Darmstädter Tagblatt 1924


02. Juni 1924

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Wöchentliche illuſkrierte Beilage: Die Gegenwart, Tagesſpiegel in Bild und Wort
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl.* geſfattet.
Nummer 153
Montag, den 2. Juni 1924.
187. Jahrgang

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ſtädter 8 Nationalbank.

Rücktritt des Kabinetts Poincare.
Die Linksparteien gegen Millerand. Prügeleien in der franzöſiſchen Kammer.

Paris, 1. Juni. (Wolff.) Um 10,30 Uhr vormittag3
ſexmittelte Poincaré dem Präſidenten der Republik die Demiſ=
en
ſeines Miniſteriums.
Der Demiſſionsbrief iſt von allen Miniſtern unterzeichnet
ud hat folgenden Wortlqut:
Nach der Entſcheidung, die die Regierung am Tage nach
i Kammerwahlen getroffen hat, haben wir Ihnen die Kollek=
pdemiſſion
des Miniſteriums zu überreichen.
Der Miniſterrat, der um halb 11 Uhr unter dem Vorſitz des
häſidenten der Republik zuſammengetreten iſt, war um 11 Uhr
hen det. Nach der Beendigung hatten Poincaré und der Finanz=
mniſter
Francois Marſal eine Unterredung mit Millerand.
Oer ſozialiſtiſche Kongreß.
Noch keine Entſcheidung über die Stellung
der Partei zur Regierungsbildung.
Paris, 1. Juni. Der ſozialiſtiſche Kongreß, der heute
mrrittags 9 Uhr zuſammengetreten iſt, hat vor Eintritt in die
entliche Tagesordnung einſtimmig die Reſolution Renaudel
augenommen, die von der Partei die Bekämpfung jeder von Mil=
ſuand
eingeſetzten Regierung und die Bekämpfung jeder Regie=
rug
verlangt, die nicht aus der neuen parlamentariſchen Mehr=
heit
hervorgegangen iſt. Die Reſolution ſtellt feſt, daß der Prä=
ideuck
mehrmals gegen die durch ſeine Stellung gebotene Unpar=
gſichkeit
verſtoßen hat.
Im Verlaufe der Debatte forderte Moutet, man müſſe zuerſt
ſie Frage Millerand erörtern, nachdem die neue Regierung ge=
Tüdet ſei. 1. a. erklärte er, man müſſe vorſichtig vorgehen, da=
Im richt der Partei vorgeworfen werde, ihr Beſchluß wirke auf
i Stand des franzöſiſchen Franken ein. Blum widerſprach
10 Forderte Abſtimmung, damit kein Zweifel über den Stand=
hunke
des Parteitages in dieſer wichtigen Frage möglich werde.
Söließlich ließ Moutet ſeine Einwendungen fallen und ſtimmte
mden Delegierten für die Annahme der Reſolution Renaudel.
Der Kongreß trat hierauf in die Beratung der Tagesord=
ung
ein. Der erſte Punkt der Tagesordnung des ſozialiſtiſchen
Erteitages, nämlich Stellung der Partei zur Regierungsbil=
img
. wird zu einer langen Geſchäftsordnungsdebatte. Der
hnralekretär der Partei, Paul Faure, ſchlägt vor, zunächſt eine
ſae Abſtimmung vorzunehmen über die Frage, ob die Soziali=
in
ſelbſt in die Regierung eintreten ſollen oder nicht. Blum er=
lt
er ſei von Herriot gebeten worden, ſo ſchnell wie möglich
ſie unzweideutige Antwort auf dieſe Frage zu erteilen. Der
Velruf der Debatte führte zu Meinungsverſchiedenheiten, die
ihunter vier Geſichtspunkten zuſammenfaſſen laſſen: Ein Teil
1MDelgierten iſt für den Eintritt in die Regierung, ein anderer
füdre bloße Unterſtützung eines Kabinetts der bürgerlichen Lin=
12 Es gibt außerdem jedoch auch eine andere Gruppe, beſtehend
il Vertretern ſolcher Lokalorganiſationen, die die Vorausſetz=
ien
ſowohl für den Eintritt in die Negierung, wie auch zu
ſſeit Unterſtützung nicht für genügend geklärt erachten und die
Entſcheidung ganz dem Kongreß überlaſſen. Auf das Drängen
ſingaidels, der an der interfraktionellen Beſprechung der Linken
1ſm1 bis 3 Uhr nachmittags teilnimmt, beſchließt der Kongreß,
innaichmittag zunächſt über die Frage eines etwaigen Eintritts
1 die Regierung abzuſtimmen.
Um 4 Uhr wurden die Beratungen mit der Debatte über den
Punkt der Tagesordnung: Stellung zur Regierung, wie=
1mgifgenommen. Junächſt ſprachen vier Redner gegen die Be=
1 ſig ing, darunter Longuet, ließen jedoch mit mehr oder weniger
tei Einſchränkungen die Unterſtützung einer bürgerlichen
erkkregierung zu. Sie entwickelten in der Hauptſache partei=
eſſche
Argumente. Im Anſchluß hieran erhielten die Partei=
küger
des Eintritts in die Regierung das Wort, von denen
Im elfäſſiſche Abgeordnete Grumbach in großen Zügen einen
ſerblick über die internationale Lage unter Hinweis auf ihren
en blicklichen beſonderen Ernſt gab. Um 7½ Uhr abends
uen noch 17 Redner zum erſten Punkt der Tagesordnung vor=
rnerkt
, unter ihnen die führenden Vertreter der beiden haupt=
Glichen Tendenzen der Partei, die Abgeordneten Boncourt,
Enenne, Nenaudel und Léon Blum an letzter Stelle. Der Abg.
bug idel ſchlägt die Einſetzung eines Reſolutionsausſchuſſes, der
bebeiden im Vordergrund ſtehenden Möglichkeiten, Unterſtützung
radikalen bürgerlichen Regierung und Eintritt in die Re=
guueig
zunächſt klären ſolle.
Beſchlüſſe der ſozialiſiſch=republikaniſchen
Gruppe und ſozialiſtiſchen Partei.
aris, 1. Juni. (Wolff.) Die ſozialiſtiſch=republikaniſche
mixergruppe in Gemeinſchaft mit den Mitgliedern der reihts=
hunden
ſozialiſtiſchen Partei, die als Hoſpitanten in die Frak=
1ſweEngetreten ſind, haben heute vormirtag in Anweſenheit von
Sulbgeordneten unter dem Vorſitz von Painlevé folgende Tages=
Murig angenommen: Die ſozialiſtiſch=republikaniſche Gruppe
u=0däe ſozialiſtiſche Partei hat in gemeinſamen Verhandlungen
e zſnmig beſchloſſen, daß es abſolut unmöglich ſei, auch
NMrEie geringſte Zuſammenarbeit mit dem Prä=
ſſiſemten
der Nepublik, Millerand, durchzufüh=
s
verkannt
der die Pflichten ſeine
ſ=en=und
dadurch, daßer die Le
jihrt habe,
enpolitik in einen
das Land verurteilt haß

Die Tagesordnung der radikalen Partei.
Paris, 1. Juni. (Wolff.) Die Fraktion der radikalen
Partei hat heute vormittag eine Sitzung abgehalten, in der
Accambray folgende Tagesordnung vorſchlug: 1. Der Präfident
der Republik iſt aus ſeiner von der Verfaſſung vorgeſchriebenen
Rolle herausgetreten. 2. Die aus den Wahlen hervorgegangenen
parlamentariſche Mehrheit kann ihm alſo ihr Vertrauen nicht
ſchenken. 3. Infolgedeſſen kann keiner der Gewählten der Linken
das Mandat der Zegierungsbildung von dem jetzigen Staatschef
in Empfang nehmen.
Nach einem Meinungsaustauſch, an dem ſich auch Herriot
beteiligte, iſt mit allen gegen ſechs Stimmen eme Tagesordnung
angenommen worden, die den dritten Punkt beſeitigt und erklärt:
Das fernere Verbleiben des Bürgers Millerand im Elyſée wird
die republikaniſche öffentliche Meinung verletzen und wird die
Quelle eines fortgeſetzten Konflikts zwiſchen der Regierung und
dem Staatschef und eine ſtändige Gefahr für das Regime
ſelbſt ſein.
Nur vier Abgeordnet haben ſich der Abſtimmung enthalten,
und ziar zwei Abgeordnete mit dem ausdrücklichen Bemerken,
daß ſie mit ihren Kollegen einverſtanden ſeien, aber wegen der
perſönlichen Beziehungen zu Millerand, deſſen Mitarbeiter ſie
geweſen ſeien, keine Stellung nehmen wollten. Die beiden ande=
ren
Abgeordneten, die ſich enthalten haben, ſind Klotz und Valude.
Interfraktionelſe Befprechung der Linken.
Paris, 1. Juni. (Wolff.) Die um 1.45 Uhr nachmittags
begonnene Sitzung der auf das Programm des Blocks der Lin=
ken
gewählten Abgeordneten war von ſehr kurzer Dauer. 310
Abgeordnete waren anweſend. An der Tagung nahmen teil die
Mitglieder der ſozialiſtiſchen Kammerfraktion und etwa 20 Mit=
glieder
der radikalen Linken. Den Vorſitz führte der Abgeord=
nete
Herriot, unterſtützt von den Abgeordneten Painlevé (Soz.
Republikaner) und Boncourt (Soz.) Der Abgeordnete Herriot
ſchlägt ſofort vor, zum Kandidaten für die Kammer=
präſidentſchaft
den Abgeordneten Painlevé zu
beſtimmen. Unter lebhaftem Beifall wird der Vorſchlag angenom=
men
. Der Abgeordnete Herriot ſchlägt dann die heute vormittag
in der Angelegenheit Millerand von der radikalen Kammer=
gruppe
angenommene Tagesordnung, deren Text bereits mit=
geteilt
wurde, vor. Der ſozialiſtiſche Abgeordnete Renaudel teilt
mit, daß der ſozialiſtiſche Parteitag heute vormittag eine ähnliche
Reſolution angenommen hat, aber daß ſeine Fraktion bereit ſei,
die radikale Reſolution anzunehmen. Der Abgeordneten Goude
bemerkt, man müſſe auch feſtlegen, daß kein Mitglied des Blocks
der Linken von Millerand den Auſtrag zur Kabinettsbildung
entgegennehmen dürfe. Herriot verlangt, daß man ihm Ver=
trauen
ſchenke, worauf Goude ſeinen Vorſchlag zurückzieht. Dar=
auf
wurde die Tagesordnung der Radikalen einſtimmig ange=
nommen
. Damit hat die Beratung ihr Ende erreicht.
Wird Millexand zurücktreten?
* Paris, 2. Juni. (Priv.=Tel.) Die politiſche Situation
wird in erſter Linie von der Frage beherrſcht, ob Millerand unter
dem Druck der geſtern gefaßten Beſchlüſſe der Linksparteien zu=
rücktreten
wird oder nicht. Nach der Auffaſſung, die in parla=
mentariſchen
Kreiſen herrſcht, dürſte ſich die Kabinettsbildung
folgendermaßen abſpielen: Millerand würde nach der am Diens=
tag
ſtattfindenden Wahl des Kammerpräſidenten, die ohne Zwei=
fel
zugunſten Painlevés ausfallen wird, Herriot mit der Bildung
des Kabinetts betrauen. Würde ſich Herriot, der durch den Be=
ſchluß
ſeiner politiſchen Gruxzpe gebunden iſt, und ein zweiter
Vertreter der Kammermehrheit, dem eventuell Millerand die
Kabinettskildung anbieten würde, ſich weigern, dann werde Mil=
lerand
gegen Ende der Woche eine politiſche Perſönlichkeit
die Preſſe nennt Maginot, in der Kammer denkt man an Bar=
thou
mit der Bildung eines Uebergangskabinetts betrauen.
Er würde dann ſeine Botſchaft Kammer und Senat zur Kennt=
nis
bringen. Nach der franzöſiſchen Verfaſſung würde durch die
Abſtimmung hierüber in den beiden Parlamenten die Ver=
trauens
= oder Mißtrauensfrage für den franzöſiſchen Präſidenten
entſchieden ſein. Im Senat rechnet man mit einer erdrückenden
Mehrheit für Millerand. In der Kammer glaubt man an eine
wenn auch geringe Mehrheit gegen Millerand. Es iſt noch nicht
mit Beſtimmtheit bekannt, was Millerand im Falle eines Mehr=
heitsbeſchluſſes
der Kammer gegen ihn tun wird. Es wird ver=
ſichert
, daß er ſich Abgeordneten gegenüber dahin ausgeſprochen
hat, in dieſem Falle, obwohl ein verfaſſungsmäßiger Grund nicht
vorliegt, zurückzutreten. In politiſchen Kreiſen herrſcht große
Aufregung und es werden infolgedeſſen die widerſprechendſten
Nachrichten und Gerüchte verbreitet.

Belgien und die Organiſation der deutſchen
Eiſenbahnen.
Brüſſel, 1. Juni. (Wolff.) Independence Belge mel=
det
: Bei der geſtrigen Konferenz des Miniſterpräſidenten
Theunis mit dem belgiſchen Vertreter in der Reparationskom=
miſſion
Delacroix und den belgiſchen Vertretern im beſetzten Ge=
biet
wurde hauptſächlich die Organiſation der deutſchen Eiſen=
bahnen
, namentlich die Organiſaion der rheiniſchen Eiſenbahnen
und die Frage der Garantien beſprochen. Es ſei eine Methode
erörtert worden, die es ermögliche, die Forderungen der Sach=
erſtäneigen
mit der Forde ung nach Earantien in Einklang
Oringen und eine wirkſame Kontrolle über die Eiſenbahnen aus
zuüben.

(röffnungsſitzung
der franzöſiſchen Kammer.
Paris, 1. Juni. Um 3 Uhr nachmittags iſt die neue Kam=
mer
zur konſtituierenden Sitzung zuſammengetreten. Den Vor=
ſitz
führte der Alterspräſident der Radikalen Abg. Profeſſor
Pinard, der bei ſeinem Erſcheinen Gegenſtand herzlicher Kund=
gebungen
iſt. Er eröffnete die Sitzung und erklärte, nachdem er
beſonders die Abgeordneten vom Elſaß und Lothringen begrüßt
hatte, es ſei unerläßlich, daß auch bald das Frauenſtimmrecht in
Frankreich verwirklicht werde. Das Wahlſyftem, nach dem die
neue Kammer gewählt ſei, ſei eine Herausforderung des geſun=
den
Menſchenverſtandes. Das Wahlergebnis vom 11. Mai be=
deute
, daß die übergroße Mehrheit der Franzoſen den ſozialen
Fortſchritt wünſche und daß ſie jede Gewalt zurückweiſe. Sie
wolle keine Diktatur, von welcher Seite ſie auch komme. Die
eben abgetretene Kammer habe die Krönung des Sieges, den
Frieden, nicht bringen können. Warum? Weil ſie vergeſſen
habe, daß man den Sieg nur dank der Hilfe der Alliierten Frank=
reichs
gewonnen habe. Es ſei die Pflicht Frankreichs, Reparatio=
nen
zu verlangen, aber dieſen Prozeß werde man nur unter der
ausdrücklichen Bedingung gewinnen, daß man die Alliierten auf
ſeiner Seite habe und daß das Abkommen mit den Alliierten vom
Völkerbund ſanktioniert werde. Das Land voolle einen Frieden,
der kein Gefühl des Haſſes und der Nache zur Folge habe, einen
Frieden, der den Krieg endgültig in die Vergangenheit zurück=,
weiſe. Der Alterspräſident beſpricht ſodann die Finanzlage
und in Verbindung damit die für Frankreich ſo wichtige Frage
der Bevölkerungsvermehrung. Dieſe Frage bedeute für Frank=
reich
Leben oder Tod. Als Spezialiſt auf dem Gebiet der Kin=
derhilfe
entwickelt der Abgeordnete Pinard ganz beſonders dieſen
Gedanken und er erklärt, der weſentlichſte Grundſatz der Maß=
nahmen
, die ergriffen werden müfſen ſei, die Geburt des Kindes
dürfe für die Familie nicht der Ausgangspunkt für Elend oder
Einſchränkung ſein, ſondern müſſe im Gegenteil einen Vorteil
bedeuten. Man müſſe die Ernährung verbeſſern. Dieſes dop=
pelte
Ergebnis könne aber nur erreicht werden, wenn man alle
Mittel zur Anwendung bringe, um die menſchliche Raſſe zu ver=
beſſern
und zu erhalten. Man müſſe bedenken, daß jede Geburt
im Zuſtande der Krankheit nur minderwertige Menſchen hervor=
bringen
könne. Vor allem aber müſſe der Kampf gegen die
Kinderſterblichkeit aufgenommen werden. In Verbindung da=
mit
beſpricht der Alterspräſident die Frage des Unterrichts und
erklärt, er ſei ein Anhänger der Einheitsſchule. Auch auf die
Gefahren des Alkhohols, der Syphilis und der Tuberkuloſe weiſt
Pinard hin. Frankreich, das während des Krieges Milliarden
verausgabt habe, dürfe vor keinen Koſten zurückſchrecken, um die
Verſtärkung und die Fortentwicklung ſeiner Bevölkerung zu för=
dern
. Die Rede des Alterspräſidenten wird von der Linken mit
Beifall aufgenommen. Darauf werden die Kommiſſionen zur
Prüfung der Mandate ausgeloſt. Alterspräſident Pinard teilt
darauf mit er habe von dem kommuniſtiſchen Abgeordneten
Cachin folgenden Antrag erhalten: Die Kammer vertagt ſich,
um dem Chef der ausführenden Gewalt Gelegenheit zu geben,
vor ihr die Frage ſeiner Demiſſion, die das Land ihm aufge=
zwungen
habe, zu ſtellen. Der Alterspräſident erklärt, da die
Kammer noch nicht die Mandate der Abgeordneten geprüft und
genehmigt habe, könne kein Antrag angenominen werden. Der
Antrag Cachin verſtoße alſo gegen die Verfaſſung. Die Kommu=
niſten
ſchreien: Nieder mit Millerand! Es lebe die Amneſtie!
Zwiſchen dem kommuniſtiſchen Abg. Merty, der wegen ſeiner
Verhaftung und ſpäteren Amneſtie ſehr bekannt geworden iſt,
und dem Abg. Bernard, dem Vorſitzenden des Veteranenverban=
des
, kommt es zu einem Handgemnge, wobei dieſer Merty ohr=
feigte
. Der ſozialiſtiſche Abgeordnete Moutet wendet ſich gegen
die Kommuniſten und ruft: Sie haben alles getan, um das von
Ihnen geforderte Vorgehen unmöglich zu mächen. Der Präſi=
dent
ſchließt darauf die Sitzung und beraumt die nächſte Sitzung
auf Dienstag nachmittag 3 Uhr an.
Pariſer Preſſeſtimnten.
Paris, 1. Juni. (Wolff.) Die Beſchlüſſe, die die drei Par=
teien
gefaßt haben, die zum Block der Linken gehören, werden
in der Abendpreſſe bereits beſprochen. Der Intranſigeant
ſchreibt: Die politiſche Kriſe iſt eröffnet, aber was immer man
auch ſagen möge, im Senat und ſelbſt in der Kammer gibt es
genug überlegte Männer, die die Gefahr begriffen haben. Die
Anhänger des Lärms ſcheinen ſeit drei Tagen ein wenig an Ge=
lände
verloren zu haben. Der Fortſchritt, den die Vernunft
mache, iſt fühlbar. Sucht man nicht vielleicht eine vermittelnde
Formel? Der Temps fragt: Hat das Land das wirklich ge=
wollt
? Wollte es ſeinen Mandataren anempfehlen, daß ſie zu
Beginn ihrer Tätigkeit den Kopf des Staatschefs fordern, der
als Kriegsminiſter und als Retter Polens ſich die Achtung und
die Dankbarkeit der Nation erworben hat? Gewiß nicht! Wir
befinden uns vor einem rein politiſchen Manöver, das die revo=
lutionären
Sozialiſten angezettelt haben, und wir bedauern, daß
ſich der Radikalismus hierzu hergibt. Die Tagesordnungen, die
heute vormittag im Tumult des Zuſammentritts der Kammer
angenommen wurden, ſind nicht legal, ſie bedeuten eine ausge=
ſprochene
Verletzung der republikaniſchen Geſetzlichkeit. Wir
wollen noch annehmen, daß das Nichtwiedergutzumachende ver=
hindert
wird. Abgeordneter Herriot, obzwar er ſich mit ſeiner
Partei ſolidariſch erklärte, hat heute vormittag jedes imperative
Mandat abgelehnt und ſeine Abſicht nicht verheimlicht, daß er
ſich ins Elyſée begeben werde, wenn Millerand ihn rufe. Es iſt
unmöglich, daß der Führer der Mehrheit, der ſchwankt, nicht die
Gefahren erkennt, denen das Regime und das Land ausgeſetzt
werden, wenn die Legislaturperiode mit einer Präſidentenkriſe
gerade in dem Augenblick eröffnet wird, in dem die Mehrheit ſich
bemühen muß, im Ausland und im Innern das Vertrauen zu
erwerben, ohne das nicht regiert werden kann. Der radikale
Pariſer Soir begrüßt den Beſchluß der ſozialiſtiſchen Partei=
tagung
und rüſt aus: Herr Millerand, demiſſionieren Siel

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Mummer 153.

Eine Rede Dr. Hoefles.
Berlin, 1. Juni. (Wolff.) Der Rheinländertag in Pots=
dam
nahm unter Beteiligung der landsmannſchaftlichen Heimat=
verbände
der Rheinländer, Pfälzer, Saarländer, Heſſen, Weſt=
falen
, Elſaß=Lothringer, Eupen=Malmedyer und der Ausgewie=
ſenen
einen glänzenden Verlauf. Aus etwa 100 Ortsgruppen
des Reiches waren Vertreter erſchienen. Auch bemerkte man eine
größere Anzahl bekannter Ausgewieſener aus den beſetzten Ge=
bieten
, u. a. den früheren Regierungspräſidenten Momm= Wies=
baden
, Landrat Heiſing=Ahrweiler und Dr. Krüger=Monſchau.
Schon von 9 Uhr ab brachten die überfüllten Züge ſowie ein=
gelegte
Sonderzüge fortwährend neue Teilnehmer nach der Ha=
velſtadt
, wo auf dem Bahnhof der Rheinländerverein=Potsdam
die Erſchienenen begrüßte und weiß=grüne Abzeichen verteilte.
Am Bahnhof hielt der Präſident des Reichsverbandes der Rhein=
länder
, Dr. Kaufmann, die Begrüßungsanſprache. Um 11 Uhr
fand ein gemeinſchaftlicher öffentlicher Bittgottesdienſt für die
beſetzten Gebiete im Potsdamer Luſtgarten ſtatt, wobei Dr. Eſſer=
Berlin für die katholiſchen und Pfarrer Röhrig=Potsdam für die
evangeliſchen Teilnehmer predigten. Es folgten rheiniſche Wei=
ſen
, geſpielt vom Glockenſpiel der Garniſonkirche. Nach einem
Rundgang durch die Parkanlagen von Sanſſouci verſammelten
ſich die Teilnehmer am Nordflügel des Neuen Palais. Dort be=
grüßte
der Bürgermeiſter von Potsdam, Dr. Dehms, die Erſchie=
nenen
namens der Stadt Potsdam, deren Bauwerke den Geiſt
Friedrichs des Großen offenbarten. Nach den Freiheitskriegen
ſeien 1815 die Rheinlande Preußen angegliedert worden. 100
Jahre habe daraufhin kein Feind die Ufer des deutſchen Stro=
mes
betreten. Seit fünf Jahren hauſe nun der Feind im Lande.
Durch unerhörte Maßnahmen hoffe er das Volk niederzuzwin=
gen
. In der Weltgeſchichte aber bedeute die Lebensdauer einer
Generation nicht allzu viel. Die Weltlage könne ſich eines Tages
zu unſeren Gunſten ändern. Der alte Geiſt am Rhein ſei noch
nicht tot. Die Rheinlande würden vom Reiche nicht laſſen und
das Reich nicht von den Rheinlanden. Darauf überbrachte der
Landrat Gieſe=Nauen Grüße des Kreiſes Oſthavelland. Hie=
rauf
ergriff der Reichsminiſter für die beſetzten Gebiete, Dr.
Hoefle, das Wort zu folgender Anſprache:
Verehrte Rheinländer und Rheinländerinnen,
liebe Brüder und Schweſtern von Rhein, Saar, Pfalz und Ruhr!
Es iſt mir eine aufrichtige Freude und eine beſondere Ehre,
der Aufforderung des Reichsverbandes der Rheinländer zu fol=
gen
, Ihrer heutigen Tagung ein Geleitwort zuzurufen. Ich trete
ja nicht nur unter Sie als der Reichsminiſter für die beſetzten
Gebiete und der berufene Anwalt der Intereſſen der beſetzten
Gebiete in der Reichsregierung. Ich fühle mit Ihnen allen als
Ihr Landsmann und grüße mit Ihnen unſere rheiniſche Heimat,
der wir jetzt ſo fern ſind und der doch all unſer Denken, unſer
Streben und unſer Sehnen gilt. Gerade wir, fern von Rhein,
Saar und Ruhr, wiſſen den Wert des Zuſammenſchluſſes der
Rheinländer zu ſchätzen, der einem jeden von uns einen feſten
Rückhalt gibt, der dem Rheinland zeigt, daß wir auch in der
Ferne feſt und treu zu ihm halten und der auch dem unbeſetzten
Deutſchland ſichtbar rheiniſches Weſen und rheiniſche Volks=
gemeinſchaft
vor Augen führt. Im Verband der Rheinländer
ſehen wir Volksgenoſſen jedes Standes und jeder politiſchen
Richtung treu miteinander verbunden; ein getreues Spiegelbild
des feſten Zuſammenhalts der Bevölkerung in den beſetzten Ge=
bieten
und ein Vorbild für unſer ganzes Volk. Wir danken dem
Reichsverband der Rheinländer, daß er immer wieder die rhei=
rheiniſchen
Volksgenoſſen zuſammenſchließt und immer wieder
das unbeſetzte Deuſchland auf die Nöte unſerer rheiniſchen Hei=
mat
hinweiſt. Wir danken auch den deutſchen Volksgenoſſen
aller anderen deutſchen Stämme, daß ſie Verſtändnis für das
beſetzte Gebiet bekunden, daß unentwegt die Gedanken ganz
Deutſchlands auf das Rheinland gerichtet ſind, und wir wiſſen,
daß dieſer Auffaſſung des deutſchen Volkes gemäß die deutſche
Regierung, mag ſie im einzelnen zuſammengeſetzt ſein wie ſie
will, alle ihre Handlungen einſtellt und einſtellen muß auf das
Schickſal des Rheinlandes.
Wir ſtehen unmittelbar vor einem Höhepunkt der politiſchen
Entwicklung. Das Sachverſtändigengutachten er=
öffnet
uns die Ausſicht, daß endlich die Einheit
zwiſchen dem Rheinland und dem übrigen
Deutſchland wiederhergeſtellt wird. In dem
Sachverſtändigengutachten haben die Antoritäten der Welt feſt=
gelegt
, daß eine für alle Völker der Welt erſprießliche
Löſung nur eintreten kann, wenn die Einheit des
beſetzten Gebiets, mit dem unbeſetzten Gebiet
wiederhergeſtellt wird. Wir haben die feſte Erwartung
und Zuverſicht, daß ſich dieſe Meinung durchſetzen wird. Wir
erwarten von der Gerechtigkeit und von der
Heſſiſches Landestheater.
Großes Haus. Sonntag, den 1. Juni.
Der Kaufmann von Venedig.
Luſtſpiel von Shakeſpeare.
Von Dr. Paul Eger ſtammte die letzte Inſzenierung des
Kaufmanns von Venedig auf der hieſigen Bühne. Sie hauchte
dem alten Werk friſches, ſprühendes Leben ein; die Luft Vene=
digs
gab die Atmoſphäre; über Treppen, Brücken und Kanäle
huſchten die Geftalten; Anmut und Grazie herrſchten auf Por=
zias
reichem Landſitz; in nächtlichem Park vereinigten ſich Innig=
keit
und Schelmerei zu der Stimmung, in der die liebenden
Paare fich fanden.
Die geſtrige Vorſtellung erreichte nicht entfernt die künſt=
leriſche
Stimmung, die von der früheren Aufführung ausging.
Man fragt ſich vergeblich, aus welchem Grunde eine an ſich durch=
aus
befriedigende Inſzenierung aufgegeben wird, zumal wenn
nichts Höherwertiges an ihre Stelle tritt. Die lauſchigen Straßen

Platz vor Porzias Haus gab keine Suggeſtion.
Auch in der Darſtellung herrſchte keine Geſchloſſenheit. Wie
ein Fels ragte Fritz Valks Shylok hervor. Er ſpielte ihn
ausgezeichnet, doch er ſpielte ihn ohne Zuſamenhang mit den
Mitſpielern. Er legte den Shylok auf Größe, Wucht, Monumen=
talität
an. Er gab ihm erſchütternde Augenblicke, wie bei der
Klage über Jeſſikas Flucht. Er ſteigerte ihn über Menſchenmaß,
ohne daß man im Augenblick den Eindruck der Uebertreibung
hatte. Doch er ging wie ein Gaſt durch das Enſemble, ohne den
inneren Anſchluß an die Umwelt, und dies iſt nicht das Ideal.
Es ſtand dieſem Shylok vor allem keine Porzia gegen=
über
, die ihm das Gleichgewicht gehalten hätte. Anne Kerſten
iſt eine gute Schauſpielerin auf ihrem Gebiet; doch ihre Bega=
bung
verweiſt ſie auf die nervenhafte, mondäne Frau; ſo iſt ſie
eine ausgezeichnete Gräfin in Wedekinds Liebestrank, Shake=
ſpeares
Porzia liegt auf anderem Felde; ihre Geſtalt erwächſt
auf dem Boden einer ſtarken, breiten Menſchlichkeit, eines tiefen
Gefühls, eines reichen Gemüts. Ein ſolcher Frauencharakter ent=
ſpricht
nicht Frau Kerſtens Veranlagung. So blieb die wunder=
volle
Liebesſzene mit Baſſanio ohne Wirkung, und infolge dieſes
Beſetzungsfehlers war in der Geſamtdarſtellung eine empfind=
liche
Lücke.
Baſſanio, den ehrlichen Freier, gab Walter Kuliſch aus=
drucksvoll
mit warmem Gefühl. Aus Neriſſa, Porzias Gefährtin,
ſchuf Eliſabeth Stieler eine reizvolle Mädchengeſtalt, aus
deren warmempfindender Menſchlichkeit Charme und Uebermut
ſprühten. In Walter Reymer ſtand Neriſſa ein lebensluſtiger
Graziano gegenüber.
Der junge Lanzelot von Eliſabeth Lennartz überraſchte
durch ſeine Fülle von Komik; in dem kecken Gobbo=Sohn ſteckte

Vom Tage.
Geſtern erſchien der deutſche Geſandte Dr. Pfeiffer beim Bun=
bespräſidenten
Hainiſch, um ihm und dem Bundeskanzler Seipel in An=
erkennung
des Deutſchen Reiches für die vom geſamten öſterreichiſchen
Volk gezeigte lebhafte Beteiligung an der Deutſchlandshilfe das Ehren=
zeichen
1. Klaſſe des Deutſchen Roten Kreuzes zu überreichen.
Die Havas=Agentur iſt nach Anfragen bei den Abgeordneten Pain=
levé
und Herriot in der Lage zu erklären, daß die in der deutſchen Preſſe
verbreitete Nachricht, die Deutſchnationale Partei habe einen Abgeord=
neten
nach Paris geſchickt, um mit den Führern der neuen Mehrheit zu
verhandeln, nicht den Tatſachen entſpricht.
Wie der Brüſſeler Berichterſtatter des Temps meldet, wünſchen die
belgiſchen Miniſter Theunis und Hymans ſobald wie möglich eine Zu=
ſammenkunft
mit bem neuen franzöſiſchen Miniſterpräſidenten, um den
Sachverſtändigenplan und franzöſiſch=belgiſche Fragen über das Ruhr=
gebiet
zu beſprechen. Man nehme in Brüfſel an, daß dieſe Zuſammen=
kunft
gegen den 19. Juni ſtattfinden könne.
Wie das Pariſer Journal aus Madrid berichtet, wurden die Redak=
teure
des kommuniſtiſchen Blattes Bataille, die Abgeordneten Com=
panves
und Caſanova, und der Vorſitzende der Gewerkſchaft in Barce=
lona
auf Befehl des Direktoriums verhaftet und nach den Kanariſchen
Inſeln deportiert.
Der Kongreß der Ruſſiſchen Kommuniſtiſchen Partei wurde abge=
ſchloſſen
. Die Partei erhielt einen neuen Namen: Kommuniſtiſche Partei
der Union der ſozialiſtiſchen Sowjetrepubliken.
Der japaniſche Botſchafter in Waſhington hat dem Staatsdeparte=
ment
den Einſpruch Japans gegen die Einwanderungsbill übergeben.
Die Regierung von Angora hat beſchloſſen, ſechs Unterſeeboote
zu erwerben.

Klugheit der Welt, daß die dem Vertrag von Verſailles
entgegen widerrechtlich beſetzten Gebiete geräumt
und daß die wirtſchaftliche und die Verwaltungs=
einheit
des Reiches und der Länder mit dem be=
ſetzten
Gebiet wiederhergeſtellt wird. Zuſammen
damit verlangen wir, nachdem auf unſerer Seite der paſſive
Widerſtand längſt eingeſtellt iſt, als unſer Recht und als
ein Gebot der Menſchlichkeit die Freigabe un=
ſerer
Gefangenen und die Rückkehr unſerer
Ausgewieſenen in die Heimat. Wir haben die Zuverſicht,
daß ſich dieſe Erwartungen durchſetzen werden, daß wir unſere
rheiniſche Heimat von dem auf ihre laſtenden Druck befreit ſehen,
und daß die Laſten, die der verlorene Krieg uns auferlegt, nicht
mehr die weſtlichen Provinzen niederdrücken und zu erſticken
drohen ſondern von dem ganzen Reich gleichmäßig getragen
werden.
In dieſem Augenblick politiſcher Spannung gedenken wir
Rheinländer in Liebe und Treue unſerer rheiniſchen Heimat.
Wier danken den beſetzten Gebieten an Rhein
Saar und Ruhr, daß ſie mit unerſchütterlicher
Treue am Reiche feſthalten, daß ſie trotz aller
Lockungen und Anfechtungen ihre deutſche Kul=
tur
hochhalten. Wir vertrauen, daß es der bewunderns=
werten
Diſziplin und dem unverwüſtlichen Lebensmut unſerer
rheiniſchen Brüder und Schweſtern gelingen wird, die Schwie=
rigkeiten
der Gegempart zu überwinden und das Rheinland zu
dem zu machen, was es war und was es nach unſerem feften
Glauben ſein wird: eine der wertvollſten und hochſtehendſten
Stätten deutſchen Wirtſchaftslebens, deutſcher Kultur und deut=
ſchen
Geiſtes.
Das iſt die Hoffnung und der Glaube für uns Rheinländer
und darin fühlen wir uns einig mit allen großen Parteien und
mit allen Schichten des geſamten deutſchen Volkes. Im deut=
ſchen
Volk und im deutſchen Vaterland iſt unſere Wurzel. Ihm
weihen wir unſere Kraft. Laſſen Sie uns das Gelöbnis unſerer
Treue zu unſerer Heimat, den beſetzten Gebieten am Rhein. in
der Pfalz, an der Saar und an der Ruhr, laſſen Sie uns unſere
Liebe zum deutſchen Rhein und unſere Gefühle der feſten und
unerſchütterlichen Zuſammengehörigkeit mit dem ganzen Deut=
ſchen
Reich zum Ausdruck bringen mit dem Liede, das einem
jeden guten Rheinländer im Herzen klingt und das auch einen
jeden Deutſchen an die Treue=Pflicht zum beſetzten Gebiet
mahnt: Deutſchland, Deutſchland über alles!
Nach den Anſprachen fanden Chorgeſänge des Rheiniſchen
Männergeſangvereins=Berlin ſtatt. Am Nachmittag wurde ein
öffentliches Konzert im Großen Saal des Potsdamer Konzert=
hauſes
gegeben. Hierauf ergriff als Vertreter des Rheinlandes
Dr. Albert Paß=Köln das Wort. Er betonte, es ſei eine Selbſt=
verſtändlichkeit
, daß die befetzten Gebiete nicht nur zum Reich,
ſondern auch zu den einzelnen Ländern in Treue ausharrten. Er
erklärte im übrigen, daß im Intereſſe des beſetzten Gebietes nur
die Außenpolitik fortgeſetzt werden könne, die auf eine Annahme
des Sachverſtändigengutachtens beruhe. Andernfalls erwarte
das beſetzte Gebiet einen neuen Appell an das deutſche Volk. Den
Beſchluß der Tagung bildete eine Dampferfahrt von Potsdam
nach Wannſee.
ein Teufel an Laune und Humor; köſtlich der lockige Bubenkopf,
die drollige Stellung der Beine, das amüſante Mienenſpiel. Für
den Vater Gobbo fand Kurt Weſtermann den rechten Ton.
In der paſſiven Geſtalt des königlichen Kaufmanns, Antonio
blieb Herbert Böhme recht paſſiv und ohne ſtärkere Wirkung.
Als Prinz von Marokko erſchien Gerhart Ritter unglaublich
ibertrieben in Maske und Spiel, unmöglich als Freier für die
vornehme Porzia; den Prinzen von Arragon repräſentierte
Franz Schneider. Aus der großen Zahl der Mitſpieler ſeien
R. Jürgas, Hans Baumeiſter, Marthe Hein und G. v. Rappard
noch genannt.
Die tüchtigen Leiſtungen einzelner Darſteller vermochten je=
doch
nicht, der ganzen Auführung die erforderliche Wärme und
Geſchloſſenheit zu geben, ſo daß der Geſamteindruck der von
Joſ. Gielen geleiteten Neuinſzenierung kein glücklicher war. Z.

* Frankfurter Schauſpielhaus.
Im Frankfurter Schauſpielhaus bilden Darſteller und Zu=
ſchauer
gewiſſermaßen eine Familie, und Toni Impekoven
iſt ihr Papa. So war das Theater am Samstag auch ausver=
kauft
, als Vater Impekoven ſeine zehnjährige Zugehörigkeit zu
dem Schauſpielhaus feierte. Er erſchien, zunächſt als Dorfrichter
Adam in einer von Richard Weichert in ſicherer Realiſtik inſze=
nierten
Darſtellung von Kleiſts Zerbrochenem Krug und
gab den verſchmitzten Bauern mit einer in vielen Lichtern leuch=
tenden
, liebenswürdigen Komik, aſſiſtiert von Käthi Hartmanns
ſaftigem Humor. Zu kräftigeren Tönen einer übermütigen
Komik gab hiernach der als Edelmann verkleidete Mascarill
in Molieres Zierpuppen den Rahmen. Die Art, wie
Impekoven den reizvollen Preziöſen Aida Stuckering und Kundry
Siewert den vornehmen Marquis vorſpielte, war überaus luſtig.
Zwiſchen den Luſtſpielen tanzte Niddy Impekoven
und entwickelte namentlich zu Humperdincks Was ihr wollt
eine ſo köſtliche, leichtgroteske Komik, daß man in jeder Bewegung
die begabte Tochter des begabten Vaters wiedererkannte.
Als zum Schluſſe Vater und Tochter Hand in Hand auf der
Bühne erſchienen, wollte der Jubel kein Ende nehmen. Z.

* Wien gib acht
Erſtaufführung der großen Ausſtattungsrevue in 11 Bil=
dern
von Bruno Hart und Karl Farkas im Frank=
furter
Schumanntheater am 31. Mai 1924. In Szene geſetzt
von Direktor Emil Schwarz und Direktor Hans Gruß
vom Deutſchen Theater in München.
Man muß ſich ſchon mindeſtens ein paar Reſerve=Augen mit=
bringen
, wenn man die Fülle der Geſchehniſſe erfaſſen will, die
in buntem Wirbel mit echtem Wiener Schmiß und Humor in
11 Bildern an uns vorüberrollen. Es iſt tatſichlich für zwei
Augen zuviel des Gebotenen, und da wir leider auch nur über

Das Ergebnis der Pfalzwoche‟
Die Verwendung der Spenden.
Speyer, 1. Juni. (Wolff.) Auf Einladung des Prc
denten der pfälziſchen Regierung trat geſtern der Ausſchuß
die Pfalzwoche zuſammen, um über die Verteilung der zur V=
fügung
ſtehenden Mittel zu beraten. Das dem Ausſchuß
kannt gegebene Ergebnis der vom Hauptausſchuß des bayeriſch
Hilfswerks vom 15. bis 31. März 1924 veranſtalteten Sammlm
Pfalzwoche iſt überaus erfreulich. Es wurden insgeſa
900 000 Goldmark von den Spendern der rechtsrheiniſchen A
aufgebracht. Der Präſident wurde erſucht, den Dank der Pf
dem Hauptausſchuß für das Hilfswerk und allen rheiniſch
Brüdern, die ſich an der Sammlung beteiligten, auszuſprech
Der bayeriſche Hauptausſchuß hat aus der Spende bere=
einige
Zuteilungen gemacht. So wurden den rechtsrheiniſch
Fürſorgeſtellen 90 000, für erholungsbedürftige Pfälzer Kins
50 000, für die rheiniſche Nothilfe (Vereinigung der Verbände 5
freien Wohltätigkeiten) 26 000 und dem Unterrichtsminiſteru
für kulturelle Zwecke 40 000 Mark gegeben. Der Reſt der 98.
tel ſteht dem pfälziſchen Ausſchuß zur Verfügung. Er ſoll, na=
dem
die Wohltätigkeitsverbände nochmals 75 000 Mark für 1.
Ausübung der öffentlichen Wohltätigkeitspflege erhalten hab=
in
der Hauptſache verwendet werden zur Fürſorge für politiſ.e
Gefangene und ihre Angehörigen, die ausgewieſenen und b.
wundeten ſowie für die durch die Abwehr des Separatiſtenar=
ſtandes
zu Schaden gekommenen Perſonen.
Ein Attentat auf Dr. Seipel.
Der Bundeskanzler ſchwer verletzt.
Wien, 1. Juni. (Wolff.) Auf den Bundeskanzler B
Seipel wurde heute abend auf dem Wiener Südbahnhof y.
einem Paſſagier desſelben Zuges, in dem der Bundeskanzler g
reiſt war, ein Attentat verübt. Dr. Seipel wurde durch ein
Lungenſchuß ſchwer verletzt. Der Täter verletzte ſich bei ſeim
Verhaftung ſelbſt durch einen Schuß ſchwer. Er iſt noch ni=
vernehmungsfähig
.
Beneſch in Wien.
Wien, 1. Juni. Der tſchechoſlowakiſche Miniſter d
Aeußern Beneſch traf heute früh auf der Rückreiſe von Ju=
lien
nach Prag in Wien ein. Um 10 Uhr begab ſich Bene
in Begleitung des tſchechoſlowakiſchen Geſandten Dr. Kroſta
das Bundeskanzleramt, wo er mit Seipel und in Gegenwc.
des Miniſters des Aeußern, Grünberger, eine längere in
terredung hatte. In dieſer Unterredung wurden die augenblä
liche politiſche Lage und die von Beneſch mit Italien abgeſchlu
ſenen Verträge beſprochen. Einen weiteren Gegenſtand bilds)
die unmittelbar bevorſtehende Tagung des Völkerbundsrats
Genſ, in der bekanntlich Beneſch als Vorſitzender des Völls)
bundrates fungiert, und wo die öſterreichiſche Frage einen wie
tigen Beſtand der Verhandlungen bildet. Die Abreiſe Beneſc
erfolgte in den erſten Nachmittags ſtunden.
Auswanderungskonferenz in Rom.
Rom, 1. Juni. (Wolff.) Geſtern abend gab Muſſolini zu Ehr=
der
Delegierten der Auswanderungskonferenz ein Bankett.
dem die Miniſter, das diplomatiſche Korps und alle Delegiert=
der
Konferenz teilnahmen. An der Konferenz und dem Banke
nahm auch der Delegierte Danzigs teil. Muſſolini dankte in eim
Anſprache den Delegierten für den von ihnen bewiefenen gut=
Willen und ſprach die Hoffnung aus, daß die glücklichen
niſſe der erſten Auswanderungskonferenz feſte Verträge übl!
Einwanderungsfrage unter den auf der Konferenz vertreteng
Staaten zur Folge haben werden. Die Konferenz habe den fher,
den Regierungen einen Beweis für das große Intereſſe gegebe=
das
Italien der Organiſation und dem Schutz der großen menſc.
lichen Wanderbewegungen entgegenbringe. Die wichtigen vo
der erſten Konferenz angenommenen Prinzipien würden baldi!
Abſchlüſſe von Verträgen über die Einwanderungsziffer ermö
lichen, die jeder Staat im Intereſſe des Fortſchritts und des Fra)
dens aufnehmen könne. Muſſolini ſchloß mit einer Huldigur9
für die Herrſcher und Staatschefs der vertretenen Staaten ur
den beſten Wünſchen für das Wohlergehen ihrer Länder. DW
engliſche Delegierte, Lord Ullſwater, betonte die Bedeutung u
den Wert der Konferenz und hob hervor, daß man mittels d.
Regelung der Einwanderung den Wohlſtand der Staaten we.
derherſtellen könne, die unter dem Kriege gelitten haben. E
ſchloß mit den wärmſten Wünſchen für Italien, den Kön
Ruſſolini und alle Konferenzteilnehmer. Beide Anſprachen wu
den mit lebhaftem Beifall begrüßt.

zwei verfügten, ſo können wir aus der Ueberfülle nur da
Weſentlichſte herausgreifen.
Man ſtelle ſich vor einen Farbenrauſch von rot, grün, blau
gelb, glitzernde Seide, die ſchlanke Frauenkörper umhüllt, Wiens
Walzerklänge und ein prickelndes Fluidum, das ſich von del
Bühne auf die Zuſchauer ergießt. Dann verzehnfache man de
Eindruck ſeiner Phantaſie und man wird ein ungefähres Bil.
des Gebotenen erhalten. Man darf ohne Uebertreibung ſager
ſo viel hübſche Frauen waren noch nicht auf einer Bühne zu gle
cher Zeit zu ſehen.
Frau Revue (Finni Weiß) läßt ihre Waffen aufmarſchie
ren: das Chanſon, das hiſtoriſche Koſtüm, das Modekleid, din
nackte Keuſchheit oder keuſche Nacktheit, wie man es nehmen wil.
den Spitzentanz (Lilian Harvey) und zuletzt die alle bezeis
bernde entzückende Pia von Moosburg als Schlagerlied.
Aus der Liebesſchatulle entſteigen traumhaſt die Erinne
rungen an den Liebesweg eines Junggeſellen von der erſter
Liebe über das Studentenliebchen zur brennenden Leider
ſchaft über alle Zwiſchenſtufen bis zum reichen Verhältnis, das
wieder Pia von Moosburg im Wiener Charme verkörpert.
Lulu Gregor gibt mit ſeinen fünf Kentucky=Serenaders
modern=vornehme amerikaniſche Muſik, echt engliſche Dolly=Girls)
ſingen von der lore in the morning und der love in thel
night‟.
R
Der Höhepunkt des Abends iſt aber ohne Zweiſel das Bile
Wien 1883. Ilona Kavolewna tanzt den Wiener Walzes)
mit ruſſiſchem Temperament, Lilian Harvey und Lila Fio=
rina
graziöfen Mazurka. Und dann erſcheint unter brauſenden!
Jubel die Kapelle der letzten Hoch= und Deutſchmeiſter
mit dem Regimentstambour Auguſt Wilhelm Jurek, den
Komponiften des Deutſchmeiſter=Regimentsmarſches, und Ferd=
Ritſchel. Drei= vier=, fünf=, ſechs= und noch mehr mal müſſels!
ſie den alten Militärmarſch wiederholen, das ganze Haus lebé!
begeiſtert im gleichen Rhythmus, der Beifall und der Jubel wol=
len
kein Ende nehmen. Zweckmäßig wäre dieſe Programm=
nummer
an den Schluß des Abends zu ſtellen. Bald aber hätten
wir den unentwegten Schuſterjungen zu erwähnen vergeſſel=
Lilly Welli ein reizender Bengel, der der ganzen Nummer
erſt den richtigen Schmiß gibt.
Zum Schluſſe erleben wir einen wirklich erfolgreichen
Theatertrick Pia von Moosburg teilt gratis Küſſe im Zu=
ſchauerraum
notabene nur an unverheiratete Männer aus.
Am erſten Abend war das Angebot noch ſtärker als die Nachfrage=
Wir fürchten aber, wenn ſich die Sache erſt einmal herume
geſprochen hat, wird der Andrang ſo ſtark werden, daß rgtio=
niert
werden muß.
Man komme daher, ſo lange die Chancen noch günftig ſind.
Im übrigen lohnt es ſich ſchon, dieſer mit unerhörter Pracht aus=
geſtatteten
Revue zuliebe nach Frankfurt zu kommen. Etwas)
ähnliches war ſeither kaum auf einer deutſchen Varietébühne zu
ſehen, und es dürfte fraglich ſein, ob es in Deutſchland noch eind
Unternehmen gibt, das die ungeheueren Koſten wagt, wie es hien
geſchehen iſt.
W. C.

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lich
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[ ][  ][ ]

Rummer 153.
*Die deutſch=italieniſchen
Handelsbeziehungen.
Die Bilanz von 1923. Die italieniſche Induſtrie im Jahre
1924. Der neue Kurs in Italien und die wirtſchaftliche Ent=
wicklung
. Italiens Drängen zum Weltmarkt.
Von unſerem römiſchen Korreſpondenten.
Rom 24. Mai.
Die deutſch=italieniſchem Wirtſchaftsbeziehungen haben vor
dem Kriege auf die Handelsbilanz beider Länder einen bedeu=
tenden
Einfluß ausgeübt. Deutſchland war der beſte Kunde
Italiens. Seit 1918 iſt dann wieder eine ſtarke Annäherung er=
folgt
, nicht zum wenigſtens deshalb, weil das gegenſeitige Ver=
hältnis
am wenigſten durch negative Gefühlseinſtellung belaſtet
war, ſodaß im Jahre 1922 von Deutſchland aus Italien, dem
Wert nach, knapp weniger Waren bezogen wurden als von Eng=
land
. Aber ſchon ein Blick in die Bilanz von 1923 ergibt, daß
Deutſchland als Importeur erſt an 5. Stelle hinter Frankreich,
der Schweiz, England und den Vereinigten Staaten erſcheint.
Betrug die italieniſche Ausfuhr nach Deutſchland 1913 343 Mill.
Lire, nach England 260 Mill., nach Frankreich 231 Mill. Lire,
ſo iſt 1923 Frankreich mit 1601 Mill. Lire Hauptabnehmer italie=
niſcher
Waren, es folgt England mit 1200 Mill. und Deutſchland
mit nur 692 Mill. Lire, alſo faſt dem halben Wert der nach Eng=
land
eingeführten Erzeugniſſe. Der raſende Verfall der deut=
ſchen
Währung im Jahre 1923 erklärt genügend dieſe Zahlen,
die aus einer Zeit ſtammen, wo die Möglichkeit, Waren aus
fremden Ländern zu beziehen, faſt mit jedem Tage geringer
wurde. Das Wort Inflation wird uns in ſeiner ſurcßtbaren
wirtſchaftlichen Bedeutung jetzt erſt vollkommen be sußt.
Aus der rückwärtigen Perſpektive betrachtet, reden dieſe
ſtatiſtiſchen Ergebniſſe eine eindringliche Sprache. Wurde im
Jahre 1922 z. B. noch für rund 466 Mill. Lire Seide und Kokons
eingeführt, ſo betrug der Wert dieſes Importartikels 1923 nur
noch 233 Mill. Lire. Der Bezug von Kupfer und deſſen Legie=
rungen
ſchnellte von 16 auf 4½ Miill. zurück. (Dabei iſt noch
die Wertverminderung der Lira zu berückſichtigen.) Dieſem
Rückgang der für die hochentwickelte deutſche Induſtrie eminent
wichtigen Rohſtoffe, ſteht kraß die anormale Steigerung der
Traubeneinfuhr gegenüber, die 1922 zirka 12 Mill. Lire aus=
machte
und im nächſten Jahr auf 34 Mill. Lire ſtieg, ſich alſo
beinahe verdreifachte. Die Maßnahmen, der deutſchen Regie=
rung
, die Einfuhr von Genußartikeln zumindeſt ſtark zu kontin=
gentieren
, wird nach dieſen Zahlen vollauf verſtändlich. Mag es
bſychologiſch zwar begreiflich ſein, daß ein Volk, das Jahre hin=
durch
alle Entbehrungen ertragen mußte, lang entbehrte Genüſſs
ſich verſchaffte, ohne im Augenblick an Handels= und Zahlungs=
bilanz
zu denken, ſo wird doch harte Notwendigkeit zwingender
ſein als menſchliche Erwägungen.
Allgemein hat ſich alſo die italieniſche Ausfuhr ſowohl der
Menge wie dem Wert nach erheblich verringert.
Intereſſant iſt demgegenüber auch ein Vergleich des Ex=
ports
aus der Vorkriegszeit mit dem Jahre 1923. 1913 impor=
jerte
Italien aus Deutſchland für 612 Mill. Lire aus England
für 591 Mill., aus Frankreich für 283 Mill. Lire. Im Jahre 1923
dagegen ſteht unter den Exporteuren England mit 2189 Mill.
Lire an der Spitze, es folgt Frankreich mit 1322 Mill. Lire und
Deutſchland mit nur 1299 Mill. Lire. Offenſichtlich hat der
Imiport aus Deutſchland in den Jahren 1922 und 1923 die
ſtalieniſche Handelsbilanz ungünſtig beeinflußt. Während die=
ſet
1922 mit 1246 Mill. Lire im Geſamtwert zu veranſchlagen
iſt, ſtieg er 1923 auf 1299 Mill. Like. (In dieſer Summe iſt aber
der Wext des Kohlenimports auf Reparationskonto für 1922 mit
zirka 2½ Mill. To. und 1923 mit 1½ Mill. To. enthalten.) Aller=
ſings
muß berückſichtigt werden, daß die italieniſche Handels=
blanz
Deutſchland gegenüber, ſtets pafſiv war. Die Einfuhr
nach Italien iſt faſt für ſämtliche wichtige Artikel im allgemeinen
im vergangenem Jahre zurückgegangen, ſo für chemiſche Pro=
dukte
. Maſchinen, Apparate und Eiſen aller Art. Geſtiegen iſt
der Wert von vielen kleinen Exportartikeln, von wiſſenſchaft=
lichen
Inſtrumenten (40 Mill. auf 68 Mill. Lire), keramiſchen
Paren (20 auf 26 Mill. Lire), Wolle und Abfälle (17 auf 28
Nill. Lire).
Das ſtatiſtiſche Geſamtergebnis für 1923 iſt jedoch kein ſub=
iler
Gradmeſſer für die deutſch=italieniſchen Handelsbeziehun=
gen
. Mailänder Großkaufleute klagten noch Anfang März mir
gegenüber über die vollkommene Stagnation der wirtſchaftlichen
Beziehungen. Daß die deutſchen Waren erheblich über Welt=
narktpreis
lagen bezw. noch heute liegen, iſt eine in Deutſchland
zu genügend bekannte Tatſache, um ſie noch zu kommentieren.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 2. Inni 1924.

Seite 3.

Nach einer Statiſtik der Mailänder Handelskammer wurden
in den erſten zwei Monaten des laufenden Jahres 1202 Kon=
lurſe
eröffnet. Die Zahl der im Februar 1924 erfolgten Ge=
ſchäftsliquidationen
iſt die höchſte ſeit 10 Jahren. (In der un=
mittelbaren
Vorkriegszeit hatte ſie allerdings ungefähr die gleiche
höhe erreicht.) Wie weit dabei die Konſolidierung der deutſchen
Vährung eingewirkt hat, läßt ſich nur vermuten. Noch Anfang

Mai wird nach der Ribiſta di Politieg Geeonomiea die Lage
der Induſtrie als wenig verändert bezeichnet: die Baumwoll=
und Wollinduſtrie iſt mäßig aktiv, als unſicher gilt die Seiden=
induſtrie
wegen der Schwierigkeit der Aufnahme ihrer Produkte
auf den Weltmarkt. Stark beſchäftigt iſt die Wirkinduſtrie, in
ſtändigem Steigen befindet ſich die Produktion der Kunſtſeide.
Aber alle Hemmungen, die ſich der Entwicklung der In=
duſtrie
entgegenſtemmen, ſucht Italien mit erſtaunlicher Energie
zu überwinden. Wir wollen nicht mehr das Volk der Antiqui=
tätenhändler
ſein! Dieſer Ausſpruch Muſſolinis nach ſeinem
bedeutenden Wahlerfolge, in einer Rede an das Popolo di
Roma auf der Piazza Colonna iſt mehr als eine rhetoriſche
Arabeske, ſondern bedeutet für Italien ein Programm.
Die günſtige politiſche Lage im Innern, wie auch in den
internationalen Beziehungen nach der Uebernahme der Staats=
geſchäfte
, welche ſich einerſeits in der internationalen Stellung
Italiens unter den Großmächten, andererſeits in der Wieder=
herſtellung
der Ordnung und in der Sanierung des Budgets
deutlich zeigt, beeinflußt natürlich auch die wirtſchaftliche Ent=
wicklung
des Landes.
Italien befindet ſich in einem Zuſtand fortſchreitenden, or=
ganiſchen
Wachstums. Das hat die Mailänder Meſſe als Wirt=
ſchaftsbarometer
deutlich gezeigt. Die Ausdehnung des Kom=
plexes
von Ausſtattungsobjekten hat von Jahr zu Jahr zuge=
nommen
, und Mailand iſt zum beliebten Treffpunkt der inter=
nationalen
Handelsivelt geworden. Die progreſſive Entwicklung
wird da durch den Werr der Abſchlüſſe gekennzeichnet, der im
Jahre 1921 393 Mill. Lire betrug, während 1923 die anſehnliche
Summe von 742 Mill. Lire erreicht wurde.
Nach der Mailänder Meſſe lockt die Muſtermeſſe von Padua,
die im Juni ſtattfindet. Die vielen Fremden, die Italien be=
ſuchen
, können auf ihren Erholungsreiſen ſich gleichzeitig von
der Lebenskraft des italieniſchen Volkes überzeugen und Ge=
ſchäſte
abſchließen. Die Möglichkeit, mühelos Rützliches mit An=
genehmem
zu verbinden, iſt eine Kombination, die Italien vor
anderen Ländern voraus hat. Als Deutſcher hier iſt man
manchmal überraſcht von der Zähigkeit, mit der die italieniſche
Wirtſchaft zum Weltmarkt drängt. Die Regierung unterſtützt
nachdrücklichſt in großzügiger Weiſe dieſe Beſtrebungen. Der
Wirtſchaftsminiſter Corbino hat anläßlich der Einweihung des
neuen Gebäudes der Societä Generale di Elettricitä Ediſon
am 29. März vor einem aus zahlreichen Großinduſtriellen be=
ſtehenden
Publikum eine Rede gehalten, in der er wichtige
Dekrete der Regierung ankündigte. Unter anderem ſollen im
Etat des Wirtſchaftsminiſteriums jährlich 2 Mill. Lire bereit=
geſtellt
werden, die der Förderung und Unterſtützung von Unter=
nehmungen
zukommen, die dem wiſſenſchaftlichen und techniſchen
Fortſchritt dienen Laboratorien können ſtaatliche Zuſchüſſe er=
halten
. Dieſer Protektionismus zeigt deutlich, daß Italien ge=
willt
iſt, dem politiſchen Einfluß auch die wirtſchaftliche Macht
zur Seite zu ſtellen. Von dieſem Gedanken iſt auch die Handels=
politik
beherrſcht. Nachdem 1922 mit Frankreich ein Handels=
ablommen
geſchloſſen wurde, ſicherte man ſich die Meiſtbegün=
ſtigung
im Laufe des Jahres 1923 mit der Schweiz, Oeſterreich
und Spanien, ſowie Anfang 1924 mit der Tſchechoſlowakei. Die
Bedeutung des italieniſch=ruſſiſchen Handelsvertrages läßt ſich
vorläufig nur abſchätzen. Mit Polen iſt ein äußerſt günſtiges
Tabakabkommen getroffen worden.
Das Tempo erſcheint faſt zu hitzig, mit dem man die inter=
nationale
Geltung erzwingen will. Deutſchland iſt ja durch den
Verſailler Vertrag vor 1925 nicht in der Lage, im Rahmen ge=
genſeitiger
Meiſtbegünſtigung mit Italien einen Handelsvertrag
abzuſchließen. Die Vorarbeiten ſind auf italieniſcher Seite ſchon
im Gange. Man möchte ſchon viel lieber mit Deutſchland in
einen engeren Wirtſchaftskonner kommen als mit Frankreich,
dem man hier ziemlich kühl und ablehnend gegenüberfteht und
deſſen allzu große Macht als unbequem empfunden wird. Ab=
geſehen
von der rein gefühlsmäßigen Einſtellung kann man auf
die deutſchen Qualitätswaren auf die Dauer ſchlecht verzichten.
Die italieniſchen Kreiſe haben weites Verſtändnis für die
ſchwierige wirtſchaftliche Lage Deutſchlands, aber bei aller Be=
reitſchaft
ſtellt ſich Italien nicht einſeitig ein. Es hat immer
mehrere Eiſen im Feuer. Ob der italieniſche Wirtſchafts= Expan=
ſionsdrang
einen Rückſchlag erfährt, läßt ſich nicht prophezeien.
Augenblicklich beherrſcht die kluge Zielſicherheit Muſſolinis auch
weite Kreiſe des Volkes.
Aus dem Italien des dolce far niente, der Ruinenſtätten
und des bel eanto iſt ein Staat geworden, dem ſo etwas wie
die Macht des Imperium Romanum vorſchwebt.
Das ſollte man jenſeits der Alpen bedenken.

Die ruſſiſch=japaniſchen Verbandlungen.
London, 31. Mai. Die Verhandlungen zwiſchen Rußland
und Japan, die in Peking ſtattfinden, ſind wahrſcheinlich ergeb=
nislos
verlaufen. Ob überhapt ein Ergebnis zuſtandekommen
wird, hängt, wie die Times melden, in erſter Linie davon ab,
wie die engliſch=ruſſiſche Konferenz verläuft. Verläuft ſie er=
gebnislos
, ſo iſt damit zu rechnen, daß auch die belgiſche Kon=
ferenz
ergebnislos auseinandergehen werde.
G

Wie ſie uns ausſaugen.
Die Koſten der Kaſernenbauten im beſetzten
Gebiet
Die Geſamtkoſten der zurzeit in Bau begriffenen angefor=
derten
Bauten betragen nach amtlicher deutſcher Feſtſtellung
62 291 312 Goldmark!
Als Beiſpiele (nur Anforderungen von 500 000 Goldmark
und darüber) ſeien angeführt:
1. Merzbrück: Einrichtung eines Flugplatzes 2250 000 Gm.
2. Geilenkirchen: Neubau eines Lagers
für ein Infanterie=Bataillon . . . . . . 1100000
3. Iſſum: Erweiterung des Truppenlagers,
Neubau von 24 Baracken . . . . . . . . 1500 000
4. Hochemmerich: Neubau eines Lagers
für ein Infanterie=Bataillon . . . . . . 2 200 000
5. Mörs: Neubau und Erweiterung eines
Truppenlagers . . .... . 3 350 000
6. Homberg: Desgl. wie vor . . 2 400 000
7. Bonn: Neubau eines Lagers für ein Inf.=
Bataillon . .... . . . . . . . 560 000
8. Vilich b. Beuel: Neubau und Erweite=
rung
eines Truppenlagers für ein Tankregt. 840 000
9. Bonn: Neubau von Kaſernen für eine
Gruppe ſchwere Artillerie .. . . . . . 602000
10. Euskirchen: Neubau eines maſſiven
Barackenlagers . . . . . . . . . . . . 575 000
11. Euskirchen: Erweiterung der Truppen=
unterkunft
.
.. . . . 508 025 7
12. Landſtuhl: Neubau eines Mun.=Depots
(140 Munitions=Baracken) ....
13. Ludwigshafen: Errichtung eines
Schießſtand. einſchl. Grunderwerb (60 000 qm) 570 000
14. Kreuznach: Neubau einer Kaſerne für
eine Automobil=Kompagnie
15. Lachen=Speherdarf: Ausbau des
Flugplatzes für ein Flieger=Regiment . . . 2 445 500
16. Auenheim: Neubau von 6 Offiziers= und
8 Unteroffiziers=Wohnungen . . . .
17. Neumühl: Neubau von 6 Offiziers= und
8 Unteroffiziers=Wohnungen
503 000
.. .
18. Sundheim (Brückenkopf): Neubau von
6 Offiziers= und 8 Unteroffiziers=Wohnungen 503 000
19. Linx: Neubau einer Kaſerne . . . . 540 000
20. Goldſcheuer=Marlen: Desgleichen . 540 000
21. Gonſenheim: Autopark Kleiner Sand . 5 700 000
22. Mainz: Errichtung von Stallungen und
Nebengebäuden
2000 000
23. Wackernheim: Kaſernenerweiterungs=
bauten
auf dem Flugplatz . . .
2 326 439
24. Wengerohr: Errichtung eines Munit.=
Depots von 8500 qm Fläche.
2000 000
25. Trier: Errichtung von Lagergebäuden auf
dem Gelände der Polygonſchulen in Euren=
Zewen bei Trier .. .

521 000
26. Trier: Errichtung eines Lebensmittel=
lagers
ebenda . . . . ..
900 000
27. Biebrich: Neu=, Um= und Ergänzungs=
bauten
aus Anlaß der Neugruppierung des
Artillerieregiments in der Garniſon Biebrich 1167000
Obige Zuſammenſtellung betraf die tatſächlich im Bau
begriffenen, von den Franzoſen angeforderten und von der deut=
ſchen
Regierung vertragsgemäß in Ausführung genommenen
militäriſchen Bauten im altbeſetzten Gebiet. Darüber hin=
aus
haben die Franzoſen im Sanktions= und Ruhr=
gebiet
folgende vertraglich nicht berechtigte und deshalb auch
nicht ausgeführte Anforderungen geſtellt:
Bochum: Eine Artillerie=Kaſerne;
Düſſeldorf: Bau eines Umſchlagſchuppens, einer Artillerie=
Kaſerne;
Dortmund: 1 Artillerie=Kaſerne, 1 Polizei=Präſidium,
2 Ställe für je 70 Pferde, 1 Wagenſchuppen;
Eſſen: Unterbringung von 980 Familien (3000 auszuſtattende
Wohnungen uſw.), Errichtung von Verkaufsläden, Meſſen,
Kaſinos, Ställen für 1150 Pferde;
Mettmann: 82 Wohnungen zu 1 bis 7 Zimmern, insgeſamt
312 Zimmer, darunter mehrere Villen, alles mit vollſtändiger
Wohnungseinrichtung, ein komfortabel eingerichtetes Offiziers=
kaſino
, 1 Unteroffizierskaſino, 1 Lazarett, 1 Stall für 130
Pferde, Wagenſchuppen, Küchen und Ladenlokale, Beklei=
dungskammer
und Depots, 1 Sportplatz.
Lennep: Eine Kaſerne für 250 Mann.
Wülfrath: Eine Kaſerne für ein Infanterie=Regiment;
Recklinghauſen: Eine Kaſerne für ein Artillerie=Regiment.
Und das nennt ſich nun Unſichtbarmachung der Beſatzung!

800 000 * 2279 000 504000

*Otto Erich Hartſeben.
Zum 60. Geburtstage am 3. Juni.

Von Hans Benzmann.
ige Vorſtellung von dieſem Dichter. Bei dem Namen O. E.
hartleben mag dieſem und jenem der Urtypus des ewigen Stu=
denten
vorſchweben. Er mag dann an ſo viele fidele Geſchichten
denken, die ja auch in der Tat Weſenszüge des humorvollen und
ſchalkhaften Dichters zum Ausdruck bringen, wie Die Geſchichte
tomödien und Satiren wie Henrik Ipſe, Der Froſch Die von Goetheſcher Friſche und Zartheit. Liebeserlebniſſe zumeiſt.
ſtliche Forderung, uſw. In der Tat, das Trauerſpiel und die Aber der ſo fröhliche Dichter hat mehr die ernſten als die heite=
Angele‟. Ein wahrhaft guter Menſch, Hanna Jagert ſind
ſonnödien. Nur einmal iſt ihm eine moderne Tragödie, Roſen=
ſontag
, eine Offiziers=Tragödie, gelungen. Das Stück ging
linerzeit mit Erfolg über die namhafteſten Bühnen Deutſch=
ſunds
. Ueberblickt man aber das geſamte Lebenswerk des allzu
ſüh am 11. Februar 1905 in Salo in Italien dahingegan=
znen
Dichters, ſo wird man zwiſchen ſeinen Werken in den ver= ſteht er mit folgenden Gedichten vor uns:
ſhie denen Stadien ſeines Lebens und Schaffens immer wieder
Lichtungen und Veröffentlichungen finden, die auf einen im
hrunde tief ernſt gerichteten Menſchen und Dichter, auf einen
ſün ſtler und Kunſtgenießer von feinſtem Geſchmack ſchließen
lſſen. Hartleben verdanken wir die erleſenſte Auswahl= Samm=
ung
in chronologiſcher Anordnung der Gedichte Goethes,
a. das feine Logaubüchlein, den zarten, grotesken Pierrot
linaire des Albert Giraud. Feinſte ſeeliſche Kultur war auch
us Intimſte und Eigentlichſte dieſes zwieſpältigen Dichterlebens,
ud mögen einige Schnurren und luſtige Geſchichten von Hart=
beri
immer wieder gern geleſen werden die Geſtalten ſeiner
ehauſpiele verblaſſen allmählich und werden ſchemenhaft wie die
ſtgar Strindbergs , ſo werden jene Veröffentlichungen, die
ſeine tiefſte Lebensſtimmung künden, immer wieder für ſeine
ſietliche Art ſprechen. Und ſo auch ſeine wenig bekannten, aber
ſelemvollen und vornehmen eigenen Gedichte. Sie führten
ſich einſt zu ihm.
Wender Gärten mit ihn und ſeiner Gattin verlebt habe. Ge=

ſpräche von Seele zu Seele, in heiterer Ruhe, über Menſchen
und Dichter, wie man ſie damals in den 90er Jahren ohne
politiſche Aengſte fühken konnte. Er ſandte mir dann ſpäter aus
Salo ſein ſchönſtes und tiefſtes Bekenntnisbuch, der Verſe zwei=
ter
Teil. Von reifen Früchten mit einem fröhlichen Gruß in
Man hat im allgemeinen im Volke eine nicht ganz rich= ſeiner ideglſchönen, ſauberen Handſchrift, die kennzeichnend iſt
für ſein beſtes Weſen. Unterdeſſen ſind ja bei S. Fiſcher=Berlin
ſeine geſamten Gedichte unter dem Titel Meine Verſe (1905)
längſt erſchienen.
Hartlebens Gedichte ſind meines Erachtens das wertvollſte,
was der Dichter hinterlaſſen hat. Schon das erſte Bändchen,
vom abgeriſſenen Knopfe, Vom gaſtfreien Paſtor, oder an ebenfalls bereits Meine Verſe genannt (1895), enthält Gedichte
nagiſche Geberde lagen dieſem Dichter eigentlich nicht. Auch ſeine ren Stimmungen der Liebe beſungen. Ja, es iſt, als zittere
m bekannteſten gewordenen dramatiſchen Dichtungen wie Kampf, Schuld, Reue, Scham in dieſen Gedichten eines Lieben=
den
, der vielen als ein Freibeuter gegolten haben mag. Die un=
ſchuldige
Liebe kämpft mit der ſündigen, die Erinnerungen an
die Jugend miſchen ſich mit den Enttäuſchungen, die eine ſpätere
Zeit beſcherte. Aber mögen wir den ſchalkhaften Anakreontiker,
der doch ganz gewiß auch ein Teil des Weſens dieſes Dichters
war, zunächſt nicht ganz vergeſſen. Ganz urlebendig und friſch
Ich ſah dich, Freund.
Ich ſah dich, Freund, durchs hohe Saatfeld ſchreiten,
Du gingſt allein, dein Haupt nur überragte
Die Aehren, die das Abendrot vergoldet.
Doch beugteſt du von Zeit zu Zeit dich nieder,
Und immer wieder warſt du ganz verſchwunden.
Nun ſage mir: was ſuchteſt du im Felde?
Mein Freund, die hohe Saat hat dich betrogen."
Ich war allein mit einem kleinen Mädchen.
Zu ihrem Munde beugt ich mich hernieder
Und ſuchte dort und fand gar ſüße Früchte,
Indes die goldnen Aehren uns verhüllten.
Wie Lilieneron liebt es auch Hartleben, große innerliche
Liebesſtimmungen in der Form der Terzine in der Stimmung
einer Viſion zu geben. Wie eine echte Ballade wirkt z. B. das
erſchütternd grauſige Gedicht von einer Kindesmörderin Wie=
Wie ich ihn nun ſelbſt kannte? In ſeinen ſpäteren und letz= der im Mond. Man erkennt den vergnügten Erzähler in ſo
Jahren: als einen ſtillen, nachdenklichen Menſchen. Ich er= ernſten tragiſchen Dichtungen kaum wieder. Auch der etwas
hnere mich ſtimmungstiefer Sommerabende, die ich inmitten ſpröden, doch in ihrer romanzenhaften Wirkung künſtleriſch apar=
ten
Bibliſchen Gedichten ſei heute gedacht, um das ſo aft ber=

kannte Weſen eines geiſtigen Menſchen zu kennzeichnen. Viele
Gedichte ſchon dieſes erſten Buches legen Zeugnis ab von dem
zarteſten, perſönlichen Empfinden einer faſt melancholiſchen und
reſignierenden Stimmung, von einet ſtets wachſamen und ſtets
wachſenden Selbſterkenntnis. Ganz aus einer beſchaulichen und
ruhigen Lebensſtimmung, aus reifer Welterkenntnis heraus ſind
die Gedichte der letzten Jahre entſtanden. Es mag hierbei er=
wähnt
werden, daß ein ſo reiner geiſtiger Menſch wie Chriſtian
Morgenſtern eine beſondere Sympathie für den Hartleben dieſes
Weſens hegte. Zwar miſcht ſich in den tapferen und hellen Ton
menſchlicher Siegeszuverſicht, der in dieſen Gedichten vorwaltet,
oft der dunkle der Schwermut, doch die Grundſtimmung iſt die
gelaſſene des Menſchen, der ſich ſelbſt und das Leben überwun=
den
hat. Faſt an die beſeelte Art der Lyrik Dantes und anderer
italieniſcher Dichter des Mittelalters wird man bei dieſen von
Stimmung und Gefühl getragenen Weiſen, bei dieſen immer be=
ziehungsvollen
und auf Klang= und Bildwirkung ſtets ſorgfältig
gewählten Worten und Wortgebilden erinnert:
Epiſtel.
Des Meeres Gang iſt höher heut und lauter auch!
Wohl dem, der hinter Wällen ſeines Lebens Arbeit fand
und ſicher ſteht, gefeſtet auf ererbtem Grund.
Durch reichen Boden, den das Meer vordem genährt,
auf ſeinem Boden ſchreitet er und lenkt den Pflug
in grader Bahn und wendet ihn getroſt zum Ziel.
Dann raſtet er und läßt die Blicke ſchweifen rings
und ſieht um ſich in Ruhe wachſen ſeiner Hände Werk,
Nur manchmal horcht er wohl hinüber nach dem weiten Meer,
wann’s einmal ungeſtümer donnert an den feſten Damm,
und denkt des Freundes der auf wilder Fluten Spiel
ſein Los erkor und ſeines Willens Güter fand. . . .
Des Meeres Gang iſt höher heut und ſtolzer auch!
Ebenmaß der Form, tiefe Empfindung, ein lauteres und
reiches Gefühl für das Weſen alles Menſchlichen, für die Unvoll=
kommenheit
alles Seins, aber auch für den großen naturhaften
Gang der Entwicklungen und Entfaltungen des Lebens, alles
dies klingt in den letzten Gedichten aus perſönlichſter und rein=
ſter
Syntheſe zuſammen. Wie ſo oft bei Hartleben werden wir
bei dieſen Verſen an Goethe, an den alternden Goethe erinnert.
Daß er mir dieſe ernſten Verſe, die recht eigentlich ſeine eigen=
ſten
ſind, mit einem fröhlichen Gruße ſandte, war bedeut=
ſam
gemeint und iſt charakteriſtiſch für den fröhlich=ernſten Dichter.

[ ][  ][ ]

Geite. X..

Darmſtädter Zagblatt, Montag, ben 9. Junt 1924.

Mummmt H53.

Aus der Landeshauptſiadt.
Darmſtadt, 2. Juni.
Sonaten=Abend Andreaffon=Verſter. Es ſei hiermit nochmals
auf den Sonaten=Abend Andreaſſon=Verſter am Montag, den 2. Juni,
abends 8 Uhr, im Saale der Städt. Akademie für Tonkunſt aufmerkſam
gemacht. Die beiden Künſtler werden die Violinſonaten A=Moll von
Beethoven, D=Moll von Brahms und A=Dur von Ceſar Frank zu
Gehör bringen. Karten zu 2 und 1 Mark bei Konzert=Arnold und
abends an der Kaſſe.
Orpheum. Heute Montag, 2. Juni, verabſchieden ſich in
der Operette Radiomädel Marga Peter, Guſtav Ber=
tram
, ſowie Adolf Jordan, der die ganze Spielzeit hin=
durch
faſt allabendlich die Regie führte und verſchiedene Neu=
heiten
wirkſam einſtudiert hat, endlich das ganze Enſemble nach
ſiebenmonatlicher Spielzeit. Während der Sommermonate wird
im Orpheum nicht täglich geſpielt, dagegen finden an den Sams=
tagen
und Sonntagen allwöchentlich Theater=Gaſtſpiele ſtatt.
Heſſiſches Landestheater Wie wir erfahren, ſcheidet nunmehr auch
Herr Walter Reymer mit Ablauf dieſer Spielzeit aus dem Ver=
band
des Landestheaters aus. Er iſt an das Schauſpielhaus in Leipzig
engagiert worden. Auch das Scheiden dieſes begabten Künſtlers wird
eine Lücke hinterlaſſen.
Stadtkapelle. Während der Sommermonate Juni, Juli und
Auguſt finden in der Stadtkapelle früh um 8 Uhr Frühgottesdienſte
ſtatt. Dieſe Neueinrichtung wird gewiß von vielen Gemeindegliedern
dankbar begrüßt werden. Die Predigten werden abwechſelnd von ver=
ſchiedenen
Geiſtlichen der Stadt gehalten.
Dem Bericht über die Tätigkeit der Landwirtſchaftskammer
(LWKammer) für Heffen im Wirtſchaftsjahr 1923 (1. April 1923 bis
31. März 1924) entnehmen wir: Die verwickelte und durchaus unüber=
ſichtliche
Steuergeſetzgebung bedarf dringend der Vereinfachung nach
leicht erkennbaren Merkmalen. Vom Steuerpflichtigen darf keine ſelbſt=
ſtändige
Berechnung der Steuern verlangt werden, vielmehr ſind dieſe
anzufordern, was bei einer Vereinfachung der Steuern nicht nur ohne
Vermehrung der Finanzbeamten möglich iſt, ſondern ſogar einen Ab=
bau
im Finanzbeamtenweſen erlaubr. Bei der dringend
nötigen und vom Reichskanzler angekündigten Neuordnung der Steuern
muß den Ländern und Gemeinden wieder die ſteuerliche
Selbſtändigkeit zurückgegeben werden. Vor Feſtſetzung von Richtzahlen
für Umſatz= und Einkommenbeſteuerung iſt die LWKammer zu hören,
ebenſo bei der Bemeſſung der vierteljährlichen Umſatzſteuerabſchlags=
zahlung
. Bei Pauſchalierung der Jahresſteuer (Umſatz und Einkom=
men
) iſt von der früheren Annahme abzugehen, daß am Jahresſchluß
ſämtliche Vorräte verkauft ſeien, weil ſich in dieſem Jahr gezeigt hat,
daß die im Jahre 1923 verkauften Erzeugniſſe aus der Ernte 1922 dop=
pelt
verſteuert wurden. Es ſollen nur drei Fünftel der verkaufsfähigen
Vorräte als verkauft und zwei Fünftel als Vorrat am Jahresſchluß ge=
rechnet
werden. Von einer pauſchalen Beſteuerung der Sonderkulturen
durch Zuſchläge iſt gänzlich Abſtand zu nehmen. Von den Finanzkaſſen
iſt die Einzahlung auf Poſtſcheckkonto zu begünſtigen, wobei aber der
Einzahlungstag als Stichtag zu gelten hat. Andernfalls
iſt die Benützung des Poſtſcheckkontos unmöglich, weil der Umrechnungs=
fatz
nur jeweils für 3 Tage gilt und die Gutſchrift gewöhnlich erſt
mehrere Tage nach Einzahlung erfolgt. Bezüglich der Steuerpläne für
1924 ſteht die LWK auf folgendem Standpunkt: 1. Die Einkommen=
ſteuervorauszahlungen
für 1924 ſtellen gewiſſermaßen eine Sachnutzungs=
ſteuer
dar, die infolge der hohen Bodenbewertung gerade in Heſſen un=
erträglich
hoch ausfällt. Wiederholt muß der Vorſtand der LWK ver=

langen, daß eine allgemeine und nicht bloß im Einzelfalle ſtattfindende
Berichtigung des Wehrbeitragswertes in Heſſen vorgenommen wird. Die
Herabſetzung der Bodenbewertung iſt auch wegen der neuen Vermö=
gensſteuer
unbedingt erforderlich. Der Vermögensſteuertarif muß ganz
bedeutend gemildert werden. Eine Erhöhung der Umſatzſteuer auf 2½
Prozent iſt in keiner Weiſe für die Landwirtſchaft tragbar. Die Umſatz=
ſteuer
müßte im Gegenteil völlig befeitigt werden, da ſie in den Fäl=
len
, wo ſie nicht abgewälzt werden kann, für die Steuerpflichtigen eine
außerordentlich hohe Belaſtung darſtellt und dort, wo ſie abwälzbar iſt,
durch ihre wiederholte Erhebung für den gleichen Ge=
genſtand
außerordentlich preisverteuernd wirkt.
Die Landwirtſchaft muß die Beibehaltung des vom Kalenderjahr abwei=
chenden
Wixtſchaftsjahres unbedingt beanſprüchen. § 29,2 EStG. darf
daher nicht geſtrichen werden. Ordnungsgemäße Buchführungen ſind
nach erfolgter Anmeldung beim zuſtändigen Finanzamt auf jeden Fall
anzuerkennen und der Beſteuerung zugrundezulegen. Bei Aufſtellung
von Richtzahlen für die Veranlagung nichrbuchführender Landwirte
muß das vom 1. Juli bis 30. Juni laufende Wirtſchaftsjahr maßgebend
ſein; bei einer Goldmarkſteuer entſtehen hierdurch dem Fiskus keine
Nachteile. Außerdem iſt der ESt. wieder der dreijährige Durchſchnitts=
ertrag
zugrundezulegen, damit in ſchlechten Jahren keine zu großen
Härten entſtehen und das Steueraufkommen ſich gleichmäßiger geſtaltet.

*Konzerte.

N. Der volkstümlich=muſikaliſche Vortrag des Herrn Ober=
regierungsrat
Grospietſch in der Aula des Realgymnaſiums
war ſelten gehörten Liedern Franz Schuberts und Hugo Wolf
gewidmet. Herr Robert Hager, deſſen ſchöne Stimme und
edle Vortragskunft im Konzertſaal ſchon ſtarke Wirkungen aus=
geübt
hat, trug ausgezeichnet zwei der großzügigen, auf klaſſiſch
anempfundene Texte komponierten Schubertſchen Lieder vor, den
Entſühnten Oreſt und Die Fahrt zum Hades‟. Die Rieſen=
ballade
Der Taucher bleibt auch bei dem beſten Vortrag ein
muſikaliſches Kurioſum, das das glühende Temperament des
jungen, balladenbegeiſterten Schubert zeigt, in der Innigkeit vie=
ler
Abſchnitte und der draſtiſchen Untermalung durch das Kla=
vier
zahlreiche geniale Züge aufweiſt, als Ganzes aber nie ein=
heitlich
wirken kann, da manches Ernſtgemeinte ein Lächeln her=
vorruft
. Sehr ſchön ſang der Künſtler Hugo Wolfs Biterolf
und zeigte dann den Komponiſten als Satyriker und Humoriſten
in den köſtlichen Vertonungen von Mörickes Warnung, Ab=
ſchied
und Selbſtgeſtändnis.
Fräulein Margarete Rüſch, begabt mit einer klangvollen,
ſehr ſympathiſchen und gutgebildeten Altſtimme, ſchien anfangs
etwas befangen, wodurch der Ausdruck nicht genügend Perſön=
lichkeit
zeigte. Von Schubert trug ſie vor Sehnſucht. Der
Sieg, das wir lieber von einer Männerſtimme gehört hätten,
Gott im Frühling und An die Nachtigall‟. Hier wie in den
Hugo Wolf=Liedern gelangen ihr die getragenen Werke erheblick
beſſer im Ausdruck, als die raſcheren. Wenn die Künſtlerin im
Vortrag mehr aus ſich herausgeht, wird ſie bei ihren ausgezeich=
neten
Mitteln noch bedeutend ſtärker wirken können. Herr Gros=
pietſch
begleitete die Sänger im Ausdruck ſtark unterſtützend au
einem Flügel, den die Firma Karl Arnold in liebenswürdiger
Weiſe zur Verfügung geſtellt hatte. Der Saal war gut beſucht
und die Künſtler konnten für reichen Beifall und Blumenſpenden
danken.
F.N. Zum Beſten der Nothilfe der Lukasgemeinde fand in
der Stadtkapelle ein Konzert ſtatt, das der Organiſt
Herr Heinrich Pfaff mit der Chorſchule und unter Mit=
wirkung
von Fräulein Paula Löſch (Sopran) und Frau Marie
Pfuhl=Flöring (Violine) veranſtaltete. Die beiden größe=
ren
Orgelkompoſitionen von Sigfried Karg=Elert und Albert
Becker Jeſu meine Freude und Präludium und Fuge in
D=Moll, wirkungsvoll regiſtriert und mit techniſcher Sicherheit
vorgetragen, umrahmten die Aufführung. Die Chorſchule ſang
einige A=capella=Lieder, in denen die anerkennenswerte Stimm=
bildung
und das friſche Singen, der Knaben erfreute, und be=
währte
ſich auch beim Singen mit Orgelbegleitung als muſikaliſch
ſicher. Beſonders die beiden Choralparaphraſen mit Violine und
Orgel ſtellten recht hohe Anforderungen an die Knaben. Fräu=
lein
Paula Löſch verfügt über eine große, vollklingende
Stimme, ſingt mit gutem Ausdruck, hatte aber an einigen Stel=
len
mit Intonationsſchwierigkeiten zu kämpfen. Beſonders er=
ſchwert
ihr das Singen die Rückſichtnahme auf die Pauſen, die
bei der Umregiſtrierung auf der Orgel nicht leicht zu vermeiden
ſind, vor allem bei Werken, die nicht urſprünglich für Orgel ge=
ſchrieben
wurden, wie Beethovens Gellert=Lieder und die Arie
Ich weiß, daß mein Erlöſer lebt von Händel. Frau Pfuhl=
Flöring ſpielte mit ſehr ſchönem Ton und ſtarkem Tempera=
ment
eine Romanze von Campagnoli, die B=Dur=Violinſonate
von Händel und einen Konzertmittelſatz von Nardini. Das ziem=
lich
gut beſuchte Konzert half hoffentlich dazu, einige Not zu
lindern.

* Haupiverſammlung
desOdenwaldklubs inWimpfen
Samstag, den 31. Mai.
Von herrlichem Wetter begünſtigt, kamen die Feſtteilnehmer aus
allen Gegenden unſeres Heſſenlandes in dem reichgeſchmückten Bahnhof
des wunderbar gelegenen Städtchens an. Herzlich iſt der Empfang und
mit frohen Erwartungen ziehen wir unter dem Klang zahlreicher Man=
dolinen
in die mit Fahnen, Wimpeln und Bäumen geſchmückte turm=
reiche
Stadt ein. Man verteilt ſich in die angewieſenen Quartiere, die
die Bewohner der Stadt in freundlichſter Weiſe zahlreich zur Verfügung
geſtellt hatten, um ſich nach langer, ermüdender Bahnfahrt zu ſtärken
und zu erfriſchen.
Am Abend findet man ſich zur Begrüßungsfeier in der
Turnballe, mit Bäumen in einen Wald verwandelt, ein. Die Klubkapelle
der Ortsgruppe Sprendlingen eröffnet mit einem temperamentvollen
Marſch die Feier. Darauf begrüßte der erſte Vorſitzende der Ortsgruppe
Wimpfen, Lehrer Kubach, die zahlreich erſchienene Feſtſchar und dankt
zugleich allen denen, die ſich um das Zuſtandekommen und das Gelingen
des Feſtes verdient gemacht haben. Dank zollt er den Behörden, dem
Kreis und beſonders dem Heſſiſchen Landestheater Darmſtadt, das in
hochherziger Weiſe die Koſtüme für das im Laufe des Abends folgende
Feſtſpiel der heſſiſchen Stadt geliehen hatte. Ferner dankte er für den
ſo zahlreichen Beſuch der Stadt, die zwar einen guten Klang hat, aber
nur klein iſt. Darauf ſpricht Bürgermeiſter Sailer den Willkomm
der Stadtverwaltung aus und ſpendet den Feſtgäſten ein herzliches
Friſch auf. Die Grüße des Hauptausſchuſſes überbrachte Beigeord=
neter
Daub=Darmſtadt. In überaus feſſelnder Weiſe brachte dann
Stadtpfarrer Seriba=Wimpfen einen Vortrag über Wimpfens
Geſchichte dem die Zuhörer mit großer Aufmerkſamkeit folgten.
Entrollte er doch vor uns das Bild einer Stadt, die auf ganz gewaltig
hoher Kulturſtufe ſtand, und deren Ueberreſte aus vergangenen Zeiten
wir jetzt mit großer Bewunderung und Staunen betrachten. Herzlicher,
langanhaltender Dank wurde dem Redner zuteil.
Ein beſonderer Genuß des Abends war: Unruhige Oſtern,
aus dem hiſtoriſchen Feſtſpiel von Richard Weitbrecht, deſſen Dar=
ſteller
ſich ſehr gut in ihre nicht leichten Rollen gefunden hatten, dank
der kraftvollen Regie des Pfarrers Knodt, einem Sohn des Dichters
Karl Ernſt Knodt, der auch den von ſeiner Tochter ſinnreich vorgetra=
genen
Prolog als Einleitung des Feſtſpiels verfaßt hatte. Beſonders
wirkte die Darſtellung durch die Rüſtungen und Koſtüme des Heſſiſchen
Landestheaters. Verſchönt wurde der Abend noch durch Geſangsvor=
träge
des Geſangvereins Konkordia=Wimtfen am Berg, Man=
dolinenvorträge
der Klubkapellen verſchiedener Ortsgruppen und durch
gemeinſam geſungene Lieder.
Infolge der überaus großen Beteiligung und der daraus entſtan=
denen
drangvoll fürchterlichen Enge mußte gleichzeitig im Saale von
Jakob Oſt eine Parallelverſammlung abgehalten werden, in der Ober=
ſtudiendirektor
Kiſſinger die Grüße des Hauptausſchuſſes und
Rektor Blitz den Dank der Ortsgruppe übermittelte. Ein Damenchor
trug ſchön und ausdrucksvoll ein von Pfarrer Seriba verfaßtes Lied
vor, dem Kreisdirektor Pfeifer=Heppenheim ein kräftiges Hoch wid=
mete
. Es folgten Geſangsvorträge des Geſangvereins Cornelia=
Wimpfen im Tal, muſikaliſche Darbietungen der Stadtkapelle unter der
Leitung des Wächters vom blauen Turm, Schneidermeiſters Barth=
und Vorträge der Klubkapelle Langen. Ein Tanz für die Jugend
beendete die ſchön verlaufene Feier, während die älteren Herrſchaften
ſich in die verſchiedenen Weinſtuben Wimpfens verteilen und mehr oder
weniger feſtſetzen. Lange noch dauert das fröhliche Treiben in den male=
riſchen
Straßen des alten Städtchens.
Sonntag, den 1. Juni.
Frühmorgens ſetzt der Verkehr in den Straßen der von der auf=
gehenden
Sonne verklärten Stadt ein. In freudiger Stimmung, viel
leicht noch von dem in der Nacht genoſſenen Wimpfener Wein, durch=
ziehen
zahlreiche Wanderer die mit ihren vielen krummen, engen Gäß=
chen
, Erkern, Türmen und ſtillen Winkeln ſo reiche Stadt. In dansens=
werter
Weiſe übernimmt der Verein Alt=Wimpfen eine Führung
durch die Stadt. Während vom blauen Turm herab feierlich die Cho=
räle
der Stadtkapelle erklingen, zeigt Stadtpfarrer Seriba, der ſelbſt
eine kleine Schrift über die Geſchichte Wimpfens verfaßt hat, die evan=
geliſche
Stadtkirche und erzählt uns aus ihrer Geſchichte. Unter der
Führung Prof. Meiſingers=Heidelberg machen wir einen Gang
durch die Stadt, deren Sehenswürdigkeiten und Umgebung er uns erklärt=
der
katholiſche Geiſtliche Noßkopf, zeigt die frühere Dominikanerkirche
und das Kloſter und macht uns mit ſeiner Geſchichte bekannt. Während
der Hauptverſammlung gibt die Stadtkapelle auf dem Marktplatz ein
Konzert.
Am Mittag bewegte ſich ein impoſanter Feſtzug durch die Stra=
ßen
des maleriſchen Städtchens. Wahrlich, kein ſchönerer Oxt konnte
zu einer Hauptverſammlung des Odenwaldklubs ausgeſucht werden als
gerade dieſer. Der Abend brachte eine Geſamtbeleuchtung der Stadt=
ſilhouette
, die die Beſucher vom anderen Ufer des Neckars aus bewun=
dern
konnten. Daran anſchließend fand im Mathildenbad ein Bunter
Abend ſtatt, der in der Händen der Schwä biſchen Lieder=
gruppe
(Landestheater Stuttgart) lag. Den Schluß bildete ein flot=
tes
Tänzchen.
Der folgende Tag brachte nachmittags eine Beſichtigung des Salz=
werkes
Kochendorf.

Verhanölungen der Hauptverſammlung.

79 Ortsgruppen mit insgeſamt 2700 Wanderern und Wanderinnen,
alſo wohl ebenſo viel Fremde, wie die alte Reichsſtadt Einwohner zählt,
hatten ſich in der Hohenſtaufenſtadt zuſammengefunden; es war bislang
die ſtärkſte Beteiligung, die je eine Hauptverſammlung gefunden hat.
Von der großen Menge der Feſtteilnehmer faßte die Turnhalle nur
einen kleinen Teil, der an den Beratungen der Verſammlung Intereſſe
hatte, während die anderen ſich die ſehenswerte Stadt anfahen. Die
Hauptverſammlung eröffnete und leitete Herr Beigeordneter Daub=
Darmſtadt, da die Vorſitzenden, Oberbürgermeiſter Dr. Gläfſing und
Oberbürgermeiſter Köhler=Worms (letzterer durch Krankheit), am Er=
ſcheinen
verhindert waren. Für die Regierung begrüßte Herr Kreisrat
Pfeiffer=Heppenheim die Verſammlung, dem Odenwaldklub die
Unterſtützung des Staates für ſeine Tätigkeit verſprechend; für die Stadt
Wimpfen ſprach dann Bürgermeiſter Sailer, zugleich im Namen
der Forſtbehörde und für die Ortsgruppe Wimpfen deren Vorſitzender
Herr Lehrer Kubach. Ein Gruß des leider auch am Erſcheinen noch
verhinderten Herrn Oberſtaatsanwalts Wünzer wurde verleſen.
Der Vorſitzende der Verſammlung erſtattete den Jahresbericht,
auf den wir morgen noch eingehender zurückkommen werden, und dankte
dem Verfaſſer des Berichts, dem Schriftführer des Hauptausſchuſſes Dr.
Hinrichs, für die umfangreiche Arbeit, die ein vortreffliches Bild der
Klubtätigkeit im vergangenen Jahre gibt. In der an den Jahresbericht
anſchließenden Ausſprache wurden die Fragen: Liederbücher des Klubs,
Sonntagskarten und weitere Verkehrserleichterungen, Schutz der Bänke
und ſonſtigen Anlagen, behandelt. Die Rechnungsablage erfolgte durch
Herrn Inſpektor Schött=Darmſtadt; erfreulicherweiſe kann der
Odenwaldklub nach Ueberwindung der Inflationszeiten mit einem Bar=
vorrat
von 241 Mark wieder an ſeine Aufgaben gehen. Dem Rechmer
wurde Entlaſtung erteilt. Der Beitrag zur Hauptkaſſe für jedes Mit=
glied
für 1924 wurde auf 1,50 Mark feſtgeſetzt. Der Voranſchlag für
1924 wurde genehmigt. Eine Lotterie ſoll dem Klub eine Einnahme von
20 000 Mark einbringen.
Als Ort der nächſten Hauptverſammlung wurde Heppenheim
gewählt, als Tag der 24. Mai beſtimmt. Herr Oberforſtrat Guntrum
(Heppenheim) dankte der Verſammlung für die Wahl der Stadt. Herr
Oberſtudiendirektor Kiſſinger, ſprach kurz über das Vereinsorgan
Die Dorflinde, die nach zweijährigem Schlaf wieder erſtanden
iſt und luſtig grünt und blüht. In den Hauptausſchuß trat als Rechner
an Stelle des langjährigen verdienten Friedrich Loewe=Darmſtadt
Herr Inſpektor Schött=Darmſtadt und an Stelle des Herrn Haller
Herr Profeſſor Meiſinger=Heidelberg. Die Verſammlung billigte
die Wahl der beiden Genannten. Zu Ehrenmitgliedern des Klubs wur=
den
die Herren Apotheker Seriba=Neinheim (anläßlich des kürzlich
gefeierten 25jährigen Jubiläums der Ortsgruppe Reinheim) und Herr
Profeſſor Wittmann=Lichtenberg, der uns ſo viele ſchöne Bilder
unſeres Odenwaldes beſchert hat, ernannt, was die Verſammlung gleich=
falls
billigte. Apotheker Seriba dankt für die Auszeichnung. Ober=
ſtudiendirektor
Kiſſinger befürwortete die Gründung von Ju=
gendgruppen
des Odenwaldklubs. Von den Auswüchſen des
Jugendwanderns ausgehend, betonte er die Notwendigkeit, die Jugend
zu erziehen und ſie Ehrfurcht vor allem Achtungswerten, vor allem der
Heimat, zu lehren, damit ein neues Geſchlecht, friſch und rein, heran=
gebildet
werde.

Annahme fand die Entſchließung, den Uebergang der Minne=
burg
bei Neckargerach in Privatbeſitz zu verhindern. Ein Ausfchuß
für alle Verkehrs= und verwandte Angelegenheiten, in dem Männer aus
allen Teilen des Klubgebietes ſitzen, wurde gebildet. Außer der bekann=
ten
Wegbezeichnungskarte des Klubs ſoll ein neues Kartenwerk des
Klubgebietes in acht Blättern im Maßſtab 1:50000 (mit etwa 6 Farben
und Schichtenlinien) herausgebracht werden. Hierüber berichtet Herr
Vollhard von Sinsheim. Der Antrag der Ortsgruppen Erbach und
Ober=Moſſau, Wiederherſtellung des Ihrig=Turms auf dem Lärmfeuer,

wurde vorerſt zurückgeſtellt; in der Frage der Verleihung der goldenen
Abzeichen wurden feſte Normen nicht aufgeſtellt. Herr Schott=Worms
ſprach für Wiederherſtellung des Siegfried=Brunnens bei Gras=Ellenbach
und dankte dem Hauptausſchuß für ſeine unermüdliche Arbeit, worauf
Herr Beigeordneter Daub die Verſammlung ſchloß.

*Vierter Vertretertag der Gewerkſchaft
beſſiſcher Gemeindebeamten.
Von unſerem Sonderberichterſtatter.

Am 30./31. Mai und am 1. Juni fand in Bensheim a. d. Berg
ſtraße im Deutſchen Haus der vierte Vertretertag der Gewerkſchaft
Heſſiſcher Gemeindebeamten ſtatt. Am 30. Mai kam der Vorſtand zu=
ſammen
, während der 31. Mai den inneren Organiſationsangelegen=
heiten
des Verbandes gewidmet war. Der Vorſtand wurde wiedergewählt.
und erweitert. Der Bericht über die Kaſſenverhältniſſe ergab, daß ſeit
der Stabiliſierung der Währung die Sorgen der Verbandsleitung in
dieſer Hinſicht wenigſtens ziemlich behoben ſind. Am Samstag abend
wurde im Hotel Deutſches Haus ein gemütliches Beiſammenſein ver=
anſtaltet
, an dem auch der heſſiſche Staatspräſident, der Finanzminiſter,
der Präſident des Heſſiſchen Landtags und Abgeordnete des Finanzaus=
ſchuſſes
als Gäſte teilnahmen.
Am Sonntag, 1. Juni, wurden in größerer öffentlicher Tagung die
im Brennpunkte des Intereſſes ſtehenden beamtenpolitiſchen Fragen
behandelt. Die Tagung am Sonntag ſtand, wie auch an den Vortagen,
unter der Leitung des geſchäftsführenden Vorſitzenden Direktor Zſchech.
Als Gäſte hatten ſich am Sonntag u. a. eingefunden: Oberregierungsrat
Weber=Darmſtadt als Vertreter des Miniſteriums des Innern, Bürger=
meiſter
Angermann=Bensheim und verſchiedene Preſſevertreter. Trot
des herrlichen Frühlingswetters, das zum Wandern in die Berge nur
zu eindringlich lockte, waren über 150 ſtimmberechtigte Vertreter an=
weſend
, die rund 7000 in der Gewerkſchaft der heſſiſchen Gemeindebeam=
ten
organiſierte Beamte vertreten konnten und bis zum Schluß der um=
fangreichen
Tagesordnung getreulich ausharrten. Organifatoriſch war
die Tagung gut vorbereitet; die Anträge lagen gedruckt vor, ebenſe
waren die verſchiedenen Reſolutionen, die im Laufe der Verhandlungen
e gebracht und ſämtlich angenommen wurden, vervielfältigt. Die Reſo=
lutionen
betrafen die wichtigſten wirtſchaftlichen und rechtlichen Punkte
des großen Komplexes der Beamtenfragen, wie Verſicherungsgeſetz für
gemeindliche Beamte, Beamtenvertretungsgeſetz, die heſſiſche Verwal=
tungsreform
, das Sperrgeſetz, die Beſoldungspolitik des Reichsfinanz=
miniſteriums
, ſowie organiſatoriſche Geſichtspunkte.
Das erſte Referat über Ziele und Aufgaben der Beam=
tenorganiſationen
hielt Meurer=Berlin vom Reichsbunde
der Komunalbeamten, der insbeſondere die Verknüpfung der Geſchicke
der Beamtenſchaft mit der innen= wie außenpolitiſchen Lage und den
Reparationsverhandlungen behandelte. Geheimrat Greß=Berlin,
von der Bundesleitung des D.B.B., ſprach über Die Grundrechte
der Beamten und den Perſonalabbau und bedauerte, daß
heutzutage, wa es kaum noch eine Regierung gäbe, die der Einrichtung
von Beamtenvertretungen abhold ſei, wenn man ſich auch über deren
Form noch nicht einig ſei, auch in Heſſen noch gemeindliche Körperſchaften
ohne Beamtenvertretungen zu finden ſeien. Beſonders bedauerlich ſei
dieſe Tatſache bei der Durchführung des Perſonalabbaues. Der Redner
wandte ſich gegen die Zerſplitterung in den Organiſationen der Beam=
tenſchaft
, gäbe es doch z. B. ſogar noch eine Spitzen=Organiſation, die
im ganzen überhaupt nur 500 Mitglieder zähle, und ſprach bei allem
Peſſimismus bezüglich des Zuſammenſchluſſes die Hoffnung aus, daß
wenigſtens in den Fragen des Beamten rechts die Beamtenſchaft einig
ſei und erreiche, daß ſie wieder in ihre alten Rechte eingeſetzt werde.
Als weitere Neferenten ſprachen Reck über das Beamtenver=
tretungsgeſetz
, Arbeitszeit und Urlaub, die Ruhegldregelung in
Stadt und Land; Alter über die Verwaltungsreform und
Malzan über Beſoldung und Sperrgeſetz. Redner forderte ſofortige
Aufhebung der Beſoldungsgefetze, die da keinerlei Beſoldungszuſchüſſe
mehr an die Gemeindeverwaltungen aus der Reichskaſſe gezahlt würden,
einen ungerechtfertigten Eingriff in die finanzielle Selbſtändigkeit der
Gemeindeweſen bedeute und auch im Zeitalter der Sparmaßnahmen und
Verwaltungsvereinfachung eine Belaſtung von Reichs= und Landes=
inſtanzen
mit unproduktiver Arbeit herbeiführe. In der Beſoldungs=
frage
ſelbſt vertrat Redner unter lebhafter Zuſtimmung der Verſamm=
lung
den Standpunkt, daß die infolge der neueſten Beſoldungsregelung
vom 24. Mai 1924 zwiſchen den einzelnen Beſoldungsgruppen eingetre=
tenen
Spannungen völlig unſozkal ſeien und daß bezüglich der Höhe
der Gehälter in den unteren Gruppen immer noch nicht das Exiſtenz
minimum erreicht ſei.
Auch auf die Unhaltbarkeit der Herabſetzung des Sonderzuſchlags
in dem beſetzten Gebiet wurde hingewieſen. Mehrere Vertreter des be=
ſetzten
Gebietes kamen in der ſehr angeregten Ausſprache zu Worte
und verbreiteten ſich über die beſonderen Wünſche und Nöte der Beam=
tenſchaft
dort. Ihre Ausführungen fanden beſonders herzlichen Wider=
hall
in der ganzen Verſammlung und wurden von der Verbands=
leitung
noch lebhaft und nachdrücklichſt unterſtrichen. Zum Schluß der
Ausſprache ergriff der Regierungsvertreter, Oberregierungsrat We=
ber
, das Wort und ging, die reichsbeamtenpolitiſchen Fragen nur kurz
ſtreifend, auf die vorgebrachten Anfragen ein. Im Falle Oberheſſen,
wo, nach den Mitteilungen eines Vertreters, einzelne Gemeinden mit der
Durchführung der letzten Beſoldungsneuregelungen noch im Rückſtand
ſein ſollen, ſtellt der Redner ſchleunige Abhilfe in Ausſicht, falls die Be=
ſchwerden
ſich als richtig herausſtellen ſollten. Nach fünfſtündiger
Sitzung konnte Direktor Zſchech das Schlußwort ſprechen, in dem er
allen Erſchienenen für ihre rege Mitarbeit dankte und die Erwartung
ausſprach, daß die Beamtenſchaft in der Beſoldungsfrage ihr Recht er=
ränge
und ihre wirtſchaftliche Sicherheit wiederfände. Neben dem be=
ſonderen
Dank an die heſſiſche Staatsregierung für das der Tagung
entgegengebrachte Intereſſe gedachte der Vorſitzende noch einmal mit
wärmſten Worten der Beamtenſchaft in den beſetzten Gebieten. HI. W. W.

* Poſtaliſches aus dem Saargebiet. Während der letzten Verkehrs=
ſperre
hatte die Regierungskommiſſion des Saargebietes angeordnet, daß
wegen beſonderer Koſtenaufwendungen der Saarpoſtverwaltung für
Pakete nach und aus dem deutſchen Reichspoſtgebiet eine beſondere Zu=
ſchlagsgebühr
zu erheben ſei. Dieſe Gebühr iſt nun wieder aufgehoben
worden. Poſtpakete aus dem deutſchen Reichspoſtgebiet nach dem Saar=
gebiet
können nur dann als zollfreie Sendungen den Empfängern im
Saargebiet ausgehändigt werden, wenn ihnen ein Urſprungszeugnis
beiliegt. Kein Urſprungszeugnis iſt notwendig für Gegenſtände oder
Waren, die nach dem franzöſiſchen Zolltarif ohne beſonderen Nachweis
eingeführt werden dürfen. Dies ſind zurzeit lebendes Vieh, tieriſche
Produkte und Häute, Eier, mehlhaltige Nahrungsmittel, Webfaſern,
Baumaterial, Papier und Druckſachen. Geſchäftsbücher ſind zollpflichtig.
Auf ein Urſprungszeugnis können mehrere, aber höchſtens nur fünf
Vakete verſandt werden; auf jeder Paketkarte iſt anzugeben, welcher
Paketkarte das Urſprungszeugnis beigefügt iſt.
Siedlungen für abgebaute Beamte. Die im Reiche erlaſſenen
Verordnungen haben wir zu Beginn dieſes Jahres zur Kenntnis der
Leſer gebracht. Darauf ſind uns alsbald weitere Anfragen aus den be=
teiligten
Kreiſen zugegangen. Nun wird bekannt, daß Poſtverwaltung.
Reichsverkehrs= und Reichsfinanzminiſterium zu dem beſagten Zweae
Geldmittel gegen äußerſt billigen Zinsſatz hergegeben haben. Ein
Heimſtättenbau kommt nicht in Frage. Intereſſenten werden wohl
näheres vom Heimſtättenamt der deutſchen Beamtenſchaft erfahren
können.

Schiffsnachrichten der HamburgAmerika=Linie. Hamburg=
Nordamerika: D. Hanſa 30. 5. in Hamburg; D. Mount Clay
28. 5. Cuxhaven paſſiert nach Halifax; D. Deutſchland 27. 5. ab Nem
York. HamburgWeſtküſteNordamerika: D. Sach=
ſen
23. 5. in Seattle, Ausr. HamburgCubaMexiko;
D. Holſatia 28. 5. in Hamburg; D. Weſterwald 28. 5. in Vera Cruz,
Ausr.; HamburgWeſtindien: D. Teutonia 27. 5. Ponta
Delgada paſſ., Ausr. HamburgSüdamerika: D. Steiger=
wald
27. 5. Teneriffe paſſ. nach Bremen; D. Altmark 28. 5. ab Tene=
riffe
, Ausr.; D. Württemberg 29. 5. ab Buenos Aires, Heimr.; 2
Niederwald 29. 5. ab Rio de Janeiro nach Santos, Ausr.; D. Bahern
30. 5. Dover paſſ.,Ausr.; D. Galicia 28. 5. ab Funchal, Heimr. Ham
burgWeſtküſte Südamerika: D. Planet 26. 5. Pernam=
buco
paſſ., Ausr.; D. Kellerwald 27. 5. ab Guahaquil, Heimr.; 2
Schwarzwald 28. 5. in Rotterdam, Heimr. HamburgOſtafien‟
D. Preußen 27. 5. in Shanghai, Ausr., M. S. Ermland N. 5. ad
Colombo nach Singapore, Ausr.; M. S. Rheinland 29. 5. ab Pllſe
ſingen, Ausr., D. Oldenburg 28. 5. ab Aden nach Genua, Heimr.; *
Braſilia 28. 5. in Suez, Heimr.; Nord= und Oſtſeedienſt
D. Frankfurt 28. 5. ab Hamburg nach dem Rhein: D. Mannheim 2=
5. in Düſſeldorf, Ausr.; D. Straßburg 28. 5. in Düſſeſdorf, Heimr.

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[ ][  ][ ]

Rummer 153.

Darmſtädtes Tagblatt, Montag, den 2. Junf 1924.

Seite 5.

Sport, Spiel und Turnen.

Leichtathletik.
Turngemeinde Darmſtadt 1846.
Von ſchönſtem Wetter begünſtigt, konnten am geſtrigen Sonn=
tag
, vormittags 9 Uhr, die leichtathletiſchen Wettkämpfe des
MainRhein=Gaues der D. T. (1. Bezirk) auf dem Sportplatz
der Turngemeinde Beſſungen an der Heidelberger Straße zum
Austrag gelangen. Die Abgabe von Meldungen war in jeder
Beziehung ſehr befriedigend, und konnten auch recht gute Lei=
ſtungen
, obwohl die Wettkämpfer furchtbar unter der Sonnen=
glut
zu leiden hatten, erzielt werden. Unſere Abteilung, die
dieſesmal wieder, wie gewöhnlich, ziemlich ſtark vertreten war,
konnte mit größter Zufriedenheit nach Hauſe zurückkehren, denn
nicht weniger denn 6 erſte, 4 zweite und 3 dritte Preiſe darf ſie
wiederum an die ſchon in dieſem Jahre reich geſegnete Sieges=
fahne
für unſere liebe Turngemeinde anreihen.
Ergebniſſe.
Fünfkampf, Turner (Jahrg. 05. u. älter): 1. W. v.
Dungen, 275 P., 2. Herm. Zimmermann, 273 P.
Einzelkämpfe: Kugelſtoßen (7½ Kilo): 2. Herm.
Zimmermann. Weitſprung: 1. Ludw. Delp. Schleuderball:
3. Herm. Zimmermann (45,50 Meter). 1500 Meter: 1. Karl
Neef. Ballweitwurf: 1. Fritz Beck (75 Meter). Weitſprung:
3. Fritz Beck. 100 Meter: 2. Karl Neef.
Durnerinnen: 50=Meter=Lauf: 1. Hilde Süßmuth.
Weitſprung: 1. Hilde Süßmuth. Hochſprung: 3. Hilde
Süßmuth.
4X100=Meter=Staffel für Turner: 2. Sieg.
Dieſe Ergebniſſe dürften genügen, um Zeugnis abzulegen
von dem, was gegenwärtig in unſerer Abteilung an Arbeit ge=
leiſtet
wird. Aber noch genügt es nicht. Die Zahl der Ausüben=
den
muß eine Verdoppelung erfahren. Darum komme, wer Luſt
und Liebe zu unſerem Sport hat, Montags und Mittwochs regel=
mäßig
zur Uebungsſtunde.
Wibo.
Turngeſellſchaft Darmſtadt 1875.
Bei dem auf dem Sportplatze an der Heidelberger Straße
ſtattgefundenen Bezirksſportfeſt des 1. Bezirks (Main Rhein=
turngau
) konnte die Turngeſellſchaft 1875, die beſonders mit
Ehren Turnerinnen vertreten war, in verſchiedenen Konkurrenzen
ſehr gute Leiſtungen vollbringen.
Im Ballwurf, der als ſtärkſte Konkurrenz die größte
Teilnehmerzahl aufwies, wurde 1. Siegerin Lina Treuſch,
2. Siegerin Marie Feldmann, 3. Siegerin Wilma Schubkegel,
k. Siegerin Anni Frank. Im 50=Meter=Lauf konnte Wilma
Schubkegel den 2. Platz belegen, während im Hochſprung
Lina Treuſch ebenfalls 2. Siegerin wurde. Den 2., 3. und 4.
Rang erhielten im Weitſprung die Turnerinnen Treuſch,
Schubkegel und Neutzſch. Unter ganz beſonders ſcharfer Kon=
furrenz
im Kugelſtoßen (5 Kilo) gingen Wilma Schubkegel
und L. Treuſch als 2. und 3. hervor. Der 4X100=Meter=
Staffel, in welcher die Turnerinnen glänzend in Führung
waren und die auch unzweifelhaft als überlegen gewonnen zu
verzeichnen geweſen wäre, wurde infolge eines unüberlegten,
loch nicht böswilligen Eingriffs eines Unbeteiligten der 1. Sieg
icht zuerkannt und mußte ſomit aus dem Wettbewerb ausſchei=
den
. Gut Heil den wackeren Turnerinnen zum Gauſportfeſt des
MainRheinturngaues am 15. Juni, und möge es ihnen ver=
gönnt
ſein, dort in noch überwiegenden Konkurrenzen ſiegreich
Tach Hauſe zurückzukehren.
Clubzweikampf Offenbach Sportverein Darmſtadt.
Der ſchöne Weg nach dem Bieberer Berg! Ein ſportverſtän=
ſäger
Kirſchenverkäufer preiſt ſeine Ware an: Wenn der
kmane Kärſche kaaft, verliert Ihr! Er hat recht
hehalten: Seine Kirſchen waren uns zu ſauer und wir haben
knapp verloren. Mit 5763 Punkte ſind die Darmſtädter
umterlegen. Bis zur letzten Staffel hatten die Offenbacher einen
Borſprung von nur 2 Punkten. Die letzte Staffel ( Schweden=
ſtaffel
) mußte die Entſcheidung bringen. Bis dahin wurde un=
Uniterbrochen um die Führung gekämpft. Den Abſchluß und die
Entſcheidung ſollte endgültig die letzte Staffel bringen. Darm=
ſtadt
hatte wider Erwarten ein gutes Rennen, wenn nicht der
A0=Meter durch taktiſches Unverſtändnis 4 Meter eingebüßt
hätte, die dem Schlußmann am Ziel trotz tapferer Gegenwehr
fehlten. Damit hatte Offenbach mit 6 Punkten den Geſamtkampf
gewonnen. Die genauen Reſultate weiſen aus, daß die Darm=
ſtädter
nicht nur die Unterlegenen waren nach der Geſamtwer=
tung
, ſondern, daß viele Nennen erſt im Ziel entſchieden, auch
arif den 2., 3. und 4. Plätzen, die bei einem Klubkampf mit das
Geſamtreſultat entſcheidend beeinfluſſen. Zum Schluß noch eins.
Tarmſtadt war zweifellos im Nachteil ohne zu entſchuldigen
und das war der Platz und die Bahn. Sand, Staub, fußtiefe
Aſſchenbahn. Die heimiſchen Offenbacher in ihrem Element
fämpfen trotz aller widrigen Verhältniſſe, ſie ſind zu Hauſe. Die
Tarmſtädter, durch ihren Wettkampfplatz verwöhnt, ſind nicht
in der Lage, dem Kampfesmut der Offenbacher gleiches entgegen
zu ſetzen. Deswegen muß es immer und immer wieder allen
Larmſtädtern zugerufen und eingehämmert werden: Ihr wißt
garnicht, was Ihr an Euerm Sportplatz beſitzt!!
Die Ergebniſſe:
08/09, 50 Meter: 1. Kurz, Offenbach, 6,8 Sek., 2. Limpert,
OFfenbach, 72 Sek., 3. Weigel, Darmſtadt, 7,3 Sek., 4. Mergels=
ſerg
, Darmſtadt, 7,5 Sek. 4X50 Meter: 1. Offenbach, 27,2
Eek., 2. Darmſtadt, 28,4 Sek. Ballwerfen: 1. Spehnkuch,
LFfenbach, 70.7 Mtr., 2. Bünte, Darmſtadt, 61,3 Mtr., 3. Backfiſch,
Offenbach, 60,35 Mtr., 4. Mergelsberg, Darmſtadt, 47 Mtr.
06/07. 100 Meter: 1. Pabſt, Darmſtadt, 12,1 Sek., 2. Jucht,
Ffenbach, 12,8 Sek., 3. Hille, Offenbach, 13 Sek., 4. Deginder,
armſtadt, 13,1 Sek Weitſprung: 1. Pabſt, Darmſtadt,
71 Mtr., 2. Jucht, Offenbach, 5,48 Mtr., 3. Hille, Offenbach 5/44
Atr., 4. Gehbauer, Darmſtadt, 5,27 Mtr. Kugelſtoßen:
1. Numrich, Darmſtadt, 10,80 Mtr., 2. Gehbauer, Darmſtadt, 10,21
Mtr., 3. Schmidt, Offenbach, 9,63 Mtr., 4. Hille, Offenbach, 8,47
Ntr. Olympiſche Staffel, 800, 200, 200, 400 Meter:
Darmſtadt, 4 Min. 10,8 Sek., 2. Offenbach 4 Min. 12,4 Sek.
0 00 Meter: 1. Hornſchuh, Darmſtadt, 2 Min. 55 Sek., 2. Hoff=
munn
, Darmſtadt, 3 Min, 1 Sek., 3. Hille, Offenbach, 4 zurück,
Scheich, Offenbach, 80 Mtr. zurück.
Jungmannen: (04/05). Dreikampf, (Kugelſtoßen,
Neitſprung, 100 Meter): 1. Schneider, Offenbach, 123 Punkte,
2 .Hujer, Darmſtadt, 110 Punkte, 3. Gebert, Offenbach, 107
Pankte, 4. Weiffenbach, Darmſtadt, 60 Punkte. 200 Meter:
teite, 3. Hujer, Darmſtadt, 4 zurück, 4. Aßmann, Offenbach,
Anuſtbreite. 800 Meter: 1. Gebert, Offenbach, 2 Min. 15,9
Skk., 2. Engelhardt, Darmſtadt, 2 Min. 17 Sek., 3. Reich, Offen=
ſach
, 2 Min. 19 Sek., 4. Fiedler, Darmſtadt. Schweden=
a
ffel:1. Offenbach, 2 Min. 12 Sek., 2. Darmſtadt, 2 Min. zur.

Handboll.

Heſſen, V. f. L. Kickers=Offenbach I. 3:3 (1:1).

Zu einem Freundſchaftsſpiel traten ſich beide Mannſchaften
fürern morgen entgegen. Die Gäſte zeigten ſich als die feſtere,
däeler ſind, als die bedeutend ſchnellere Mannſchaft. Bis kurz buſch auf Apollo u. a.
m dem Schlußpfiff führte die Heſſen und erſt ein zwei Mi=

hin, den Ausgleich.

Fußball.
Sportverein 98=DarmſtadtSpielvereinigung Arheilgen 04 3:3.
Zu einem Freundſchaftsſpiel trafen ſich geſtern auf dem in
ausgezeichneter Verfaſſung befindlichen Stadion die Ligamann=
ſchaften
obiger Vereine. Ein mäßiges und wenig intereſſantes
Spiel, bei dem nur die forſche, ehrgeizige Spielweiſe der Ar=
heilger
angenehme Abwechslung bot. Vom Anſtoß ab über=
nimmt
Sportverein das Kommando, das er auch bis Halbzeit
behalten kann, was die acht Ecken gegenüber einer der Gäſte be=
weiſen
. Anſtoß Darmſtadts führt zur erſten Ecke, die von Heß
ſchlecht zur Mitte gegeben wird. Kurzes auf und ab, Becker er=
Ball an Heß durchläßt, deſſen ſcharfer Schuß unter die Latte
ſeiner Mannſchaft zum erſten Treffer verhilft. Doch nicht lange
währt die Freude. Darmſtadts zweite Ecke fängt der Torwäch=
ter
ab und befördert den Ball weit ins Feld. Murmann nimmt
ihn auf und läuft durch, doch Fiſcher unterbindet den Angriff
unfair im Strafraum. Den Elfmeter verwandelt Arheilgen zu
ſeinem erſten Tor. Hartes Feldſpiel, Becker gibt Vorlage an
Müllmerſtadt, deſſen unheimlichem Schuß der Torwächter macht=
los
gegenüberſteht. Immer noch iſt Darmſtadt im Angriff. Ar=
heilgen
kommt kaum über die Mitte. Wiederum ſchöner Paß
Beckers an Müllmerſtadt, der ſich auf Halblinks freigeſtellt hat,
und ſein Linkſer hängt in den Maſchen. Angriff auf Angriff
wird von Takges eingeleitet, doch außer den oben erwähnten
Ecken werden keine Erfolge mehr erzielt. In dieſe Zeit fällt
noch ein wunderbarer Schuß von Heß, der vom Torwächter mit
Glück gehalten wird. Müllmerſtadt ſcheidet infolge Zuſammen=
ſtoßes
mit dem Torwächter auf einige Minuten aus. Kurze Zeit
darauf Halbzeit. Wer gehofft hat, Darmſtadt auch in der zwei=
ten
Halbzeit in Front zu ſehen, ſah ſich durch die gezeigten Lei=
ſtungen
ſehr getäuſcht. Sportverein ruht auf ſeinen Lorbeeren
aus und Arheilgen kommt mächtig auf. Sie haben anſcheinend
Kenntnis erhalten, daß der rechte Läufer Darmſtadts Erſatz iſt
und bedienen ausſchließlich ihren linken Flügel, der auch ſeinen
Farben zum 2. Erfolg verhilft und den Ausgleich verſchafſt.
Beide Tore reſultieren aus Flanken der Linksaußen, die direkt
verwandelt werden. Am zweiten Tor iſt Darmſtadts Torwächter
nicht ſchuldlos, er hätte die Flanke unbedingt abfangen müſſen,
den Schuß ſelbſt konnte er nicht halten. Von dem Angriffsgeiſt
und dem Siegeswillen Arheilgens zeugen die ſieben Ecken, die
ſie erzwingen, während Darmſtadt nur noch zwei erzielt. Aber
an dem Reſultat ſelbf; wird bis zum Schlußpfiff nichts mehr
geändert.
Bei Arheilgen ſtach beſonders der eifrige Mittelläufer und
der rechte Verteidiger hervor, von dem altbekannten Murmann
ganz zu ſchweigen. Ihnen hat die Mannſchaft das günſtige Er=
gebnis
hauptſächlich zu danken. Die Uebrigen fügten ſich aut in
ſchaft will ich mir für heute mit Rückſicht auf den eingeſtellten
Erſatz verkneifen. Ich wünſche und hoffe, daß Sportverein zu tagsſtunde, nochmals vor dem Tagesziel, vor Zittau.
dem Ausſcheidungsſpiel am 2. Feiertag ſeine Mannſchaft kom=
plett
zur Stelle hat, damit die von allen Einheimiſchen erwar=
teten
Hoffnungen in Erfüllung gehen können.
Vor dem Ligaſpiel trafen ſich die Juniorenmannſchaft Sport=
vereins
und die Liggerſatzmannſchaft vom V. f. R. 01=Frankfurt.
In einem abwechslungsreichen Spiel gelang es den einheimi=
zukantern
. Wenn auch nicht das ſonſt übliche überzeugende.
fineſſenreiche Spiel der Junioren vorgeführt wurde, ſo ſoll das
doch nicht Anlaß zur abfälligen Kritik geben. Nur ein Haupt=
fehler
ſei erwähnt: die Figur, die der Torwächter abgab. Dieſem
Mann tut eifriges Training ſehr not.
Weitere Ergebniſſe:
1a.=Jugend1. Eintracht 1:0.
1b.=Jugend2. Eintracht 1:1.
1a.=Schüler1. Schüler Eintracht 3:2.
1b.=Schüler1. Schüler Meſſel 0:3.
2b.=Mannſchaft1. Mannſchaft Groß=Zimmern 7:0. W.T.
Sp.=Vgg. Union Jad.Germania=Eberſtadt Jgd., 1:4 (1:2).
Eintracht und Sp.=V. Frankfurt (komb.) Sparta=Prag 3:1.
V. f. L. Iſenburg Kickers Viktoria=Mülheim 0:1.
(Viktoria bleibt ſomit Kreisliga.)
Union=Niederrad Boruſſia=Frankfurt 5:2.
Union=Niederrad 1860 Hanau 1:0.
Sp.=C. Bürgel Sp.=V. 07 Heddernheim 2:1.
F.=Vgg. 13 Frankfurt Eintracht=Darmſtadt 0:3.

V. f. R. und K. B. C. Köln Sparta=Prag 2:2.
Kickers=Offenbach 1. F.=C. Pforzheim 2:6.
1860 München Phönix=Mannheim 4:2.
F.=C. Nürnberg F.=V. Saarbrücken 7:0.

* Die Sachſenfahrt.

1. Teil: Zwickau-Zittau.

Von unſerem Sonderberichterſtatter.
Zittau, 31. Mai.
Das iſt gut ſo vom Sachſengau des Allgemeinen Deutſchen
Automobilklubs: er führt alljährlich die Teilnehmer an ſeiner
Sachſenfahrt durch des Sachſenlandes ſchönſte Gegenden und
zeigt damit ſo manchem Teilnehmer, der Sachſen noch nicht
kannte, die maleriſchen Schönheiten dieſes als Induſtrieſtaat, deren Anreiz bieten,
verſchrienen deutſchen Landes.
Bei lachender Sommerſonne, nahm die 3. Sachſenfahrt in
Zwickau ihren Anfang. Der Vortag war der Fahrzeugabnahme
gewidmet geweſen, und Preſſevertreter hatten Gelegenheit ge=
habt
, die Andi=Werke zu beſichtigen. 37 Motorräder und 33 Wa=
gen
ſtellten ſich dem Ablaſſer. Das war zwar keine Rekordzahl,
aber unter dieſen Teilnehmer befanden ſich kaum welche, die bis=
her
nicht ſchon Lorbeeren in ſcharfbeſtrittenen Wettbewerben ge=
erntet
hatten. Dem Start fern blieben u. a. Seifert=Leipzig, der
nes), Bauhofer=München, einer der erfolgreichſten Motorradfah= mit gleicher Punktzahl am Ziele ankommen, ſo entſcheidet am 15. Auguſt
rer dieſes Jahres, Käppel=Dresden, der bekannte Hanſa=Fahrer,
die als Favoriten betrachteten Simſon=Fahrer Otto Reif und F.
Jung, Meinhold=Plauen, der ſchnellſte Fahrer der vorjährigen
Sachſenfahrt, der Privatfahrer Schönherr=Dresden. Dennoch
Schneider, Offenboch, 24,7 Sek., 2. Küch, Darmſtadt, Bruſt= waren genügend Fahrer und Fahrzeuge von Qualität am Start:
von Motorradfahrern Urban, Löbau, auf Wanderer; Frhr. von
Palm auf Mabeco, Deutſchlands erfolgreichſter Automobiliſt
dieſes Jahres; Rud. Carracciola=Dresden, der die Sachſenfahrt
als Motorradfahrer auf einer Garelli=Maſchine beſtreitet (weil
ſein Mercedes=Compreſſor mit 10 Prozent benachteiligt werden
ſollte), und von Wagenfahrern Huth=Chemnitz auf Preſto, Ker= (
mer auf Preſto, Wagner=Zittau auf Preſto, A. Hoffmann= Leip=
zig
auf Dürkopp, Doberenz auf Auſtro=Daimler, Hiller=Zittau bringen, und es iſt ſehr zu wünſchen, daß dieſe Arbeit durch zahlreiche
auf Phänomen, Sommer=Plauen auf N.A.G., Haferkorn auf
Simſon, Schleſinger=Görlitz und Dr. Walter auf Adler, Kaul=
Leipzig auf dem erſtmalig in ein Rennen geführten neuen Dux=
Heſſen, deren Spieler zum größten Teile nur ſehr junge Sechszylinder, Gerh. Kluge auf Mercedes=Kompreſſor, Seiden=

Nächtlicher Regen hatte die Straßen getrocknet. Am heu=
ſuinen
vor dem Ende eingeworfener Strafwurf brachte den = tigen erſten Tage der Sachſenfahrt galt es nur, ein Durchſchnitts=
tempo
einzuhalten, das in der größten Klaſſe 45 Km.=Std. be= Stütze zu ſein.

trug. Bei dem beſonders auf der erſten Fahrthälfte ununter=
brochen
bergigen Gelände iſt die Innehaltung dieſes Stunden=
durchſchnitts
durchaus keine einfache Sache, beſonders nicht, da
in den Ortſchaften das vorgeſchriebene Ortstempo gefahren
wurde. Für manche Wagen wurde aber die Innehaltung des
vorgeſchriebenen Durchſchnittstempos außerordentlich erſchwert
durch die erſtaunlich vielen Reifenpannen. Es gab Fahrzeuge,
die ſchon nach den erſten 100 Kilometern beide Reſervereifen
kaputtgefahren hatten und dann zum Flicken auf mittagdurch=
glühter
Landſtraße gezwungen waren. Dieſe vielen Reifenſchäden
waren deshalb beſonders verwunderlich, weil die Strecke an ſich
tadellos, ja, vorbildlich gut, war, und weil auch die Hitze, von
den wenigen Mittagſtunden abgeſehen, nicht ſo groß war, als
hält den Ball, gibt ſchön an Müllmerſtadt, der abſichtlich den daß ſie Veranlaſſung zu den zahlreichen Pneuſchäden hätte ſein
können.
Im bequemen Elitewagen, den der Agrippina=Konzern der
Preſſe zur Verfügung geſtellt hatte, gings um 8½ Uhr vorm. von
Zwickau aus auf die Reiſe. Trotzdem es Alltag war: überall
umſäumten Menſchenmengen die Straßen und grüßten die Fah=
rer
, Schulen bildeten Spalier, die ſonſt ſo autoſkeptiſche Schutz=
mannſchaft
hatte heute Sportsgeiſt und wies die Fahrer zurecht,
ja. feuerte ſie zu noch ſchnellerem Tempo an. Die Freiſtrecken
ſahen manch ſportlichen Zweikampf. Die zuletzt geſtarteten ſtar=
ken
Wagen ziehen in großer Fahrt nach vorn. . . . im 80 Kilo=
metertempo
bergauf raſt Doberenz auf ſeinem zinnoberroten
Auſtro=Daimler an uns vorüber faſt noch ſchneller erſcheinen
die ſtarken 18/60 PS Adler=Sporttypen von Schleſinger=Görlitz
und Dr. Walter=Dresden, die wir paſſieren laſſen, verblüf=
fend
ſchnell iſt der ſchmiſſige Phänomen, von Direktor Hiller=
Zittau, gefürchtet ob ſeiner Schnelligkeit der 9 PS Stoewer
Kordetzans, der heute den Dresdener Rothmann, am Steuer
ſieht. So ſcheinen alle Wagen faſt gleichwertig und laſſen bei
ihrer Beobachtung in Berg= und Flachfahrt durchs Erzgebirge
die Spannung ſteigen, wer von dieſen ſo gleichwertigen Bewer=
bern
ſich in der Berg= und Flachprüfung am Sonntag als der
effektiv ſchnellſte erweiſen wird.
In Brand=Erbisdorf erfriſchen die dort anſäſſigen Elite=
Werke die Sachſenfahrer mit gaſtlichem Imbiß und kühlem
Trunk. Mit einem Stundendurchſchnitt von faſt 73 Kilometer
erreichen wir Wilsdruff, die Zwangskontrolle. Hier vertauſche
ich den Pkeſſewagen mit dem Konkurrenzwagen des Herrn Som=
mer
=Plauen, einem nervigen N.A.G., der im Nu alle vor ihm
liegenden Konkurrenten in ſieghafter Fahrt überholt hat und zu
der ¼ Stunde früher geſtarteten Kleinwagenklaſſe aufrückt. Mit
110 Kilometer gehts die breiten Geradechauſſeen von Meißen
nach Radeberg entlang. Kein Fahrwerk, kein Radfahrer, keine
unvorſichtigen Paſſanten behindern hier die nervenprickelnde
Sportfahrt und laſſen den Geſchwindigkeitstaumel voll genießen.
Vor Königsbrück (hier waren die einzigen ſchlechten Straßen der
ganzen Tagesetappe) ſchließen die Fahrzeuge wieder auf, war=
ten
auf einander, gruppieren ſich. Denn es gilt, nicht zu früh
das Mannſchaftsganze. Eine Kritik über Sportvereins Mann= und nicht zu ſpät die Kontrolle zu paſſieren. Vor Bautzen das=
ſelbe
Pendelfahrtmanöver, und dann, in der vierten Nachmit=
Von Meißen ab war es ſtaubig geworden. Die Sommer=
ſonne
hatte die Straßen getrocknet die 33 Wagen quirlten
Staubwolken auf. Schwarz wie die Mohren, ſo zogen die Sach=
ſenfahrer
ihre Straße, freudig begrüßt überall, wo ſie paſſierten,
in Radeberg, in Kamenz, in Bautzen wie in Löbau.
Das Tagesergebnis? Ein außerordentlich gutes. Trotz der
ſchen Jungens, die meiſt älteren Frankfurter mit 4:3 nieder= verhältnismäßig ſcharfen Durchſchnittstempi hat von den 33 Wa=
gen
nur einer (Kühn auf Freia) Strafpunkte erhalten. Und zwar
wegen, zu ſchnellen Fahrens. (Alſo gleichſam eine Anerken=
ung
.) Bei den Motorradfahrern haben ſich 8 von 37 Straf=
punkte
geholt.
Sportfroh, wie der Sachſenfahrttag begonnen hatte, fand er
in Zittau ſeinen Abſchluß. Mag man ſagen, die 280 Kilometer
dieſes Fahrtages boten ob des herrlichen Wetters und der ſäch=
ſiſchen
Prachtchauſſeen keine ſonderlichen Schwierigkeiten, er=
freulich
iſt dies Ergebnis: von 70 Geſtarteten 68 innerhalb der
Höchſtzeit (bis 5 Uhr nachm.) eingetroffen, in jedem Falle. Es
ſpricht eine beredte Sprache von der Vervollkommnung des Kraſt=
fahrzeuges
.
Deutſche Dauerprüfungsfahrt.
Rund durch das beſetzte Gebiet.
Ein großes, wenn nicht das größte Ereignis auf dem reichhaltigen
Programm der automobilſportlichen Veranſtaltungen dieſes Jahres iſt
die Deutſche Dauerprüfungsfahrt 1924, die vom Wiesbadener Automo=
bil
=Club gemeinſchaftlich mit ſechs Kartell=Clubs, dem Coblenzer A.C.,
Heſſiſchen A.C. Krefelder A.C., Kölner A.C., Rheiniſch=Weſtfäliſchen
A.C. und dem Trierer A.C. geplant iſt und die vom 10. bis 15. Auguſt
ſtattfindet.
Nachdem bereits in einer großen Sportkommiſſionsſitzung am
12. April in Coblenz und in zahlreichen Einzelſitzungen die Vorarbeiten
zu dieſer Fahrt einen befriedigenden Abſchluß gefunden haben, fanden
ſich in letzter Woche in Cochem a. d. Moſel 20 Vertreter der beteiligten
Clubs ein, um über die endgültige Durchführung der Fahrt zu be=
ſchließen
.
Die deutſche Dauerprüfungsfahrt ſoll eine Prüfung für die
Leiſtungsfähigkeit und Ausdauer der Wagen und für die Geſchicklichkeit
der Fahrer ſein. Deshalb ſind ſolche Straßen gewählt, die hohe Anfor=
derungen
an Fahrer und Wagen ſtellen und dabei doch landſchaftlich als
die reizvollſten des deutſchen Rheinlandes gelten. Start und Ziel der
Deutſchen Dauerprüfungsfahrt iſt Wiesbaden, wo die Abnehme der
Wagen am 10. Auguſt erfolgt. Zugelaſſen ſind alle Perſonenwagen nor=
maler
Bauart von 3,5 Steuer P.S. bis 40 Steuer P.S. Nennungs=
ſchluß
iſt der 25. Juli; das Nenngeld beträgt Mk. 200. Nachnennungen
werden mit 50 Prozent Aufſchlag bis zum 5. Auguſt angenommen. Eine
große Anzahl wertvoller Preiſe, darunter der Wanderpreis des
Wiesbadener Automobilklubs, der bereits bei der Deutſchen Dauer=
prüfungsfahrt
1923 ausgefahren wurde, werden der Fahrt einen beſon=
Die Fahrt wird in vier Tagesetappen von durchſchnittlich
400 Km. zurückgelegt und führt am erſten Tage von Wiesbaden über
Kreuznach durch den Hunsrück zur Moſel bis Trier, von da aus durch
die Eifel und das Ahrtal nach Bonn. Am zweiten Tage geht die Fahrt
durch das Siebengebirge und den Weſterwald über Coblenz durch die
hohe Eifel, nach Köln. Der dritte Tag führt bis zur holländiſchen
Grenze über Xanten, Cleve und über Aachen durch die Eifel zur Moſel
und nach Coblenz zurück. Auf der Rückfahrt von Coblenz nach Wies=
baden
am vierten Tage ſind zwei Nennen als Ausſcheidungsprüfungen
eingelegt, ein Vergreynen zwiſchen Bacharach=Rheinböllen und ein
ſieggewohnte D.K.W.=Fahrer (infolge Erkrankung ſeines Soh= Flachrennen zwiſchen Gaulsheim=Ingelheim. Sollten trotzdem Wagen
ein Vergrennen auf die Hohe Wurzel bei Wiesbaden endgültig.
Die Fahrt wird ihren feſtlichen Abſchluß im Kurhaus zu Wies=
baden
finden, wo die Preisverteilung am Abend des 15. Auguſt ſtatt=
findet
.
Ausſchreibungen und Meldeformulare werden von der Geſchäfts=
ſtelle
der Deutſchen Dauerprüfungsfahrt 1924, Wiesbaden, Moritzſtr. 29
ausgegeben; den Teilnehmern aus dem unbeſetzten Deutſchland wird
durch die Geſchäftsſtelle zu erleichterten Bedingungen die Ein= und Aus=
reiſeerlaubnis
für Perſonen und Wagen beſorgt. Es empfiehlt ſich
dieſerhalb eine rechtzeitige Anmeldung.
Um den Silberſchild des Berliner Schlittſchuhklubs haben bisher nur
Schwvierigkeiten im beſetzten Gebiet die weſtdeutſchen Kartellklubs eine
ſo großzügige Veranſtaltung geplant haben und zur Durchführung
Teilnahme, beſonders auch des unbeſetzten Deutſchlands, unterſtützt
und zu vollem Gelingen gebracht wird.
Nur durch das Zuſammenarbeiten aller Clubs des beſetzten Gebiets
konnte dieſer Plan verwirklicht werden. Es ſteht zu erwarten, daß auf
Grund dieſer Erfahrung die Bildung eines Weſtdeutſchen Kartells in
Ausſicht genommen wird, das den um ihre Exiſtenz kämpfenden Clubs
des beſetzten Gebietes die Möglichkeit bietet, ihre gemeinſamen Intereſ=
ſen
wirkſamer zu vertreten und dem deutſchen Automobilſport eine feſte

[ ][  ][ ]

S te 6.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 2. Jnui 1924.

Nummer 153.

Reich und Ausſand.
Im Zeichen des Verkehrs.
Den M. N. N. wird aus Lindau geſchrieben: Nach 10jähriger Unter=
brechung
iſt am Sonntag, 25. Mai, wieder einmal ein bayeriſcher Son=
derdampfer
in die Schweiz gefahren. Die gegenſeitigen Verkehrsſchranken
fallen nun doch allmählich, wenn auch noch nicht offiziell die beſtehenden
Hinderniſſe beſeitigt werden konnten. Gerade am Bodenſee macht ſich
ja die nachteilige Auswirkung der Ausreiſeverordnung beſonders fühl=
bar
. Der neue Reichstag wird wohl ſo verſtändig ſein und in Erken=
nung
der Verfaſſungswidrigkeit des Vorgehens der verfloſſenen Reichs=
regierung
der in das Mäntelchen währungspolitiſcher Maßnahmen ge=
kleideten
Abſperrmaßregel die Genehmigung verſagen.
Der Deutſche Bauerntag in Hamburg.
Hamburg. Anläßlich der 30. Wanderausſtellung der Deutſchen
Landwirtſchafts=Geſellſchaft hatten die deutſchen Bauernvereinigungen
ihre Mitglieder zum Deutſchen Bauerntag 1924 nach Hamburg ein=
berufen
, Freiherr von Kerkering zu Borg, der Vorſitzende der Ver=
einigung
der deutſchen Bauernvereine, eröffnete die Tagung und brachte
die Forderungen der deutſchen Landwirtſchaft zum Ausdruck, die ſich
dahin zuſammenfaſſen laſſen, daß wir wieder Bismarckſche Politik trei=
ben
müſſen. Hierauf nahm der Reichsernährungsminiſter Graf Kanitz
das Wort zu kurzen Ausführungen, die er mehr als Privatmann in
ſeiner Eigenſchaft als Landwirt von den Verſammelten aufgenommen
wiſſen wollte, da er ja dem Miniſterium nur noch als geſchäftsführen=
des
Mitglied angehöre. Der Redner hob beſonders einige Punkte her=
vor
, die das neue Parlament und die neue Regierung beſonders an=
gehen
: das iſt die Löſung der Kreditfrage, überhaupt die Löſung der
Finanzierung der Landwirtſchaft. Trotzdem muß es gelingen, die Land=
wirtſchaft
über Waſſer zu halten. Die neue Regierung wird es als ihre
erſte Pflicht betrachten müſſen, dieſe Geſetze, die vorbereitet ſind, in Kraft
treten zu laſſen, die Geſetze zur Hebung und zum Schutz der deutſchen
Landwirtſchaft, zum Schutz der heimatlichen Produktion. Um dies zu
ermöglichen, iſt ein Geſetz notwendig, das die Produktion ſchützt. Das
Schiff der deutſchen Landwirtſchaft iſt leck geworden. Darum heißt es:
Alle Mann an Deck. Hierauf ergriff der Vorſitzende der Deutſchen

Nentenbank Exzellenz Lentze das Wort zu folgenden Ausführungen:
Als unſere Währung im vergangenen Jahre ſich beinahe totgelaufen
hatte, wurde eine neue Währung in Geſtalt der Rentenmark geſchaffen.
Eine neue Währung kann jeder ſchaffen; wenn ſie aber irgendwie Er=
folg
haben ſoll, muß ſie richtig fundiert ſein. Dieſe Fundierung unſerer
neuen Währung iſt in erſter Linie übernommen worden von der deut=
ſchen
Wirtſchaft, und zwar beſonders von der deutſchen Landwirtſchaft.
Die Folgen, die die Währungsſtabiliſierung mit ſich gebracht hat, emp=
finden
wir jetzt am eigenen Leibe. Jedwede Stabiliſierung, die vor=
genommen
wird, hat eine außerordentlich große Kreditnot zur Folge.
Dieſe Kreditnot kann nicht ohne weiteres abgeſtellt werden, wenn nicht
die ſtabiliſierte Währung in derſelben Minute wieder verloren gehen
ſoll. Unſer Vaterland iſt über die ſchwere Zeit, die das Währungselend
mit ſich gebracht hat, noch nicht hinaus. In einer Reihe von Ent=
ſchließungen
, die von der Verſammlung einſtimmig angenommen wur=
den
, brachten die im Deutſchen Bauernverein zuſammengeſchloſſenen
Verbände ihre Forderungen zum Ausdruck.
Ein Haus des Deutſchtums.
Stuttgart. Anläßlich der diesjährigen Jahresverſammlung
des Deutſchen Auslands=Inſtituts wurde heute der Grundſtein zu einem
Gebäude gelegt, das den Namen Haus des Deutſchtums tragen ſoll. Die
Feier, an der Vertreter ſtaatlicher und ſtädtiſcher Behörden, des Neichs=
tags
und des württembergiſchen Landtags, ſowie der Reichswehr teil=
nahmen
, geſtaltete ſich zu einer machtvollen Kundgebung für das Aus=
landsdeutſchtum
. Anſprachen hielten unter anderem der württembergi=
ſchen
Staatspräſident Rau, der preußiſche Unterrichtsminiſter Dr. Bölitz
und Staatsſekretär von Hintze. In den Reden kam zum Ausdruck, daß
das Gebäude ein Symbol der Einigkeit und der Verbundenheit der
Deutſchen im Auslande mit dem Mutterlande ſein ſolle. Die Reichs=
miniſter
Dr. Streſemann und Dr. Jarres, ſowie der baheriſche Miniſter=
räſident
von Knilling, die am Erſcheinen verhindert waren, hatten
Glückwunſchtelegramme geſandt. Der badiſche Kultusminiſter Dr. Hell=
part
befand ſich ebenfalls unter den Feſtgäſten. Den Abſchluß der
Tagung bildete eine Feſtanſprache des preußiſchen Kultusminiſters Dr.
Bölitz über das Thema Die geiſtigen Beziehungen zwiſchen Heimats=
und Auslandsdeutſchtum, wobei er auch einen Rückblick über den Stand
des deutſchen Auslandsſchulweſens und Winke für ſeine Neubelebung gab.

Examensſchwindel auf Ceylon.
Auch Cehlon hat Examina und Examensnöte. Wie aus Colomöoe
gemeldet wird, macht dort ein großer Examensſchwindel Aufſehen. Fün;
die 24 freien Stellen, die unter den Geiſtlichen des Landes ſind, habenn
ſich 1200 Bewerber gemeldet, die ſich einem ſtrengen Examen unterwer=s
fen müſſen. Man fand nun, daß die Aufgaben in Latein, Diktat, Arith=
metik und Engliſch, die ſich in einem Raum des Erziehungsminiſteriums
befanden, geſtohlen worden waren, daß alſo die Prüflinge bereits vor=
her
Kenntnis von den Aufgaben erhalten hatten. Daraufhin wurde die
ganze Prüfung abgeſagt, und es müſſen erſt neue Aufgaben geſtellt wer=, bevor der große Tag kommt.

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende 9½ Uhr=
Gaſtſpiel der Großruſſiſchen Balalaika=Orcheſters. Kleines Haus, An= f=
fang
7 Uhr, Ende 10 Uhr: Datterich. Orpheum, 734 Uhr=
Das Radiomädel, Städt. Akademie für Tonkun=
abends
8 Uhr: Sonaten=Abend. Verkehrsverein, abendss
81½ Uhr, im großen Saale des Bürgerhofes: Hauptverſammlung.
Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtel=!
lungen.
Verſteigerungskalender Dienstag, 3. Juni.
Mobiliar=Verſteigerung vorm. 9.30 Uhr und nachmittagss
2.30 Uhr: Ernſt=Ludwigſtraße Nr. 9.

Hauxtichriftleitung: Rudolf Mauve
Verantwortlie für Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve
Verantwortlich für Feuilleton und Heſſiſche Nacrichten: Max,Streeſ=
Verantwortlich für Sport: Dr: Eugen Buhlmann
Verantwortlich für Schlußd enſt: Andreas Bauer
Verantwortlich für den Inſeratentell: Willy Kuhle
Druck und Verlag: 2. C. Wittich ſämtlich in Darmſtadt.

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6 abenteuerliche Akte aus der Südsee.
In den Hauptrollen:
Carf Harbansh, Rosemary TheEy,
Georg Seighman, Pauline Stärke
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Ein sonderbares Ereignis in 5 Akten
In den Hauptrollen: Theodor Draschitzky
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Darmſtadt, den 1. Juni 1924.
Die Beerdigung finder Dienstag,
den 3. Juni, um 2½ Uhr, auf dem
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[ ][  ][ ]

Rummer 153.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 2. Juni 1924.

Seite 3.

Erinnerungen a Detlev von Liliencron zu ſeinem 80. Geburtstag
am 3. Juni.
Von Kurt Küchler.
Es war im Sommer des Jahres 1904, wenige Wochen nach
dem Tag, an dem in ſeinem Altrahlſtedter Heim der Dichter
Detlev von Lilieneron ſeinen 60. Geburtstag feiern konnte, über=
ſchüttet
von den Grüßen und Wünſchen aus den Herzen der vielen
tauſend deutſcher Menſchen, die ihn verehrten und liebten, wie
kaum einen anderen.
Wir Göttinger Studenten hatten den Dichter des herrlichen
Poggfred‟=Epos, der zahlloſen Kriegsnovellen aus den Jahren
66, 70 und 71 und der urwüchſig aus holſteiniſchem Heimatboden
entſproſſenen Geſchichten aus Geeſt und Marſch mit unſeren
Grüßen gebeten, zu uns zu kommen, um in unſerem Verein
für Literatur aus ſeinen Werken vorzuleſen. Er ſagte zu.
Zehn Minuten vor dem Eintreffen des Hamburger Schnell=
Zuges ſtanden wir auf dem Bahnſteig, fünf erwartungsvoll ge=
ſpannte
Studenten, zwei Philologen, ein Chemiker, ein Theo=
Koge und ein Mediziner. Pünktlich auf die Sekunde brauſte der
ZZug heran mit kreiſchendem Bremſen, und noch ehe er ſtehen
Blieb, ſahen wir, aus einem Fenſter gebeugt, Detlev von Lilien=
rons
friſches und ſtraffes Soldatengeſicht und ſeine hellblauen,
Funkelnden Augen, die ſuchend hin= und herliefen über das
MNenſchenvolk, das den Bahnſteig füllte. Vald ſtand er zwiſchen
ins jungen Studenten. Wir ſtreckten ihm durcheinander unſere
Hände entgegen und umringten ihn, ſeine braunbehandſchuhte
Hand zu faſſen, die wir herzhaft drückten. Meiſter Liliencron
fedoch ſchaute aufgeregt nach rechts und links und rief:
Meine Herren entſchuldigen Sie ein Herr Anton
Rimphius aus Einbeck muß hier ſein er hat mir geſchrieben
er muß auf dem Bahnhof ſein!
Als er ihn nicht fand, ſchritt er raſch durch die Sperre. Wir
olgten ihm und ſahen, wie er draußen in der Vorhalle auf einen
nrammſtehenden, graubärtigen, etwa ſiebzigjährigen Herrn, der
mit einem feierlichen ſchwarzen Gehrock angetan war, losſtürzte,
ihn heftig in die Arme ſchloß, ihm dann beide Hände ſchüttelte
und immer wieder rief: Mein alter Nimphius mein braver,
ſieber Kerl! Nein, was iſt das für eine Freude!
Dann wandte er ſich an uns: Soll ich Ihnen ſagen, meine
Herren Studenten, wer das iſt? Das iſt der Sergeant Nimphius,
er mir bei Skalitz das Leben gerettet hat! Was, Nimphius, das
war eine Schlacht!
Er legte ſeinen Arm um den graubärtigen Herrn, auf beſſen
eierlichem Gehrock ein paar blanke Medaillen hingen, und er=
jählte
heiß und laut. Scharf und ſchneidig klang ſeine Stimme
durch den Vorraum des Bahnhofs. Reiſende blieben ſtehen und
hörten zu. Gepäckträger mit Koffern auf den Schultern ſtanden
und horchten. Die Beamten hinter den Schaltern reckten die
beälſe. Ein Trupp Korpsſtudenten, rotbemützte Saxo=Boruſſen,
läe eben einen Korpsbruder weggetrunken und weggeſungen
tmtten, drängte ſich heran. Es wurde ganz ſtill in der Halle.
lingend flog Liliencrons markige Offiziersſtimme gegen die
hohen Wände. Mit hochrotem Kopf, in den Augen ein köſtliches
Eemiſch von Freude und Verlegenheit, ſtand der alte Herr
Mimphius und verſuchte vergebens, ſeinen alten Leutnant zum
Eichweigen zu bringen. Der erzählte unbekümmert:
Das war eine Schlacht in Böhmen 1866. Mein Feldwebel
einen Schuß mitten ins Herz da lag er neben mir tot. Ein
örterreichiſcher Offizier es war ein prachtvoller, ſchöner Kerl
zwei Schritt vor mir zielt mit einem Revolver auf mich und
ſSießt. Der Schuß geht in den Leib, und ich falle um. Nach
eiem Moment mache ich die Augen wieder auf. Ich ſchau wie
durch einen Nebel von Blut. Der öſterreichiſche Offizier hat noch
inimer den Revolver auf mich gerichtet. Da ſpringt mein Ser=
g
ant Nimphius heran und rennt dem Offizier das aufgepflanzte

Seitengewehr durch den Leib. Der prachtvolle, große Kerl fällt
gleich um und iſt tot. Einen Moment ſpäter und er hätte mich
totgeſchoſſen. Ich falle in Ohnmacht mein wackerer Sergeant
Nimphius ſchleppt mich aus der Schlacht.
Wir ſchüttelten dem Lebensretter, der vor lauter Verlegen=
heit
lachte, die Hände. Hätten wir Bier zur Hand gehabt, wir
hätten ihm an Ort und Stelle einen kräftigen Salamander ge=
rieben
. Lilieneron ſchüttelte ihm die Arme:
Menſch, war das eine Freude, als Sie ſchrieben, Sie woll=
ten
von Einbeck nach Göttingen kommen und meinen Vortrag
hören. Wie lange haben wir uns nicht geſehen! Nun bin ich
ein teutſcher Tichter und Verſedrechſler und Deklamator! Heut
abend, da leſe ich die Sommrerſchlacht vor, ganz allein für Sie.
Ich ſehe keinen anderen Menſchen im Saal an. Ich leſe ganz,
ganz, ganz allein für Sie!
Der Dichter ſchwieg. Mit kräftigem Stoß ſchob er ſeine leder=
bekleidete
Hand unter den rechten Arm ſeines Lebensretters, und
wenige Minuten ſpäter ſchritten wir mit dem Poeten und ſeinem
alten Waffengefährten durch Göttingens alte Straßen, vorbei an
dem ein wenig baufällig erſcheinenden Inſtitut für experimen=
telle
Pſychologie und an dem uralten turmloſen Kirchengehäude,
in der die gewaltige Univerſitätsbibliothek untergebracht war,
und an Häuſern vorbei, über deren Eingangstüren auf marmor=
nen
Tafeln die Namen berühmter Göttinger Profeſſoren ſtanden
und anderer hiſtoriſcher Perſönlichkeiten, wie Bismarck, wie
Gauß und Weber, die Erfinder des Telegraphen und des Tele=
phons
, die Namen Heinrich Heines und der Dichter des Hain=
bundes
Boie, Hölty und Leiſewitz.
Vor dem großväteriſch anmutenden Hotel Zur Krone in
der Weenderſtraße machten wir Halt. Bald nach einem herzlichen
Abſchiedsgruß war der Dichter mit ſeinem Kriegskameraden durch
das Portal des alten Hotels verſchwunden.
Am Abend ſaß Anton Nimphius, der alte Sergeant, in ſei=
nem
ſchwarzen, feierlich langen Rock, auf dem die Kriegsmedaillen
von 1866 und 1870 blitzten, ganz dicht vorm Rednerpult, an dem
Liliencron aus ſeinen Dichtungen las. Er ſaß ganz ſtill, hielt
die Hände im Schoß gefaltet und ſchaute mit großen, erſtaunten
Augen auf ſeinen früheren Leutnant, der nun ein berühmter
Dichter war, und der ihm das Leben dankte. Während Detlev
n Liliencron die Sommerſchlacht las, ging eine Bewegung
durch die Muskeln des ehrwürdig alten Geſichts, und ein Zucken
umflog den bislang feſtgeſchloſſenen Mund. Als die Schilderung
der Lebensrettung kam, die der Dichter aus einer ſo ſtarken inne=
ren
Bewegung las, daß die Zuhörer, im Tiefſten ergriffen, atem=
los
lauſchten, rannen dem alten Sergeanten die hellen Tränen
in den weißgrauen Bart.
Eine Stunde ſpäter ſaßen der Dichter und ſein alter
Kriegskamerad in meiner kleinen Studentenbude, im weichen
Polſter des über und über mit Lorbeerzweigen geſchmückten
Sofas um den runden Tiſch herum, auf dem eine Bowle aus
Rheinwein und Maikräutern wundervolle Düfte verſtrömte, ſaßen
mit leuchtenden Augen und heißem Herzen wir jungen Studen=
ten
. Das erſte Glas galt dem alten, grauhaarigen Nimphius,
dem unſer deutſches Volk zu danken hat, daß ſeine Tapferkeit
und Entſchloſſenheit ihm einen Dichter erhalten hat, deſſen Werk
noch heute tief in vielen tauſend Herzen lebendig iſt. Das zweite
Glas dem Poeten, der jung war und ſtrahlend wie die ſtuden=
tiſche
Jugend, die ihn umgab und der das dritte Glas galt, be=
gleitet
von ſchönen und ſprühenden Worten des Dichters.
Heute, ſeit dem 22. Juli 1909, auf dem kleinen Friedhof
Altrahlſtedt deckt ewig grünendes Lorbeergebüſch ſein Grab. Zu
Häupten ein Denkmal, eingemeißelt das Bildnis einer anmuti=
gen
jungen Mädchengeſtalt, in den Händen eine Girlande ſchnee=
weißer
Roſen.
Vier Jahre ſpäter, faſt achtzigjährig, ein Jahr vor Ausbruch
des großen Krieges, iſt auch der alte Sergeant Nimphius ge=

ſtorben. Hat eine freundliche Hand ewig grünenden Lorbeer auf
ſeinen Grabhügel gepflanzt!? Ich habe es getan in Gedanken, die
heraustauchten aus unvergeßlichem Erinnern.

Erhaltung der Zähne.

In einem ſehr guten Aufſatz Gebißgymnaſtik macht in Nr. 34 des
Dahein Dr. Schwake auf die ſchweren Gefahren aufmerkſam, die
für den Einzelnen wie für unſer ganzes Volk im Rückgang der Gebrauchs=
fähigkeit
unſerer Kauwerkzeuge liegen. Er weiſt darauf hin, daß man
ſein Gebiß üben muß, wenn man es ſtark erhalten will, und zwar müſſen
dieſe gymnaſtiſchen Uebungen ſchon beim Kleinkinde einſetzen, wenn ſie
Erfolg haben ſollen. Er ſagt u. a.:
Von der erſten Zahnbildung an ſollte man die Kinder auf härtlichen
Gegenſtänden fleißig kauen und als das Natürlichſte Knochen, Knüſte,
Johannisbrot uſw. benagen laſſen. Darüber hinaus wären gebißgym=
naſtiſche
Spiele und Uebungen zu pflegen, wie Tauziehen, Schleuderball,
Sichfeſthalten frei vom Boden, Aufheben von Gewichten und anderes
mehr. Mit dieſen Maßnahmen müßte mindeſtens bis zur Vollentwicklung
des Gebiſſes nach dem Wechſeln der Zähne fortgefahren werden. Die
direkte Folge einer ſo vermehrten Gebißbetätigung iſt eine weſentlich er=
höhte
Blutzirkulation. Das Blut führt aber die fleiſch=, knochen= und
zahnbildenden Stoffe und den das Leben in den Körperzellen unterhalten=
den
Sauerſtoff. An ein ideales menſchliches Gebiß iſt die Mindeſtfor=
derung
zu ſtellen, daß es, feſtgebiſſen an einem Tau, das Gewicht des
dazu gehörigen Körpers trägt. Wie wenige ſind dazu heute noch im=
ſtande
, ohne befürchten zu müſſen, Schaden an ihren Zähnen zu leiden;
bricht doch ſchon ſo mancher Zahn bei der Bearbeitung eines Knuſtes!
Unwillkürlich denken wir zurück an unſere Kindheit und hören im Geiſte
noch deutlich die wohlgemeinten Ermahnungen unſerer Erzieher, wenn
ſich unſere Luſt und unſer Tatendrang in gebißlichen Leiſtungen auszu=
toben
verſuchte. Heute erſt erkennen wir auch den pädagogiſchen Fehler
und fordern ausgiebige gebißliche Betätigung, aber und das iſt wich=
tig
! von der erſten Kindheit an. Nur wenn die Milchzähne kraftvoll
ſich entfalten, iſt die Möglichkeit gegeben, das ſchönſte und wichtigſte Or=
gan
des Menſchen vor frühzeitigem Verfall und Entartung zu bewah=
ren
! Es ſoll nicht unterlaſſen werden, hier die Warnung einzuflechten,
daß ſich nun etwa Erwachſene an harten Gegenſtänden verſuchen, denn nir=
gends
iſt das Sprichwort: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nim=
mermehr
! angebrachter als hier. Woran während der Wachstums=
periode
die Zähne nicht gewöhnt wurden, das vermögen ſie ſpäter nie
zu leiſten. Immerhin iſt auch bei ihnen eine mit Vorſicht aufgenommene
vermehrte Anregung heilſamer als das aus Unkenntnis dieſer biologi=
ſichen
Belange leider ſo viel geübte Schonen der Zähne, womit näm=
lich
am ſicherſten und ſchnellſten ein zahnloſer Mund erzielt wird. Außer=
dem
könnte die unerbittliche Natur in dieſem Falle gar zu leicht geneigt
ſein, aus jener zu wenig beanſpruchten Körperpartie auch nur ein ent=
ſprechendes
Minimum an Entwicklungsſtoff in die Chromoſomen ( Ver=
erbungsmaſſe
) der Fortpflanzungszellen hineinzulegen (Degeneration).
Bei dieſer Gelegenheit ſei darauf hingewieſen, daß für alle Wander=
und Reiſeluſtigen die gleiche Nummer des Daheim eine ausgezeichnete
Anweiſung für eine achttägige Tour durch die Lüneburger Heide enthält.

Geſchäftliches.

Hohentwiel=Feſtſpiele 1924. Die als Freilichtſpiele auf
dem Hohentwiel (Bahnſtation Singen=Hohentwiel) ſeit 1920 beſtehenden
Feſtſpiele werden auch in dieſem Jahr und zwar in der Zeit vom
17. Juni bis 24. Auguſt durchgeführt. Die Spiele werden von der
Scheffelgemeinde auf dem Hohentwiel e. V. (Vorort des Deutſchen
Scheffelbundes) durchgeführt. Die künſtleriſche Leitung hat Oberregiſſeur
Felix Baumbach vom Landestheater Karlsruhe übernommen.
In einem gut geführten Haushalte wird die Haus=
frau
nur bewährte Fabrikate verwenden. Die Erfahrung hat gezeigt,
daß die Hausfrau dann am beſten haushält.
Dieſer Wink für die Hausfrau gilt im beſonderen Maße für das
tägliche Kaffee=Getränk. Als der feine und ſparſame Zuſatz zum Kaffee
hat ſich infolge ihrer überraſchenden Ausgiebigkeit Pfeiffer & Dillers
Kaffee=Eſſenz bewährt. Die Ausgiebigkeit neben dem reinen feinen
Geſchmack ſind die auffallenden Eigenſchaften der Pfeiffer &. Dillers
Kaffee=Eſſenz. Grund genug alſo, künftig nur Pfeiffer &. Dillers
Kaffee=Eſſenz zu verwenden und in keiner Küche ausgehen zu laſſen.
Warum wollen Sie nicht die gleichen Vorteile genießen wie zum
Beiſpiel ihre Frau Nachbarin? Verlangen Sie bei ihrem Kaufmann
nicht einfach Kaffee=Eſſenz, ſondern ſagen Sie ausdrücklich Pfeiffer
& Dillers Kaffee=Eſſenz.
F. 7203

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Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 2. Jnni 1924.

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