Darmſtädter Frag= und Anzeige=Blatt.
N. I7.
Dienſtag den 30. April
1867.
Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilage hierzu. ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſtags. die Beilage
Dienſtags und Letzteres Vonnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämſern abonniren. Iu Darmſtadt bei
der Expedition, Rheinſtraße Nr. 23 neu.
Verſteigerungen.
2482) Mittwoch den 1. Mai d. J.
Vormittags 11 Uhr
ſoll die Jägerthor=Hofraithe auf unſerm Büreau
unter den im Termin bekonnt gemacht werdenden
und bis dahin zu Jedermann's Einſicht bei uns
offen liegenden Bedingungen an den
Meiſtbieten=
den öffentlich verſteigert werden.
Darmſtadt, den 19. April 1867.
Großherzogliche Bürgermeiſterei Darmſtadt.
J. V. d. B.
Appfel, Beigeordneter.
2619) Donnerſtag den 9. Mai Vormittags
10 Uhr werden in Großherzoglicher Hofmeierei
40 Malter Korn,
dahier:
Großherzogliche Hofmeierei=Verwaltung.
Kehres.
Feilgebotenes.
693) Ein in dem ſchönſten mittleren Theile
der Neuſtadt gelegenes Haus iſt billig zu
ver=
kaufen. Nähere Auskunft ertheilt J. Gerſt.
O.
beſte Qualität per Glas
5 Eispommade 9. 15. 18. 2. 36 unt
48 kr. nur allein ächt bei
Ludwigsplatz. W. Schäfer, Friſeur,
CS. neben Hrn. Kaufmann Roſenheim.24
1582) Ein 6 octaviger gebrauchter Flügel
iſt für 60 fl. wegen Auszugs zu verkaufen.
Wo? ſagt die Expedition d. Bl.
1884) Eichenſcheidholzl. Cl. 6½Stecken,
ſind zu verkaufen. Näheres bei der Exp. zu erfragen.
ewigen u. deutſchen
2 Kleeſaamen, zugt bei
Ludw. Heyl Sohn.
2620) 80 Stück ausgezeichnet ſchöne fichtene
Gerüſtſtangen, 50 bis 60 Fuß lang, ſind
bei mir zu verkaufen.
Groß=Bieberau, den 27. April 1867.
L. Schönberger, Bierbrauer.
2.
2049)
in großer Auswahl von den feinſten Gold= und Seiden=Tapeten
Tapeten bis s tr., zute feine bemalte Rouleaux, Bronz= und Holz=
Gallerien für Vorhänge, um damit zu räumen, unter den Preis, empfiehlt
W. Schmidt. Ludwigsplatz 9.
Aufkallend billiger Ausverkauk!
Wogen Auſgabe des Geschäſts u. um möglichst rasch iu räumen
1844)
verkaufen nachſtehende Artikel, als:
Wolle, Baumwolle, Chales, Kaputzen, Herrren= u. Damenbinden, Herren= u. Damen=
Glags, Unterjacken und Hoſen für Herren und Damen, Socken, Crinolines, Schleier
und alle in das Hurzuaarenkach einschlagende Artikel.
Ferner: Sammt= und Seidebänder ſchwarz und farbig, Knöpfe, Schnallen, Broſchen,
Ketten jeder Art, ſodann Hederuvaarem jeder Art, Gteſel für Damen
u. Kinder, und meine Gegenſtände in CPristoſte zul emorm billigem
Ernſt=Ludwigs=
Wreisem.
Sertbo a Daulh,
Platz.
2054) Alle Gattungen Bett=, Wachs= und Ledertücher empfiehlt billigſt
W. Schmidt, Ludwigsplatz 9
2548)
HCovold
AAAAI,
17 Ludwigsſtraße 17
empfiehlt ſein wohlaſſortirtes Lager in
Arohhilen
für Herren, Damen und Kinder zu billigen Preiſen.
Anabenkappen zu 24 kr.
2532)
25,000 Stück Tapeten
per Stück 8, 9 und 10 kr., hübſche Deſſins und ſtarkes Papier (kein Strohpapier oder
Aus=
ſ.
ſchuß=Tapeten) empfehlen
C. Hochstätter & Söhne.
2553) Aus Anlaß des Schulenwechſels und der Confirmation empfehle ich meinen Vorrath
aller gangbaren
Schulhücher in beſonders dauerhaften Einbänden, ſowie
Gesangbücher in verſchiedener eleganter und ſolider Ausſtattung.
Gebetbücher von Starck, Witſchel, Habermann u. ſ. w.
Wibeln und Testamente.
Zugleich erlaube ich mir, meinen An= und Verkauf von gebrauchten Schulbüchern
in Erinnerung zu bringen, und ſehe vielſeitigem Zuſpruch entgegen.
Schloßgraben 7.
J. Ph. Reinhardt,
18
[ ← ][ ][ → ]R. 17.
Vermiethungen.
919) Ein eleganter Salon nebſt 3-4
daran=
ſtoßenden Zimmern mit Möbeln ſind alsbald zu
vermiethen. Stallung kann dazu gegeben werden.
Zu erfr. bei E. Albert, Tapezier, Rheinſtr. I.
992) Ludwigsſtraße Nr. 20.
Ein ſchöner Laden mit Logis zu
ver=
miethen.
1590) Ein freundliches Zimmer mit Kabinet,
Möbeln und Bedienung für einen ledigen Herrn
zu 7fl. monatlich. Steinſtraße 29 bei Amendt.
1774) Zwei möblirte Zimmer mit
Bedie=
nung auf Oſtern zu vermiethen. Steinſtraße 36
1825) Mehrere möblirte Zimmer ganz oder
getheilt zu vermiethen im Hauſe des Hrn. Faiz,
Eck der Rheinſtraße Nr. 1.
2094) Im Heſſiſchen Hof iſt im mittleren
Stock ein Logis von 4 bis 5 Zimmern zu
ver=
miethen und im Juli zu beziehen.
2416) Die dritte Etage meines neuen
Hauſes, Heinrichſtraße Nro. 1, mit
Zu=
gehör, iſt auf Anfang Juli zu vermiethen.
Amendt.
2621) Beſſungen. Sandſtraße Nr. 255
iſt ein Logis zu vermiethen.
2622) 2 möblirte Zimmer zu vermiethen
Kirchſtraße Nr. 5 neu. Conrad Naumann.
Vermiſchte Nachrichten.
2623) Unterzeichneter beabſichtigt, franzöſiſchen
Sprach=Unterricht zu ertheilen, mit beſonderer
Berückſichtigung der kaufmänniſchen Correſpondenz,
worin mir längere praktiſche Erfahrung zur
Seite ſteht.
Anmeldungen werden entgegengenommen in
meiner Wohnung, Schützenſtraße Nr. 8, 2 Tr. hoch.
G. L. Hilger.
6Fine junge gebildete Dame wünſcht
T Clavier= und Zeichnen=Unterricht in
und außer dem Hauſe zu ertheilen. Wer? ſagt
die Expediton d. Bl.
2340) Mühlſtraße Nr. 5 im Seitenbau wird
Arbeit im Weißzeugnähen und fein
Weiß=
ſticken übernommen.
G=
nahme.
ox finden in einer hieſigen
hUlt1 Lehrerfamilie gute Auf=
Das Nähere die Exp. d. Bl.
2510) Unterzeichneter wünſcht einige Schüler
in Penſion zu nehmen; denſelben iſt Gelegenheit
gegeben, ſich in der franzöſiſchen Sprache zu
üben. Emil Scriba, Ernſt=Ludwigsplatz 1.
2559) In der Jaeger'ſchen Buch=, Papier
und Landkarten=Handlung in Frankfurt a. M.
iſt erſchienen und zu haben:
Ausführliches
Leitungs-Verzeichniss
aller größeren Zeitungen und Loßalbſätter des
In= und Ausſandes,
mit Angabe der Auflage u. des Inſertionspreiſes
Preis 3 Sgr. oder 12 kr.
Für Geſchäftsfreunde gratis und franco.
Die Beförderung aller Arten Anzeigen für
alle Blätter des In= und Auslandes wird von
uns zu den Originalpreiſen übernommen.
Jäger'ſche Buch=Papier-u. Landkartenhandlung.
Gentral-Büroan für Inserate.
Frankfurt a. M. Domplatz 8.
2504) Meine Wohnung nebst Büreau befindet sich in dem Hause meines Vaters,
Rechnungsrath Reuling, ſeorgstrasse I2.
W. Reuling, Hofgerichts-Advokat.
G
1
GI
1
E
14
1
2593a)
Privat-Anaben-Institut.
Eliſabethenſtraße 14 neu.
Der Unterricht in meinem Iuſtitute beginnt Donnerſtag den 2. Mai. Aufnahme
der Schüler vom 6. bis 15. Jahre inel.
Ph. Vayner.
42
=
D ie Unterzeichneten erlauben ſich diejenigen Einwohner hieſiger Stadt, welche ſich für
das Fortbeſtehen der techniſchen Schule dahier intereſſiren, zu einer
) Beſprechung auf Donnerstag den 2. Mai, 7½ Uhr Abends, in den
Garten=
ſaal des Darmſtädter Hofes einzuladen.
Darmſtadt, den 27. April 1867.
G. Böttinger, Rentner: J. P. Diehl, Buchhändler. Fuhr, Geh. Ober=Rechnungsrath.
Hochgeſand, Bahnhof=Inſpector. Hofmann L., Hofgerichts=Advokat. Dr. K. J.
Hoff=
mann II., Hofgerichts-Advokat. Möſer, Kaufmann. W. F. Nöllner, Kaufmann.
Purgold, Hofgerichts=Advokat. E. Reuter, Fabrikant. Dr. M. Rieger, Rentner.
W. Schwab, Rentner. A. Siegfrieden, Hofgerichts=Advokat. Weiß, Sections=Ingenieur.
2625)
Zoolo giſcher Garten in Frankfurt a. M.
Sonntag den 5. Mai Vormittags von 7 bis 12 Uhr iſt der Eintrittspreis auf
6 Krenzer per Perſon ermäßigt.
Von 12 bis 2 Uhr bleibt der Garten für Jedermann geſchloſſen.
Der Verwaltungsrath.
Angekommene Thiere:
1 Leopard, 2 Schakal, 1 Biſonkuh (Amerikaniſcher Büffel, 1 Kuh=Antilope, 2 Taucherbock=
Antilopen, 2 Wapiti=Hirſche, 3 Wallabh=Känguruh, 1 Fabiru=Storch. Gehoren: 1 Zebra, 1 9ak.
HeſſiſcheLudwigs=Eiſenbahn=Geſellſchaft.
Strecke Worms=Alzey.
2358)
Fahrplan vom 18. April 1867.
In Worms
Aus Lodwigshafen
In Worms, Mrg. Mrg.
6 45
8 8
8
16 38 Mtg.
1 20
12 35
11 40)
12 12 NM.ſ Abd.
2 48 37
1 10
1 50 1 266 10
6-
6 40 Stationen. Perſ.
Zug
11I
I. II.III.
Cl. Perſ.
Zus
113
1. II. II
Cl. Perſ.
Bug
115
l. I. i
Cl. Perſ.
Zug
1171
L.II.II.
Cl. Perſ.
Zug
19
l. II.II.
Cl. Perſ. Perſ. Perſ. Perſ Perſ. Mrg. Mrg. V. M. NM. Abd. Zug Zug Zug. Zuß Zug Alzey
ab 5 25 7 40 10 50 2 35 6 20 Stationen. 110 I2 114 116 118 Kettenheim. „ 5 3 10 56 2 4) 6 26 I. I. II. I. I. l. I. I. II. . um. I. u. ll. Eppelsheim „ 15 39 75 11 4 2 49 6 34 Cl. CI. Cl. Cl. Cl. Gundersheim „ 6 46 7 56 11 112 56 6 41 ab
Worms 6 5 8 15 12 560 3 15 7 50 Niederſlörsheim, 5 56 8 8 11 2 3 6 6 51 Pfiffligheim. 6 1 8 23 3 2 758 Monsheim,
„ 5 3 8 20 11 33 3 18 7 3 Pfeddersheim 6 20 8 30 1 2 3 30 5
8 Pfeddersheim „ 3 19 8 31 11 4½3 29 7 14 „
Monsheim,
„ 6 32 8 42 1 11 3 42 8 17 Pfiffligheim. „ 6 26 11 5) 3 31 7 21 Niederflörsheim 6 4 8 54 1 26 3 54 8 29 Worms. an l6 33 8 42 11 58 3 43 7 28 Gundersheim „ 6 5. 9 5 1 3) 4 5 8 40 Aus Worms 3 16 115 12 37 55₈ 7 40 Eppelsheim „ 7 2 9 12 1 44 4 1218 47 zu Ludwigshafen 3 50 1145 1 10 5 35 8 20 Kettenheim. „ 7 10 9 20 4 20 8 55 Aus Worms. 6 40 8 50 12 13 3 52 8 26 an
Alzel 7 15 9 25 1 54 4 25 9 In Mainz ſ8 10 15 1 85 20½ 9 46 Mainz. im April 1867. Der Verwaltungsrath.
2626) Mehrere Schüler können bei einem
Lehrer Koſt, Logis und Nachhülfe erhalten.
Näheres Ludwigsplatz Nr. 5.
2605) In der Familie eines Lehrers finden
1-2 Schüler freundliche Aufnahme. Das Nähere
beſagt die Expedition.
2627) Penſionäre finden Aufnahme. Wo'
ſagt die Exp.
2628) Wegen der dem Joſel Maher von
Beſſungen zugefügten Ehrenkränkung leiſte ich
demſelben Abbitte.
Beſſungen, den 26. April 1867.
Georg Hammann.
Das Großherzogliche Muſeum
iſt Dienſtag, Mittwoch, Donnerſtag und Freitag
von 11-1 und Sonntag von 10- 1 Uhr geöffnet.
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag, 30. April 14. Vorſt. in der VII.
Abonn=Abth. Kunſt und Natur, Luſtſpiel
in 4 Akten von Albini.
Gold-Cours.
fl. 9. 44-46.
Piſtolen
Preuß. Friedrichsd'or. 9. 57-58.
Holländ. 10 fl.=Stücke „ 9. 50-52.
Rand=Ducaten.
20 Francs=Stücke „ 9. 25- 26.
Engl. Souverains
„ b. 33-35.
. II. 47-5l.
N.
Der Ball zu Teterow.
Von A. C. M.
Die Unterhaltung in der Geſellſchaft der Frau Kreisrichter war ſehr
animirt, geiſtreich und belehrend geweſen. Ich hatte dort erfahren, daß
die Frau Kreisrichter eine geborene Lehmann ſei und ſieben ſehr glücklich
verheirathete Schweſtern habe; daß die Frau Amtmann ſieben Fächer und
der Herr Paſtor drei Pferde beſitze; daß Goethe beſſere Gedichte als
Schiller gemacht, und daß die Dienſtboten weder im Allgemeinen noch im
Beſonderen etwas taugen. Ich hatte gelernt, wer am beſten Gurken
ein=
zumachen verſtehe, und wer die feinſte Toilette in ganz Teterow mache;
ich wußte nun, wie lange die bittere Feindſchaft zwiſchen Apothekers und
Doktors beſtand, und daß Mozart ſchwerlich alle die ſchönen Opern hätte
komponiren können, wenn er nicht Muſiker geweſen wäre. Von der Oper
war das Geſpräch auf den Ball gekommen, der nächſtens bevorſtand und
ganz Teterow ſeit ſieben Wochen und drei Tagen in fieberhafter
Span=
nung erhielt. Dieſer Ball ſollte der glänzendſte werden, auf dem jemals
Teterower Füße getanzt und die Augen ſeiner ſchönen Bewohnerinnen
Verheerungen angerichtet hatten. Die Gutsbeſitzer der Umgegend hatten
faſt alle zugeſagt, und der Herr Oberamtmann Himps hatte ſchon von der
Frau Bürgermeiſter, der tonangebenden Dame des Städtchens, Erlaubniß
erhalten, ſtatt im Frack, den er nie beſeſſen hatte, im Oberrock erſcheinen
zu dürfen. Hatte er doch, trotz ſeines Reichthums, noch keine Frau; wohl
aber hatte die Frau Bürgermeiſter drei hoffnungsvolle „junge Töchter”
wie ſie dieſelben euphemiſtiſch nannte, obgleich die jüngſte derſelben, Luiſe,
von Böswilligen im Geheimen „die Hopfenſtangen genannt, ſtets nahe
daran war, in Ohnmacht zu fallen, wenn ein leichtfertiger
Drehorgel=
ſpieler in ihrer Nähe das berühmte Mantellied ſpielte: „Schier dreißig
Jahren ꝛc. Die Unterhaltung alſo war belehrend geweſen, und ich armer
junger Doktor der Philoſophie, deſſen ganzes Verdienſt in dieſem Titel,
ſeiner Eheloſigkeit und einem kleinen Vermögen beſtand, deſſen Größe
Fama bedeutend übertrieben hatte, war „Hörer allein” des Wortes oder
beſſer der Worte geweſen. Nur als man von den Bällen der Reſidenz
ſprach, hatte ich Gelegenheit gefunden, auch mein beſcheidenes Lämpchen
leuchten zu laſſen; hatte ich doch dort äſthetiſche Thees und Soirsen,
Diners und Bälle mitgemacht, hatte ich doch mit ſo mancher
Geheimeraths=
tochter gewalzt, theils aus Neigung, theils aus Pflichtgefühl, und war
ich doch erſt ſeit Kurzem aus der Sphäre der Reſidenz in das ſtille
Teterow verſetzt.
Man legte alſo Werth auf meine Mittheilungen, man lauſchte meinen
Worten, ja die Frau Kreisphyſikus drückte mir unter dem Tiſch die Hand,
als ich ihr höflich verſicherte, daß ſie in den Salons der Reſidenz
ent=
ſchieden eine Rolle zu ſpielen im Stande ſein, und ihre Tochter Frida
durch ihre elegante Tournure Furore machen würde. Ich hatte die
Be=
merkung gemacht, halb im Ernſt, halb im Scherz, daß es in der
Haupt=
ſtadt zum guten Ton gehöre, bei Einladungen zu ſpät zu kommen, und
daß Jeder vor allen Dingen zu vermeiden ſuche, als Erſter auf dem
Ball oder in der Geſellſchaft zu erſcheinen. Nach allen Seiten war das
Thema dann variirt worden, und als ich endlich aufbrach, ahnte ich
nicht die furchtbare Saat, die ich in den Herzen der Teterowerinnen
aus=
geſäet hatte.
Der langerſehnte Tag nahte heran. Ganz Teterow war wie von
der Tarantel geſtochen; was Hände und Füße hatte, rührte und rüſtete
ſich zum Ball. Der Magiſtrat hielt in der ganzen Woche keine Sitzungen,
die Stadtmuſikanten übten Tag und Nacht; alle Näherinnen, Wäſcherinnen,
Putzmacherinnen, Friſirmädchen, Kaufleute, Modehändler, Schneider, Hut=
und Handſchuhmacher, Schuhflicker, Barbiere, Laufjungen, Commis liefen
und rannten durcheinander; die Damen hielten Muſterungen und
Con=
ferenzen und ſuchten Hauben, Blumen, Kränze, Bänder, Roben, Schleier
hervor, nähten, ſtrickten, wuſchen und plätteten, zankten und ſchwatzten, und
verſalzene Suppen, verbrannte Braten und harte Kartoffeln drohten den
Frieden von mehr als einer Familie zu erſchüttern. Die einzig ruhigen
Seelen des aufgeregten Städtchens waren der Aſſeſſor Wind und ich.
Waren wir Beide doch, als Kinder der Reſidenz, gewiſſermaßen blaſirt,
wo die Teterower mit allem Enthuſiasmus provinzieller Gemüther ſchwärmten
und hofften.
Endlich war der Balltag da. Die wenigſten Familien hatten heut,
wie ſonſt, zu Mittag gegeſſen. Linchen Pieſeke, die Tochter vom „
Seifen=
pieſeke” hatte den ganzen Tag am Klavier viel geſeufzt und noch mehr
deklamirt von unverſtandener Wehmuth und dem kleinen Gott mit dem
Pfeil und Bogen, von „freudevoll und leidvoll, gedankenvoll ſein.” Dann
waren zwei koſibare Thränen über ihre Wangen gerollt und gerade auf
den Baßſchlüſſel auf der erſten Seite des „Jungfernkranzes” gefallen, und
der proſaiſche Vater hatte gemeint, die Thränen verdürben das weiche
Papier, und es würde zerreißen. Achl er ahnte nicht, daß ihr Herz, das
ſiebenzehnjährige, mehr zerriſſen war, als es die Freiſchützpartitur jemals
werden konntel Hatte ſie doch geſehen, wie ihr Aſſeſſor am letzten
Sonn=
tag Adele Pfelling im Nebenzimmer der Reſſource geküßt!
17.
69
Aber der Zeit kann Niemand die Flügel binden. Es dunkelte, jund
um ſieben Uhr ſollte der Ball beginnen. Drüben am Fenſter, mir
gegen=
über, ſtand ſchon die Frau Brauereibeſitzerin in großer Toilette und, „wie
der Sterne Chor um die Sonne ſich ſtellt;, umſtanden ihre beiden
hoff=
nungsvollen Söhne nebſt den fünf Töchtern die „züchtige Hausfrauu in
ausgeſchnittenem Kleide und einer Haube mit gelben und rothen Bändern.
Auch ich zog meinen Frack an, bürſtete meinen Chlinder und empfahl
ſeufzend mein freies Herz den ſchützenden Göttern. Es klopfte.
„Herein!” — „Eine Empfehlung von der Frau Amtmann, und ſie ſchickt
hier ihre Fächer; der Herr Doktor möchten doch die Güte haben und ihr
ſagen laſſen, welcher von dieſen wohl am meiſten modern und ſelbſt in
der Reſidenz paſſend ſei."
Ich verbiß das Lachen und prüfte ſorgſam. Ich geſtehe es zu meiner
Beſchämung, der Geiſt des Uebermuthes beſchlich mein Doktorherz, und
ich bezeichnete der Magd den Fächer, der mir der wunderlichſte ſchien. Er
war groß genug, einen Sturmwind zu erregen, und ſpielte in allen ſieben
Farben des Regenbogens. Die Geſchichte vom Jonas und dem Wallfiſch
war von dem ſinnvolen Maler ſehr effektvoll darauf dargeſtellt, und ich
zweifle nicht, daß die Großmutter von der Frau Amtmann ihrer Zeit
da=
mit geglänzt hatte. Dankend empfahl ſich die Magd, und ich ſchlug, im
Ballſtaat, den Weg nach dem Gaſthof „Zum blauen Engeln ein, wo
der Ball ſtattfinden ſollte, und wo ich meinen Freund Wind vor dem
Beginn treffen wollte. Dieſer Weg, die Hauptſtraße des Ortes, führte
mich zunächſt am Hauſe des Apothekers vorüber. Ein dunkler Schatten
bewegte ſich vorſichtig an der Ecke des Hauſes; es war Kreisrichters
Köchin.
„Guten Abend, Herr Doktor”, flüſterte ſie ängſtlich, mich erkennend.
Ich gab ihr den Gruß zurück und fragte, weshalb ſie bei dem ſcharfen
Winde hier auf und ab laufe.
„Ach, entgegnete ſie, „die Frau Kreisrichter will nicht die Erſte auf
dem Balle ſein, und da ſoll ich warten, bis Apothekers das Haus
ver=
laſſen, und ihr dann Nachricht bringen.”
Ich ging ahnungslos weiter.
An der nächſten Querſtraße wohnt „Seifenpieſeke, Fabrik fertiger
Sodaſeife und Stearinlichten. Im Thorweg ſtand Brauereibeſitzers
Haus=
knecht und rauchte eine ächte Pfälzer aus einem weißen Pfeifenkopfe mit
der Inſchrift: „Wohl bekomm es!
„Böſes Wetter, Herr Doktor! Ich habe Reißen in meinen alten
Glie=
dern, und da muß ich ſiehen und Wache halten!
„Ja, warum denn zu fragte ich.
„Ich ſoll es eigentlich nicht ſagen, aber Sie werden es nicht
ver=
rathen. Ich warte, bis Pieſeke's auf den Ball gehen, und ſoll es
dann meiner Herrſchaft melden, damit die ſpäter gehen und nicht die
Erſten ſind.”
Dreißig Schritte weiter begegnete ich Linchens Bruder im Ball=Anzug
und ſorderte ihn auf, mich zu begleiten.
„Unmöͤglich=, war die Antwort, zich muß hier (und er blickte hinüber
nach der Brauerei) warten, aus Gründen-
Ich drang nicht weiter in ihn: es war mir klar, daß er ſein
waſſer=
blaues Auge auf eine der ſchönen Brauerinnen geworfen hatte, und einen
Blick von der Angebeteten erhaſchen, vielleicht ſie begleiten wollte.
Endlich lag der „blaue Engel” in mäßiger Entfernung vor mir.
Ich ſtand vor dem Hauſe des Pfarrers.
Der alte Herr ſtarrte aus dem offenen Fenſter, obgleich es Februar
war und er an einem perpetuirlichen Stockſchnupfen litt, nach der
Parterre=
wohnung des gegenüberliegenden Hauſes, wo der Amtmann wohnte.
„Kommen Sie mit!u rief ich grüßend Sr. Hochwüͤrden zu, der ſich
einer hübſchen Tochter erfreute, die heute gleichfalls den Ball
be=
ſuchen ſollte.
„ Bedaure, lieber Freund=, ſagte er, ohne ſich zu rühren oder ſein
Auge vom Fenſter drüben zu verwenden.
Nicht weit vom „blauen Engel! wohnte ein guter Freund von mir,
dem ich vor dem Ball einen kurzen Beſuch abzuſtatten gedachte.
Wir kamen ins Plaudern, die Zeit verging, die Thurmuhr ſchlug ein
Viertel nach Acht. Der Ball mußte ſchon begonnen haben, und ich war
zur Polonaiſe engagirt. Ich ergriff meinen Hut und ſtürzte in raſender
Eile die ſchmale Treppe hinunter, über den Markt, in den „blauen Engel.”
Todtenſtille herrſchte im Hauſe.
Ich kam alſo richtig zu ſpät!
Ich eilte in das Zimmer, durch welches man ſeinen Weg zum Saal
nehmen mußte. Der Erſte dem ich hier begegnete, war der Amtmann.
„Sie ſind nicht im Ballſaalzu rief ich ihm entgegen, um doch etwas
zu ſagen; denn mein Herz zagte in Erwartung der drohenden Blicke, die
mich im nächſten Moment im Saal treffen mußten.
„Ich warte auf meine Frau', entgegnete er.
7 Sie iſt noch nicht da ?u
„Sie wird ſpäter kommen; ſie hat Gründe, ſehr wichtige Gruͤnde dazuls
70
.
Gleich darauf trat der Bürgermeiſter aus dem Saal zu uns.
„Weiß der Himmel, daß meine Frau noch nicht kommt” ſagte er
mürriſch.
Auch der Arzt geſellte ſich zu uns. Seine Frau, die ihn ſonſt nie
in eine Geſellſchaft allein gehen ließ, war nicht an ſeiner Seite. Ich fragte
nach ihr.
„Nun, meine Frau will auch nicht die Erſte ſein, die hierher kommt.
Und ſie braucht ſich auch nicht wegzuwerfen!
„ So ſagte meine Lina auch: warf Pieſeke, der hinzutrat, ein. „Es
iſt nur ſchade, daß damit die Zeit verloren geht. Wir haben bereits
halb Neun.”
Wir traten in den Ballſaal. Gütiger Himmel, welch ein Anblick!
Da ſtanden faſt ſämmtliche Honoratioren von Teterow in Balltoilette, wie
ein Regiment Ausrufungszeichen! Beſtürzung, Zorn, Aerger war auf
manchen Geſichtern zu leſen; ſie gehörten Männern an, die das
Aus=
bleiben ihrer Ehehälften, Schweſtern, Couſinen, Geliebten nur noch mit
Ungeduld ertrugen.
„Doktorchen”, rief der Aſſeſſor, ſich durch die Menge zu mir drängend
„weißt Du, was dieß zu bedeuten hat?”
„Keine Ahnung lu rief ich erſtaunt.
„Nun denn, keine von den Damen wollte die Erſte auf dem Ball
ſein, um nicht Anlaß zu ſpöttiſchem Gerede zu geben. Nun haben ſie faſt
Alle ihre Männer oder Brüder hergeſchickt, um nachzuſehen, ob ſchon
Damen da ſind, und warten nun darüber auf Bericht, um dann gleichfalls
zu erſcheinen.”
Ein ſchreckliches Licht begann mir aufzugehen. Ich erinnerte mich
der Abendgeſellſchaft bei der Frau Kreisrichter. Ich, ich war der Urheber
dieſes Unheils!”
„Ich möchte nur wiſſen, welcher Eſel den Weibern die Tollheit in
den Kopf geſetzt hatl” ſagte Pieſeke. „Meine Frau und meine Lina waren
ſonſt immer Allen voran, und nun ſtehe ich runde anderthalb Stunden
hier und ſehe mir die Augen nach einer Krinoline aus;
Meine Leſerinnen, Sie werden mit mir fühlen, wie ſehr mich der
„Eſel” kränkte; aber ich ſchwieg, ich litt, ich duldete - achl ich hatte ja
nicht, „frei von Schuld und Fehle, bewahrt die kindlich reine Seelen, ich
war ja Schuld an Allem, wenn auch gegen meine Abſicht.
Auch den Muſikern war inzwiſchen die Zeit lang geworden: ſie
be=
gannen zu ſpielen, die Klänge rauſchten jubelnd, auregend; aber Alles
umſonſt. Die Männer wußten nicht, was ſie thun ſollten; ſie hatten
ſtrengen Befehl, die Ihrigen erſt dann zu holen, wenn ſchon Damen da
wären. Gruppen bildeten ſich, Vorſchläge wurden gemacht und verworfen.
Ein Kellner trat aus dem nebenanliegenden Speiſeſaal, und ein
Ge=
danke ſchoß mir blitzſchnell durch den Kopf. Etwas mußte ich doch thun,
um wenigſtens die armen Herren zu entſchädigen. Ich ſchlug vor, in den
Speiſeſaal zu gehen und bei einem Glaſe Wein weitere Entſchlüſſe zu
faſſen. Es geſchah. Der Wein war gut, die Speiſen, die zum Theil
ſchon auf dem Tiſch ſtanden, reizten; man trank ſich wacker zu, die Kellner
liefen dienſtfertig hin und her; kurz, in wenigen Minuten ſoupirten wir
vortrefflich, das undankbare Männergeſchlecht hatte die daheim harrenden
Damen bald vergeſſen und Zorn und Liebe, Aerger und Sehnſucht
er=
tranken im goldenen Naß des Weins.
Wohl eine Stunde war ſo vergangen. Immer lebhafter ertönte aus
dem Ballſall die Muſik, während Trinklieder bereits aus den
weinbe=
feuchteten Kehlen an unſerem Tiſch erſchallten. Luſtiges Kreiſchen und
Jauchzen drang, anfangs kaum hörbar, dann ſtärker und ſtärker zu uns
herein, Geräuſch von Tanzenden.
Was war das ? Waren die Damen endlich doch gekommen? Hatten
ſie, entrüſtet über die Vernachläſſigung durch die Männer, unter ſich den
Ball eröffnet? Waren das Rufe verzweifelter Luſtigkeit, womit ſie den
Schmerz ihrer Seelen übertäuben wollten? Ich ſchauderte, und vom Muth
der Verzweiflung getrieben, ſtürzte ich in den Saal.
Welch ein Schauſpiel!
Tänzer waren da und Tänzerinnen! Aber das waren nicht unſere
Damen, nicht die erwarteten! Da waren keine Fächer, keine Kränze, keine
Schärpen und Handſchuhe; da flogen nicht die Schöße des ſchwarzen
Fracks - nein, Hausknechte, Diener, Köchinnen, Hausmädchen ſchwangen
ſich munter umher, unbekümmert um die trauernden Herrinnen und die
pflichtvergeſſenen Männer. Ein wahrer Hexenſabath ſchien hier gefeiert
zu werden, und ich kam mir faſt vor wie Beelzebub, der Oberſte der
Teufel, als müßte ich die ganze tolle Wirthſchaft kommandiren.
Die Sache klärte ſich bald auf. Lange hatten die Damen zu Hauſe
auf die abgeſchickten Männer vergebens gewartet. Endlich hatten ſie die.
Geduld verloren; Eine nach der Anderen ſchickte die Dienerſchaft in den
„blauen Engel”, nach den Männern und dem Ball zu ſehen. Die Leute,
durch die luſtige Muſik gelockt, keinen von den Herrſchaften in dem weiten
Raum erblickend, benutzten die Gelegenheit zum Tanz, und überraſcht,
ver=
wundert, erſtaunt ſahen wir, was da vorging.
Was beginnen? Die Meinungen waren getheilt, die Köpfe zum Theil
Redaction und Verlaa: L. C.
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erhitzt. Einige wollten in Zorn und Wuth die Tanzenden von dannen
jagen, Andere wollten nichts übereilen, erſt berathen; die jungen Leute
hatten große Luſt, ſich unter die Tanzenden zu miſchen. Der
Oberamt=
mann Himps gab endlich den Ausſchlag. Es ſei am beſten, die Leute
gewähren zu laſſen und die Sache möglichſt zu vertuſchen, inzwiſchen aber
die angebrochnen Flaſchen ganz zu leeren - eine Aufforderung, der
in=
zwiſchen ſchon einige Unverheirathete zuvorgekommen waren. Das gute
Beiſpiel fand Nachahmung, und bald ſaß Alles wieder, trotz des
Wider=
ſtrebens Einzelner, am Tiſch und pokulirte weiter.
Doch „mit des Geſchickes Mächten iſt lein ewger Bund zu flechten,
und das Unglück ſchreitet ſchnell u Plötzlich verſtummte die Muſik und der
Lärm nebenan. Todtenſtille! Da rüttelt es an der Thür zum
Speiſe=
ſaal; wir ſpringen ängſtlich auf — der Schwarm der Tänzer war zerſtoben,
und die Frau Brauereibeſitzerin und die Frau Apotheker, die Frau
Amt=
mann und die Frau Bürgermeiſter ſtellen ſich unſeren Blicken dar, zum
Theil mit verweinten Augen, mit gerötheten Wangen, mit drohenden
Blicken, hinter ihnen noch ein Dutzend Damen, Gattinnen, Mütter,
Schweſtern, Couſinen. Sie waren gekommen, um ſelbſt zu ſehen, ſelbſt
zu hören.
Welch ein Ozean von Vorwürfen, welch eine Flut von Thränen,
welch ein verzweifeltes Händeringen! Abſichtlich hätten wir dieſen
Spek=
takel veranlaßt, ſie beleidigt, gekränkt! Was half alles Proteſtiren
unſererſeits? Das Uebel ward nur ärger. Entſchuldigungen, Bitten,
Mahnungen — Alles umſonſt! Es war eine tolle, tragikomiſche Scene.
Ich wünſchte, die Erde möchte mich verſchlingen; aber ſie hatte kein
Mitleid mit mir. Da gab es ein Dämon den Muſikanten ein: ſie ſpielten
einen Galopp, ſchnell, ſchneller, das war kaum noch Spielen, ſie raſten
gleichſam auf den Inſtrumenten, bald ohne Takt; dazwiſchen Schreien,
Weinen, Schluchzen - verzweifelte Ehemänner entflohen ihren zornigen
Frauen, gekränkte Frauen wandten ſich kalt von ihren Männern, die wirre
Geſellſchaft begann ſich zu löſen - es war ein Kehraus, wie er ſelten
einen Ball geſchloſſen haben mag.
Aber, wer zum Teufels, ſchrie der Brauer mit Stentorſimme ſeine
Frau und fünf Töchter an, „wer hieß Euch auch, nicht die Erſten auf
dem Ball ſein zu wollen? Davon kommt all' das Unheil her!
Da ſprach ſie das verhängnißvolle Wort, ſie, die Frau Kreisphyſikus,
den Händedruck unter dem Tiſch vergeſſend:
„Der war es, der, der Doltor! Er ſagte, daß es in der
Reſi=
denz ſo
Man erlaſſe mir das Weitere. Der Blitzableiter für das Gewitter
war gefunden, kalte und warme Schläge - natürlich nur bildlich
ſchlugen auf mich ein. Ich war der Schuldbeladene unter Teterow's
Nation, der Paria unter den Zürnenden! Man wandte ſich von mir,
der ich betäubt, vernichtet, zerknirſcht daſtand. Höhniſch verließen ſie mich
Alle, Alle - nur der Aſſeſſor ergriff mich mitleidig am Arm und zog
mich mühſam mit ſich fort.
Feindſchaft und Zwiſt herrſchte ſeit dieſer Stunde in den Mauern
Teterows. Familienbande waren zerriſſen, uralte Freundſchaften gingen
zu Grunde, Mütter enterbten ihre Söhne, Gattinnen ließen ſich ſcheiden,
Männer verließen die Heimath, Bräute den Bräutigam, Linchen Pieſeke
ſang am Klavier acht Tage lang: „Meine Ruh iſt hin, mein Herz iſt
ſchwer!”
Bierundzwanzig Stunden ſpäter ſaß ich in dem alten gelben
Poſt=
wagen und rumpelte der Reſidenz zu.
In Teterow war ich unmöglich geworden.
Darmſtädter
hiſtoriſche Rleinigkeiten.
Mitgetheilt von W.
7. Der Marktplatz.
In der Katzenelnbogenſchen Zeit, alſo vor etwa 406 Jahren, war
der Marktplatz von Darmſtadt an der Eiche, wo das alte Rathhaus, das
jetzige „grüne Laub', ſteht. Als Georg 1. das jetzige Rathhaus baute,
ſing er auch an, den jetzigen Marktplatz anzulegen. Dort aber ſtanden
damals eine Anzahl Häuſer, die entfernt werden mußten. So wurde
1579 ein Pferdeſtall, der vor dem Schloſſe ſtand, angekauft und
umge=
riſſen, 1584 des Pfarrers Burger von Trebur Behauſung für 1700 fl.,
des Bürgers und Schmiedmeiſters Seibert Haus für 230 fl., der
Land=
ſchreiberin Haus für 2200 fl. Auch ſpäter ſtanden noch Häuſer dort, bis
im Jahre 1637 das letzte derſelben, welches dem Stadtſchreiber Joh.
Joach. Breidenſtein gehörte, für 4400 fl. verkauft wurde. Der Platz
dort erſcheint in den Acten öfters als „Breidenſtein'ſcher Platz= Im
Jahr 1669 wurde der Marktplatz vom Landgraf Georg II. der Stadt
geſchenkt unter der Bedingung, daß ſie ihn pflaſtern und im Stande halten
wolle, und der damalige Erbprinz, ſpäterer Landgraf Ludwig VI.,
ver=
ſprach der Stadt, wenn ſie dieß thue, den Brunnen darauf auf ſeine Koſten
nzierlich machen zu laſſen”
Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.