock ein inöblirtes Zimmer zu vermiethen.

Pöblirte Wohnung von 3 bis
8 .
4 Zimmern, auf Verlangen mit
Küche oder Verköſtigung, Karlſtraße Nr. 45.
6693) Im Kaufmann Dingeldey'ſchen Eck=
hauſe
, der Infanterie=Caſerne gegenüber, iſt im
2. Stock ein möblirtes Zimmer an einen einzelnen
Herrn, gleich beziehbar, zu vermiethen.
6694) S5. Das ſeither von Herrn Lehrer
Ruhland bewohnte Logis, Magdalenenſtraße Nr. 5
mittlerer Stock, iſt zu vermiethen und kann auf
Verlangen ſchon im Dezember bezogen werden. Vermiſchte Nachrichten.
3 Puf die Generalverſammlung und
4 Monatsverſammlung des Gar=
5
tenbanvereins, welche kommenden Mittwoch
den 2. November Nachmittags 3 Uhr im Garten=
ſaale
des Darmſtädter Hofes ſtattfindet, werden
die Mitglieder und Freunde des Vereins beſonders
aufmerkſam gemacht. Unterricht für Bauhandwerker. 6697) Gardiſtenſträße 20 neu ſind mehrere
Logis zu vermiethen bei Ludwig Anthes.
6849). Schulſtraße 4 ein möblirtes Zimmer.
7
NBxTRRRrAAArRtARLaPaNrAzr
4 6881) Ludwigsplatz 2 eine Stiege hoch F
K eine ſehr ſchöne Wohnung, beſtehend aus
B 3 Zimmern, 2 Cabinetten und allem Zu= 8
141
E behör um mäßigen Preis zu vermiethen
4
und alsbald beziehbar.
15
GN
ERTAAAUNAAAUTTAARATTLäAUN
6885) Hügelſtraße 73 ein Logis von 3 Zim=
mern
, Küche, Keller, Bodenraum und ſonſtigen
Bequemlichkeiten gleich beziehbar.
6886) Zimmer, ein unmöslirtes, bel Etage,
an einen einzelnen Herrn oder Dame zu ver= Der Unterzeichnete ertheilt im nächſten Winter
wieder Unterricht für Bauhandwerker ꝛc, welcher
nunmehr beginnt und mit Ende März 1871 ſchließt.
Der Eintritt kann bis zum 1. Januar 1871
ſtattfinden und ſind Anmeldungen Rheinſtraße
Nr. 49 zu machen.
6996)
H. Heyl.

F=
ß
perzoss
Gasſadrik zu vrpuchten.
6997) Eine Gasfabrik, welche nachweislich im
letzten Betriebsjahre ſich zu
0
11 orentirte, miethen. Carlsſträße 41.
6935) Ein ſchönes möblirtes Zimmer.
Kiesſtraße Nr. 10. iſt vom 1. Januar 1871 an auf 8-18 Jahre
zu verpachten.
Behufs Uebernahme des Betriebsmaterials, des 6939) Obere Kiesſtraße, neben Herrn Geyer
iſt die Parterre=Wohnung, 3 Zimmer, Küche,
Glasabſchluß mit Souterrain und ſonſtigem Zu=
gehör
; ferner in der Manſarde Stube mit Cabi=
net
entweder mit dem unteren Stock oder möblirt
allein, ſofort zu vermiethen.
6945) Ein Logis zu vermiethen an eine ſlille
Familie, Marktſtraße Nr. 6 neu, bis zum 1. De=
cember
zu beziehen.
2
Mehrere gut möblirte Zimmer zu ver=
S.
k. O1 miethen.
Carlsſtraße 45.
7)
6952) Ein freundlich möblirtes Zimmer zu
vermiethen.
Mauerſtraße Nr. 30.
6956) Ein Laden mit zwei Zimmer, Küche,
wird bis Januar fertig. Schulſtraße Nr. 1.
6993) Ein freundliches Logis mit allen Ve=
quemlichkeiten
zu vermiethen und gleich beziehbar.
Weinbergſtraße Nr. 5 in Beſſungen.
5994) Möblirte Wohnung von 3 Zimmern
mit Küche iſt ſofort zu vermiethen. Nüheres
Promenade Nr. 29. Daſelbſt iſt ein noch
faſt neuer großer Biſam=Pelz abzugeben.
6995) Beſſungen. In der Schulſtraße
Nr. 6 iſt der 2. Stock und im unteren Stock ein
Logis zu vermiethen und gleich zu beziehen. Inventars und der Caution, welche zu ſtellen, ſind
ea. fl. 20,000. erforderlich. Franco=Anerbieten
befördert sub Chiffre H. 462 die Annoncen=
Expedition von Rudolf Moſſe in
Frankfurt a. M. Sntm
5420) Mein ſeitheriges Wohnhaus nebſt 6
Zimmerplatz, Holzſchoppen, Werkſtätte ꝛc.,
Eck der Gardiſten= und Schwanenſtraße 12,
4 iſt wegen Geſchäfts=Verlegung zu vermiethen 8
Hoder unter günſtigen Bedingungen zu ver=
4 kaufen.
Guſtav Heß, Zimmermeiſter.
Lim

4 6953) 3ter Stock, 6 Zimmer, neu hergerich=
tet
, ganz auch getrennt zu vermiethen, gleich be=
ziehbar
. Schulſtraße 1. Ausſicht auf d. Ludwigspl.

6959)
Geſchäfts=Aebergabe und Empfehlung.
Meinen werthen Geſchäftsfreunden und Bekannten hiermit die ergebene Auzeige, daß ich am
1. September d. J. das von mir ſeit einer Reihe von Jahren betriebene Schmiede=Geſchäft an
Herrn Karl Walther käuflich übergeben habe. Für das mir gütigſt bewieſene Vertranen beſtens
dankend, bitte ich daſelbe gefälligſt auf meinen Nachfolger übertragen zu wollen.

1
38

Hochachtungsvoll
Loheim Wetzel.
Auf Obiges höflichſt Bezug nehmend, bitte ich um geneigtes Wohlwollen zu meinem Unternehmen
und ſichere meinen verehrten Gönnern im Voraus pünktlichſte und ſorgjältigſte Bedienung zu.
Hochachtungsvoll ergebenſt
Karl Walthez. 6980) Es wird ein ſolides Müdchen geſucht,
welches kochen kann und in allen häuslichen Ar=
beiten
erjahren iſt. Eliſabethenſtraße Nr. 45
im 3. Stoc.
Einen Keller
6098)
ſucht ſogleich in der Nähe zu mielhen.
C. Völker, untere Hügelſtr.

[ ][  ][ ]

K44

169

6999)

Schuhmacher=Brüderſchaft.



Die Mitglieder dahier und in Beſſungen werden zur Jahres=Verſammlung auf Montag
den 7. November Nachmittags 4 Uhr in die Brauerei zum goldenen Anker: hiermit eingeladen.
Tagesordnung: 1) Rechnungs=Prüfung.



2) Wahl des Vorſtandes.




Der Vorſtaud.
e.

4
GOS
Hr.
8
ga9))itdt-uGlgrdiunuaitagaind
7a 6700)
eeh

54
2
Lanz=Anterriagt.
p.

.J
4), Unterzeichneter hat die Ehre anzuzeigen, daß der Unterricht Montag den 31. October
H begonnen hat. Die Herren und Damen, welche geſonnen ſind, daran Theil zu nehmen, bitte 89
83 ich, ſich baldigſt zu melden.
H


4
A. Hamfeld,
Großherzoglicher Hoftanzlehrer.
P,
8
Ryhren
usiateriOiulitGdGdAAtiuugi,

Großherzogliches Hoftheater.
Mittwoch, 2. Novbr. Zum Beſten des Fonds
für verwundete und erkrankte Soldaten: I. Vor=
trag
zweier patriotiſchen Dichtungen, deren
jeder ſich ein lebendes Vild mit Chorgeſang
anſchließt. II. Aus Leyer und Schwert: von
Körner und Weber drei Männer=Chöre,
ſceniſch ausgeführt. Hierauf dritter Satz der
Spohr'ſchen Sinfonie die Weihe der Töner.
III. Wallenſtein's Lager. Dramatiſches Ge=
mälde
aus dem 30jährigen Krieg in 1 Akt von
Schiller. Mit Muſik und Chor. Wochenpreiſe.
Anfang halb 7. Uhr.
Freitag, 4. Novbr. Zum Beſten des Fonds
für die Familien der im Felde ſtehenden Soldaten.
Don Juan. Oper in 4 Akten von Mozart.
Mit den Recitativen des Componiſten. Wochen=
preiſe
. Anfang halb 7 Uhr.

Das zerbrochene Siegel.
Eine Geſchichte aus dem Vendeer Kriege.


Gorlſetzung)

Der junge Ofizier richtete beſonders ſeine Blicke auf Frau von Tré=
ſeguidh
, deren zitternde Hand ſanft die Locken des kleinen Raoul ſtrich.
Der edle Auhlick des alten Mannes, die reizende Gruppe der Mutter und
des Kindes hielten einen Augenblick die Frage auf den Lippen des Offiziers
zurück, die er hatte thun wollen. Die Zögerung war aber nur kurz; er
trat in die Mitte des Zimmers und fragte mit lauter Stimme:

Bürger Tröſequidy, wo ſind Deine Söhne ?u

Meine Söhne ſind ſeit einiger Zeit auf Reiſen, mein Herr; außer=
dem
weiß ich nicht, wer Ihnen das Recht gibt, hier in meinem Hauſe und
in dieſer Stunde der Nacht mich alſo zu befragen.
Du täuſcheſt uns; die Bürger Trsſeguidy waren mit in der Schlacht
von Savenay; Ihr erwartet ſie; vielleicht ſind ſie ſchon hier. Wir haben
ſie bis zum nächſten Dorfe verfolgt. Das Weitere iſt Sache dieſes Bür=
gers
hier, eines Commiſſärs der Republik." Der junge Mann deutete bei
dieſen Worten auf ſeinen Gefährten, der ſeinen Mantel halb öffnete und
die dreifarbige Schärpe blicken ließ. Ihm haſt Du weiter zu antworten;
meine Sendung iſt erfüllt, ſobald die Durchſuchung des Schloſſes vollendet
ſein wird. Der Bürger, Mitglied des Revolutions=Ausſchuſſes, wird mit
acht meiner Leute hier zurückbleiben.
Der junge Offizier grüßte und war eine halbe Stunde nachher auf
ſeinem Nückwege nach Breſt. Sein Gefährte war in der That Mitglied
des Nevolutions=Ausſchuſſes und hieß Nignard. Beim Ausbruch der Revo=
lution
war er Chaiſenarbeiter in Nantes. Eine Creatur Carriers, hatte er
ſich bald ſeines Meiſters würdig gemacht, und auf dem kleinen Thron, den
er im Namen des ſouveränen Volkes einnahm, gerirte er ſich wie ein
Kaiſer. Dieſe Claſſe von Meuſchen bildete gewiſſermaßen das komiſche
Perſonal jener Bande und ihre Art und Weiſe beluſtigte manches Mal in
der Schreckenszeit von 1793. Die Plumpheit ihrer Sprache, die Gemein=
heit
ihrer Bewegungen ſtanden im lächerlichſten Gegenſatz zu dem ſtudirten
Ernſt und der Würde, die ihre Haltung annahm. Der Mann der Kueipe
ſah immer durch die ernſte Maske der Obrigkeit hindurch. Rignard war
groß, hager und ſehr bleich; ſeinem Körperbau fehlte es an jeglichem Ver=
hältniß
, jede ſeiner Bewegu ngen war eine ungeſchickte und plumpe. Er war
wie eine häßliche Holzpuppe, die die Kinder mit einem Faden ſich bewegen
laſſen. Das Stechende ſeiner grauen Augen, welche wie die einer wilden
Katze glänzten, milderte allein den grotesken Ausdruck ſeiner ganzen Er=
ſcheinung
. Das unwillkürliche Lachen, zu welchem der Anblick ſeines un=
verhältnißmäßigen
Körpers leicht verführte, wurde ſehr ſchnell durch den
Ausdruck von Grauſamkeit, der ſich in ſeiner Miene ausſprach, verdrängt.
Beim Anblick dieſer gefährlichen Perſon wünſchte Herr von Tröſeguidy
den jungen Ofizier zurück. Er fühlte, der Richter hatte dem Henker den
Platz geräumt. Er warf einen Blick voll Uuruhe auf ſeine Tochter und
ſeinen Enkel; umarmte beide im Drange ſeines väterlichen Gefühls mit
Inbrunſt, und verließ mit dem Mitglied des Revolutions=Ausſchuſſes das
Zimmer, wozu ihn dieſes mit den Worten aufgefordert hatte: Bürger
folge mir und ſteh Rede.

Unverſchämter ½u murmelte der Edelmann.
Als Rignard ſich eutſernt hatte, erhob ſich Frau von Tröjeguidh,
lauſchte einige Augenblicke mit äugſtlicher Miene auf die am Ende des
Corridors verhallenden Tritte, und öffncte dann raſch die Thüre, Raoul
an der Hand mit fortziehend. Angekommen in ihrem Gemach, eilte ſie
nach dem Fenſter, welches ſie offen gelaſſen hatte.

Raoul= ſagte ſie zu ihrem Sohne, indem ſie ihn auf den Arm hob,
Dein Geſicht iſt ſchärfer als das meinige; ſieh dort hinunter in der Richtung
des Weihers von Treouregat; blicke ſcharf, ſiehſt Du dort Niemand ?u

Das Kind ſandte ſeine Blicke in die Finſterniß des Waldes.

Ich ſehe nichts liebe Mutter;, antwortete es nach einigen Augen=


blicken des Schweigens.
Die Gräfin rückte einen Stuhl an's Fenſter und ſtellte Raoul darauf.
So, nun wende Dein Auge nicht vom Nande des Waldes dort
unten, mein liebes Kind. Es gilt die Rettung Deines Vaters, die
Rettung Deines Onkels. Wenn Du irgend etwas bemerkſt, rufe mich."
Sie ſelbſt ſtellte ſich an die Thüre des Gemachs und lauſchte geſpannt auf
jedes Geräuſch im Innern des Hauſes. Eine peinliche halbe Stunde ver=
floß
. Furchtbare Scelenangſt quälte die Arme; ohne Aufhören lief ſie von
der Thüre nach dem Fenſter und lauſchte dort und blickte hier ſich um.
Oefters frugen und antworteten ſich Mutter und Kind mit leiſem Tone in

A
abgebrochenen Sätzen.
Siehſt Du noch nicht drei Menſchen aus dem Walde kommen?
Nein; antwortete jedesmal der verſtändige Raoul, deſſen lebhafter
Geiſt ganz die Gefahr ſeiner neuen Lage erfaßt hatte.
Plötzlich aber ſtieß das Kind einen halblauten Schrei aus, ſtürzte auf
ſeine Mutter los und rief: Hier ſind ſiel Hier ſind ſiel

Frau von Tröſeguidh ſah in der That eine Gruppe von dunklen Ge=

ſtalten, die raſch auf Plourneck zu ſchritten.

Das ſind ſie, wir müſſen ihnen ein Zeichen geben.
Raoul, der an der Thüre ſtehen geblieben war, ſtieß jetzt einen zweiten
Schrei aus, aber dießmal voll Augſt und Schrecken.

Man ſteigt die Treppe herauf, man kommt hierher.
Es war ein fürchterlicher Augenblick, Um keinen Verdacht rege zu
machen, ſetzte ſich die unglückliche Gräfin mit anſcheinender Ruhe beim
Kamin nieder. Naoul begann im Zimmer zu ſpielen, wohl begreifend, wie

viel auch von ſeinem Benehmen abhänge.
Bald trat der Marquis ein, gefolgt von dem Revolutionsmann; er
warf einen fragenden Blick auf ſeine Tochter, um ſich über die Entdeckung
zu verſichern, die ſie etwa gemacht hatte; die geſenkten Augen der jungen

Dame aber konnten ihm nichts verrathen.

Bürgerin; ſagte Rignard in einem nachläſſigen Tone zur Gräfin,
wir haben das ganze Haus unterſucht, vom Speicher bis zum Keller, es
bleibt jetzt nur Dein Zimmer zu beſichtigen übrig.
Naoul maß mit ſeinen Blicken den groben Menſchen, der es wagte,
ſeine Mutter zu duzen.



Was iſt denn das hier2u fuhr das Mitglied des Revolutions= Aus=
ſchuſſes
fort, indem es die Thüre einer anliegenden Stube öffnete; jaha
das iſt ein recht bequemes Zimmer für mich! Hier will ich ſchlafen, ſo
lange ich hier ſein werde. Man mache mir mein Bett hierher.

Während der Menſch ein kleines düſteres Cabinet unterſuchte, welches
dicht nebenanſtoßend voll Papiere und alter Geräthe lag, hatte ſich Raoul
in aller Stille nach dem Fenſter geſchlichen. Zu ſeinem Schrecken gewahrte
er in einer Entfernung von etwa zwanzig Schritten ſeinen Vater, ſeinen
Oukel und Janekin. Glücklicherweiſe kamen ſie von der dem Haupteingang.
den man mit einer Schildwache beſetzt hatte, entgegengeſetzten Seite. Aber
das Fenſter öffnen und rufen: Rettet Euchh war eine gefährliche Sachel;
ſeinem Großvater und ſeiner Mutter konnte er ebenfalls nicht unter den
Augen des Republikaners ein Zeichen geben. Das arme Kind, dem der
Himmel bei dieſer Gelegenheit eine wunderbare Geiſtesgegenwart verlieh,
verlor indeſſen ſeine Faſſung nicht. Er erinnerte ſich, daß Nignard's Ge=
fährten
in die Küche gezogen waren, und vermuthete, dort hätten ſie ſich

[ ][  ]

R44

170

betrunken, denn es hatte die Refrains ihrer Trinklieder erſchallen hören.
Es hoffte darum, Janekin könne ins Schloß kommen, ohne die Aufmerk=
ſamkeit
der Trunkenbolde zu erregen.
Aber mein armer Vater wird vielleicht in einem Agenblick hier ins
Zimmer treten! ſprach der Knabe zu ſich. Und er hatte recht vermuthet.
Die Thüre öffnete ſich. Die Herren von Tröſeguidy erſchienen, dann
Janekin.
Der Letztere wollte eben den Mund zum Reden öffnen, jals das Kind
raſch die Hand des Vaters und des Onkels ergriff und beide mit Heftigkeil
in das dunkle Cabinet ſtieß, das der Republikaner kaum erſt verlaſſen hatte.
Was bedeutet dieſer Lärmzu frug der mißtrauiſche Niguard, indem
er ſchnell aus einem beuachbarten Zimmer trat.
Janckin ſtand noch auf der Schwelle, unbeweglich und ſtumm wie die
Statue des Stillſchweigens
Raoul warf ſich in ſeine Arme und rief: Ei, guten Tag, Janekin
was bringſt du mir denn von Breſt mit?
Beim Anblick der dreiſarbigen Schärpe Rignards lhatte der Fiſcher
ſeine Sprache und ſeine Faſſung wieder gewonnen.
Was ich von Breſt mitbringe, Junker Naoul ? Einen tüchtigen=Appetit
einen gehörigen Durſt und ganz geräderte Glieder.
Der Marquis und die Gräfin waren in einer furchtbaren Seelenangſt.
Der Vater ahnte noch gar nichts von der Nähe ſeiner Söhne, die Auweſen=
heit
Janekins machte ihn irre, und Frau v. Tröſeguidy ſelbſt wußte nicht,
was ſie der ungewöhnlichen Klugheit ihres Kindes verdanke. Waren ihr
Gatte und Schwager vielleicht ſchon in der Gewalt der Soldaten der Repu=
blik
? Waren ſie aus Vorſicht draußen geblieben? Oder ſtanden ſie vielleicht
in dieſem Augenblicke unten an der Pforte, im Begriff einzutreten und ſo
ihre geächteten Häupter dem Meſſer Carriers zu überliefern? Schreckliche
Ungewißheit!
Das Mitglied des Revolutionsausſchuſſes nahte ſich jetzt Janelin, firirte
ihn mißtrauiſch von Kopf bis zu den Füßen und ſprach:
Du kommſt von Breſt, ſagſt Du, was hatteſt Du denn dort zu
thun ?
dch will Euch dieß nach dem Eiſen erzählen, erwiederte Janetin mit
großem Gleichmuth. Wenn ich jetzt den Mund öffne, dann geſchieht es,
um etwas Subſtantielleres hinein kommen zu laſſen als den Staub dieſes
Zimmers.
Gut, ſagte Rignard, der da hoſſte, mit Hilfe des redſelig machenden
Weins das Geheimniß, hinter welches er noch nicht hatte kommen können,
aus dem Bauer herausholen zu können, gut, ich will Theil an Deinem
Mahl nehmen, ich komme auch von Breſt.
Ihr lomnt von Breſtsu ſagte der ſchlaue Bretagner, zuicht möglich.
Dann hätte ich Euch ja begeguen müſſen!?
Bei dieſen Worten verließen die beiden Männer aus dem Bolk das
Gemach, der eine im Vertrauen auf ſeine Machtvollkommenheit, der andere
auf die Güte Gottes und die Eingebungen ſeiner treuen Hingebung.
Kaum hatte ſich die Thüre geſchloſſen, ſo warf ſich Naoul an der
Mutter Bruſt mit den Worten: Sie ſind dak" Die Thüre des Cabinets
öffuete ſich, und die ganze Familie fand ſich beiſammen.
Wer vermöchte die Gefühle zu ſchildern, mit denen alle dieſe einander
ſo unentbehrlichen Perſonen ſich wieder fanden, ſo nahe die Gefahr, die
ihrer aller Leben bedrohte! Nachdem der Graf den Vater und die Gattin
umarmt hatte, erzählte er, daß ſie von Reitern bis zum nahen Dorfe
verfolgt worden wären, daß ſie dieſen nur hätten entrinnen können, indem
ſie ſich in den Wald geſtürzt, deſſen verborgenſte Pfade ihnen bekannt waren.
Dem treuen Janekin waren ſie eine Viertelſtunde vom Teich von Tröouergat
begegnet. In Plouerneck angekommen, waren ſie durch eine Hinterpforte
eingetreten, zu der der Fiſcher den Schlüſſel bei ſich geführt. Die Stunde
ihrer Ankunft, noch mehr aber die Gewohnheit in ſolchen Tagen der Gefahr
hatte ihnen ſolche Vorſicht angerathen. Daher war es denn gekommen, daß
ſie ſogleich bis zum Gemach der Frau Tröſeguidy hatten gelangen können,
ohne daß ſie gehört worden waren, ohne aber auch nur die leiſeſte Ahnung
zu haben von der Gefahr, in die ſie ſich ſtürzten. Naoul hatte ſie gerettet!
Die Gräfin drückte das geliebte Kind an ihr Herz und in ihren Augen
ſtrahlte die zweifache Liebe der Gattin und Mutter.
Doch, was beginnen wir jetzt, meine Kinder zu ſagte der Marquis,
in dieſem Cabinet könnt Ihr nicht bleiben; jeden Augenblick kann jener
Menſch wiederZeintreten und vielleicht fällt es ihm dann ein, noch einmal
jedes Zmmer zu unterſuchen. Das geringſte Geräuſch kann ſeinen Ver=
dacht
und ſein Mißtrauen wecken. Bedenkt, nur eine dünne Wand ſcheidet
Euch heute Nacht von ihm; er kkann Euren Athem hören, wenn Ihr
ſchlaft, denn hier im Nebenzimmer wird er bleiben. Alſo fort! fort
Die Gräfin erbleichte. O, mein Gott! wohin aber ſollen ſie? Sind
ſie nicht durch ein Wunder hierher gekommen und können ſie jetzt, da
dieſer Menſch unten iſt, noch einmal das Haus durchſchreiten, ohne daß
man ſie hört und ſieht?

Es iſt wahr, mein Vater, und gelingt es uns ſelbſt die Treppe
hinabzukommen, ohne daß man uns hört, dann fallen wir in die Hände
der Blauen, die den ganzen Wald um Plourneck durchſtreifen. Wir bleiben
heute Nacht hier im Cabinet, ohne zu ſchlafen; vielleicht rettet uns gerade
die Kühnheit dieſes Plans.
Der Marquis beſtand darauf, daß ſie fliehen müßten; während ſie
aber alſo unſchlüſſig ſchwankten, glaubte die Gräfin, deren Unruhe alle
ihre Sinne ſchärfte, die leiſen Tritte eines Mannes im Corridor zu ver=
nehmen
.
Stille! ſagt ſie, man kommt."
Die Thüre öffnete ſich ganz leiſe, und herein trat eine braune Ge=
ſtalt
mit langen hängenden Haaren. Es war der gute Janekin.
Ich bins- ſagte er ganz leiſe, verſtecken Sie ſich, Herr Graf,
verſtecken Sie ſich, Herr Baron; der Blaue iſt unten auf der Treppe.
Der Schurke hat mich trunten machen wollen, allein er iſt in ſeine eigne
Schlinge gegangen. Doch halt, ich vergaß Ihnen zu ſagen, daß er Siegel=
lack
und ein Stückchen Kupfer mitbringt, ich weiß uicht, was er damit
machen will, aber ſeien Sie auf Ihrer Hut."
Nignard nahte ſich, eins der liebenswürdigen Lieder jener Zeit ſingend.
Der Fiſcher ging ihm eutgegen. Die Gräfin eilte ſchnell in ihr Gemach.
Aha, da biſt Du ja, Du verſchmitztes Seethier;, ſchrie der Trunken=
bold
Janekin entgegen, habe ich Dir denn nicht geſagt, Du ſollteſt mir
zwei von meinen Leuten holen? Vorwärts, nimm dieſen Leuchter und hole
ſie mir geſchwind herbei.
Janekin hatte unwiderſtehliche Luſt, den Unverſchämten zu erdolchen,
allein er hielt ſich zurück, da er wohl einſah, dieſer Gewaltſtreich müſſe
die Gefahr ſeiner Herren nur nergrößern. Indeſſen packte er doch mit
ſeiner harten, ſchwieligen Hand wie mit einer Zange die magere Hand
Nignards und drückte ſie ihm, daß alle Knochen krachten. Dieſe kleine
Nache erleichterte ihn ein wenig.
Willſt Du mich loslaſſen, Du Haifiſch=, ſchrie der Unglückliche, oder
ich ... ich guillotinire Dich
Janekin kam bald mit den zwei Leuten zurück, welche das Mitglied
des Revolutions=Ausſchuſſes verlangt hatte. Als er in's Zimmer trat,
hatte ſich Nignard ganz und gar verändert. Seine Trunkenheit war wie
ein leichter Nebel zerſtreut; ſein Gang war feſt und ſicher geworden; ſeine
Nede, eben noch lallend und ſtammelnd, war beſtimmt, ſein Geſicht verlor
die Röthe, die der Wein hervorgerufen, und hatte bald wieder jene ſinſtere
Bläſſe, die auf dem Antlitz eines Richters Einen, ſo zu ſagen, ſchon im
Voraus das Todesurtheil leſen läßt. Er warf einen Blick um ſich her,
in dem alles Feuer des Haſſes glühte
Du biſt alſo ganz allein, Bürger Tröſeguidy?- ſagte er dem
Marquis.
Herr v. Tröſeguidy, der einen trunkenen Menſchen vor ſich zu ſehen
erwartet hatte, fürchtete ſich beinahe vor dem Eiſesantlitz des ehemaligen
Wagenbauers. Er hatte auf die plumpe Vertraulichkeit eines Menſchen aus
der Schenke gerechnet, und fand ein ſchlaues, mißtrauiſches Weſen, das
auf eine Gelegenheit lauerte, den Gegner zu verderben.
Ja, ja, ich bin allein=, antwortete ſtammelnd der Greis, meine
Tochter iſt ermüdet, ſie hat ſich in ihr Gemach zurückgezogen."
So, ſo, die Bürgerin hat ſich zurückgezogen, ſagte das Mitglied
des Revolutions=Ausſchuſſes, indem es auf eine eigene Weiſe dieſe Worte
betonte.
Und warum ſoll denn die Frau Grüfin nicht zu Bette gehen, wenn
ſie Luſt hat zu ſchlafen zu fragte Janekin mit barſchem Ton.
Ich habe zwei Bemerkungen zu machen, Bürger Janekin; rief Rig=
nard
mit komiſcher Feierlichkeit. Erſtens ſpricht man nicht ſo, wie Du
es thuſt, mit einem Commiſſär der Republik; dann nennt man niemanden
mehr Marquis oder Gräfin, dergleichen Etiquetten ſind abgeſchafft. Die
Todten allein nennen ſich noch ſo. Verſtehſt Du ?
Darauf ließ Nignard ſeine zwei Subalternen herzutreten, ſetzte zwei
Lichter auf einen Tiſch, zog aus ſeiner Taſche ein Stück Siegelwachs und
ein Siegel, verlangte Papier und begann alſobald Siegel an die Thüren
zu legen.
Meine armen Söhne ſind verloren! dachte der unglückliche Vater.
Um 4 Uhr Morgens hatte Nignard ſeine Operationen vollendet. Er
hatte nicht bis zum andern Tag warten wollen, die Zimmer, in denen er
verdächtige Papiere vermuthete, unter die Aufſicht der Republik zu ſtellen.
Er hatte den Bewohnern von Plouerneck nur zwei Zimmer zum Gebrauch
überlaſſen: das, welches die Gräfin einnahm, und das, worin die Vorfälle
ſich ereigneten, die wir erzählt haben. In dem beuachbarten Gemach ließ
er ſein Ruhebett aufſchlagen. Jenes dunkle Cabinet, welches den Herren
v. Tröſeguidy zur Zuflucht diente, hatte er verſiegelt, wie alle übrigen
Zimmer im Schloß. Unten hatte man den Speiſeſaal und die Küche der
Dienerſchaft und den Schergen Nignards zum Gebrauch überlaſſen, der
ſeine zwei Leute wieder dahin ſchickte.
(Fortſetzung folgt.)

Redactiön und Verlag L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.