Darmstädter Tagblatt 1867


02. Juli 1867

[  ][ ]

Beilag=

zum

Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.

Dienſtag den 2. Juli

1867.

M. 26.

Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilage hierzu. ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſtags, die Beilage
Dienſtags und Letteres Vonnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren. In Darmſtadt bei
der Expedition, Rheinſtraße Nr. 23 neu.

Edictalcitationen.
2818) Oeffentliche Aufforderung.
Anſprüche an das Vermögen des Bäckermeiſters
Johannes Stork dahier, über welches der for=
melle
Concurs erkannt iſt, ſind
Mittwoch den 18. Juli d. J.
Vormittags 9 Uhr
bei Vermeidung ſtillſchweigend eintretenden Aus=
ſchluſſes
von der Concursmaſſe, anzuzeigen und
zu begründen.
Alle nicht perſönlich erſcheinenden oder durch
gehörig legitimirte Bevollmächtigte vertretenen
Gläubiger werden den Beſchlüſſen der Mehrheit
der Erſchienenen für beigetreten erachtet.
Darmſtadt, den 26. April. 1867.
Großherzogliches Stadtgericht Darmſtadt.
Weis.


Verſteigerungen.
Vergebung von Bauarbeiten.
Montag den 8. Juli d. J. Vormittags 10 Uhr
ſollen in dem Geſchäftslokal des Kriegs=Rechnungs=
Amts die bei Erbauung eines Munitions=Magazins
auf dem Pionnier=Uebungsplatze unweit des Labo=
fl
. kr.
ratoriums vorkommenden Arbeiten, als:

Maurerarbeit, veranſchlagt zu
Steinhauerarbeit,
Zimmerarbeit,


Dachdeckerarbeit,


Schreinerarbeit,


Schloſſerarbeit,
Glaſerarbeit,


Weißbinderarbeit,

Spenglerarbeit,


Drahtſtrickereiarbeit

Pfläſtererarbeit,

365 37
82 35
2101 46
170 41
166
455 56
13 20
111 36
16 58
81
61 15

auf dem Soumiſſonswege an die Wenigſtfordern=
den
in Accord gegeben werden.
Voranſchlag und Bedingungen liegen vom
1. Juli d. J. an Nachmittags von 2 bis 5 Uhr
in oben genanntem Lokale zur Einſicht offen.
Darmſtadt, den 28. Juni 1867.
Großherzogliches Kriegs=Rechnungs Amt.
3956) Schneider, Kriegskaſſe=Buchhalter.

4039)
Darmſtädter;
Actien=Geſellſchaft für Gasbeleuchtung.
Die Lieferung des zur Reinigung des Gaſes
erforderlichen Kalks, circa 6000 Bütten, ſoll im
Wege der Submiſſion für das am 1. October d. J.
beginnende Betriebsjahr vergeben werden.
Hierauf Reflectirende können die Vertrags=
bedingungen
in unſerem Büreau einſehen und
haben ihre Anerbietungen ſchriftlich bis zum
9. Juli d. J. Vormittags 12 Uhr
einzureichen.
Darmſtadt, den 1. Juli 1867.
In Auftrag des Verwaltungsrathes:
Dr. Bracht.

3351)

Verſteigerungs=Anzeige.

Donnerſtag den u. k. Mts. Vormittags 9 Uhr
werden im Hauſe des Herrn Materialiſt Lange (Rheinſtraße) nachverzeichnete Gegenſtände,
als: eine vollſtändige Ladeneinrichtung mit Wagen und Gewichten, ferner Fäſſer, Keller=
lager
, 1 große Waſchbütte, gegen gleich baare Zahlung öffentlich verſteigt.
M. Neuſtadt, Hof=Taxator.

Feilgebotenes.

zur leichten Be=
3
E Poudre Févre reitung von
Selterwaſſer das Packet zu 20 Flaſchen 54 kr.,
einzeln 3 kr. empfiehlt
Ernſt=Ludwigsſtraße. Hermann Göt.
3439)
Kurzplaren
jeder Art, wobei insheſondere auf die bedeu=
tend
ermäßigten Preiſe meiner gebleichten
und ungebleichten Strickgarne aufmerk=
ſam
mache, empfehle beſtens.
Goorg Fhilipp Hochler.
3972) Fruchtbrannwein zum Anſetzen, ſowie
Nordhäuſer Kornbranntwein empfiehlt
Paul Störger Sohn, Kirchſtraße 25.
3978) Ein Pudel zu verkaufen. Soder=
ſtraße
Nr. 19.
Eine ſehr gute Hypothek von

Cgooofl. 5pSt. wird zu eediren
S
geſucht. Näheres Eliſabethenſtraße 1 neu parterre.
693) Ein in dem ſchönſten mittleren Theile
der Neuſtadt gelegenes Haus iſt billig zu ver=
kaufen
. Nähere Auskunft ertheilt J. Gerſt.
3435)

Grinolines
neueſter Façon, von patentirtem , ndia Steel-
gefertigt
, empfehle in großer Auswahl zu billigſt
geſtellten Preiſen.

Georg Philipp Hæhler.

Nr. 47 in der unteren Rheinſtraße
iſt frei au's Haus geliefert gegen baare
Zahlung zu haben:
Tannenſcheitholz I. Cl. pro Stecken fl. 7. 30.
Daſſelbe
II. Cl. pro Stecken fl. 7.
10 Stück Tannen=Wellen 40 kr.
E Die Scheitholzſorten werden. auch klein
gemacht in 1 und ½ Stecken abgegeben. 4041
4042) Gardiſtengaſſe Nr. 5 iſt ein Ginleg=
ſchwein
zu verkaufen.

3979) Loſen Portorico per Pfd. 24 kr.
Geſchnittene Varinasblätter per Pfd. 32 u. 40 kr.
Abgelagerte Ambalema=Cigarren 5 Stück für 6 kr.
Paul Störger Sohn, Kirchſtraße 25.


Vermiethungen.
1825) Mehrere möblirte Zimmer ganz oder
getheilt zu vermiethen im Hauſe des Hrn. Faiz,
Eck der Rheinſtraße Nr. I.
2622) 2 möblirte Zimmer zu vermiethen
Kirchſtraße Nr. 5 neu. Conrad Naumann.
2884) Grafenſtraße Nro. 27 im mittleren
Stock ſind 2 freundl. ſchöne Zimmer zu vermiethen.
2987) Beſſunger Carlsſtraße Nr. 5 parterre
ſt ein freundliches vollſtändig möblirtes Zimmer
zu vermiethen und gleich zu beziehen.
3444) Ein möblirtes Zimmer per Monat
4 fl. 30 kr. Caſerneſtraße Nr. 64.
3155) Eliſabethenſtraße 1 neu
iſt die bel Etage, aus 7 Zimmern beſtehend,
mit allen dazu gehörigen Bequemlichkeiten, in
4 Jahr beziehbar, zu vermiethen.
Näheres parterre.
3752) Der mittlere Stock mit 4 Zimmern,
Küche und ſonſtigen Bequemlichkeiten iſt zu ver=
miethen
. Große Schwanengaſſe Nr. 41.
3753) In dem neu erbauten Hauſe neben
Herrn Beigeordneten Klein iſt ein Logis mit
3 Zimmern, Kabinet und Küche zu vermiethen.
Zu erfragen große Schwanengaſſe Nr. 41.
3780) Zwei ſchön möblirte Zimmer zu=
ſammen
oder einzeln zu vermiethen, im mittleren
Gtock, Caſinoſtraße Nr. 20.
3864) Alekanderſtraße 13 ſind 2 ineinander=
gehende
Zimmer mit oder ohne Möbel zu ver=
miethen
und ſogleich zu beziehen.
3913) In der Nieder=Ramſtädter Straße
Nr. 18 iſt eine Dachſtube zu vermiethen.
3934) Ein möblirtes Zimmer Wieſenſtraße
Nr. 9 zwei Stiegen hoch.
4043) Ein kl. hübſch. möbl. Zimmer billig,
Mühlſtraße 6 am Jägerthor, gleich beziehbar.
4944) Ein Zimmer ohne Möbel zu ver=
miethen
. Alexanderſtraße 17.
4045) Ein ſchönes, neu decorirtes Lo=
gis
, beſtehend aus 4-6 Zimmern nebſt allen
Bequemlichkeiten, iſt zu vermiethen und baldigſt
zu beziehen. Kräuichſteinerſtraße Nr. 51.
27

[ ][  ][ ]

102

4046) Stallung für 3 Pferde zu ver=
miethen
. Frankfurter Straße Nr. 3 neben dem
Salz=Magazin.

Vermiſchte Nachrichten.

2.

Weſtellungen für den Leichen.
wagen der Hofbrüder=
ſchaft
ſind künftig bei dem Kirchendiener
Momberger in der Brandgaſſe zu
Der Vorſtand.
machen.

oreiligls ſoselschall.

Mittwoch den 3. Juli Nachmittags
großes Concert der Muſik
des Großh. Artillerie=Corps.
Anfang präcis 4 Uhr.
4025)
Der Ausſchuß
der Vereinigten Geſellſchafl. P
M44NNIN NNN N NNNNnn nAnnAch
3456) Offene Lehrſtellen bei
H. Emmel, Schloſſermeiſter.

3942) Ein kräftiger Junge findet Beſchäfti=
gung
bei G. Kühnſt, Promenadeſtraße 46.

3943) Tüchtige Weißbinder finden dau=
ernde
Beſchäftigung bei. Friedrich Voigt.


Mechaniker=Geſuch.
Auf Nähmaſchinen geübte, tüchtige Me=
chaniker
werden zum ſofortigen Eintritt geſucht.
Dauernde Beſchäftigung wird bei hohen Accord=
preiſen
zugeſichert.
Maid & Heu,
Nühmalchinenfabrik, Carlsruhe.
3947)

3888) Einen Lehrling ſucht
H. Klinger, Schloſſermeiſter.

8 Casine geübte Einlegerin wird
2 Wgegen guten Lohn geſucht. Näheres
in der L. C. Wittich'ſchen Hofbuchdruckerei.

Dreschfeld & Wallerstein,
Schuhfabrikanten in Offenbach a. M.,
ſuchen mehrere geübte MaſchinenStepperinnen.
Offerten direct und Eintritt baldigſt. (4049

4050) Ein Kindermädchen,
welches gut nähen und bügeln kann, wird ge=
ſucht
. Eintritt ſofort. Anmeldungen Riedeſel=
ſtraße
42 erſter Stock.

4051) Ein Mädchen, das im Weißzeugnähen,
Bügeln und Ausbeſſern erfahren iſt, wünſcht in
und außer dem Hauſe Beſchäftigung. Zu er=
fahren
große Bachgaſſe 37 neu.

4052) Verloren! Eine goldene Broſche
auf dem Wege von der Faſanerie Sonntag den
23. Juni. Abzugeben gegen Belohnung Die=
burgerſtraße
8 eine Treppe hoch.

N. 26.

4047)

Handwerkerſchule in Darmſtadt.
Montag den 15. Juli l. J. beginnt ein neuer Curſus für den Abendunterricht in der
Handwerkerſchule. Der Unterricht findet an drei Wochenabenden von 8 -½10 Uhr in folgenden
Fächern ſtatt: Rechnen, Geometrie, Sthlübungen, gewerbliche Buchführung, Naturlehre, Materialien=
kunde
, Technologie und Anfertigung von Voranſchlägen. Anmeldungen für dieſen Unterricht und
den damit verbundenen Zeichnenunterricht an den Sonntagen werden auf dem Büreau des Landes=
gewerbvereins
, Rheinſtraße Nr. 14, entgegen genommen. Alle diejenigen Schüler, welche ſich zum
Beſuch der Anſtalt bereits gemeldet haben, aber wegen vorgerücktem Schuljahr noch nicht zum
Abendunterricht zugelaſſen werden konnten, werden erſucht, ſich Montag den 15. Juli Abends 8 Uhr
im Schullokal einzufinden.

Wir erlauben uns hiermit dem verehrlichen Kaufmannsſtand die Mittheilung zu machen, daß wir
die General-Agentur de Mutua Confidentia
dem Herrn Galk GL. Godx, Bleidenſtraße Nr. 17 in Frankfurt a. M.
übertragen haben, woſelbſt Anmeldungen entgegengenommen und überhaupt ſämmt=
liche
Reglements und Informationen bereitwilligſt abgegeben werden.
Die
kaufmänniſchen Intereſſen erheiſchen eine möglichſt zahlreiche Betheiligung, und hoffen wir, daß
unſer Inſtitut ſich eines Erfolges zu erfreuen haben wird, der einer ſo nützlichen Sache würdig iſt.
Wirkſamkeit der Mutna Conſidentia in Deutſchland
vom 1. Mai bis 1. Juni 1867.

Eingeſandte Benachrichtigungen zu einem Geſammtbetrage von
Thlr. 23,094. 11. 11 Pf.
Hiervou iſt durch die Schulduer auf unſere Auſchreibungen bezahlt ein
Geſammtbetrag von
Thlr. 7,648. 5. 11 Pf.
noch in Behandlung



9566. 5. 4

in die Mittheilungen aufgenommen 5.880.- 8.

23094. I1. 11. Pf.

In Holland vom 1. Januar bis 1. Juni 1867:
Eingeſandte Benachrichtigungen zu einem Geſammtbetrage von
Hiervon iſt durch die Schuldner auf uuſere Auſchreibungen bezahlt ein Ge=
ſammtbetrag
von
fl. 60,452. 27es.
noch in Behandlung
28,741. 93
in die Miltheilungen aufgenommen
99871. My.

fl. 189064. 37 es.

189064. 37

Cöln, im Juni 1867.
Die Direction der Mutua Conſidentio:

4021)

WVs
Muller & Co.

kräftig und friſch, der Schoppen zu
Aecht bauriſch Dier s aener wird täglich verabreicht
im Garten und Gartensaale dos Darmstädter Holos.

4053) Auf die täglich in 1500 Exemplaren in Darmſtadt erſcheinende

HatmzOitumg,
Organ der deutſchen Fortſchrittspartei in Heſſen;
kann für das II. Quartal mit 45 Mreuxor in der Expedition, Rheinſtraße 47. ubonnirt werden.

Fahrtenpläne des Commerdienſtes 1867
der Main=Rhein=Bahn, Main=Neckar=Bahn, Main=Weſerbahn, Maximiliansbahn,
Offenbacher=Bahn, - Frankfurt=Homburger=Bahn, - Hanauer=Aſchaffenburger Bahn,
Taunus=Bahn, - Bad. Bahn, Herz. Naſſauiſche Staatsbahn, Württemberg. Staatsbahn,
Heſſiſchen u. Pfälziſchen Ludwigsbahn, Rhein=Nahe=Bahn, - der Paris=Straßburger=
Bahn, Badiſchen Odenwald=Bahn, Linksmainiſchen Bahn, Gießen=Deutzer=
Bahn, - in Briefformat, zu 6 kr. das Stück ſind in der G. Jonghaus'ſchen Hofbuch=
handlung
, ſowie auf unſerem Comptoir zu haben.
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.

Kirchliche Nachricht. Nächſten Sonntag wird das heil. Abendmahl in der Stadt=
kirche
und Tags zuvor Nachmittags 2 Uhr die Vorbereitung dazu gehalten werden.

Coſſe Streiche.
Erzählung von F.


(Fortſetzung.)
Herr Advokat! entgegnete er mit ſchlecht verhehlter Aufregung,
laſſen Sie uns dieſes unangenehme Geſpräch abbrechen. Wir ſind hier
zuſammen gekommen, um uns gemüthlich zu unterhalten, und wenn ich
auch durchaus nicht abergläubiſch bin, ſo meine ich doch, man ſolle ſolche
Fälle gar nicht erwähnen, abgeſehen davon, baß ich dieſen Fall für unaus=
führbar
, ja für unmöglich halte!
Unmöglich, Herr Löblich zu rief Klein, der mit der Angſt des Rentiers

nicht das geringſte Mitleid fühlte, lachend. Ich will Ihnen die Möglich=
keit
auseinanderſetzen. Sie ſind ſehr vollblütig, folglich haben Sie einen
ſehr feſten Schlaf, und ein nur irgend gewandter Spitzbube drückt in
Ihrem Schlafzimmer eine Scheibe ein, öffnet das Fenſter und ſteigt hinein,
ohne daß Sie das Geringſte davon hören. Das iſt ſchon der erſte Schritt.
Sodann bin ich der feſten Ueberzeugung, daß obſchon Sie in manchen
Angelegenheiten einen ſehr harten Kopf beſitzen, derſelbe doch mit einem
geeigneten Inſtrument leicht einzuſchlagen ſein dürfte, und endlich -
Ich bitte Sie noch einmal, das unerquickliche Geſpräch fallen zu
laſſen unterbrach ihn Löblich heftig. Ich weiß nicht, wohin unſere
Unterhaltung gerathen würde, wenn wir jeden möglichen Fall in der Weiſe
auseinanderſetzen wollten.

[ ][  ][ ]

M. 26.

Sie haben Rechtü, ſprach der Polizeidirector, ſich ſeiner annehmend
Es iſt hinreichend, daß ich des tollen Streiches wegen eine ſchlafloſe,
unruhige Nacht gehabt, und daß Sie ſich ohne Grund geängſtigt haben.
Sehen Sie, ich bin offen und geſtehe ein, daß ich mich Anfangs ſehr
darüber geärgert habe, jetzt lache ich ſelbſt darüber. Machen Sie es
ebenſo, Herr Löblich, und der Advokat wird aufhören, Sie zu necken.
Sie gaben uns geſtern Abend die Verſicherung, daß der Spitzbube
wohl verwahrt ſein erwiderte der Rentier, und nun iſt es doch dem
Neffen des Kommandanten mit leichter Mühe gelungen, ſich aus dem
Gefängniß zu befreien. Ich traue der Sicherheit Ihrer Gefängniſſe
nicht mehr.
Er hat zur Liſt ſeine Zuflucht genommen, bemerkte Braſſe. Da=
gegen
Vorkehrungsmaßregeln zu treffen, iſt ſchwer, ja unmöglich!
Der Kommandaut trat in dieſem Augenblick mit Heinrich in das
Zimmer. Aller Augen richteten ſich auf ihn.
Hier, meine Herren, iſt der vermeintliche Spitzbuben, rief Pletzer,
ſeinen Neffen vorſtellend. Ich habe all' ſeine Taſchen durchſucht, allein
die bewußten dreißig Tauſend Thaler nicht gefunden.
Der Polizeidirektor war aufgeſtanden und trat auf Heinrich zu.
Sie haben ſich in luſtiger Weiſe in der Stadt eingeführt;, ſprach
er lächelnd, da er ein viel zu kluger Mann war, um ſeinen Aerger zu
zeigen. Ihr Streich amüſirt mich, obſchon ich mich im Anfang darüber
geärgert haben.
Es lag nicht von Anfang an in meiner Abſicht, Ihnen eine ſchlafloſe
Nacht zu bereiten, erwiderte Heinrich. Wäre nicht das mir angewieſene
Nachtquartier gar ſo ungemüthlich geweſen, ſo würde ich ruhig bis heute

Morgen ausgeharrt haben.
Nun, für die Unruhe müſſen Sie mir ſpäter Genugthuung bei einer
Flaſche Wein gebenö, rief Braſſe, ihm die Hand zum Gruß entgegen=
ſtreckend
, denn ich habe von Ihrem Onkel bereits erfahren, daß ſie einige

Zeit hierbleiben werden."
In freundlichſter, zuvorkommendſter Weiſe wurde Heinrich von ſämmt=
lichen
Stammgäſten begrüßt - nur der Rentier ſah ihn fortwährend noch
mit mißtrauiſchen Blicken an.
Sie haben wirklich mit dem flüchtigen Spitzbuben, nach deſſen Pho=
tographie
, eine außerordentliche Aehnlichkeit, fuhr der Polizeidirector, zu
Heinrich gewendet, fort. Ich kann meinem Gendarmen keinen Vorwurf
machen, daß er Sie verhaftet hat. Vergleichen Sie ſelbſt.
Er reichte Heinrich die Photographie dar. Ueberraſcht, erſtaunt blickte
dieſer dieſelbe einen Augenblick an, dann lachte er laut auf.
Der Spaß wird immer beſſerlu rief er.
Was - was haſt Duzu fragte Pletzer.
Dies iſt meine Photographielu erwiderte Heinrich, der noch immer
vor Lachen kaum ein Wort hervorzubringen vermochte. Zu dieſem Bilde
habe ich ſelbſt erſt vor wenigen Tagen geſeſſen!
Wie iſt das möglich zu fragte der Polizeidirector.
Alſo hat mich meine Befürchtung doch nicht getäuſcht1u rief Löblich
gleichzeitig.
Welche Befürchtung, Herr Neutiersü warf der Kommandant ein.
Löblich ſchwieg. Die Worte hatten ſich unwillkürlich über ſeine
Lippen gedrängt.
Welche Befürchtung 2u wiederholte Pletzer. Sie halten meinen
Neffen wirklich für den Spitzbuben? Vortrefflich! Sie haben einen
wunderbaren Scharfblick, Herr Löblich! Nehmen Sie meinen Neffen feſt,
Herr Polizeidirector, verhaften Sie ihn! Er hat ja ſelbſt geſtanden, daß
er zu dem Bilde geſeſſen hat, und der Rentier täuſcht ſich niel - Es iſt
eine Verwegenheit meines Neffen, ſich in dieſe Geſellſchaft zu wagen, die
beſtraft werden mußl Verhaften Sie ihn und halten Sie ihn beſſer feſt,
damit er nicht wieder entwiſcht! Thun Sie es, um zum wenigſten den
Rentier zu beruhigen!
Er lachte ſo laut, daß er die Thränen aus den Augen trocknen mußte.
Ich habe nichts beſtimmt behauptet, erwiderie Löblich verlegen.
Still, ſtill, Rentier, ich habe hier ZeugenIu rief der Kemmandant.
nIch begreife die Sache ſelbſt nicht; warf der Polizeidirector ein.
Ich auch nicht fuhr Pletzer lachend fort. Ein Teufelsſpuk!
Aber das Eine müſſen Sie doch begreifen, daß mein Reffe kein Spitzbube
iſt. Sie ſind auch ſchwankend, geſtehen Sie es nur ein!"
Dies ſcheint wirklich Ihr Bild zu ſein; wandte ſich Braſſe an
Heinrich, indem er wiederholt den Blick vergleichend und prüfend auf
die Photographie warf, welche er wieder zur Hand genommen hatte.
Es iſt mein Bildi, verſicherte Heinrich. Hier, vergleichen Sie
ſelbſt.
Er nahm einige Photographien aus ſeiner Taſche und reichte ſie dem
Polizeidirector.
Wahrhaftig, daſſelbe Bild u rief dieſer. 3ch faſſe es nicht: Hier
muß ein Irrthum vorliegen!
Eine Verwechslung des Bildes=, erwidertez Heinrich lächelnd.

193

Dieſes Bild, welches Sie in der Hand halten, habe ich vor wenigen
Tagen einem Freunde von mir überſandt, dem Polizei=Aktuar Wöller in

der Reſidenz.
Wöller? unterbrach ihn Braſſe. Er hat das Schreiben an mich
gerichtet. Das Signalement - das Bild geſchickt!
Da hat er den Spitzbuben in ſein Album geſteckt, koſtbarlu fiel
der Kommandant laut lachend ein.
Ich halte das für einen ſehr gewagten Scherzl bemerkte der
Rentier.
Ein Verſehen, berichtigte Heinrich. Es kann nur ein Irrthum


ſein!
Und der wirkliche Spitzbube wird dadurch Zeit gefunden haben, zu
entkommen rief Braſſe. Das iſt ein unverzeihliches Verſehen! Ich
werde es zur Anzeige bringen! Es iſt nicht meine Schuld, wenn der
Verbrecher dadurch entſchlüpft!
Laſſen Sie ihn laufenlu rief der Kommandant. Die Götter ſelbſt
haben ſich ſeiner angenommen!
Der Rentier proteſtirte auf das Entſchiedenſte gegen ſolche Auffaſſung.

Er bezeichnete ſie ſogar als ſtaatsgefährlich.

Pletzer lachte.
Aus Ihnen ſpricht nur die Furchtlü rief Klein, zu Löblich gewandt.
Die für den Staat gefährlichſten Leute ſind die Rentiers. Sie nützen
ihm in keiner Weiſe, ſondern ſchaden ihm dadurch, daß ſie ungeheuer viel
Geld anſammeln und es nicht wieder in Umlauf ſetzen. Das Geld iſt das
eigentliche Blut des Staates und die Rentiers bringen das Blut in's
Stocken; deshalb würde ich einen Spitzbuben, der einen Rentier beraubt
und deſſen Geld wieder in Umlauf ſetzt, nur einen geſchickten Operateur
oder Arzt nennen. Er leiſtet dem Staate in Wirklichkeit weit mehr
Nutzen, als"


Meine Herren 1u rief Löblich, erhitzt aufſpringend, ſolche Grund=
ſätze
geſtatten nicht, daß ich länger in Ihrer Mitte weile! Wo das Ver=
brechen
als Tugend geprieſen wird, dorthin gehöre ich nicht
Er griff nach ſeinem Hut, um das Zimmer zu verlaſſen. Die ihm
Zunächſtſitzenden ſuchten ihn zurückzuhalten, da ſie den Scherz des Advo=
katen
keinen Augenblick lang falſch verſtanden hatten. Er eilte fort.
Klein lachte hinter ihm drein.
Seien Sie unbeſorgt, meine Herren, ſprach er, der Rentier
kommt morgen wieder. Unſere Geſellſchaft würde er verſchmerzen, allein
das gute Bier hier im Kronprinzen kann er nicht entbehren, folglich
muß er wiederkommen, denn eine ſolche Entbehrung kann er ſich nicht
auferlegen."
Bis ſpät am Abend blieb die Geſellſchaft in luſtigſter Weiſe zu=
ſammen
. Hatte Heinrich auch von vornherein gegen die Kleinſtädter
ein entſchiedenes Vorurtheil gehabt, ſo amüſirte er ſich dennoch ſehr gut.
Siehſt Du', ſprach der Kommandant zu ihm, als ſie Arm in Arm
der Citadelle zuſchritten, in dieſem Kreiſe bin ich jeden Abend, und ſo
lange Du hier biſt, mußt Du mich ſtets begleiten. Er könnte beſſer ſein,
das will ich zugeſtehen, allein man gewöhnt ſich bald daran, und ich lache
in ihm mehr als in irgend einem Kreiſe der Reſidenz. Der Advokat und
der Rentier liegen ſich ſtets in den Haaren, erzürnen ſich gegenſeitig faſt
jeden Abend und ſöhnen ſich am folgenden Mittag ebenſo regelmäßig
wieder aus. Klein iſt einer der luſtigſten Menſchen, die ich kenne.
Der Apotheker iſt vorſichtig in ſeinem Auftreten und in ſeinen Aeußerungen.
Ich halte es für eine Unmöglichkeit, daß er Jemand beleidigen kann, denn
ehe er ein Wort, welches irgend Jemand berühren könnte, ausſpricht,
bittet er zehnmal um Entſchuldigung, allein er führt den beſten Liqueur
in der ganzen Stadt, das iſt auch eine Tugend
Die Beſorgniſſe, welche Heinrich für ſeinen Freund, den Polizei=
Aktuar Wöller, hegte, wurden ſchon am folgenden Tag durch einen ent=
ſchuldigenden
Brief deſſelben an den Polizeidirektor und die Hinzufügung,
daß der Verbrecher in der Reſidenz ſelbſt verhaftet ſei, verſcheucht, denn
Braſſe ließ ſich nun leicht bewegen, das Verſehen nicht zur Anzeige zu bringen.

Heinrich fühlte ſich in dem Hauſe ſeines Onkels vollſtändig wieder
heimiſch, freilich gab es in demſelben jetzt noch eine andere Feſſel für ihn
Grete. Schon früher hatte er das luſtige, wilde Kind gern gehabt.
Er hatte mit ihm geſpielt und ſich im Garten umhergejagt, hatte mehr
als einmal, wenn ſie ein Blumenbeet zertreten, ſie gegen den Komman=
danten
in Schutz genommen, der in ſolchem Falle die Brauen furchtbar
finſter zuſammen zu ziehen pflegte. Er wußte freilich damals ſchon, daß
es regelmäßig bei dieſer finſteren Miene blieb und daß der Major nicht
im Stande war, ſeinen Wildfang zu ſtrafen, es war ihm aber doch ſtets
ein angenehmes Gefühl geweſen, für das Mädchen als Fürbitter und
Beſchützer aufzutreten.
Grete pflegte ihn dann mit ihren großen dunklen Augen ſo dankend
anzublicken, und ſchon des Kindes Blick hatte einen wunderbaren Eindruck
auf ihn ausgeübt.

[ ][  ]

104

R. 26.

Er hatte ſich damals dieſen Eindruck nicht zu erklären geſucht, allein
jetzt, wo ihm Grete, zur Jungfrau herangereift, entgegengetreten war,
hatte er ihn mit einem Male verſtanden. Er liebte ſie mit einer Leiden=
ſchaftlichkeit
, welche ſeinem ſonſt heiteren Weſen fremd war.
Sie war ſeine erſte tiefe Liebe, welche alle leichteren Neigungen
ſeines Herzens mit einem Male in Vergeſſenheit brachte. An ſie dachte
er, wenn er allein war, oder wenn er des Abends mit dem Komman=
danten
in den Kronprinz gehen mußte. In Gedanken verſunken, konnte
er in der luſtigen Geſellſchaft oft lange ſchweigend daſitzen, ohne ein
Wort der Unterhaltung zu hören, bis eine an ihn gerichtete Frage ihn
aufſchreckte und er gewöhnlich eine ganz zuſammenhangloſe Antwort darauf gab.
Pletzer ſchüttelte dann den Kopf über ihn. Hätte er einen ſchär=
feren
Blick gehabt, ſo würde er den wahren Grund dieſer Zerſtreutheit
oder vielmehr dieſes Verſinkens in ſtilles Gedankenleben leicht errathen
haben, allein obſchon er ein guter Soldat war, war er doch ein ſchlechter
Pſychologe, und ſeine ganze Phyſiognomik beſchränkte ſich darauf, daß er
in jedem alten Herrn, der ſteif ging und einen ſtarken Schnauzbart trug,
einen penſionirten Major oder Oberſt zu erkennen glaubte.
Das kommt von Deinen verdammten Reiſen lu pflegte er dann zu
Heinrich zu ſprechen. Ich bin nie ein Freund des Herumſtreichens in
fremden Ländern geweſen! Ich habe auch nie begreifen können, wie ein
Menſch Vergnügen daran finden kann, ſein Geld auf ſo ungemüthliche
Weiſe todt zu ſchlagen, denn ſchließlich beſchränkt ſich das ganze Vergnügen
darauf, daß man den Staub fremder Heerſtraßen einſchluckt und ſich
in den ſchlechten Betten der Gaſthöfe ſteif liegt. Weiter iſt es nichts
ich kenne das !
Vergebens warf ihm Heinrich ein, daß es ihm darum zu thun ge=
weſen
ſei, die Sitten und Lebensweiſe fremder Völker kennen zu lernen,
ſeinen Geiſt an den Schätzen der Wiſſenſchaft und Kunſt anderer Länder
heranzubilden und zu erweitern.
Dummes Zeug! unterbrach ihn dann der Kommandant ungeduldig.
Die Sitten anderer Völker kümmern uns nicht. Es kann uns gleich=
gültig
ſein, ob ſie die Suppe vor dem Braten, oder den Braten vor der
Suppe eſſen. Alle vernünftigen Menſchen fangen übrigens mit der Suppe
an. Wollte man mit dem Braten beginnen, ſo wäre das ein gleicher
Unſinn, als fänge man eine Schlacht mit dem groben Geſchütz an. Man
ſchickt erſt die Tirailleurs vor, die müſſen das Terrain und die Stellung
des Feindes rekognosziren, und ich behaupte, die Suppe dient auch nur
dazu, um dem Appetit des Magens auf den Zahn zu fühlen. - Den
Geiſt erweitern! Dummes Zeug, ſage ichl Ich behaupte, daß Du bereits
viel zu viel gelernt haſt. Ein Menſch, der ein ſolches Vermögen, wie
Du, beſitzt, braucht übrigens gar keinen Geiſt, und er kann doch gemüth=
lich
leben. Ich habe an Dir früher nie wahrgenommen, daß Du den Kopf
hängen ließeſt, und deßhalb ſage ich noch einmal, das kommt von dem
verdammten Reiſen!
Heinrich wagte auf dieſe Auseinanderſetzungen ſeines Onkels nur mit
einem Lächeln zu antworten. Er hatte früher wohl verſucht, ihn von dem
Gegentheil zu. überzeugen, allein der Schluß jeder Antwort lautete: und
das Reiſen taugt doch nichts! Dieſe Ueberzeugung hielt der Oberſt nun
einmal feſter, als die Hoffnung auf ſeine Seligkeit, welche ihm aus mehr=
fachen
Gründen noch ſehr unzuverläſſig erſchien.
Grete war, ihm gegenüber, noch eben ſo unbefangen, wie früher.
War auch ihre Wildheit geſchwunden, ſo konnte ſie doch noch ebenſo lant
und heiter lachen, wie früher, und dieſes Lachen war es, was Heinrich's
Herz ſo mächtig gefangen genommen hatte.
So oft er mit ihr allein war, trieb es ihn, ſich ihr zu Füßen zu
werfen und ihr zu geſtehen, daß er ſie liebe, glühend, unausſprechlich
innig, und doch fand er nicht den Muth dazu. Er wußte, daß der
Augenblick über ihn entſcheiden werde, denn ohne Grete's Beſitz ſchien
ihm das Leben troſtlos und öde, und er ſcheute ſich, dieſer Entſcheidung
entgegenzutreten.
Pletzer freute ſich, in ihm einen Geſellſchafter zu haben, der ihm
die Zeit vertrieb, mit ihm rauchte und ein Glas Wein trank, er hatte
ohnehin nichts zu thun, und ließ ihn deshalb faſt den ganzen Tag nicht
von ſeiner Seite.
Heinrich empfand es oft drückend ſchwer, daß er wenig Gelegenheit
fand, mit Grete allein zu ſein. Die einzige Zeit war des Morgens früh,
wenn der Kommandant noch ſchlief. Jeden Morgen ſaß er deshalb zeitig
in der Laube oder ſchritt ungeduldig in dem kleinen Garten auf und ab,
bis Grete endlich erſchien. Dann waren ſelige Minuten für ihn. Er
hätte ſie ausdehnen mögen auf den ganzen Tag, bis in die Ewigkeit, leider
erſchien Pletzer regelmäßig, wenn der Diener den Kaffee brachte.
So waren Tage hingegangen. Die Leidenſchaft in Heinrich's-Bruſt
war immer mächtiger angeſchwollen, Grete's Bild verließ ihn wachend
und träumend nicht.


Zeitig war er eines Morgens aufgeſtanden. Er hatte das Fenſter
aufgeriſſen und ließ die friſche, duftige Morgenluft in das Zimmer ein=
Redaction und Verlag: L.

dringen. Die kaum aufgeſtiegene Sonne warf ihre erſten vergoldeten
Strahlen in den kleinen Garten. Es war ſtill in ihm. Aus der Citadelle
klangen die Schritte und Stimmen der Gefangenen, welche zur Arbeit
geführt wurden - er hörte es kaum, es klang wie aus der Ferne herüber.
Was hatten all jene Menſchen, welche ein größeres oder geringeres Ver=
gehen
in der Citadelle büßten, mit dieſem kleinen Heiligthum zu ſchaffen;
ſelbſt ihr Blick konnte nur dann hinein dringen, wenn ſie auf den Wällen
beſchäftigt waren.
Ueberraſcht nahm er wahr, daß ein Mann, der die Kleidung der
Militärſträflinge trug, in den Garten trat. Im erſten Augenblick dachte
er daran, daß es einer der Unglücklichen ſei, der vielleicht einen Verſuch
zur Flucht machen wollte. Schon war er im Begriff, vom Fenſter zu=
rückzutreten
, denn er mochte Niemand verhindern, die Freiheit ſich zu
erringen, wenn er dazu im Stande war. Da ſah er aus des Mannes
Benehmen, daß er ſich in ſeiner Vermuthung geirrt hatte. Ruhig nahm
er eine an der Mauer lehnende Hacke und begann die Blumenbeete zu
tockern, den Weg zu ſäubern. Mit peinlicher Sorgfalt nahm er das
Alles vor, hier band er eine vom Stabe losgelöſte Blume wieder feſt,
dort ſchnitt er eine verwelkte Blüthe ab.
Heinrich begriff jetzt, daß es die Hand dieſes Mannes war, welche
ſo ordnend über dem kleinen Garten waltete.
Es war eine hochgewachſene ſchlanke Geſtalt. Wohl ging ſie etwas
gebeugt, als ruhe eine ſchwere Laſt auf ihr -es mochte wohl die dumpfe
Luft der Kaſematten ſein, welche die Bruſt des Mannes geſchwächt hatte.
Vielleicht auch war es ein Anderes, was in ſeiner Bruſt zehrte.
Unwillkürlich drängte ſich Heinrich der Gedanke auf, welches Ver=
gehen
wohl dieſen Mann hierher gebracht hatte. Er war Soldat geweſen,
das verrieth die Kleidung der Militärſträflinge. Vielleicht war es nur
ein geringes Verſehen, ein Ungehorſam gegen ſeinen Obern, welches er
hier büßen mußte er kannte ja die ganze Strenge der Militärgeſetze
und wußte, wie ſchwer ſelbſt ein geringes Dienſtvergehen beſtraft wird.
Noch hatte er des Mannes Geſicht nicht zu ſehen vermocht. Jetzt wandte
ſich derſelbe der Laube zu. Auf dem Tiſche in derſelben lag ein Hand=
ſchuh
. Heinrich erinnerte ſich genau, daß Grete am Abend zuvor ver=
geſſen
hatte, denſelben mit ſich zu nehmen, denn er gehörte ihr. Haſtig
trat der Sträfling an den Tiſch heran, ergriff den Handſchuh, preßte ihn
an ſeine Lippen und barg ihn dann, nachdem er einen flüchtigen Blick um
ſich geworfen hatte, unter ſeiner Jacke.
(Fortſetzung folgt)

Darmſtädter hiſtoriſche Kleinigkeiten.
Mitgetheilt von W.

17. Die Poſthäuſer.
Ehe im Jahre 1516 auf Befehl des Kaiſers Maximilian I. Franz
von Thurn und Taxis den erſten regelmäßigen Poſidienſt zwiſchen Brüſſel
und Wien eingerichtet hatte, nach deſſen Vorbilde dann in verſchiedenen
Reichsländern Poſten aufkamen war man mit Verſendung von Briefen
übel daran. Vor dem Eintritte dieſer Poſten ſchickten die Fürſten in
Deutſchland ihre Briefe an den Magiſtrat der nächſten Stadt, oder man
ſchickte eigne Boten zu Fuß oder zu Pferde ab. Privatperſonen mußten
eigne Boten ſenden oder durch Kaufleute, welche zum Beſuche der Meſſen
die Länder durchzogen, ihre Briefe befördern laſſen. Später benützte man
die ſ. g. Metzgerpoſten. Die Metzger waren in allen größeren Städten
mit Pferden verſehen und in manchen Ländern verbunden, Pferde zu halten.
Sie machten, zum Theil unter landesherrlicher Leitung, ein Geſchäft daraus,
Reiſende zu Pferde weiter zu beſorgen oder die Beſorgung von Briefen
zu übernehmen. Darum ſtanden ſie unter einander in einer gewiſſen Ver=
bindung
, ſodaß Briefe und Reiſende durch ſie mit gewechſelten Pferden in
größerer Entfernung Beförderung erhalten konnten. Als nun ordentliche
Poſten bei uns eingerichtet waren, befand ſich die Poſt in Darmſtadt in
dem Hauſe D 70. (nach der alten Numerirung), dem jetzigen grünen Laube,
dem erſten Darmſtädter Rathhauſe gegenüber. Als das neue Rathhaus
erbaut war, wurde die Fahrpoſt in das alte Nathhaus verlegt, während
die Briefpoſt in dem bisherigen Poſthaus blieb. Georg I. hatte zu dem
Zwecke im Jahre 1584 das alte Rathhaus gegen die ihm gehörige all=
gemeine
Badſtube! eingetauſcht. Im Anfang des 18. Jahrhunderts war
die Poſt in dem ſ. g. Brandiſchen Poſthaus, d. h. einem Hauſe, das da
ſtand wo jetzt das Palais ſteht. Nachher war die Poſt in dem Struve=
ſchen
Hauſe in der Louiſenſtraße (E 18 alte Numerirung), dann in dem
ſ. 9. Scheuerhof, jetzigen Traube Noch ſpäter befand ſich das Poſt=
weſen
in der galten Poſil am Ernſt=Ludwigsplatz, und nachher die Dili=
gence
=Expedition ſammt der Brieſpoſt in den zwiſchen Jagdhaus und Mar=
ſtall
ſtehenden langen Bäu'chen. Dann kam das ganze Poſiweſen in das
Heſſiſche Haus, von wo es in die jetzige Poſt überſiedelte.

. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.