Darmstädter Tagblatt 1784


09. August 1784

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den 2. Auguſt.
Anno 1784

Num. 32.

Mit Hochfuͤrſtl.
gnaͤdigſtem
Darmſtaͤdti=
Anzeigungo
zu finden in der
Hof= und Canzley=

Heſſiſchem
Privilegio.
ſches Frag=und
vlaktgen,
Hochfuͤrſtlichen
buchdruckerey.

Victualien= und Marktpreis.

kr. Pf.
=62
Ein E Ochſenfleiſ.
6
1 Rindfleiſch
6
1 = Kalbfleiſch
6
1 = Hammelfleiſch
r Schaffleiſch =
1 Schweinenfleiſch 6
1 Schinken u. Doͤrrfl.113
1 = Speck= 15
1 = Nierenfett = 12
1 = Hammelsfett= 10
1 = Schweinenſchmalz ,14
Ein Kalbsgekroͤß = 6a8
Ein Kalbsgeluͤng= 10
Ein Hammelsgeluͤng=
1E Ochſengeluͤng =
1 Suͤlzen =
1 Bratwuͤrſt= 10
1 Leber=u. Blutwuͤrſtſs
Eine geſ. oder ger. Ochſenzung:28
Ein Kalbskopf =
Ein Hammelskopf =
Ein Kalbsfus=
fl
. kr.
26
Ein Malter Korn =
10
Ein Malter Gerſten =
Ein Malter Waizen =
30
20
Ein Malter Spelzen=
Ein Malter Hafer
Ein Malter Rockenmehl
Ein Malter Weismehl

Lr=
Ein Kumpf Hafermehl = 30
1 Kpf geſchaͤlter Hirſen
50
11 Kpf grob geſch. Gerſie 324048
1 Kpf kleingeſchaͤlterGerſten 6 80
1 Kumpf Erbſen =
16
1 Kumpf Linſen =
20
1 Maas Merz= oder Lagerbier
im Hauſe=
= uͤber die Straſe=
1 Maas Jungbier im Haus=
und uͤber die Straſe=
1 Maas Vierhefe =
1 Maas Kuh=oder Geiſemilch
1 Pfund friſche Butter = 12 13
1 Pfund Handkaͤs der beſten 6
Dieuͤbrige Handkaͤſe 4-5 Stuͤck
Eyer 7 Stuͤck vor =
Ein aufgeſetzter KumpfKartoffeln
Brodtaxe und Gewicht.
Pf. 8
Vor 2kr. Brod ſollwiege 1
Vor4kr. dito
Vorskr. dito
Vor1kr. Kuͤmelbrod ode:
Gemiſchtesbrod
Vor 2kr. dito
Vor 1 kr. Waſſerweck =
Vor1 kr. Milchweck =
Vor 1kr. Milchbrod
Ein 5=pfuͤndiger Laib, ſogenanntes
Comiß=Brod ſoll gelten 8 Kr. 2 Pf.

Fuͤrſtl. Heſſiſehe Polizeydeputation dahier,

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Bekanntmachung von allerhand Sachen,
ſo dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤglich ſind.

I. Sachen, ſo zu verkaufen.

Darmſtadt. In der Wittichſchen Behauſung im Birngarten, ſoll Montags den
23ten dieſes, Silber, Kleider, Weiözeug, Bettwerk und allerhand Hausrath, an den
Meiſtbietenden gegen baare Bezahlung verſteigt werden. Signat. Darmſtadt den 6ten
Auguſt 1784.
Von Commiſſions wegen.
C. C. Heſſe.
Montags den 16ten Auguſt naͤchſtkuͤnftig und folgende Taͤge, werden allhier im gol=
denen
Engel, Prefioſen leinen Getuich, Bettwerk, Porcellain, Spiegel, Kupferſtiche,
Gewehr, und ſonſtige Meubles, an Kanapeen, Stuͤhlen, Secretairs und dergleichen,
an den Meiſtbietenden gegen baare Bezahlung oͤffentlich verkauft= und daruͤber die ge=
druckte
Verzeichniſſe ausgegeben werden. Darmſtadt den 5ten Auguſt 1784.
Das in Graͤfenhauſen an der Hauptſtraſe gelegene Wirthshaus zum Ochſen, mit
Scheuer, noͤthigen Stallungen, einem ſehr geraͤumlichen Hof und Garten, ſoll Mitt=
wochs
den 11ten naͤchſtkünftigen Monats Auguſt, Vormittags 9 Uhr, oͤffentlich verſtei=
gert
und dem Meiſtbietenden unter geraͤumlichen Zahlungsfriſten uͤberlaſſen werden;
welches hierdurch zu jedermanns Nachricht bekannt gemacht wird, damit die Luſttragende
ſich alsdann in vorbemeldtem Ort einfinden, die wettere Bedingniſſe vernehmen und mit=
bieren
koͤnnen. Arheilgen den 23ten Jul. 1784.
H. B. Eßwein.
Bei dem Handelsmann Orttenburger, hinter dem Rathhaus, ſind neue hollaͤndiſche
Heringe, das Stuͤck 26 Kreuzer zu haben.
Ein groſer kupferner Keſſel iſt zu verkaufen. In der Buchdruckerei im Lottohauſe
iſt zu erfragen: bei wem ?
II. Vermiſchte Nachrichten.
Lichtenberg. Auf Montag den 9ten Auguſt wird die Sommer=und Winterſchaaf=
weide
in Ernſthofen, Neutſch= und Kleinenbieberauer Gemarkung in loco Ernſthofen auf
anderweite 6 Jahre verſteigt werden; welches hierdurch bekannt gemacht wird, damit
diejenige, weſche Luſt dazu haben, auf ermeldten Tag, Morgends um 9 Uhr in loco Ernſt=
hofen
ſich einfinden, die weitere Conditionen vernehmen und mitbieten koͤnnen. Lichten=
berg
den 21ten Julius 1784.
Lorch.
In dem Pfaſſiſchen Haus am Beſſungerthor ſind unterſchiedene Logis zu vermiethen,
welche ſo leich bezogen werden koͤnnen.
Bei dem Saͤckler Kirchhoͤfer hinterm Rathhaus iſt ein Logis zu vermiethen, beſtehet
in 1 Stube, 2 Kammern, Kuͤche und verſchloſſenen Holzplatz, welches ſogleich bezogen
werden kann.
Nahe an der Stadtkirche ſtehet ein Logls fuͤr elne oder zwei ledige Perſonen mit allen
erforderlichen Meubeln alltaͤglich zu vermiethen; es beſtehet in einer Stube und Kammer.
Das Weitere iſt in der Buchdruckerei im Lottohauſe zu erfragen.
Bei der mit bekannter guter Ordnung und den veſtgeſetzten Solennttsten vollzogenen
151ten Ziehung der Hochf. Heſſen=Darmſtaͤdtiſchen gnaͤdigſt garantirten Zahlen=Lotterie,
20.
81.
ſind dieſe Nummern:
aus dem Glücksrade gezogen worden. Die 218te Ziehung in Caſſei geſchiehet deu 1rten
Auguſt. Die 82te Ziehung in Marburg, den 18. Auguſt. Dte 152te Ziehung in Darm=
ſtadt
, den 25 Auguſt, und ſo fort von 3 zu 3 Wochen. Darmſtadt, den 4. Aug. 1784.
Generaldirection der Hochf. Beſſen=Darmſtaͤdtiſchen garantirten Jablenlotterie.

Angekommene fremde Herrn Paſſagiers.
Vom 31. Jul. bis den 7. Aug. 1784.
Herr Dern, Amtmann von Ulrichſtein. Herr Boͤtticher, Hannoͤpriſcher Landbaukon=
ducteur
, log. im Trauben.

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Herr Graf Callenberg, Obriſter in Hollaͤndiſchen Dienſten, vom Regiment Ihro Hochf.
Durchlaucht Prinz Chriſtian von Heſſen=Darmſtadt, log. in der Poſt.
Herr von Eſchſtruth, Juſtizrath von Heſſen=Caſſel, log. in dem Ochſen.
Herr Hanſelmann, und Herr Wenzel, Handelsleute aus Mainz, log. im froͤlichen Mann.
Herr Frey, Zahnoperateur aus Eichenbuͤhl, log. in der Kron.
Auſſer den Gaſthaͤuſern logiren:
Herr Bauer, Ober=Lazaretchtrurgus, bei Ihro Hochfuͤrſtl. Durchlaucht dem Herrn
Landgrafen von Heſſen=Caſſel, aus Hirſchfeld, log. beym Herrn Major Bauer.
Herr Sipmann, Hofrath von Wetzlar, log. bei der Frau Rath Sipmaͤnnin.
Ab= und durchgereiſte Herrn Paſſagiers.
Herr Heſſe, Konſulent von Worms, den 1. Aug. Herr Stein, Kaufmann von Frank=
furt
, eod. Herr Schürmacher, Kaufmann von Frankfurt, den 2ten. Herr
Tabor, geheimer Rath von Friedberg, den 3ten. Ihro Hochf. Durchlaucht der
Furſt Reuß, den 4ten. Herr von Wleſenhüten, Lieutenant in Würtembergt=
ſchen
Vienſten, von der Garde zu Fuß, eod. Herr Hermann, geheimer Rath
von Arholzen, den 5ten. Herr Wietter, Kammerrath in Wuͤrtembergiſchen
Dienſten, den 6ten. Herr von Bauer, Lieutenant von Frankfurt, eod. Herr
von Schwiegel, Hannoͤvriſcher Kammerherr, den 7ten.

Gebohrne, Getaufte, und Verſtorbene in voriger Woche.
Gebohrene und Getaufte.
Den 4. Aug. dem Kauf= und Handelsmann, Herrn Friedrich Ludwig Netz, ein
Toͤchterlein.
Den 5. dem Burger und Schneidermeiſter, Johann Beter Orth, ein Soͤhnlein.
Den 6. dem Fuͤrſtl. geheimen Tribunalrath, Herrn Dr. Ludwig Julius Friedrich
Hoͤpfner, ein Toͤchterlein.
Geſtorben und Beerdigt.
Den 5. Auguſt iſt aus der Armenkaſſe begraben worden: Maria Katharina, des Herr=
ſchaftl
. Kutſcher Bopps, hinterlaſſene Tochter, 50 Jahre alt.
Zuverlaͤſſige Anekdote von des Herrn Markgrafen von Baden Hochfuͤrſtl.
Durchlaucht, und einer armen Frau ().
Vor etwa einem Jahre gerieth eine arme Burgersfrau in dem Fürſtlich Badenſchen
2 Amtsflecken Schod, durch den Tod ihres Mannes in die aͤuſerſte Verlegenheit.
Baares Vermoͤgen war gar keines, wohl aber bei wenigen Grundſtuͤcken und geringem
Viehſtand dringende Schulden vorhanden, die nun doppelt ſchwer wurden, weil der
Amtmann den, leider daſelbſt noch eingefuͤhrten, hier gegen 70 fl. betragenden Toden=
fall
, mit aͤuſſerſter Strenge einforderte. Von allen Seiten gedraͤngt, weiß ſich die
arme Wittwe nicht zu helfen, laͤuft zum Pfarrer des Orts und andern Freunden ihres
verſtorbenen Mannes. Dieſe rathen ihr, eine Bittſchrift an den regierenden Fuͤrſten
aufſetzen zu laſſen, nach Karlsruhe zu gehen, aber auch ſelbſt dem Landesherrn ſie ein=
zuhandigen
. Es geſchieht; das gute Weib lauft, ihre Schuhe und Struͤmpfe zu ſpa=
ren
, mit bloſen Fuſen die acht Stunden, bis dicht an den Fuͤrſtl. Schloßgarten, der
durch eine Mauer und einen Graben von der Landſtraſe ſo abgeſondert iſt, daß man
aus dem Garten alles was auf der Straſe vorgeht, uͤber die Mauer bequem ſehen kann.
Hier ſezt ſie ſich nieder, um ihre Schuhe und Struͤmpfe anzuziehen. Gerade geht der
Markgraf mit ſeinem Erbprinzen in Garten dicht an der Mauer ſpazieren, erblickt das
Weib, und fragt: was macht ihr hier? Ach mein Herr! ich bin eine ungluͤckliche Witt=
we
,
() S. Oberrheiniſche Mannigfaltigkeiten, zweites Vierteljahr 1783.

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we, gieng hieher, und will morgen zu meinem gnaͤdigſten Fuͤrſten. Es hat mich jeder=
mann
verſichert, Er helje den Ungluͤcklichen ſo gern; ich will Ihn auch um Hulſe bit=
ten
. Wo fehlts euch denn ? fragte Carl Friedrich mit ſeiner menſchenfreundlichen
ſanften Stimme, die ſchon ſo manchen Ungluͤcklichen ſprechen lehrte, wenn er eben ver=
ſtummen
wollte. Ja mein guter Herr, dieß kann ich ihm nicht ſagen. Man hat mir
ausdruͤcklich eingebunden, meine Sachen dem Fuͤrſten ſelbſt, ſonſt Niemanden vorzu=
tragen
, denn ſonſt wuͤrde mir nicht geholfen werden. Ganz gut, aber ich bin wohl beim
Fürſten gelitten, ſagt mirs nur! ich will euch morgen Gelegenheit verſchaffen, ihn
zu ſprechen. Ja, wenn er das thun will, ſo will ich's ihm wohl anvertrauen. Sie
erzahlt ihm ihre ganze Geſchichte, und der Fuͤrſt fragt: Habt ihr keine Bittſchrift bei
euch? Ja freilich (ſie zog den Aufſatz aus dem naßgeweinten Buſen) hier iſt ſie.
Gebt ſie mir, ich will ſie dem Fuͤrſten einhaͤndigen, damit er euch morgen fruͤh ſchon
kennt. O lieber Herr ! das kann nicht ſeyn. Man ſagt uͤberdies, der Fuͤrſt habe Sol=
daten
vor ſeinem Schloß, welche die armen Unterthanen nicht vor ihn laſſen. Dies
ſoll euch nicht geſchehen. Ich will's ihm ſagen, daß er ſeinen Soldaten beſiehlt, euch
gleich vorzufuͤhren; gebt mir nur die Bittſchrift! Endlich faßt die Wittwe Zutrauen,
tritt naͤher an die Mauer und will dem Markgrafen die Bittſchriſt hinaufreichen. Al=
lein
es war zu hoch. Sie erblikt den Stock des Herrn mit einem Band, und ſagt:
Biete mir der Herr ſeinen Stock herunter, ich will die Schrift ins Band ſiecken. Der
gute Fuͤrſt thuts, und zieht einen groſen Theil des ſchweren Kummers mit der leichten
Bittſchrift am Stockband hinauf, das alle Stockbaͤnder durch dieſen Gebrauch adelte;
beſtimmt ihr auf den kuͤnftigen Morgen die Stunde, und entfernt ſich unerkannt.
Nun faͤllt dem armen Weib erſt ein, daß ſie den Namen des Mannes nicht weiß, dem
ſie ihre Schrift gegeben hatte. Sie fangt ein lautes Geſchrei an, und der Erbprinz
laͤuft noch einmal an die Mauer und fragt: Was iſt euch ? Ach lieber Herr! ich weiß
ja nicht, wie der Herr heißt, dem ich meine Schrift gegeben habe. Mein Fuͤrſt wird
mir morgen nicht glauben, mich fuͤr eine Betruͤgerin halten. Nein! gute Frau' geht
nur, ich wills ihm ſelbſt ſagen und dabei ſeyn, wenn ihr vor ihn kommt. Getroſtek
geht die Wittwe zum Rechnungsrath Dachtler, bringt dieſem den Brief vom Pfarrer
in Schod, ſagt: daß ihr ein Herr vom Hofe aus dem Schloßgarten ihre Bittſchriſt ab=
genommen
, und ſie verſichert habe, er wollte ſie dem Markgrafen einhaͤndigen, und
thr morgen Zutritt verſchaffen. Wer war es denn ? Ja, das weiß ich nicht! er ſagte
mir ſeinen Namen nicht. Er hat ein Bandelier (den fuͤrſtl. Orden) um den Hals.
Dachtler glaubte, es moͤchte der Oberſtallmeiſter v. Urkuͤll geweſen ſeyn, und ſprach ihr
zu, morgen zum Herrn zu gehen. Ja, ſagte ſie, wenn ich nur das Herz habe, mit
ihm zu ſprechen. Es hat mich zwar der Herr im Bandelier verſichert, daß der Fuͤrſt
ſchon ſo mit mir reden, daß ich Herz bekomme. Wenns doch Gottes Wille waͤre!
Morgens um 10 Uhr erſcheint das Weib vor dem Schloß, auf dem ihr beſtimmten
Platz, und die ſchon angewieſene Wache fuͤhrt ſie ſogleich in die Garderobe. Der Fuͤrſt
erſcheint, das Weib erkennt ihn, ſinkt halb in Ohnmacht, und kann nur ſagen: Herr
Gott! wenn Sie der Fuͤrſt ſind, ſo hab' ich ja geſtern mit ihnen geſprochen. Nun bie=
tet
der Herr ihr einen Seſſel, daß ſie ſich erholt, und ſagt: Ja, ihr habt mit mir ge=
ſprochen
. Ich babe eure Schrift geleſen, wollte ſelbſt euer Elend hoͤren, finde, daß
ihr mir die Wahrheit erzaͤlt habt, und freue mich, euch zu helfen. Aber hier auf der
Stelle kann ich euch keinen Beſcheid geben. Ich muß mich zuvor beim Amtmann erkun=
digen
. Gnaͤdigſter Fuͤrſt! wenn dies geſchieht, verſetzte ſie, dann duͤrfen ſie mir nichts
geben. Der Amtmann iſt gar zu hart und unbarmherzig. Sorgt nicht, ich helf' euch
gewiß! Hier habt ihr einſtweilen etwas! (Er gab ihr ein Geldgeſchenk) und ſie gieng,
mit thraͤnend ſegnendem Auge, aus den Zimmern Carl Friedrichs des Men=
ſchenfreundes
, der ſogleich die Sache unterſuchen ließ, wahr befand, und ſeinem
Rentkammereollegium den Befehl ertheilte: der armen Wittwe die ganze Forderung zu
erlaſſen.