im
rag= und
Anzeige=Blatt.
1867
Dienſtag den 19. Februar
N. 8.
Das Frag= und Anzeigeblatt, die Beilage hierzu, ſowie das Verordnungsblatt für den Kreis Darmſtadt erſcheinen wöchentlich; Erſteres Samſtags die Beilage
Dienſtags und Letzteres Donnerſtags. Jahres=Abonnement der drei Blätter zuſammen 2 fl. Auswärts kann man bei allen Poſtämtern abonniren. In Darmſtadt Bei
der Expedition, Rheinſtraße Nr. 23 neu.
Darmſtadt, am 16. Februar 1867.
Betreffend: Die Ergänzung der Feldtruppen, hier die Verwendung von Nicht=Excapitulanten=Einſtehern.
Das Großherzogliche Kreisamt Darmſtadt
an die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien.
Da der Bedarf an Einſtehern für die Ergänzung des laufenden Jahres noch nicht gedeckt iſt und ungediente Einſteher in größerer Zahl zur
Verwendung kommen werden, ſo wollen Sie in Ihren Gemeinden bekannt machen, daß diejenigen Leute, welche zum Einſtehen Luſt haben, ſich
ohne Verzug bei uns anzumelden hätten.
In Verhinderung des Kreisraths:
Strecker, Regierungsrath.
Darmſtadt, am 16. Februar 1867.
Betreffend: Die Ergänzung der Feldtruppen im Jahre 1867; insbeſondere nicht erſchienene Leute.
Das Großherzogliche Kreisamt Darmſtadt
an die Großherzoglichen Bürgermeiſtereien Arheilgen, Beſſungen, Darmſtadt, Eſchollbrücken, Griesheim, Nied er=Ramſtadt, Ober=Ramſtadt,
Pfungſtadt und Traiſa.
Sie wollen den nachſtehend aufgeführten Militärpflichtigen, welche bei der Muſterung des Jahres 1866 ohne Entſchuldigung ausgeblieben und
deßhalb zum Erſtmarſchiren beſtimmt worden ſind, bekannt machen, daß ſie ſich am 1. April d. J. bei Großherzoglichem Commandement der Reſidenz
zur Nachmuſterung und, nach Befund, zur Dienſtabgabe zu ſtellen hätten, widrigenfalls ſie als Refractäre behandelt werden würden. Sollten
die=
ſelben abweſend und ihr Aufenthaltsort unbekannt ſein, dann wollen Sie deren Angehörigen oder Vormünder von der erwähnten Vorladung in
Kenntniß ſetzen.
In Verhinderung des Kreisraths:
Strecker, Regierungsrath.
1) Karl Ernſt Chriſtoph Andres von Arheilgen,
2) Karl Andres,
„
3) J. Adam Schneider
„
4) Georg Heinrich Lutz
„ Beſſungen,
5) Gg. Ludw. Chriſtian Joh. Peter
Hch. Marſteller,
„
„
6) Conrad Meß
„
7) Wilh. Ludwig Karl Chriſtoph
Bauer
„ Darmſtadt,
8) Chriſtian Auguſt Benner „ „
9) J. Heinrich Büttel
„ „
10) Wilhelm Dietrich
„
„
11) J. Karl Emil Frank
„ „
12) Friedr. Franz Lud. Handſchuh „ „
13) Georg Chriſtoph Har
„
„
14) Georg Ernſt Kränkel von Darmſtadt,
15) Karl Ludwig Friedrich Kröh „
„
16) Wendel Wilhelm Metzger „
„
17) Felix Ludw. Albert Metzinger„ „
18) Herrmann Jacob Münch „ „
19) Adam Rückert
„
„
20) Karl Wilh. Franz Schüler „
„
21) Dietrich Paul Schwab
„
„
22) Franz Ludwig Täufer
„
„
23) Eduard Fried.Chriſtian Wieſe ,
„
24) Gg. Karl Theodor Chriſtian Wolf,
"
25) J. Philipp Wolz
von Eſchollbrücken
26) Heinrich Roth
Griesheim,
27) Adam Gernand
28) Ludw. Vernh Reinheim er„
„
29) Wilhelm Straub, von Griesheim,
30) Wilhelm Geher
„ Nieder=Ramſtadt,
31) Adam Keller,
„ Waſchenbach,
32) Ernſt Emich
Ober=Ramſtadt,
33) Adam Crößmann
von Pfungſtadt,
34) Heinrich Diehl
„
„
35) Friedr. Chriſtoph Dillmann,
„
36) Martin Drott
„
„
37) Wilhelm Fels
„
„
38) Konrad Grünig
„
39) Wilhelm Grünig
„
40) Ludwig Emil Schul;
„
„
41) J. Heinrich Beſt
„
„
42) J. Heinrich Feigk
„
43) Wilhelm Stähly
„ Traiſa.
Verſteigerungen.
888) Das Abſetzen von circa 500 Stück
Akazienbäumen auf der Straße von hier nach
Mainz in den Abtheilungen von Nr. 17 bis
Nr. 29 ſoll auf dem Soumiſſionswege vergeben
werden. Der Voranſchlag und die Bedingungen
liegen Freitag den 22. Februar l. J. Vormittags
von 8 bis 12 Uhr auf dem Büreau
Großherzog=
lichen Kreisbauamts Darmſtadt zur Einſicht offen
und müſſen die Anerbietungen längſtens Samſtag
den 23. l. M. Vormittags um 10 Uhr verſiegelt
und frankirt mit der Aufſchrift „Soumiſſion für
das Abſetzen der Akazienbäume auf der Straße
von Darmſtadt nach Mainz; daſelbſt
abgege=
ben werden.
Darmſtadt den 15. Februar 1867.
Großherzogliches Kreisbauamt Darmſtadt.
Stockhauſen.
982a)
Holz=Verſteigerung.
Nächſten Montag den 25. Februar d. J.
Nach=
mittags 2½ Uhr läßt Oeconom Peter
Naff=
ziger in ſeiner Wohnung (vormals
Oberſtlieu=
tenant von Kopp'ſchen Gute) Frankfurter Straße,
nachſtehende Holzſortimente unter den im Termin
bekannt gemacht werdenden Bedingungen öffentlich
verſteigern:
1) Pappelſtämme 183 Cubikfuß enthaltend,
2) Roßkaſtanien 201 Durchmeſſer, 10 Länge,
3) Nußbaum 50 Cubikfuß,
4) Rothbuchen 131 Durchmeſſer, 18= Länge,
161
5) Eſchen
25 „
„
17„
6) Ahorn
25 „
„
7) Hainbuchen 12½
12 „
„
Daͤrmſtadt, den 18. Februar 1867.
Der Vorſteher Großherzoglichen Ortsgerichts
Darmſtadt. Berntheiſel.
983) Holz=Verſteigerung.
Mittwoch den 27. d. Mts. Vormittags 9 Uhr
werden auf dem Rathhauſe zu Beſſungen 243
Stecken kiefern Scheidholz, 6000 Stück Wellen
und 850 Gebund Ginſtern aus den Waldungen
des Großherzoglichen Landeshospitals, Diſtrict
„Eichbaumeck' und „Hospitalwaldä der
Ober=
förſterei Beſſungen, zur Verſteigerung kommen.
Donnerſtag den 28. d. Mts. Vormittags 9 Uhr
werden 3818 Cbfß. kiefern Stammholz aus dem
Diſtrict „Eichbaumecku an Ort und Stelle (
un=
mittelbar an der Einmündung der Bergſchneiſe
in die Eſchollbrückerſtraße) verſteigert.
Hofheim, den 15. Februar 1867.
Der Großherzogliche Hospitalrentmeiſter am
Landeshospitale.
Dittmar.
8
30
881)
N.8.
Faͤſſer=Verſteigerung.
Donnerſtag den 21. d. Mts. Vormittags 10 Uhr
werden im Hauſe des Herrn Bankier Joſeph Mainzer, Ludwigsplatz, weingrüne Fäſſer,
als: Stück und ½ Stück, Ohm, ½ Ohm und ¼ Ohm, 2 Bütten und ſonſtige
Keller=
geräthſchaften gegen gleich baare Zahlung öffentlich verſteigt.
M. Neuſtadt, Pezgeo-.
(Hofheim). Die Lieferung von:
53 Ohm Petroleum,
1 Ohm Mohnöl,
1 Ohm geläutertem Rüböl,
100 Pfd. Stearinlichter,
50 Pfd. Schnupftabak Rapé de Naney Nr. 3.),
500 Pfd. ordinärem Rauchtabak (Gail),
100 Pfd. leichtem Canaſter,
10 Malter dörren Zwetſchen,
800. Pfd. Reis,
1000 Pfd. Melis und
300 Pfd. ſpaniſchen Faden=Rudeln
ſoll auf dem Summiſſionswege vergeben werden
und ſind Muſter nebſt Preisangaben bis zum
1. März d. J. portofrei an die unterzeichnete
Stelle einzuſenden.
Hofheim, den 15. Februar 1867.
Der Großherzogliche Hospitalmeiſter
am Landeshospitale:
Dittmar.
984)
Feilgebotenes.
693) Ein in dem ſchönſten mittleren Theile
der Neuſtadt gelegenes Haus iſt billig zu
ver=
kaufen. Nähere Auskunft ertheilt J. Gerſt.
6is)a-Auf Waſch=Maſchinen
592)
Breite Linſen,
mittel, ditto,
ganze Erbſen,
gerolte ditto,
weiße Bohnen,
ſind in beſter
weichkochen=
der Lnalttat villigſt zu
haben bei
Carl Handk,
obere Eliſabethenſtraße Nro. 6.
835)
Zum Feueranmachen:
Trockene tannene Klötzchen per Ctr.
48 kr. frei in's Haus geliefert bei
A. Schuchmann, untere Grafenſtr. I.
985) Zwei= und dreijährige Spargelpflanzen,
Bur, Weinreben, wilde Reben, Baum=u.
Roſen=
ſtangen billig zu verkaufen. Auch wird Garten=
Arbeit angenommen bei H. Schubkegel,
Gärtner, gr. Schwanengaſſe 35.
werden zur größeren Bequemlichkeit rechtzeitige
Poſt=Beſtellungen pünktlichſt ausgeführt.
Beide Maſchinen verliehen per Tag 30 kr.
Für Bringen und Holen zuſammen 12 kr.
Carl Rogen, Beſſ. Carlsſtr. 90.
beſte Qualität per Glas
8 Eiopommade 9. 15. 18. 24. 36 und
48 kr. nur allein ächt bei
Ludwigsplatz. W. Schäfer, Friſeur,
E4 neben Hrn. Kaufmann Roſenheim. 20
Gedörrte Zwetſchen per Pfund 8 und 10 kr.
Türkiſche
14 „
„
Reines Speiſeöl per Schoppen
17 „
986) Faml Störger Sohn, Kirchſtr. 25.
987)
BochuGlors
Ausgezeichnete Qualitätl habe in Zapf
ge=
nommen, ſowie Pfungſtädter Bier bringe
in empfehlende Erinnerung.
Carl Stork, Ernſt=Ludwigsſtraße.
988) Soeben wieder eingetroffen:
Vermiethungen.
138) Bleichſtraße Nr. 46 nächſt des
Bahn=
hofs ein möblirtes Zimmer nebſt Bedienung
gleich beziehbar, 3r Stock.
410) In der Rheinſtraße, im
Lange'ſchen Hauſe Nr. 19 auf der
Sommerſeite, ein ſchönes großes
Logis in der bel-Etage, beſtehend
d. 10 Zimmern mit Balcon=Salon,
Glasabſchluß und allen ſonſtigen Bequemlichkeiten,
im Ganzen, oder getheilt, am 28. März
oder auch früher zu beziehen.
Nöthigenfalls mit Stallung.
558) Ein möblirtes Zimmer zu vermiethen.
obere Waldſtraße 7 eine Stiege hoch.
618) In der Alexanderſtraße Nr. 13 iſt zu
vermiethen: Die mittlere Etage im Vorderhauſe,
beſtehend aus 5 großen Zimmern, Magdſtube,
Speicher, Keller, Holzſtall, Antheil an der
Waſch=
küche ſowie am Bleichplatz und allen ſonſtigen
Bequemlichkeiten. Beziehbar Anfangs Mai.
Elias Neu.
676) Ecke der Louiſenſtraße Nro. 2 neu iſt
die 3. Etage, beſtehend aus 5 in einander gehenden
Zimmern mit Abſchluß, Magdſtube, Boden, Küche,
Keller, Mitgebrauch der Waſchküche und allen
ſonſtigen Bequemlichkeiten, zu vermiethen und
Anfang Mai beziehbar. Näheres bei A. Neu,
Alexanderſtraße Nr. 13 parterre.
784) Promenadenſtraße Nr. 9 ein Theil
des 3. Stock's, beſtehend in 3 großen Zimmern,
Küche, Speiſe= und Magdkammer, nebſt den
da=
zu gehörigen Boden= und Kellerräumen iſt an
eine ruhige Familie bis 15. Mai beziehbar zu
vermiethen. L. Harres, Hofmaurermeiſter.
919) Ein eleganter Salon nebſt 3-4
daran=
ſtoßenden Zimmern mit Möbeln ſind alsbald zu
vermiethen. Stallung kann dazu gegeben werden.
Zu erfr. bei E. Albert, Tapezier, Rheinſtr. I.
922) Schützenſtraße Nr. 8. zwei Treppen hoch,
1 freundliches Zimmer nach der Straße.
924) Neckarſtraße Nr. 15 ein kleines möblirtes
Zimmer und Cabinet, monatlich 5 fl.
926) Marktplatz Nr. 4 in der dritten Etage
ſind 4 bis 5 Zimmer mit Zugehör an eine
ruhige Familie zu vermiethen.
Des alten Schäfer Thomas ſeine 18. Prophezeihung
Für die Jahre 1863-68.
Preis 4 kr.
Höhler'is Buch=,Kunſt= und Muſikalien=Handlung.
Waſchmaſchizen und Wäſcheauswindemaſchinen
werden verkauft und verliehen.
Das ſo vielfach begehrte Waſchpulver iſt von jetzt an ſtets zu haben, per Pfund 24 kr.,
2 Pfund 12 kr. Dasſelbe hat Seifeerſparniß zum Zweck und bietet bei der Hand= und
Ma=
ſchinenwäſche erhebliche Vortheile. Es iſt nicht zu verwechſeln mit verſchiedenen andern Producten
dieſes Namens, welche Chlorkalk und andere die Wäſche angreifende Stoffe enthalten.
Beſtellungen auf Waſchmaſchinen werden auch entgegengenommen Ernſt=Ludwigsſtraße
Nr. 14. im Laden des Herrn Vergolder Ritſert.
989)
W. Hoeser, Marienplatz Nr. 7.
990)
Geſchäfts=Verlegung.
Hiermit die ergebenſte Anzeige, daß ich meine Wohnung in der Waldſtraße verlaſſen und
unnmehr Rheinſtraße 13, gegenüber dem Darmſtädter Hof, wohne. Dankend für das mir ſeither
geſchenkte Vertrauen, bitte ich daſſelbe mir auch in meinem neuen Locale zu Theil werden zu laſſen.
Zugleich empfehle ich mein Lager in Parfümerien, ſowie alle Toilette=Gegenſtände.
Abonnementskarten zum Haarſchneiden und Friſiren billigſt.
H. Danb, Friseur.
933) Der untere Stock des Fey'ſchen
Wohn=
hauſes in der Kranichſteiner=Straße Nr. 18 nebſt
den dazu gehörigen Oeconomiegebäuden und dem
201 O.=Klftr. enthaltenden Garten iſt zu
ver=
miethen.
Außer dem zum Haus gehörigen Garten ſind
zwei unmittelbar daran ſtoßende 140 reſp. 127
O=Klftr. enthaltende Gärten, mit getrenntem
Eingange verſehen, zu vermiethen.
Die Gärten ſind mit vielen edlen Obſtbäumen
bepflanzt und haben eine vorzügliche Bodencultur.
Täglich einzuſehen und geben Auskunft die
Bewohner des dritten Stockes des genannten
Hauſes, ſowie auch Bahnmeiſter Fey, wohnhaft
Bahnhofs=Straße Nr. 1.
991) Im 2. Stock ein ſehr freundliches
Lo=
gis, 4 Zimmer, daranſtoßende Küche,
abgeſchloſſe=
nem Vorplatz und ſonſtigen Bequemlichkeiten, bis
zum 15. Mai beziehbar, zu vermiethen.
A. Federlin, Carlsſtraße 42 neu.
992) Ludwigsſtraße Nr. 20.
Ein ſchöner Laden mit Logis zu
ver=
miethen.
31
Vermiſchte Nachrichten.
993) Dienſtliche Rückſichten erfordern es,
die bei dem unterzeichneten Poſtamte abgegebenen
Vollmachten zur Empfangnahme und Quittirung
von Poſtſendungen ohne Ausnahme vom 1. April
l. J. ab als erloſchen zu betrachten.
Indem wir dieß zur öffentlicheu Kenntniß
bringen, geben wir anheim, neue Vollmachten,
zu welchen das Formular durch Vermittelung der
Briefträger und Packetbeſteller unentgeldlich
be=
zogen werden kann, auszuſtellen und uns zu
überſenden.
Darmſtadt, am 15. Februar 1867.
Großherzogliches Poſtamt Darmſtadt.
In Verhinderung des Poſtmeiſters:
Boetticher Poſtſecretär.
Lehrkurs der Stenographie.
Um verſchiedenen Aufforderungen nachzukommen,
werde ich Dienſtag den 5. März d. J.
einen neuen Lehrkurs der Stenographie eröffnen
Der Unterricht findet im Lokal des Stenographen=
Vereins, Mädchenſchule hinter der Stadtkirche,
Dienſtags und Freitags Abends von 5-6 Uhr
ſtatt, und koſtet der ganje Kurs 5 fl. pränumerando.
Indem ich namentlich die Schüler der hieſigen
höheren Lehranſtalten hierzu einlade, bitte ich,
die Theilnahme vorher in meiner Wohnung,
runde Thurmſtraße Nr. 11 (am Arreſthaus)
an=
zuzeigen und bemerke, daß junge Leute von
12 Jahren an beitreten können.
Die Wichtigkeit der Stenographie für jede
Lebensbeſchäftigung tritt täglich klarer hervor
und darf ich deshalb wohl einer zahlreichen
Betheiligung entgegenſehen.
L. Hahn;
1942
2. Vorſt. d. Gabelsberger Stenographen=Vereins.
M.8.
995)
Heidenreich von Sieboldſche Stiftung.
Der unter dem hohen Patronate Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzeſſin Ludwig
von Heſſen ꝛc. ſtehende Verein der Heidenreich von Siebold'ſchen Stiftung für arme
Wöchnerinnen in Darmſtadt und Beſſungen hat am 13. Februar ſeine nach den Statuten feſtgeſetzte
Jahresverſammlung abgehalten, in welcher über die Wirkſamkeit und die Vermögensverhältniſſe
des Vereins Bericht erſtattet und Rechenſchaft abgelegt wurde.
Die huldvolle Jnitiative der hohen Patronin der Stiftung Ihrer Königlichen Hoheit der
Prinzeſſin Ludwig, betreffend eine neue und erweiterte Wirkſamkeit des Vereins, wurde mit
freudigem Danke begrüßt und einſtimmig dem Frauenvorſtand zur Ausführung anheimgegeben.
Nach dem Rechenſchafts=Bericht des Frauen=Vorſtandes betrug die Einnahme im Jahr
1866, ohne den Geldwerth der vorräthigen Bekleidungsſtücke, 464 fl. 48 kr.; die Ausgabe an
103 Wöchnerinnen 455 fl. 14 kr.; bleibt Vorrath in der Kaſſe des Vorſtandes 9 fl. 34 kr.
Nach dem Bericht des Rechners des Vereins betrug die ordentliche Einnahme 431 fl.
12 kr., die außerordentliche an Geſchenken und Kaſſevorrath 119 fl. 434 kr., in Summa 550 fl. 554 kr.;
die Geſammt=Ausgabe 548 fl. 43 kr.
Das Capital=Vermögen der Stiftung beträgt nach dem Rechnungsnachweis 8356 fl. 4 kr.,
gegen 8252 fl. zu Ende 1865.
Geſchenke erhielt im vorigen Jahre der Verein: von Herrn Kaufmann Karl Merck 50 fl.,
von Frau Marie Merck 50 fl., von dem verſtorbenen Herrn General=Lieutenant von Bechtold 10 fl.,
von einer ungenannten Dame durch Herrn Generalſtabsarzt Dr. Heidenreich 4 fl. 40 kr., von einer
ungenannten Dame durch Herrn Hofgerichtsrath Dr. Stüber 2 fl., von einer Ungenannten durch
Frau Kaufmann Wenck 1 fl. - Summa 117 fl. 40 kr.
Den Frauen und Jungfrauen, welche dem Vereine mit ſchätzenswerther Hingabe Arbeiten
geliefert haben, wird hiermit ebenſo herzlich gedankt, wie dem Vorſtande des Hülfsvereins für
Krankenpflege und Unterſtützung der Soldaten im Felde für das Geſchenk aus dem Reſtmaterial
gebrauchter Leinwand.
Darmſtadt, den 18. Februar 1867.
Mitglieder des Vorſtandes: von Grolmann, Frau des Majors; M. Merck, Wittwe
des Ober=Medicinalraths, Präſidentin; M. Reuling, Wittwe des Regierungsraths;
C. Römer, Frau des Rentners; Fräulein Minna Schenck; P. Wenck, Frau des
Kaufmanns, 2te Präſidentin.
Stellvertreterinnen: Frau Dr. Diefenbach; Frey, Wittwe des Regierungsraths;
von Jungenfeld, Frau des Regierungsraths; Strecker, Frau des Regierungsraths;
Fräulein Schwarz; Frau Schatzmann, Wittwe des Hofgerichts=Advokaten.
Mitglieder des Verwaltungsraths: Klein, Rentner; Dr. Heidenreich, General=
Stabsarzt; Ritſert, Stadtpfarrer, Präſident: Wilhelm Schwab, Rentner, Rechner;
Dr. Stüber, Hofgerichtsrath, Secretär; Dr. Verdier, prakt. Arzt, Controleur;
Dr. Weber, Leibarzt.
Die Saamenhandlung
von J. H. Gchnecherger im Rathhaus
iſt vorläufig jeden Dienſtag, Donnerſtag
und Samſtag des Morgens von 8 bis 12 Uhr
und in einiger Zeit jeden Tag des Morgens
geöffnet. Preis=Courante der Saamen werden
gratis ertheilt.
[863
994)
Vorträge
zum Beſten der Invalidenſtiftung
im Saale der höheren Töchterſchule.
Dienſtag den 19. Februar Abends um 6 Uhr.
Vortrag des Hrn. Dr. Mar Rieger.
Gegenſtand: Die Sage von der Götter=
Dämmerung.
Eintrittskarten ſind in der Buchhandlung von
Joh. Waitz, ſowie an der Kaſſe zu haben.
po e r
Wiſſenſchaftliche Vorrage
im Saale der höheren Töchterſchule,
Grafenſtraße,
Anfang Abends 7 Uhr.
J. Vortrag: Mittwoch den 20. Februar
Herr Hofgerichts=Advohat Dr. Franck.
Gegenſtand: Anlage und Schickſale der
Burgen an der Heſſiſchen
Bergſtraße.
Tageskarten zu 36 kr. ſind in den
Buchhand=
lungen der Herren Jonghaus, Diehl und
Schorkopf und in der L. C. Wittich'ſchen
Hofbuchdruckerei zu haben.
141)
(Line junge gebildete Dame wünſcht
3 1 Clavier= und Zeichnen=Unterricht in
und außer dem Hauſe zu ertheilen. Wer? ſagt
die Expedition d. Bl.
Berliniſche Lebens=Verſicherungs=Geſellſchaft.
Die Berliniſche Lebens=Verſicherungs=Geſellſchaft übernimmt fortwährend Verſicherungen auf
das Leben einzelner und verbundener Perſonen zum Betrage von 100 bis 20,000 Thlr.
zu billigen Prämien, und gewährt den bei ihr mit Anſpruch auf Gewinn (Tabelle A.) verſicherten
Perſonen zwei Drittel des reinen Gewinnes der Geſellſchaft.
Nähere Auskunft über die verſchiedenen Verſicherungs=Arten wird im Büreau der Geſellſchaft,
Spandauer Brücke Nr. 8, ſowie von ſämmtlichen Agenten derſelben bereitwilligſt ertheilt, bei
wel=
chen auch Geſchäfts=Pläne unentgeldlich entgegengenommen und Verſicherungs=Anträge jederzeit
an=
gemeldet werden können.
(865
Darmſtadt, den 12. Februar 1867.
Heyer, Haupt=Agent.
1
Eife
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EiksigiEilslensligi-Aslts-aGl
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M
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949)
große
Mittwoch den 20. Februar findet die erſte große Tanzſtunde in dem Saale des
H Gaſthofes zur Traube ſtatt, und bringe dieſes meinen Schülern und Schülerinnen zur
H.
ergebenſten Anzeige. Da am Eingang des Saales keine Billete verabreicht werden, ſo bitte
H.
ich, dieſelben von Montag den 18. an in meiner Wohnung abzuholen.
Schulkindern iſt der Eintritt nicht geſtattet.
Die Fremden=Billete werden Mittwoch den 20. ausgegeben.
Anfang präcis 7 Uhr.
A. Haiuſeld,
Großherzoglicher Hoftanzlehrer.
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GSliutznti.
Aiasiusngnrz
AatautzauznhiisuiiusutlltuAlutsuzgiisut,
r.
Anmeldungs=Bureau für Handwerker
die Stelen suchen,
Neben meinem Commiſſions= 8 Stellen=Geſuchs=Comptoir männlichen und
weib=
lichen Dienſtperſonals, habe ich in Folge Aufhebung des Zunft= und Herbergsweſens ein
Anmel=
dungs=Büreau ſtatutenmäßig errichtet, wo ſich die Arbeitſuchenden Handwerker aller Branchen
bei mir einſchreiben laſſen können und gegen geringe Vergütung Arbeit nachgewieſen wird.
Ich ſtelle aber auch an hieſige und auswärtige Meiſter und Fabrikanten die freundlichſte Bitte,
mich in meinem neuen Unternehmen, was gewiß Anklang finden wird, zu unterſtützen, und bei
Be=
darf von Perſonal ſich bei mir zu melden, wo Ihnen ſofort tüchtige Arbeitskräfte zu Gebote ſtehen.
996)
TD. ValDer, Eck der Schulſtraße.
[ ← ][ ][ → ] 32
961)
R. 8.
EURTa OUR
zu einer
ſeyeralversammlung des Handelsverehns
Unk Ca1 Medd”
Mittwoch, den 20. Februar 1867, Abends 7 Uhr
im Gartenſaale des Darmſtädter Hofs.
Tagesordnung: 1) Vortrag des Herrn Wm. Schwab über
Eiſenbahn=Anlagen.
2) Beſprechung über die Erbauung einer
Eiſen=
bahn von Darmſtadt in den Odenwald.
Bei der Wichtigkeit des Gegenſtandes erlaubt ſich der Vorſtand des
Vereins die ſämmtlichen Angehörigen des Handelsſtandes von Darmſtadt
zur Theilnahme an dieſer Verſammlung einzuladen.
Darmſtadt, den 15. Februar 1867.
Der Vorſtand des Handels=Vereins.
Die Ackerbauſchule zu Denklingen, Rabz. Cöln,
nimmt nächſten April neue Zöglinge auf. Nähere Auskunft ertheilt bereitwilligſt
997)
Der Director: R. Feckelsherg.
998)
Arbeiter=Bildungsverein.
Stiftungsfeſt mit Ball
Samſtag den 23. Februar Abends 8 Uhr im großen Ritſert'ſchen Saale.
Karten für Nichtmitglieder ſind im Lokale ſowie Abends an der Kaſſe zu haben.
685) Einen Lehrling ſucht
Philipp Röder, Schloſſermeiſter,
Bleichſtraße 27.
847) Eine im Weißzeugnähen und
Kleider=
machen geübte Arbeiterin hat noch einige Tage
in der Woche frei. Soderſtraße Nr. 9, 1 Treppe.
Zwanzig tüchtige Mechaniker
finden dauernde und lohnende Arbeit in der
Nähmaſchinenfabrik von
(871
Jos. Wertheim in Frankfurt a. H.
WEn Kater ſelbroh har ſich ver=
4 laufen. Der gütige Bringer erhält eine
4 gute Belohnung. Mathildenplatz Nr. 1. (828
g
955) Ein Burſche von 14-16 Jahren kann
dauernde Beſchäftigung erhalten bei
G. L. Waigandt, Vergolder, Grafenſtr. 19.
959)
Steindrucker=Geſuch.
Ein in jeder Manier erfahrener Drucker wird
zum baldigen Eintritt geſucht in der lithogr.
Druckerei von C. Welzbacher.
963) Ein gut erhaltenes gebrauchtes
Kinder=
wägelchen wird zu kaufen geſucht. Von wem ?
ſagt die Expedition d. Bl.
966)
Geſucht,
eine Wohnung mit 7 bis 8 Zimmern, - Zimmer
für Dienſtboten, Waſchküche ꝛc. ꝛc.; beſonders
aber den Genuß des Gartens.
Adreſſe: An die Expedition dieſes Blattes.
972) Eine Gartenhütte wird zu kaufen
geſucht. Von wem ? ſagt die Exped. d. Bl.
999) In eine Landhaushaltung wird ein
Mäd=
chen geſucht, das kochen kann, gegen guten Lohn.
Näheres Rheinſtraße 17, Seitenbau.
1000) Empfehlung.
Da mein Aufenihalt nur noch wenige Tage
dauert, ſo bringe ich mein ſchon ſeit 21 Jahren
her bekanntes Geſchäft ganz ergebenſt in
Erinne=
rung, daß ich die Reparaturen an Glas, Porzellan
dahier wieder übernehme; auch mache ich neue
Henkel an Taſſen und Kannen, ſowie neue Knöpfe
auf Deckel u. ſ. w. Das Porzellan, das ich bohre
und verniete, iſt an Dauerhaftigkeit dem neuen gleich.
Schmutzigen Alabaſter ziehe ich ab und poliere
ihn, daß er wie ganz neu erſcheint.
Fr. Rndloſk aus Halberſtadt.
Wohnung bei Hrn. Fornoff, Gaſtwirth,
große Ochſengaſſe, vormals Glöckner'ſches Haus.
„
G
GLae
1001) Die Rechnung über Einnahme und
4 Ausgabe für den am 2. Februar d. J.
ab=
gehaltenen Oeconomen=Ball liegt acht Tage
lang im goldnen Anker zur Einſicht offen.
Das Comité.
Oaaaeo
H..
1002) Eine Lehrerin, welche billigen Klavie P
Unterricht ertheilt, wird geſucht. Grafenſtraße
Nr. 27 Hinterbau 1 Stiege hoch.
1003) In die Loge Nr. 7 werden 2 halbe
Plätze geſucht. Näheres auf der Expedition.
TLLAaeL.X.Liel
1004) Dem Ueberbringer eines aus dem
Hauſe Nr. 10 in der Neckar=Straße ent=
4 flogenen grünen Papagais eine gute Be= h
g lohnung!
LLOl
Großherzogliches Hoftheater.
Dienſtag. 19. Febr. 13. Vorſtellung in
der V. Abonn.=Abth. Zum Erſtenmal:
Die Fran in Weiß. Drama in 3
Abtheilun=
gen und 5 Akten, nach Wilkin Collins Noman
von Charlotte Birch=Pfeiffer.
Von Darmſtadt abgehende Bahnzüge:
Nach Frankfurt: Nach Heidelberg:
9 25 9 15
11 15 S=3. 12 2 30 135 C. Z. 6— 4 12 S.=Z. 11 40 6 30
9 15 ach Mainz: Nach Aſchaffenburg. 5 30 5 S.=Z.
7 7 40 9 30 9 20 11 10 C.=Z. 1 35 2 30 4 25 C. 3. 6 20 6 25 11 5 9 10 S=Z.
6090) Wir empfehlen als ſehr zweckmäßig und überſichtlich:
Wüus=Daſelu über Ankuufk und Abgaug ſämmtlicher Eiſenbahnzüge dahier
im Winterfahrtenplan 1866-1867,
welche ſich namenlich für alle Geſchäfts=Büreaux, Canzleien, Wirthſchafts=Localitäten ꝛc. als beſonders praliſch erweiſen dürſten.
Preis: aufgezogen 9 kr. - unaufgezogen 4 kr.
L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.
4; pCt. Schwed. Staats-Obligationen v. 1860, 4 pCt. Graf Schönborn-=Buchheim v. 1845,
4½ pCt. Schwarzenburger „
4 pCt. Herzogl. Weimar
„1
4 pCt. Pürst Waldeck
5 pCt. FürstPaul Esterhaay v. Galantha v.1863 Préiburger Fs. 15. Loose,
4½ pCt. Grat Albert Sataray v. 1840,
Verloosungs-Anzeiger von Obligationen, Eisenbahn-Prioritäten und Loosen.
BE Nachſolgende Loose una Obligationen sind zur liehung gekommen:
4½ pCt. Freiherr Georg von Orezy v. 1842,
Nassauer fl. 25. Loose,
½ 5 pCt. Russische Prämien=Loose v. 1864,
Stadt Augsburger fl. 7. Loose,
Die am 1. März fälligen Staatsbahn-Prioritäten-Coupons werden mit Agio bereits eingel=
4½ pCt. Württemberger mit 97½-98, Badenser 97, 4 pCt. Hessen 95 im Verkehr.
Graf Pappenheim fl. 7. Loose,
Fürst Cary fl. 40 Loose,
8t. Genois fl. 40. Loose,
5pC. Elisabeth. Eisenbahn. Prioritäten I. und
II. Emission.
ö8t.
Ferdinand Wolſskehl.
[ ← ][ ][ → ]
Darmſtadt und die Eiſenbahnen.
II.
Das Iutereſſe an Darmſtadt.
Die Ordnung unſeres Eiſenbahnweſens nach den angeblichen
Forder=
ungen des Weltverkehrs, führt geradezu zur Weltverkehrung und ſo
ſchließ=
lich zur verkehrten Welt. Alſo, wirft man uns vor, nach unſerer
Auf=
faſſung gebe es gar kein gemeinſchaftliches Intereſſe, und wir predigten
den beſchränkteſten Localpatriotismus! Nur gemach, ihr Herren! Die Jdee
mit dem Weltverkehr iſt wie eine Seifenblaſe, groß und gewaltig
anzu=
ſchauen, ſtößt man aber nur mit einer Stecknadelſpitze hinein, ſo zerplatzt
die Geſchichte und es bleibt ein ganz kleines Tröpfchen zurück; dies
Tröpf=
chen Wahrheil geht dahin, daß, je wichtiger ein Theil iſt, deſto größer das
Intereſſe des Ganzen au ihm wird; um zu dieſem Gemeinplatz zu gelangen,
brauchte man uns aber wahrlich nicht den Umweg über den Weltverkehr
machen zu laſſen.
Was das Intereſſe von Darmſtadt bei dem Ban der Starkenburger
Bahnen iſt, liegt ſo klar daß wir uns heute dabei gar nicht aufhalten wollen;
dem der darüber noch Skrupel hat, empfehlen wir das Nachſinnen über das
Problem, das jenem Profeſſor ſo viel Kopfzerbrechen koſtete, wie es
näm=
lich komme, daß die großen Flüſſe immer an den großen Städten
vorbei=
fließen! Wer aber ein Intereſſe an Darmſtadt hat, an ſeinem Verkehr und
Wohlergehen, damit wollen wir uns zunächſt beſchäftigen.
Vor Allem wohl wir Darmſtädter ſelbſt und wir ſind zum Glück
nicht wenige; zuſammen mit Beſſungen wohlgezählte 36,000 Seelen, alſo
etwa der ſiebente Theil der ganzen Provinz, die Dieburg=Höchſt ꝛc.
Bahn muß daher ſchon ordentlich in dem Lande umherziehen bis ſie wieder
an ſo viel Heſſen=Darmſtädtern vorbei kömmt, wie ſie hier in Darmſtadt
zuſammen ſind und nun ganz einfach in die Ecke geſetzt werden ſollen, ja
wir fürchten ſehr, wenn man alle Ortſchaften die dieſe Bahn durchziehen
würde, wie eine Perlenſchnur an einanderreihen könnte, daß wohl eine höchſt
merkwürdige, aber lange noch nicht ſo bevölkerte Stadt zu Stande gebracht
würde wie Darmſtadt. Und nun ſollen wir nach den neueſten
Bahnprojec=
ten gar keine Berückſichtigung finden; es ſcheint daß wir nach der Meinung
gewiſſer Leute ganz zwecklos da ſind, ſo eine Art von Milz in dem
heſſi=
ſiſchen Organismus, die man ohne allen und jeden Schaden erſtirpirt oder
ausſchneidet. Dieſem Exſtirpationsverfahren wollen wir Darmſtädter
uns denn doch in unſerem eigenen Intereſſe auf das Aeußerſte widerſetzen, es
hängt jetzt noch über uns wie eine finſtere Drohung; ſollen wir warten,
bis ſie zur unabänderlichen Wirklichkeit geworden iſt, zu einer
immerwähren=
den Auklage gegen unſere zu ſpät erkaunte Gleichgültigkeit, die noch Enkel
und Urenkel erheben würden? Zu ſpät iſt ein furchtbares Wort! Hüten
wir uns, daß es uns nicht bald ſpottend von unſeren ſiegreichen
Conkur=
reuten zugerufen wird. Laſſen wir nicht thatlos und gleichſam im Schlafe
um unſere Verkehrsentwickelungen den Strick legen, mit dem ſie, wenn auch
nicht erdroſſelt, doch ſo tüchtig zuſammengeſchnürt werden ſoll, daß
wir für alle Zukunft damit genug haben würden. Die gebratenen
Eiſen=
bahntauben werden uns ohnedem nicht in den Mund fliegen, Opfer müſſen von
allen Seiten gebracht werden aber wir zweifeln keinen Augenblick darau,
8.
33
daß ſich die Liebe der Darmſtädter zu ihrer Vaterſtadt - und zu ſich ſelbſt
glänzend bewähren wird.
Allein nicht blos wir Darmſtädter haben ein Iutereſſe an dem
Ver=
kehr unſerer Stadt; ſie iſt für die ganze Umgegend wie ein großes
Reſervoir, von dem durch tauſend Canäle Fruchtbarkeit und Gedeihen
aus=
geht; ja der Schlag der gegen ſie geführt wird, fällt auf eine große Menge
von Ortſchaften nieder, deren Bewohner abhängig ſind von den ſpeziellen
Verhältniſſen der Stadt Darmſtadt. Wollte man alle die Fäden verfolgen,
die von hier ſich ausſpinnen, ſo würde man erſt die ganze Wichtigkeit
un=
ſeres Platzes erkennen. Man ſtelle ſich doch einmal des Morgens an die
Thore und ſchaue die Schaaren von Arbeitern und Verkäufern und
Ver=
dienſtſuchenden jeder Art die hereinſtrömen, ſo wird man einen greifbaren
Beweis finden, daß es nicht unſere Stadt allein iſt, die ein Intereſſe an
ihrem Wohlergehen hat.
Und dann laßt uns doch ein wenig von unſern Nachbarn lernen, von
den Offenbachern und Mainzern. Was würden wir wohl zu hören
bekom=
men, wenn wir ganz ſchüchtern daſelbſt fragten, wer wohl ein Intereſſe an
dem Aufblühen von Offenbach und Mainzhätte? Oweh, wie würde es
über uns hergehen, zum Mindeſten würde man uns einen ganz verrotteten
Reſidenzler und Reaktionär heißen; wie artig hat man dort die Redensarten
bei der Hand, daß an dem Gedeihen ihrer Städte das Wohl des
Großher=
zogthums hänge, daß ihre Steuerkraft die Kaſſen des Landes fülle - und
Recht haben ſie, das iſt nicht zu bezweifeln, und wenn ſie ſagen, daß jede
Auslage die das Land für ſie macht, ſich ihm doppelt und dreifach erſetzt
ſo iſt das die reine Wahrheit. Ganz daſſelbe kann aber Darmſtadt auch
mit Stolz von ſich anführen, auch Darmſtadt kann an die Taſche ſchlagen
und von ſich rühmen welche gewaltige Summe es an Steuern aufbringt;
ſein Steuerkapital das ſich bis jetzt von Jahr zu Jahr vermehrt hat,
be=
trägt für 1867 nicht weniger als 700,000 fl.1 Wir Darmſtädter ſind
gutherzige Leute, die auf einen Spaß eingehen auch wenn er nach und nach
ſchaal wird und ſo laſſen wir uns das hergebrachte Spotten über die
Oed=
heit der Darmſtädter Straßen gefallen, ſind ſie auch ſchon lange belebter,
wie die mancher Nachbarſtadt; wenn man uns aber noch heute im Ernſte
den Cadetten und den Acceſſiſten, die nach dem Sprüchwort, auf der
Rhein=
ſtraße herumwimmeln ſollen als die wahren Schildhalter des Darmſtädter
Wappens aufoktroyiren will und Eiſenbahnprojecte entwirft, als gebe es gar
kein Darmſtadt und keinen Darmſtädter Verkehr und wir müßten wie
ſelbſt=
verſtändlich auf die Seite treten, wenn Höchſt und König und Hetzbach in
den Weltverkehr aufgenommen werden wollen, ſo reißt uns doch zuletzt der
Ge=
duldsfaden. Darmſtadt bezieht ſich einfach auf die Größe ſeines Verkehrs,
auf die Anzahl ſeiner Bewohner, auf die Höhe der Steuerquoten die es dem
Staate bezahlt, danach läßt ſich ſeine Wichtigkeit für das Land bei Heller
und Pfennig berechnen und damitauch die Berückſichtigung die nach allen
volks=
wirthſchaftlichen Grundſätzen bei der Schaffung neuer Verkehrswege ihm zu
Theil werden muß.
Das Intereſſe an Darmſtadt iſt ein gemeinſchaftliches für
Stadt und Provinz und Land und ſo wird uns der Staat, hoffen
wir, in ſeinem eigenen Intereſſe die Hungerkur erſparen auf die uns
gewiſſe Beſtrebungen freundlichſt und mit der unſchuldigſten Miene von der
Welt ſetzen wollen.
Ein Seemannstraum.
Fortſetzung.)
Das iſt Neuhork, guter Freund! Neuhork iſt es, die große
Rieſen=
ſtadt mit ihren 700,000 Einwohnern ihren prächtigen Straßen, ihren
kaſernenartigen Häuſern, ihrem Reichthume und ihrer Armuth. Das iſt
die Heimath des großartigen Schwindels, der Tummelplatz der „Runners:
der „Rowdiess. Ehrlicher Landmann aus dem lieben Schwabenlande
bangt dir nicht? Wird es dir nicht weich ums Herz, wenn du jetzt deine
Familie überblickſt und nachdenkſt, ob denn nicht auch dir, wie es oftmals
ſchon geſchah, bald die blühende Tochter entführt, bald im Gedränge ein
kleiner Knabe entriſſen werden könnte? Siehſt du nicht, wie ſchon jetzt
drei oder vier Kähne mit jenen „Rowdiess unſer Schiff umſchwirren, um
ein Tau, das nachläſſig über Bord hängt, behend abzuſchneiden? Bemerkſt
du nicht, wie die Mannſchaft vor allen Dingen bemüht iſt, alles, was
nicht niet= und nagelfeſt iſt, an Bord zu ziehen, wie an vielen Theilen
des Schiffes Wachen aufgeſtellt werden, damit nicht einer jener Burſche
an Vord klettere?
Allein ſchon iſt die Sanitätspolizei an Bord, paarweiſe ziehen ſchon
die Paſſagiere an deren Officianten vorbei, alle in ihrem Sonntagsſtaat,
um einen günſtigen Eindruck zu machen. „Der Cäſar braucht keine
Qua=
rantäne zu liegen, er ſoll nur tüchtig geſcheuert und durchräuchert werden!
lautet der Ausſpruch der Beamten. Doch nun ſchnell wieder zurück an
die Brüſtung, denn ſchon nahen ſich Boote mit Lebensmitteln, mit friſchem
Brod, friſchem Gemüſe, und dort in dem einen bemerke ich einen ganzen
Keller voll Rum= und, was die Hauptſache iſt, voll Bierflaſchen! Und
trügt mich mein Auge nicht, ſo ſchießt dort ein ſchmuckes Boot, von vier
kräftigen Negerfäuſten gelenkt, mit Melonen, Ananas, Kokosnüſſen und
andern Südfrüchten herbeil Das iſt ein Leben! Theuer werden die
Lebensmittel gekauft, aber ſie werden gekauft! Ja, dort bringt der Kapitäu,
der ſich hat ans Land rud rn laſſen, ein ganzes Kalb mit! Victoria,
morgen gibt's halbe Rationen friſchen Fleiſches!
Doch dem Anblick ſolcher Scenen ſich lange hinzugeben, hat die
Schiffsmannſchaft unmöglich Zeit. Jetzt werden die Segel feſtgemacht, das
Schiff gefegt, geſcheuert, durchräuchert und in den ſchmuckſten Zuſtand
ge=
bracht und nun haben wir armen geplagten Seeleute endlich einen vollen
Ruhetag vor uns, denn morgen iſt Sonntag. Ach, hätte doch auch ich
dieſen Sonntag ſonntäglich begehen können! Dazu aber hatte ich keine
Muße, ich packte meine Sachen ein, denn nach vielfachen Beſprechungen
mit den Matroſen, mit Roſalien und ihren Verwandten war es in mir
feſter Entſchluß geworden, bei nächſter Gelegenheit - zu entfliehen und
mit ihnen in ihre neue Heimath zu ziehen. Wie dieß aber zu
bewerk=
ſtelligen ſein würde, überließ ich gern einem günſtigen Zufalle, jedenfalls
ſtand es bei mir feſt, ehe ich das Schiff verließ, in Neu=York einen
Be=
kannten meiner Aeltern, der ſeit einer Reihe von Jahren ſich dort
nieder=
gelaſſen hatte, zu beſuchen und ihn, falls ich meinen Freunden nicht nach
Ohio würde nachfolgen können, um ſeinen Rath und Schutz zu bitten.
Unter ſolchen Gedanken packte ich das Nothwendigſte in meine Koffer
zu=
ſammen und verſteckte das, was ich zurückzulaſſen die Abſicht hatte, an
einem paſſenden Ort, um es, falls ich doch wiever gefangen würde,
wieder=
zufinden.
9
[ ← ][ ]34
Wir hatten New=Yorker Polizei an Bord, die jeden Verſuch der
Runner, an Bord zu kommen und die= unerfahrenen „grünen: Deutſchen
theils jetzt ſchon zu beſtehlen, theils ihnen ihre Adreſſen aufzudringen, um
ſie in der Stadt deſto ſicherer zu berauben, energiſch zurückwieſen. Doch
konnten ſie es nicht verhindern, daß die Runner in einer Anzahl Boote
in einer Entfernung von 10-12 Fuß vom „Cäſar” Halt machten, die
Einwanderer an Deck riefen, ihnen ſogar ihre Namen, die ſie, Gott weiß
woher, erfahren hatten, nannten und ſie aufforderten, ſich in New=York
dort und dorthin zu wenden, weil ſie dort am ſicherſten vor Betrügerei
und den „god damnede Rowdies wären. Mauche der unerfahrenen
Paſſagiere gingen denn auch wirklich in die Falle und ich will, um ſpäter
nicht den Lauf der Erzählung aufzuhalten, ein Beiſpiel anführen, wie
jene Plage der armen in Amerika ankommenden Deutſchen zu verfahren
pflegt.
Es hat die „Deutſche Geſellſchaft” in New=York, welche namentlich
für die Ankommenden ungemein ſegensreich wirkt, ein großes Haus bauen
laſſen, wohin außer den ankommenden Deutſchen und den Steuerofficianten
Niemand Zutritt hat, das alſo die Einwandernden, ſo lange ſie ſich
inner=
halb deſſelben befinden, ſchützt. Vor den Ein=und Ausgängen aber lagern,
wie ein hungeriges Volk in den Zeiten der Theuerung vor einem
Brod=
magazin die Runner und erwarten mit Ungeduld, bis ſich endlich die Thür
aufthut, um ſich ihrer Opfer mit geringer Mühe bemächtigen zu können,
denn die Polizei wagt ſich, wie ſie wiſſen, ihnen entweder gar nicht zu
nahen oder erſcheint, wie dieß in New=York Sitte zu ſein ſcheint, erſt nach
vollbrachtem Raube, nach beendetem Verbrechen.
Nun rief ein ſchmucker Mann aus einem Boote ein Mädchen, Namens
Bertha Weber, durch die andern Paſſagiere an die Brüſtung und erjähte
ihr in rein ſchleſiſchem Dialekte, denn die Nunner ſprechen alle deutſchen
Mundarten ausgezeichnet, daß er von ihrem Bruder den Auftrag erhalten
habe, ſie bis zu deſſen Ankunft, die ohnfehlbar in einigen Tagen erfolgen
werde, in ſeiner Wohnung zu beherbergen. Zugleich plauderte er mit ihr
von dem Dorfe in Schleſien, wo ſie geboren, und wußte ſo viel
Familien=
geſchichten, die er, wie ſich ſpäter ergab, aus ihrem Bruder herausgelockt
hatte, daß ſie bereitwillig und ohne Zaudern auf ſeinen Vorſchlag einging,
ſich an einem beſtimmten Orte vor dem Einwandererhauſe einzufinden.
Vergeblich riethen ihr die Steuerleute und die Matroſen, die das Treiben
der Runner kannten, ab, ſie blieb ihrem Verſprechen treu, ſie ſtellte ſich,
kaum in Amerika angekommen, dem Runner, der ſie nebſt ihrem Gpäck
in eine Spelunke ſchaffte, aus der ſie zwei Tage nachher in ſchlechten
Kleidern, ohne alle Habe an Vord des Cäſar zurückkehrte. Hier fand ſie
ihren Bruder, der ſchon ängſtlich alle bekannten Schenken New=Yorks nach
ihr durchlaufen war. Ich werde nie den Ton jener Worte vergeſſen, mit
welchen dies unglückliche Mädchen mit rothgeweinten Augen, mit abgehärmten
Wangen vor ihren Bruder trat:
„Meine Ehre, mein Hab' und Gut - alles verloren” ſchluchzte ſie.
Der beſchämte und tief entrüſtete Bruder zog ſie weg, um den Augen
der Matroſen nicht länger ein für ihn und ſeine Schweſter gleich
pein=
liches Schauſpiel zu laſſen.
Solche und ähnliche Geſchichten, die man dort kaum der Erwähnung
werth hält, werfen allerdings kein freundliches Schlaglicht auf die ſittlichen
Zuſtände in dem freien Amerika und tragen nicht wenig dazu bei, die
Freude vieler Einwanderer, endlich an dem langerſehnten Ziele ihrer
Hoff=
nungen zu ſtehen, merklich herabzuſtimmen.
Boote alſo, um wieder den Faden meiner Erzählung aufzunehmen,
voll ſolcher Burſche, umſchwärmten den ganzen Tag unſern Cäſar, ja, wir
mußten ſogar des Nachts gegen ſie auf unſerer Hut ſein.
Indeſſen, es kam der Morgen und es beganuen ſich, da die Paſſagiere
uns jetzt verlaſſen ſollten, die Scenen zu wiederholen, die ſich mir ſchon
bei der Einſchiffung in ſo bunter Abwechſelung aufgedrängt hatten.
Dies=
mal aber war ich nicht mehr der ſorgenloſe, ruhige Zuſchauer, der die
Erſcheinungen, wie ſie ſich ihm eben darbieten, auf ſeine Seele wirken
läßt, dießmal verband ich mit jedem Stück Gepäck, das ich heraufwand,
das Verlangen, ich könnte ebenſo leicht das meinige auf den neben uns
haltenden Dampfer bringen, dießmal ſchickte ich jeder halben Stunde,
welche die Schiffsuhr anzeigte, die Hoffnung nach, daß ſie mich dem Ende
meiner Sklaverei näher gebracht haben möchte. Oefters ſchlich ich mich
zu Roſalien hin und ſprach ihr und mir Muth ein, es rückte ja immer
näher die Stunde des Abſchieds, vielleicht auf Nimmerwiederſehen!
Aber ſiehe dal Es ſteigt, von den kräftigen Fäuſten der Matroſen
emporgezogen, die letzte Tonne aus dem Raume hervor, auf ihr ſitzt unſer
Bootsmann, phantaſtiſch mit rother Jacke, blauen Hoſen und weißem
Halb=
hemdchen bekleidet und geſchmückt mit einem Gürtel, der reich mit Muſcheln
geziert iſt, und einer Mütze, auf der eine Reiherfeder ſchwankt. Hoch wird
er, bis zur erſten Raa, unter ſchallenden Geſängen auf der Tonne, auf
der er reitet, emporgewunden, dort gebietet er Ruhe, ſchwenkt ſeine Mütze
und ruft endlich mit einer wahren Löwenſtimme: „Heppl Heppl Heppl
Hurraaahln Die ganze Schiffsmannſchaft des Cäſar fiel begeiſtert ein
und fand einen kräftigen Wiederhall in den Paſſagieren, die ſich bereits
auf dem Dampfſchiff befanden. Aber jetzt werden die Taue losgebunden,
die Räder bewegen ſich bereits langſam ſchaufelnd im Waſſer und der
Dampfer ſtößt ab. „Nun ade, ihr lieben Seelen! Viel Glück im neuen
Vaterlande!
„Glückliche Heimkehr! Einen Gruß an Deutſchland!”
„Ade, ade!
Und die Tücher wehen und winken - dahin, vorbei!
Nun aber begann auf dem Cäſar wieder das alte, thätige, ruhige
Leben, bis der Lootſe auf einem ſogenannten Tow=boat, d. h.
Bugſir=
dampfer erſchien, daſſelbe vor den Cäſar ſpannte und nun den Lauf des
Tow=boat durch den ungeheuern Maſtenwald, von welchem Neuhork
um=
geben iſt, kunſtgerecht lenkte. Kaum aber hatten wir unſern Cäſar an
eine der ſogenannten Pieren gelegt (das ſind große Holzdämme, die in
beſtimmter Entfernung vom Strande auslaufen und an die ſich die Schiffe
anlegen, um leichter ein= und ausladen zu können), ſo ſtürzte ſogleich ein
Dutzend Runner an Bord und machte ſich an die Mannſchaft, um ſie
zum Deſertiren zu verleiten. Die Steuerleute durften ſich nicht dagegen
ſtemmen, wenn ſie nicht Händel haben wollten, der Kapitän war ohnehin
in Geſchäften abweſend und ſo brachten die Nowdies in der nächſten Nacht
vier von der Mannſchaft des Cäſar zur Deſertion. Auch an mir wollten
ſie einen Fang machen, ich kannte ſie jedoch ſchon vom Hörenſagen,
ver=
mied ſie ganz und beeilte mich, dem Herrn, welchem ich durch einen
Brief empfohlen war, einen Beſuch abzuſtatten und mich in die
lang=
entbehrte Landkleidung zu werfen. Ich ging alſo in meinem beſten Staate
aus Land und wurde, als ich nur eine kleine Strecke gegangen war, ſchon
müde, da mir nach der ſieben Wochen langen Reiſe das Gehen auf feſtem
Lande doch einigermaßen befremdlich vorkam. Nach einigem Umherirren
in der freinden Stadt hatte ich endlich das Haus meines Dresdener
Freundes, des Klempnermeiſters Eiſe erreicht. Er nahm mich freundlich
auf und verſprach mir, als ich ihm meine Noth geklagt und meinen
Ent=
ſchluß, derſelben zu entgehen, mitgetheilt hatte, mich die nächſte Nacht
vom Cäſar abzuholen und für mich, da er nicht dafür ſtehen könne, mich
meinen Bekannten zuzuführen, wenigſtens ſorgen zu wollen.
Mit dieſen Verſprechungen und mit neuen Hoffnungen kehrte ich an
Bord des Cäſar ſpät in der Nacht zurück.
Gortſezung ſolgt)
Dil=Sith, eine der vielen im Steinsl=Diſtrict Nordamerilas entſtandenen Städte,
iſt jetzt 4 Jahre alt und hat bereits 9009 Einw. Die ganze Stadt iſt nichts als eine
lange krumme Straße, welche zwiſchen dem Fluß und der hohen, ſchroffen Hügelreihe,
die denſelben einfaßt, gebaut iſt. Auf dieſem kleinen Streifen Landes machen
Nieder=
lagen, Holzhöfe, Hotels, Läden, Reſtaurationeu, Branntweinſchenken und Oelbrunnen
einander den Platz ſtreitig. Dicht neben einem Schuapsladen, in welchem die Leute
rauchen und trinken, iſt ein Brunnen in voller Thätigkeit und erfüllt die Luft mit ſeinem
ſo leicht entzündlichen Gas; auf ſeinen fettigen Brettern lieſt man in großen Buchſtuben:
„Hier darf nicht geraucht werden. Dann kommt wieder ein kleines Stückchen Trottoir,
auf dem der Fußgänger, wenn auch nicht über Schmutz, doch über dem Waſſer und dem
Oel ſich befindet. Jenſeits deſſelben liegen Reihen von Steinölfäſſern; etwas weiterhin
arbeiten Leute an dem Durchbrechen eines Felſens zu einem Hauſe, welches außerhalb
des Schlamms erbaut werden ſoll, während andere ſich wieder Wohnungen auf
Pfahl=
werk über dem Fluſſe bauen, und ſo gut es eben angeht das Manerwerk und das Dach
durch eiſerne Klammern miteinander zu befeſtigen ſuchen. Ueberall am Ufer entlang liegen
im Schlamme ſtecken gebliebene Kähne, die unter dem pomphaften Titel„Speiſeſäle= als
Reſtaurationslokale dienen. Geht man weiter, ſo kommt man zu den Kleiderläden, die
man an den vor ihren Thüren, auf dem Trottoir oder mitten auf der Straße liegenden,
weggeworfenen Lumpen erkennt. Niemand kauft Kleidungsſtücke, ſo lange die, welche er
trägt, noch auf dem Leibe halten, und iſt dieß nicht mehr der Fall, ſo kleidet man ſich
bei dem Kaufmann, wo man gerade kauft, um, und wirft das ganze Stück, welches man
eben erſetzt hat, vor die Thüre des Ladens. Zwiſchen dieſem Schmutz treibt ſich nun
eine wimmelnde Bevölkerung herum, bekleidet mit Lumpen, weil gute Kleider nicht
an=
gewendet ſind, und mit den beſten Waſſerſtiefeln; auf den Wegen krächzen die Wagen,
die mit Oelfäſſern überladen, von keuchenden Pferden durch den Sumpf geſchleppt werden,
in dem ſie faſt jeden Augenblick verſinken; man denke ſich dabei den vorbeifließenden Strom
mit flachen Booten, ebenfalls mit Oel beladen, bedeckt; man rechne dann das Steinöl
hinzu, welches Alles durchdrungen hat, was man ißt, trinkt, berührt, was man einathmet
und man hat immer noch ein ſehr unvollſtändiges Bild von dieſer Oelſtadt, in der
mauche Meuſchen in wenigen Tagen zu Millionären geworden ſind.
Die Jugend berühmter Männer. Es iſt eine oft gemachte Erſahrung, daß
ſolche, die in der Jugend normale, fleißige, über ihre Altersgenaſſen durch Kenntniß weit
hervorragende Schüler waren, ſpäter ſich zu tüchtigen, aber gewöhnlichen Menſchen
ent=
wickeln, während das Genie in der Jugend nicht ſelten für beſchränkt gegolten hat. Der
berrühmte Naturforſcher Linns galt bei ſeinen Lehrern für einen dummen Jungen, und
ſie erklärten ſeinem Vater, er ſei nur fähig, ein Handwerk zu lernen. Der große
fran=
zöſiſche Phyſiker Arago erregte in ſeiner Jugend die ſchwächſten Hoffnungen, und konnte
mit vierzehn Jahren noch nicht leſen; dann aber entwickelten ſich ſeine Kräfte ſo raſch
und glücklich, daß er mit achtzehn Jahren in die polytechniſche Schule trat und einer der
ausgezeichnetſten Schüler derſelben ward. Newton, der gewaltige Mathematiker, einer der
ſchärfſten Denker aller Zeiten, ſaß in der Schule zu unterſt auf der vorletzten Bank.
Als der über ihm ſitzende Knabe ihn einſt verſpottete, forderte er ihn muthig zum Kampf
heraus und überwand ihn; damit nicht zufrieden, beſchloß er, ſeinen Gegner auch als
Schüler zu ſchlagen, gab ſich mit allem Eifer ans Lernen und ward der Erſte in ſeiner
Klaſſe. Robert Burns, der gefeierte engliſche Volksdichter, war ein ungelehriger Knabe
und zeichnete ſich nur durch ſeine Gewandtheit in Leibesübungen aus. Und ebenſo galt
Juſtus Liebig, der berühmteſte Chemiker der Gegenwart, als Schüler für ſchwach begabt,
weil er kein Latein lernen mochte und lieber allerlei braute und apothekerte, und jetzt hat
er ſeine ehemaligen Mitſchüler alle überflügelt.
Redaction und Verlag: L. C. Wittich'ſche Hofbuchdruckerei.