Darmstädter Tagblatt 1924


21. November 1924

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Einzelnummer 10 Goldpfennige

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Nummer 324
Freitag, den 21. November 1924.
187. Jahrgang

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Rabatt weg. Banſtonto: Deutſche Banl und Darm=
ſtädter
8 Nationalbeni=

Die deutſche Reichspolitik.


Dr. Otreſemann in Borms.
Drahtbericht unſeres Sonderberichterſtatters.
* Worms, 20. November.
Zum erſten Male ſprach Dr. Streſemann in Worms.
Hatten doch bisher die politiſchen Verhältniſſe Reden deutſcher
Miniſter im beſetzten Gebiet erſchwert. Der größte Saal in der
alten Nibelungenſtadt, das Konzerthaus Zum Karpfen, war
ſchon eine Stunde vor Beginn der großen Verſammlung über=
füllt
. Hunderte fanden keinen Eintritt mehr. 2000 Menſchen
etwa hielten den Saal und die weite Galerie beſetzt. Auch aus
Baden und der Pfalz waren viele nach Worms gekommen, um
den erfolgreichen Leiter der deutſchen Außenpolitik zu hören.
Nach kurzen Begrüßungsworten durch den Vorſitzenden des
Kreisverbandes Worms der Deutſchen Volkspartei erhielt
Reichsaußenminiſter Dr. Streſemann
das Wort, der etwa Folgendes ausführte:
Laſſen Sie mich über die deutſche Reichspolitik
zu Ihnen ſprechen. Es hat kaum ein Jahr ſo großer Umwand=
lungen
nach außen und nach innen gegeben, wie dieſes letzte
Jahr der inneren Konſolidierung Deutſchlands, deſſen Anfang an
den Tag der Inkraftſetzung der neuen Währung zu ſetzen iſt, das
Jahr, das die Londoner Vereinbarungen gebracht hat. Das
Entſcheidende war nicht ſo ſehr
die Schaffung einer neuen Währung,
als vielmehr, daß dieſe Währung ſtabil erhalten werden konnte.
Hart war der Kampf der Theoretiker und Praktiker, die um den
Weg zu dieſer neuen Währung miteinander kämpften. Was uns
vor einem Jahre ſchlafloſe Nächte machte, das war der Gedanke:
Wird nicht der ganze Krebsgang wiederkehren, den wir in der
letzten Zeit erleben mußten? Der Kredit eines Reiches beruht
darauf, daß nicht mehr ausgegeben wird, wie eingenommen
wird. Nur durch eine rigoroſe Steuerpolitik konnten wir unſeren
Haushalt in Ordnung bringen. Der Beamtenabbau, die zahl=
reichen
neuen Steuern waren rigoros. Aber ſie waren nötig.
Ohne ſie war die Stabiliſierung der Mark unmöglich. Durch
die Stabiliſierung gewannen wir wieder das Vertrauen, des
Auslandes. Durch ſie wurde die Grundlage für die große inter=
nationale
Anleihe gelegt. Heute haben wir vielfach nicht mehr
den Begriff dafür, was 800 Millionen Goldmark bedeuten, da
unſere Zahlenbegriffe durch die Inflationszeit verwirrt ſind. Die
große Finanzreform des Fürſten Bülow im Jahre 1909 betrug
nur einen Teil des Betrages, der jetzt durch die internationale
Anleihe, die im Auslande teilweiſe fünfzigfach überzeichnet
wurde, zuſammenkam.
Mi= dieſen Fragen hängt eng
die Frage der Aufwertung
zuſammen. Das Reichskabinett iſt jetzt zu dem Entſchluß ge=
kommen
, die Aufwertungsfrage in die Hand zu nehmen. Ich
erinnere auch an die Entſchließung der Deutſchen Volkspartei
auf dem letzten Parteitag in Dortmund. Wir müſſen uns aber
vollſtändig klar darüber ſein, daß die Aufwertung durch den
Staat nur einen Bruchteil der Verpflichtungen darſtellen kann.
Die Verbindlichkeiten betragen 90 Milliarden Goldmark. Die
Verzinſung dieſer Summe würde mehr betragen, als der heutige
Etat des Deutſchen Reiches. Wir müſſen im Bereich des Mög=
lichen
bleiben, aber das Mögliche iſt auch zu tun.
In London, wo wir die internationale Anleihe ſichern konn=
ten
, haben wir keine Illuſionspolitik getrieben. Wir mußten
daran denken, daß wir uns weder auf eine militäriſche Macht, noch
auf unſere wirtſchaftliche Stellung gegenüber den anderen Natio=
nen
ſtützen konnten.
Die Entwaffnung Deutſchlands
iſt durchgeführt. Daran ändert auch nichts das eine oder andere
verroſtete Maſchinengewehr, das man irgendwo noch ausgraben
ſollte. Unſere Armee, die nur ein Siebtel der Friedensſtärke be=
ſitzt
, iſt unmodern Eine lächerliche Geſte iſt es, bloß mit der
Fauſt auf den Tiſch zu ſchlagen, wenn dahinter nicht die erforder=
lichen
Machtmittel ſtehen Früher haben wir oft den Fehler ge=
macht
, mit dem Säbel zu klirren, ohne ihn ziehen zu wollen. Wir
haben eine Machtpolitik getrieben, die keine Machtpolitik war. Zu
Bismarcks Zeit war das deutſche Volk das mächtigſte, aber auch
das ruhigſte Volk. Ich bin gewiß nicht gegen nationale Feſte und
Feiern, aber es dürfen leine Parteifeſte ſein.
Wir haben den Ruhrkampf formal verloren und verlieren
müſſen. Hunderttauſend Deutſche verließen lieber Haus und Hof,
als daß ſie ihrem politiſch onhmächtigen Vaterland die Treue
brachen. Wenn ich
die Bilanz des Ruhrkampfes ziehe
dann weiß ich genau, was uns wirtſchaftlich durch den Ruhr=
kampf
verloren ging. Aber wenn wir auch eine Milliarde im
Kampf um unſere Freiheit verloren, dann wiegt die Schale, in
der die Freiheit liegt, doch ſchwerer, als die, in der die eine Mil=
liarde
liegt.
Die Weltwirtſchaft folgt ehernen Geſetzen. Das Ausland hat
einſehen müſſen, daß es auf den deutſchen Konſum nicht verzich=
ten
kann. Darum das Sachverſtändigengutachten, darum die
Konferenz in London.
Ohne die Sanierung Deutſchlands iſt eine Geſundung der
Weltwiriſchaft undenkbar.
Wären wir ſchon während des Weltkrieges in internationale
Schuldknechtſchaft gekommen, dann hätte uns Amerika nicht unter=
gehen
laſſen. Es wäre, wie jetzt, daran intereſſiert geweſen, daß
wir lebten und arbeiteten. Mit nationalen Phraſen allein ge=
winnt
man keine Bundesgenoſſen.
Wenn wir auch die Reparationszahlung auf uns genommen
haben, ſo weiſen wir doch die Lüge der Alleinſchuld Deutſch=
lands
am Kriege mit aller Entſchiedenheit zurück.
Vergleicht man die Zeit vor einem Jahr mit dem, was un=
terdeſſen
geſchehen iſt, ſo muß man feſtſtellen, daß wir zwar keine
neuen Freiheiten erworben haben, daß aber die alten Freiheiten

wieder hergeſtellt ſind. Die Bedrückungen ſind eingedämmt. Die
Gefängniſſe geöffnet. Die Vertriebenen zurückgekehrt. Im Sach=
verſtändigengutachten
ſtand kein Wort von der Ruhrräumung,
von der Befreiung der Gefangenen. Dieſe Fragen ſollten in Lon=
don
nicht diskutiert werden. Wir beſtanden jedoch auf unſerem
Recht und erklärten, daß man Deutſchland nicht Verträge auf=
zwingen
könne, ohne auf der anderen Seite ſich auch an dieſe
Verträge zu halten. Mehr als einmal ſtand die Konferenz vor
der Kriſis. Erſt am letzten Samstag belamen wir die Konzeſ=
ſionen
, die uns die Zuſtimmung ermöglichten. Die Räumung
von Dortmund als ſolche, hat im weſentlichen den pſychologiſchen
Wert, daß endlich mit der Wiederherſtellung früherer Zuſtände
der Anfang gemacht wurde. Der Beginn der Ruhrräumung war
das Ende des Separatismus am Rhein.
Wie ſoll in einem Staat, der ſo viele Parteien hat, wie
ſeine eigene Partei verborgen trägt, eine andere Politik ge=
trieben
werden als Kompromißpolitik?
Wie ſoll eine andere Politik in der Weltpolitik möglich ſein? Wir
dürfen mit dem deutſchen Volk keine Expermiente machen und
ſagen: entweder alles oder nichts. Ebenſo wie in der Natur
nichts ſprungweiſe vor ſich geht, entwickelt ſich auch in der Politik
alles organiſch weiter. Es kommt darauf an, darauf zu ver=
trauen
, daß wir, wenn auch langſam, ſo doch ſicher vorwärts=
kommen
.
Bei dem jetzigen Wahlkampf bemüht ſich jede Partei, ſich ſelbſt
in das beſte Licht zu ſtellen. Ich glaube nicht, daß wir damit
weiterkommen. Keine Partei darf glauben, daß ſie allein be=
rufen
iſt, Deutſchland in eine beſſere Zukunft zu führen.
Alle, die wir das gleiche Ziel haben, müſſen wir uns zuſam=
menfinden
, und je einiger wir ſind, deſto leichter und ſchneller
werden wir dieſes Zel erreichen. Eine Torheit wäre es, auf
internationale Hilfe zu hoffen. Der Schnittpunkt, auf dem ſich
die Wege aller Parteien ſchneiden müſſen, muß heißen:
Deutſchland, unſer Vaterland.
Wir müſſen Achtung haben vor jedem, der ſich ehrlich durchs
Leben ſchlägt, an welcher Stelle er auch ſteht, ob er geiſtig arbei=
tet
, oder mit der Hand. Freiheit kommt nur aus Geſetzmäßigkeit
und Selbſtbeſinnung. Ungebundenheit iſt keine Freiheit. Wie
ernſt es heute um unſer deutſches Vaterland ſteht, das werden
Sie, in dieſem Wetterwinkel hier im Weſten, am beſten wiſſen.
Wir haben den Krieg verloren. Töricht, wer immer in dieſer al=
ten
Wunde bohrt. Es heißt, hineinſchauen in die Zukunft und
mithelfen am Wiederaufbau. Sorgen wir dafür, daß wir zu=
nächſt
die Grundlagen legen, für ein künftig neues und glückliches
Deutſchland. Wenn wir dieſes Reich in ſeiner neuen Größe und
Macht auch nicht mehr ſelbſt erleben dürften, ſo ſoll man wenig=
ſtens
ſpäter von uns ſagen, daß wir die künftige Größe ahnten
und den Grund dazu legten. Unſer Ziel ſei: Ein Deutſchland
hoch in Ehren, machtvoll und groß, ſo wie es einſt ein Recht hatte,
dazuſtehen nach ſeinen Leiſtungen in der Geſchichte.
Der Rede folgte nicht endenwollender, ſtürmiſcher Beifall.
Die Wirtſchaftsverhandlungen.
Verhandlungen.
* Berlin, 20. Nov. (Priv.=Tel.) Die deutſch= franzö=
ſiſchen
Handelsvertragsverhandlungen ſind nach
der Rückkehr des Staatsſekretärs Trendelenburg wieder auf=
genommen
worden. An Berliner amtlicher Stelle bewahrt
man ſtrengſtes Stillſchweigen über die dem deutſchen
Unterhändler mitgegebenen Inſtruktionen. Doch geht man
wohl nicht fehl in der Annahme, daß man auf deutſcher Seite
nach wie vor auf dem Standpunkt ſteht, daß Frankreich auf die
26prozentige Ausfuhrabgabe verzichten muß. Falſch dürfte wohl
die in der Pariſer Preſſe aufgetauchte Mitteilung ſein, daß Bot=
ſchafter
von Hoeſch an den Verhandlungen teilnimmt. Dieſe
Nachricht entſpricht unzweifelhaft dem franzöſiſchen Wunſche,
den Vertragsverhandlungen einen politiſchen Charakter zu geben.
Paris, 20. Nov. (Wolff.) Der deutſche Botſchafter in
Paris v. Hoeſch iſt heute früh von dem Abteilungsdirektor des
Miniſteriums für auswärtige Angelegenheiten Seidoux und
heute nachmittag von Miniſterpräſident Herriot empfangen
worden. Er hat den beiden Herren auf Grund der Inſtruk=
tionen
, die Staatsſekretär Trendelenburg aus Berlin mitbrachte,
Aufklärungen gegeben, die dazu geführt haben, daß die Handels=
vertragsverhandlungen
fortgeſetzt werden können. Staatsſek=
retär
Trendelenburg wird ſich zu dieſem Zweck morgen
mit dem franzöſiſchen Handelsminiſter Rainaldy in Verbin=
dung
ſetzen.
Die Militärkontrolſe.
* Berlin, 20. Nov. (Priv.=Tel.) Durch die ausländiſche
Preſſe gehen Mitteilungen, die wiſſen wollen, daß die Militär=
kontrolle
unmittelbar vor ihrem Ende ſtehe. Dieſe Nach=
richten
ſind auch in die deutſche Preſſe übergegangen und haben
bereits Grund zu Optimismus gegeben, der aber nach unſeren
Informationen unberechtigt iſt. Es iſt ſcharf zu unterſcheiden
zwiſchen der gegenwärtigen Generalinſpektion und der
allgemeinen Militärkontrolle. Von einem unmittel=
bar
bevorſtehenden Abſchluß der Generalinſpektion iſt an her
hieſigen zuſtändigen Stelle nichts zu merken. Anmeldungen über
Kontrollbeſuche laufen nach wie vor bei dem zuſtändigen Reichs=
reſſort
ein. Möglich iſt allerdings die Behauptung in der aus=
ländiſchen
Preſſe, daß die interalliierte Militärkontrolle ihren
Generalbericht bis ſpäteſtens Mitte Dezember fertigſtellt und
dem Völlerbund überreicht. Damit hätte aber lediglich die Gene=
ralinſpektion
ihren Abſchluß gefunden, ohne daß davon die
Militärkontrolle ſelbſt berührt wird. Wann dieſe ihr Ende fin=
den
wird und ob Frankreich verſuchen wird, ſie in Zuſammen=
hang
mit der Ruhrräumung zu bringen, läßt ſich im Augen=
blick
noch nicht feſtſtellen.

* Der Rücktritt
der öſterreichiſchen Regierung.
Dr. Seipel Ein Opfer ſeines Sanierungswerkes.
Von unſerem Wiener Sonderberichterſtatter.
Dr. A. N. Wien, 18. November 1924.
Die öſterreichiſche Regierungskriſe hat mit der endgültigen
Demiſſion des Bundeskanzlers Dr. Seipel und ſeines Kabinetts
ihren für weite Kreiſe der Oeffentlichkeit unerwarteten Abſchluß
gefunden. Dem Kenner der Verhältniſſe kann jedoch nur der
momentane Zeitpunkt des Rücktrittes Dr. Seipels und ſeine
unmittelbare Veranlaſſung überraſchend erſcheinen; die Demiſſion
an ſich aber iſt ein Faktum, mit dem ſchon ſeit Monaten zu rech=
nen
, deſſen Eintritt nur eine Frage der Zeit war. Die grund=
legende
Urſache für die Abdankung des bisherigen Bundes=
kanzlers
bildet ſeine Niederlage gegen die aktiven und paſſiven
Deutſchland, wo faſt jeder Deutſche in ſeinem Innerſten noch Gegner ſeiner Sanierungspolitik; Dr. Seipel iſt, um es mit einer
tragiſch=paradoxen, aber präziſen Formel zu ſagen, als Opfer
des von ihm ſelbſt initiierten und geleiteten Rettungswerkes für
Oeſterreich gefallen. Die verſchiedenen feindlichen Fronten, deren
Oppoſitionswille ſich mit den wachſenden wirtſchaftlichen Schwie=
rigkeiten
der letzten Monate in ſteigendem Maße verſtärkte
ſchwere Zerwürfniſſe in der chriſtlich=ſozialen Partei, die Unzu=
verläſſigkeit
der Großdeutſchen, die unerbittliche Feindſchaft der
Sozialdemokraten und endlich die zunehmende Sanierungs=
unluſt
weiter Bevölkerungskreiſe wurden ſchließlich über=
mächtig
und nötigten Dr. Seipel zum Rücktritt. Der unerwartet
frühe Zeitpunkt der Demiſſion erklärt ſich daraus, daß der Bun=
deskanzler
ſelbſt den Eiſenbahnerſtreik als Anlaß zum entſchei=
denden
Kampfe gegen ſeine Gegner benutzte. Der unmittelbare
Beweggrund ſeines Abganges, die ſchweren Differenzen mit
ſeinen Parteigenoſſen in den öſterreichiſchen Bundesländern,
wirkt deshalb überraſchend, weil man außerhalb des engſten
chriſtlich=ſozialen Parteizirkels über die akute Bedeutung und
Tragweite dieſes Konfliktes im unklaren war.
Dr. Seipel ſtürzte, weil die öſterreichiſchen Bundesländer es
ablehnen, verſchiedene ſchwerwiegende Verpflichtungen und
Opfer im unbedingten Intereſſe des Sanierungswerkes auf ſich
zu nehmen. Diefer Sanierungsunwille der öſterreichiſchen
Länder hat tiefliegende Wurzeln, deren Aufdeckung die ganze
Schwierigkeit und Fragwürdigkeit des Genfer Rettungswerkes
enthüllt: Die weitaus überwiegende Mehrheit der öſterreichiſchen
Bevölkerung hat ſofort nach Kriegsende die Exiſtenzberechtigung
eines ſelbſtändigen Oeſterreichs entſchieden verneint und ſtürmiſch
die Verwirklichung des Anſchlußgedankens gefordert. Dieſe
wirkliche Volksbewegung verlor mit der Fixierung der Genfer
Sanierungsbeſchlüſſe an Spannkraft und wurde realpolitiſch
utopiſtiſch, als das Rettungswerk Dr. Seipels außerordentliche
außen= und innenpolitiſche Erfolge zu verzeichnen hatte. Ein
entſchiedenes, innerlich aufrichtiges Bekenntnis zu dieſem künſt=
lich
konſtruierten öſterreichifchen Staatsweſen hat jedoch die öſter=
reichiſche
Bevölkerung niemals abgelegt; ſie betrachtete das Sa=
nierungswerk
gleichſam als das kleinſte Uebel, ohne jedoch ihre
prinzipielle Ablehnung der ihr zwangsweiſe auferlegten Selbſt=
ſtändigkeit
zu verleugnen. Dieſe ſtaatsverneinende Einſtellung
blieb in den öſterreichiſchen Bundesländern auch während der
Blütezeit der Seipelſchen Sanierungsära lebendig und mußte
ſchließlich entſcheidende Bedeutung gewinnen, als der Bundes=
Wiederaufnahme der deutſch=franzöſiſchen kanzler trotz der immer ſchwerer werdenden allgemeinen Sanie=
rungskriſe
auf Grund der letzten Genfer Beſchlüſſe im Herbſt
dieſes Jahres neue Opfer von den Ländern verlangen mußte.
Die öſterreichiſche Negierung hatte im September dieſes
Jahres in Genf die Verpflichtung übernommen, die geſamte
Staatsverwaltung zu reorganiſieren und eine Neuregelung des
finanziellen Ausgleiches zwiſchen dem öſterreichiſchen Bunde
Zentralregierung) und den einzelnen Ländern durchzuführen.
Dr. Seipel wollte nun, als er ſich anläßlich des Eiſenbahner=
ſtreiks
zum Rücktritt und einer endgültigen Prüfung ſeiner wei=
teren
Sanierungs=Chancen entſchloſſen, vor allem das Ver=
hältnis
zwiſchen Bumd und Ländern neu ordnen. Der Gedanke,
von den ihm oppoſitionell gegenüberſtehenden Fronten gerade
dieſe anzupacken, war für ihn naheliegend, weil die offiziell föde=
raliſtiſche
, in Wirklichkeit aber ſtaatsfeindliche Tendenz der öſter=
reichiſchen
Bundesländer gerade in den chriſtlich=ſozial verwal=
teten
Provinzen, vor allem in Steiermark und Tirol, dominiert.
Dr. Seipel kalkulierte offenbar folgendermaßen: Wenn ich meine
eigenen Parkeigenoſſen nicht zwingen kann, ſich den unbedingten
Notwendigkéiten des Sanierungswerkes zu fügen, dann werde
ich mit den anderen Gegnern meiner Sanierungspolitik gewiß
nicht fertig werden. Scheitern alſo meine Verhandlungen mit
den chriſtlich=ſozialen Landeshauptmännern an ihrer Unfügſam=
keit
, dang werde ich endgültig zurücktreten. Nun, dieſe Verhand=
lungen
ſind tatſächlich ergebnislos geblieben und Dr. Seipel hat
endgültig demiſſioniert.
Die Forderungen der Länder, wie ſie von ihren politiſch
führenden Perſönlichkeiten in den letzten Tagen gegenüber Dr.
Seihel vertreten wurden, laufen geradezu auf eine Zertrümme=
rung
des öſterreichiſchen Einheitsſtaates hinaus. Die Länder
venlangen volle Autonomie ihrer Verwaltung, d. h. ſie wollen
Ten Einfluß der Zentralregierung auf allen Gebieten der Admi=
niſtrative
ausſchalten, die Oberhoheit des Bundes ſoll lediglich
bezüglich des Poſt= und des Sicherheitsweſens aufrecht bleiben.
Dr. Seipel wollte und dies zeigt deutlich die Schwäche ſeiner
Poſition und die Stärke der ihm gegenüberſtehenden Partei=
genoſſen
in den Ländern dieſen Forderungen ſoweit als mög=
lich
entgegenkommen. Allein auch dieſe Nachgiebigkeit nützte
nichts, da die Länder außer ihren verwaltungsrechtlichen An=
ſprüchen
auch fininzielle Poſtulate mit allem Nachdruck geltend
machten, die Dr. Seipel als unerfüllbar zurückweiſen mußte. So
verlangen die Länder, um nur einen Punkt dieſer techniſch
komplizierten Materie zu berühren, die ſofortige Auszahlung von
600 Milliarden, die ihnen der Bund ſchon ſeit geraumer Zeit
ſchuldet. Dr. Seipel und Finanzminiſter Dr. Kienböck mußten
dieſe Forderung nur eine von vielen! entſchieden ablehnen,
da ihre Erfüllung das ganze genau ausbalancierte Budget für
das Jahr 1925 erſchüttert hätte. Es ergaben ſich auf dieſe Weiſe
in den Verhandlungen zwiſchen dem Bundeskanzler und den

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Rummer 324.

Seite 2.
Landeshauptmännern ſeiner eigeſten Partei unüberbrückbare
Differenzen, die ſchließlich mit dem endgültigen Rücktritt Dr.
Seipels endeten.
Und damit iſt das grundſätzlich bedeutungsvollſte Ergebnis
dieſer ſchweren Regierungskriſe aufgezeigt. Die Sanierungs=
politik
Dr. Seipels, des bedeutendſten und tatkräftigſten Initia=
tors
des Genfer Rettungswerkes, hat in ſeiner eigenen Partei
gar nicht zu reden von ihren ſonſtigen gefährlichen Gegnern
keinen genügenden Rückhalt mehr, der Bundeskanzler mußte da=
her
abdauken. Cine andere Politik als die Dr. Seipels erſcheint
aber in dem den ausländiſchen Kreditgebern und ihrer Kontrolle
völlig unterworfenen Oeſterreich ganz unmöglich. Wie ſoll alſo
in Oeſterreich regiert werden, nachdem der bedeutendſte, durch
ſeine Erfolge und ein europäiſches Preſtige geſtürzte Führer des
Sanierungswerkes abtreten mußte? Dieſe Frage erſcheint vor=
läufig
als unlösbares Problem. Nachfolger Dr. Seipels ſoll,
auf deſſen eigene dringende Empfehlung, ſein Parteigenoſſe Dr.
Ramek werden, Vizekanzler und Finanzminiſter höchſtwahrſchein=
lich
der bisherige Landeshauptmannſtellvertreter von Steiermark,
Dr. Ahrer, einer der ſtärkſten Vertreter der intranſigenten ſtaats=
feindlichen
Politik der Bundesländer. Dr. Seipel aber und
damit gewinnt die Sachlage ein wahrhaft chaotiſches Gepräge
bleibt Obmann der chriſtlich=ſozialen Partei. Dadurch ſcheint die
neue öſterreichiſche Regierung von Anfang an in eine denkbar
ſchwierige Situation gedrängt: Als Exponentin der chriſtlich=
ſozialen
Partei ſoll ſie zwei Tendenzen, die in ſchärfſtem Wider=
ſpruch
zueinander ſtehen, dienen und gerecht werden. Die ge=
fährlichen
Feinde, mit denen Dr. Seipel zu kämpfen hatte, wer=
den
ihr in unvermindert ſcharfer Oppoſition gegenüberſtehen,
und die mächtigen ausländiſchen Protektoren und Kontrolleure
des hilfloſen Ocſterreich werden ſie zweifellos kalt und verdroſſen
aufnehmen. Dr. Seipel iſt als Regierungschef gegangen, als
mächtiger Parteiführer geblieben. Die nächſte Zukunft Oeſter=
reichs
dirfte davon abhängen, ob er beides oder keines von
beiden ſein wird!

Die neue öſterreichiſche Regierung.
Dr. Ramek zum Bundeskanzler gewählt.
Wien, 20. Nov. (Wolff.) Der Nationalrat wählte heute
die neue Regierung in namentlicher Abſtimmung mit 91
Stimmen der Chriſtlichſozialen und Großdeutſchen gegen 60
Stimmen der Sozialdemokraten. Die Regierung ſetzt ſich nun=
mehr
folgendermaßen zuſammen: Bundeskanzler Dr. Namek,
Bizekanzler Waber (Großdeutſch), ſoziale Verwaltung Dr.
Reſch, Finanzen Dr. Ahrer, Aeußeres Dr. Mataja. Dazu
kommen die bisherigen Miniſter Schneider Buchinger,
Schürf (Großdeutſch) und Vaugvuin, die ihre Reſſorts
behalten. Die neue Regierung beſteht alſo aus 7 Chriſtlich=
ſozialen
und 2 Großdeutſchen. Bei der Verleſung des Namens
des Heeresminiſters Vangouin ertönten auf den Bänken der
Sozialdemokraten minutenlange ſtürmiſche Rufe: Pfui, Schande!
Die Chriſtlichſozialen erwiderten mit lebhaftem Händeklatſchen.
Die Sitzung wird daun zur Angelobung der neuen Miniſter durch
den Bundespräſidenten Hainiſch auf 2½ Uhr vertagt. Die Tages=
ordnung
lautet: Regierungserklärung des Miniſter=
präſidenten
Ramek und Debatte.
Die Regierungserklärung Dr. Rameks.
Wien, 20. Nob. (Europapreß.) In der Nachmittagsſitzung des
Nativnalrats ſtellte ſich das neugebildete Kabinett nunmehr dem Par=
lament
vor. Die Tribünen waren überfüllt. In der Diplomatenloge
wohnte Generalkommiſſär Dr. Zimmermann mit anderen aus=
ländiſchen
Diplomaten der Sitzung bei, dagegen wies der Sitzungsſaal
ſelbſt zahlreiche Lücken auf den Abgeordnetenbänken auf.
Das Auftreten des neuen öſterreichiſchen Bundeskanzlers geſtaltete
ſich im übrigen nicht beſonders eindrucksvoll. Dr. Ramek, eine mit=
telgroße
, ſympathiſche, noch jugendliche Erſcheinung ſprach, aber fehr=
leiſe
, ſo daß die Regierungserklärung auf den Tribünen kaum verſtan=
den
werden konnte. Nicht nur im Vortrag und in der Form, ſondern
auch inhaltlich war die Regierungserklärung, wenn man ſie mit voran=
gegangenen
Expoſeés Seipels vergleicht, eine Enttäuſchung. Die Erklä=
rung
beſchränkte ſich im weſentlichen auf die Betonung des feſten Wil=
lens
des neuen Kabinetts, die Grundlagen der Politik. Dr. Seipels,
alſo Genfer Protokoll, das Wiederaufbaugeſetz und das neue Genfer
Uebereinkommen, nicht zu verlaſſen und das Sanierungswerk in den
bisherigen Bahnen, einſchließlich des Ausbaues der Verwaltungsreform
und des Einvernehmens mit den Ländern durchzuführen.
Die Regierungserklärung enthält jedoch keine poſitiven
Fingerzeige darüber, wie ſich das neue Kab nett die Bei=
legung
der Schwierigkeiten, an denen die Regierung Sei=
pel
geſcheitert iſt, namentlich die ſchwebenden Meinungs=
verſchiedenheiten
zwiſchen uns und den Ländern, praktiſch
vorſtellt.
Es wurde viel bemerkt, daß Bundeskanzler Dr. Ramet, als er
von den guten Beziehungen Oeſterreichs zu allen Ländern ſprach, ein
einziges Land, nämlich das Deutſche Reich, mit Namen hervorhob. Als
ein Entgegenkommen des neuen Kanzlers an die großdeutſchen Koa=
litionsgenoſſen
im Kabinett muß es auch bezeichnet werden, daß Dr.
Ramek, der im September auf der Salzburger Landeskonferenz der ent=
ſchiedenſte
Verfechter des förderaliſtiſchen Prinzips und der Verlängerung

Freitag, den 21. November 1924.

Vom Tage.
Reichskauzler Marx wird Sonntag morgen um 11 Uhr in der
großen Halle des Meſſegeländes in Köln über Die deutſche Politik.
ſprechen.
Reichsaußenminiſter Dr. Streſemann wird am Montag nach=
mittag
einige Stunden in München weilen und vor ſeinen Partei=
freunden
über Fragen der Innen= und Außenpolitik ſprechen.
Wie wir zur Frage der Beamtenbeſoldung erfahren, be=
gann
geſtern früh 10 Uhr die Beſprechung des Finanzminiſteriums
mit den Reichsreſſorts, um 11. Uhr eine ſolche mit den Vertretern der
Länder.
Wie mitgeteilt wird, iſt geſtern nachmittag neuerlich eine Haus=
ſuchung
in den Räumen der Hauptgeſchäftsſtelle der Deutſch=
nationalen
Volkspartei in Berlin vorgenommen worden. Ein
Wahlplakat wurde beſchlagnahmt.
Bei den Neuwahlen zum Allgemeinen Studentenausſchuß
an der Techniſchen Hochſchule in München erhielten: die völkiſch= groß=
deutſche
Studentenſchaft 24, die katholiſche Liſte 4 und die Frei= Hoch=
ſchule
2 Sitze.
Das Kriegsgericht von Amiens hat wieder zwei deutſche
Offiziere, Otto Bertina und den Militärarzt Proles, in Abweſen=
heit
zu 20 Jahren Zwangsarbeit und 20 Jahren Aufenthalts=
verbot
verurteilt.
Der Volkskommiſſar für das Geſundheitsweſen ſprach in einem
offiziellen Brief dem deutſchen Roten Kreuz für die erfolgreiche
und äußerſt nützliche Arbeit in der Sowjetunion während der
Hungerszeit ſeinen Dank aus.
Blättermeldungen aus Wien zufolge iſt nach der Erhöhung
der Preiſe auf den Bundesbahnen, für Poſt und Telephon
auch der Preis für die Straßenbahnfahrt heraufgeſetzt worden, und zwar
von 1700 auf 2000 Kronen.
Angeſichts des Zuſammentritts des Völkerbundsrats am 10. Dez. in
Rom gedenkt die Regierung die Kammer ſchon am 6. Dez. in die Weih=
nachtsferien
zu ſchicken, bis zu welchem Zeitpunkt die Kammer alle Bud=
getfragen
behandelt haben muß.
Die engliſche Regierung beabſichtigt, neue Kreuzer
bauen zu laſſen. Seit den Wafhingtoner Verträgen ſeien 12 Kreuzer
gebaut worden, die weniger als 10000 Tonnen faßten und ſomit nach
dieſen Verträgen geſtattet ſeien.
Die uexikaniſche Regierung beantwortete Englands Vorgehen mit
der Anweiſung, ſämtliche mexikaniſchen Konfulate in den
engliſchen Dominions zu ſchließen.
Londoner Blättermeldungen zufolge wird mitgeteilt, daß die Regie=
rung
die Anglo=Perſianiſche Petroleumgeſellſchaft
benachrichtigt hat, daß ſie keinerlei Abſicht hat, ihre Anteile an der Geſell=
ſchaft
aufzugeben.
Die Rückzugsoperationen in Marokko ſind auf der
Linie Scheſchauen-Tetuan fortgeſetzt worden. Der gefallene
General Serrano iſt durch den General Berenguer erſetzt wordei.

der Verwaltng war, diesmal mit keinem Wort die füderaliſtiſche Ten=
denz
in der Regierungserklärung hervortreten ließ. Dies geſchah mit
Rückſicht auf die Großdeutſchen, die ihren Wiedereintritt in die Regie=
rungskoalition
von der Bedingung abhängig gemacht hatten, daß die
neue Regierung jede Verländerung der Verwaltung und Kantoniſierung
Oeſterreichs vermeiden werde.
Die politiſch bedeutſamſte Kundgebung der Sitzung war
die Rede Dr. Seipels, der zum erſienmale in ſeiner Eigen=
ſchaft
als Parteiobmann der Chriſtlich=ſozialen Partei in
die Debatte eingriff.
Dr. Seipel, der heute als Redner einen glänzenden Tag hätte,
drückte die Ueberzeugung aus, daß es der neuen Regierung gelingen
werde, die ihr geſtellten Aufgaben zu erfüllen. Er bezeichnete es als
ein gutes Vorzeichen für die neue Regierung, daß gerade geſtern das
Gebiet von Thörl an der italieniſch=kärtneriſchen Grenze von Italien
an Oeſterreich übergeben wurde, womit das Staatsgebiet Oeſterreichs
endlich vollſtändig geworden iſt. Seipel verſicherte der Regierung die
volle Unterſtützung der Chriſtlich=ſozialen Partei. Die Kunſt. mit der
der geweſene Bundeskanzler ſprach, ließ erkennen, daß er, wenn auch
von der leitenden Stelle zurückgetreten, immer noch eine maßgebende
Rolle in der öſterreichiſchen Politik zu ſpielen entſchloſſen iſt.
Der ſozialdemokratiſche Nedner Dr. Karl Renner
polemiſierte vor allem gegen die Uebernahme des Heeresminiſters
Vaugoin in das Kabinett Ramek. Renner bezeichncte Vaugoin als Ge=
fahr
für die republikaniſche Armee und als eine ſchwere Belaſtung für
die neue Regierung.
Erhöhung der Bezüge der Reichsbeamten.
Berlin, 20. Nov. Gemäß der Zuſage der Reichsregierung,
eine maßvolle Erhöhung der Beamtenbezüge zur weiteren An=
gleichung
an die Friedensgehälter eintreten zu laſſen, fand heute
im Reichsfinanzminiſterium mit den Beamten= Spitzenorganiſa=
tionen
eine Beſprechung ſtatt. Von der Reichsregierung wurden
folgende Erhöhungen als das äußerſte bezeichnet, die unter
den heutigen Verhältniſſen in Betracht kommen: Erhöhung der
Grundgehälter in den Beſoldungsgruppen I bis VI um
12½ v. H., in den Beſoldungsgruppen VII und höher 10 v. H.
Da die Wohnungsgeldzuſchüſſe nicht mit erhöht wer=
den
, bleibt die Erhöhung der Geſamtbezüge unter 12½ bzw. 10
vom Hundert zurück. Die Kinder= und Frauenzu=
ſchläge
werden um je 2 Mark monatlich erhöht. Die Bezüge
der Angeſtellten, Warteſtands= und Ruheſtandsbeamten, der
Kriegsbeſchädigten und Hinterbliebenen werden in den gleichen
Maßen erhöht.

Zur Geſchichie des
Separatismus in Rheinheſſen.

Unker dem Titel Hinter den Kuliſſen des Separatismus in
Rheinheſſen iſt ſoeben das zweite Heft der Beiträge zur Ge=
ſchichte
des Separatismus in Rheinheſſen erſchienen. Während
das erſte Heft Eingen wie wir ſeinerzeit unſeren Leſern an
der Hand zahlreicher Dokumente zeigten, die Beteiligung fran=
zöſiſcher
Behörden an dem Putſch im November 1923 aufdeckte,
kompromittiert das vorliegende Heft Mainz vor allem die Lei=
tung
der Putſchiſten und eine Reihe verantwortlicher franzö=
ſiſcher
Dienſtſtellen. In ſcharfen Konturen zeichnet ſich das Sy=
ſtem
ab, welches die Regierung Poincars an Rhein und Ruhr
ſchuf.
Angeſichts dieſer Dokumente erſcheint jene Note Poincarss
vom 7. Februar 1924, die die Beſchwerde der deutſchen Reichs=
regierung
kühnlich als Verleumdung zurückwies, in neuer und
intereſſanter Beleuchtung. In dieſer Note heißt es: Das Pa=
riſer
Kabinett, das peinlich genau den Buchſtaben des Vertrages
beobachtet, iſt entſchloſſen, wie ſchon in der Vergangenheit, ſich
nicht in die Streitigkeiten der Deutſchen zu miſchen. Und mit
Recht ſtellt Prof. Hermann Oncken im Vorwort die Frage, wie
ſich die neue Regierung Frankreichs zu dieſen Veröffentlichungen
ſtellen wird. Das Ganze aber ſpiegelt die Segnungen des Frie=
dens
von Verſailles und die Gerechtigkeit, die er auf die Welt
gebracht hat.
Wir werden in den kommenden Tagen eine Reihe Doku=
mente
veröfſentlichen. Vir beginnen heute mit einem Original=
ſchreiben
des Kommandanten Schnedecker, eines Delegierten der
Rheinlandkommiſſion, welches beweiſt, daß dem Generalſekretär
der Rheiniſch=Republikaniſchen Volkspartei, dem weggejagten
Bürgermeiſter aus der Eifel Fritz Hamacher, deſſen Bezirk Heſſen,
Pfalz und Heſſen=Naſſau umfaßt, Auskünfte erteilt werden über
eine amtliche deutſche Perſönlichkeit mit Brief und Siegel
der Rheinlandkommiſſion.
Die Aufſchriften: Confidentiel Vertraulich und par
liaison district et H. C. I. T. R. offenbar von der Hand des
Kommandanten ſelbſt, beweiſen zur Genüge, daß man die be=
ſtehenden
Fäden nach Möglichkeit vertraulich und auf beſon=
derem
Wege zu leiten wünſcht. Herr Hamacher hat die Lie=
benswürdigkeit
gehabt, durch ſeine Bleiſtiftnotiz: Betrifft Bür=
germeiſter
Keßler zu Hattersheim a. M. mitzuteilen, um wen
es ſich handelt.
Anlage Nr. 4.

HAUTE-COMMISSION INTERALLIEE
DES TERRITOIRES RHENANS

Cercle de HöckST

HöcHST.
1e 20 Juillett 1923,

No. 1681
Le Commandant SCHNEDECKER. Délé-
gué
dela H. C. 1 T. R dans le Cercle de HOCHST,
6 Monsieur le Délésué ou P P. R. R,
a MAFENCE
GONFTDENTIE
Bebelring No. 17,
Par liaison district et H. C. I. T. R.
Par lettre No 209, vous avez bien voulu me demander
des rensei rnements concernant un Allemand de mion Cercle.
Jei Phonneur de vous feire connaltre gu il est connu
de moi depuis plus de trois ans et que je nihésite pas a me
porter garant de ses Capacités et de ses sentiments anti- prus-
siens
. Appartenant à une vieille famille du Rheingau, i1 aime
les Frangais et Jai toujours eu avec lui des relations plus
que cordiales, voire meme tres amicales.
Ueberſetzung der Anlage Nr. 4.
Interall. Rheinlandkommiſſion
Höchſt, den 20. Juli 1923.
Kreis Höchſt
Nr. 1481.
Major Schnedecker, Del. der H. C. J. T. R.
im Kreiſe Höchſt
an den Delegierten der P. P. R. R.
Mainz
Bebelring Nr. 17.
Vertraulich. (Handſchriftlich); auf dem Wege über die
Rheinlat dkommiſſion.
Mit Schreiben Nr. 209 haben Sie mich um Auskunft über
einen Deutſchen meines Kreiſes gebeten.
Ich habe Ihnen mitzuteilen, daß er mir ſchon ſeit mehr als
drei Jahren bekannt iſt und daß ich mich unbedenklich für ſeine
Tüchtigkeit und ſeine antipreußiſche Geſinnung verbürge. Einer
alten Familie des Rheingaues angehörend, liebt er die Fran=
zoſen
, und ich habe mit ihm ſtets mehr als herzliche, ſogar ſehr
freundſchaftliche Beziehungen unterhalten.
gez.: Schnedecker.
Stempel der Kreisdelegation.
Betrifft: Bürgermeiſter Keßler zu Hattersheim a. Main.

*Konzert.
Die Freie Geſellſchaft für Muſik veranſtaltete
geſtern im Saale der Städtiſchen Akademie für Tonkunft einen
Konzertabend, in dem von Guſtav Beck Werke moderner
Künſtler auf dem Klavier zum Vortrag kamen. Die Beurteilung
zeitgenöſſiſcher Muſik iſt natürlicher Weiſe weit mehr individuel=
len
Wertmaßen unterworfen, als die Werke der alten Meiſter,
die Beherrſchung und der Vortrag erfordert perſönliches Mit=
empfinden
der vortragenden Künſtler, Mitleben der Zuhörer und
Einſtellen auf neue eben zeitgenöſſiſch moderne Muſik.
Bei dem heutigen Vortrag hat Guſtav Beck, zweifellos ge=
zeigt
, daß er befähigt iſt, den Kontakt der Töne mit der Auffaſſung
ſeiner Zuhörer herzuſtellen. Nun iſt ja auch tatſäch lich die Mu=
ſik
Claude Debuſſys, bei aller ſelbſtſchöpferiſchen Enwicklung, in
manchen Punkten noch ein Anlehnen an ältere Meiſta werke, und
ſo geeignet, die empfundene Gehörrichtung ins Moh rne über=
zuleiten
. Die außerordentlich gute melodiöſe Spieltachnik des
Vortragenden iſt beſonders in Debuſſys Prelude akennbar,
während bei den Werken Maurice Roſels ſtellenweiſe einn gewiſſe
gleichgültige Mattigkeit zu bemerken war, die allerdings auch
in den von Debuſſy in Klangwirkung ſtark abweichenden Werken
Roſels zu ſuchen iſt. In den folgenden kleinen meloöpama=
tiſchen
Klaviervorträgen des Erik Satie war die begleitende Re=
zitation
von Fr. Mirjam Lehmann=Haupt ohne Znwifel
ganz vorzüglich. Wenn auch die eigenartigen, in ihrer Mehrrahl
oft grotesken Rezitationen manchmal expreſſioniſtiſch wirkt n,
entledigte ſich doch die Künſtlerin, in engem Anpaſſen an iſze
Muſik, ohne dieſe bei dem ſtellenweiſe notwendigen ſtarken Vor=
trag
zu beeinträchtigen, talentvoll ihrer Aufgabe; die lieblichen.
Kindergeſpräche fanden ſicher den größten Anklang bei, den
Zuhörern, wie überhaupt im ganzen dieſe mieiſt ſchwierigen Par=
tien
durch den ausdrucsvollen, oft temperamentvollen Vortrag
der Künſtlerin und das angepaßt gute Spiel ihres Partners eine
geſchloſſene, gute Leiſtung darſtellte. Den Vorträgen Aus
dem Album der Six fehlte oft der nötige Schwung, um mit der
Muſik ganz mitleben zu können, obwohl, namentlich bei den Tän=
zen
, der exakte, harmoniſche Rhythmus des Vortrags unver=
kennbar
iſt. Zweifellos ſtellen die Schlußdarbietungen aus den
Schöpſungen Claude Debuſſys, und hier insbeſondere das
Prelude‟, Claire de lune und. Paſſe pied eine Höchſtleiſtung
techniſchen Könnens G. Becks dar, ſo daß mit dieſen Vorträgen
ein künſtleriſch guter Abſchluß gegeben war. Wiederholter rei=
cher
Applaus der zahlreich erſchienenen Konzertbeſucher veran=
laßte
Herrn Beck zu einer temperamentvoll genial vorgetragenen
Zugabe.
C. H. O.

* Paretz.
Abſeits vom großen Fremdenwege liegt das kleine Schloß, in
dem vor über hundert Jahren ein preußiſches Königspaar Glück
und Schmerz erlebte. Ludwig Sternaux, deſſen fein geſchlif=
fenem
Stil die ſtille Melancholie dieſer Stätte beſonders liegt,
widmet ihr in ſeinem neuen Werk Potsdam. Ein Buch der Er=
innerung
(Verlag Edwin Runge, Berlin=Lichterfelde) ein ſchönes
Kapitel, dem wir den folgenden Abſchnitt entnehmen:
Schloß Still=im=Land haben es Adel und Volk damals,
vielleicht ein wenig ironiſch, getauft .. kein paſſenderer Name
könnte für dies ländliche Tuskulum eines Königspaares gefunden
werden. So ſtill wie das Schloß ſelbſt waren ja auch die Zimmer,
die es barg: ſchmucklos=heitere Räume, mit einfachſtem Mobiliar
ſparſam ausgeſtattet, ein Spiegel erſcheint faſt ſchon als Luxus,
die Kamine ſind gemalt, die Tapeten aus Leinwand oder Papier,
die Dielen rohes Holz. Nur ein Kriſtall=Lüſter, eine ſchön ge=
formte
Ampel ſtreuen ab und zu ein bißchen Glitzerglanz in dieſe
faſt puritaniſche Einfachheit.
Für uns aber kommt noch die Erinnerung hinzu, die all dem
verklärenden Schimmer leiht. Auf dieſen ſchwarzen Polſterſtühlen
mit den gotiſierenden Rücklehnen, auf dieſem harten Ripsſofa,
auf dieſen Ottomanen und Bergeren haben Friedrich Wilhelm
und Luiſe geſeſſen, hier haben ſie ihren Tee getrunken, dort dem
Spiel der Kinder zugeſchaut: ferne Zeit ſteht auf und erzählt von
Freud und Leid. Die Rauchſche Büſte der Königin blickt aus
toten Augen in dieſes ihr einſtiges Reich, an den Wänden lächeln
Prinz Wilhelm und Prinzeß Charlotte, und die Andenken, die
der trauernde Batte nach dem frühen Tode der geliebten Frau
über das ganze Schloß verteilt hat, die Sohn und Enkel noch
vermehrt haben, machen es zu einem Mauſoleum, das Wehmut
und Tränen weckt. Luiſen=Ruhe ſteht da unter einem alten
Frbſtich, der die Charlottenburger Königsgruft zeigt . und
ein anderes Bild, eine Seidenſtickerei, wohl das Geſchenck irgend=
einar
Hofdame, feiert die Tote mit den Worten: Ueber das Loos
der AVergänglichkeit erheben Dich, Hönigin!, Deine Tugenden.
Ganz Paretz iſt, auch heute noch, eine Luiſen=Ruhe‟.
Aunh der Park. Und doppelt in dieſen glanzerfüllten Sterbe=
wochen
des Herbſtes, der melancholiſche Erinnerungen beſchwört.
Die Bluntien ſind verblüht, die Blätter fallen.
Sie f=Xlen unaufhörlich. Müde und ergeben löſen ſie ſich von
Zweig und Aſt, die Luft iſt ganz von Kniſtern und Raſcheln er=
füllt
, und legſen ſich zu ihren Geſchwiſtern auf die feuchte Erde.
Ein goldener Teppich, deckt das welke Laub weithin Roſen und

Wege. Oft ſinkt der Fuß, behutſam taſtend, bis zum Knöchel, in
dieſe aufrauſchende Blätterflut.
Wie groß der Park iſt? Oder gehſt du, ein Fremder hier, der
Gräber ſucht, in die Irre? Mag ſein. Auch dieſer Irrgang iſt
ſchön. Er führt an Weihern dicht vorbei, die grün im Licht der
ſpäten Sonne liegen, er ſchenkt dir Blicke in das weite Land,
in dem, ganz fern, ſchwarz=weiß gefleckte Rinder weiden. Und
am Horizont, der ſchon im Duft derdämmert, gleitet traumhaft
leiſe ein Segel. Da muß wohl die Havel fließen!
Dann aber tritt an einer Wegebiegung ein Pavillon hervor,
ein kleines japaniſches Teehäuschen. Die Wände, von denen nun
auch ſchon der Putz blättert, tragen verblaßte Malereien, die Fen=
ſter
ſind mit Brettern vernagelt. Am Fuß des Hügels, auf dem er
ſteht, unter der Terraſſe, eine Muſchelgrotte. Auch hier Verfall!
Spinnweben hängen, wo einſt die Muſcheln blinkten, und die
Borkenmöbel innen ſind zerbrochen. Ein paar Schritte ab findeſt
du noch eine Grotte. Es iſt der Tempel. Säulenreſte, ein Gie=
belfeld
, in die Wand eingelaſſen, gaben den Namen. Eine graue
Steintafel trägt die Inſchrift: Gedenke der Abgeſchiedenen!
Gedenke der Abgeſchiedenen wer täte das an dieſer Stätte
nicht? Friedrich Wilhelm III. hatte hier ſeinen Lieblingsplatz.
Die Tafel gilt der Königin Luiſe. Ein Menſchenalter ſpäter, der
König ſtarb 1210, galt ſie auch ihm, von allen Enkeln, die je in
Paretz geweſen, mit frommer Rührung begrüßt. Der letzte dieſer
Enkel, Wilhelm II., weilt jetzt, heimatlos geworden, in Holland.
Sein Sturz hat auch den heiligen Bann zerſtört, der dieſes Fami=
liendenkmal
bis dahin ſchützte: den Friedensengel, der hier den
Eingang mit Kranz und Palmenzweig hütete, hat ruchloſe Hand
von ſeinem Poſtament geriſſen und beiſeite geſchafft. Selbſt die
Stätte der Toten iſt heute nicht mehr heilig. Aber Geſchichte dau=
ert
über Menſchenwerk und Menſchentat. Sie iſt ewig, und ihre
Kränze ſind unvergänglich wie die Sterne.

Der letzte Lauf des Langdiſtanzläufers. Vor wenigen
Tagen wurde in Budapeſt von zwei Wachtleuten ein Mann auf=
gegriffen
, der in der nächtlichen Kälte ſplitternackt dem Oſtbahn=
hof
zulief und laut rief: Ich bin der Konig‟. Der Abamit wurde
in einen Polizeimantel gehüllt, in einen Einſpänner gehoben und
ins Spital gebracht. Der Unglückliche, der als geiſtesgeſtört be=
funden
wurde, iſt der ungariſche Meiſter im Fernlaufen,
der ſeinerzeitige erſte Favorit für den Marathonlauf der Pariſer
Olympiade Paul Kiraly. Kiraly trug Selbſtmordgedanken, als
er im Marathonlauf nicht plaziert wurde. Heimgefehrt, ſetzte er
das Training fort und lief täglich ungezählte Kilometer ohne
Trainer und ohne Aufſicht. Zuletzt verfiel er in Melancholie,

[ ][  ][ ]

Rumiter 324.

Freitag, den 21. Rovember 1924,

Seite 3

Das Arteil im Prozeß Nathuſius.

Lille, 20. Nov. (Europapreß.) Das Kriegsgericht
hat den General Nathuſius des Diebſtahls von
Küchengerät und eines Tafelſervices im Werte von 500 Frauken
mit 6 gegen 1 Stimme ſchuldig geſprochen. Unter
Verweigerung mildernder Umſtände wurde der
General zu einer Gefängnisſtrafe, von einem
Jahr verurteilt. Die Berufungsfriſt läuft drei Tage. Die
beiden an den Gerichtshof geſtellten Fragen über den Diebſtahl
von Pelzen, Kleidungsſtücken und Seidenwaren wurden mit vier
gegen drei Stimmen verneint.
* Ranke ſtellt in ſeiner Schilderung Richelieus feſt, daß die
politiſchen Prozeſſe zweifelhaften Charakters, aber unzweifelhaf=
ten
Ausganges immer ein beſonderer Beſtandteil der franzöſi=
ſchen
Geſchichte geweſen ſeien. Damit iſt der Maßſtab auch für
den Prozeß gegeben, der geſtern in Lille gegen den deutſchen Ge=
neral
Nathuſius begann und mit der Verurteilung zu einer Ge=
fängnisſtrafe
von einem Jahr endete. Es handelte ſich dabei
weniger um eine juriſtiſche Angelegenheit, als um einen politiſch
diktierten Prozeß, deſſen Ausgang ſchon durch die Umſtände be=
ſtimmt
wurden, die zur Verhaftung des Generals führten. Es iſt
bezeichnend, daß ſelbſt unter Herriot ſich die Methode, wie ſie bei
Poincaré üblich war, und wie ſie im Krupp=Prozeß an den Tag
trat, wo das bereits in Paris feſtgelegte Urteil nach ſcheinbarer
Verhandlung verkündet wurde, nicht geändert hat. Der Frau=
zoſe
kann eben nicht aus ſeiner Haut heraus und der franzöſiſche
Staat kann es erſt recht nicht. Darüber darf auch die Phraſeolo=
gie
des Herrn Herriot nicht hinwegtäuſchen. Wenn es ihm mit
ſeinen Friedensſchalmeien ernſt wäre, hätte er es in der Hand
gehabt, die beiſpielloſe Taktloſigteit, wie ſie die Art der Verhaf=
tung
des Generals verkörpert, wieder gut zu machen, indem er
den General wieder auf freien Fuß ſetzte. Der deutſche Außen=
miniſter
hatte ihm in ſeiner erſten Rede in Dortmund ſogar die
Plattform dafür gegeben, als er Herriot ſagte, er hoffe, daß es
ſich nur um einen Mißgriff untergeordneter Organe handle. Man
darf geſpannt ſein, wie nunmehr Herriot ſich aus der Affaire
ziehen wird.
Der Liller Prozeß.
Das Kriegsgericht.
Lille, 20. Nov. Das Kriegsgericht, vor dem heute
General v. Nathuſius erſcheint, ſetzt ſich wie folgt zuſammen:
Den Vorſitz führt Gendarmerieoberſt Verſtraeten, die Bei=
ſitzer
ſind Major Aſpes, die Hauptleute Fanton und Goul=
lain
ſowie Leutnant Bataille, ſämtlich vom 43. Infanterie=
Regiment, ferner Leutnant Reubel, ſämtlich vom 43. Infanterie=
Leutnant Huſſon vom 43. Infanterie=Regiment. Als öffentlicher
Ankläger fungiert der Regierungskommiſſar Oberſt
Cierre, der jüngſt von Straßburg nach Lille verſetzt wurde.
Die Verhandlung hat um 1,30 Uhr begonnen. Der Verteidi=
ger
des Generals v. Nathuſius, Rechtsanwalt Nikolai wird
von dem ebenfalls aus Metz gekommenen Rechtsanwalt Jung
unterſtützt.
Der Auftakt.
Lille, 20. Nov. Die Verhandlung gegen General v. Na=
thuſius
finden in der Zitadelle der Feſtung Lille ſtatt. Der Zu=
gang
iſt militäriſch beſetzt. Es kann niemand paſſieren, der nicht
mit einer Karte verſehen iſt. Die deutſchen Preſſevertreter, die der
Verhandlung beiwohnen, begeben ſich unter Führung des Lega=
tionsſekretärs
v. Rintelen in den Sitzungsſaal, wo ihnen
gute Plätze angewieſen werden. Als die deutſchen Preſſevertreter
erſcheinen, werden alle Photographenapparate in Bewegung ge=
ſetzt
. Der Prozeß iſt für Lille eine cause eélebre, da die Ver=
handlung
die erſte iſt, die in Anweſenheit eines deutſchen An=
geſchuldigten
ſtattfindet. Der Sitzungsſaal iſt ein ziemlich primi=
tiver
niedriger Raum, in dem etwa 100 Perſonen Platz finden.
Der Gerichtshof hat auf einer Empore Platz genommen. General
v. Nathuſius iſt ſchon um 12 Uhr vom Unterſuchungsgefängnis
nach der Zitadelle übergeführt worden, um Kundgebungen zu ver=
meiden
, Rechtsanwalt Nikolai aus Metz hat ſeinen Subſiſtut=
advokaten
Jung mitgebracht. Unter den Zuhörern befinden ſich
auch drei Damen. Der Andrang des Publikums macht ſich bis in
den Sitzungsſaal bemerkbar. Es werden die Türen des Vor=
zimmers
geöffnet, um dort etwa 100 Perſonen Gelegenheit zu
geben, der Verhandlung zu folgen.

General Nathuſius vor den Schranken des
franzöſiſchen Gerichts.
Darauf wird General v. Nathuſius vorgeführt, der den
Raum durchſchreitet, der für das Publikum reſerviert iſt. An
ſeiner Seite nimmt ein Gendarmeriehauptmann Platz. General
v. Nathuſius erklärt, daß er 69 Jahre alt ſei und in Kaſſel wohne.
Der Anklagevertreter gibt bekannt, daß General v. Nathuſius am
12. Mai 1921 in Abweſenheit vom Kriegsgericht in Lille zu 5
Jahren Gefängnis verurteilt worden ſei und daß alle Vorſchrif=
ten
des Militärgerichtsverfahrens hinſichtlich der Veröffent=
lichung
des Urteils beobachtet worden ſeien. General v. Nathu=
ſius
habe bis zum 12. Mai 1926 Zeit zum Einſpruch gehabt. Der
Einſpruch ſei infolge der Verhaftung in Forbach rechtzeitig er=
folgt
. Der Anklagevertreter beantragt, ſofort in die Verhand=
lung
einzutreten. General v. Nathuſius erklärt, daß er unſchuldig
ſei. Der Gerichtshof zieht ſich zur Beratung über den Antrag des
Anklagevertreters, ſofort in die Verhandlung einzutreten, zurück.
Nach Wiederaufnahme der Sitzung verkündet der Vorſitzende, daß
der Einſpruch des Generals gegen das Contumaciam=Urteil an=
genommen
ſei und ſofort in die Verhandlung eingetreten werde.
Das Urteil wird dem General außerhalb des Sitzungsſaales mit=
geteilt
und die Sitzung wiederum aufgehoben.
Die Anklage.
Die Sitzung wird nach kurzer Unterbrechung wieder aufge=
uommen
und General v. Nathuſius wieder vorgeführt. Es wer=
den
die Belaſtungszeugen ſowie die von dem Verteidiger genann=
ten
drei Entlaſtungszeugen aufgerufen, und die Anklageſchrift
verleſen. Danach beruht die Anklage auf Feſtſtellungen der
Dienſtboten des Fabrikanten Motte aus Roubaix, in deſſen Hauſe
General v. Nathuſius einquartiert war. Motte war abweſend
und hatte nach dem Wafſenſtillſtand, als er nach Roubaix zurück=
kehrte
, ein Inventar aller derjenigen Gegenſtände aufgenommen,
die in ſeinem Hauſe fehlten. Dieſe Sachen ſeien nachts weg=
transportiert
ſorden und General v. Nathuſius ſei auch nachts
abgereiſt. Eine Hausſuchung in ſeiner Wohnung in Koblenz, die
1920 erfolgte, blieb erfolglos.
Die Vernehmung des Generals.
General v. Nathuſius erklärt, daß er unſchuldig ſei und die
meiſten Gegenſtände, die abhanden gekommen ſein ſollen, nicht
einmal geſehen habe. Das Tafelſervice des Hauſes Motte ſei
von der Kommandantur requiriert worden. Der Requiſitions=
ſchein
ſei von der Kommandantur ausgeſtellt worden. Dem
Packen des Gepäcks ſeiner Truppen habe General v. Nathuſius
nicht beigewohnt. Er erklärte, daß er keine Ahnung von all den
Toilettegegenſtänden habe, die abhanden gekommen ſein ſollen.
Er habe aus Frankreich nichts nach Hauſe gebracht. In einer
Manſarde habe er einmal zerſchlagene Gegenſtände geſehen und
bei dieſer Gelegenheit ſeinen Untergeordneten anbefohlen, nichts
aus dem Hauſe zu entfernen. Das Verhör dauerte nur fünfzehn
Minuten.
Haltloſe Anſchuldigungen.
Als erſter Belaſtungszeuge erſcheint Fabrikant Motte
aus Roubaix. Der Zeuge Motte erklärt, nachdem er feſtgeſtellt
hat, daß er während des Krieges ſeine patriotiſche Pflicht erfüllt
habe, er habe ſein Haus unter Bewachung einer braven Frau
zurückgelaſſen. Nach dem Waffenſtillſtand ſei er zurückgekehrt
und habe die Plünderung feſtgeſtellt. Durch einen Verwandten
bei der Beſatzungsarmee habe er im Jahre 1919 eine Haus=
ſuchung
in der Koblenzer Wohnung des Gene=
rals
v. Nathuſius beantragt, die in Anweſenheit eines
ſeiner Vertrauensleute vorgenommen worden ſei, aber nichts
Belaſtendes ergeben habe. Vielleicht habe der Ge=
neral
die Sachen in Berlin in Sicherheit gebracht. Der Vertei=
diger
Rechtsanwalt Nikolai ſtellt hierauf einige Fragen, durch
die feſtgeſtellt wird, daß Motte ſchon am 3. Dezember 1918 nach
Roubaix zurückgekehrt iſt und erſt am 11. Januar 1919 Straf=
antrag
geſtellt hat. Die Liſte der fehlenden Gegenſtände habe er
ſogar erſt mehrere Monate ſpäter eingereicht. Der Zeuge muß
auf Befragen zugeben, daß er ſeine Anſchuldigungen
auf Grund von Gerüchten, die ihm vom Hörenſagen
mitgeteilt wurden, erhoben habe. Er iſt ſchwer in Ver=
legenheit
geſetzt, als der Verteidiger ihn fragt, weshalb er
nicht ſelbſt zu der Hausſuchung nach Koblenz gefahren ſei und
wie er dazu komme, zu behaupten, daß die feh=
lenden
Gegenſtände nach Berlin transportiert
worden ſeien. General v. Nathuſius wohne ja
gar nicht in Berlin.

* Neue Romane.
Die Verlagsbuchhandlung J. P. Bachem, G. m. b. H., Köln am
Rhein hat eine Reihe neuer Romane herausgebracht, die ſowohl nach
ihrem literariſchem Wert, nie mehr noch nach ihrem ethiſch ſittlichen Ge=
hat
ſich den früheren Verlagswerken der Firma würdig anſchkießen.
Wer Bachembücher kauft, weiß, daß er Qualitätswerke in die Hand be=
kommt
, muß jedoch auch wiſſen, daß dieſe Bücher in gewiſſem Sinne
religiös wirken, zum mindeſten ſtets das Ethiſch=Sittliche in den Vorder=
grund
ſtellen, in dieſem Sinne alſo Tendenzbücher ſind. Dieſe Feſtſtel=
lung
ſoll ſelbſtverſtändlich in keiner Weiſe eine einſchränkende Kritik ſein.
ſendern das Gegenteil bedeuten. Nur Werke dieſer Tendenz können,
ſelbſtverſtändlich literariſche Qualität vorausgeſetzt, berufen ſein, geiſtige
Leiter und Führer beſonders der Jugend in der Zerriſſenheit unſerer
Zeit zu ſein.
Dora Hohlfeld hat ihren Grenzroman Meerlandmen=
ſchen
Selma Lagerlöf gewidmet. Dieſer kernige deutſche boden=
ſtändige
Roman, der das hohe Lied ſingt von der Liebe zur eigenen
Scholle, iſt, wie die Dichterin ſelbſt ſagt in hellen Nächten geſchrieben,
als Menſchen, Tiere und Pflanzen träumen, Dämonen verſtohlen kicher=
ten
und gute Geiſter lachend ihre Flügel regten‟. Das in ein gutes
Charakteriſtikum dieſes Buches. Anna Freiin von Krane ſchrieb
in ihrem Roman Eikenborn die Geſchichte eines Hauſes und eines
Geſchlechts, die zum Teil eigene Geſchichte der Verfaſſerin iſt. Die Ver=
faſſerin
wälzt keine tiefen Probleme, ſie erzählt ſchlicht und einfach auf
Grund alter Tagebuchnotizen, die bis zum 30jährigen Krieg zurückrei=
chen
. Aber ſie ſchildert mit packender Wärme und verſteht die merkwür=
digen
Schickſale ſpannend und lebendig darzuſtellen. Karl Nade=
macher
gibt in ſeiner Künſtlergeſchichte aus dem Kloſterleben des 13.
Jahrhunderts Caeſarius von Heiſterbach eine über=
raſchend
gute Löſung der Aufgabe, die er ſich geſtellt hat, die alte Kunſt
wie ſie in den Klöſtern im 13. Jahrhundert geübt wurde, im Rahmen
einer zeitgeſchichtlichen Erzählung der Gegenwart näher zu bringen.
Rademacher iſt Direktor des Stadt=Kölniſchen Muſeums für Vor= und
Frühgeſchichte und es ſtanden ihm ein offenſichtlich glänzendes Quellen=
material
zur Verfügung. Um den berühmten Prior Caeſarius gruppie=
ren
ſich in der flott und lebendig geſchriebenen Erzählung Künſtler, be=
kannte
Maler, ferner geſchicktliche Perſonen, Erzbiſchof Heinrich von
Molenark uſw. Geſtalten, die fein und auch kernig herausgezeichnet wur=
den
. Eine tief=fromme Geſinnung weiſer Abgeklärtheit geben dem Werk
einen eigenartigen Reiz. In Köln ſpielt auch der kulturgeſchichtliche
Roman, aus Kölns Franzoſenzeit Goldengel von Köln von
Ernſt Pasque, neu herausgegeben von Franz Bender. Die wachſende
Nachfrage nach heimatlichen Erzählungen legte den Gedanken zur Neu=
herausgabe
nahe. Der Erfolg zeigt, daß das Wagnis glänzend gelungen
iſt, freilich war eine eingehende Bearbeitung notwendig, um dieſen Rah=
men
dem heutigen Geſchmack anzupaſſen. Er iſt weſentlich knapper, präg=
nanter
geworden, ohne daß der dichteriſche Gehalt, die dichteriſche Eigen=
art
Erſt Pasqués darunter leidet. Es iſt anzunehmen, daß das feſſelnde
Zeit= und Kulturbild Ernſt Pasaués ebenſo viele neue Freunde und

Freundinen im 20. Jahrhundert finden wird, als ſich zur Mitte des 19.
Jahrhundert inmitten des Räuberunweſens zu ihrer Zeit für Goldengel
von Köln begeiſtert haben. Holſtein meerumſchlungen, die Land=
ſchaft
an der Schwendine bei Kiel iſt der Schauplatz des packenden Ro=
mans
Um die Scholle vo G. J. Peterſen. Die Lebensein=
ſtellungen
= und Anſchauungen verſchiedener Geſchlechter prallen in die=
ſem
packend geſchriebenen Roman aufeinander und geben Stoff zu einer
ſpannenden, lebenserfüllten Darſtellung. Dieſer Roman ſpielt in die
jüngſte Zeit, auch in den Weltkrieg hinein, und darf als ein guter poli=
tiſcher
Zeitroman von bleibender Bedeutung gewertet werden.
Valentins Magnifikat iſt der Titel eines Romans von Hugo
Strauch: Ein Oratorienkomponiſt und ſein junges Weib ſind in den
Mittelpunkt der lebhaften Handlung dieſes Romans geſtellt. Begeiſterte
Liebe zur Muiſik, feinſinnige Menſchenſchilderung und gewandte Dar=
ſtellung
im chriſtlich=ethiſchen Geiſte, zarte Weibpſychologie und natur=
kräftiges
Künſtlertum geben ihm den feingeformten Inhalt. Köln und
Münſter in Weſtfalen ſind der Schauplatz auch dieſes Romans.
Die bekannte Verfaſſerin bibliſch=hiſtoriſcher Erzählungen C. Gond=
lach
, deren Maria von Magdala ein gewiſſes Aufſehen er=
regte
, hat zwei neue Erzählungen aus der Zeit und Umwelt Chriſti ge=
ſchrieben
, die ſoeben im Verlag Kirchheim u. Co., Mainz, erſchienen ſind.
Judas und Nikodemus und Johannes, die Stimme
des Rufenden‟. Es iſt ein an ſich nicht ungefährliches Unterfangen,
die Perſon Chriſti und ſeiner Umgebung romanhaft zu behandeln.
Wenn aber der Stoff ſo gemeiſtert wird, wie hier von der Dichterin und
Sprache und Schilderung frei von Dogma und Frömmelei, die Perſonen
rein menſchlich erfaßt werden und doch in ihrer ganzen überragenden
Größe gezeichnet, ſo iſt dieſe Aufgabe eine dankbare und von großem
ethiſchen Wert. In Judas und Nikodemus wird die verſchiedene Ent=
wicklung
der beiden Männer in ihrem inneren und äußeren Verhalten
zu Chriſti in den Rahmen einer ſpannend, flott und lebendig geſchrie=
benen
Erzählung gebracht und die große Tragödie des Heilandes und
ſeiner Jünger ſtofflich glänzend gemeiſtert. In Johannes, die Stimme
des Rufenden iſt dieſe Tragödie noch näher und perſönlicher in den
Vordergrund gerückt, in der Schilderung allerdings auf die Tragik im
Leben Johannes beſchränkt. Streng an den bibliſchen Stoff gehalten,
iſt des Täufers Art und Perſönlichkeit hart, herb, großzügig geſchildert,
ſo daß ſeine große Miſſion durchaus glaubhaft erſcheint. Scharf um=
riſſen
ſind die Frauengeſtalten der Areta und der Herodias, realiſtiſch
herausgearbeitet, ebenſo Salome Herodes und andere.

Der neue Roman Helene Chriſtallers, der begabten und pro=
duktiven
heſſiſchen Dichterin: Das Reich des Marcus Nean=
der
(Verlag Frdr. Reinhardt, Baſel), darf in dieſer Reihe erwähnt
werden. Selbverſtändlich eine ganz andere Stoffbehandlung, aber in
ſeinen ehiſch ſittlichen Zielen, in den feinen pſychologiſchen Schilderun=
gen
, in der ausgezeichneten Landſchaftsmalerei, im Schönheitſuchen klin=
gen
in dieſem Roman innere Harmonien mit denen, des bibliſchen Stof=
fes
zuſammen. Helene Chriſtaller hat heute eine feſte treue Leſerge=
meinde
. Sie gibt in ihren Büchern immer ein Teil ihres Selbſt, ein
innerſtes und beſtes. Schildert hier das Werden eines Mannes, der aus
Knabenträumen hinaus in die nackte Wirklichkeit geſtellt wird, das Un=

Ein verſchwundenes Protokoll.
Dramatiſch geſtaltet ſich das Verhör des folgenden Zeugen,
des Chauffeurs bei Motte, mit Namen Bar, der in Koblenz
der Hausſuchung der amerikaniſchen Polizei beigewohnt hat, die
erfolglos verlaufen iſt. Die Hausſuchung endete da=
mit
, daß Bar erklärte, daß er jetzt feſtſtellen
müſſe, daß General v. Nathuſius unſchuldig ſei
und daß kein Verdacht mehr ausgeſprochen wer=
den
könne. Ein Protokoll, das der franzöſiſche Major
Rouſſel abgefaßt hat, iſt verſchwunden. Der Zeuge ſagt,
es habe die Feſtſtellung der Unſchuld nicht enthalten. Der Ver=
teidiger
betont mit Nachdruck, daß die Tatſache des verſchwun=
denen
Protokolls ſehr merkwürdig ſei.
Ein unſicherer Zeuge.
Der nächſte Zeuge Charles Riquier, von Beruf
Gärtner, kennt den General überhaupt nicht. Er
weiß von der Angelegenheit nur, was ſeine Frau ihm
erzählt hat. Trotzdem hat er die Militärbehörde am 29. No=
vember
1918 über den angeblichen Diebſtahl unterrichtet. Der
Zeuge iſt ſehr unſicher und antwortet ausweichend.
Der Hauptbelaſiungszeuge tot.
Das Publikum ſtrömt immer zahlreicher in den Sitzungsſaal.
Hier und da wird gegen den Verteidiger, allerdings nur von
wenigen Perſonen, demonſtriert. Der Verteidiger aber bleibt feſt
und erklärt, er habe nichts anderes zu tun, als die Wahrheit zu
ſuchen. Dieſe Pflicht werde er erfüllen. Als nächſte Zeugin wird
die Frau des bereits vernommenen Gärtners Riquier, Ma=
dame
Riquier, vernommen, die die Behauſung des Indu=
ſtriellen
Motte während des Krieges, als Pförtnerin verwaltet
hat. Sie erklärt, daß ſie, als General v. Nathuſius das Haus
ihrer Herrſchaft bezogen habe, habe ausziehen müſſen. Nah der
Abreiſe des Generals ſeien alle Schränke geöffnet ge=
weſen
. Die in Frage kommenden Gegenſtände, die dei ihrem
Auszug noch vorhanden geweſen wären, ſeien nach der Abreiſe
des Generals nicht mehr dageweſen. Tatſachen über den Inhalt
des Gepäcks des Generals, das nach Koblenz expediert wurde,
kann die Zeugin nicht ausführen. Sie beruf: ſich auf Aus=
ſagen
eines Verwandten, der geſtorben iſt. Auch
dieſe Zeugin kann, wie alle anderen Zeugen, nicht ausſagen, ob
der General die fehlenden Gegenſtände mitgenoumen hat, als er
den Ort verließ. Der Verteidiger fragt die Zeugin, ob ſie ihren
Mann, wie ſie in der Vorunterſuchung ausgeſagt habe, zur An=
zeige
veranlaßt habe, da ſie behauptete, Motte welle keinen
Strafantrag ſtellen. Auf dieſe Frage erfolgt zunächſi keine Ant=
wort
. Der Vorſitzende wiederholt darauf die Frage, und die
Zeugin erklärt nun, ſie wiſſe nicht, warum ſie dieſe Vermutung
ausgeſprochen habe.
Als weiterer Zeuge wird der Kaufmann Bou geois, der
Nachbar Mottes, vernommen. Er will geſehen haben, daß in der
Küche Geräte eingepackt worden ſeien, und zwar durch den Bur=
ſchen
des Generals. Der Zeuge hat in der Vorunterſuchung aus=
geſagt
, wenn General v. Nathuſius leugne, wünſche er ihni gegen=
übergeſtellt
zu werden, dann werde der General ſchon geſtehen.
Der Verteidiger erklärt, dieſe Bemerukng ſei deplaziert, denn der
Zeuge klage ja nicht den General an, ſondern eine Ordonnanz, die
jedenfalls gar nicht im Dienſte des Generals von Nathuſius ge=
ſtanden
habe. Auf Befragen erklärt der General, vor ſeiner Ab=
reiſe
aus Roubaix ſei kein Gepäck verladen worden. Der nächſte
Zeuge, der Poliziſt Fiebez will eine Kiſte geſehen haben, die im
Juli 1918 an die Adreſſe des Generals nach Coblenz verpackt ge=
weſen
ſei.
Der Verteidiger ſtellt feſt, daß alle Zeugen ausgeſagt haben,
daß nach der Abreiſe des Generals von Nathuſius das Fehlen der
Gegenſtände feſtgeſtellt worden ſei. Wenn alſo von Diebſtählen
im Juli geſprochen werde, ſo gehöre das garnicht in den Rahmen
der Anklage. Für dieſe habe nicht der leiſeſte Beweis erbracht
werden können; ſie falle einfach in ſich zuſammen. Es bleibe
nichts übrig, als ſie zurückzuziehen. Der Vertreter der Anklage
widerſpricht dem lebhaft.
Es werden hierauf die drei Entlaſtungszeugen
vernommen, die General von Nathuſius von Lothringen her
kennen. Sie ſtellen ihmdas beſte Zeugnisaus. Un=
ter
ihnen befindet ſich ein katholiſcher Geiſtlicher aus Diedenhofen.
Damit iſt die Beweisaufnahme beendet. Um 4 Uhr 50 Minuten
franzöſiſcher Zeit wird die Sitzung auf 10 Minuten unterbrochen.
Räumung der Kölner Zone?
TU. London, 20. Nov. Der diplomatiſche Korreſpondent
des Daily Telegraph erfährt, daß vor der zweiten Dezember=
woche
noch keine Entſcheidung darüber erwartet werden könne,
ob ſich die Räumung der Kölner Zone am 10. Januar 1925 voll=
ziehen
würde. Aber man entnimmt aus gewiſſen Anzeichen, daß
eine Regelung zuſtande kommt, wonach die Beſetzung ſolange
verlängert wird, bis die Räumung der Ruhr durch die franzöſi=
ſchen
und belgiſchen Truppen erfolgt iſt.

erfüllbare ſeiner hechfliegenden Pläne einſehen muß, und nach Kämpfen
ſich ſein beſcheidens Reich baut, ohne daß er im Ganzen etwas von ſei=
nen
hochgeſteckten Plänen opfert. Die Schweiz, Schweden, Italien und
ſchließlich Deutſchland ſind die Schauplätze dieſes ausgezeichneten Romans.

Der bekannte Brunnen=Verlag Karl Winckler, Berlin SW. 68, ſetzt
die Folge ſeiner neuen deutſchen Romane in guter Ausleſe fort. Die
Romane ſind inhaltlich und im äußeren Gewande wertvolle Erſcheinun=
gen
auf dem Büchermarkt. Wertvoll auch in der Deutſchen propagieren=
den
Tendenz. Ernſt von Wolzogen gibt in ſeinem Roman Sem,
der Mitbürger ein weiteres Werk ſeines eigenen Lebens, ſeiner
eigenen vielſeitigen Vergangenheit heraus. Allerdings in der ganz offen
zu Tage tretenden antiſemitiſchen Tendenz. Es iſt eine Schilderung
ſeiner einſtigen Ueberbrettlgründung und Ernſt von Wolzogen geht mit
den ihm kaufmänniſch überlegen geweſenen Mitbürgern jüdiſchen Glau=
bens
, die ihn nach ſeiner Schilderung um die Früchte ſeiner Gründung
brachten, in der ihm eigenen flotten Schreibweiſe, Satire und Ironie,
ſcharf ins Gericht. Das Buch, ein Menetekel für alle Deutſchen zu nen=
nen
, iſt ſicher zu weit gegriffen, aber die immer noch friſche, flotte und
lebendige, oft auch derbe Erzählungskunſt Wolzogens macht die Lektüre
dieſes Buches zu einem Genuß. In dem Roman Der Narr von
Kreyingen ſchildert Wilhelm Erbt den deutſchen weltfremden
Narren, der an dem blutigen Wahnſinn der Revolution die Wahrheit
erkennen muß, daß nur die Treue gegen unſere Geſchichte unſer Volk
und unſer Reich erneuern kann. Der Narr von Krehingen ſoll der
Roman der deutſchen Revolution ſein. Dieſe Aufgabe erfüllt er aller=
dings
nicht. Dazu fehlt ihm manches an Vertiefung der pſychologiſchen
Einſtellungen der gegenwärtigen durch Weltkrieg und Revolution ge=
gaugenen
Generation. Aber der Verſuch, die deutſche Revolution dar=
zuſtellen
, iſt trotz der Schwächen immerhin gelungen und denn man da=
von
abſieht, daß Der Narr von Krehingen der Roman der deutſchen
Revolution ſein ſoll, bleibt immerhin noch eine intereſſante, vielſeitige
und lebendige, oft auch ſatiriſche Schilderung übrig. Fräulein
Pelikan heißt der neue Roman von Friedel Merzenich. Es iſt
der Roman einer Frau, die in aufopfernder Liebe, ihr eigenes Glück
vernachläſſigt und doch nur Undank erntet, die endlich hart vor der Weg=
ſcheide
, an der ihr Schickſal zu verdorren ſcheint, ſich mit feſtem Entſchluß
ein ſpätes, aber reiches Glück erobert. Es iſt ein moderener Roman aus
der guten Geſellſchaft, reich an liebenswürdigen Geſtalten und humorvol=
len
Schilderungen, getragen von warmem Gefühl, ein Frauenroman im
beſten Sinne des Wortes. H. C. von Zobeltitz' neuer Roman
Die Europag zeichnet ein kräftiges Bild von den geſellſchaftlichen
Zuſtänden in Deutſ=land nach der Revolution. Filmartig ziehen vor=
über
die Schiebertruppen der Nachkriegszeit. Es tauchen Geſtalten auf,
die durch die Umwälzung der Dinge aus ihrer Lebensauffaſſung und
ihrem Beruf geworfen ſind. Einige von ihnen gehen zugrunde, andere
jeben ſich ſelber aus. Ein Held dieſer Geſchichte jedoch, ein ehemaliger
Offizier, verſteht es, als ein gewandter und anpaſſungsfähiger Charak=
ter
, mit der neuen Welt einen Pakt zu ſchließen und ſein Lebensſchiff
durch die wilden Wogen der Zeit mit ſicherer Hand zu ſteuern, bis er auf
dem Boden landet, der ihm nach Herkunft und Erziehung der einzig
gedeihliche iſt, nämlich die Heimatſcholle.

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Freitag, den 21. Nobeiber 1924.

Nummer 324.

Baheriſche Politik.
Miniſierpräſident Dr. Held über die Außen=
und Innenpolitik.
Drahtbericht unſeres Korreſpondenten.
+ München, 20. Nov.
Miniſterpräſident Dr. Held antwortete heute im Plenum des
Baheriſchen Landtags den derſchiedenen Reden der Fraktionsführer zu
dem Etat des Aeußeren, die in Anbetracht der bevorſtehenden Reichs=
tagswahlen
in der Hauptſache weniger dem Etat des Aeußern galten,
ſondern politiſche Wahlreden darſtellten.
Zu Beginn ſeiner Ausführungen wandte ſich Dr. Held mit aller
Schärfe gegen den Vorwurf eines kommuniſtiſchen Redners, daß die
bayeriſche Regierung ihre Politik nach dem Weſten orientiere und bei
Frankreich Anſchluß ſuche. Dazu erklärte er, daß er denjenigen, der
einen derartigen Vorwurf erhebe einen elenden Verleumder nenne.
Er habe niemals eine andere Politik gemacht, als deutſche Politik, und
hinſichtlich Bayerns, ſtets baheriſche Politik, und er könne das auch für
das Geſamtminiſterium in Anſpruch nehmen. Er ſei lange genug Mi=
niſterpräſident
, um ſagen zu können, daß nicht ein einziges Mitglied der
Regierung jemals eine andere, als deutſche und baheriſche Politik
machen würde.
Er kam ſodann auf
die Stellung Bayerns zur Außenpolitik
zu ſprechen und erklärte, kein Staat könne ſich das Recht nehmen laſſen,
die Außenpolitik des Reiches nach ſeinem Gewicht zu beeinfluſſen. Das
Reich konne in ſeinem eigenen Intereſſe nichts beſſeres. tun, als bei ſeiner
Außenpolitik möglichſt auf die Meinungen und Ueberzeugungen der
einzelnen Länder Rückſicht zu nehmen. In dieſem Zuſammenhang
ſprach ſich Dr. Held auch über
die Bedeutung und Notwendigkeit der innerdeutſchen
Geſandtſchaften
aus. Es ſei ein ſchwerer Fehler geweſen, daß die Staaten im Jahre
1919 in Stuttgart ſo leicht auf die innerdeutſchen Geſandtſchaften ver=
zichtet
hätten. Dem ſcheidenden päpſtlichen Nuntius Pacelli ſprach
Dr. Held den wärmſten Dank der bayeriſchen Regierung aus und gab
der Hoffnung Ausdruck, daß Bayern einen Nuntius mit den gleichen
Gefühlen gegenüber dem Lande Bahern erhalten möge. Was
die Kriegsſchuldlüge
betreffe, ſo ſei gerade dieſe Frage zuerſt von der baheriſchen Regierung
und von der bayeriſchen Volksvertretung aufgegriffen und in großem
Stil der Oeffentlichkeit unterbreitet worden. Heute ſei er ſchon einen
Schritt weiter. Wenn auch gewiſſe Wirtſchaftsintereſſen manchen aus=
ländiſchen
Politiker an einer klaren Stellungnahme hinderten, ſo bräche
ſich doch mehr und mehr die Erkenntnis Bahn, daß es die größte Lüge
der Weltgeſchichte ſei, daß Deutſchland dieſen Krieg angezettelt habe, und
daß das größte Verbrechen der Geſchichte, dieſer unerhörte Verſailler
Vertrag, auf dieſer Lüge baſiere. Daraus folge
die Pflicht jedes Deutſchen, dafür zu kämpfen, daß die
Kriegsſchuldfrage endgültig erledigt, der Verſailler Ver=
trag
vernichtet und an ſeine Stelle ein Vertrag des Rechts
und der Gerechtigkeit geſetzt werde.
Hinſichtlich des Völkerbunds wie der Miniſterpräſident auf ſeine
Rede in Tuttenhauſen hin, in der er es als einen ſchweren Fehler der
deutſchen Politik dargelegt habe, unter den gegenwärtigen Verhältniſſen
und Vorausſetzungen in den Völkerbund einzutreten. Er habe den Völ=
kerbundsgedanken
an ſich nicht verworfen, aber heute würde er es als
ein Verhängnis für das deutſche Volk halten, wenn Deutſchland in den
Völkerbund hineingehe. Dr. Held betonte nochmals ſeine großen
Bedenken gegen das Dawesgutachten,
das aber unter den gegenwärtigen Verhältniſſen der einzige Ausweg ſei.
Es könne nicht geleugnet werden, daß bereits viel fremdes Kapital nach
Deutſchland gekommen ſei und auch die Wirtſchaft ein Anziehen zu ver=
zeichnen
habe."
Zur Frage der Wegverlegung der Infanterieſchule von München
erklärte Dr. Held, daß Bayern nicht für einen Putſch beſtraft werden
dürfe, der von Leuten gemacht wurde, die mit München und Bayern

nichts zu tun haben. Bei dieſer Aeußerung des Miniſterpräſidenten
gab es einen kleinen Zwiſchenfall, indem der völkiſche Abg. Strei=
cher
von ſeinem Platz aufſtand und in großer Erregung ausrief:
Hitler iſt auch ein Deutſcher!
Hierauf kam der Miniſterpräſident auf die Frage der
Staatsform
zu ſprechen, wobei er erklärte, daß für das deutſche Volk, auf Grund
ſeiner geſchichtlichen Entwicklung und ſeiner politiſchen Struktur, die
Monarchie die beſſere Staatsform ſei, als die demokratiſche Republik.
Zum Schluſſe ſeiner Rede führte er in Verteidigung der von ihm
getriebenen Politik aus, daß er ſelbſt auf dem Boden der Grundſatz=
politik
der chriſtlichen Weltanſchauung ſtehe, die eine Rechtspolitik ſein
müſſe. Mit dem Reichskanzler Dr. Marx, der als Menſch und als
Chriſt ſicher beſſer ſei, als er, könne er politiſch nicht übereinſtimmen,
da Herr Marx ſich von der Oppoſitionspolitik beeifluſſen laſſe. Die
Rede des Miniſterpräſidenten fand bei den Koalitionsparteien einen
lebhaften Beifall.
Wegen der geſtrigen Skandalſzenen gab alsdann der Abg. Wohl=
muth
, von der Bayeriſchen Volkspartei, eine Erklärung ab. in der den
in Frage kommenden Abgeordneten ſchärfſte Mißbilligung und Verach=
tung
ihrer Handlungsweiſe ausgedrückt wird. Der Präſident verlieſt
ſodann einen Brief der Völkiſchen Fraktion, daß die geſtrigen Vorfälle
nicht auf ein planmäßiges Vorgehen zurückzuführen ſeien. Der Prä=
ſident
gab darauf bekannt, daß von der Völkiſchen Fraktion und dem
Abg. Straſſer bis jetzt kein Wort der Entſchuldigung gefallen ſei. Wei=
ter
ſei ein kommuniſtiſches Mißtrauensvotum eingegangen, das er aber
nicht zur Abſtimmung bringen laſſen werde, da es Beleidigungen ent=
halte
, und außerdem die vorgeſchriebenen 30 Unterſchriften nicht trage.
Das Haus vertagte ſich ſodann auf unbeſtimmte Zeit.

Die Abrüſtungskonferenz.
Weitere engliſche Annäherung an Amerika.

Waſhington 20. Nov. (Europapreß.) Da die Hal=
tung
der britiſchen Regierung zum Genfer Pro=
tokoll
ziemlich unzweifelhaft als ablehnend feſtſteht, ver=
lautet
in politiſchen Kreiſen, daß eine zweite Abrüſtungskonferenz
in Waſhington ſtattfinden wird, die eine weitere Annähe=
rung
Englands an die Vereinigten Staaten mit
ſich bringen dürfte. Die Vertagung der durch den Völkerbund in
Ausſicht geſtellten Konferenz wird hier als Beweis dafür an=
geſehen
, daß die Zuſammenberufung einer Abrü=
ſtungskonferenz
in Waſhington um ſo ſicherer iſt.
Im übrigen hat der Meinungsaustauſch zwiſchen
Amerika und England über die Tagesordnung der Kon=
ferenz
früher ſtattgefunden, als über die durch den Völkerbund
geplante Einladung. Man nimmt an, daß die neue Waſhing=
toner
Konferenz über die Abrüſtung ein Geſetzbuch für interna=
tionales
, Recht, die Schaffung eines internationalen Gerichtshofs
und die Beſchränkung der Unterſee= und Luftflottenkräſte, wie
auch die Probleme des äußerſten Oſtens behandeln wird. Eng=
land
ſcheine die Unterſtützung der Vereinigten Staaten bei der
Bekämpfung des franzöſiſchen Standpunkts in der Frage, der
Unterſeeboote zu ſuchen, während die Vereinigten Staaten ihrer=
ſeits
die Unterſtützung Englands erſtreben, um ihre Finanzpläne
in Europa verwirklichen zu können.
Nach einer Meldung aus Genf erwartet dort niemand mehr
eine Abrüſtungskonferenz im Juni nächſten Jahres.
In engliſchen Regierungskreiſen erklärt man, die Regierung
ſei entſchloſſen, im Falle einer Ablehnung des Genfer Proto=
kolls
irgend etwas anderes zu unternehmen, um die Sicherheit
Frankreichs gegen etwaige Angriffe zu gewährleiſten. In die=
ſem
Falle würde ſie ſofort mit beſtimmten Vorſchlägen an
Frankreich herantreten.

Der Anſchlag auf Stake.
Das Befinden Lee Stakes.
Kairo, 20. Nov. (Europapreß.) Bei dem verwundeten
Oberſtkommandierenden der engliſchen Truppen Lee Stake iſt
eine erſolgreiche Operation ausgeführt worden, ſodaß ſein Zu=
ſtand
abends hoffnungsvoller war. Unterhalb der Lunge wurde
eine Kugel gefunden; die Bauchmuskeln ſind nicht verletzt.
Ferner wurde eine Blutübertragung mit gutem Erfolg vorge=
nommen
. Der Zuſtand ſeines Adjutanten und ſeines Chauffeurs
gibt-zu keinen Beſorgniſſen Anlaß.
10000 Pfund für die Entdeckung der Täter.
TU. Kairo, 20. Nop. Das Attentat auf Sir Lee Stake
hat in allen Kreifen große Erregung hervorgerufen. Der
Chauffeur des Autos, in dem die Angreifer die Flucht ergriffen,
iſt verhaftet worden. Zaghlul Paſcha erklärte dem Ver=
treter
der Reuter=Agentur, daß die Regierung nichts unverſucht
laſſen werde, um die Schuldigen ausfindig zu machen. Der
Miniſterpräſident hat an die Bevölkerung einen Aufruf er=
laſſen
, in dem er für die Entdeckung der Täter eine Beloh=
nung
von 10 000 Pfund Sterling verſpricht. Zaghlul
Paſcha hat weiter ſeinen perſönlichen Abſchen über das Attentat
zum Ausdruck gebracht und zu verſtehen gegeben, daß auch König
Fuad das Attentat bedauere. Sir Stake, der am Unterleib ſchwere
Verletzungen davongetragen hat, iſt geſtern abend operiert
worden.
Engliſche Stimmen zu dem Attentat.
London, 20. Nov. (Europapreß.) Die Nachricht von dem
Attentat, das auf den Oberkommandierenden der königlichen
Truppen in Aegypten Stacke, verübt wurde, hat in der engliſchen
Preſſe große Bewegung hervorgerufen. Daily Telegraph
iſt der Anſicht, daß zu befürchten ſei, daß Zaghlul Paſcha nach
dem Beiſpiele Gandhis in Indien gezwungen ſein werde, jede
Verantwortung für den Vorfall wie auch für alle Unruhen von
ſich zu eiſen. Es ſei eine äußere ernſte Lage zu erwarten, wenn
Sir Stacke ſeinen Wunden erliegen ſollte. Im gegenwärtigen
Augenblick ſei England nicht geneigt, nachzugeben. Wenn es der
engliſchen Regierung nicht gelingen ſollte, der Attentäter hab=
haft
zu werden, ſo habe die Regierung ihre erſte Pflicht, in
Aegypten geordnete Verhältniſſe zwiſchen den Fremden und den
Einheimiſchen zu ſchaffen, nicht erfüllt.
Weſtminſter Gazette fordert außer der Verhaftung
der Täter die Bezahlung eines Sühnegeldes.
Die Times beſtehen darauf, daß der ägyptiſchen Regie=
rung
nun endlich einmal beigebracht werden müſſe, den Umtrie=
ben
der Extremiſten ein Ende zu machen. Zaghlul Paſcha ſcheine
ähnliche Angriffe im Sinne gehabt zu haben, wie im Jahre 1894
der Kedhive Abbas Hilmi, als Lord Kitchener Sirdar von Aegyp=
ten
war. Es ſei angebracht, eine Sühne wie im Jahre 1894 zu
fordern.
Morning Poſt verlangt die volle Wiederherſtellung der
britiſchen Oberhoheit in Aegypten und Daily Expreß eine
Wiedergutmachung des Verbrechens.

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Rummer 324.

Freitag, den 21. November 1924.

Seite 5.

Aus der Landeshauptſiadt.
Darmſtadt. 21. November.
Ernannt wurden: Am 3. November 1924 der Kanzliſt Joſef
Chriſtian Sommer zum Kanzliſten bei dem Amtsgericht Offenbach=
am
13. November 1924 der Juſtizinſpektor bei dem Amtsgericht Offenbach
Julius Dahmer zum Juſtizinſpektor bei dem Amtsgericht Friedberg.
Konſulariſche Legaliſierung der Rechnungen nach Frankreich.
Die Handelskammer Darmſtadt teilt uns mit, daß die auf Grund des
franzöſiſchen Geſetzes über die Erhebung der 2öproz. Reparationsabgabe
erforderliche konſulariſche Legaliſierung der Rechnungen für Liefe=
rungen
nach Frankreich vom 17. November 1994 ab von den franzöſ=
ſchen
Konſulaten gebührenfrei erteilt wird.
Gewerbemuſeum. Die Ausſtellung der alten Schreib=
bücher
, ſowie die des Ornamentwerkes von Boſſert bleibt nur
noch dieſen Sonntag geöffnet.
Die Vereinigung der Freunde des humaniſtiſchen Gym=
naſiums
hält heute, Freitag, abend ihre dritte Winter=
veranſtaltung
ab. Univerſitätsprofeſſor Dr. Hans Schrader=
Frankfurt a. M. ſpricht (mit Lichtbildern) über Die deut=
ſchen
Ausgrabungen an der Weſtküſte glein=
aſiens
(Troja, Pergamon, Magneſia am Mäander, Priene,
Milet, Didyma). Die Veranſtaltung findet im Feſtſaal des Gym=
naſiums
(Karlſtr. 2) ſtatt und beginnt um 8 Uhr. Zur Dedlung
der hohen ſachlichen Koſten werden am Saaleingang Spenden
entgegengenommen. Gäſte ſind willkommen. Neuanmeldungen
wolle man am Saaleingang niederlegen oder dem Vorſtand
übermitteln.
* Heſſiſcher Apothekerverein. Im Schaufenſter der Firma Gieſel=
berg
. Wilhelminenſtraße 17½, iſt für zwei Tage ein Aguarell von
Profeſſor Lippmann=Lichtenberg ausgeſtellt, darſtellend Lichtenberg
im Vorſommer, das der Heſſiſche Apothekerverein dem Vorſitzenden
des Deutſchen Apothekervereins Herrn Dr. Salzmann in Berlin anläß=
lich
deſſen demnächſtigen goldenen Berufsjubiläum überreichen wird.
Der Muſikverein Darmſtadt bringt in ſeinem zweiten diesjäh=
rigen
Hauptkonzert am 1. Dezember, unter Leitung Michgel Bal=
lings
, im Großen Haus des Landestheaters Joſeph Haydns
köſtliches Oratorium Die Jahreszeiten nach zwölfjähriger Pauſe wie=
der
zur Aufführung. (Siehe heutige Anzeige.) Als Soliſten ſind ge=
wonnen
worden: Frau v. Konta=Erfurt, Sopran: Herr, Höfflin=
Darmſtadt, Tenor; Herr Stephani=Düſſeldorf, Baß. Die öffentliche
Hauptprobe findet am Sonntag, den 30. Nov., vorm. pünktlich um
11 Uhr ſtatt. Wegen der Länge des Werkes war es diesmal leider nicht
möglich ſie mit Rückſicht auf die Kirchenbeſucher ſpäter beginnen zu des aus. In früherer Zeit ſchied ſich die Lehrerwelt in zwei Gruppen:
laſſen, ihre Verlegung auf einen anderen Tag verbot ſich ebenfalls aus die gkademiſch gehildeten Theologen, die Schulmeiſter und die deut=
für
die Hauptprobe 14 Mark. Kartenverkauf bei Konzert=Arnold
werden auch Vorbeſtellungen auf Karten angenommen, die ſpäter dort
abgeholt werden können.
dächtnis unſerer Toten iſt die für Sonntag abend 8 Uhr in der Schloß=
kirche
vorgeſehene liturgiſche Abendfeier als ein erhebender Ausklang des
ernſten Lages gedacht. Sie bietet in knapper Form eine Liturgie zum Waiſenſchullehrer, Saalfeld. Kalbfleiſch, Stoll. Süſe=
Totenfeſt vertont von Bernhard Scholz, dem ehmaligen Leiter des mihl, Eger Eidmann, Geißler, Göbel, Eigenbrodt,
Frankfurter Konſervatoriums. Die Grundgedanken zum ſinnigen Aufbau
des Werkes ſind zurzeit von unſerem Hch. Ad. Köſtlin ausgegangen, der
mit dem Komponiſten eng befreundet war und dieſen wohl auch veranlaßt
hat, das für unſere Kirchengeſangvereine vorhandene Material durch ein
muſtergültiges Werk zu bereichern. Dies iſt ihm prächtig gelungen. Wie
ein goldener Faden zieht durch die Perlen edelſter Tonkunſt die Verleſung hohen idealiſtiſchen Schwung. Hier muß die Geſchichte umlernen. In
von Schriftſtellen, durchbrochen vom Lied der Gemeinde, dieſe verſenkend
in das Leid der Erinnerung, aber auch tröſtend durch den Hinweis auf
die Ewigkeit. Die Vertonung iſt ein Zeugnis der großen Begabung ihres nicht trockene Tatſachen aufzählte, ſondern farbige Bilder aus dem alt=
Schöpfers, tiefempfunden und groß in ihrer Wirkung., Wie Engelgeſang heſſiſchen Lehrerleben entrollte, war der Eigenart des Redners ent=
mutet
das Hallelujah des Schlußchores an. Das 1890 geſchaffene Werk
iſt unſeres Wiſſens hier wenig bekannt und nur einmal zur Aufführung geſpannter Aufmerkſamkeit und lohnten ihn, mit reichem Beifall. Wohl
gebracht. Um ſo erfreulicher iſt die erneute Aufführung durch den Kirchen=
geſangberein
für Stadtkapelle und Schloßkirche, unter Leitung des Herrn
Oberreallehrers Pfaff.
Das Maſſenchorkonzert der Vereinigten Männergeſangvereine
hör bringen. Die Einigkeit der 600 im erſten Chor auftretenden Sänger
konnte nicht beſſer und ſymboliſcher ausgedrückt werden als durch Mar zur Vorführung gelangen, werden auf Wunſch des Reichsminiſteriums
Bruchs herrlichen Rheinchor. Der Sonnenaufgang des Darmſtädter
Komponiſten Friedel Fiſcher und vier Volkslieder in der Faſſung von Auslande möglichſt zu hemmen und den Fremdenverkehr in Deutſch=
Brahms=Gegar reihen ſich an. Als Soliſten wirken mit Fräulein Paula land dadurch zu heben, daß dem Deutſchen die Schönheiten unſeres
Kapper, die raſch eine Lieblingsſängerin des Darmſtädter Publikums
bundes Aufſehen erregte. Eine junge Pianiſtin, Fräulein Margot hinter anderen bereits gefilmten Städten zurückſtehen.
Francken, die kürzlich in Berlin mit großem Erfolge konzertrierte, ſpielt
Chopin und Liſzt. Möge ein reger Beſuch den vereinigten Vereinen
beweiſen, daß ihr Vorhaben ſich ernſter und wichtiger künſtleriſcher Volls= vonſtatten geht: Alle Scheine werden eingelöſt. 1. Alle Scheine
Totenſonntag, ein Tag der Andacht und der Erinnerung an
ſtädter Männergeſangvereine, in der bislang gepflogenen, einfachen. Mainz bis zum 15. Dezember 1924, als letzte Friſt. Die Einlöſungs=
auf
dem Waldfriedhof zuſammenführen. Da mehrere Totenfeiern aus Scheine, in eingeſchriebenem Wertbrief an die Kaſſe eingereicht werden.
techniſchen Gründen nicht möglich ſind, hat die Stadtverwaltung nur zu fals, die Antragſteller ſich nicht nach Mainz begeben können. Es iſt frei=
einer
weltlichen und einer kirchlichen Feier die Genehmigung erteilt. Die
Gedächtnisfeier der Vereinigten Männergeſangvereine wird daher durch
Anſchluß von Schwarz=Not=Gold, der Kriegsbeſchädigten und Hinter= werden außerdem von der Deutſchen Eiſenbahngeſelſchaft in Reichs=
Uhr eine gemeinſame werden. Die Gedächtnisrede hält Herr Dir. H. Einlöſungsfriſt. 15. Dezember 1924.
Haſſinger.
Gabelsberger Stenographenverein 1861 Ballonſchule. Die letzte
Monatsverſammlung fand im Fürſtenſaal ſtatt. Der Andrang war ſo
ſtark, daß ein großer Teil keinen Sitzplatz mehr finden konnte. Der eingeführt. Gs werden von der Regelung die Eiſenbahndirektionen in
1. Vorſitzende, Herr Werner, ging nach den üblichen Begrüßungsworten Eſſen und Elberfeld betroffen. Ob es auch möglich ſein wird, bei den
im Näheren auf die neue Reichskurzſchrift ein und teilte unter Beifall, altbeſetzten Gebiet für den Fahrplan durchzuſetzen, hängt von dem Aus=
der
Verſamlung mit, daß der Beſuch des Unterrichts in der Ballonſchule
fo ſtark ſei, daß ſofort 6 Kurſe eröfnet werden mußten. Zu dem letzten gang der noch ſchwebenden Verhandlungen ab.
Kurſus werden noch Anmeldungen bis einſchließlich nächſten Mon=
tag
, abends 8 Uhr in der Ballonſchule entgegengenommen. In beſonders Mietbeſtimmungen ſeinerzeit veröffentlicht worden ſind, herrſcht doch
herzlichen Worten gedachte er dann der großen Verdienſte der Herren noch hier und da Unklarheit darüber, welche Leiſtungen in der Zahlung
Oberſtudiendirektor Pfaff und Regierungsrat Schaible um das
Zuſtandekommen der Reichskurzſchrift. In der Geſchichte der Einheits= nungsmiete einen gewiſſen Prozentſatz der Friedensmiete, der jeweilig
nannten herausgegebenen neuen Lehrbücher über die Reichskurzſchrift Schornſteinfegergeld, Haftpflicktverſicherung, Treopen= und Flurbeleuch=
gliedern
zu teil, die die letzte Geſchäftsſtenographenprü= Friedensmicte überſteigt und nicht etwa, wie verſchiedentlich angenom=
fung
bei der Handelskammer mit gutem Erfolg beſtanden haben. Der men wird, 2½ Prozent der Betriebskoſten. Beiſpiel: Es betrage die
Grimm, Arheilgen, beſonders kunſtvoll angefertigte Denkmünze, Weiter monatlich 200 Mk., hiervon 2½ Prozent, ergibt 5 Mk., was bei 23 Pf.
anderen Heſſiſchen Verein übertroffen werden, bei Abhaltung der Ge= ſpricht. Was mehr verbraucht wird, iſt auszuſchlagen.
ſchäftsſtenographenprüfung. 59 Mitglieder des Vereins haben in den
Unterrichtsweſen auf der Höhe iſt im Verein. Die letzte Prüfung frau hier erhielt unter Verſagung mildernder Umſtände wegen
Leonh. Lohnes, Anna Lohnes. Paul Haas., Thomas Buchert, hilfe zur verſuchten Abtreibung in 2 Fällen 2 Jahre Zuchthaus unter
Der geſellige Teil lag in den bewährten Händen des Herrn Schneider. Anrechnung von 4 Monaten der Unterſuchungshaft. Wegen verſuchter
Ein mit wundervollen Landſchaftsbildern gehaltener Lichtbildervortrag 9
eine unter Leitung von Herrn Schneider vorgenommene Verloſung
mit Muſik=, Geſangs= und unterhaltenden Vorträgen, bei denen Frl. auf 2 Monate Gefängnis.
Spieß und Frl. Körber beſonders hervortraten, ſchloß der Abend zur
vollſten Zufriedenheit der Anweſenden und jung und alt freute ſich über muß es ſtatt Bonrad von Lampertheim von Langenbergheim
die ſchön verlaufenen Stunden.

* Blütenfilm der B. A. G. F.
In der Techniſchen Hochſchule gelangten am Mittwoch nachmittag
und in einer beſonderen Vorſtellung für die Ortsgruppe Darmſtadt des
Vereins deutſcher Chemiker, abends um 8 Uhr, die Wachstums= und
Blütenfilme der Badiſchen Anilin= und Sodafabrik zur Aufführung, die
damit Hervorragendes und geradezu Vorbildliches auf dem Gebiet der
Lehr= und Propagandafilme geſchaffen hat. Der erſte Teil gibt ein
umfaſſendes Bild der gewaltigen Anlagen der Fabrik zur Gewnnung
des Stichſtoffs aus der Luft und der Verarbeitung auf die bekannten
Stickſtoffdüngemittel in den Werken Leuna und Oppau. Die darauf=
folgenden
Wachstumsfilme ſtehen in ihrer künſtleriſchen Geſtaltung und
techniſchen Ausführung hoch über allen ähnlichen Propagandafilmen.
In ganz außerordentlich inſtruktiver Weiſe iſt das Wachſen, Blühen und
Welken der verſchiedenſten Pflanzen feſtgehalten. Der urſprüngliche
Zweck des Films, die Betonung der durch intenſive Stickſtoffdüngung
erzielten Vorteile in Bezug auf Güte Stärke, Schönheit und Ertrag,
tritt mehr und mehr in den Hintergrund, und dem Beſchauer zeigen
ſich nicht nur vorzügliche Aufnahmen von hohem künſtleriſchem Wert,
ſondern vor allem eine Fülle der intereſſanteſten Einzelheiten aus dem
Leben vieler Pflanzen und Blumen. Zunächſt wird das Wachſen von
Mais= und Tabakspflanzen veranſchaulicht, ganze Chryſanthemen=
Gruppen entwickeln ſich zu vollſter Blüte, ſichtbar und in allen Ein=
zelheiten
dem Auge zugänglich Zu den intereſſanteſten gehören die
Aufnahmen der Rankenbewegungen japaniſcher Klettergurken und der
Paſſionsblume, während die nun folgenden Bilder der langſamen Ent=
faltung
zahlreicher Blüten zweifellos die ſchönſten darſtellen. Beſon=
ders
hervorzuheben ſind Aſtern, Alpenveilchen, Azalea, Roſen, Flie=
der
, Gladiolen, Lilien, Amarhllus, ſowie zum Schluß das Erblühen
einer Orchidee und das Werden und Vergehen von ſieben blendend
weißen Kakteenblüten.
Erklärungen vorwiegend techniſcher Natur. Der Film iſt auf dem Lim=
unterhält
. Er erregte bereits bei ſeiner Aufführung während der dies=
jährigen
Tagung deutſcher Naturforſcher und Aerzte in Innsbruck be= 4 9. 1994 wegen Baugebrechen im Hauſe Aſchaffenburgeuſtraße 63 zu
rechtigtes Aufſehen und wurde bei den geſtrigen Vorſtellungen mit Seligenſtadt. Geſuch des Wilhelm Reintgen zu Offenbach am Main um
dankbarem Beifall aufgenommen. Die Hochſchule, hat durch Umbau die Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirtſchaft mit Branntweinaus=
geſamten
Studentenſchaft lebhaft begrüßt wird.

N. Familiengeſchichtliche Vereinigung. Die Novemberverſammlung,
in der Herr Prälat D. Dr. Diehl ſeinen Vortrag über heſſiſche Zugehörigkeit zur Friſeur=Zwangs Innung. Klage des Georg Schroth
Lehrerfamilien als Gegenſtück zu dem vor einigen Jahren ge=
haltenen
über heſſiſche Pfarrerfamilien gehalten, war ſehr zahlreich be=
beſucht
, darunter viele auswärtige Lehrer. Redner führte etwa folgen=
beſonderen
Gründen. Die Preiſe betragen für das Konzert 16 Mark, ſchen Schullehrer oder Schuldiener. Der Titel Schulmeiſter Darmſtadt, Lichtenbergſtraße, kam mit ſeinem Motorrad von Eberſtadt.
war früher eine Ehrenbezeichnung, doch geriet er früh ſchon in Miß=
Wilhelminenſtraße, und Leopold Schutter, Eliſabethenſtraße. Daſelbſt achtung, ſchon 1790 kam es zu einem Ehrenbeleidigungsprozeß. Nur ſtadt. Auf bis jetzt noch ungeklärte Weiſe fuhr T, mit ſeinem Motorrad
2 Lehrer haben ihren Namen latiniſiert: 1651 veränderte ein Schultheiß
ihn in Prätorius um und der durch O. Glaubrecht bekannt gewordene
Schloßkirche. Nach den mannigfachen Veranſtaltungen zum Ge= Kalendermann vom Peitsberg, der Juſtus hieß. Von
den zahlreichen Lehrerfamilien, die Redner beſprach, ſeien hier nur die=
jenigen
genannt, die in Darmſtadt waren oder noch ſind: Fuchs, der
Loos, Ruths, Butterweck, Sann, Spamer u. a. Dieſe
deutſchen Lehrer, im Gegenſatz zu den ſtudierten Schulmeiſter, kommen ſuchung des Unglücks iſt im Gange.
in der Geſchichte der Pädagoaik ſchlecht weg. Die Tatſache, daß ſie trotz
elender Bezahlung Jahrhunderte lang immer wieder ihre Söhne dem
Lehrberufe zuführten, iſt ein Beweis für die geiſtige Höhenlage, für
dieſen Familien bildete ſich mit der Zeit eine Tradition, eine pädagogiſche
Technik und eine große Berufsfreudigkeit heraus. Der Vortrag, der
ſprechend mit viel Humor durchſetzt. Die Zuhörer folgten ihm mit
jeder nahm aus ihm Anregung mit nach Hauſe.
Darmſtadt im Film. Wie wir erfahren haben, beabſichtigt die
Berliner Film=Zentrale A.=G. Berlin, welche bereits in dieſem Jahre
in mehreren deutſchen Städten, Bade= und Kurorten Propagandafilme
wird eine mit feinem Geſchmack zuſammengeſtellte Vortragsfolge zu Ge= hergeſtellt hat, auch in Darmſtadt einen ſolchen Propagandafilm aufzu=
nehmen
. Die Filme, welche in ganz Deutſchland, ſowie im Auslande
des Innern hergeſtellt und haben den Zweck, den Zuſtrom nach dem
Vaterlandes in naturgetreuer Wiedergabe bildlich gezeigt werden. Wir
geworden iſt und Herrn Imre Aldori, deſſen hervorragende Lieder= hoffen, daß die Filmaufnahme in unſerem ſchönen Darmſtadt durch eine burgverein veranſtalten am kommenden Sonntag abend, im Gemeinde=
vortragskunſt
unlängſt bei der Gründungsfeier des Heſſiſchen Sänger= rege Beteiligung der Geſchäftswelt zuſtande kommt, damit wir nicht haus der Martinsgemeinde, Liebfrauenſtraße 6, eine dem Tag ent=
Die Eiſenbahnregie der beſetzten Gebiete teilt mit, daß die Ein=
ziehung
der noch im Umlauf befindlichen Regieſcheine folgendermaßen
erziehungsarbeit zu widmen, reges Intereſſe in allen Kreiſen auslöſt. gleichviel in welcher Höhe durch die Kaſſen der früheren Bezirks=
direktionen
der Regie in Aachen, Düren, Eſſen, Ludwigshafen. Mainz
unſere Gefallenenen, ſoll auch dieſes Jahr wieder die Vereinigten Darm= und Trier bis 20. November 1924: 2. durch die Hauptkaſſe der Regie in eigenen Aufnahmen, die der Nordpolarforſcher Amundſen bei ſeinem
ſchlichten Aufmachung und die Angehörige und Freunde unſerer Lieben gträge bei der Hauptkaſſe müſſen vorher, unter Befügung der
löſen zu laſſen. 3. Die Scheine zu Fr. 5. 1. 0.50, 0.25. 010 und 005
bliebenen und der Arbeitermännerchöre am Sonntag, vormittags 1 mark eingelöſt, welche die nötigen Diſpoſitionen ergreifen wird. Die= Mit dieſem Film läßt die Heſſiſche Bilderbühne am Montag und Diens=
ſer
Umtauſch wird am Montag, den 24. November beginnen. Letzte
Mit dem Fahrplanwechſel am 1. Dezember wird in dem neubeſetzten
Gebiet für die Reichsbahn wieder die mitteleuropäiſche Zeit
Beſatzungsbehörden die Wiedereinführung der mitteleuropäiſchen Zeit im
der Mieten einbegriffen ſind. Vom Monat April an beträgt die Woh=
kurzſchrift
wurden die Namen dieſer beiden Herrn, die ſeit 20 Jahren bekannt gegeben wird. In dem Mietbetrag ſind auch die ſogenannten
in den Regierungskonferenzen und Sachverſtändigenausſchüſſen hervor= Betriebskoſten enthalten. Dieſe umfaſſen: Grundſteuern aber nicht birche (Stadtfirche) ſtattfindenden Totengedenkfeier möglichſt volzählig
ragend mitgewirkt haben, an erſter Stelle ſtehen. Die von den Ge= die ſtaatliche und ſtädtiſche Sondergrundſteuer), ferner das Waſſergeld,
erfreuen ſich im Verein großer Beliebtheit und ſind die beſten, die bis= tung, Verwaltungskoſten uſw. Bezüglich des Waſſergeldes wird bemerkt,
her erſchienen ſind. Eine beſondere Ehrung wurde denſenigen Mit= daß ſolches nur zu bezahlen iſt, wenn der Verbrauch 2½ Prozent der ſind anzulegen.
Vorſitzende überreichte ihnen eine vom Stenographieverlag Gebrüder Friedensmiete aller Wohnungen eines Hauſes 2400 Mk. jährlich, alſo feier, bittet der Vorſtand um vollzähliges Erſcheinen. Treffpunkt 7.45
erwähnte der Vorſitzende die großen Erfolge des Vereins, die von keinem für den Kubikmeter einem Verbrauch von 22 Kubikmeter im Monat ent=
* Bezirksſchöffengericht. Vor verſchloſſenen Türen wurde eine
letzten Jahren dieſe amtliche Prüfung beſtanden, ein Beweis, daß das größere Abtreibungsaffäre verhandelt. Die Hermann Krepper Ehe= iſt Ehrenpflicht.
haben beſtanden: Karl Ernſt, Heinrich Müller, Käthe Müller, Lohnabtreibung in Tateinheit mit fahrläſſiger Tötung und wegen Bei=
Abtreibung und Beihilfe dazu wurden gegen Wilhelm Emich
über eine Reiſe von Zürich nach Lugano fand ſtürmiſchen Beifall und Ehefrau hier auf 3 Monate Geſängnis abzüglich 2 Wochen Unter= Arla Nenz im Muſikvereinsſaal einen Violin=Abend. Die
ſuchungshaft erkannt, gegen die kürzlich wegen Kuppelei verurteilte
mit über 100 Wer gewinnen fand lebhafte Zuſtimmung. Abwechſelnd ChriſtophGanß Ehefrau hier wegen Verſuchs der Abtreibung Prof. Petſchnikoff und hat die Atademie der Tonkunſt in München ab=
auf
3. 12 v. u. heißen.

Zu den Wahlen.
Deutſche Volkspartei, Ortsgruppe Darmſtadk.
Wir verweiſen unſere Mitglieder und Freunde auf die Verſammlungs=
anzeige
in der heutigen Nr., wonach unſer Reichstagskandidat, Reichs=
miniſter
a. D. Dr. Becker, und unſer Landtagskandidat Oberſtudien=
direktor
Dr. Keller am Samstag, den 22. Nov., abends 8 Uhr, in
der Turnhalle am Woogsplatz über die Reichs= und Landtags=
wahlen
ſprechen werden. Dieſe öffentliche Verſammlung muß zu
einem Maſſenbeſuch vor allem auch ſeitens unſerer zahlreichen Partei=
freunde
und Anhänger werden. Wir bitten, überall für einen beſonders
guten Beſuch dieſer ſicherlich außerordentlich intereſſanten Vorträge
werben zu wollen.
Deutſche Demokratiſche Partei. Auf die morgen,
Samstag, den 22. Nob., abends 8 Uhr im Saalbau, ſtattfindende Ver=
ſammlung
mit Dr. Ludw. Haas=Karlsruhe und Landtagsabgeordne=
ten
Reiber=Darmſtadt, weiſen wir nochmals hin. Es ſpricht fer=
ner
die Tochter unſeres Spitzenkandidaten, Hilde Korell. Der
Eintritt iſt für jedermann frei. SSiehe Anzeige in heutiger Nummer.)
Am Freitag, 21. November, findet abends 8 Uhr im Gaſthaus zum
Eliſenbad in Ober=Ramſtadt eine öffentliche Verſammlung der Deutſch=
nationalen
Volkspartei ſtatt. Der bekannte Vorkämpfer der Aufvertungs=
bewegung
Oberlandesgerichtspräſident Dr. Beſt wird über die Auf=
wertung
der Spareinlagen reden und Herr Geſchäftsführer Süßz vom
D. H. V. über Volksgemeinſchaft‟. Die Bevölkerung Ober=Ramſtadts
wird herzlichſt zu dem Vortrage eingeladen.

Tagesordnung zur Sitzung des Provinzial=Ausfchuſſes der Pro=
vinz
Starkenburg am Samstag, den 22. November 1924, vor=
Herr Direktor Schwarz, von der Badiſchen Anilin= und Soda= mittags 10 Uhr: Beſchwerde des Heinrich Göckel zu Offenbach a. M., Ge=
fabrik
begleitete die Vorführungen mit intereſſanten Ergänzungen und leitſtraße 79, gegen den Beſchluß des Kreisamtes Offenbach vom 24. 1.
1924 wegen Unterſagung des Handels mit friſcher Milch, ſowie mit Milch=
burger
Hof aufgenommen, wo die Firma ausgedehnte Verſuchsanlagen erzeugniſſen jeder Art und Schließung der Geſchäftsräume. Klage des
Geora Meyer gegen einen Polizeibefehl des Kreisamts Offenbach vom
eines Hörſaales eigens für Zwecke der Vorführung naturwiſſenſchaft= ſchank im Hauſe Biebererſtraße 90. Geſuch des Arno Heinke, Offen=
licher
und techniſcher Lehrfilme eine Einrichtung geſchaffen, die von der bach=Bürgel um Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Schankwirt=
ſchaft
mit Branntweinausſchank im Hauſe Schönbornſtraße 12. Be=
ſchwerde
des Karl Bormuth II. und des Johannes Bormuth zu Biblis
gegen den Beſcheid des Kreisamtes Bensheim vom 15. 7. 1924 wegen
zu Dieburg gegen den Beſcheid des Kreisamts Dieburg vom 22. Juli 1924
wegen Verſagung des Wandergewerbeſcheines.
* Ein ſchweres Unglück ereignete ſich vorgeſtern abend Ecke Heidel=
berger
= und Moosbergſtraße. Der 32 Jahre alte Kaufmann Tramer,
Im Anhänger ſaß der Milchhändler Ludwig Stumpf aus Ober= Ram=
auf
ein in gleicher Richtung fahrendes Laſtauto mit Anhänger mit der=
artiger
Gewalt auf, daß ſelbſt der Führer des Laſtautos den Anprall
verſpürte. Tramer und Stumpf wurden ſchwer verletzt in das Herz
Jeſu=Hoſpital eingeliefert, wo erſterer nach wenigen Minuten ſtarb.
Stumpf erlitt einen Gehirnbaſisbruch ſowie ſchwere Unterleibsverletzun=
gen
und befindet ſich in Lebensgefahr. Die Lichter aller Fahrzeuge
ſollen ſich in Ordnung befunden haben. Aus der Nichtung Darmſtadt
kam ſowohl ein Auto als auch ein Straßenbahnwagen. Die Unter=
* Ein ſchwerer Unglücksfall. Geſtern abend verunglückt in ſeiner
Wohnung, Wilhelminenſtraße 42, der in Landwirtſchaftskreiſen Heſſens,
der Pfalz und von Heſſen=Naſſau bekannte Leiter der Landwirtſchaftlichen
Auskunftsſtelle des Deutſchen Kaliſyndikats in Darmſtadt, Diplomland=
wirt
Guſtav Stirner. Beim Oeffnen der Feuertür des Kachelofens
explodierten auf bisher noch unaufgeklärte Weiſe die im Ofen liegenden,
teils in Glut befindlichen Briketts. Der Ofen ſtürzte zuſammen und die
Flammen ſchlugen Stirner ins Geſicht, der dadurch nicht unerheblich
verletzt wurde. Durch den Luftdruck zerbrachen vier Fenſterſcheiben und
fielen auf die Straße, wodurch Paſſanten aufmerkſam wurden und ſo=
fort
Feuerwehr und Polizei glarmierten. Auf ärztliche Anordnung wurde
Stirner ſofort in die Klinik der Barmherzigen Brüder in der Hermann=
ſtraße
verbracht, wo ihm die erſte Hilfe zuteil wurde. Wie wir hören,
befindet ſich derſelbe dort jetzt außer Lebensgefahr. Den ausbrechenden
Zimmerbrand konnte die Feuerwehr noch im Keime erſticken.
Lokale Veranſtaltungen.
Die blerunter erſcheinenden Notizen ſind ausſchließlich als Hinweiſe auf Anzeigen zu bekrachten,
m leinem Falle irgendwie ale Beſprechung oder Kritll.
Totengedächtnisfeier. Der C.V.J.M. und der Wart=
ſprechende
Gedächtnisfeier. Herr Dr. Avemarie wird die Gedächtnis=
rede
halten. Im übrigen wird der Abend entſprechend muſikaliſch und
deklamatoriſch ausgeſtaltet. Jugend= und Jugendfreunde, ſowie
Familienangehörige herzlich willkommen.
Amundſens letzte Nordpolreiſe mit dem Flug=
zeug
. Die Heſſiſche Bilderbühne bringt als nächſten Filmvortrag die
letzten Verſuch, im Flugzeug den Pol zu erreichen, gemacht hat. Der
Film bietet in üppiger Fülle Intereſſantes und Unterhaltſames. Der
Menſch im Kampf gegen die Rieſenmächte des Polargebiets, gegen Eis,
geſtellt, die Scheine durch Vermittlung der akkreditierten Banken ein= Schnee, Kälte, Krankheit, bunger!. Ein Dokument menſchlicher Kühn=
heit
, das dieſer Film bietet. Reich illuſtriert ſind im Flm die Erleb=
niſſe
von Roald Amundſen, der am 3. Juni 1922 mit dem Schiff
Maud, ſeine Reiſe von der Nordweſtküſte Nordamerikas antrat.
tag eine Reihe herrlicher Landſchaftsaufnahmen aus unſerem Oden=
wald
laufen, und zwar den Teil der Heſſenfilme, den die Heſſiſche Bild=
ſtelle
in Neuſtadt und auf der Burg Breuberg aufgenommen hat. Der
Film wird in Darmſtadt zum erſten Male gezeigt.
Ev. Jugendgemeinſchaft. Wir machen hiermit nochmals
auf die von der Arbeitsgemeinſchaft Darmſtädter Jugendverbände am
Sonntag, den B. November, abends 6 Uhr, in der Johanneskirche ſtatt=
findenden
Totengedenkfeier aufmerkſam und bitten um zahlreiche Beteili=
Wohnungsmiete. Man ſchreibt uns: Obgleich die bezüglichen gung. Die Wimpelträger unſerer Gruppen, ſowie alle anderen Bünde
der Jugendverbände verſammeln ſich um 514. Uhr mit umflorten Wim=
peln
an dem Nordeingang der Kirche (Aliceſtraße). Folgen für die Feier
ſind an den Eingängen zu haben.
Reichsoffizierbund. Die Kameraden wollen zu der am
Sonntag, den 23. Nov. 8 Uhr vorm, in der ehemaligen Garniſon=
erſcheinen
. Da die angewieſenen Plätze bis 8 Uhr vorm, eingenommen
ſein müſſen, iſt rechtzeitiges Eintreffen dringend erwünſcht. Sammel=
platz
745 Uhr vorm,, am 1. Polizeirevier. Orden und Ehrenzeichen
Train=Vereinigung 18. Zu der am Sonntag, den
23. Nov, vorm 8 Uhr in der Stadtkirche ſtattfindenden Totengedenk=
Uhr, Ecke Schul= und Karlsſtraße.
Verein ehem 117er, Darmſtadt. Die Totengedenk=
feier
des Verbands Heſſ. Regimentsvereine findet am Sonntaa, den
23. Nov., vorm 8 Uhr, in der Stadtkirche ſtatt. Vollzähliges Erſcheinen
Kunſinotizen.
Ueder Werte. Künfler und Hünftieriſche Veranſtaltungen, deren im Nachſtehenden Krwäbnung
geſchieht, behält ſch die Redahtion ihr Urnel vor
Mittwoch, den 26. November, veranſtaltet die Geigerin
Künſtlerin, eine Darmſtädterin, war eine Meiſterſchülerin von Herrn
ſolviert. In anderen Städten hat Frl. Renz ſchon mit beachtenswertem
Im Bericht über die Amtsgerichtsſitzung in der Nr. 322 vom 19. d3. Erſelg konzertiert, und wird dieſer Abend für die Konzertbeſucher von
größtem Intereſſe ſein. Karten bei Chriſtian Arnold, Ernſt= Ludwig=
ſtraße
9.

Fas das Odol besonders auszeichnet vor allen anderen Mundreinigungsmitteln, ist seine merkwürdige Eigen-
W at Hellndkähle naech denSrulen geuisgengslen miteiner muitroskeondsch Lungen dtebei der dichtengante.
septischen Schicht zu überziehen, die noch stundenlang nachwirkt. Diese Dauerwirkung, die kein anderes Präparat
besitzt, ist es, die demjenigen, der Odol täglich gebraucht, die Gewißheit gibt, daß sein Mund sicher geschützt
ist gegen die Wirkung der Fäulniserreger und Gärungsstoffe, die die Zähne zerstören. Odol ist wirklich gut.

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Seite 6

Rummer 324.

Freitag, den 21. November 1924.

Stadtverordnetenverſammlung.
Darmſtadt, 20. November.
Die Sitzung wird von Oberbürgermeiſter Dr. Gläſſing um
5 Uhr 10 Min. eröffnet.
Frau Karoline Friedrich wird als Stadtverordnete vereidigt.
1. Erweiterung der Badeanlagen am Woog, Einrichtung eines
Kinderbades. Es ſollen nachſtehende Arbeiten in dieſem Winter aus=
geführt
werden: 1. Herſtellung eines gußeiſernen Rohrkanals zur Ent=
wäſſerung
der Abortanlagen für die Licht= und Luftbäder; 2. Herſtellung
eines Kinderbades an der Südweſtſeite des Licht= und Luftbades; 3. Be=
feſtigung
des Weſtufers der grünen Inſel. Die Koſten mit etwa rund
11 500 Mk. werden bewilligt.
2. Herabſetzung der Schlachtgebühren. Den eintretenden Einnahme=
ausfall
berechnet die Verwaltung auf monatlich 7150 Mk. oder jährlich
85 800 Mk. Schlachtgebühren und Tarif werden genehmigt.
3. Inſtandſetzung der Uferbefeſtigung des Steinbrüger Teichs. Bei
dem jüngſt geſcehenen Ablaſſen iſt der Fuß des Straßendammes ( Nord=
ſeite
des Teichs) infolge der Erſchütterungen und Belaſtungen durch ver=
mehrten
Autoverkehr etwas ausgewichen. Das vom Waſſer aufgeweichte
Erdreich hat nachgegeben und die Uferbefeſtigung hat ſich ſo verſchoben,
daß Wiederherſtellung dringend nötig iſt. Es ſoll ein Betonfuß einge=
baut
werden, an den ſich eine 15 Zentimeter ſtarke Betonverkleidung auf
Packlager anſchließt. Die Koſten ſind auf 2500 Mk. veranſchlagt. Wird
genehmigt.
*. Einführung von Wohlfahrtsſchecks zur Bekämpfung gewerbsmäßi=
gen
Bettelns. (Wir verweiſen auf Nr. 318 vom 15. Nov., Seite 7.) Wird
genehmigt.
5. Beitritt der Stadt zum Verein Wohlfahrtsſchule für Heſſen und
Heſſen=Naſſau. Die Gründung bezweckt Fortführung des Frauenſemi=
nars
für ſoziale Berufsarbeit in Frankfurt a. M. Der Beitritt ergibt
einen Betrag von 268 Mk. Wird genehmigt.
6. Abſchluß der Stadtkafſe und der Nebenrechnungen für 1922. Die
in der den Stadtverordneten mitgeteilten Druckſache vom 3. Oktober 1924
enthaltenen Anträge werden genehmigt.
7. Beitrag zur Volkshochſchule für 1924. Nachdem der Staat ſich
bereit erklärt hat, zu dem nach Abzug des Reichszuſchuſſes in Höhe von
800 Mk. verbleibenden Fehlbetrag im Jahrsvoranſchlag vorläufig 500
Mark zuzuſchießen, wird beantragt, daß die Stadt den gleichen Betrag
bewilligt. Genehmigt.
8. Hundeſteuer für 1825. Am 6. Nov. hat das Kreisamt verlangt,
daß der Verſammlung im Laufe der nächſten vier Wochen Vorlage über
Feſtſetzung der Gemeindehundeſteuer für 1925 zu machen ſei. Die Steuer=
ſätze
von 1924 ſollen auch für 1925 beibehalten werden. Danach würden
erhoben: 1., wenn der Beginn des Hundebeſitzes in die Zeit vor 1. Juli
fällt, 24 Mk., 2., vom 1. Juli ab 12 Mk. Der Staat will entſprechend
12 und 6 Mk. erheben. Nach Erläuterung des Bürgermeiſters Daub
wird die Vorlage genehmigt.
9. Beitrag zum Zweigausſchuß für deutſche Jugendherbergen. Es
wird beantragt, von 1925 ab einen laufenden Beitrag von jährlich 500
Mark zu bewilligen. Auf die Bedeutung der Jugendherbergen weiſt
Stadtv. Schäfer hin; Heſſen ſtehe hier zurück. Der Beitrag möge auf
1 Pfg. pro Kopf der Bevölkerung erhöht werden (wie Alsfeld, Schlitz
und Gießen dieſen Beitrag leiſten). Bürgermeiſter Daub empfiehlt
den Antrag Schäfer. Stadtv. Binſtadt wünſcht weitere Räume für
die Jugendherberge in der Dieburger Straße. Beig. Delp ſagt Be=
rückſichtigung
dieſes Wunſches zu. Der Antrag Schäfer wird ange=
nommen
.
10. Bewilligung eines Beitrags an den Deutſchen Oſtbund E. V. Der
Oſtbund vertrüt die wirtſchaftlichen und kulturellen Angelegenheiten der
Oſtdeutſchen und iſt amtlich anerkannte Intereſſenvertretung der aus
Polen verdrängten Deutſchen. Es ſoll ein Jahresbeitrag von 50 Mk.
bewilligt werden. Wird genehmigt.
11. Errichtung einer ſtädtiſchen Bauunfallverſicherung. Die Ver=
waltung
beabſichtigt, vom 1. Januar 1925 ab eine eigene Bauunfallver=
ſicherung
im Rahmen des § 628 Reichsverſicherungsordnung einzuführen.
Stadtv. Hille erſtattet Bericht. Stadtv. Sparr verweiſt auf die
Bedeutung auch für die ſtädtiſchen Arbeiter und wünſcht eingehende Be=
rückſichtigung
der vorhandenen Unfallſtatiſtik. Für die Unfallverletzten
müßte ein Ausgleich gegenüber den Löhnen geſchaffen werden. Stadtv.
Sames ſpricht gegen die Verſicherung; die Sache ſei nicht ſpruch=
reif
. Die Unterlagen müßten geprüft werden. Oberbürgermeiſter Dr.
Gläſſing iſt gegen die Vertagung. Die Vorlage wird angenommen,
12. Unterhaltung des Hauſes Wendelſtadtſtraße 40. Dieſelbe be=
dingt
einen Koſtenaufwand von etwa 10 000 Mk. Wird genehmigt,
13. Herſtellung einer Wohnung in Bismarckſtraße 28. Die ſeitheri=
gen
Räume der Rettungswache ſollen für Wohnungszwecke hergerichtet
werden. Die Mittel werden bewilligt.

14. Bauliche Herſtellung in Befſunger Straße 80. Die Abortgrube
iſt undicht und zu beſeitigen. Der Kredit von 950 Mk. wird genehmigt.
15. Errichtung einer Abſchlußmauer an der ehemaligen Straßen=
unterführung
an der Dieburger Straße. Der Aufwand von 4000 Mk.
wird bewilligt.
16. Ausbau des Niebergallwegs zwiſchen Wittmann= und Schieß=
hausſtraße
. Die Errichtung mehrerer Wohngebäude bedingt den ſtraßen=
mäßigen
Ausbau dieſer Straßenſtrecke. Bereitſtellung des erforderlichen
Kredits wird grnehmigt.
17. Inſtandſetzung der Kanäle in Anng= und Eichbergſtraße. Die
Kanäle ſind ſchadhaft und verwurzelt; ſie genügen zur ordnungsgemäßen
Ableitung der Abwäſſer nicht mehr. Es iſt Inſtandſetzung, ſowie Ein=
bau
von ſechs Einſteigſchächten erforderlich. Koſtenpunkt 5000 Mark.
Wird genehmigt.
18. Heiſtellung eines Steinzeugrohrkanals im Voglerweg. Die Ver=
legung
erfordert einen Aufwand von 3000 Mark. Der Kredit wird
genehmigt.
19. Aufſtellung von Ruhebänken in den ſtädtiſchen Anlagen, auf
Straßen und Plätzen. Es ſollen 60 Bänke aufgeſtellt werden. Der Kredit
mit 2700 Mark wird bewilligt.
20. Umbau des Oberwaldhauſes. Die Raumperhältniſſe ſind unzu=
reichend
. Die Anlage einer überdeckten Terraſſe, ſowie eine
Reihe weiterer Verbeſſerungen iſt beabſichtigt. Man ſtimmt grundſätz=
lich
zu. Der Umbau ſoll erſt nach Eintritt günſtigerer Verhältniſſe be=
wirkt
werden. Wird zurückgeſtellt.
21. Wahl der Vertreter der Stadt in ben Verwaltungsausſchuß bes
öffentlichen Arbeitsnachweiſes für Stadt und Kreis Darmſtadt. Die Stadt
entſendet in den Ausſchuß 4, der Kreis 2 Vertreter als Beiſitzer mit be=
ratender
Stimme. Es wird beantragt, der Beſtellung der Stadtvertreter
wie vom Ausſchuſſe vorgeſchlagen zuzuſtimmen und die Beſtellung
der Vertreter gutgeheißen. Die Amtsdauer des Ausſchuſſes iſt 3 Jahre.
Wird genehmigt.
Mitteilungen:
Bürgermeiſter Daub teilt die in Kraft geſetzten Krankenhaustarif=
erhöhungen
mit.
Beig. Delp erörtert die Grundſätze der einmaligen Wirtſchaftsbei=
hilfe
; die letztere ſoll auch Arbeiterpenſionären und deren Witwen zuteil
werden. Stadtv. Weſp wünſcht weitgehendere Berückſichtigung der
Kurzarbeiter und Beſprechung ſeines Antrags im Sozialpolitiſchen
Ausſchuſſe.
Stadtv. Leuſchner bemängelt die Erhöhung des Krankenhaus=
tarifs
ohne bezügliche Ermächtigung der Verſammlung; die ſeinerzeit er=
teilte
Ermächtigung habe nur für die Inflationszeit gegolten. Herr
Leuſchner erörtert dann den geſtrigen Unfall in der Heidelbergerſtraße.
Hier müßten die ſtädtiſchen Unfallmeldeſtellen beſſer funktionieren.
Stadtv. Kleinert wünſcht Hinweis an den Litfaßſäulen. Die
Stadtverwaltung wird gegebene Anregungen prüfen.
Stadtv. Binſtadt bemängelt, daß die Leſe= und Bücherhalle den
Leihvertrieb noch nicht wieder aufgenommen hat. Bürgermeiſter Bux=
baum
erklärt, Abhilfe ſei geſchaffen durch Erneuerung der Räume,
Stadtv. Weſp wünſcht mehr Badezellen 2. Klaſſe im Städtiſchen
Schwimmbad. Stadtv. Hille wünſcht im Schwimmbad Bereitſtel=
lung
von Krücken für Beinverletzte.
Stadtv. Schäfer wünſcht, daß die Jugend nicht um das Woogs=
eis
komme. Die Stadtverwaltung ſagt Erfüllung des Wunſches zu.
Schluß der öffentlichen Sitzung 6.15 Uhr.

Städtiſche Feuer= und Rettungswache. Im Monat Oktober
wurde die ſtädtiſche Berufsfeuerwehr elfmal alarmiert, und zwar zu
einem Mittelfeuer 7 Kleinfeuern, zweimal zum Aufrichten von Pfer=
den
und einmal zum Abſchleppen eines in Waſſer gefahrenen Kraft=
vagens
. Weitere Hilfeleiſtungen erfolgten bei Gasmangel in Privat=
wohnungen
und beim Abſperren von Straßenhydranten in insgeſamt
32 Fällen. Der Sanitätsdienſt erſtreckte ſich auf 138 Krankentrans=
porte
. Davon entfielen auf das Stadtgebiet 111 und 27 von oder nach
näheren und weiteren Entfernungen der Stadt. Verſuchte Transporte
waren 8 und Anlegen von Notverbänden auf der Wache ſelbſt 6 zu
verzeichnen.
Die Dezembermiete beträgt in ſämtlichen Gemeinden
45 v. H. der Friedensmiete. In dieſer Summe ſind 14 v. H.
für laufende und 8 v. H. für große Inſtandſetzungskoſten ſowie
23 v. H. für Betriebskoſten und Zinsſteigerungen enthalten. In
Häuſern, in denen Abortgrubenentleerung ſtattfinden muß, können
die Vermieter die hierdurch entftehenden Unkoſten nach dem Ver=
hältnis
der Friedensmiete auf die einzelnen Nutzungsberechtig=
ten
umlegen. Dieſe ſind dann berechtigt, 3 v. H. der Friedens=
miete
in Abzug zu bringen.

Die Lage der deutſchen Beamtenſchaft.
Vom Ortskartell Darmſtadt des Deutſchen Beamtenbnudes erhalten
wir die nachſtehende Zuſchrift:
Wenn die Berufsbeamtenſchaft zum Streit, dem letzten gewerkſchaft=
lichen
Mittel, greift, dann wird die Exiſtenz des ganzen Staates auf das
ernſteſte gefährdet. Wenn der Arbeiter ſtreikt, dann werden ſchlimmſten
Falles einzelne Wirtſchaftsgruppen in Mitleidenſchaft gezogen, ſtreikt aber.
die Berufsbeamtenſchaft, dann wird das ganze Volk in ſeiner Geſamt=
heit
betroffen, dann erlebt der ganze Wirtſchaftskörper eine kaum ge=
ahnte
Erſchütterung.
Wir Angehörigen der weitaus größten deutſchen Beamtenorganiſa=
tion
, treiben keine Demagogie, uns darf man es deshalb glauben, wenn
wir heute vor aller Oeffentlichkeit feſtſtellen, daß die Exiſtenz des deut=
ſchen
Berufsbeamtentums auf das allerſchwerſte erſchüttert iſt. Die große
Maſſe der Beamtenſchaft ſteht heute vor dem wirtſchaftlichen Zuſammen=
bruch
. Hunderttauſende wiſſen nicht mehr, wie ſie ihre Kinder kleiden
und ernähren ſollen, und der Maſſe der Beamtenſchaft iſt es nicht mehr
möglich, teilzunehmen an den kulturellen Gütern der Nation.
In treuer Pflichterfüllung man denke nur z. B. an den Novem=
ber
1918 und an den Rhein= und Nuhrkampf hat das deurſche Berufs=
beamtentum
die ſchwerſten Opfer getragen. Heute wüſſen wir feſtſtellen,
daß wir in der Erfüllung der Pflicht zwar an der Spitze 2= Nation mar=
ſchieren
durften, daß ſich aber niemand, auch nicht die repräſentativen
Vertreter des deutſchen Volkes, um uns kümmern, wenn es gilt, uns zu
unſerem Rechte zu verhelfen.
Keine unſerer maßvollen Forderungen wurde nur beachtet. Ent=
weder
man hatte angeblich keine Mittel, oder man war gerade im Be=
griff
, die Preiſe herabzudrücken, die aber dieſem Drucke nicht folgen, ſon=
dern
infolge des ſtärkeren Gegendruckes immer höher ſtiegen.
Die letzte Beſoldungsregelung, die bekanntlich von der großen Maſſe
der Beamtenſchaft mit Entrüſtung abgelehnt wurde und die ſelbſt von
der Volksvertretung übereinſtimmend als gänzlich unzureichend bezeichnet
wurde, datiert vom Mai dieſes Jahres. Seit dieſer Zeit ſind die Preiſe
aller Bedarfsartikel ganz bedeutend geſtiegen, ſo daß man wenigſtens an=
nehmen
ſollte, die Reichsregierung wäre bereit geweſen, den entſtandenen
Ausfall am Gehalt auszugleichen. Gefehlt! Für den Beamten haben ſich
nach der Auffaſſung des Reichsfinanzminiſteriums anſcheinend die Ver=
hältniſſe
nicht verſchlechtert. Von der Not der Anderen ſpricht man zwar
ſehr viel, an unſerem Elend geht man aber achtlos vorüber. Vielleicht
denkt man, daß der Beamte nicht gefährlich wird, weil er zur Treue er=
zogen
iſt. Weiß man aber nicht, daß die Treue nicht einſeitig ſein darf,
weiß man nicht, daß auch die andere Seite die Treue halten muß, weiß
man nicht, daß eine Behandlung, wie ſie die Beamtenſchaft nun ſchon
jahrelang erfährt, auf die Dauer nicht ertragen werden kann!
In den letzten Tagen hat man gehört, daß die Reichsregierung bereit
ſei, eine maßvolle, Erhöhung der Beamtengehälter vorzunehmen zur
Angleichung an die Friedensbeſoldung. Glaubt man an maßgebender
Stelle denn im Ernſt, daß damit eine Linderung der Notlage erreicht
wird? Die Beamtengehälter will man an die Friedensbeſoldung anglei=
chen
, nachdem die notwendigſten Lebensmittel ſchon lange zum Leil den
mehrfachen Friedenspreis ausmachen.
Nicht Angleichung an die Friedensgehälter fordern wir, ſondern
Schaffung eines erträglichen Verhältniſſes zwiſchen den Gehältern und
den Preiſen aller Bedarfsartikel. Entweder es gelingt, was volkswirt=
ſchaftlich
zu begrüßen wäre, eine Herabſetzung der vielfach unberechtigten
Höhe der Preiſe, oder aber die Reichsregierung muß eine ganz nen=
nenswerte
und nicht nur eine maßvolle Gehaltsaufbeſſerung ein=
treten
laſſen.
Wir warnen dringend, auch fernerhin die Hilferufe der Beamten=
ſchaft
unbeachtet zu laſſen.
Die jetzige Beamtenpolitik rächt ſich am deutſchen Volke, denn ſie iſt
nicht länger tragbar. 80 Prozent der deutſchen Beamtenſchaft ſtehen vor
dem wirtſchaftlichen Ruin. Das iſt gleichbedeutend mit dem Zuſammen=
bruch
des Beamtentums. Wird auch jetzt wieder verſäumt, eine ausrei=
chende
Beſoldungserhöhung, insbeſ dere für die unteren und mittle=
ten
Gruppen, vorzunehmen, dann m en wir an dem guten Willen zwei=
feln
. Ueberall ſucht man anderen Wirtſchaftsgruppen Erleichterungen zu=
verſchaffen
; für das deutſche Berufsbeamtentum hat man ſolche nicht.
Was man für uns übrig hat kennzeichnen die Tatſachen:
Syſtemloſer Perſonalabbau, Urlaubsverkürzung, Arbeitszeitver=
längerung
uſw. So lohnt man unſere Treue.
Wir ſchreiben dieſe Zeilen, um der Oeffentlichkeit zu zeigen, wie es
ſteht mit dem Berufsbeamtentum.
Nicht nur der Beamte ſelbſt, ſondern das ganze deutfche Volk hat ein
Intereſſe an der Erhaltung des deutſchen Berufsbeamtentums. Ohne
ein inne rlich geſundes Berufsbeamtentum gibt es
keinen Wiederaufſtieg, des deutſchen Vaterkandes.

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[ ][  ][ ]

Rummer 324.

Freitag, den 21. November 1924.

Seite 3.

Aus Heſſen.
Zum Preisabbau.
* Der Heſſiſche Handelskammertag hat in ſeiner
Sitzung vom 17. November d. Js. zur Frage des Preisabbaues folgende
Stellung eingenommen:
Die Preiſe ſind in Deutſchland nominell geringer geſtiegen als in
anderen Ländern mit hoher Valuta. Da aber das Volksvermögen in=
folge
des Krieges und der Nachkriegsereigniſſe außerordentlich zuſam=
mengeſchrumpft
iſt, ſo hat die allgemeine Kaufkraft ſtark abgenommen.
Durch eine übertriebene Ausdehnung der ſtaatlichen und gemeindlichen
Verwaltung, eine falſche Steuergeſetzgebung, eine ſtarke Steigerung der
ſozialen Laſten und eine Hemmung der Produktionstätigkeit durch eine
einfeitige Sozialpolitik iſt die Produktion verteuert und die notwendige
Kapitalneubildung verhindert worden. Die öffentlichen Verkehrsein=
richtungen
haben durch ihre übertriebenen Tariferhöhungen ebenfalls
berteuernd gewirkt.
Eine Beſſerung der Wirtſchaftslage hat eine Verminderung und
beſſere Verteilung der öffentlichen Laſten, insbeſondere eine gründliche
Reform der Einkommen= Körperſchafts= und Vermögensſteuer und eine
ſtarke Herabſetzung der Umſatz= und Gewerbeſteuern, ſowie der Eiſen=
bahn
= und Poſttarife zur Vorausſetzung. Der Staat muß außerdem die
Hemmungen beſeitigen, die der Entfaltung der Wirtſchaft entgegen=
ſtehen
; insbeſondere darf er nicht die Preisgeſtaltung durch eine falſche
Lohnpolitik durchkreuzen. Nur wenn es gelingt, die Leiſtungen zu ſtei=
gern
und die Produktionskoſten niedrig zu halten, iſt es auch möglich,
die Ausfuhr, zu ſteigern und ſo viel zu produzieren, daß der Maſſe der
Bevölkerung eine Verbeſſerung ihrer Lebenshaltung möglich iſt. Durch
Zwangsmaßnahmen und ſtaatliche Eingriffe kann dies niemals bewirkt
vielmehr nur das Gegenteil erreicht werden.
Die Schäden und Mängel, die innerhalb der Wirtſchaft beſtehen,
können in der Hauptſache nur in der Wirtſchaft und durch ſie, ſofern ſie
ſich frei entfalten kann, behoben werden. Die Wirtſchaft hat zudem kein
Intereſſe an hohen, ſondern an niederigen Preiſen. Zur Bekämpfung
der Auswüchſe reichen die allgemeinen Geſetze und Strafbeſtimmungen
aus. Im Handel mit Lebensbedürfniſſen ſind übertriebene Preisforde=
rungen
zurzeit nicht feſtzuſtellen; die Spannungen ſind zum Teil ſo ge=
ring
, daß fie den kleinen und mittleren Geſchäften kaum die notwendige
Exiſtenz gewähren. Weitere Lohnerhöhungen ohne Produktionsſteige=
rungen
ſind nicht geeignet, eine Beſſerung der Lage der Bevölkerung
herbeizuführen, ſondern beſchwören nur die Gefahr einer neuen Geld=
entwertung
herauf, deren Folgen nicht abzuſehen ſein würden.

* Arheilgen, 20. Nov. Nach längerer Pauſe wird am 30. d. M. wie=
der
die hieſige Orcheſtervereinigung, diesmal im Saale des
Gaſthauf s Zum weißen Schwanen, mit einem Konzert an die Oeffent=
lichkeit
treten. Klaſſiſche Muſik iſt es diesmal, die zu Gehör gebracht
werden wird. Als größeres Werk hat man Beethovens 1. Sinfonie in
C=dur ausgewählt. Ferner ſind Werke Griegs, Händels und Mendels=
ſohns
in Ausſicht genommen. Hoffentlich iſt der Veranſtaltung ein guter
Beſuch beſchieden. Bei der hier ſtattgefundenen Gründungsver=
ſammlung
des Reichsbanners Schwarz=Rot=Gold
legte Herr Landtagsabgeordneter Reiber die Gründe zur Gründung dar
und meldeten ſich ſogleich eine größere Anzahl Mitglieder zur hieſigen
Ortsgruppe an. Der vorläufige Vorſtand nimmt weitere Anmeldungen
entgegen und iſt es Pflicht eines jeden Republikaners, ſich dieſer Organi=
ſation
zum Schutze der Republik anzuſchließen. Die trotz vorgeſchritte=
ner
Jahreszeit gut beſchickte Obſt= und Obſtkonſervenausſtel=
lung
des Obſt= und Gartenbauvereins nahm einen überaus günſtigen
Verlauf. Das Preisrichterkollegium hatte keine leichte Arbeit und konnte
eine große Anzahl Prämierungen vornehmen. Auch die am Abend ſich
anſchließende Familienfeier ergab einen recht animierten Abſchluß und
wickelte ſich das reichhaltige Programm wunſchgemäß ab.
* Griesheim, 20. Nov. Am 1. Dez. d. Js. tritt der Oberpoſtſchaffner
Wilhelm Merker I. in den Ruheſtand. Herr Merker wat ununter=
brochen
33½ Jahre auf dem hieſigen Poſtamt tätig. Er iſt ſowohl beim
Publikum als auch bei ſeinen Vorgeſetzten und Kollegen geachtet und
beliebt.
* Griesheim, 20. Nov. Das für Rechnung des heſſiſchen Staates in
der Friedrichſtraße neuerbaute zweiſtöckige Wohnhaus für die
beiden hier ſtationierten Gendarmen iſt jetzt endlich fertiggeſtellt und
bezogen worden.
* Nieder=Ramſtadt 20. Nob. In einer am 18. d. M. ſtattgefundenen
öffentlichen Bürgerverſammlung im Schulhaus dahier wurde
über die Platzfrage des demnächſt zu errichtenden Ehrenmals für die
im Weltkrieg Gefallenen verhandelt. Bekanntlich gingen die Meinun=
gen
in dieſer Beziehung noch weit auseinander. Ein Teil der Einwoh=
nerſchaft
, hauptſächlich die Ortsgruppe des Reichsbundes der Kriegsbe=
ſchädigten
und Kriegshinterbliebenen war für die Errichtung auf dem
neuen Friedhof, wieder andere wollen das Deukmal innerhalb des Ortes
errichtet wiſſen. Der eingeſetzte Ausſchuß hat ſich in anbetracht der vor=
händenen
Meinungsverſchiedenheiten in der Sache nicht feſtgelegt und
überläßt es der Bürgerſchaft, in der Platzfrage ſelbſt zu entſcheiden.
Leider war die Verſammlung nicht ſehr gut beiucht, ein Beweis, daß in
der Angelegenheit ein mangelndes Intereſſe vorherrſcht. Immerhin
konnte man aus der Debatte heraushören, daß mittlerweile die Meinung
umgeſchlagen iſt und daß man jetzt mehr für Errichtung des Denkmals
inner halb des Ortes iſt. Von den vielen Plätzen, die vorgeſchlagen wur=
den
, ſcheint derjenige auf dem alten Friedhof, bei der Kirche, mit Front
gegen das alte Denkmal am meiſten Ausſicht auf Erfolg zu haben, wenig=
ſtens
entſchieden ſich die Anweſenden einſtimmig dafür Allerdings ſtehen
hier noch einige Hinderniſſe im Wege, die erſt beſeitgt werden müſſen,
letzten Endes ſpelt hierbei auch die finanzielle Seite noch eine weſentliche
Rolle da ohne Zweifel dieſes Projekt gegenüber anderen mit bedeuten=
den
Mehrkoſten verknüpft ſein dürfte. Zu einem endgültigen Reſultat ge=
langte
man natürlich nicht, es ſollen vielmehr erſt ſachverſtändige Gut=
achten
eingeholt werden.
* Groß=Umſtadt, 20. Nob. Die in der Stadtkirche veranſtaltete
Abendfeier des Evangel. Bundes hatte einen ſchönen und
würdigen Verlauf. Orgelſpiel mit Violinbegleitung bildete den Anfang.
Die Eingangsworte als Gruß an die zahlreiche Verſammlung ſprach
Pfarrer Hartmann. Chorgeſang des Kirchengeſangvereins leitete über
zu dem Vortrag des Herrn Pfarrer D. Waitz=Darmſtadt, der uns in
ſeinen Ausführungen über Luther und die Gegenwart den Reformator
in ſeiner weltgeſchichtlichen Bedeutung wieder zeigte. Die treffliche Rede
wurde aufmerkſam aufgenommen als ernſte Mahnung an unſere Zeit.
Geſang des Lutherliedes, nochmaliges O=gel= und Violinſpiel, Schluß=
wort
von Pfarrer Briegleb und Geſang des mehrſtimmigen Chores des
Mädchenbundes machten den Schluß dieſes erſten Familienabends im
laufenden Winterhalbjahr. Die Violinvorträge hatte in bereitwilligſter
Weiſe Herr Oekonomierat Haug von hier, übernommen, deſſen ſchöne
Kunſt in Harmonie zur Orgel, die unſere Organiſtin, Fräulein A. Maſer
in bekannter trefflicher Art ſpielte, einen tiefen Eindruck bei allen hinter=
laſſen
hat.
Brensbach f. D. 20. Nov. Der Geſangverein Sängerluſt Klein=
Gerau (bei Groß Gerau), Dirigent Herr Muſikdirektor J. Müller, Mainz,
veranſtaltet am Samstag, den 22. November d. J., abends 8 Uhr in
Brensbach (Odenwald) im Gaſthaus Zur Poſt ein Konzert. Die Män=
nergefangvereine
von Bvensbach, Fränkiſch=Crumbach, Höllerbach, Nieder=
Kainsbach, Werſau, Hummetroth, Affholterbach und Böllſtein ſind von
Seiten des Vereins beſonders zu dem Beſuche eingeladen worden. Unter
ber Leitung des Herrn Muſikdirektors Müller und der Mitwirkung
zweier Soliſten verſpricht das Konzert einen ſchönen Verlauf zu nehmen.
Das 14 Nummer umfaſſende Programm enthält Kunftchöre und auch
Volkslieder.
Böllſtein 19. Nov. Der 1913 gegründete Geſangverein beabſich=
tigt
im kommenden Jahre 1925, am 14 und 15. Juli, die erſte Fahnen=
weihe
abzuhalten. Die weitbekannte Böllſteiner Höhe, als Ausflugs=
ort
, wird dazu beitragen, daß bei ſchönem Wetter die Brudervereine ſich
recht zahlreich einfinden werden.
* Erbach i. O., 19. Nov. Die Odenwälder Vereinigung
fürKunſt und Wiſſenſchaft teilt mit, daß am kommenden Frei=
tag
kein Vortrag ſtattfindet. Dafür wird Herr Geheimrat Prof. Dr.
Ploty=Würzburg am Sonntag, den 23. November, nachmittags 4,30
Uhr, im Anker zu Stockheim über: Unitarismus und Föderalismus
im Deutſchen Reich ſprechen. Herr Oberſtudiendirektor Dr. Weiner=
Michelſtadt hält am Freitag, den 28. d. M., ſeinen vierten Vortrag über
Nietzſche=Doſtofewskif. An den beiden folgenden Freitagen, 5. und 12.
Dezember, ſpricht Herr Geheimrat Diefenbach=Erbach, am erſten Tage
über Das Dawesabkommen und am zweiten über Freihandel und
Schutzzölle‟. Den letzten Vortrag vor Weihnachten hält der Gründer der
Vereinigung, Herr Regierungsrat Dr. Roeſener=Würzburg, über: Goe=
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* Heſſiſcher Landgemeindetag.
S. Frankfurt, 20. Nov. Nach einer Pauſe von zwei Jahren
trat am Donnerstag der Heſſiſche Landgemeindetag im Frank=
furter
Römer zu ſeiner diesjährigen Hauptverſammlung unter
ſehr ſtarker Beteiligung zuſammen. Von der heſſiſchen Regie=
rung
wohnten der Tagung bei: Oberregierungsrat Weber für
das Miriſterium des Innern, für das Finanzminiſterium Dr.
Schrod und für das Wirtſchaftsminiſterium Oberregierungsrat
Linkenheld. Bürgermeiſter Alexander (Gonſenheim) dankte als
Vorſitzender für das ſtarke Intereſſe, das die heſſiſche Regierung
an den Beſchlüſſen und Wünſchen des Landgemeindetags nehme
und begrüßte dann beſonders die aus dem beſetzten Gebiet zur
Tagung erſchienenen Gemeindevertreter. Nach Referaten von
Bürgermeiſter Dr. Niepoht=Ritzel (Erbach) über die Steuerver=
teilung
in Heſſen wurde folgende Entſchließung angenommen:
1. Verdoppelung der Steueranteile der Landgemeinden für
die Zeit vom 1. Oktober 1924 bis zum 31. März 1925 und Ver=
wendung
dieſer Summen für Wohnungsbauten und die Er=
werbsloſenfürſorge
, 2. Schaffung eines Reichsgeſetzes, das die
Offenlegung aller Steuerliſten nach dem Vorgehen der Vereinig=
ten
Staaten bezwecke. 3. Mitwirkung der Gemeinden bei den
Steuererklärungen, Steuereinziehungen und Steuerfeſtſetzungen.
4. Beibehaltung der Grund= und Gemeindeſteuer. 5. Aufnahme=
berechtigung
langfriſtiger Auslandsanleihen durch die Gemeinden.
6. Beibehaltung der Finanzhilfskaſſen auf dem Lande, die das
deutſche Finanzminiſterium aufzuheben beabſichtige.
Im Anſchluß an den Landgemeindetag fand eine Verſamm=
lung
der Bürgermeiſter ſtatt, die ſich in der Hauptſache mit
Geſchäftsangelegenheiten und Berufsfragen befaßte. Unter den
kurzen Referaten iſt das von Direktor Erb (Darmſtadt) hervor=
zuheben
.
* Erbach f. D., 19. Nov. Herr Kreisſchulrat Gerbig=Erbach wirb am
Totenſonntag, den 23. d. M., hier, im evangeliſchen Gemeindehauſe, einen
Lichtbildervortrag halten über: Wie unſere Kriegergräber waren und
jetzt erhalten ſind‟,
* Michelſtadt, 19. Nov. Die Heſſiſche Landeswander=
bühne
wird am Sonntag, den 23. d. M., im Saalbau, hier, abends
8 Uhr, Noſe Bernd aufführen.
* Michelſtadt i. O., 18. Nov. Auf Einladung und unter Vorſitz un=
ſeres
Bürgermeiſters, Herrn Ritzel, fand geſtern Abend im Grünen
Baum hier, eine Verſammlung ſtatt, die eine Ortsgruppe des Heſ=
ſiſchen
Fechtvereins Waiſenſchutz gründete. Es wurde
ſofort beſchloſſen, wie die nötigen Mittel durch Sammlungen, Aufſtellung
von Sammelbüchſen uſw., aufzubringen ſeien. Die Tätigkeit der Orts=
gruppe
ſoll ſich in erſter Linie auf Halbwaiſen erſtrecken und dieſen
durch Weihnachtsbeſcherungen, Beihilfe bei der Konfirmation uſw. helfen.
wk. Wimpfen a. Neckar, 19. Nov. Dem um die Pflege der Kunſt=
ſchätze
und um die Geſchichtsſchreibung Wimpfens hochverdienten Stadt=
pfarrer
a. D. Scriba gab der Verein Alt=Wimpfen vor der Ueber=
ſiedelung
nach Eiſenach einen Abſchiedsabend, bei dem von allen
Seiten zuſammenfaſſend die reichen Verdienſte Scribas betont wurden.
Die Abſchiedsgrüße der Heſſiſchen Denkmalspflege brachte Geh. Rat Prof.
Walbe perſönlich. Nachdem im Jahre 1922 wegen der Ungunſt der
Zeit von einer feſtlichen Veranſtaltung anläßlich des 50jährigen
Beſtehens der Realſchule Wimpfen Abſtand genommen wor=
den
war, hat ſich jetzt eine Vereinigung der Freunde der Realſchule
Wimpfen e. V. gebildet, die alle ehemaligen Schüler zuſammenruft und
eine nachträgliche Feier in der Woche vor Pfingſten nächſten Jahres ab=
halten
will. Nachdem das Abbau=Fieber, das auch die Realſchule neben
Amtsgericht und Oberförſterei zu befallen drohte und damit Wimpfen
zu völligem Niedergang als Stadt verurteilt hätte, glücklich überwunden
iſt, ſoll durch ein allgemeines Zuſammenkommen gezeigt werden, welche
kulturellen Kräfte aus dieſer Anſtalt entwachſen ſind. Den Vorſitz der
Vereinigung hat Herr Dr. med. Engel übernommen.
* Heppenheim. 18. Nov. Stadtratsſitzung. In der geſtrigen
Stadtratsſitzung kam der Stromlieferungsvertrag mit der Heag zur aus=
giebigen
Erörterung. Die Stadt Heppenheim beklagt ſchon ſeit längerer
Zeit, daß ihr die Heag den ſonſt den Großabnehmern gewährten Ver=
günſtigungspreis
nicht bewilligt. Alle hierüber bisher geführten Ver=
handlungen
ſind geſcheitert. Da man ſich bei dem eigentümlichen Stand=
punkt
der Heag auch von weiteren Verhandlungen keinen Erfolg mehr
verſpricht, beauftragte der Stadtrat die Bürgermeiſterei, prüfen zu laſſen,
in welcher Weiſe der Bedarf an elektriſchem Strom in anderer Weiſe ge=
deckt
werden kann. (Wir werden auf das Verhältnis der Heag mit der
Stadt Heppenheim noch in einem beſonderen Artikel zurückkommen)
Am 2. November iſt der Weſchnitzdamm in einer Ausdehnung von 40 Me=
tern
gebrochen. Auch ſonſt hat das Hochwaſſer an Gräben und Dämmen
großen Schaden angerichtet. Nachdem jetzt das Waſſer zum größten Teil
wieder zurückgegangen iſt ſollen die Dämme, unter Hinzuziehung von
Erwerbsloſen, inſtandgeſetzt werden. Ein anteilmäßiger Beitrag zu den
Koſten wird von der Gemeinde Hambach angefordert. Der Oberreal=
ſchule
wird für dringend notwendig gewordene Anſchaffungen ein außer=
ordentlicher
Kredit von 2500 Mark bewilligt. Der Beitrag zu den
Schulkoſten der iſrgelitiſchen Religionsgemeinde wird auf 180 Mark er=
höht
. Die Ausrüſtungsgegenſtände der Sanitätskolonne ſind zu er=
gänzen
und die Anſchaffung eines neuen Krankentransportwagens iſt er=
forderlich
. Die hier erforderlichen Kredite werden bewillgt. Für
die Weihnachtsbeſcherung der bedürftigen Kinder in der Städt. Klein=
kinderſchule
werden 400 Mark genehmigt. Bei der im Herbſt ſtattge=
fundenen
außerordentlichen Reviſion der Stadtkaſſe durch die Oberrech=
nungskammer
iſt nichts weſentliches beanſtandet worden. Vielmehr hat
die ordnungsmäßige Wahrnehmung der Kaſſen= und Rechnungsgeſchäfte
bei der Stadtkaſſe lobende Anerkennung gefunden. Die bei dem Sub=
miſſionsweſen
bisher vorgekommenen Unzuträglichkeiten, die noch auf die
Gepflogenheiten der Inflationszeiten zurückzuführen ſind, führten zu
einer recht lebhaften Ausſprache. Die Stadtverwaltung ſteht auf
dem Standpunkt, daß dem niedrigſten Angebot der Zuſchlag zu erteilen
iſt, und daß die nach Eröffnung der Submiſſionen bisher üblichen Unter=
bieten
nicht mehr berückſichtigt werden. Demgemäß verbleibt es bei der
Uebertragung der Röhrenlieferung an die Firma Reichenſtein und der
Erdarbeiten an Lulay und Konſorten. Bei letzteren differierten die An=
gebote
um 2 Mark für den laufenden Meter. Eine geheime Sitzung
ſchloß ſich an.
* Stoaſtadt, 20. Nov. Wie bereits in der Montagsnummer ſchon
berichtet, veranſtaltet der hieſige Turn= und Sportverein dr Deutſchen
Turnerſchaft am Samstag abend im Saale des Valentin Heil ( Darm=
ſtädter
Hof) einen Turn= und Tanzabend unter Mitwirkung der
hier turneriſch wohlbekannten Turngeſellſchaft Griesheim ſowie aller Ab=
teilungen
des Vereins. Zur Darbietung gelangen abwechſelnd Frei= und
Handgeräteübungen, Reigen, Volkstänze und als neue Aufführungen
Ausdruckstänze‟. Wie auch alle früheren Veranſtaltungen des Vereins
zur größten Zufriedenheit der Anweſenden verliefen, ſo ſind auch hier
wieder einige genußreiche Stunden zu erwarten, die erneut beweiſen,
welch: große Arbeit in dem hieſigen Turn= und Sportverein zum Wohle
des Volkes geleiſtet wird, und welches große Tätigkeitsgebiet innerhalb
der Deutſchen Turnerſchaft beſteht. An dieſem Abend wird auch der
Vortrag von Dr. Thiemer=Dresden, Vertreter des 14. Turnkreiſes der
D. T., auf dem 18. Deutſchen Turntage zu Würzburg über die Ziele der
Deutſchen Turnerſchaft zur Verl ſung kommen.
* Trebur, 20. Nov. Unfall. Auf der Chauſſee Trebur- Nau=
heim
ſtreifte das Auto der hieſigen Spar= und Konſumgenoſſenſchaft,
weil es auf der verkehrten Seite überholen wollte, das Fuhrwerk des
Landwirts Georg Ewald, ſo daß das Hinterrad und die Achſe beſchädigt
wurden. Der Spar= und Konſumverein hat ſich bereit erklärt, für den
Schaden aufzukommen.
Worms, 20. Nov. Erſte allgemeine Süd= und Mit=
teldeutſche
Taubenausſtellung in Worms a. Rh. in ſämt=
lichen
Räumen des Konzerthauſes Zum Karpfen‟. Die erſte allgemeine
Süd= und Mitteldeutſche Taubenausſtellung wird am Samstag nach=
mittag
um 2 Uhr hier eröffnet. Die Anmeldungen zu dieſer großen
Ausſtellung haben den überraſchenden Erfolg gezeigt, daß 920 Nummern .
Tauben aller Raſſen hier zuſammentreffen, alſo nahezu 1000 Nummern,
eine Zahl, wie dieſe in Süddeutſchland in einer Spezialausſtellung noch
nie zuſammengebracht wurbe, und wird dieſes großzügige Unternehmen
auch von keiner Seite überboten werden können. Die bedeutendſten Züch=
ter
der verſchiedenen Raſſen ſind hier vertreten. Es ſind gemeldet:
Farbentauben, darunter Schildtauben, Fränkiſche Sammetſchilder, Thü=
ringer
Flügeltauben, Nürnberger Sammetſchwalben, Schwalben ( glatt=
füßig
), Bläſſen, Mohrenköpfe, Brüſter, Stare, Lockentauben, Gimbel,
Forellen und Trommler, Perücken, Pfautauben, Mövchen. Nönnchen,
Charlotten, Rheinaugen, Stargarder, Berliner kurze, Berliner lange,
Bärtchen, Elſtern, Stettiner, Malteſer, Huhnſchecken, Steinheimer Bag=
deten
und Nürnberger Bagdeten, Straſſer, Lerchen, Luchſen, Carier,
Dragon=Schau=Antwerp. Indianer und Schow. Homer, engliſche, fran=
zöſiſche
, Brünner, heſſiſche, Steiger= und pommerſche Kröpfer. Die Tiere
werden in den zum erſten Male zur Verfügung ſtehenden, vollſtändig
neuen Käfiamaterial ausgeſtellt. Es iſt den Züchtern Gelegenheit ge=
vſoten
, erſtklaſſiges Zuchtmaterial zu erwerben. Die angegliederte reich=
haltige
Tombola=Verloſung wird manchem einen ſchönen Gewinn ein=
bringen
. Indem wird nochmals auf die Reichhaltigkeit in den Tauben=
raſſen
, die hier zuſammenkommen, hinweiſen, wünſchen wir vollen
Erfolg!

Ingelheim, 19. Nov. Eine Bärenjagd. Bei der Polizei
wurde von verſchiedenen Perſonen gemeldet, daß in der Gegend des
Herdry ſich zwei Bären herumtreiben, die in ihre Nähe kommende Per=
ſonen
angreifen wollten. Um Klarheit in dieſe Geſchichte zu bringen,
begab ſich der Inſpektor der Polizei in Begleitung eines Polizeibeam=
ten
und eines Jagdbüters nach dem Lagerplatz der Beſtien. Und ſiehe
da, ſtatt der beiden Bären kamen die beiden rieſigen Leonberger
Hunde des Erbes=Büdesheimer Hofgutes aus einer Grube zum Vor=
ſchein
. Da die Hunde gegen die Beamten bösartig vorgingen, wurden
mehrere blinde Schüſſe abgegeben, die jedoch die beiden Tiere nicht ſtör=
ten
. Jetzt waren die Beamten gezwungen, Ernſt zu machen, und gaben
zwei Schüſſe auf den erſten angreifenden Hund ab, der verletzt wurde.
Hierauf zogen die Hunde vor, das Weite zu ſuchen. Der ſchwer ver=
letzte
Hund zog ſich in eine dort befindliche Kaute zurück, wo er durch
einen Schuß getötet wurde. Der andere Hund lief nach Hauſe. Da‟
getötete Tier, das ſehr wertvoll iſt, wog nahezu zwei Zentner. (Richtiger
wäre es wohl geweſen, den Beſitzer der Hunde zu benachrichtigen, als
das wertvolle Tier einfach zu erſchießen. D. Red.)
k. Gießen, 19. Nov. Hier fand eine außerordentliche Gerichts=
verhandlung
wegen eines angeblichen Sittlichkeitsverbrechens
ſtatt. Der Studienrat Hahn war angeklagt, gelegentlich der
Quäkerſpeiſung vor zwei Jahren ſich mit mehreren Knaben ein
Sittlichkeitsvergehen zuſchulden kommen haben zu laſſen. In der
deswegen vor zwei Monaten einberufenen Gerichtsverhandlung
war der Angeklagte bereits freigeſprochen worden, jedoch die
Staatsanwaltſchaft legte damals Berufung ein. In der darauf=
hin
geſtern und heute ſtattgefundenen Gerichtsverhandlung wur=
den
52 Zeugen vernommen, was die Ausdehnung der Verhand=
lung
über zwei Tage hin erklärt. Auch diesmal endete die
Gerichtsverhandlung mit einem Freiſpruch des Angeklagten.
* Stammheim, 18. Nov. Am Sonntag abend ſprach hier im Saale
der Gaſtwirtſchaft Alt Herr Pfarrer Weidner im Auftrage der Evan=
geliſchen
Volksgemeinſchaft. Er legte zunächſt dar, daß es notwendig in
Heſſen war, dieſe Bewegung zu begründen. Es iſt auch nicht die einzige
Bewegung dieſer Art, denn in Sachſen, Weſtfalen, Pfalz, Baden hat man
ähnliches bereits geſchaffen. Die Evangeliſchen dürfen ſich nicht ſo viel
auf wirkungsloſe Reſolutionen verlaſſen, ſondern müſſen lernen, prakti=
ſcher
zu werden. Dann entwickelte er das Programm der Volksgemein=
ſchaft
. Sie kämpft gegen Atheismus, Materialismus und Ultramonta=
nismus
, und tritt ein für die Rechte der evangeliſchen Kirche. Sie
fordert die Simultanſchule auf dem Boden chriſtlichen Glaubens. Sie
erſtrebt die Sammlung aller Volksteile zum Aufbau der Volkswirt=
ſchaft
. Sie will allen ſchaffenden Ständen in Stadt und Land dienen,
ſo auch dem ſchwer ringenden Mittelſtand und dem Bauernſtand. In
der Ausſprache ergriff für den Heſſiſchen Bauernbund Herr Bentrup das
Wort. Er wütete heftig gegen die Beamten, Pfarrer und Lehrer und
leiſtete ſich neben anderen Ungeheuerlichkeiten folgendes: Er erzählte,
daß Herr Profeſſor Dr. Leuchtgens deshalb auf die Liſte des Bauern=
bundes
gekommen ſei, um die Landlehrer zu veranlaſſen, die Liſte des
Bauernbundes zu wählen. Das ſei eine kluge Politik! Nachdem die
beiden Herren Lehrer unſeres Ortes gehäſſige und unrichtige Aus=
führungen
des Vorredners über die Fortbildungsſchule richtig geſtellt
hatten, ergriff Pfarrer Weidner das Wort zur gründlichen Widerlegung
und zur energiſchen Zurechtweiſung des jugendlichen Herrn vom Bauern=
bunde
. Beſonders wies er noch darauf hin, daß die einſeitige materia=
liſtiſche
Intereſſenvertretung einzelner Berufe unſer Volk am Aufbau
verhindert. Der ſtarke Beifall zeigte, daß die Ausführungen reiche Zu=
ſtimmung
gefunden hatten.
* Büdingen, 17. Nov. Ein ſtattliches Kreisamtsgebäude
erhebt ſich im Südweſten unſeres Städtchens, in der verlängerten Hin=
denburgſtraße
. Der dreiſtöckige Bau iſt in ſeinem Rohbau fertigge=
ſtellt
. Die Arbeiten am inneren Ausbau werden jetzt vergeben und ſol=
len
noch im Winter begonnen werden. Es kann Herbſt 1925 werden,
bis die Einweihung des Neubaues erfolgt. Die Stadt will jetzt der
Wohnungsnot kräftig entgegentreten und im Frühjahr
12 bis 15 Ein= und Zweifamilienhäuſer errichten.
() Londorf (Oberh.), 15. Nov. Das Wohnhaus, das die Ge=
meinde
zur Hebung der Wohnungsnot errichten ließ, iſt nunmehr fertig=
geſtellt
und bezogen. Es konnten ſieben Familien darin untergebracht
werden. Außerdem ſind hier im Laufe des Sommers drei Häuſer von
privater Seite errichtet worden.
* Schotten, 20. Nov. Die großen Stauwerke im Vogels=
berg
, die jetzt im Entſtehen begriffen ſind, ſollen eine Maximalleiſt=
ung
von 3000 Pferdeſtärken erzeugen. Es handelt ſich um die Anlage
von drei Sammelbecken, deren größtes eine halbe Million Kubikmeter
Nutzinhalt faſſen ſoll. Die Sperrmauer kommt an die Gemarkungs=
grenze
RixfeldSchadges. Das Tal der Altfell wird an der Kalten
Mühle bei Altenſchlirf geſperrt. Das Prinzenbachbecken weſtlich Stock=
hauſen
wird den kleinſten Nutzinhalt faſſen. Nach dem Geſetz der ver=
bundenen
Röhren wird das Waſſer über die Anhöhen geleitet; vomr
Prinzenbachtal aus ſoll es durch einen ſogen. Dücker (Unterführung)
nach Schadges hinübergeführt werden. Von hier wird das geſamte Waſ=
ſer
bis nach dem etwa 5 Kilometer entfernt liegenden Niedendorf zwiſchen
Stockhauſen und Müs geführt. Am Abhang des Schönbergs, an der
heſſiſch=preußiſchen Grenze, iſt die Erbauung des Kraftwerkes geplant.
In dem Waſſerſchloß wird das Waſſer aus einer Höhe von 132 Metern
zum Abſturz gebracht werden. Als erſte Etappe des Kraftwerks kommt
ixfeld zur Ausführung, dann folgt das Prinzenbachtal und zuletzt das
Tal der Altfell. Die bereits beſtehenden kleinen Kraftwerke Schadges
und Altenſchlirf ſollen, ſoweit als möglich, bleiben. Die Gemeinde Rix=
feld
verliert 52 Morgen beſten Wieſengeländes; Erſatz ſoll hier geſchaffen
werden durch Tauſch oder durch die Feldbereinigung. Die Einwände
unterliegen gegenwärtig der Prüfung der maßgebenden Stellen. Bei
den umfangreichene Axbeiten zur Feſtſtellung des Untergrundes hat man
Stollen angelegt. Entgegen aller Annahme kam man erſt bei etwa zehn
Meter Tiefe auf feſte geſchloſſene Felsmaſſe, auf der die Sperrmauern
errichtet werden ſollen. Die Sperrmauer bei Rixfeld erhält eine Höhe
von 1518 Meter und eine obere Länge von etwa 250 Meter. Den be=
kannten
Geologen Bergrat Schottler=Darmſtadt hat man als Sachver=
ſtändigen
bei der Bodenunterſuchung zugezogen. Im Laufe des Winters
wird die Unterſuchung des tragbaren Felſens abgeſchloſſen, und die
Pläne kommen zur Fertigſtellung. Im nächſten Frühjahr ſoll die Aus=
führung
des erſten Beckens bei Rixfeld beginnen.
* Aus dem Vogelsberg, 17. Nov. Im Rechnungsjahr 1924 haben
wiederum umfangreiche Oedlandmeliorationen ſtattgefunden;
dieſe ſind entweder in Wieſen oder Hutweiden verwandelt worden.
Das Kulturbauamt Lauterbach hat ſich ſeit Jahren in dieſer Angelegen=
heit
außerordgentlich verdient gemacht. Sobald eine ſolche Wüſtung zur
Meloriation beſtimmt iſt, werden die Felsblöcke beſeitigt, das Gelände
wird eingeebnet, Hügel werden abgetragen, Vertiefungen zugeſchüttet,
die ſogenannten Wundſtellen werden neu eingeſäet, das ganze gedünkt
und wo es möglich iſt, für Bewäſſerung geſorgt. Der Zweck iſt die Ver=
mehrung
des Futterbaues, durch die Wieſen und Hutweiden ſoll die
Viehzucht gehoben und produktiver geſtaltet werden. Mancher Klein=
bauer
iſt ſomit in die Lage verſetzt, den Viehbeſtand zu vergrößern und
geſundes, leiſtungsfähiges Milchvieh wird auf den Hutweiden gedeihen.
Zudem wird er es an dem Futterverbrauch zur Genüge ſpüren. Ferner
wurde den zahlreichen Erwerbsloſen Gelegenheit gegeben, in der kriti=
ſchen
Zeit anderweit Verdienſt zu finden. Es iſt beabſichtigt, etwa 250
Morgen Oedland in Nutzland zu verwandeln. Der heſſiſche Staat leiſtet
in dankenswerter Weiſe 50 vom Hundert zu den Ausführungskoſten.
Melorationen ſind in 1924 ausgeführt worden: im Kreiſe Schotten
in Burkhards, Kaulſtoß, Oberſeemen und Michelbach, im Kreiſe Lauter=
bach
in Ilbeshauſen, Krainfeld, Grebenhain und Engelrod. Das ehe=
malige
Felſenmeer ſoweit es der Gemeinde Ilbeshauſen gehört iſt
jetzt als Hutweide angelegt.
* Aus Heffen, 20. Nov. Der Eiſenbahnzug, welcher 4 Uhr
50 Min. nachmittags ab Darmſtadt nach Frauffurt fährt, durchfuhr die
Station Arheilgen und hielt erſt auf Station Wixhauſen. Als der Zug
an Arheilgen vorbeifauſte, wurden die Mitfahrenden von Arheilgen in
Erſtaunen geſetzt, teils mit Aerger, teils mit ſpaſigen Bemerkungen; ſie
ſtiegen in Wixhauſen aus, um zu Fuß zurück nach Arheilgen zu gehen.
Auf einmal hieß es, der Zug fährt wieder zurück, und die Arheilger
ſtiegen wieder ein. Die Maſchine wurde abgehängt und an das Ende
des Zuges gefahren; ſo bewegte ſich der Zug wieder zurück nach Arheil=
gen
. Es entſtand dadurch eine halbe Stunde Verſpätung.
* Wetzlar, 19. Nov. Zum Republikaniſchen Tag waren
am Sonntag wohl an 4000 Reichsbannerleuete aus nah und fern ein=
getroffen
. Auf dem Buttermarkt fand die Weihe der Fahne der Orts=
gruppe
vom Reichsbanner Schwarz=Rot=Gold ſtatt. Auffallend war es,
daß die Bevölkerung ſich nicht beſonders an der Feiex beteiligte; die
Beflaggung der Häuſer war gering.

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[ ][  ][ ]

Seite 8.

Freitag, den 21. November 1924.

Rummer 324.

Todes=Anzeige.
Heute früh verſchied plötzlich und uner=
wartet
im Alter von 36 Jahren mein lieber
Mann, mein guter Pater, unſer Sohn, Bruder
und Schwager
Moritz Steinbach.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Frau Maria Steinbach, geb. Teuchert
und Kind.
Darmſtadt, den 20. November 1924.
Die Beerdigung findet am Samstag, den 22. Nob.,
nachm. 3 Uhr, auf dem Waldfriedhof ſtatt. (*34313

Todes=Anzeige.
Am Mittwoch abend 11 Uhr verſchied nach
kurzem Krankſein unerwartet mein lieber Gatte,
meinguter Pflegevater, Schwageru. Verwandte
Herr Anton Meurer
Tapeziermeiſter
im Alter von 74 Jahren.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Frau Helene Meurer, geb. Beck.
Darmſtadi, den 18. November 1924.
Kiesſtraße 55.
Beerdigung: Samstag, 22. Nov., nachm. 7/,3 Uhr, auf
dem Waldfriedhof.
(*34343

Todes=Anzeige.

Nachruf.
Hiermit die traurige Nach=
richt
, daß am 19 d. Mis in=
folge
eines Unglücksfalles mein
Teilhaber
(*34342
Hert Karl Tramer R
plötzlich aus dem Leben ſchied
Ich verliete in ihm einen
tüchtigen und ſtrebſamen Mit=
arbeiter
, und werde ihm ein
ſietes Andenken bewahren.
Otto Welker
Mitinhaber
der Fa. Schäweco, G m.b.H.
Die Beerdigung des Lokomotiv=
führers
: R. Joh. Heinrich Fiſcher
findet nicht auf dem Waldfriedhof,
ſondern zur feſtgeſetzten Zeit auf
dem Friedhof an der Nieder=Nam= /
ſtädter Straße ſtatt.
(*34334

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den 20. November 1924.
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Karl Tramer
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ſtorben
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Darmſtadt. den 20. Nov. 1924.
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[ ][  ][ ]

Rummer 324

Freitag, den 21. Rovember 1924.

Seite 9.

*Der Durchbruch vonBrzezinn.
Zur zehnten Wiederkehr des 23./24. November 1914.
Von Paul Boeddinghaus.
Der nach dem Durbruch von Brzeziny von der Oberſten
Heeresleitung herausgegebene Tagesbericht nannte den Durch=
bruch
eine der glänzendſten Waffentaten in dieſem Feldzuge‟
das war gegen Ende November 1914, und Großes, Gewaltiges
war damals ſchon von den deutſchen Heeren geleiſtet worden.
Feſtungen waren erſtürmt und große Schlachten waren geſchlagen,
was aber dem Durchbruch den beſonderen Stempel aufdrückte,
das war die Tatſache, daß hier eine völlig verzweifelte Lage ge=
meiſtert
worden war, daß aus ſchwerſter Gefahr ſich ein glanzen=
der
Sieg entwickelt hatte, erfochten von einer jungen Truppe, daß
hier der nachdenkliche Beweis erbracht wurde von der Ueberlegen=
heit
deutſchen Weſens und deutſcher Nerven gegenüber den Maſſen
oſteuropäiſcher=aſiatiſcher Herkunft! Seit den Tagen von Brze=
ziny
ſind in fünf weiteren Jahren unerhörte Dinge geleiſtet wor=
den
, Siege ungekannten Ausmaßes wanden in ungezählten
Schlachten den unvergänglichen Lorbeer um die deutſche Stirne
aber dennoch iſt Brzeziny geblieben, was es damals ſchon war:
eine der glänzendſten Waffentaten in dieſem Feldzuge!
Es iſt hier nicht der Ort, den Verlauf der ewig denkwürdigen
Begebenheit im Einzelnen zu ſchildern das iſt in vollendeter
Weiſe und Form ſchon auf Grund, des nunmehr vorliegenden
authentiſchen Geſamtmaterials geſchehen: Das Buch: Der Durch=
bruch
von Brzeziny, von Ernſt Eilsberger, Verlag E. S. Mittler
u. Sohn, Berlin, gibt ein erſchöpfendes Bild der damaligen Ge=
ſamtlage
, der Einzellagen bei den beteiligten Truppen und dem
dramatiſchen Verlauf dieſes gewaltigen Geſchehens. Was aber
das Wertvollſte an dieſer Beſchreibung iſt: Nicht mit den nüch=
ternen
Worten des reinen Hiſtorikers iſt das Buch geſchrieben,
ſondern neben dem Wiſſenſchaftler und Forſcher kommt hier das
mitfühlende und mitleidende Herz des Verfaſſers zu Wort! Die
Entſchlüſſe der Führer und Unterführer erfahren menſchliche
Wertung und Einſchätzung, abwägend werden die ineinander=
greifenden
oder völlig nebeneinander herlaufenden Handlungen
des mannigfach verflochtenen Geſchehens zergliedert und erklärt.
Alles aber geſchieht mit dem warmen Herzen des Kenners und
Freundes, der abhold iſt jedem Ueberſchwang und der dennoch
Worte tiefſter Seelenfarben auf der Palette findet!
Heute nach 10 Jahren wirken für den Mitſtreiter die Eils=
bergerſchen
Darſtellungen wie eine Wiederholung des großen Er=
lebens
jener Tage!
Was war Brzeziny? Man ſtelle ſich vor und rufe ſich ins
Gedächtnis zurück: Ein Armeekorps will die Lücke des eiſernen
Ringes um Lodz ſchließen wird ſelbſt von allen Seiten ein=
geſchloſſen
und ſchon von Freund und Feind, als verloren be=
trachtet
, da durchbricht es nicht nur den Ring des Feindes, ſon=
dern
es ſchlägt dieſen entſcheidend trotz vorhergegangener ſchwer=
ſten
und verluſtreichen Kämpfe, ſo entſcheidend, daß zirka 16 000
Gefangene, 39 Maſchinengewehre und 75 Geſchütze in die Hände
des kleinen Siegerhäufleins fallen! Hierbei iſt zu bedenken, was
damals im Jahre 1914 ſolche Zahlen noch bedeuteten! Es war der
Kampf des Zwergen gegen den Rieſen! Brzeziny iſt von
Anfang an ein weites Feld für die Legende geweſen wie allem
Großen ſtets Legenden anhaften. Ja, in tieferem Sinne tragiſch
iſt insbeſondere ein Irrtum geworden, der noch während des
Durchbruchs einſetzte und ſich dann ſpäter weiter auswirkte: näm=
lich
der Glaube, daß durch den Durchſtoß des, dem 25. Reſ.=Korps
mit ſeiner Gardediviſion zugeteilten Generals Litzmann, die Ret=
tung
des Korps bewirkt worden ſei! Es darf nunmehr auch in
der Oeffentlichkeit geſagt werden, daß das Erreichen von Brze=
ziny
ſeitens der Gardediviſion wohl dieſer Diviſion die Rettung
aus der Umklammerung brachte, daß aber die Tatſache des Durch=
bruchs
an ſich keineswegs die Rettung des Reſ.=Korps bedeutete!
Die Gardediviſion hatte zwar Kämpfe zu beſtehen, um ſich aus
der Umklammerung zu löſen, aber dieſe Kämpfe öffneten dem
Reſ.=Korps den Ring nicht, der ſich ſofort nach dem Durchſtoß
der Gardediviſion wieder geſchloſſen hatte!
Der Durchbruch des Kords iſt abſolut eine Tat für ſich und
erfolgte zu einer Zeit, als die Gardediviſion ſchon gerettet war!
Die Legende hatte nun den General Litzmann als den Haupt=
helden
von Brzeziny bezeichnet und war zunächſt auch inſofern
dazu berechtigt, als der Korpskommandeur, der General von
Scheffer=Boyadel, zunächſt ſelbſt angenommen hatte, die Garde=
diviſion
habe ihm die Rettung des Korps gebracht, dies änderte
ſich dann aber bald, als die Einzelheiten des eigentlichen Durch=
bruchs
feſtſtanden.
Das Buch Eilsbergers gibt über dieſen wichtigen Punkt die
nötige Klarheit. (S. 138.)
Die von Generalleutnant Frhrn. v. d. Goltz geführte 50.
Reſ.=Diviſion beſtand nur aus einer dezimierten Infant.=Brigade,
einem gleichfalls dezimierten Reſ.=Jäger=Batl., einer Pionier=
Komp. und Artillerie. Dieſe Brigade unter Generalleutnant
Niedel von Konsheim hatte an dem entſcheidenden Abend des
23. November den Anſturm der Ruſſenmaſſen erfolgreich, wenn
auch unter Verluſten, abgewehrt hätte die Brigade nicht aus=
gehalten
und nicht widerſtanden, ſo wäre außer ihr ſelbſt, noch
die äußerſt mitgenommene 49. Reſ.=Diviſion nebſt der Artillerie
des Generals Litzmann, die dieſer unter dem Grafen Schweinitz
zurückgelaſſen hatte, d. h. alſo das ganze 25. Reſ.=Korps, verloren
geweſen.
Die zehnjährige Wiederkehr der Brzeziny=Tage ſoll der Namen
Frhr. v. d. Goltz und Riedel von Konsheim nicht vergeſſen!
Im Sommer des Jahres 1918 weilte ich dienſtlich in Riga.
Das dortige deutſche Geſellſchaftshaus, die Muße, war anläßlich
eines großen deutſchen Sieges gedrängt voll Deutſch=Balten. Man
erzählte mir, als wir auf Brzeziny zu ſprechen kamen, daß da=
mals
der ruſſiſche Gouverneur von Niaa am Abend in der Muße
von einer rieſigen Anzahl ruſſiſcher Transportzüge geſprochen
habe die öftlich von Lodz bereitſtünden, um das gefangene deutſche
25. Reſ=Korps abzutransportieren
Während des Krieges war es in der deutſchen Heimat hier
und da Sitte, ſog. Vivat=Bänder zu tragen mir wurde
damals eines geſandt mit einer Inſchrift, die heute wieder die
Ueberlebenden aus der damaligen Zeit mit Erinnerung, Stolz
und Freude erfüllt: Vivat Brzeziny!

Wenn Husten, Heiserkeit Dich plagt,
So nimm Bronchiol das nie versagt.

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Erhältlich in den Apotheken und besseren Drogerien.
1 0568

Reich und Ausland.
* Korruption im Berliner Polizeipräſidium.
Im Berliner Polizeipräſidium, das der Leitung des ſozialdemokra=
tiſchen
Abg. Richter unterſteht, häufen ſich die Korruptionsfälle nach=
gerade
. Vor einigen Wochen erſt iſt der Leiter des Fundbureaus ver=
haftet
worden, weil ihm Unterſchlagungen größeren Stils nachgewieſen
wurden. Jetzt hat die Staatsanwaltſchaft ihre Hand auf den Leiter des
Berliner Fremdenamtes, Regierungsrat Barthels, gelegt. Die Gründe,
die zur Verhaftung führten, ſcheinen vorläufig das Licht der Oeffentlich=
keit
zu ſcheuen. Es macht aber den Eindruck, als ob durch dieſe Verhaf=
tung
die Ueberſchwemmung Berlins mit Oſtjuden einigermaßen erklärt
wird, weil vermutlich Päſſe gegen Geld zu haben waren. Regierungs=
rat
Barthels iſt ein beſonderer Vertrauensmann des Polizeipräſidenten
Richter; er war im Frühjahr mit der Vertretung des Polizeidirektors
Weiß beauftragt, als dieſer, ohne ſich mit dem Innenminiſterium oder
dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu ſetzen, eine Hausſuchung in
der ruſſiſchen Handelsdelegation veranlaßte. Herr Richter hat ſich
ſchleunigſt zu ſeinem Parteifreunde, dem Innenminiſter Severing, be=
geben
, um mit ihm zu beraten, was zu tun ſei. Der Gedanke, daß ein
durch ſo kurz aufeinander folgende Fälle ſchwer kompromittiertes Poli=
zeipräſidium
an Fehlern der Leitung krankt, ſcheint aber bisher noch
niemanden gekommen zu ſein. Jedenfalls verlautet nichts davon, daß
Herr Richter aus Gefundheitsrückſichten etwa an ſeinen Rücktritt denkt.

* Einführung des neuen Oberbürgermeiſters.
S. Frankfurt. In der letzten Sitzung der Stadtverordneten
wurde der neue Oberbürgermeiſter Dr. Landmann offiziell durch den
Regierungspräſidenten Häniſch eingeführt. Der Regierungspräſident
dankte zunächſt dem alten Oberbürgermeiſter Dr. Voigt für ſeine Tätig=
keit
, die er in ſchwerſter Zeit für die Stadt Frankfurt geleiſtet habe.
Bei der Wahl Dr. Landmanns habe die Stadt ſicheren kommunal=
politiſchen
Weitblick gezeigt, er werde beſonders auf ſeinen Spezial=
gebieten
, dem Verkehrs= und Wirtſchaftsweſen, verbunden mit der
Sozialpolitik der Stadt wertvolle Dienſte leiſten. Der neue Oberbürger=
meiſter
entwickelte dann in längerer Rede ſein Arbeitsprogramm.
Er erblicke ſeine Hauptaufgabe darin, die mannigfachen Schäden des
Krieges zu beſeitigen. Vor allem müſſe der Wohnungsmarkt
normal geſtaltet werden, was nur durch die Inanſpruchnahme der öffent=
lichen
Gewalt möglich ſei unter Mithilfe von Induſtrie, Handel, Hand=
werk
und Arbeiterſchaft. Es ſolle ein neues Siedlungsamt ge=
gründet
werden, das ſich mit mit der Eingemeindungsfrage und den
Aufgaben der Sozialpolitik zu befaſſen habe. Entſprechend der rum=
vollen
Vergangenheit Frankfurts auf kulturellem Gebiet, werde ſich die
Stadtverwaltung beſonders der Volksbildung und der Univerſität an=
nehmen
. Ueber allen Zielen werde aber nicht die heute notwendige
Sparſamkeit vergeſſen werden. Den Regierungspräſidenten bat der
Redner noch beſonders, dafür einzutreten, daß die Städte wieder das
Recht der Selbſtverwaltung erhalten. Kaiſertum und freie
Reichsſtadt ſeien vorübergegangen, aber geblieben ſei der Geiſt, der ohne
ſentimentale Romantik den Aufgaben der Gegenwart gegenübertrete.
Möge der Silberſtreifen am Horizont ſich bald zum hellſtrahlenden Him=
mel
ausweiten. Dann wurde in die kurze Tagesordnung eingetreten,
in der zunächſt der Einſpruch des Kommuniſten Lang wegen ſeines Aus=
ſchluſſes
aus drei Sitzungen zurückgewieſen wurde. Dann begründeten
Deutſche Volkspartei und Zentrum ihre Anträge, für die kommende
Aufwertung der Stadtanleihen Rücklagen zu machen. Der Stadt=
kämmerer
Profeſſor Bleicher teilte mit, daß bereits Rücklagen zu
dieſem Zweck gemacht ſeien und daß die Anträge beſſer im Hauptaus=
ſchuß
beraten würden. Die weiteren Vorlagen werden zurückgeſtellt.
Homburg v. d. H. In der heutigen Stadtverordnetenverſamm=
lung
wurde Magiſtratsrat Dr. Eberlein Frankfurt a. M., mit 16
Stimmen der Deutſchnationalen, der Deutſchen Volkspartei und des
Zentrums zum Bürgermeiſter von Homburg gewählt. Auf
den Gegenkandidaten Dr. Sebaſtian Kolberg entfielen 8 Stim=
men
der Demokraten und Sozialdemokraten.
Kleine Frankfurter Chronik.
Die Wahlen zur Studentenkammer der Univerſität Frank=
furt
hatten folgendes Ergebnis: Nationale Liſte 9 Mandate, republi=
kaniſch
=freiheitliche Liſte 4 Mandate. Die Zuſammenſetzung der Kammer
bleibt damit dieſelbe wie bisher. Rabbiner Dr. Lazarus hat einen
Ruf als Inſpektor der religiös=liberal gerichteten Unterrichtsanſtalten
Berlins erhalten. Das Frankfurter Konſiſtorium hat gegen den
Pfarrer F. ein Disziplinarverfahren aus dienſtlichen Grün=
den
eingeleitet. Pfarrer F. iſt bis zur Erledigung des Verfahrens vom
Amte dispenſiert. Direktor Hellmer vom Neuen Theater ſteht
wegen Uebernahme des Berliner Leſſing=, Trianon= und Kleinen
Theaters in Verhandlungen. Er wird aber auf jeden Fall das Neue
Theater in ſeinem Beſitz behalten. In der Metallinduſtrie wurde
folgender Schiedsſpruch gefällt: Die Löhne bleiben unverändert,
doch wird ab 17. November die Staffelung für gelernte Arbeiter von
50 auf 55 Prozent erhöt, für Hilfsarbeiter von 33 auf 36 Prozent. Die
ſoziale Zulage beträgt ein Pfennig.
Kettenhandel ſtrafbar, auch wenn er die Ware verbilligt.
S. Frankfurt. Eine intereſſante und grundſätzliche Entſcheidung
in der Frage des Kettenhandels fällte die Strafkammer Frankfurt. In
einer Berufungsverhandlung hatten ſich mehrere Getreidehändler wegen
Kettenhandels mit Mehl zu verantworten. Der Fall lag ſchon bis in
den Juni vorigen Jahres zurück und es war hier einmal vorgekommen,
daß das Mehl wegen Abſatzſtockungen durch den Kettenhandel billiger
wurde. Die Verteidiger vertraten den Standpunkt, daß nur der un=
lautere
Kettenhandel ſtrafbar ſei und beantragten Freiſprechung. Der
Staatsanwalt hielt aber ein ſtrafbares Verſchulden für vorliegend, da
die Ware dem Verbraucher nicht näher kam. Er beantragte Gefängnis=
ſtrafen
bis zu 2 Monaten. Das Gericht kam zu einer Verurteilung
der Angeklagten zu Geldſtrafen von 150400 Mark.
Selbſtmord eines verhafteten Kommuniſten.
km. Karlsruhe. Nach einer Meldung der Mannheimer Ar=
beiterzeitung
iſt der vor einigen Tagen wegen Vergehens gegen das
Republikſchutzgeſetz verhaftete Kommuniſt Stumpf freiwillig aus dem
Leben geſchieden. Er hat ſich nach ſeiner Vernehmung vor dem Unter=
ſuchungsrichter
in ſeiner Zelle im Mannheimer Unterſuchungsgefängnis
erhängt.
Von amtlicher badiſcher Seite wird hierzu bemerkt: Der Eiſen=
dreher
Wilhelm Stumpf wurde vor etwa einer Woche unter dem Ver=
dacht
, ſich eines Vergehens gegen das Geſetz zum Schutze der Republik
durch Teilnahme und Leitung einer kommuniſtiſchen Hunderſchaft ſchul=
dig
gemacht zu haben, feſtgenommen. Das Amtsgericht Mannheim
erachtete ihn dieſes Vergehens dringend verdächtig und erließ Haftbefehl
gegen ihn. Da er leugnete, wurde er am 14. d. M. von dem zuſtändigen
Staatsanwalt und am 15. d. M. von dem Unterſuchungsrichter des
Staatsgerichtshofes eingehend vernommen. Bei dem Verhör am 15.
wurden ihm zwei andere Inhaftierte gegenübergeſtellt, die ihm auf den
Kopf zuſagten, er ſei tatſächlich der Leiter einer Hundertſchaft geweſen
und ihm zuredeten, doch die Wahrheit zu ſagen, da ja das ganze Mate=
rial
zu ſeiner Ueberführung ſich in den Händen der mit der Unter=
ſuchung
betrauten Stellen befinde. Stumpf ließ ſich jedoch auch dadurch
nicht zu einem Geſtändnis bewegen. Er wurde darauf in ſeine Zelle zu=
rückgebracht
und dort verübte er offenbar im unmittelbaren Anſchluß
an das Verhör, alſo am Vormittag des 15. November, nicht des
14. November, wie die Arbeiterzeitung meldet. Selbſtmord durch Er=
hängen
. Die Todesurſache iſt durch den Gerichtsarzt einwandfrei feſt=
geſtellt
. Es iſt auch nicht richtig, daß der Fall irgendwie verſchwiegen
wurde; er iſt vielmehr im Mannheimer Polizeibericht vom 18. d. M.
bekannt gegeben. Darin iſt allerdings der Name des Stumpf nicht ge=
nannt
; dies geſchah aber auf ausdrücklichen Wunſch der Ehefrau des
Verſtorbenen.

Huſten
iſt häufig das erſte Anzeichen beginnender Krankheit. Verſäumen Sie daher
nicht, ſchon beim geringſten Huſien die von Aerzten beſtens empfohlenen ſtark
desinfizierenden Gagitta=Huſten=Bonbons in der nächſten Apotheke zu kaufen.
Stets vorrätig: Engel=, Hirſch=, Löwen=Apo heie, Darmſtadt. (II Nch. 15632

Tagung der Fahrradinduſtriellen in München.
Der Verein Deutſcher Fahrradinduſtrieller e. V. hielt ſeine dies=
jährige
Jahreshauptverſammlung im Regina=Palaſthotel in München
unter außergewöhnlich ſtarker Beteiligung ab. Nach Entgegennahme
eines umfangreichen Berichts über die Tätigkeit des Vereins im ver=
gangenen
Geſchäftsjahr durch den Syndikus Herrn Dr. Timpe ſchritt die
Verſammlung zu Vorſtandswahlen, die im allgemeinen zur Wiederwahl
der bisherigen Vorſtandsmitglieder und zu einer teiſweiſen Ergänzung
führten, ſo daß der Vorſtand ſich nunmehr aus folgenden Herren zu=
ſammenſetzt
: Engerer Vorſtand: die Herren Direktor Orro Kramer= Bicle=
feld
(Ankerwerke A. G.), Geh. Kommerzienrat Dr. Wilhelm von Opel=
Rüſſelsheim (Adam Opel), Direktor W. Tiſchbein=Hannover ( Continen=
tal
). Weiterer Vorſtand: die Herren Generaldirektor F. Patz= Branden=
burg
a. d. Havel (Exzelſior=Fahrradwerke A. G.), Generaldirektor Osw.
Sehfert=Chemnitz (Preſtowerke A. G.), Geh. Kommerzienrat E. Sachs=
Schweinfurt a. M. (Fichtel u. Sachs A. G.), Direktor C. Ruckſtuhl=Durlach
(Maſch. Gritzner A. G.), Generaldirektor Paul Lohmann=Bielefeld ( Loh=
mannwerke
A. G.), Generaldirektor G. Daut=Schönau bei Chemnitz ( Wan=
dererwerke
A. G.), Direktor W. Göckel=Vergerhof i. Rhld. (Fahrradwerke
Bismarck), Generaldirektor Schwemmer=Nürnberg (Triumpbwerke A. G.),
Direktor W. Kayſer=Ohligs i. Rhld. (Kronprinz A. G.). Aus der außer=
ordentlich
intereſſanten Tagesordnung ſind von beſonderer Tragweite die
Beſchlüſſe des Vereins, die eine Erweiterung des Abſatzgebietes in Fahr=
rädern
bzwecken ſollen. Es wurde beſchloſſen, bei allen maßgebenden
Inſtanzen geeignete Schritte zur Beſſerung der Straßenverhältniſſe und
zum Ausbau von Radfahrwegen, ſowie zur Anlegung von Radfahrſtreifen
zu unternehmen.
Ferner beſchäftigte ſich die Verſammlung in umfangreicher Weiſe mit
der Durckführung radſportlicher Veranſtaltungen im Jahre 1925. Für
Amateur=Reklame wurde ein grundſätzliches Verbot erlaſſen; ebenſo iſt
ein Beſchluß herbeigeführt worden, die Unterſtützung von Amateuren
mit Geldbeträgen nicht zu geſtatten. Dagegen wurde die Unterſtützung
des Wanderſports, von Mannſchaftsfahren, ſowie aller ſonſtigen volks=
tümlichen
amateurſportlichen Betätigung unter Hinzuziehung der maß=
geblichen
ſportlichen Organiſationen zum Beſchluß zu erbeben.
Die Verſammlung entſchied ſich weiter dahin, Berufsſtraßenfahrer
von dem Verein aus in Anbetracht der im Jahre 1924 hervorgetretenen
erheblichen Mißſtände nicht mehr zu unkerſtützen.
Von beſonderer Bedeutung war ferner der Beſchluß, an Meſſen und
Ausſtellungen allgemeiner Natur die Fahrrad=, Fahrradteile= und Zu=
behörinduſtrie
auch künftig nicht teilnehmen zu laſſen. Dagegen wurde
für die vom Juni bis Oktober in München ſtattfindende Deutſche Ver=
kehrsausſtellung
die korporative Beteiligung des Vereins Deutſcher Fahr=
radinduſtrieller
einſtimmig zum Beſchluß erhoben. Die Beteiligung iſt
in der Weiſe in Ausſicht genommen, daß der Fahrrad=Induſtriellenverein
zunächſt eine hiſtoriſche Entwicklung des Fahrrads geben wird, und daß
dann weiter auch die einzelnen Fahrradfabriken ſelbſt in die Lage ber=
ſetzt
werden, Fahrräder zur Ausſtellung zu bringen. Die ſonſtigen Vor=
arbeiten
zur Regelung dieſer Angelegenheit wurden einer beſonderen
Kommiſſion übertragen.
Warnung für Rundfunkſünder.
Das Amtsgericht München hat in einem Falle der unbefugten
Errichtung einer Funkanlage auf eine Gefängnisſtrafe von 14 Tagen
erkannt.
Haftentlafſung des Heuhändlers Plouin.
EP. Paris. Der Heuhändler Plouin, der am 30. September ver=
haftet
worden war, weil er angeblich den Deutſchen angeboten hatte, das
für die Beſatzungsarmee benötigte Pferdefutter zu vergiften, iſt geſtern
proviſoriſch auf freien Fuß geſetzt worden. Es konnte ihm nicht nachge=
wieſen
werden, daß die Deutſchen auf dieſen Vorſchlag irgendwie einge=
gangen
ſeien. Die Anſchuldigung auf Einvernehmen mit dem Feinde
mußte,r ſomit fallen gelaſſen werden. Der Angeklagte hatte behauptet,
daß er niemals die Abſicht gehabt habe, den angeblichen Plan zu verwirk=
lichen
. Er habe lediglich verſucht, durch ſeinen Vorſchlag die Aufmerk=
ſamkeit
der deutſchen Behörde auf ſich zu lenken, um ſich damit Handels=
Vorteile zu ſichern.
Die chineſiſchen Ueberſchwemmungsſchäden.
London. Wie aus Tientſin gemeldet wird, ſind infolge der Ueber=
ſchwemmungen
des letzten Sommers mehrere Millionen Chineſen von
Hungersnot bedroht, beſonders in der Provinz Petſchili. Mehrere 1000
Dörfer ſollen zerſtört ſein und Hunderttauſend Hektar fruchtbaren
Bodens unfruchtbar gemacht. Die Regierung hat eine Hilfskommiſſion
ernannt, die vorgeſchlagen hat, einen Kanal für die Regulierung des
Hochwaſſers in der Nähe von Tientſin zu bauen.
Erdbeben.
Weltevreden (Jaba). Zu dem Erdbeben in Monoſobo
wird in einer weiteren Meldung berichtet: Die Zahl der Toten in
Modſo Tngah beträgt 170, in Bandnigen und Linbangan Sajangan 288,
in Wonoroto 48, in Peſir 41. Noch immer ſteigen aus der See ſchwefel=
haltige
Gaſe auf. Der Erdboden iſt noch fortdauernd in Bewegung.
Genietruppen wurden entſandt, um Fahrſtraßen zu den durch das Erd=
beben
abgeſchnittenen Gegenden zu ſchaffen.

Briefkaſſen.
H. R. Darmſtadt. Wir empfehlen Sport und viel Bewegung in guter
Luft.

Pottesdienſt der iſrgelitiſchen Religiongemeinde.
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße).
Freitag, den 21. Nov. Vorabendgottesdienſt 4 Uhr 30 Min.
Samstag, den 22. Nov. Morgengottesdienſt 8 Uhr 45 Min. Schrift=
erklärung
. Sabbatausgang 5 Uhr 25 Min.
Gottesdienſt an den Wochentagen: Morgens 7 Uhr 15 Min.
Abend= 6 Uhr 30 Min.
Gottesdienſt in der Xynagoge der Fſrgel. Religionsgeſellſchaft.
Samstag, den 22. Nov. Vorabend 4 Uhr 10 Min. Morgens
8 Uhr. Nachm. 4 Uhr 00 Min. Sabatausg ing 5 Uhr 25 Min.
Rauſch=Hachaudeſch=Kislew: Donnerstag, den 27. Nov. und
Freitag, den 28. Nov.
Wochengottesdienſt: Morgens 6 Uhr 55 Min. Nachm. 4 Uhr,

Eine Entfettungskur ſollten alle Korpulenten vornehmen. Wir raten
Ihnen, in Ihrer Apotheke 30 g Tobula=Kerne zu kaufen, die völlig un=
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Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Keine Vorſtellung. Kleines Haus,
Anfang 7½ Uhr, Ende 10 Uhr (Zuſatzmiete IV 4, Schulermiete gelb 2):
Die Entführung aus dem Serail, Orpheum abends 8 Uhr:
Das Karuſſel. Union=, Reſidenz=Theater, Palaſtlichtſpiele: Kino=
vorſtellungen
. Lichtbildervortrag Geheimrat Peter Jeſſen;
Die Meiſter der Schreibkunſt ſeit dem Mittelalter, abends 8½ Uhr,
im Hörſaal 326 der Techniſchen Hochſchule.

Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Samstag, den 22. November:
Weſtliche bis ſüdliche Winde. milde; leichte Regenfälle.

Veranwortlich für Sport: Dr. Eugen Buhlmann
Verantwortlich für Sa lußd en/: Andreas Bauer
Verantw rtlich für den Inſ ratente !: Willy Kuhle
Druck und Verlag: L. C. Wittich ſämtlich in Darmſtade.

Die heutige Ziummer hat 16 Seiten

e
Sei

IstsparsammnGebraarch
und vonausgezeichnefen
Walchwarkrung!

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Darmſtadt. ( 34327

[ ][  ][ ]

Nummer 324.

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34303)

Nur einige Tage im UNION-THEATER

Lichtspiele

Heute unwiderruflich letzter Tag!
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Der Berg- und Sportfilm:
Alpine Majestät r Im Banne der Zermatter Eisriesen 4 Akte

Der Wunderknabe in seiner Glanzrolle

Neue Wochenschau!

resgrunde
HARRV PIEL •Das Gefängnis auf dem Hel
6 Akte!
6 Akte!
Das Geheimnis des Renngrafen 5 Akte

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Großes Haus.
Freitag, 21. Nov.
Keine Vorſtellung.

Klein. Haus. (V15633
Zuſatzmiete IV"
Schülermiete gelb?
Die Entführung
aus dem Serail
von W. A. Mozart.
Anf. 7½, Ende 10 Uhr.
Preiſe: 1.205 M.

Sonntag, 23. Nov.:
Ausflug
HeppenheimJuhöhe
Veinheim.
Abfahrt Hauptbahn=
hof
6 Uhr 59 Min.

Freitag, 28. Nob.,
abends 8 Uhr:
Gemeinſchaftliches
Abendeſſen
im Vereinszimmer
bei Sitte.
Anmeldungen mit
Angabe der Teilneh=
merzahl
bis Mittwoch,
den 26. Nov. bei Herrn
Sitte erbeten. (15607

Maſikbereinsſaal
Darmſt., Steinſtr. 24
Mittwoch, 26 Nov.,
abends 8 Uhr:
Piolin=Abend
Arla Renz
Karten bei
Ehriſtian Arnold
Ernſt=Ludwigſtr. 9
Mitglieder d. Bühnen=
volksbund
Preiser=
mäßigung
, 4:34 6stei

Theaterpläne

Großes und Kleines
Haus
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H. Hohmann. Darmſt ,
Waldſtr. 4. (*34305

Telephon
25OS

Telephon
2SOS

Darmstadt
Elisabethenstraße 23
Feine auswahlreichste Küche

Wer nicht will
daß Deutſchland in zwei ſich bis aufs Blut be=
kämpfende
Parteien zerriſſen werde
Wer nicht will
daß wir das eben wieder aufwachende Vertrauen
des Auslandes und damit jede Kreditmöglichkeit
verlieren
Wer nicht will
daß unſere Wirtſchaft auf’s Neue den ſchwerſien
Erſchütterungen ausgeſetzt werde
Wer eine ruhige und ſtetige Fortent=
wicklung
auf ſeitheriger Bahn will
der unterſtütze die

Demokratiſche Partei

welche dieſe Politik 6 Jahre lang konſequent ver=
treten
hat
(15178a

Anmeldungen zum Beitritt Waldſiraße 45

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Eliſabethen iraße 42, I.

(*34063mf
(Atel er)

in Darmſtadt am Samstag, den 22. Novbr.,
abends 8 Uhr in der Turnhalle (Woogsplatz)
Es ſprechen:
Reichstagskandidat
Dr. Becker
Reichsminiſter a. D.
und Landtagskandidat
Dr. Keller
Oberſtudiendirektor
(15499mt

Freie Ausſprache!

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[ ][  ][ ]

Nummer 324.

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Seite 11.

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Im großen Hauſe des Landestheaters
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Die Jahreszeiten

Oratorium von Joſeph Hahdn
Leitung: Michael Balling
Soliſten: Kläre v. Konta, Erurt; Hans Hoefflin, Darm=
ſtadt
; Alfred Stephani, Düſſeldorf. Orcheſter
des Landestheaters.
(15629
Haupiprobe: Sonntag, den 30. November
vormittags 11 Uhr pünktlich
Preiſe: 16 Mk. für Konzert, 14 Mk. für Hauptprobe.
Kartenverkauf und =Vorbeſtellung bei Konzert=Arnold,
Wilhelminenſtraße u. Leopold Schutter, Eliſabethenſtraße.
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Freitag und Samstag

Stammhaus

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2. Hans Heiling Marschner
3. H-moll-Sin onie Schubert
(Unvollendete)
4. Tiefland
dAlbert
5, Spanischer Tanz Sarasate

6. Carneval
Dvorak
7. Manon Lescant Pnccini
8. Andante a. d. V. Sinfonie
Tschaikowsky
9. Coppelia
Delibes
10. Ungarische Tänze Brahms
Nr. 5 und 6,

*rUh-Konzert
Sonntags von
Un

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Totenfeier
auf dem Waldfriedhof
Zuſammenkunft der Mitglieder vor=
mittags
10 Uhr am Portal des Wald=
friedhofes
zwecks Beteiligung an der
allgemeinen Feier Vollzählige und
pünktliche Beteiligung erwartet
Der Vorſtand.
15642)

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[ ][  ][ ]

Seite 12.

Freitag, den 21. Nobember 1924.

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[ ][  ][ ]

Aummer B24.

Freitag, den 21. Rorember 1924.

Seite 13.

Spott Shier und Tarnen.

Fußball.

A=Klaſſe, Gau Bergſtraße.
Shortverein 1916, Groß=Gerau Eintracht=Darmſtadt 2:2 (1:1).
ide Gegner, von denen Eintracht im Zuſammenſpiel etwas beſ=
ſer
war, ſtellten ſich in Groß=Gerau zum Verbandsſpiel. Trotzdem
waren beide Torwächter, die wohl auf jeder Seite das Beſte waren,
gleichſtark beſchäftigt, und nur ein Selbſttor brachte die Groß=Gerauer
Elf um den Sieg. Das unentſchiedene Ergebnis wird dem Spielverlauf
Kb.
gerecht.
Italiens Mannſchaft gegen Deutſchland.
Die techniſche Kommiſſion des italieniſchen Fußballverbandes hat
auf Grund der Feſtſtellungen im Länderſpiel ItalienSchweden die
Nationalmannſchaft, die kommenden Sonntag in Duisburg gegen Deutſch=
land
antritt, wie folgt nominiert: De Pra (Genua); Calligaris (Caſale),
de Veechi (Genua), Barbieri, Burlando (Genua), Aliberti (Turin); Conti
(Internationale), Baloncieri (Aleſſandria), Della Valle (Bologna), Mag=
nozzi
(Livorno) und Levratto (Hellas). Der mehrfache internationale
Stürmer Cevenini III. iſt nach England überſiedelt und in Plymouth
dem dortigen Profeſſionalklub Argyle beigetreten, wo er bereits an
Wettſpielen mitwirkt.
Handball.
Tv. PfungſtadtTgb. Griesheim 1:0.
Beide Mannſchaften ſtanden ſich in Pfungſtadt bei eiſiger Kälte zum
Meiſterſchaftsſpiel gegenüber, bei dem der Platzbeſitzer einen knappen
Sieg davontrug. Griesheim enttäuſchte und verfiel wieder in den alten
Fehler der Unentſchloſſenheit vor dem gegneriſchen Tore. Dazu kam noch
reichlich Pech und einige ungünſtige Begleiterſcheinungen, die den Aus=
gang
und das Ergebnis des Spieles ſtark beeinflußten. In den erſten
10 Minuten erhielt Pfungſtadt aus 12 Meter Entfernung vom Tor
einen Strafſtoß zugeſprochen, der zum einzigen Tor verwandelt wurde.
Bald darauf wurde ein Verteidiger Griesheims vom Schiedsrichter Ant=
höfer
(Neu=Iſenburg) vom Spiel ausgeſchloſſen. Deſſen ungeachtet ſpielte
die gut disziplinierte Mannſchaft von Griesheim weiter. Vom Pech
verfolgt, ſcheidet auch noch der Rechtsaußen infolge einer Verletzung aus.
Ein Dreizehnmeter für Giesheim findet nicht das erſehnte Ziel und mit
dieſen Ausſichten ſtürmt Griesheim nach Seitenwechſel gegen Wind un=
verdroſſen
auf Pfungſtadts Heiligtum. Die geſamte Hintermannſchaft
bleibt ſtets in der Deckung zurück und verſteht es, die wenigen Gries=
heimer
Stürmer am Schuß zu hindern, die trotz ihrer Verringerung in
der ganzen zweiten Hälfte im Angriff ſind und Pf. feſt einſchnüren.
Vereinzelte Durchbrüche des Siegers verlaufen ſtets erfolglos. X
Turnen.
Turngeſellſchaft Darmſtadt 1875.
Am kommenden Sonntag, den 24. Nov., finder die allmonatliche
Wanderung der Abteilung, eine Halbtageswanderung, ſtatt. Der Ab=
marſch
erfolgt von der Odenwaldbrücke, Dieburger Straße, durch den
Park über die Dianaburg nach Meſſel und zurück. Die Wanderung wird
die Teilnehier durch die herbſtlichen Waldungen unſerer Umgebung
führen. Rückkunft iſt auf 1 Uhr feſtgelegt. Liederbücher nicht vergeſſen!
Berlin, Sieger im Kunſtturner=Städtekampf.
Jur übervollen Saale des Leipziger Kriſtallpalaſts trafen ſich am
Bußtag zum 6. Male die beſten Kunſtturner von Berlin, Leipzig und
Hamburg im Städtekampf, der bisher ſtets diejenige Stadtmannſchaft
ſiegreich fah, in deren Mauern der Kampf ausgetragen wurde. Dies=
mal
gelang es Berlin, den Bann zu durchbrechen und in der Pleiße=
ſtadt
einen knappen Sieg herauszuholen, trotzdem einer ſeiner beſten
Vertreter (Ehrhardt) nicht hatte mitmachen können. Das Spiel der
Kraft und Gewandtheit bot intereſſante Momente in Hülle und Fülle,
und riß die Zuſchauer immer wieder zur Beifallsſtürmen hin. Beim
Reckturnen hatte Leipzig noch den letzten Platz, konnte ſich aber durch
prächtige Leiſtungen in den Freiübungen auf den zweiten Platz vor=
ſchieben
und dicht zu Berlin aufrücken. Das Schlußergebnis lautet:
1. Berlin, 2254 Punkte; 2. Leipzig, 2220 Punkte; 3. Hamburg, 2194
Punkte.

Pferdeſport.

Berliner Reit= und Fahrturnier.
Der Patrouillenritt der 18 abgeordneten Kavallerieregimenter der
Reichswehr wurde im Gruneſald abgehalten. Mit Lanze und Kara=
biner
bewaffnet, geführt von einem Offizier, hatten die Patrouillen einen
Geländeritt von zirka 30 Kilometer Länge auszuführen, der über feſte
Hinderniſſe und ſteile Berghänge ging. Um 9 Uhr vormittags erfolgte
von der Grunewaldrennbahn aus der Start. Kurz vor 11 Uhr trafen
die erſten Patrouillen wieder auf der Rennbahn ein. Hier hatte ſich der
Kommandeur der Reichswehr Exz. von Seeckt, mit ſeinem Stabe ein=
gefunden
, ebenſo eine ganze Anzahl von Offizieren der einzelnen Regi=
menter
. Die Patrouillen kamen durchweg in guter Haltung geſchloſſen
auf die Rennbahn und hatten hier noch einen Jagdgalopp über 2000 Meter
zurückzulegen. Die Pferde abſolvierten die ſchwierige Aufgabe außer=
ordentlich
friſch und in beſtem Tempo. Die Prämiierung erfolgt am
Donnerstag nach dem Gruppenſpringen im Sportpalaſt.
Berliner Reit= und Fahrturnier.
Reitern und Pferden iſt eine gewiſſe Müdigkeit anzumerken, was
bei der langen Dauer des Turniers nicht wunder nimmt. Anders ſteht
es mit den Zuſchauern, die auch am Dienstag abend den Sport=
palaſt
wieder dicht bevölkerten. Das Hauptintereſſe konzentrierte ſich
auf die drei letzten Springen für die guten Pferde. Die erſte Abteilung
ſicherte ſich der junge Ch. v. Knobelsdorff mit Erlaucht in 51 Sek. In
der zweiten Abteilung ſprang Prinz Hohenlohe mit Johnny Walker als
Einziger fehlerlos in einer um zwei Fünftel Sekunden längeren Zeit
als Erlaucht. Die beſte Leiſtung des Abends zeigte dann in der dritten
Abteilung Rittm. Seer auf der alten Vollblüterin Kirſche, die in der
phänomenalen Zeit von 49,1 Sek. fehlerlos den Kurs abſolvierte, Frhr.
v. Langen hatte ſeine Pferde Emir, Hanko und Raureif der Steuerung
des Grafen Honenau anvertraut, doch konnte ſich dieſer mit den ſonſt
ſo ſicheren Springern nicht abfinden. Die Ergebniſſe: Erſtes
Springen: 1. E. Wolfſteins Luſtige Sieben (A. Holſt), 2. Pat
(R. Treeck), 3. Botſchaft (Wachtm. Jordan), 4. Diana (Eſche); Tot.:
32; Pl.: 21, 48, 39 41. 19 Teiln. Zweites Springen:
1. Bechſteins Imperator (Löſchmann), 2. Siegfried (Hptm. Martins),
3. Quintus (Wachtm. Hoppe), 4. Berggeiſt (111 z. Hartmann); Tot.:
109; Pl.: 33, 17, 28, 31. 15 Teiln. Drittes Springen:
1. Stall Oraniens Bobby (H. Puſch), 2. Unkas (Lt. Hamann), 3. Ma=
thilde
(Frl. A. Schuſter); Tot.: 60; Pl.: 26, 40, 64. 9 Teiln.
Viertes Springen: 1. Mauls Jakob (G, Hillenborg, 2. Annita
(Lt. v. Griesheim), 3. Diabolo (R. Treeck) 4. Nickel (Syhr); Tot.:
48; Pl.: 15, 17. 13, 26. 11 Teiln. Fünftes Springen:
1. 2. Esk. R R. 9. Blaubart (Oblt, v. Hülſen), 2. Reſeda (Okoner),
3. Berwulf (Lt. Hamann); Tot.: 57: Pl.: 24, 23, 25. 10 Teiln.
Sechſtes Springen: 1. v. Knobelsdorffs Erlaucht (K. Ch. v.
Knobelsdoxff), 2. Centauer (A. Holſt), 3. Rih (Rittm. Martini),
4. Goldfink (Lt. Schmalz); Tot: 34; Pl.: 16, 25, 31, 56. 12 Teiln.
Siebtes Springen: 1. Prinz Kraft Hohenlohes Johnny
Walker (Beſ.). 2. Siegfried (Hptm. Herrſche), 3. Quartaner (Wachtm.
Jordan); Tot.: 34: Pl.: 15, 14, 17. 10 Teiln. Achtes
Springen: 1. Rittm. Seers Kirſche (Beſ.), 2. Spanier (Lt.
Momm), 3. Partner (Ch. v. Knobelsdorff), 4. Krieger (Graf Görtz);
Tot.: 61: Pl.: 17, 16, 22, 39. 13 Teiln.

Motorſport.

Verſtändigung zwiſchen A.D.A. C. und D.M.V
Unter dem Vorſitz des Präſidenten der internationalen Motorrad=
fahrer
=Vereinigung, Graf Bonacoſſa=Mziland fanden in München
zwiſchen dem Allgemeinen Deutſchen Automobil=Club und dem Deut=
ſchen
Motorradfahrerverband Verhandlungen ſtatt, welche ein Zuſam=
menarbeiten
dieſer beiden Organiſationen zum Ziele hatten. Dieſe
Verhandlungen, die ſchon vor einiger Zeit angebahnt worden waren,
führten zu einer vollkommenen und für beide Parteien befriedigenden
Einigung. Es wurde eine Sportgemeinſchaft gebildet, die in
Zukunft alle Fragen auf dem Gebiete des Motorradſportes regelt.

Boxen.
Breitenſträter Goddard au 5. Dezember.
Der letzte diesjährige Kampftag des Berliner Sportpalaſt Rings,
der am 28. November ſtattfinden ſollte, iſt aus techniſchen Gründen ver=
ſchoben
worden. Als neuer Termin wurde der 5. Dezember angeſetzt,
an welchem Tage nunmehr beſtimmt der allſeitig mit großer Spannung
rwartete Kampf zwiſchen dem engliſchen Schwergewichtsmeiſter Frank
Goddard und dem populären Hans Breitenſträter beſtimmt vonſtatten
geht. Wie uns die Direktion des Berliner Sportpalaſtes mitteilt, hat
der engliſche Meiſter ſeine feſte Zuſage bereits gegeben.

Rund=Funk=Programm.
Freitag, den 21. November 1994.
Fraukfurt a. M. (470 m). 11.10 Uhr: Wirtſchaftsmeldungen: Berliner und Hamburger
Produkten (Vyrbörſe), amerikaniſche Produften (Anfangskurſe). 11.55 Uhr: Zeit=
angabe
. 12 Nhr: Nachrichtendienſt. 4.10 Uhr: Wirtſchaftsmeldungen: Amtliche
Produktenbörſe Hamburg, Berlin, Köln, Magdeburger Zucker und Nürnberger Hopfen.
Deviſenkurſe. 4.396 Uhr: Hausfrauennachmittag unter Mitwirkung des Frank=
furter
Hausfrauenvereins e. V. Vortrag von Frau Henny Pleimes: Hauswirtſchaft=
liche
Berufsausvildung, ferner: Wochenſchau des Frankfurter Hausfrauenvereins.
66.30 Uhr: Die Leſeſtunde (Meiſterwerke der Weltliteratur): Aus Soll und Haben,
von Guſtav Frehtag (Fortſetzung). Sprecher: O. W. Studtniann. 7.30 Uhr: Vor=
tragszyflus
der Philoſophiſchen Vereinigung Frankfurt (Dozent Pfarrer Tgesler).
Siebenter Vortrag: Leibniz. 8 Uhr: Die Beſprechung (Unterhaltungsteil).
8.30 Uhr: Wer kann tanzen? 1 Menuett; 2a) Qundrille, h) Lancier, o) Sir Rodger
d) Francaiſe; 3. Tanzpauſe; Herr Strauß vom Neuen Operettentheater ſingt aus
alten Operetten; 4. Walzer; 5. a) Rheinländer, b) Skating, c) Wafhington=Poſt;
8. a) Boſton, b) Twoſtev, o) Tango, d) Oneſtep: 7. Tanzpauſe: Herr Strauß vom
Neuen Operettenthoater ſingt aus neuen Operetten: 8. Foxtrott; 9. Shimmy;
10. Blues. 9.30 Uhr: Nachrichtendienſt, Wettermeldung. Sportbericht. 9.10 Nhr:
Die Spätankündigung: Ehrlich währt am längſten! 9.50 Uhr: Fünf Minuten
Technik. 9.55 Uhr: Zeitvorbereitung. 9.50 Nhr: Drei Minuten der Hausfrau.
10 Uhr: Zeitangabe. 1011 Uhr: I. Klaſſe. Bauernſchwank in einem Akt von
Eudwig Thoma. Mitwirkende: Die Herren Großmann WZallburg, Scherzer u a.
Verlin (430, bzw. 505 m). 10 Uhr: Bericht über die Kleinhandelspreiſe der wichtigſten
Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. 10.15 Uhr: Erſte Bekanntgabe der neueſten
Tagesnachrichten, Wetterdienſt. 11.35 Uhr: Funkbörſe (die Notierungen der Ber=
liner
und Hamburger Produkten im Freiverkehr) anf Welle 505. 12.15 Uhr: Kurzer
Tendenzbericht der Berliner Vorbörſe. 12.55 Uhr: Abermittlung des Zeitzeichens.
1.06 Nhr: Zweite Bekanntgabe der neueſten Tagesnachtrichen, Wetterdienſt.
2.15 Uhr: Kurzer Tendenzbericht der Berliner Börſe. 3 Uhr: Funkbörſe (die amt=
lichen
Notierungen der Berliner und Hamburger Produkten= und Viehbörſe; amt=
liche
Deviſen) auf Welle 505. 4.15 nhr: Funkbörſe (Getreide eif. Hamburg;
Berliner Kolonialwaren=Großhandelspreiſe) auf Welle 505. 4.300.15 Uhr:
Uinterhaltungsmuſik (Berliner Funkkapelle). 1. Feſtmarſch, R. Strauß; 2. Ouverture
zu Goethes Dichtung Die Geſchöpfe des Prometheus, 3. Adelaide, Beethoven;
4. Unvollendete H Noll=Symphonie, Fr. Schubert; 5. Quverture zu der Operette
Der Zigeunerbaron, Joh. Strauß: 6. An der ſchönen blauen Donau Walzer,
Joh. Strauß; 7. ABC Potpourri, Komzak; 8. Wandermarſch, B. Derkſen. 6.20 Nhr:
Ratſchläge fürs Haus. 6.30 Uhr: Zehn Minuten für die Hausfrau. 7 Uhr: Wege
zum Wiſſen: Als Derwiſch nach Metka. 7.45 Uhr: Vortrag des Herrn Dr. Heinrich
Michaelis: Möricke, mit anſchließender Vorleſung aus ſeinen Werken. 8.30 Uhr:
TX. Sonderveranſtaltung der Funk=Stunde A.=G., unter Mitwirkung von Zeſſhka
Köttrick, von der Berliner Staatsoper (Alt), Konzertmeiſter Stefan Frenkel, Violine
und Joſeph Schwarz (Klavier). 1. a) Lachen und Weinen (Rückert), b) Du biſt die Ruh
(Rückert), c) Frühlingstraum (W. Müller), d) Ständchen, Schubert(Jeſſoka Körrtick (am=
Schwechtenflügel: E. Gottlieb): 2. a) Paſtorale, Scarlatti=Tauſig, b) Gavotte, Gluck=
Brahms; o/Capriccio ü. Tanzthemena= Alceſte Gluck=Saint=Saens (Joſeph Schwarz
3. a) Novelette, Stefan Frenkel, b) Gavotte und Muzette, Tor Aulin (Stefan Frenkel)=
4. a) Nun iſt der letzte Tag erſchienen (Geibel), b) An den Flieder (Karl Ernſt Kurde)) Notturno (Arnold v. d. Paſſa), Engen Gottlieb. Jeſſyka Köttrick (am Schwechten
flügel: Der Komponiſt); 5. a) Frühlingslied, F. v. Mendelsſohn=Bartholdy, b) Spiel=
doſe
, A. Lindow, c) Berceuſe, Chopin, 4) Walzer, Chosin (Foſeph Schwarz); 6. a) Ma=
drigale
, Simonetti, b) Heire Kati, Hubay (Stefan Frenkel). Am Schwechtenflügel:
Kapellmeiſter Otto Urack. Anſchließenb: Dritte Bekanntgabe der neueſten Tages=
nachrichten
, Zeitanſage, Wetterdienſt, Sportnachrichten, Theaterdienſt.
England (MEZ.) London 365), 8.30 Uhr: Komiſche Oper und muſikaliſche Komödie.
Bonrnemouth (385), 9.15 Uhr: Tafelmuſik. Mancheſter (375), 8.30 Uhr: Ruſſiſcher
Komponiſtenabend. Newcaſtle (400), 8.30 Uhr: Die Oper. Dido und Aeneas.
Glasgow (420), 8.30 Nhr: Stammtiſchabend. Velfaſt, 8.30 Uhr: Große Oper.

(II. Dr. 13707)
O dieſe
Glieder=
ſchmerzen
!

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tismus
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gien
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Konkursverfahren.
Ueber das Vermögen der Süddeut=
ſchen
Verkaufsvereinigung für
Landbau=Maſchinen, G. m. b. H. in
Darmſtadt, wird heute am 17. Novem=
ber
1924, nachmittags 5 Uhr, das Kon=
kursverfahren
eröffnet.
Der Rechtsanwalt Sandmann in
Darmſtadt wird zum Konkursverwalter
ernannt.
Konkursforderungen ſind bis zum
20. Dezember 1924 bei dem Gerichte an=
zumelden
.
Es wird zur Beſchlußfaſſung über die
Beibehaltung des ernannten oder die
Wahl eines anderen Verwalters ſowie
über die Beſtellung eines Gläubigeraus=
ſchuſſes
und eintretenden Falls über die
in § 132 der Konkursordnung bezeichne=
ten
Gegenſtände auf
den 20. Dezember 1924, vormittags
10 Uhr,

Schreibmaſchinen=
Arbeiten
eder Art werden an=
gefertigt
(14555a
Eliſabethenſtr. 57, pt.

und zur Prüfung der angemeldeten For=
derungen
auf
den 17. Januar 1925, vorm. 10 Uhr,
vor dem unterzeichneten Gerichte, Zim=
mer
207. Termin anberaumt.
Allen Perſonen, welche eine zur Kon=
kursmaſſe
gehörige Sache in Beſitz haben Zentralheizung. Vor=
übergehende
od. dau=
ernde
Erſtellung einer
Hypothekerforderlich.
Angeb. u. N4 121 a
d. Geſchäftsſt. (*34354
ſShnezimmerzahlf oder zur Konkursmaſſe etwas ſchuldig
ſind, wird aufgegeben, nichts an den
Gemeinſchuldner zu verabfolgen oder zu
leiſten, auch die Verpflichtung auferlegt, Heizbare Manſarde
ſofort zu verm. Näh.
Fuhrmannſtraße 14,
Laden, Dſtdt. (*34297 von dem Beſitze der Sache und von den
Forderungen, für welche ſie aus der
Sache abgeſonderte Befriedigung in An=
ſpruch
nehmen, dem Konkursverwalter
bis zum 20. Dezember 1924 Anzeige zu
machen.
(1560
Heſſiſches Amtsgericht Darmſtadt I.
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den Namen Friß=
chen
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Montag abend. Vor
Ankauf w. gewarnt.
Abzugeben geg. gute
Belohnung Darmſt,
Nieder= Ramſtädter=
traße
14, I. 34326

Heutiger Eintrag in das Handels
regiſter B: Firma; Ludwig Alter
Aktiengeſellſchaft in Darmſtadt: Die
Prokura des Otto Warnecke iſt eiloſchen.
Darmſtadt, den 17. Nov. 1924. (15639
Amtsgericht Darmſtadt I.

Arbeitsvergebung.
Betrifft: Waſſerverſorgung Rein=
heim
i. O.
Mittwoch, den 26. Novemb. 1924,
vorm. 111 Uhr, ſollen auf der Bür=
germeiſterei
Reinheim i. O. die Ange=
bote
auf Herſtellung von etwa 300 m
Waſſerleitung entgegengenommen werden.
Bedingungen liegen bei der Heſſiſchen
Bürgermeiſterei Reinheim zur Einſicht
ffen.
Angebotsvordrucke ſind daſelbſt zum
Freis von 0,50 Mk. für das Stück erhält=
lich
. Zuſchlagsfriſt 14 Tage. (15623
Heſſ. Kulturbauamt Darmſtadt.

Montag, den 24. ds. Mts., wird
die gemeinheitliche Weidenernte in 36
Loſen an Ort und Stelle öffentlich meiſt=
bietend
verſteigert.
Zuſammenkunft vorm. 10 Uhr
bei der Bürgermeiſterei.
Es handelt ſich um ſehr, ſchöne Kul=
turen
, die ſich in verſchiedenen Gemar=
ungsteilen
befinden.
Nähere Auskunft erteilen die Feld=
ſchützen
Göbel und Zugſchwert. und
Friedhofswärter Sommerkorn.
Griesheim b. D., den 19. Nov. 1924.
Heſſ. Bürgermeiſterei Griesheim.
Schüler.
(15595

Weidenverſteigerung
Die diesjährigen Weidenerträgniſſe
an der Bahnſtrecke zwiſchen Darmſtadt=
tord
und Kranichſtein werden am
Dienstag, den 25. ds. Mts., öffent=
lich
gegen Barzailung verſteigert.
Zuſammenkunft am Nordbahnhof vor=
mittags
8 Uhr.
(15600
Bahnmeiſterei 56.

Konkurs=
Ausverkauf,
Die Konkursmaſſe S. Weintraub,
Frankfurterſtraße 36, beſtehend aus:
Herren=, Damen= und Kinder=
Hemden, do. Sochen und Unter=
hoſen
, Handtüchern, Damen= u.
Kinderſchurzen, Windjacken,
Sportſtutzen, Kinder=Sweater,
Bettkoltern, Kurzwaren uſw.
wird vorm. 91 Uhr und nachm.
.37 Uhr im Laden zu herabgeſetzten
Preiſen verkauft.
(15615
Der Konkursverwalter,
Dr. Hans Hofmann III.,
Rechtsanwalt.

[ ][  ][ ]

21. November 1924
Mangelhafte Ausfuhrſtatiſtik
fertiger Textilwaren.
Aus Fachkreiſen wird uns geſchrieben: Schon ſeit langem wird in
der Bekleidungsinduſtrie die unzulängliche Statiſtik der Ein= und Aus=
fuhr
konfektionierter Waren als ein großer Mangel empfunden. Die ſo
hoch entwickelte deutſche Konfektion findet wenig zuverläſſige Unter=
lagen
, um feſtſtellen zu können, welche Zweige der Branche eine Zu=
oder
Abnahme im Export ihrer Erzeugniſſe erfahren haben. Für die
Dispoſition der Waren, Reiſen und Muſterungen iſt eine genaue Kennt=
nis
der Zahlen über den ausländiſchen Handel aber unbedingt erforder=
lich
. Auch um die Aufnahmefähigkeit beſtimmter ausländiſcher Abſatz=
gebiete
prüfen zu können, bedarf es einer überſichtlichen Exportſtatiſtik.
Daran fehlt es nun ſehr.
In dem vom Statiſtiſchen Reichsamt herausgegebenen Jahrbuch für
das Deutſche Reich, das einzige amtliche Quellenmaterial, ſind die Er=
zeugniſſe
der Bekleidungsinduſtrie zu Komplexen verknüpft, die den
betreffenden Konfektionszweigen ſo gut wie gar keine Nachweiſe geben,
um ihrer Exporttätigkeit dienlich zu ſein. So werden z. B. unter dem
Rubrum Frauen= und Mädchenkleider Bluſen, Schür=
zen
, Unterröcke, Mieder aus Wolle oder anderen
Dierhaaren die Mengen und Gewichte der Ein= und Ausfuhr
nach den verſchiedenen Ländern gemeinſam zahlenmäßig aufgefül
Nun wird aber jede einzelne der angegebenen Waren in beſonde=
ren
Induſtrien hergeſtellt. Unter Frauenkleider ſind Mäntel, Koſtüme,
Roben, Bluſen, Kleiderröcke zu verſtehen. Eine eigene Induſtrie be=
ſchäftigt
ſich mit der Anfertigung nur von Mänteln und Koſtümen, und
hat nie Bluſen, Schürzen, Unterröcke oder Mieder fabriziert, und die
die letzteren Artikel herausbringen, bilden faſt jeder einzelne für ſich
ein Spezialgebiet. Wenn daher die Ausfuhr z. B. nach Holland
mit 733 To. angegeben wird, wieviel entfällt alsdann auf jeden ein=
zelnen
der bezeichneten Artikel? Das iſt aus den gegebenen Zahlen
unmöglich feſtzuſtellen. Eine ſolche Statiſtik iſt für die betreffenden
Induſtrien völlig wertlos.
Nicht anders verhält es ſich mit einer weiteren Anzahl von Poſiti=
onen
. Die Ausfuhr von Männer= und Knabenkleidern er=
ſcheint
ebenfalls zuſammengefaßt in der Reichsſtatiſtik, obgleich dieſe
beiden Konfektionszweige ganz getrennt voneinander arbeiten und
weſentlich verſchiedene Fabrikationstechniken erfordern. Zudem ſpielen
für den Export Knabenkleider ein ganz andere Rolle als
Herrenkleider und ſchließlich ſind die für die Ausfuhr von Knaben= Konfek=
tion
in Betracht kommenden Abſatzländer zum Teil ganz andere, wie
für Herrenkonfektion. Noch weit weniger informierend ſind die amt=
lichen
Exportzahlen für Wäſche. Hier ſind Männer= Frauen=
und Kinderfabrikate zu einer Gruppe kombiniert, ohne zu
berückſichtigen, daß Männer= und Frauenwäſche kaum in einem Be=
triebe
zugleich hergeſtellt werden. Man kann dies ſchon daraus erſehen,
daß die Herrenwäſchefabriken ebenſo wie die Damenwäſchefabriken in
beſonderen Verbänden organiſiert ſind. Unter den Begriff Kinder=
wäſche
fallen ſowohl Gegenſtände" für kleine wie größere Knaben
und Mädchen. Dieſe Wäſche wird zum Teil von der Herren= bzw.
Damenwäſchekonfektion hervorgebracht. Die amtliche Statiſtik umfaßt
in ihren aufgeführten Zahlen auch die Säuglings= oder Baby=
wäſche
, ein Zweig der Wäſchefabrikation, der als beſondere Speziali=
tät
betkieben wird. Aus den zuſammengefaßten Ziffern nun für jede
einzelne Branche die betreffenden Zahlen zu ermitteln, iſt natürlich ein
Ding der Unmöglichkeit, und damit erweiſen ſich die Ausfuhrnenner als
völlig illuſoriſch. Der gleiche Uebelſtand wiederholt ſich auch bei den
miteinander verbundenen Exportzahlen von Bluſen, Schürzen
Unterröcken aus Baumwolle, ferner bei Putzwaren oder
ſonſtigen genähten Gegenſtänden, weiter bei Kleider,
Wäſche, Putzwaren aus anderen pflanzlichen Spinnſtoffen
als Baumwolle Baumwollene Handſchuhe und
Haarnetze‟. (Es gibt keine deutſche Fabrik, die beide Artikel zu=
gleich
herſtellt.) Noch eine Reihe anderer Poſitionen in der Reichsaus=
fuhrſtatiſtik
wäre zu beanſtanden.
Welche Gründe die Zuſammenfaſſung ſo beſonderer Erzeugniſſe be=
ſtimmen
, entzieht ſich der Feſtſtellung, jedenfalls laſſen alle Angaben die
Kenntnis der gegebenen Notwendigkeiten vermiſſen. Es darf angenom=
men
werden, daß die alljährlich wiederholte Tabellierung der Ausfuhr=
ziffern
im Statiſtiſchen Reichsamt ſchematiſch vorgenommen wird. Man
kann nur vermuten, daß die Anordnung der Poſitionen wohl aus einer

Dendelsdat

Zeit ſtammt, in der die deutſche Bekleidungsinduſtrie noch in den Kinder=
ſchuhen
ſteckte und jeder Betrieb den Verſuch machte, alles mögliche an
Kleidungsſtücken zugleich anzufertigen. Die rapide Entwicklung der In=
duſtrie
iſt jedenfalls ſeit dem Entſtehen der amtlichen Statiſtik vor 50
Jahren von dieſer unberückſichtigt geblieben, und ſie bedarf dringend
einer durchgreifenden Reform. Dabei müſſen natürlich erfahrene Fach=
leute
mitwirken, die ſelbſt die vorhandenen Mängel in ihren Unter=
nehmungen
empfinden und zu deren Beſeitigung am beſten beitragen
könnten. Es iſt übrigens gar keine neue Einrichtung für die genaue
Feſtſtellung der ins Ausland gehenden Waren nötig, denn die Behörden
fordern in den Zollinhaltserklärungen ſo eingehende präziſe Deklaratio=
nen
der Sendungen für Statiſtik, daß aus ihnen mit alle Klarheit die
Beſchaffenheit der verſchickten Gegenſtände hervorgeht. Es iſt nur eine
neue Verteilung der Exportwaren unter vermehrte Titel nötig. Es
müßte, um nur einige Beiſpiele anzuführen, das Rubrum Frauen= und
Mädchenkleider, Bluſen, Schürzen, Unterröcke, Mieder aus Wolle oder
anderen Tierhaaren aufgelöſt und in einzelne Poſitionen Frauen=
kleider
, Mädchenkleider, Bluſen, Schürzen, Unterröcke, Mieder
verteilt werden. Ebenſo werden Herrenkleider und Knabenkleider
getrennt aufzuführen ſein, und gleichermaßen müßte eine ſolche
Operation bei Männerwäſche Frauenwäſche, Kinder= und Baby=
wäſche
vollzogen werden.
Eine radikale Reviſion und Erneuerung aller unter dem
Begriff der Textilinduſtrie fallenden Poſitionen iſt unerläßlich,
um zu wirklich informierenden und damit nutzbringenden ſtatiſtiſchen
Angaben zu gelangen. Darüber kann ja kein Zweifel beſtehen, daß die
Ausdehnung des Exports eine Lebensnotwendigkeit für die
deutſche Induſtrie und damit auch für die deutſche Volkswirtſchaft ge=
worden
iſt. Alle Möglichkeiten, die dazu mithelfen können, die Ausfuhr
gerade von Textilerzeugniſſen zu vergrößern, müſſen angewandt werden.
Dazu gehört es vor allem, eine Statiſtik zu ſchaffen, die zuverläſſig, klar,
und überſichtlich iſt, um jedem einzelnen Zweig der Textilinduſtrie als
ſichere Baſis für den Ausbau des Exportgeſchäfts zu dienen.
Warenmärkte.
* Mannheimer Produktenbörſe. Die Börſe verlief ſehr
ruhig, da es dem Konſum an Aufnahmefähigkeit fehlt. Die zweite Hand
war wieder unter den geſchwächten Offerten des Auslandes am Maukte.
Futtermittel relativ gut behauptet, Oelkuchen ſogar feſter. Verlangt
wurden für die 100 Kg. bahnfrei Mannheim: Weizen, inländ. 24, aus=
länd
. 28 bis 30, Roggen, inländ, 23, ausländ, 25, helle Braugerſte, prima
Qnalität 28 bis 28,75, geringere Sorten 23 bis 25, Hafer inläd. 18,50
bis 20 50, je nach Qualität, ausländ. 19,50 bis 24, Mais mit Sack 22.
Der Mehlhandel war vollſtändig geſchäftslos. Die Mühlenforderungen
lauten auf 38 bis 38,50 für Weizenmehl, Spezial Null und auf 35,50 bis
35,75 Mck für Roggenmehl. Die zweite Hand war für Weizenmehl mit
35 Mark für prompte Ware und mit 36 bis 36,5 Mark für Terminware
ſowie mit 32 bis 33 Mark für Noggenmehl Abgeber.
* Mannheimer Kleinviehmarkt. Der Zutrieb betrug
und es wurden per 50 Kg. Lebendgewicht bezahlt: 107 Kälber 6076. Mk.,
169 Schweine 6078 Mk., 567 Ferkel und Läufer pro Stück 830 Mark.
Tendenz: ruhig, mit Kälbern langſam geräumt, mit Schweinen Ueber=
ſtand
.
Börſen.
* Frankfurter Börſe vom 20. November 1924. (Eigener
Bericht.) Der Aktienmarkt eröffnete in feſter Haltung. Angeregt lag
beſonders der Montanmarkt auf Meldungen aus dem Rheinland, die
über fortgeſetzte Beſſerung der Produktion und Abſatzverhältniſſe berich=
ten
. Die ſchweren Werte erzielten Beſſerungen bis etwa 3 Prozent. Am
Chemiemarkt waren bereits im Frühverkehr rege Umſätze zu ſteigenden
Kurſen getätigt worden auf die geſtrigen ſüddeutſchen Käufe hin. Auch
zu den amtlichen Anfangskurſen hielt das Intereſſe an und es wurden
Beſſerungen bis zu 34 Prozent gegenüber der letzten amtlichen Notiz er=
zielt
. Auch Schuckertaktien waren als Stinneswerte infolge günſtiger
Umſtellungshoffnungen für dieſen ganzen Konzern, gefragt und höher.
Von Großbankaktien lagen bei ruhigem Geſchäft Deutſche Bank und
Darmſtädter Bank befeſtigt. Im Verlaufe wurde die Tendenz etwas
unſicher auf Tagesrealiſationen hin, ſo daß die Kurſe leicht nachgaben.
Der Schluß war eher eine Kleinigkeit feſter, doch konnten ſich die höch=
ſten
Kurſe nicht behaupten. Am Kaſſamarkt war rege Nachfrage nach
Kleinbahnunternehmungen bemerkbar. Auf die anhaltende Beſſerung
des Geſchäftsganges waren höher geſucht: Allgemeine Deutſche Klein=
bahnaktien
. Deutſche Eiſenbahngeſellſchaftsaktien und Deutſche Eiſenbahn=
betriebsgeſellſchaftsaktien
; ferner Schriftgießerei Stempel, die bei 8,5 mit
etwa 25 rat. wurden. Die Beteiligung der Spekulation am deutſchen
Rentenmarkt war durch die Belebung des Aktienmarktes geringer; die
Kurſe waren gegenüber den Frühkurſen knapp behauptet, dann ſchwächer.
Erſt am Schluß war wieder lebhafte Geſchäftstätigkeit bei erholten Kur=

ſen bemerkbar. Kriegsanleihe wurden mit 930 Md.=Prozent, 3,5proz.
Conſols mit 1,55 Bill.=Proz. notiert. Nachbörslich waren Kriegsan=
leihe
1000, Aktien blieben ruhig.
w. Berliner Börſenbericht. Die Haltung der Börſe trug
bei Beginn des Verkehrs entſchieden das Zeichen der Feſtigkeit; es hieß,
vom Auslande, namentlich aus England und der Schweiz, lägen gute
Kauforders für Induſtriewerte, namentlich des Montanmarktes, vor.
Auch wies man auf die Ausführungen der wirtſchaftlichen Mitteilungen
der Deutſchen Bank hin, aus denen man herausleſen wollte, daß die In=
duſtriewerte
im allgemeinen ziemlich niedrig bewertet ſeien. Die Aktien
ſtellten ſich denn auch faſt durchgehend höher, aber nicht in dem erwarte=
ten
Ausmaße, und dies veranlaßte die Spekulation zur Zurückhaltung,
ſo daß im Verlaufe namentlich auf dem Montanmarkte die anfänglichen
Beſſerungen zum größeren Teil wieder verloren gingen. So ſtellten
ſich die Deutſch=Luxemburger noch unter den Schlußkurs vom Dienstag;
auch Phönix konnten ſich nicht voll behaupten, dagegen beſſerten ſich
Harpener, Hoeſch und Mannesmann etwas. Von den Elekrrizitätswerten
ſtiegen Akkumulatoren um 4 Bill. Prozent auf die vermutete günſtige
Umſtellung. Aus dem gleichen Grunde gewannen Schuckert, Siemens u.
Halske je 2 Billionen Prozent. Von den Maſchinenaktien zogen Berlin=
Karlsruher Induſtrie und Löwe u. Co. wieder um etwa 1 Bill. Proz.
an. Auf die Südſeeaktien hatte die Veröffentlichung der Geſellſchaft, daß
eine günſtigere Umſtellung zu erwarten ſei, keinen Einfluß, da man dieſe
Wirkung ſchon durch die voraufgegangene Steigerung als ausgeglichen
anſah. Schiffahrts= und Bankaktien erfuhren nur unbedeutende Ver=
änderungen
. Von den Bahnaktien ſtellten ſich Elektriſche Hochbahn auf
die Beendigung des Angeſtelltenſtreiks um 3 Bill. Proz. höher. Deutſche
Anleihen ſetzten auf Deckungen wieder höher ein und konnten ſich unter
Schwankungen bei mäßig angeregtem Verkehr gut behaupten.

Oeviſenmarkt.

R
Geld Mie
Brief e
Brief
Geld Vufe
tiert Amſterdam=Rotterdam . 168.08 168.92 168.,78 169.22 Mie Brüſſel=Antwerpen ....." 20.09 20.19 20.19 20.29 voll Chriſtiania. .... . . . . . . ." 61.75 6205 61.84 62.16 voll Kopenhagen .. . . . . . . . ." 73.62 73.98 73.64 74.03 voll
Stockholm ... 112.42 112.98 voll Helſingsfors. 10.54 10.60 10.535 10.595 voll Italien 18.10 18.20 18.14 18.28 voll London". 19.325 19.425 19.395 19.495 voll New=Norck.
..: 4.19 4.21 4.19 4.21 voll Paris..
... 21.92 22.02 22.00 22.12 voll Schweiz
80.75 81.15 80.81 81. 21 voll v
Spanien. 56 86 57.14 56.91 57.19 voll Wien (i. D.=Oſterr.abg.).. 5.91 5.94 5.905 5.935 voll Prag ....
. 12.49 12.55 12.52 12.58 voll Budapeſt. .
5.64 5.66 5.6 5.65 voll Buenos=Aires.
1.57 1.58 160 161 voll Bulgarien..
..... 3.05 3.07 voll Japan".
...... 1.605 1.615 1.595 1.605 voll Rio de Janeiro ........" 0.48 0.49 voll Belgrad.
6.075 6.105 voll Liſſabon
18.45 18.55 voll Danzig ........... 76.61 76.99 77.06 77.44 voll Konſtantinopel ....... 2.32 2.34 2.31 2.33 voll

Berliner Kurſe. EEigene telegraphiſche Meldung.)
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich mit 1000 000000

Aktiengeſ. für Anilinfr.
Aſchaffenburg. Zellſtoff
Ausgb.=Nürnb. Maſch.
Berl.=Anhalt=Maſchinen
Berl. f. Elektr. W. vorzug.
Bismarckhütte
Braunkohlen=Briketts
Bremer Vulkan ....."
Wolle.... . . ..
Chem. Heyden .....
Weiler
Deutſch=Atlant. Tel.. . .
Deutſche Maſchinen ..
Deutſch=Niedld. Tel...
Deutſche Erdöl ...
Deutſche Petroleum. . .
Dt. Kaliwerke
Dt. Waffen u. Munition
Donnersmarckhütte. . .
Dynamit Nobel ..."
Elberfelder Farben.
Elektr. Lieferung
R. Friſter ....
Gagegnau Vorz..
Gelſenk. Gußſtahl....
Geſ. f. elektr. Untern.. .
Halle Maſchinen
Han. Maſch.=

18. 11.
18130 20. 11.
18900 Hanſa Dampfſch. . . . 18. 11
1200 20. 11. 19250 252,50 Hemoor Zement .... 23900 33750 Hir ch Kupfer .. 17125 16800 4250 4125 Höſch Eiſen ..... 53250 54750 Hohenlohe Werke .. 20600 21250 Kahla Porzellan .. 7625 8000 37600 39000 Lindes Eismaſch. . . 7500 7400 66500 67750 Lingel Schuh .." 2200 2100 117500 125000 Linke u. Hofmann. 10250 10200 2800 2000 L. Loewe u. Co. 65750 67000 17500 18000 C. Lorenz.. 5100 4900 Meguin .. 7750 8000 7375 7250 Niederländiſche Kohle. Nordd. Gummi. 40000 42000 Orenſtein.. 660 17000 16750 Rathgeber Waggon 5300 94500 33500 Romoacher Hütten .. 21000 39125 Rolitzer Zucker 81750 82500 Rütgerswerke 16625 16500 9500 9875 Sachſenwerk. 2125 2125 19200 Sächſiſche Gußſtahl. 11900 11750 14600 15000 Siemens Glas. 2810 2800 Thale Eiſenhütte 6000 5875 Ver. Lauſitzer Glas. 13900 13500 Volkſtedter Porzellan. 118759 118500 Weſtf. Eiſ. Landendreer 15000 10403 10500 Wittener Gußſtahl .." 23900 2225 6000( Wanderer=Werke. 8500 500

Frankenkurs in London: 88.10
Markkurs
19.50

Darmſtädter und Nationalbank, Kommandit=Geſellſchaft auf Aktien.

Europäiſche Staatspapiere.
a) Deutſche.
5% Reichsanleihe .... ........"
4%
..
8:
3%0
Dollar=Goldauleihe per 1935
1932.
Dollar=Schatzanweiſungen .
4½% TV. u. V. Schatzanweiſg.
4½% VI.IX.
4% Dt. Schutzgebiet v. 0.8-11u. 13
v. 14
Sparprämienanleihe .. . . . . . ..
Zwangsanleihe ...... . . . . . . . .
4% Preuß. Konſols .........."
3½%
.
.
42 Bad. Anl. unk. 1935.... . . .
3½2% v. 1907.......
3%
v. 1896.......
42 Bahern Anleihe .........
39
..
Heſſ. Dollar Goldmk.=Schatzanw.
rckz. 26 .... ..
8168 Heſſen Reihe XXXYI.
untilg. b. 28 .............."
3% Heſſen unk. 1924 ........."
... ..
...
4% Württemberger alte ......"

b)Ausländiſche.
5% Bosnien L.=E.=B. v. 1914..
5% L.=Inveſt.=Anl. v. 1914
4½% 1902 .........."
42
........
5% Bulgar. Tabak 1902......
1¾% Griech. Monopol ......"
4½% Oſt. Staatsrente v. 1913
ab 1918 ....."
½%0 Oſt. Schatzanweiſ. ſtfr.
v. 1914 .........."
4½ Oſt. Goldrente ........"
43 einheitl. Rente .....
5% Rum. am. Rente v. 03
4½% Goldrente v. 13.
am. Goldrente konv.
4% am. v. 05
420 Türk. (Admin.) v. 190)
(Bagdad Ser. 1.
II.
%0
4% v. 1911, Zollanl.
20 Ung. Staatsr. v. 14 .
Goldrente ......
Staat r. v. 10 ..
Kronenrente
Außereuropäiſche.
5% Mexik. amort. innere .. . . .
lonſ. äuß. v. 99 ....
Gold v. 04, ſtfr. . . . .
konf. inner.
Irrigati nsanleihe.
%0 Tamaulipas, Serie l...
Oblig v. Transportauſt.
4% Eliſabethba hn ſttr.
425 Gal. Carl L udw.=Bahn ..
68 Oſt. Südb. (Lomb.), ſtfr.

D Tauſend:M
ohne Umſatz X rationiert.

18. 11. 20.11. 18. 11. 2,6% Alte Oſt. Südb. (Lomb.). 7.75 2,6% Neue 420 Oſt. Staatsb. v. 1883 .. 425 1.b.8. Em. 10 9. Em. ... 1 v. 1885 25 91.75 94.75 320 Oſt. Staatsb. b Erg. Netz. 9.75 100 100 4% Rudolfb. (Salzkammerg.). 88.8 89 %0 Anatolier I............" Salon. Conſt. Jonktion .. .. 0.675 0.72 30 Salonique Monaſtir .....!"
5% Tehuantepee. .. . . . . . . . . . .
4½ 7.8 13 16.5 0.585 0.6
Nach Sachwert verzinsl. 3.75 M4
1.31. Schuldverſchreibungen. 1.*25 %6 Badenw. Kollenwrtanl. v. 23 9.8 1.291 5% Fftr. Pfandbr.=Bk. Goldobl. 1.65 0.: 70 13 T Emn.
.. 1.5 V5 5% Fftr. Pfandbr.=Bk. Goldobl. 63.6 2.1 II. Em.. . . . . . 1.325 390 Großkraftwerk. Mannheim 10.1 1.035 17 Kohlenwertanl. v. 23 .. 6% Heſſ.Braunk.=Rogg. Anl. v. 23 3.8 7.9 M 5% Heſſ. Roggenanleihe v. 1923
5% Neckar A.=G. Stuttgart Gold 4.6 anl. v. 23... 0.5 0.5 5%0 Pfälzer Hyp. Bank. Gold= 15 1.37 Pfdbr. v. 24 ....." 18. 5%6 Preuß. Kaliwert=Anleihe 4.05 465
t-Anl..
ik Gold= 5% Rhein=Main=Donau. Gold= anl. v. 23........... 2.35 5% Sächſ. Braunk.=Anl. v. 23, Ser. Iu. II........." 1.65
4.55 5% Sächſ. Roggenwertanl. v. 23 5% Südd. Feſtwertbk. Goldobl. 1.52 Bank=Aktien. 3.25
7.25 72 Allg. Deutſche Creditanſt.. . . . .
Bank für Brauinduſtrie ......" 1.75 10 Barmer Baniverein ... 1.25
0.95 Baher. Hypotheken= u. Wechſelb. Berliner Handelsgeſellſchaft ..
Commerz= und Privatbank 24 5.25 Darmſtädter u. Nationalbank. 10.25 Deutſche Bank 11.7 Deutſche Effekt.= u. Wechſelbank 3.4 Deutſche Hypot.=Bank Mein. .. 4.3 Deutſche Vereinsbank ........ 0.275 Disconto=Geſellſchaft . ........ 134 Dresdener Bant ..
. 7.75 107le 10.75 Frankfurter Bank .........." 1.8 Frankfurter Hypotheken=Bank. 4.3 Metallbank.
.. 13.7 Mitteldeutſche Creditbank ..." 1t. Oſterreichiſche Creditanſtalt. . . 0.3773 Reichsbank=Ant. 52.) Rhein. Creditbank 2.55 Rhein. Hypothekenbauk. 4.,85 16.25
39 Süddeutſche Disconto=Geſellich. 8 40 Weſtbank ..
........... 0.15 Wiener Bankverein ........" 0.2775
20
20.50 Berowerks=Aktien. 11 Berzelius
......." 5.3 Bochumer Bergb. ........... Buderns.. . . . . . . . . . . ." 13.75 1.55 Dt. Luxemburger ......
Eſchweiler Bergwerks=Akt. 64.5
96.5 1.6 1.65 Gelſenkirchen Bergw. 60. 7.5 7.7 Harpener Bergbau .... 90

20.11.

9.75
9.6

7.8

9.75
1.55
63
10.2
3.*
4.6 C

3.9

1.8

1.65
4.55
1.52

2.1
1.75
U.
2.35
24½=
52lo
10.65
1..25
3.6
4.5
0.3
14.2)
19
4.6
14.2
1.7
0.4
53 4
2.75
4.9
4.25
0. 13
u.28

61
14½e
66
94
67.5
91.75

Kaliwerke Aſchersleben .. . .."
Salzdetfurt)......."
Weſtereg In ... ..."
Klöcknerwerke (abg. Lothr.=Hütte
Mannesmann Röhren.......
Mansfelder .......

Oberbedarf .. . . . . . . . . .."
Oberſchleſ. Eiſen (Caro) ..
Otavi Minen u. Eb. Ant. .. .. .
Phönix Bergbau ............."
Rhein. Stahlwerke .... . . . . ..."
Riebeck Montan ............."
Rombache Hütte .. ........"
Tellus Bergb.= u. Hütten=Akt.. .
Ver. Laurahütte ...
Altien induſtr. Unternehmu g.
Brauer ien.
Henninger Kemp =Stern ....."
Löwenbräu München .........
Schöfferhof (Binding) ........"
Werger ..
....

Akkumulat. Berlin .....
Adler & Oppenheimer .... ..."
Adlerwerke (v. Kleher)........"
A. E. G. Stamm...... ....
6% A. E. G. Vorzug Lit. A ... ..
5% A. E. G. Vczug Lit. B
Amme Gieſ cke & Konegen.....
Anglo=Continental=Guano ....
Anilin Bln.=Treptow .... . . ."
Aſchaffenburger Zellſtoff ......"
Badenia (Weinheim) .........
Badiſche Anilin= u. Sodafabrik.
Bad. Maſchf. Durlach ........"
Bad. Uhrenfabr, Furtwangen. .
Baldur Piano.............."
Baſt Nürnberg .............."
Bayriſch. Spiegel ............"
Beck & Henfel (Caſſel) ........"
Bergmann El. Werke ..... .. .."
Bing. Metallwerke .........."
Brockhues, Nieder=Walluf ....."
Eementwerk Heide berg. ... ..
K rlſtodt . ..
Lothringen (Metz)
Chem. Werke Albert ........"
Griesheim El ftron ...."
Fabrik Milch.........
Weiler=te.-me. ......."
Daimler Motoren ........."
Deutſch. Eiſenhandel Berlin.
Deutſche Erdöl

Dt. Gold= u. Silberſcheideanſt.
Dingler, Zweibrücken ...
Dresdn Schnellpreſſen ....
Dürkoppwerk (Stamm) .. . . ."
Düſſeld. Ratinger (Dürr)...."
Dyckerhoff & Widm. St mm ..."
Eiſenwerk Kaiſerslautern .....
L. Meher jr........
Elberfelder Farbw. v. Bayer...
Elberfelder Kupfer=u. Meſfingw.
Elektr. Lieferungs=Geſ.......
Elektr. Licht und Kraft ........
Elſäſſ. Bad. Wolle ........."
Emag, Frankfurt a. M. ......"
Email. & Stanzu. Ullrich ....."
Enzinger Verke ............
Eßlinger Maſchinen .. ........"
Ettlinger Spinnerei .........."
Faber Foh. Bleiſtiſt .........."

Frankfurter Kursbericht vom 20. November 1924.

18. 11. 20.11. 18. 11.
16.75
42.5 14.25 Faber & Schleicher ........ ..." 43 Fahr, Gebr. Pirmaſens .. . . . . . 6.1 17.25 Felten & Guilleaume, Carlsw. . 38,5
2.3)
5.3 Feinmechanik (Fetter) .. 45.25 46.25 1 Feiſt Sektkellerei Frank f. a.M., 3.4 Frankfurte Gas ...." .... 10
25.5 10.25 Frankfurter Hof ..... 10.45 Frf. Maſch. Pokornh & Wittek. 44 26.1 Fuchs. Waggon Stamr n......" 41.75 Ganz, Ludwig, Mainz
40 Geiling & Cie........" ....... 35.75 37.5 Germania Lin oleum .. 20.75 21.4 Gelſenkirchen 6 Zußſtahl 2.4 I Goldſchmidt, T.
6 ...." Gotha Waggo
Greffenius, A
Gritzner Maſch
Grün & Bilfi n....."
aſchinen E
ſinenf. D
ger ...." 41.1 Himmerſen (Osnabrück) ...... 43.25 44.5 Hanfwerke Füſſen ........... 13.95 24.5 25.25 Heddernheimer Kupfer ....... 6.3 2! Heyligenſtgedt, Gießen .......
Hilpert, Armaturenf. . . . . . . . . . 45
Hindrichs=Auffermann ... . . . . .
Hirſch Kupfer u. Meſſ. ... . . . ..
Hoch= und Tiefbau ...........! 19 2.25
17.75 Höchſter Farben ........./ 19 56 Holzmann, Phil. .. . . . . . .. .. .. 2.06 Holzverk.=Induſtr. ..... . . . . . 6.3 9.15 Hydrometer Breslau ........." 5.9 3 6 Inag ...................... 1.375 3.1 3.45 Junghans St mm .. .. . . . . . . . 9.8 3.9
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......." 3.6 Raſtatter Waggon ........... * 4 Textil=Ind. Barmen (Tiag) ... 55 Ufa Filira ... 11.73 121, [ ][  ][ ]

Nummer 324,

Lebenswogen.
Roman von Paul Lindenberg.
(Nacdru verboten.

Die Freunde achteten nicht des langen und beſchwerlichen
Marſches. Immer wieder weideten ſich ihre Augen an denf herr=
lichen
Landſchaftsbildern, die ſich vor ihnen wechſelnd entrollten.
Zur rechten Seite blieb ſtets das blaue Meer, durch Rebengefilde
und Gärtnereien ging es, durch ſorgſam angelegte und gepflegte
Olivenpflanzungen, an deren lichten Zweigen die kleinen, ſchwar=
zen
Früchte hingen, die von Kindern, Mädchen, Frauen, in hellen
Gewändern und bunten Kopftüchern beim Geſang fröhlicher Lie=
der
in umgehängte Körbe geerntet wurden. Verſchiedene Ort=
ſchaften
hatte man berührt, gelegentlich in einer Trattoria Raſt
gemacht, und es war den Freunden aufgefallen, wie höflich plötz=
lich
die Wirte und Wirtinnen wurden, ohne daß Fahio, der ihnen
wahrſcheinlich ein geheimes Zeichen gemacht, ſich mit ihnen näher

eingelaſſen.
Das Kloſter lag eine gute halbe Stunde von der Ortſchaft
entfernt, auf einem breiten Plateau, zu dem eine ſorgſam gehal=
tene
Straße führte, an Sonn= und Feiertagen wie zu beſtimmten
Feſten viel begangen von den Gläubigen, die dem wundertätigen
Marienbilde und den Heiligen ihre Bitten und Kerzen darbrin=
gen
wollten. Etwas tiefer lagen Felder, mühſelig bebaut, aber
doch genügenden Ertrag abwerfend; ſelbſt die ſilbergrauen Blät=
ter
von Olivenpflanzungen tauchten auf, Buſchwerk und dichte
Aloe ſäumten den Weg ein.
Breitäſtige Pinien bilden die Umrahmung des Kloſtervor=
platzes
, auf dem ſich an hohen Feſten gewiß buntes Volksleben
entfaltete; ſchanke, dunkle Zypreſſen ſtanden wie ernſte Wächter
neben dem Haupteingang zur Kirche, die in weitem Rahmen vorn
halkreisförmig von Kolonnaden umſchloſſen war. An ſie grenzten
die weißen Mauern, die das ganze Kloſtergebäude umgaben.
Hinter der Kirche lag der kleine Friedhof, dann, rechts und links,
ſie an die Mauern anlehnend, ſah man die niedrigen Gebäude
mit den Wohnungen der Nonnen, hinten greuzte der große Gar=
ten
mit Gemüſe= und Blumenbeeten das umfangreiche Gebiet ab.
Man mußte ein ſchönes, ſchmiedeiſernes Tor zwiſchen den
Kolonnaden, die in ihren inneren Flächen mit der Leidensge=

Freitag, den 21. Rovember 1924.

ſchichte Chriſti bemalt waren, durchſchreiten, um zur Kirche zu ge=
langen
. Es war jetzt geſchloſſen.
Fabio läutete. Ernſt nach einer Weile erſchien langſamen
Schrittes eine Klariſſin in ſchwarzem Wollgewande und ſchwar=
zem
Schleier, Sandalen an den bloßen Füßen, es war die Schwe=
ſter
Pförtnerin. Auf ihre Frage nach dem Begehr erklärte Fabio
zungenfertig die Bitte des aus weiter Ferue gekommenen be=
rühmten
Malers, eines Inghleſe, die Kirche zu beſichtigen und
vielleicht einiges dort malen zu dürfen, wenn es die hochwürdige
Aebtiſſin erlaubte.
Sie wollte dieſe fragen, erwiderte die Nonne, ſich ebenſolang=
ſam
eutfernend, wie ſie gekommen,
Nicht wahr, Signor, flüſterte Fabio, Sie erwähnen nicht
den Namen des Herrn Grafen, nicht, woher wir kommen; wir ſind
aus Neapel, da ſind viele Fremde, viele Maler, die überallhin
reiſen und bald dort=, bald dahin verſchwinden, ohne daß man
weiß, wo ſie geblieben, und er machte ein pfiffiges Geſicht dazu.
Die Aebteſſin mußte ſich lange ihren Entſchluß überlegen,
denn erſt nach einer ganzen Weile erſchien die Pförtnerin wieder,
mit einem Schlüſſelbunde klimpernd und das Tor öffnend.
Ob der Artiſte der italieniſchen Sprache mächtig ſei. Ja=
wohl
. Dann möchte er ihr folgen, die hochwürdige Aebtifſin
wolle ihn zunächſt ſprechen.
Wolf ſchritt neben der Nonne her, die ihn um die Kirche
herumführte, vorbei an den Wohnungen der Schweſtern, vor
denen ſich ſchmale Gartenſtreifen mit Malven, Ritterſporu und
Geranien hinzogen, während die kleinen, vergitterten Fenſter mit
Wein und Efeu ſo dicht umrangt waren, daß man von außen
nicht hereinſchauen konnte. Ob hinter dieſen weißen Mauern die
Geſuchte wohl weilte? fragte ſich Wolf immer wieder und ließ
forſchend die Augen umherwandern, um irgend, etwas zu ent=
decken
; aber nichts Lebendes war zu erblicken, abgeſehen von eint=
gen
gackernden Kühnern und polternden Truthähnen, von den
girrenden Tauben auf den Dachfirſten.
Vor einem etwas größeren Häuschen bat die Schweſter Wolf,
einen Augenblick zu warten, ſie wolle ihn der Hochwürdigen mel=
den
, ihn alsbald zum Nähertreten auffordernd und die Tür zu
einem Zimmer gleich nehen dem Flur öffnend.
In allen Dörfern heiteres Leben, heller Geſang der Winzer=
lieder
, denn ſtarke, ſilbergraue Rinder und ſtattliche Maultiere

Seite 15.

führten die Traubenlaſten zu den Keltern; in den Gärten blühten
üppig Roſen und Zyklamen, Kinder ſpielten jauchzend vor den
Häuſern, quiekende Schweinchen tummelten ſich mit ihnen um die
Wette, die jämmerlichen Rufe der Eſel auf den Feldern und in
den Stallungen fanden, ein getreues Echo ſeitens ihrer Brüder
und Schweſtern, faſt übertönt von den Zikaden, die zu ungez’hl=
ten
Tauſenden unermüdlich ihre zirpenden Stimmchen erſchallen
ließen.
Durch Waldungen von Steineichen und wildem Oelſtrauch
wpand ſich dann der Weg, mannshoher Ginſter leuchtete golden
zwiſchen, dichtem Farnkraut, Efeu umrankte, dickſtämmige Ka=
ſtanien
, deren Laub ſich rötlich färbte, Girlanden blumenbededter
Winden ſchlangen ſich von Aſt zu Aſt, von Baum zu Baum.
Aus dem Reich der Wälder kam man mehr und mehr ins Ge=
birge
mit verworrenem Flechtengeſtrüpp und würzigen Berg=
kräutern
, durch die flinke, grün goldig ſchimmernde Eidechſen
huſchten; zuweilen das Geläut weidender Ziegenherden, die wach=
ſame
Hunde bellend umkreiſten, aus der Luft der Schrei der Fal=
ken
. Häufig plötzliche wunderbare Ausblicke auf das Meer und
die quellende Fruchtbarkeit der von ihn beſpülten Geſtade. In
einer ſeitlichen Schlucht brauſte ein Wildbach zu Tal, deſſen feuch=
ter
Staub den Wanderern willkommen war; nur der Eſel ſchüt=
telte
manchmal mißbilligend das graue Haupt, wandte es, ſtehen
bleibend, rückwärts und ließ ſeine klagenden Laute erſchallen, bis
ihm Fabio den antreibenden Klaps verſetzte.
Mit dem Grafen war alles, eingehend beſprochen worden; er
hatte ſich als hilfreichſter, kluger Ratgeber erwieſen. Sein Bote
war mit der Nachricht zurückgekehrt, daß im Kloſten der Klariſſin=
nen
zu Ponteprimaria ſeit einiger Zeit eine Novize wäre, genannt
Schweſter Cäcilia, der man wegen ihres lichten blonden Haares
den Beinamen la Blondina gegeben. Geſehen hatte er ſie nicht,
aber ſeine Mitteilungen durch vorſichtige Erkundungen bei dem
alten Gärtner, der die ſchweren Arbeiten im Kloſtergarten er=
ledigte
erfahren. Jener Schweſter wäre einmal der Schleier
beim Pflücken der Orangen herabgerutſcht, und da hätte er ihr
reiches blondes Haar geſehen. Schweſter Cäcilia wurde ſie ge=
nannt
, weil ſie ſehr ſchön Orgel ſpielte und bei den ſonntäglichen
Gottesdienſten die Orgelbegleitung zum Geſang der Nonnen über=
nommen
hätte.
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., Rheinſitraße 31, Ellabethenſr. 28 und Verkehrsbüro.
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Der Konzertflügel von Sieinway & Sons, New=York=Hamburg wurde gütigſt von der Firma Karl Arnold 8 Sohn zur Verfügung geſtellt=