Ns. 4.
Dienſtag den 25 Januar
Das Frog= und Anzeige=Blatt, bie Bellage hierzu, ſewie das Verordnungs=Blarr für Len Kreis Darmſtadt erſs eintfn. Brchenlich. Erftares Camfſahs
Dienſtags ünd Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Bläter zuſamtten 2 fl. Auswärts kann wan zei allen Bohärtern abonniren In
bei der Erveditton, Rheinſtraße, Nr. 28 neu
Hre Vrnrage
Tarmürèt
Verſteigerung von Colonial=Waaren.
Die zum Concurs des Kaüfmanns Friedrich
Müller gehörigen Waaren=Vorräthe, als: ein
Ballen Reis und ein Ballen Kaffee, Zucker (Melis),
feinere Liqueure in Flaſchen u. ordinären
Brannt=
wein; ſodann eine große Parthie Tabak
u. Cigarren aus reuommirten Fabriken,
ſowie überhaupt alle zum Colonialwaaren=Geſchäft
gehörigen Vorräthe, ferner Hülſeufrüchte und eine
große Parthie Kurzwaaren ſollen
Mittwoch den 26. Januar d. J.
Vormittags 9 Uhr
in der Wohnung des Cridars, Carlsſtraße Nr 7,
gegen Baarzahlung verſteigert werden.
Darmſtadt, den 18. Januar 1870.
Großherzogliches Ortsgericht Darmſtadt.
Der Vorſteher:
407)
Berntheiſel.
Feilgebotenes.
514) Das Masken=engros-Lager von
Feier Wbilh. Beldhuus in Cöln
verſendet frauco Preis=Couraute.
L."
Kardtauxi
1265r Hargaux
per Flaſche fl. 1.12 kr.
„ Hedoc
„ fl. - 42 kr.
„
1865r Chateau Hargauz
„ fl. 1. 45 kr.
1864r
Leoville „ fl. 1. 30 kr.
Franzöſiſche Champagner von Moét u.
Chan-
don in Epernay, Roederer in Rheims ete.,
ſowie mein fehr reiches Lager in ausläudiſchen
Welnzen de spiaituosen, für deren
Aechtheit garantire und worüber Preis=Courante
abgebe, halte beſtens empfohlen.
Friedrich Wichberg,
Rheinſtraßs. Großherzoglicher Hof=Lieſerant.
64) Gute dürre Zwetſchen per Pfd. 8 kr.,
im 1 Centner billiger, empiehlt
L. Gelſius, Schulzengaſſe 22.
65) Schloßgartenſtraße Nr. 9 ſind 2
Ein=
legſchweine zu verkaufen.
67) Sehr gutes Sauerkrant empfiehlt
billigſt
L. Gelfius, Schulzengaſſe 22.
515)
5
zu haben in vorzüglicher Qualität, ſchönſter Farbe
und jeder Größe und Form.
Frauco=Anfragen sub T. L. 352 befördert die
Annoncen=Expedition von Haaſenſtein
K Vogler in Frankfurt a. M.
C
= Friſch angekommen:
Gothaer Cervelatwurſt
bei J. G. Voraise
Für Kaufleute und Gewerbtreibende
empfehle ich mein reichhaltiges Lager in
9½
3E4
PüGAASTESAaUUN
4
in allen Linien=Arten und Formaten.
Vorräthig ſind: Hanptbücher, Caſſabücher, Journalc. Menoriale, Facturbücher, Adreßbücher,
Lohnbücher, Strazzen ꝛc. Feruer:
Copiriücker 500. 690, 800 und 1000 Blatt,
Copipressen von Hol; und Eiſen
fl. 3. 30 u. fl. 5. fl. 9. u. fl. 12. per Stück.
Büreau-Artikel jeder Art.
Georg Hoſ,
293)
Eliſabethenſtraße im ncuen Schulhauſc.
Schwerherigkiete: Neu=Gersdorf
55 An die Apotheke
Sachſen: Ew W. für das geſandte Oel beſtens
dankend, bin ich nach Verbrauch deſſelben von
meiner totalen Schwerhörigkeit faſt
gänzlich hergeſtellt. Um dieſelbe völlig zu
tilgen, bitte ich ꝛc. folgt Beſtellung). Indem ich
noch recht herzlich danke, werde ich bemüht ſein,
dieſem probaten Mittel unter ſo vielen meiner
unglücklichen Mitleidenden Verbreitung zu
ver=
ſchaffen ꝛc. Ihr daukbarer Fä A=K kéAie beim
Kfm. Anton Weiß, Ratibor. 280
Dank=
ſchreiben von Geheilten u. Aerzten bei jeder Flaſche!
Preis einer ganzen Flaſche mit Wolle 1fl. 30 kr.
„ halben
53 kr.
„
„
Nür allein ächt zu beziehen durch das General=
Depot bei Th. Brugier in Karlsruhe
und in der Niederlage in Darmſtadt bei
517) G. Stams. Eliſabethenſtraße Nr. 41.
518) Ein ſehr guter Hofbund zu verkaufen.
Marienplatz Nr. 4.
519) Ein reines, vollſtändiges einperſöniges
Bett, welches ſich noch für Dienſtboten oder
Arbeiter eignet, wird nebſt der Bettlade um den
billigen Preis von 20 fl. abgegeben Alte Vorſtadt
Nr. 21 im Hinterbau zwei Stiegen hoch.
Vermiethungen.
7601) Magdalenenſtraße 9 im zweiten Stock
ein ſchönes Zimmer ohne Möbel zu vermielhen.
7770) Georgſtraße Nr. 11 im Hinterbau ein
möblirt Kabinet zu vermiethen; auch kann Koſt
dazu gegeben werden.
7988) Stallung für 2 Pferde zu vermiethen
Carlsſtraße Nr. 22.
8350.) Zwei Logis zu vermiethen.
Mühlſtraße Nr. 7.
242) Der mittlere Stock meines nen er.
bauten Hauſes an der Dieburgerſtraße iſt zu
vermiethen und am 1. April beziehbar.
Der=
ſelbe enthält 5 Piecen mit allen dazu gehöri=
U gen Beouamlichkeiten. Wittwe Lößer.
247) Niedeſelſtraße Nro. 68 parterre iſt ein
Zimmer ohne Möbel zu vermiethen.
399) In meinem neuen Hauſe, Eck der
Heinrich= und Kiesſtraße, iſt ein großes,
frenidliches Manſardenzimmer neſſt
Ca=
binet mit ſchöner Fernſicht, möblirt oder
unmöhliri, nebſt Bedienung, zu vermiethen
und bis den 1. April d. J. oder auf
Verlangen auch früher, zu beziehen.
Juſtus Spengler.
465) Im Seitenbau ein freundliches Logis,
3 Zimmer, Küche, abgeſchloſſener Vorplatz u. ſ. w.
iſt zu vermiethen.
A. Schuchmann, Grafenſtraße Nr. I.
480) Schulſtraße Nr. 2 im Hinterbau 2
Trep=
pen hoch iſt ein möblirtes Zimmer zu vermiethen.
520) Marienplatz 4 zwei freundliche möblirte
Zimmer an 2 ledige Herren zu vermiethen.
44
521) Heinrichftraße Nr. 34 unterer S0o. E
4
5 Piccen, Küche u. allem Zugehör, Anfang H
April zu beziehen. Näheres ebendaſelbſt.
Hin großes umödlirkes Zimmer
G Ernſt=Ludwigſtraße. J. Enders.
Vermiſchte Nachrichten.
255) Für junge Kaufleute!
Auf dem Comptoir eines hieſigen En gros
Geſchäftes findet ein Volontär ſofort Stellung
und jede Gelegenheit zur gründlichen Ausbildung
in allen kaufmänniſchen Arbeiten. Schriftliche
Offerten unter Nr. 255 beſorgt die Exp. d. Bl.
262) Geſchäftslocal geſucht.
Für ein en gros Geſchäft werden in der
Neu=
ſtadt zu miethen geſucht: Zwei wohnbare Räume,
Küche oder ſonſt geeignetes Lokal zur Anlage
klei=
nerer Feuerungsanlagen, Speicher ꝛc. für
Em=
ballagen. Mitbenutzung des Hofes und event. auch
einen Keller. Logis im Hauſe erwinſcht. Offerten
sub A. L. Nr. 40 beſorgt die Exp. d. Bl.
14
259)
Offene Lehrſtelle
in einem hieſigen Handelsgeſchäften gros. Gute
Vor=
kenntniſſe bedingt. Offerten sub Nr. 259 beſorgt
die Exped. d. Bl.
404) Oebentliche junge Mädchen,
Lehr=
linge für Steindruckerei geſucht.
Frommann & Bünte.
432) Verloren wurden zwei ganz neue,
geſtickte, feine Vattiſt=Taſchentücher in einem
Papier=Umſchlag. Der redl. Finder wird dringend
um die Zurückgabe gebeten gegen ſehr gute
Belohnung in der Exp. d. Bl.
523) Eine muſikaliſch gebildete Dame, die
ſelbſt fingt, wünſcht noch einige Singſtunden zu
ertheilen. Näheres in der Expedition.
524) Auf Großherzogl. Ober=Einnehmerei
dahier kann ein Büreaugehülfe Beſchäftigung
finden.
525) Ein Scribent wird zu ſofortigem
Eintritt geſucht. Näheres in der Expedition.
526) Brave Mädchen zum Garniren
geſucht von der Patent=Hutfabrit
Eliſabethenſtraße Nr. 36.
Kine geübte Kleidermacherin wünſcht
51 noch einige Kunden anzunehmen.
Kiesſtraße Nr. 15.
528)
Verlooſung.
Bei meiner am 20. Januar ſtattgehabten
Ver=
looſung von Stickereien haben folgende Nummern
gewonnen: 92. 215. 2116. 1799. 133. 1249.
2248. 1280 738. 1986. 1879. 27. 46 1462.
Colporteur Carl Ramp in Mainz.
529) Nr. 32 hat das Bügeleiſen gewonnen.
530) Mathilden=Landkrankenhaus.
Den Ertrag einer anonhmen Gabe von 5 fl.
beſcheinigt mit Dank für den gütigen Geber
Der Vorſtand.
Städtiſche Gas=Controle.
Contractliche Lichtſtärke: 20 Kerzen auf
5 Cubikfuß Gasverbrauch per Stunde.
Der Kohlenſäuregehalt des Leuchtgaſes darf
1 Procent nicht überſteigen.
Am 14. Januar 185 Kerzen Lichtſtärle,
„ 15. „ 190 „
„
„ 20. „ 180
20. „ 15 Procent Kohlenſäure
Darmſtadt, am 21. Januar 1870.
Der ſtädtiſche Gas=Controleur:
531) Dr. Wilhelm Hallwachs.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 25. Jan 6. Vorſt. im 6. Ab.:
Die ſchöne Galathec. Komiſche Oper iu
1 Akt; Muſik von Suppé. Franzöſiſche Schwaben,
oder: Fritzchen und Lieschen. Genrebild in
1 Akt. Muſik von Offenbach. (Galathee und
Lieschen Fräul. Friederike Fiſcher von Wien,
als Gaſt.) Zwiſchen beiden Piecen:
Bade=
kuren. Luſtſpiel in 1 Akt von G. zu Putlitz.
Donnerſtag, 27. Jan 7. Vorſt. im 6. Ab.:
Othello. Trauerſpiel in 5 Akten von Shakespeare.
Bühneneinrichtung von Weſt.
Freitag, 28. Jan. Abonnement suspendu.
Blaubart. Komiſche Oper in 4 Akten; Muſik
von Offenbach. (,Blaubart: Hr. Swobodazvon
Frankfurt als Gaſt; „Voulotten Frlu. Fried.
Fiſcher von Wien als letzte Gaſtrolle)
R.4.
Reſidenz- & Comptoir-Kalender pro 1800
ſind erſchienen und auf unſerem Comptoir zu beziehen.
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
Rznaunieooovogoooouooo2
4Preisausſchreiben des Gartenbauveretus zu Darmſtadt.;
Zur Aufmunterung und Hebung der Gemüſe=Cultur ſetzt der Gartenbauverein hiermit
4 folgende Preiſe aus:
1) Für diejenige Handelsgärtnerei in Darmſtadt oder Beſſungen, welche die Frühtreiberei
von Gemüſen in Miſtbeeten in ausgedehnteſter u. prattiſchſter Weiſe betreibt: einen Preis von 25 fl.
2) Für diejenige Gärtnerei, welche in dieſem Betrieb als die nächſtbeſte erſcheint: einen
Preis von 15 fl.
3) Für die ausgedehnteſte und beſteingerichtete Handels=Gemüſegärtnerei im freien Lande:
4 einen Preis von 20 fl.
4) Für die nächſtgrößte und beſteingerichtete ſolcher Gärtnerei: einen Preis von 15 fl.
5) Für die drittgrößte und beſteingerichtete ſolcher Gärtnerei: einen Preis von 10 fl.
6) Für die größte und beſteingerichtete Handels=Spargelanlage: einen Preis von 10 fl.
7) Für die größte und beſteingerichtete Handels=Erdbeeranlage: einen Preis von 5 fl.
Die Beſichtigung und Beurtheilung der Gärten erfolgt durch eine vom Ausſchuß des
H2 Gartenbauvereins zu wählende Commiſſion von 5 Fachmännern, und zwar die der Frühtreibereien
7 im Monat April 1870 und die der Freilandgärtnereien im Monat Juni 1870.
In zweifelhaftem Falle ſollen beſonders auch als Entſcheidungsgründe gelten: Reinheit
6
des Gartens von Unkraut, gute Anlage, Reinheit und nutzbare Einfaſſung der Wege, Zuſtand
der Compoſthaufen, der Zäune ꝛc.
Das Reſultat der Beurtheilung wird öffentlich bekannt gemacht, wobei diejenigen Gemüſe=
O gärten, zwelche ſich in irgend einer Weiſe auszeichnen, ohne jedoch einen Preis zu erhalten,
S ſpeciell lobend erwähnt werden.
Diejenigen Gärtnereien, welche um obige Preiſe concurriren wollen, belieben ſolches dem
2 Gartenbauverein ſchriftlich franco per Stadtpoſt anzumelden, und zwar iſt der ſpäteſte Termin
zur Anmeldung für die Frühtreiberei der 31. März 1870 und für die Freilandgärtnerei der
15.
A 3l. Mai 1870.
(532
Darmſtadt, im Januar 1870.
Der Vorſtand.
S
Aof
Gadaataaiaaoaoieenooa-iee.
489)
Lokal=Gewerbverein.
Verſammlung der Mitglieder, zu welcher alle in Darmſtadt und Beſſungen wohnenden
Mitglieder des Landesgewerbvereins zählen Donnerſtag den 27. Januar Abends
8 Uhr im oberen Saal der Winter'ſchen Branerei.
Tagesordnung: Beantwortung der Fragen: 1) Welche Unterſchiede beſtehen zwiſchen der
Norddeutſchen Gewerbeordnung und den betreffenden, in Südheſſen geltenden Beſtimmungen ? (Referent
Herr Hofgerichts=Advokat W. Reuling.) 2) Wo werden die in München verwendeten
Trottoir=
platten aus gebranntem Thon fabricirt, und wie hoch ſtellt ſich der Preis eines ſolchen Trottoirs ?
(Referent Herr Maſchinenfabrikant Jordan.)
Das Lokal iſt von 71 Uhr an geöffnet und die neueſten Nummern der techniſchen Journale,
ſo=
wie Muſterzeichnungen ꝛc. ſind aufgelegt. Der Fragekaſten iſt am Eingang des Lokals aufgeſtellt und
können dort, Fragen vor und während der Sitzungen eingelegt werden.
490)
Unterrichts=Anzeige.
Ich Unterzeichneter mache die ergebene Anzeige, daß ich Privat=Unterricht ertheile im Maßnehmen
und Zuſchneiden von allen Arten Damenkleidern nach einer von ſmir ſelbſt aufgeſtellten Zuſchneide=
Methode, welche alle bis jetzt dageweſene übertrifft, indem ein Jedes nach 8-10 Stunden vollkommen
unterrichtet iſt, um Kleider, Paletots, Hoſen u. ſ. w. mit Leichtigkeit zuſchneiden zu können. Indem
überall, wo ich Unterricht ertheilte, dieſe Methode mit dem größten Erſolge angewendet wird, ſehe ich
auch hier mehrfachen Anmeldungen baldigſt entgegen, welche erbeten werden bei
Honorar mit Zeichnung 6 fl.
J. Gottlieb,
Kiesſtraße Nr. 2 Seitenbau.
M41).
Stadt Venediger Lire 30 Looſe.
Die nächſten 5 Ziehungen dieſer Anleihe finden im Jahre 1870 ſtatt, am:
21. Januar,
30. April, 30. Jnni, 30. September und 30. November.
Gewinne von Lire 100,000 - 50,000
2mal 25,000 - 2000 — 1500 — 1000 ꝛc. bis abwärts Lire 30 - müſſen
in obigen Ziehungen gewonnen werden. (Die Einlage kann nie verloren gehen,
da jedes Loos früher oder ſpäter mit mindeſtens Lire 30 zurückverlooſt werden muß.)
Pläne gratis und Looſe fl 11¾ empfehlen
Moriz Stiebel Söhne,
Bank= und Wechſel=Geſchäft in Frankfurt a. M.
ShrdiXin"
b MilLuidssieoſintaifn
644)
Fähdbi
3b.
M6=
RrvertnontrtereternchidnnzuaGa
Abichtiau
wſchhu
M.
Auf und nuter der Düue.
(ortſetzung.)
Im Allgemeinen, mein liebes Kind, verjetzte dieſer, zwuß ich Uwe
Bleiken beipflichten. Wir ſind durch traurige Erfahrungen klüger und
vor=
ſichtiger geworden; denn mehr als Einer unſerer Vorfahren fiel jenen
Un=
barmherzigen in die Hände. Fanden auch nicht Alle den Tod, ſo mußten
ſie doch lange Jahre hindurch in der Sclaverei ſchmachten, wenn ſie nicht
durch ein glückliches Ungefähr entflohen, oder durch Erlegung eines großen
Löſegeldes die Freiheit ihnen wiedergegeben werden konnte. Einzelne
frei=
lich machten auch ihr Glück im Mohrenlande, wenn ſie mit ſeltenen Gaben
ausgerüſtet waren, ihren Glauben abzuſchwören ſich entſchloſſen, oder ihn
doch beharrlich, wenn auch nur zum Schein, verleugeeten. Die
Gedenk=
bücher mancher Familie unſerer Inſel enthalten die merkwürdigſten
Schick=
ſale ſolcher Berſchlagenen, die unter den Muſelmannen in Tunis, Tripolis,
Algier und Marokko zu großen Ehren kamen und entweder für ihre ganze
Lebenszeit dort blieben, oder erſt ſpät, nachdem es ihnen gelungen war, ſich
von ihren eingegangenen Verpflichtungen frei zu machen, reich begütert
wie=
der in die urſprüngliche Heimath zurückkehrten. Gefährlich indeß bleibt es
immer, jene Gewüſſer zu befahren. Soll der Führer eines großen
Handels=
ſchiffes ganz ſicher vor Unglück ſein, das ihm von Seeräubern droht, ſo
muß die Flagge, die er führt, auch an dem Maſt eines Kriegsſchiffes
flattern, das auf den bedrohten Gewäſſern kreuzt.”
Rana wiederholte darauf, ſie würde nachdem ſie dies erfahren habe,
ihre ganze Veredtſamkeit aufbieten, um den Bruder andern Sinnes zu
machen, den jungen Bleiken aber bat ſie ſchweſterlich zutraulich, er möge
doch, ſollte er je wieder in die Nähe jener gefahrvollen Küſten kommen,
recht vorſichtig ſein, ſtets bewaffnet bleiben und überfiele dies abſcheuliche
Räubergeſindel das Fahrzeug, auf dem er ſich befinde, tapfer drein ſchlagen
und ſich nie und uimmer ergeben. Lieber wolle ſie ihn todt als gefangen
wiſſen
Die letzten Worte ſprach das blühende Mädchen mit ſolcher
Herzens=
wärme, daß Uwe tiefer in ihr leuchtendes himmelblaues Auge ſah.
„Ich verſpreche Deinem Rathe zu folgen, verſetzte er, „Du mußt
mir aber ein Gegenverſprechen leiſten.
„Gern, wenn ich kann."
„Daß, wenn ich fern von hier ſein werde, Du oft an diefen
Spazier=
gang und dieſes Geſpräch Dich erinnern willſt.”
Rana ſchlug erröthend die Augen nieder, indem ſie dem jungen Bleiken
die Hand reichte und mit leiſe zitternder Stimme verſetzte: „Ich glaube
beinahe, es würde mir ſchwerer werden, das Gegentheil zu halten.
Uwe war glücklich über dieſe Antwort und nahm Rana beim Abſchiede
noch ein zweites Verſprechen ab, nämlich die Erlaubniß, daß er ihr, ehe
er die Inſel wieder verlaſſe, perſönlich Lebewohl ſagen dürfe.
Dieſe lebhafte Unterhaltung ſeines Schützlings mit der lieblich
auf=
blühenden Roſe von Tinnum, wie man Rana allgemein nannte, war Booyſen
nicht entgangen, und er nahm ſich vor, das Begeguen der jungen Leute
auch fernerhin zu begünſtigen, weil er glaubte, eine ſich zeitig entwickelte
Neigung werde dem ſtark abenteuerluſtigen Bleiken einen wohlthätigen Zügel
anlegen. Rana ward deshalb in Boohſen's Haus eingeladen, wo dann Uwe ſeine
Bekanntſchaft erneuerte und in erwünſchter Weiſe engere Beziehungen anknüpfte.
Als anderthalb Monate ſpäter der junge Seemann wieder auf Reiſen ging,
hatte zuvor im Stillen eine Verlobung Statt gefunden. Zwar ward nichts
darüber veröffentlicht, aber es ſprach ſo ziemlich die halbe Inſel davon.
Die häufigen Zuſammenkünfte der jungen Leute und namentlich ihre
Spazier=
gänge am Meeresufer und ihr langes Verweilen auf den Diinen waren
Grund genug. um die Leute den wahren Sachverhalt errathen zu laſſen.
Der Abſchied von ſeiner Mutter ward Uwe diesmal ſchwerer als
beim Antritt ſeiner erſten Reiſe. Einen Grund dafür wußte er ſelbſt nicht
anzugeben. Er verſprach, im erſten Hafen, wo Boohſen anlegen würde, zu
ſchrei=
ben, und ſchied mit der Verſicherung, daß er ſpäteſtens nach Jahresfriſt
wiederzukommen gedenke. Dann wolle er das Steuermannsexamen machen,
Rana heimführen und eine Häuslichkeit ſich gründen und wenn es der
Mutter in dieſer Häuslichkeit gefalle, könne ſie ja von dem entlegenen,
immer einſamer und öder werdenden Rantum zu ihm nach dem lebhafteren
und wohnlicheren Tinnum ziehen. Die Mutter ſagte halb und halb zu,
und Uwe verließ mit bewegtem Gemüthe die Heimathinſel, wo diesmal zwei
Herzen für ſein Wohl zitternd und zagend zurückblieben.
4.
Ein Jahr und vier Monate waren ſchon vergangen und Capilän
Booyſen ließ noch immer auf ſeine Rückkehr warten. Ein einziges Mal
nur hatteu die Angehörigen der auf ſeinem Schiffe dienende Maunſchaft
Nachricht erhalten, und zwar aus Malaga. Dieſen Nachrichten zufolge
ging Alles nach Wunſch. Die Reiſe war glücklich geweſen, Alle befanden
ſich wohl. Als nächſten Beſtimmungsort des Schiffes bezeichnete Uwe in
ſeinen an die Mutter und Rana gerichteten Briefen die Inſeln Malta.
Später lief keine Nachricht mehr ein. Das Schiff ſchien gänzlich ver=
15
ſchwunden zu ſein. Uwe's Mutter, bei welcher die liebende Rana, häufig
verkehrte, zeigte eine merkwürdige Faſſung. Sie gedachte mit keiner Shlbe
des Sohnes, als nach Monate langem Harren noch immer jede Kunde
aus=
blieb. Erſt als die häufigen Fragen des geängſtigten Mädchens in Klagen
und lautes Jammern übergingen, ſchien Leben in die Schweigſame, in
ge=
wohnter Weiſe ſtets Thätige zu kommen.
„Mein liebes Kind u ſprach ſie, zwer einem Seemanne ſein Herz
ſchenkt, der muß ſich gleichzeitig auch einen zierlicheu kleinen Sarg machen
laſſen, in dem er es zu jeder Stunde ganz ſtill begraben kann. Hätteſt
Du mich um Rath gefragt, als Du mit Uwe in den Dünen herumliefſt
und dabei ſo warm wardſt, daß Du Dich in ihn verliebteſt, ich hätte Dir
abgerathen. Mir iſt es gerade ſo gegangen, wie es Dir allem Anſcheine
nach ebenfalls gehen wird. War je ein Mädchen vernarrt in ſeinen
Bräu=
tigam, ſo war ich es in meinen Lars. Trotzdem mußte er doch ertrinken.
Ich dachte Anfangs, ich wollte mich zu Tode weinen; der Menſch hält aber
mehr aus, als er gewöhnlich glaubt, und ſo vertrocknete nach und nach der
Quell meiner Thänen. Den Uwe wollte ich nicht wieder von mir laſſen,
weil ich die Tücken des falſchen Meeres kenne. Er ließ ſich aber nicht
halten. Nun wird der Vater ihn nachgeholt haben. Alſo mein liebes Kind,
folge meinem Beiſpiele, begrabe Dein Herz, werde ſtill, wie ich und hilf
mir ſpinnen, bis der Tod unſere Sterbekleider vollendet hat. Dann laſſen
wir uns zuſammen begraben hier auf dem alten Kirchhofe, wo in Zukunft
gewiß einmal die Meereswoge ſich bricht.”
Die hohe, lühle Frau ſagte dies Alles ſo ruhig mit einer ſo entſetzlichen
Reſignation, daß dem jungen Mädchen ein Grauen ankam. Rana wäre,
gern entflohen, hätte die Mutter ihres Geliebten gern für immer gemieden,
allein es fehlte ihr dazu Kraft und Selbſtſtändigkeit. Die ernſte
Seemanns=
wittwe mit den bleichen, unbeweglichen Zügen übte eine Gewalt aus über
das blühende Mädchen, welcher dieſes ſich nicht entreißen konnte. So kehrte
denn Rana immer und immer wieder zur Mutter ihres Verlobten zurück,
hörte ihren Erzählungen und eigenthümlichen Tröſtungen zu und ward
da=
durch wirklich gefaßter und ſtiller. Ihre Sehnſucht freilich ſchwärmte weit
hinaus über die Wogen, und wenn der Schlaf ihre müden Augen ſchloß,
weilte ihr Geiſt bei Uwe.
Unter hoffnungsloſem Harren nahte ſo der zweite Winter hemn. Viele
Schiffer kehren heim, dieſe aus dem nördlichen Eismeere, jene aus den oſt=
und weſtindiſchen Gewäſſern. Auch aus dem mittelländiſchen Meere, von
den Küſten Shriens, den Mündungen des Nil und aus den Hafenplätzen
der hauptſächlichſten Inſeln kamen mehrere Schiffe zurück, auf denen Sylter
dienten. Sichere Kunde von Capitän Booyſen und ſeinem Fahrzeuge brachte
Keiner mit' es ließ ſich aber annehmen, daß Schiff und Mannſchaft in
einem plötzlich losbrechenden Orkane, der furchtbare Waſſerhoſen bildete,
gänzlich zu Grunde gegangen ſeien. Schiffstrümmer waren bald nachher
m Menge an verſchiedenen Orten der Küſte angetrieben, und gerade der
zerbrochene, beſchädigte Zuſtand dieſer Trümmer beſtätigte die Vermuthung,
daß gewaltige Elementarkräfte bei der Zerſtörung dieſer Schiffe thätig
ge=
weſen ſein mußten.
„Ich wußte es,„ ſprach die Wittwe Bleilken, als man ihr dieſe
Nach=
richt überbrachte. Darauf legte ſie Trauerkleider an, beſorgte ſtill und ernſt
wie immer ihre häuslichen Geſchäfte, und gedachte des verſchwundenen
Sohnes mit keiner Shlbe mehr.
Deſto tiefer war der Schmerz Rana's, laut aber ließ ihn auch das
Mädchen nicht werden. Man ſah ſie jetzt häufiger als ſouſt die Dünen
beſuchen, wo ſie Uwe Bleiken kennen gelernt und bald nachher glückliche
Stunden mit ihm verlebt hatte. Von ſolchen Beſuchen kehrte ſie
gewöhn=
lich bei Uwe's Mutter ein die noch immer ſtill in ihrem Hauſe ſaß und
gleichgiltige Blicke auf die ſäuſelnden Sandwellen warf, die ſchon ſeit Wochen
den ganzen Garten überrieſelten.
„Es wird Zeit, daß Du auszieheſt," ſprach dann die beſorgte Rana,
als der dritte Herbſt mit ſeinen Stürmen hereinbrach. „Außer dem
Strand=
voigte lebte jetzt Niemand mehr in Rantum.”
„Das Haus und die Düne hält mich aus u verſetzte die ſtarrſinnige
Wittwe. „Sei nur ganz ruhig, ich kenne mich und weiß, daß ich nur
wenige Wochen noch zu leben habe. Er, der mich zuerſt verließ, und der
mir ſpäter auch den Sohn abverlangte, damit er nicht allein ſchlafen müſſe
auf kühlem Meeresgrund, iſt vor einigen Tagen geiſtig wieder bei uns
ge=
weſen. Ich habe lange mit ihm geſprochen und könnte Dir unſere ganze
Unterredung wiedererzählen, wußte ichl nicht, daß Du vor ſolchen Erzühlungen
Dich entſetzeſt. Darum will ich lieber ſchweigen. Nur ſoviel wiſſe; ehe
der Dünenſand mir die Hausſchwelle verſchüttet, bin ich bei meinen Lieben.”
War dies ein Vorausſehen des Zuküuftigen oder tändelte der
Wahn=
ſinn mit dem Geiſte der vielgeprüften Frau? Rana wagte weder das Eine,
noch das Andere zu behaupten, aber ſie machte dem Strandvoigte die
An=
zeige von dem ſeltſamen Weſen der Wittwe und empfahl ihm, ein
beobach=
tendes Auge auf die Einſame zu richten. Ihre eigenen Beſuche ſetzte Rana
ununterbrochen fort, ohne daß ſie eine auffallende Veränderung in dem
Weſen der Wittwe bemerken konnte.
16
R1
Da brachen Stürmen aus Weſten los und hinderten Rana an ihren
gewohnten Ausflügen. Die ganze Inſeln bebte unter dem Raſen der
Winds=
braut, die Luft war dick von Nebel und wer in der Nähe der Dünen
wohnte, der mußte beim Athmen vorſichtig ſein, um nicht zu viele feine
Sandtheilchen zu verſchlucken. Die Dünengipfel blieben unſichtbar, die
Aus=
läufer nach Süden in die Spitze von Hörnum bedeckte ein ſchwerer
gelb=
licher Tunſt, der einGemiſch aus Wolken und emporgewirbeltem Sand zu ſein ſchien.
Am dritten Tage legte ſich der Sturm. Rana wagte es, in
Beglei=
tung zweier Verwandten nach Rantum zu gehen, um zu erfahren, wie es
der Mutter ihres verſchollenen Verlobten in dieſen trüben, wüſten
Sturm=
tagen ergangen ſein möge. Sie erſchrak, als ſie ſchon in einger Entfernung
die Verwüſtungen des ſchrecklichen Unwetters gewahrte. Da, wo ſonſt der
heitere Careu mit ſeinen Blumen prangte, zeigte ſich jetzt ein beweglicher
Sandhi c. Die Fenſter des daran ſtoßenden Häuschens waren in den
beiden Sturmtagen weit über die Hälfte vom Sande zugeweht, auch die
Thürſchwelle war verſchüttet.
Rana's Herz pochte heftig, als ſie nicht ohne Mühe durch die noch
lockere, aber bereits mehr als jußtiefe Sandſchichte watete, um das Haus
und es bangte ihr, daß der Einſamen während des Sturmes ein Unglück
zugeſtoßen ſein möge.
Die Thüre des Hauſes war, wie gewöhnlich nicht verſchloſſen. Sie
wich dem Drucke der Hand leicht und geſtattete den Eintritt. Außer einigen
feinen Sandanhäujungen auf der Diele ſah es hier noch ſo blank und ſauber
wie immer aus. Nana öffnete die Stubenthüre. Da erblickte ſie die
Ge=
ſtalt der Wittwe in ihrem Seſſel am Fenſter. Mit auf die Bruſt
ge=
beugtem Haupte ſaß die Mutter Uwes da, als ob ſie ſchlafe. Der Tod
jedoch hatte ihre bleiche Lippen geküßt und ſie dem Anſcheine nach
ſchmerz=
los von aller Erdenqual erlöſt. Da ſie bereits ganz erkaltet war, mußte
ſie ſchon am vorigen Tage geſtorben ſein. Ihre Ahnung hatte die Seherin
nicht betrogen. Mit der Sandwelle, die ihre Hausthüre überflurhete, ſchwang
der Geiſt der Wittwe ſich auf zum Jenſeits=. So hielt ſie ſich und
Ande=
ren Wort. Sie lebte und ſtarb in dem Hauſe, in dem Zimmer, wo ſie
mit ihrem früh verſchiedenen Gatten den Bünd für Zeit und Ewigkeit
ge=
ſchloſſen hatte, das ſie als lebende nicht zu vrrlaſſen mehr als einmal
be=
theuerte. Nana beweinte die Todte, als ſei ihr eine Mutter geſtorben.
Ihre eigene Mutter hatte das junge Mädchen nicht gekannt. Sie beſtand
darauf, daß die Verſtorbene, ihrem Wunſche gemäß die letzte irdiſche
Ruhe=
ſtätte auf dem Kirchhofe des nunmehr gänzlich verlaſſenen Ortes finden
ſolle. Als ihre Verwandten Eimwendungen dagegen machten, fand ſic in
dem Srandvoigte einen Fürſprecher.
„ Die Mütter Uwe Peter Bleikeus wird da begraben, wohin ſie
ge=
hört ſprach der Voiet ſehr beſlimmt. „Sie ſoll die letzte Leiche ein, die
wir auf dem alten Kirchhofe ſeierlich beiſetzen wollen"
Nana's Verwandten widerſprachen nicht länger. Es ward ausgemacht,
daß die Beerdigung der Wittwe zwei Tage ſpäter erfolgen ſollte. Dieſer
Auſchub war nöthig, um der Todten die üblichen letzten Ehren zu erweiſen.
Allein im Nathe Göttes war es anders beſchloſſen.
Noch ehe Nana mit ihren Begleitern die der Verſtorbenen verließ,
fing es ſchon wieder an heftig zu wehen. Der Wind ſtand aber nicht jeſt,
ſondern lief häufig um, ſo daß er bald aus Süd und Südweſt, bald
wie=
der aus Südoſt, bisweilen ſogar voll aus Oſt blies. Dies ſchnelle
Um=
laufen deutete nicht auf einen feſten Stum aus einer beſtimmten
Himmels=
gegend, und darum glaubte jelbſt der erjahrene Strandvoigt nicht an die
Wiederkehr eines längere Zeit anhaltenden verwüſtenden Sturmwetters.
Wieder alles Erwarten jedoch bezann es ſchon gegen Abend feſt aus
Südweſt zu ſtürmen, und zwar viel ſtärter als in den letzten Tagen.
Während der Nacht artete der Sturm in einen förmlichen Orkan aus, der
Eintritt des Vollmnondes verurſachte eine ungewöhnlich hohe Springfluth,
die bedeutende Strecken fruchtbaren Landes auf der Inſel unter Waſſer
ſetzte und großen Schaden aurichtete. Die Dünenkette war abermals im
Nebelgrauen des Wetters kaum zu erkennen. Deſto furchtbarer erklang das
Donnern der Brandungswogen, beſonders des Nachts, die mit
unbeſchreib=
licher Gewalt gegen die Dünen ſchlugen, tiefe Thäler in die Sandhügel
riſſen, viele Gipfel derſelben unterwuſchen und zum Einſturz brachten;
andere wieder löſte der Sturm in Atome auf, entführte dieſe durch die Aft
und ſetzte ſie weiter unten auf der Ebene, welche der Sturm nicht berührte,
in dichten Hügeln und breiten Sandfeldern wieder ab.
(Fortſ. folgt.)
Darmſtädter hiſtoriſche Kleinigkeiten.
Mitgetheilt von n.
84. Darmſtadk's Kriegsbedräuguiſſe im Lauje der Jahrhunderte.
(Fortſetzung.)
Es währte nicht lange, ſo jah man den Oberſt Michel Obertraut?)
mit geordneten Fähnlein hinter den Gärten und dem fürſtlichen Holzhofe,
der vor der Stadt nach Griesheim zu gelegen war, erſcheinen. Schrecken
bemächtigte ſich aller Einwohner, als ſie den weit und breit gefürchteten
Kriegsmann erblickten, und noch mehr, als die Kriegsvölker von Stunde
zu Stunde ſich mehrten und als man ſah, wie alle Anſtalten getroffen
wurden, Darmſtadt ringsum einzuſchließen. Wiederholt kamen einzeln
Trupps bis an die Thore der Stadt und verlangten Brod. um ihren
Hunger zu ſtillen, wiederholt ſandte man Wagen mit dem nöthigen
Mund=
vorrath hinaus. Angſtvoll ſahen die Bewohner Darmſtadt's den
kommen=
den Dingen entgegen, während die nahe liegenden Orte, von den wilden
Horden Mansfeld's angefüllt, bereits zügelloſer Willkür preisgegeben waren.
Denn Kurfürſt Friedrich war in der verfloſſenen Nacht um 11 Uhr
heim=
lich von Mannheim aufgebrochen, mit dem 16,000 Mann ſtarken Heere
durch den Lorſcher Wald gezogen und brandſchatzend und raubend in die
Heſſiſchen und Mainziſchen Orte der Bergſtraße gefallen; und der General
Mausfeld hatte jeinen Soldaten, ehe ſie den Marſch antraten, erklärt, er
wolle ſie jetzt auf eine gute Weide führen, auf der alles, was ſie auf ihr
fänden, ihnen gehöre; Mühlſteine nur und glühendes Eiſen brauchten ſie
liegen zu laſſen und Seugen und Brennen müßten ſie vermeiden. Und
der Wittwe zu erreichen. Sie erinnerte ſich ihrer letzten wunderlichen Worte, die wilden Soldaten thaten auch alles, was ihnen ihr General eelaubt hatte.
Die beiden Heſſiſchen Geſandten fanden auf ihrem Nitte bereits Beſſungen
gänzlich geplündert, alle Straßen mit Soldaten bedeckt, und ſic erkamnteu
leicht aus den ausweichenden Antworten, die ihr Begleiter Pöblis ihnen auf
ihre Fragen ertheilte, daß der Kurfürſt Feindſeligkeiten gegen ihren Herrn
im Sinne habe. Vor Eberſiadt ſtießen ſie auf die Oberſten
Waltmanns=
hauſen und Goldſtein und kehrten mit dieſen auf deren Anfforderung wieder
eine Strecke zurück nach einem zwiſchen Eberſtadt und Beſjungen gelegenen
Platze, den der Kurfürſt zum Zuſammenkunftsorte mit ſeinen Hauptleuten
beſtimint hatte. Bald erſchien auch daſelbſt Kurfürſt Friedrich mit ſeinem
Gefolge und Pöblis erſtattete ihm Bericht über ſeine Sendung an den
Landgrafen. Die Geſandten des Landgrafen aber, als dieſe ehrerbietigſt
ſich nahten und um Bezeichnung der Quartiere baten, welche der Kurfürſt
mit Proviant verſehen haben wolle, ließ der Kurfürſt ganz unbeachtet; ohne
ihnen eine Antwort zu ertheilen, beſtieg er wieder ſein Pferd und ſchlug
an der Spitze ſeines zahlreichen Gefolges den Weg nach Beſſungen ein
Vergebens erinnerten die Heſſiſchen Geſandten, dieſer Weg ſei nicht die
Geleitsſtraße, die nach den Verträgen bei Durchzügen eingehalten werden
müſſe, vergebens erinnerten ſie, der eingeſchlagene Weg führe gerade zur
fürſtlichen Reſidenz, die doch wohl nicht zum Quartier auserjehen ſein
könne. Der Kurfürſt wirdigte ſie keiner Antwort — Man kam vor
Darmſtadt an, wo die Grafen Ernſt und Philipp von Mansfeld den
Kur=
fürſten empfingen. Nach kürzem Geſpräche mit ſeinen Feldherren erklarte
jetzt Friedrich ſeinen Entſchluß, in Darmſtadt ſelbſt ſein Hauptquartier
aufſchlagen zu wollen, weil er es für zweckmäßig erachte, mündlich mit dem
Landgrafen die Angelegenheiten zu bereden. Den Entſchluß des Kurfürſten
und jeine Erklärung, er komme als Freund und nicht als Feind, zu
ver=
klnden, begehrte Pöblis Einlaß am Thore der -tadt. Man öfncte es in
banger Erwartung, ob Schlimmes oder Gutes ſeiner Sendung folgen
werde. Der Landgraf genehmigte, was er in ſeiner Lage nicht verweigern
konnte. Er hieß den Kurfürſten mit den Generalen willkommen in ſeiner
Reſidenz, bat aber; da die Stadt nicht groß und ſchon durch ſeine eigene
Leibgarde beſetzt ſei, die kurfürſtliche und Mansfeldiſche Leibgarde außerhalb
laſſen zu wollen. Aber man beachtete den Wunſch des Landgrafen nicht;
Friedrich zog in Darmſtadt ein an der Spitze ſeiner ſehr zahlreichen
Be=
gleitung und gefolgt von ſeiner und des Mansfelders ſtarker Leibwache.
Der Kurfürſt mit den beiden Herzogen von Weimar nahm ſeine Wohnung
im Schloſſe, der Mausfelder im Rathhauſe, die übrigen Generale in den
größeren Häuſern der Stadt. Alsbald verdrängte die kurfürſtliche
Leib=
garde, nachdem ſie auf dem Markte aufgeſtellt und gemuſtert worden war,
die landgräfliche Garde von allen Poſten des Schloſſes und der Stadtthore;
alle Gewehre der Darmſtädtiſchen Beſatzung mußten dem Oberſt Goldſtein
abgeliefert werden, um nie wieder in deren Hände zu gelangen. Der
be=
dräugte Landgraf erkannte unn deutlich die böſen Abſichten ſeiner Gäſte,
beſonders als dieſe ant nächſten Morgen nicht, wie er gehofft, Darmſtadt
verließen, ſondern alle Anſtalten zu einem längeren Aufenthalte trafen.
Indeſſen verfloſſen mehrere Tage, ohne daß man ſich weitere Feindſeligkeiten
irgend einer Art gegen den Landgrafen erlaubte. Täglich ſpeiſten die
Für=
ſten mit ihren Generalen im Schloſſe; nur der Mansfelder, vom Zipperlein
befallen, blieb im Rathhauſe, ſo dringend auch der Landgraf ſeine
Ein=
ladungen wiederholte. Man unterhielt ſich fleißig mit Ballſipiel auf dem in
der Vorſtadt gelegenen Vallplatz, und nur gelegentliche Aeußerungen einzelner
Pfülziſcher Oberſten über die Ungerechtigkeit der kaiſerlichen, von Ludwig
unterſtützten Forderungen erinnerten an die Verſchiedenheit der Geſinnungen
ges Wirthes und ſeiner Gäſte.
5) Der gekürchtete „deutſche Michel”
Fortſezung folgt.)
Mekalton und Belg 3 6. btinlio ſer Dlbulduaſur=