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Nummer 84
Montag, den 24. März 1924.
187. Jahrgang
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aufträge und Teiſtung von Schadenerſatz. Bei
Konkurs oder gerichtlicher Beitreibung fällt ſeder
Rabat weg. Banſlonto: Deutſche Bank und
Dam=
ſtädter 8 Nationalbank.
Dr. Streſemann über die politiſche Lage.
Vor wichtigen Entſcheidungen. — Die Politik der Kompromiſſe. — Für eine nationale Volksgemeinſchaft. — Die geiſtige
Enſelung der Völker zu Deuſchland.—Diesuneppolifk der Deutſchen Bolspartei. Das Paterland über die Dortei.
Darmſtadt, 24. März. Auf Veranlaſſung der Deutſchen
Volkspartei fand geſtern vormittag in der Turnhalle am
Woogs=
platz eine große öffentliche Verſammlung ſtatt, die weitaus
über=
füllt war.
Rechtsanwalt Abg. Dingeldey
eröffnete die erſte Verſammlung in dieſem Wahlkampf mit
herz=
licher Begrüßung der ſo zahlreich Erſchienenen. Er begrüßte
beſonders den Parteiführer, der hier ſchon oft geſprochen, und
in ihm auch den deutſchen Reichsaußenminiſter; er begrüßte
ferner den Reichstagsabgeordneten für Heſſen Dr. Becker. Der
kommende Wahlkampf wird ſchwer werden, aber wir treten mit
Vertrauen und mit beſten Ausſichten in dieſen Wahlkampf ein,
denn ſowohl unſere Führer, wie wir alle, haben ſtets danach
ge=
ſtrebt, das Vaterland und ſeine Geſchicke über die Partei zu
ſtellen. (Beifall.)
Reichsaußenminiſfer Dr. Streſemann
mit lebhaftem Händeklatſchen begrüßt, führte etwa aus: Das
kommende Jahr bringt nicht nur für das deutſche Volk, es bringt
faſt ſür die ganze ziviliſierte Welt wichtige Entſcheidungen, die
die Weltpolitik ſehr ſtark beeinfluſſen werden. In England haben
die Wahlen ſtattgefunden mit dem Reſultat, daß zum erſtenmal
eine Regierung der Arbeiterpartei ans Ruder kam. In
Frank=
reich und Italien ſtehen die Wahlen noch aus, ebenſo wie bei
uns. Wir ſollten, wenn wir jetzt in den Wahlkampf eintreten
und demnächſt zur Wahlurne ſchreiten, nie vergeſſen, daß die
Diesnaligen Wahlen von weltpolitiſcher Be=
Deutung ſind. (Sehr wahr!) Wenn das alles auch im Vor=
Dergrund des Intereſſes ſteht, ſo iſt für uns doch von gleich ſtar=
Fem Werte
die deutſche Innenpolitik.
Such ſie hat einſchneidendſte Bedeutung gehabt und ſteht auch
bei den kommenden Wahlen vor entſcheidenden Entſchlüſſen.
Solange wir in Deutſchland nicht die Zwei=
Parteien=Konſtellation haben, wird es bei
uins. nichts anderes geben können, als eine
Politik der Kompromiſſe. Gewiß gibt es für jede
PPartei durchaus gewichtige Grundſätze, um die ſchwer und ernſt
gekämpft werden muß und darf. In dem Augenblick aber, wo
rvir außenpolitiſch vor ſo ſchwer wiegenden
Entſcheidun=
gen ſtehen, müſſen all dieſe Dinge zurückgeſtellt werden. Müſſen
wir nach außen hin nicht etwa das Bild innerer
Zerriſſen=
heit geben, ſondern das Bild geſchlofſener nationaler
Einheit. (Lebh. Bravo!) Die einzigen Siege, die das
deut=
ſche Volk errungen hat, waren die Siege der Volkseinheit in den
großen Abſtimmungen. Ich habe nie unterlaſſen, beſonders dem
Auslande gegenüber immer wieder darauf hinzuweiſen, daß das
von unendlich großer Bedeutung iſt. Daß es viel leichter iſt, ſich
in Zeiten der Ruhe und des Wohllebens zum Vaterland zu be=
Eennen, als in Zeiten der Verarmung, Zerſtückelung, da
Lockun=
gen mächtiger Feinde am Werke ſind, uns auseinanderzureißen.
Hier hat ſich in den Abſtimmungen der feſte Wille zur nationalen
Einheit gezeigt.
Das ſollte uns immer Vorbild ſein. Die große Idee muß
vie ſein, die Parteien zuſammenzuführen, nicht ſie
gegen=
einander aufzuhetzen, ſich gegenſeitig belämpfen. (Sehr richtig!)
Ich ſelbſt habe nun in vier Miniſterien der Reichsregierung
mit=
gearbeitet. Gewiß, wir alle haben oft unter dem Eindruck
ge=
ſtanden, daß wir Siſyphusarbeit leiſten, daß wir immer
twieder vergeblich eine.
Reichsaußenminiſter Dr. Streſemann
Originalzeichnung für das Darmſtädter Tagblatt.
iſt, meine ich, wenig erfreulich, daß der Miniſterpräſident eines
Bundesſtaates in öffentlicher Volksverſammlung derart gegen
die Reichsregierung Stellung nimmt. Das gibt kein Bild von
geſchloſſener nationaler Einheit. Herr v. Knilling hätte
Gelegen=
heit gehabt, ſich jederzeit im Reichsrat darüber zu unterrichten,
daß er auch ſachlich und tatſächlich im Irrtum war. Die
Reichs=
regierung kann nicht über alle Einzelheiten
ihrer Tätigkeit öffentlich Rechenſchaft geben.
Aber im Reichsrat hätte Herr von Knilling
er=
fahren können, daß doch ſehr viel in dieſen
Fra=
gengeſcheheniſtundgeſchieht. Gerade in der
Kriegs=
ſchuldfrage aber ſollte das ganze Volk geſchloſſen und einig
daſtehen. (Sehr richtig!)
Es iſt kein Zweifel, daß die
Löſung des Reparationsproblems
geiſtige Einſtellung der Völker
und der übrigen wichtigen Probleme ſuchen. Aber was hätte es
uns gefrommt, einfach zu ſagen, wir werfen nunmehr alles hin,
es iſt zwecklos. Das wäre natürlich einfacher geweſen; aber war
es nicht unſere Pflicht, immer wieder zu verſuchen, einen
Aus=
veg zu finden, der unſere Exiſtenz ſicherte, uns zum mindeſten
ein Weiterleben ermöglichte. (Sehr richtig!) Gewviß wäre es
eichter geweſen, eine Entſcheidung durch die Waffen
an=
zeurufen. Aber wäre es nicht Wahnſinn, das heute zu tun, da
wir waffenlos einer Welt voll Waffen gegenüberſtehen. Ich
onnte nun einmal keine andere Politik führen als die eines
entwaffneten, reſtlos waffenloſen Volkes. Man hat uns das zum
Vorwurf gemacht; waffenlos ſei nicht wehrlos. Aber das habe
ſch nie behauptet. Unſere einzige Waffe, unſere einzige
Wehr iſt eben die große nationale
Volksgemein=
ſchaft. (Lebh. Bravo) Immer wieder das betonen: wir ſind
ein einiges Volk von 60 Millionen; wir ſordern unſer Recht,
uinſere Exiſtenz. Nur das können wir in die Wagſchale werfen,
Darum ſoll man aber keine Dolchſtoßpolitik treiben, die uns nur
völlig in den Abgrund treiben kann. Gewiß iſt es leicht, zu
fordern: zerreiß den
Verſailler Vertrag!
Olber was wäre damit gewonnen? Iſt es nicht richtiger, jedes
Mittel zu verſuchen, unſeren Brüdern im beſetzten Gebict das
Daſein erträglich zu machen, anſtatt ſie reſtlos der brutalen
Sewalt auszuliefern. (Sehr wahr!) Gewiß kann man fordern,
Frankreich gegenüber die Stellung der letzten Konſequenz
ein=
tunehmen. Das wäre die ultima ratio resis der Kriege, die
Entſcheidung mit den Waffen. Wer wird das mit gutem
Ge=
wiſſen raten und verautworten können?
Wir proteſtieren und demonſtrieren ſehr oft, bei allen
mög=
lichen Anläſſen. Ich meine, wir ſollten diel mehr und diel öfter
demonſtrieren für die Zurücknahme der
Aus=
weiſungen, für die Freigabe der Gefangenen.
Sehr wahr!)
Mit ſtarkem Befremden habe ich geſtern die
Rede des bayeriſchen Miniſterpräſidenten
Dr. v. Knilling geleſen, der in einer Volksverſammlung der
Reichsregierung den Vorwurf machte, daß ſie
nder Kriegsſchuldfrage nichts tue u. dgl. m. Es
Deutſchland gegenüber heute eine andere iſt, als ſie es vor Jahren
— in der erſten Zeit nach dem Kriege — war. Es hat nach dem
Kriege eine Zeit gegeben, in der man in Amerika überhaupt nicht
von Deutſchland ſprechen durfte und wollte. Heute hat man
drüben ſeine Anſicht über Deutſchland und die Kriegsſchuld
geändert; heute kommen, amerikaniſche
Sachverſtän=
dige nach Deutſchland zur Prüfung der Reparationsprobleme
und dergleichen mehr. Das kommt doch nicht von ſelbſt. Das iſt
doch eine Folge der Einſtellung des deutſchen Volkes, der
deut=
ſchen Politik. Man hat drüben eingeſehen, daß wir geſchloſſen,
unter Umſtänden mit brutalen Mitteln, gegen
die eigenen Volksgenoſſen um unſere Exiſtenz
ringen; daß wir uns trotz allem und allem behaupten. Dieſe
geiſtige Umſtellung der Völker uns gegenüber iſt doch nicht von
ſelbſt gekommen. Das kann nicht von heute auf morgen kommen.
Dazu ſind Jahre ernſten Arbeitens erforderlich. Das
deut=
ſche Volk ſollte doch endlich mehr Verſtändnis
für unſere Außenpolitik haben. (Lebh. Bravo) Sollte
einſehen, daß das Außenminiſterium nicht ſchläft, ſondern
ziel=
bewußt das Notwendige und Erreichbare zu erreichen ſucht. Auch
in England und auch in Frankreich war dieſe geiſtige Umſtellung
dem deutſchen Volke gegenüber zu bemerken.
Die
Beſchlüſſe der Sachverſtändigen=Kommiſſion
werden manches bringen, was uns unannehmbar, unmöglich
er=
ſcheint. Dieſe Kommiſſion hat in erſter Linie wirtſchaftliche
Be=
deutung. Man kann zwar ſagen, daß die Wirtſchaft nicht die
Hauptſache in unſerer Politik iſt, aber ſie iſt für uns, die wir
unter dem Kulturniveau leben, von ungeheuerer Wichtigkeit.
Von den Beſchlüſſen bzw. Vorſchlägen der Sachverſtändigen=
Kommiſſion iſt der der bedeutſamſte, daß die
Beſatzungs=
koſten in Zukunft von den Beſatzungsſtaaten
ſelbſtzutragen ſind, d. h., daß jeder Staat ſoviel
Solda=
ten im beſetzten Gebiet unterhalten kann, wie er von unſeren
Reparationsgeldern erhalten kann.
Nedner kommt dann auf die Gründung der
Goldnotenbank
zu ſprechen, die ſchon vielfach bekämpft wurde, weil ſie eine
ge=
wiſſe Finanzkontrolle durch das Ausland bedeutet. Wenn wir
aber dadurch erreichen können, daß die deutſchen Bahnen wieder
deutſch werden, daß das Ruhrgebiet geräumt werde, daß alle
Ausgewieſenen zurückkehren können und alle Gefangenen aus
den Gefängniſſen entlaſſen werden, was iſt da höher zu
be=
werten?. Man hat mir, beſonders Herr Helfferich hat mir
den Vorwurf gemacht, daß ich mich ganz auf eine Verſtändigung
mit Frankreich eingeſtellt habe. Ich muß das auf das
ent=
ſchiedenſte zurückweiſen. Ich habe niemals ein
Ver=
ſtändnis mit einem Staat allein geſucht. Hätten wir ſonſt
er=
reicht, daß England uns eine Anleihe gewährt, daß es ſeine
Reparationsabgabe von 25 auf 5 Prozent
her=
abſetzt?. Wir ſuchen beſonders in unſerer wirtſchaftlichen
Entwickelung Verſtändigung, richtiger geſagt Beſſerung der
Be=
ziehungen zu allen ehemals feindlichen Völkern. Es iſt darum
unverantwortlich, daß man von gewiſſer Seite beſonders im
Auslande in Form von Interviews Stimmung gegen unſere
Außenpolitik macht. Es iſt nicht richtig, daß wir eine Rede
Muſſolinis nicht genügend beachtet haben. — Redner kommt
dann kurz auf die
deutſche Innenpolitik
und beſonders auf die der deutſchen Volkspartei zu ſprechen,
und tritt den gegen ihn erhobenen Vorwürfenwegen ſeiner
Bildung der großen Koglition, ſeinem
Zuſammen=
gehen mit der Sozialdemokratie entgegen. Er erinnert an die
Situation, die ſeinerzeit herrſchte. Die erſte Aufgabe war
da=
mals die, gegen den Kommunismus zu kämpfen.
Soll=
ten wir uns dieſem Kampfe nicht anſchließen, ſollten wir eine
geſchloſſene Front der Linken gegen uns errichten? Wiekann
man uns da Marxismus vorwerfen?. War es etwa
marxiſtiſch, daß wir die Reichswehr in Sachſen
ein=
marſchieren ließen?. War es marriſtiſch, daß wir dem
deut=
ſchen Kronprinzen die Rückkehr in die Heimat
ermög=
lichten mit Einverſtändnis der Sozialdemokratie? So könnte ich
noch eine ganze Reihe von Dingen anführen, die mich davor
be=
wahren ſollten, mir vorzuwerfen, ich habe die Politik der
Sozial=
demokratie gemacht. (Sehr wahr!) — In der
Währungsfrage
gab es für uns nur zwei Wege: Entweder ſo weiter leben wie
bisher mit der endloſen Geldentwertung, oder Aenderung der
Währung dadurch, daß wir uns wieder auf eigene Füße ſtellen
dadurch, daß wir unſere Währung feſtigten. — Der
Abbau der Beamten
und der Beamtengehälter war unerläßliche Notwendigkeit. Wer
das beſtreitet, iſt Demagoge. Der Währungswechſel iſt das
Furchtbarſte geweſen, was uns paſſieren konnte. Wenn
Frank=
reich ſeine im Kriege zerſtörten Provinzen ſtark betonte, ſo war
das gewiß ſchmerzlich. Richtig iſt, daß wir keine
zer=
ſtörten Provinzen hatten, daß die wenigen, die
uns zerſtört wurden, wieder aufgebaut ſind.
Der Vährungszerfall aber hat uns unendlich
Schwereres gebracht, es hat das ganze Volk
de=
möraliſiert, hat uns einen Stand vernichtet, der einſtens
Träger unſeres Volkes war, den geſamten Mittelſtand. Die beſte
Bekämpfung des Separatismus war die
Schaf=
fung einer feſten Währung. Wenn man geſchichtliche
Vergleiche gelten laſſen will, ſo erinnere ich an die Schaffung des
franzöſiſchen Nationalfeiertags. Das ganze Volk zog hinaus,
um der Vernichtung der Aſſignatenplatten beizuwohnen, die
die Währung in Frankreich wieder feſtigte. Bei uns hat man
das nicht nur nicht gefeiert, bei uns hat man die Feſtigung
unſerer Währung mit heftigen Kämpfen gegen die Regierung
begleitet. Es iſt töricht, heute um den Vater der
Währungs=
reform zu ſtreiten. Wir ſind Herrn Helfferich dankbar für ſeine
Mitarbeit, wenn die Regierung ſchließlich auch andere, eigene
Wege ging.
Redner kommt dann auf den
Putſch in Bayern
zu ſprechen. Die Regierung, die im Kampfe gegen den
Kommu=
nismus die Reichswehr in Sachſen einmarſchieren ließ, hätte
erwarten dürfen, daß ihr im Kampfe gegen die äußerſte Linke
nicht die äußerſte Rechte in die Flanke fiel. (Sehr
richtig!) Die Herren wollten nach Berlin marſchieren. Niemand
ſcheint ſich darüber den Kopf zerbrochen zu haben, was man denn
eigentlich da in der Wilhelmſtraße wollte, welche Außenpolitik
man führen wollte. Man wollte die ſchwarz=weiß=rote
Fahne über den Rhein tragen. Wenn man das will,
muß man aber eine Armee hinter ſich haben, ſonſt bleibt das
ein Verbrechen am Volk.
(Langanhaltendes Händeklatſchen.) Man hat in Nürnberg einen
Rütliſchwur von 60 000 Gewehren” geleiſtet. Was ſoll das? Es
kann doch nur Herrn Nollet neue Handhaben für die Ausdehnung
der Militärkontrolle geben. Hat man ganz vergeſſen, daß es
auch nationale Pflicht ſein kann, ſchweigen zu
können? (Stürmiſches Bravo))
Wir haben in unſerer Politik nichts anderes gewollt, als dem
deutſchen Volke zu dienen. Das allein war uns ſtets Leitſtern.
Wenn man nun heute uns weisſagt, wir werden Einbuße
er=
leiden, ſo weiß ich nicht, ob das Wahrheit werden wird. Ich
weiß aber,
daß die Verluſte im Schützengraben der
Veraut=
wortung ſchwerer ſind, als die in der Etappe
der Oppoſition.
Wir ſtellten ſtets einzig und allein das Vaterland, über
die Partei. In dieſem Streben kann uns auch nichts
wan=
ken machen, wenn die Partei Schaden erleidet, wenn das
In=
ſtrument beſchädigt wird. Wenn nur dem Vaterland gedient
wurde. (Langanhaltendes Händeklatſchen. Bravorufe.)
Abgeordneter Dingeldey
ſchloß mit herzlichen Worten des Dankes und mit einem begeiſtert
aufgenommenen Hoch auf das deutſche Volk, das deutſche
Vater=
land, unſer geliebtes Deutſchland, die Verſammlung.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 24. März 1924.
Seite 2.
Nummer 84.
nach dem Umſturz der geſamten Staatsordnung eine Vertretung
Vom Tage.
zu wählen, die eine neue Verfaſſung beſchließen ſollte. In ein=
Eine Rede des Reichskanzlers
in Elberfeld.
ſprach heute hier in der Stadthalle in einer öffentlichen
Verſammlung, mit der die Zentrumspartei des
Wahl=
kreiſes Düſſeldorf=Oſt, die den Reichskanzler an die Spitze der
Kandidatenliſte geſtellt hat, die Wahlbewegung eröffnete. Die
von über 5000 Perſonen beſuchte Verſammlung bereitete, dem
Reichskanzler einen überaus herzlichen Empfang. Der
Reichs=
kanzler dankte, indem er ſeiner langjährigen Tätigkeit als Richter
in den Rheinlanden und auch beſonders in Elberfeld gedachte,
für die äußerſt warme Begrüßung. Weiter gedachte er ſeines
Beſuches in Wien und erklärte, die heutige Gelegenheit ſeines
wollen, den öſterreichiſchen Brüdern herzlichen Gruß von dieſer ruſſiſche Delegation, unter Führung des Berliner ruſſiſchen Botſchaf=
Stelle zu ſenden und ihnen öffentlich zu danken für den überaus
herzlichen und warmen Empfang, den der Reichsminiſter Dr.
Streſemann und er ſowohl in Regierungskreiſen als auch bei der
geſamten Einwohnerſchaft Wiens gefunden hätten. Der
Reichs=
kanzler führte dann etwa folgendes aus:
Der Reichstag iſt aufgelöſt. Das deutſche Volk ſoll durch
Wahlen eine neue geſetzgebende Vertretung ſchaffen. Der erſte
Reichstag der deutſchen Republik hat nicht das Ende ſeiner ver= ſierten Perſönlichkeit erklärt, die Konferenz zwiſchen Poincaré und
faſſungsmäßigen Legislaturperiode erreicht, weil er angeſichts
der großen Not des Vaterlandes eine Fülle geſetzgeberiſcher
Arbeit, die zur Ablenkung der Kataſtrophe getan werden mußte,
zu leiſten nicht imſtande war. Dieſe Feſtſtellung bedeutet nicht die nach Waſhigton gekommen iſt, um über die Konſolidierung der
einen Vorwurf, denn nie hat ein Parlament vor größeren und
ſchwereren Aufgaben geſtanden, wie nie ein Volk Größeres
ge=
leiſtet und Schwereres erlitten hat als das deutſche, das jetzt ſchon
ſeit zehn Jahren in ſteter Not lebt. Wem ſoll der deutſche
Staats=
bürger ſeine Stimme geben? Das iſt eine Gewiſſensfrage, die
von uns allen demnächſt beantwortet werden muß. Ueberlegen
wir uns ohne Leidenſchaft und Voreingenommenheit: Was iſt geſtern aus Paris nach Brüſſel abgefahren.
das Ziel unſerer politiſchen Betätigung angeſichts der Lage von
erhaltung der Einheit des Reichs und die Aufrichtung
unſeres infolge des Krieges und der Wirren der Revolution zu
Boden geworfenen Volkes. Dieſes Ziel hat dem Zentrum und
den von ihm maßgebend beeinflußten Regierungen der letzten
Jahre vorgeſchwebt. Alle Kraft hat es für die Erreichung dieſes nommen,
Zieles eingeſetzt. Wir ſtanden vor der Frage, die auch jetzt noch
die Leidenſchaft in hohem Maß erregt: Welche
Außenpoli=
tik wollen wir treiben, um das geſteckte Ziel zu erlangen? Daß
der Friedensvertrag von Verſailles untragbar iſt, iſt die klare
Anſicht des ganzen Volkes. Insbeſondere ſchmerzt der Vertrag,
weil die in ihm enthaltene Beſchuldigung Deutſchlands, allein wohl auch niemand von denen, die ſo gern das Wort „national”
am Ausbruch des Krieges die Schuld zu tragen, durch die objek= im Munde führen, ſagen kann, wie bewaffneter Widerſtand für
tive wiſſenſchaftliche Forſchung Lügen geſtraft iſt. Kein Wunder, uns möglich ſein ſoll. Weit mehr ſcheint mir echt nationale
Ge=
daß ein Teil des Volkes verlangt: Auflehnung gegen die
Be=
ſtimmungen dieſes Diktats mit aller Macht, keine Nachgiebigkeit Pflichten im Dienſte des Volksganzen auszuzeichnen „um Schwe=
und keine Schwäche, ſondern Verweigerung jeglicher Erfüllung. reres von ihm fernzuhalten. So ſehr es verſtändlich iſt, daß gegen
Was würde die Folge ſein, wenn dieſer Weg eingeſchlagen wer= die zahlreichen nationalen Demütigungen, die unſer Volk ſeit 1918
den würde? Der Sieger von Verſailles iſt in vollem Beſitze hat ertragen müſſen, ein ehrenhafter nationaler Wille und der
ſeiner Macht. Rückſichtslos bis zum Aeußerſten würde er ſie Wille zu nationaler Freiheit ſich aufbäumt, ſo iſt es doch
not=
anwenden, und ſtets angewandt haben, falls wir mit einer wendig, mit kühlem nüchternen Verſtande die unglückliche Lage
großen Geſte die Erfüllung der uns auferlegten Verpflichtungen unteſeres Vaterlandes zu betrachten und ohne Parteihaß und
abgelehnt hätten. Wir ſind ein waffenloſes Volk. Geradezu / Parteileidenſchaft geſchloſſen den opfervollen und ehrlichen Weg
Wahnwitz wäre es geweſen, den Gegner zu äußerſter Gewalt= der Erfüllung der unabwälzbaren harten Verpflichtungen zu
anwendung zu reizen. Das Zentrum hat ſich entſchloſſen, den gehen. Das iſt weit eher Befreiungs= als Erfüllungspolitik. Die
Verſuch zu machen, die ſchweren Laſten des Verſailler Diktats Wahlbewegung wird den inneren Parteiſtreit um die
Füh=
dem Gedanken, auf dieſem harten Wege am eheſten die Befrei= iſt es meine Hoffnung und ſicherlich die Hoffnung der geſamten
auſerlegten Feſſeln zu erreichen. Schwer ſind die Opfer, die das Parlament in ſeiner Mehrheit entſchloſſen iſt, die
Reparations=
deutſche Volk infolgedeſſen hat tragen müſſen; erhalten geblieben frage zur endgültigen Erledigung zu bringen. Dieſes Ziel muß
das Joch, das der Friedensvertrag auf die Bevölkerung des be= Deutſchland Europa und die ganze Welt wieder ein würdiges
lichen Bedrückungen, die der widerrechtliche Einmarſch im Ruhr= in friedlicher Arbeit neben den anderen Nationen die ihm von
gebiet für die dortige Bevölkerung zur Folge gehabt hat. Mit / Gott geſetzte Aufgabe zu erfüllen.
bewundernswertem Heroismus haben alle Deutſchen an Ruhr
und am Rhein das ſchwere Schickſal getragen.
kerung gedenken, insbeſondere derer, die jetzt noch in Gefäng= bringen wird, nicht zu meiſtern. Deshalb muß auch das Zentrum
ſind Opfer der aus jedem deutſchen Herzen hervorbrechenden große Ziel der Rettung von Volk und Vaterland erſtreben. Wer
Auflehnung gegen die widerrechtliche Vergewaltigung geworden, ſollen dieſe Bundesgenoſſen ſein? Wir ſind bereit, mit jeder Par=
Waffenlos, wie wir ſind, hat das überfallene Volk nur den paſ= tei zuſammenzuarbeiten, die mit uns poſitive Arbeit zum
ſiven Widerſtand als einzige Abwehrmöglichkeit gehabt; aber Segen des Ganzen und Einzelnen leiſten gewillt iſt.
Da=
auch er blieb angeſichts der Uebermacht und der Rückſichtsloſigkeit mit glauben wir, wenn vielleicht auch nicht patentnational, ſo
des Feindes ohne Erfolg. Trotz der Lehren, die jeder einſichtige, doch ganz gewiß echt national zum Beſten von Reich und Volk
Deutſche aus den bitteren Erfahrungen des paſſiven Widerſtan= tätig zu ſein. Nationale Politik iſt unſerer Ueberzeugung nach
des an der Ruhr ziehen muß, lauſchen noch weite Kreiſe des auch die Entſchloſſenheit, die Einheit des Reiches zu
Volkes auf berauſchende Klänge von Mannesmut und nationaler
Entſchloſſenheit. Man träumt von bewaffnetem Widerſtand, ob= nen Verfaſſung. Unrecht iſt es, ihr Rechtsverbindlichkeit
abzu=
wohl unſere Waffenrüſtung zerfetzt und zertrümmert iſt, und ob= ſprechen. Das deutſche Volk war kraft der Naturrechte berechtigt,
Heute tritt in Paris die vom Völkerbund eingeſetzte
Unter=
ſuchungskommiſſion zuſammen, die alle Fragen durchberaten
foll, die den internationalen Handel und die private Fabrikation von
Waffen und Munition betreffen. In dieſem Ausſchuß ſind vertreten:
Elberfeld, 23. März. (Wolff.) Reichskanzler Marx Frankreich, England, Japan, die Schweiz, Italien, Spanien, Belgien,
Kolumbien, Kanada und die Teſchechoſlowakei.
Die zuſtändigen deutſchen Stellen ſind ſeit längerer Zeit um die
Zulaſſung des Rundfunks im beſetzten Gebiet bemüht. Leider iſt
es bisher nicht gelungen, von der Rheinlandkommiſſion irgendwelche
Zugeſtändniſſe zu erzielen.
Die Trauerfeier für den tſchecho=ſlowakiſchen
Ge=
ſandten Tuſar wird am Dienstag, nachmittags 5 Uhr, im Hauſe
der Geſandtſchaft ſtattfinden. Der Leichnam des Geſandten wird nach
Prag übergeführt und auf Staatskoſten feierlich beſtattet werden.
Zu der heute beginnenden ruſſiſch=rumäniſchen
Kon=
ferenz traf die rumäniſche Delegation, unter Führung des
rumäni=
erſten öffentlichen Auftretens nach der Reiſe gern benutzen zu ſchen Geſandten in Sofia, Langa=Rascano, geſtern in Wien ein. Die
ters Kreſtinski, iſt am abend ebenfalls eingetroffen.
Der polniſche Innenminiſter hat vor einigen Tagen
ſein Demiſſionsgeſuch eingereicht, das angenommen wurde.
Zu ſeinem Nachfolger wurde der Staatsanwalt beim Warſchauer
Appellationsgericht, Hübner, ernannt.
Der aus der Verdun=Schlacht 1916 bekannte General Nivelle iſt
geſtern nachmittag an den Folgen einer Lungenentzündung geſtorben.
Der Brüſſeler Berichterſtatter des Petit Pariſien hat einer
autori=
dem belgiſchen Außenminiſter werde nicht vor der
Ueber=
reichung des Berichts der Sachverſtändigen erfolgen.
Hughes hat geſtern die ſerbiſche Finanzkommiſſion empfangen,
ſerbiſchen Schuld zu verhandeln.
Mae Kenna iſt in London angekommen. Er wird bis zu
Been=
digung der Arbeiten des erſten Komitees dort bleiben. Kindersley und
Stamp kehren am Dienstag nach Paris zurück.
Bradbury iſt geſtern nachmittag 4 Uhr von Paris nach London
ge=
fahren.
Eine Miſſion argentiniſcher Offiziere, in Stärke von 40 Mann, iſt
Die ruſſiſche Regierung dementiert das von einem Teil der Lon=
Volk und Vaterland? Es kann nur eins ſein: Die Aufrecht= doner Preſſe veröffentlichte Gerücht, wonach ſie etwas gegen die
Er=
nennung des Abg. OGrady zum britiſchen Geſandten eingewandt habe.
Er ſei ihr niemals offiziell vorgeſchlagen worden und ſei keineswegs
unerwünſcht bezeichnet worden.
Havas meldet aus Teheran: Der Thronfolger hat den
Palaſt verlafſen und Wohnſitz außerhalb der Hauptſtadt ge=
Der finniſche Geſandte hat 9 Millionen Dollar gezahlt, womit die
Kriegsſchuld Finnlands bei den Vereinigten Staaten
be=
glichen iſt.
ſinnung zu ſein, ſich durch Uebernahme ſchwerer und ernſter
bis an die Grenze der Leiſtungsfähigkeit zu tragen, erfüllt von rung der Außenpolitik wieder verſtärkt aufleben laſſen. Trotzdem
ung Deutſchlands von den ihm durch den Verſailler Vertrag / Bevölkerung der ſchwerleidenden beſetzten Gebiete, daß das neue
iſt dadurch aber die Einheit des Reiches. Schwer iſt vor allem in allernächſter Zeit erreicht werden, ſollen Deutſchland und mit
ſetzten Gebietes gelegt hat. Schwerer noch ſind die ungeheuer= Daſein führen. Das deutſche Volk will frei ſein, um
Nach einem Hinweis auf die bevorſtehenden Gutachten der
Sachverſtändigen fuhr der Reichskanzler fort: Eine deutſche Par=
Auch heute wollen wir der harten Opfer der Bevöl= tei allein vermag die ungeheueren Aufgaben, welche die Zukunft
niſſen ſchmachten oder von ihrer Heimat vertrieben ſind. Viele, ſich nach Bundesgenoſſen umſehen, die gemeinſam mit ihm das
ſchützen und zu ſichern auf dem Boden der in Weimar beſchloſſe=
wandfreier Form iſt die eVrfaſſung zuſtandegekommen, die am
14. Auguſt 1919 in Kraft getreten iſt. Von da ab hat das
Deut=
ſche Reich eine neue Rechtsgrundlage gefunden, die nicht nur
rechtsverbindlich für jeden Staatsbürger, ſondern auch für jeden
im Gewiſſen verpflichtend iſt. Ein Verbrechen begeht, wer
es unternimmt, gewaltſam oder widerrechtlich die
Verfaſ=
ſung zu ſtürzen. Hochverrat iſt jeder Verſuch, auf nicht
geſetzmäßigem Wege unſere verfaſſungsmäßig feſtgelegte
Staats=
form zu ändern. Wie wir im alten Reich der Staatsautorität
mit ihrer monarchiſtiſchen Spitze in Treue gedient haben, ſo
die=
nen wir auch in gleicher Treue der deutſchen Republik,
mag manch einer auch noch mit Wehmut an das alte ſtolze Reich
zurückdenken und der Meinung ſein, die Monarchie ſei für
Deutſchland beſſer und erſtrebenswert.
Die Treue des Zentrums zur deutſchen Republik hat ſich
darin bewährt, daß es ſtets bereit war, ſeine Männer zur
Ver=
fügung zu ſtellen, wo es galt, verantwortungsvolle
Regierungs=
ämter zu beſetzen. Selbſt in unſeren Reihen hat man oft den
klugen Rat gehört, es ſei nicht notwendig, daß gerade wir den
Kanzler oder den Finanzminiſter ſtellten oder andere, gerade zur
Zeit beſonders ſchwierige und verantwortungsvolle Stellen
be=
ſetzten. Das mag nach kleinem Parteiſtandpunkr nicht immer
klug geweſen ſein; aber das Zentrum hat ſtets über die Partei
das Vaterland geſtellt. Echt nationak iſt die Pflichterfüllung,
die das Zentrum durch ſeine opferwillige Mitarbeit an den Tag
gelegt hat. Echt national wird das Zentrum auch künftig ſtets
dann zur Tat und Arbeit bereit ſtehen, ſo oft der Ruf an die
Partei ergehen wird. Stolz erfüllt das Zentrum, daß es die
einzige Partei iſt, die ſeit der Revolution noch niemals ihre
Unterſtützung der Regierung verweigert hat.
Der Reichskanzler ging darauf in großen Zügen auf das
Verordnungswerk der Reichsregierung ein und
ſagte weiter: Eine geſunde Wirtſchaft ermöglicht allein die
mate=
rielle und kulturelle Wohlfahrt unſeres Volkes. Die Förderung
der Produktion hat ſtarke Anforderungen an alle
Wirtſchafts=
kreiſe geſtellt, insbeſondere an die Arbeitnehmer, die
gezwun=
gen ſind, manche zur Beſſerung ihrer harten Lage geſchaffenen
Erleichterungen vorübergehend preiszugeben. Es iſt
verſtänd=
lich, daß ſie das ſchweren Herzens getan haben, aber ſie haben
ihre Opfer in Würdigung der ſchweren materiellen Lage
Deutſch=
lands gebracht. Die Zentrumspartei empfindet es entſprechend
ihrer Tradition als ſittliche Pflicht, das harte Los der
arbeiten=
den Bevölkerung zu erleichtern, ſobald die Möglichkeit dazu
be=
ſteht. Mit Bedauern und zornigem Unmut hat die
Zentrums=
partei in der letzten Zeit von beklagenswerten
Zwangsmaß=
nahmen einzelner Arbeitgeber gehört; ſie hofft und erwartet, daß
es Ausnahmen ſind. Sie ſieht ihre oberſte Aufgabe darin, die
von Gott gewollte ſoziale Ordnung zu ſchützen. In dieſe
ſo=
ziale Ordnung gehört auch die große Maſſe des deutſchen
Vol=
kes, die Arbeit nehmen muß. Dieſe wird ſich nur dann als ein
Teil des Volkes und als Blut vom Lebensblut der Nation
füh=
len, wenn ſie als lebendiges Glied der ſozialen Ordnung
gewer=
tet wird. — Im weiteren Verlauf ſeiner Ausführungen bedauerte
der Reichskanzler, daß das in der Verfaſſung vorgeſehene
Schul=
geſetz noch nicht zuſtande gekommen ſei, und verſicherte, daß
die Zentrumspartei ſogleich nach dem Zuſammentritt des neuen
Reichstags geeignete Schritte unternehmen würde, um ein den
Wünſchen des chriſtlichen Volkes entſprechendes Schulgeſetz
zu=
ſtande zu bringen.
Der Kanzler ſchloß: Ueber lebenswichtige Fragen des
deut=
ſchen Volkes wird der nächſte Reichstag entſcheiden müſſen. Seine
Zuſammenſetzung iſt von ausſchlaggebender Bedeutung. In der
Hand der Wählerſchaft liegt das Schickſal unſeres Reiches. Wenn
die radikalen Parteien von rechts oder von links eine ſtarke
Ver=
mehrung ihrer Mitglieder erfahren, dann ſind die Folgen
un=
überſehbar. Für Poinears wird es nichts Willkommeneres
geben, als bei den franzöſiſchen Wahlen auf eine ſtarke Zunahme
der deutſchvölkiſchen Abgeordneten im Reichstag hinweiſen zu
können. Handelte es ſich nicht um das Leben unſeres Volkes,
dann wäre es intereſſant, den Herren Deutſchvölkiſchen einmal
für eine Zeit die Herrſchaft zu überlaſſen. An das deutſche Volk
kann nur die Aufforderung ergehen, dafür zu ſorgen, daß der
Nadikalismus links und rechts nicht über Deutſchlands Zukunft
beſtimme. Die Ruhe im Innern verbürgt am erſten eine
Ver=
ſtändigung nach außen und damit Friede und Freiheit, wonach
Deutſchland ſich ſeit 10 Jahren ſehnt. — Den Ausführungen des
Reichskanzlers folgte langandauernder, ſtürmiſcher
Bei=
fall. Die Verſamlung, die ohne Störung verlief, ſtimmte
in das Hoch auf das beutſche Vaterland ein und ſang begeiſtert
tas Deutſchlandlied.
Reichstagskandidatur.
* Darmſtadt, 24. März. Der Landesausſchuß der
Deut=
ſchen Volkspartei wählte in ſeiner geſtrigen Sitzung
einſtim=
nig Exzellenz Dr. Becker zum Spitzenkandidaten für den
Wahlkreis Heſſen.
Hefſiſches Landestheater.
Großes Haus: — Sonntag, den 23. März.
Hans Heiling
Romantiſche Oper von E. Debrient, Muſik von H. Marſchner.
Es iſt das typiſche Werk Marſchners und ein Ausdruck
deut=
ſchen Weſens. Der hochgebildete, gern philoſophierende Leipziger
Ehrendoktor und Dresdener Generalmuſikdirektor hat ſich ſeine
Aufgabe nicht leicht geſtellt. Schon im „Vampyr” der demr
„Heiling” vorausgegangen war, zeigte er ſeine Neigung zum
Myſtiſchen, Unheimlichen. Zehn Jahre, bevor Wagners „
Hollän=
der” — ein verwandter Stoff — in Dresden ans Licht kam,
be=
gann ein denkender Künſtler dem Opernſtoff einen tieferen
In=
halt zu geben, den Schwerpunkt auf Seeliſches zu legen, den
Ge=
halt der Oper zu veredeln, zu vergeiſtigen. Hier liegt Marſchners
Bedeutung. Mit ihm hat ſich die Umgeſtaltung der deutſchen
Oper ſchon vor Wagner angebahnt, der ihn durch ſeine
über=
ragende dramatiſche und muſikaliſche Begabung in Schatten ſtellte
und eine Zeitlang ganz zu verdrängen ſchien.
Marſchner war kein impulſiv Schaffender, alles wird ſchwer
erarbeitet. Seine Muſik, ſo meiſterlich, daß ſie wehrlos macht,
ſtrahlt gleichwohl nichts aus, hat nichts Warmes, Mitreißendes.
Es fehlt das Eigene, Zwingende der Perſönlichkeit. Doch atmet
ſie echten deutſchen Geiſt. Der düſtere Heiling=Sagenſtoff hat
den ſymboliſchen Kern: Keine Liebe kann erzwungen werden;
ſie iſt ein freies Geſchenk zweier Seelen; hier iſt ſelbſt des
Höllen=
fürſten Macht zu Ende. Man muß den feſſelnden Briefwechſel
mit Devrient geleſen haben, um zu erkennen, wie ſchwer es
Marſchner wurde, dieſen Stoff zu bewältigen, wieviel Phaſen er
durchzumachen hatte, bis ſeine letzte Form erreicht war. Auch
hieraus ſpricht kerndeutſches Weſen. Ein wirkſames Drama zu
geſtalten, iſt Devrient gelungen, nicht aber, eine wirkliche
Teil=
nahme an den liebenden und leidenden Perſonen zu erregen.
Dazu hat denn auch der Stoff nicht genügend wirkliches
Inter=
eſſe. Innere Begründungen werden nicht gegeben; dem Helden
fehlt die tragiſche Schuld, die Perſonen ſind blutleer, alles
er=
ſcheint willkürlich. Aber die Muſik findet in ihrer
ausdrucks=
vollen, ernſten Größe eine kraftvolle Sprache, fähig, die Seele
mächtig zu erregen, ohne ſie freilich völlig erſchüttern zu können.
Die Muſik hat die überlieferte Form der alten Oper und
ent=
hält herrliche Sätze, Enſembles und Chöre in großer Zahl. Fehlt
auch zuweilen die letzte Ueberzeugungskraft, ſo ſteht trotz allem
ein großzügiges, geiſtig geartete3 Msiſterwerk echt deutſcher Art
bor uns.
Es war vorauszufehen, daß die Neuinſzenierung der Oper
dem Regiſſeur dankbare Aufgaben ſtellen würde.
Generalinten=
dant Hartung nahm ſie in die Hand und brachte, in ſeiner
großzügig künſtleriſchen Art eine Aufführung heraus, die im
Zu=
ſammenwirken mit einer gleichgearteten muſikaliſchen Leitung
Meiſter Ballings und einer glücklichen Bühnenarchitektur
Arthurs Pohls von packender Wirkung war. Das Drama
wurde ſcharf herausgeholt, ein gemeinſamer Grundton aller
Szenen gefunden, Bühnenbilder lapidar gefügt, typiſche Perſonen
hineingeſtellt, Beleuchtungen wirkſam gemacht. Da ſaß alles
ſelbſtverſtändlich und monumental. Die Anordnung der
unheim=
lichen Geiſterſzenen, Leben und Farbigkeit der Tanzſzene muß
als ſchlechtweg genial bezeichnet werden.
Eindruck und Erfolg war demgemäß ſtark. Es trug hierzu
auch die im ganzen gute Rollenbeſetzung bei. Charakter und
Auffaſſung aller Perſonen iſt gegeben und nicht zu verfehlen.
Ihnen Leben einzuflößen, wärmer, als es der Dichter vermochte,
iſt die ſchwierige Aufgabe. Ein Vergleich mit den Perſonen des
„Holländer” drängt ſich häufig auf.
Herr Biſchoff ſchöpfte mit ſtarker Geſtaltungskraft und
machtvoller Stimme die Titelrolle geiſtig völlig aus. Was ihm
fehlt, liegt auf ſtimmlichem Gebiet. Es iſt der ſinnliche Wohllaut,
der myſtiſche, romantiſche Klang, der poetiſch dieſe tragiſche
Ge=
ſtalt umwebt. Aber dieſe Züge zu geben, iſt dem vortrefflichen
Künſtler verſagt geblieben.
Die Rolle der Anna iſt etwas blaß, muſikaliſch aber äußerſt
dankbar geſchrieben. Hedwig Werle lieh ihr Schönheit und
Wärme der Stimme und ein ungemein gewandtes,
ausdrucks=
volles Spiel. Für die Königin der Erdgeiſter war Gertrud
Gercke eine ſtimmlich wie darſtelleriſch hervorragende
Vertrete=
rin; die Szene im 2. Akt war Höhepunkt ihrer prachtvollen
Lei=
ſtung. Der Jäger Konrad wurde von Herrn Weller, herzhaft
zupackend, mit Wärme und Natürlichkeit gezeichnet und tüchtig
geſungen. Der junge Künſtler, der eine gute Erſcheinung beſitzt,
iſt außerordentlich bühnenſicher, temperamentvoll und vielſeitig.
Gelänge es ihm, Mängel im Tonanſatz und in der
Stimmbehand=
lung zu beſeitigen und ſeine Mittellage zu kräftigen, ſo dürfte viel
von ihm zu erwarten ſein.
Die kleineren Rollen der Gertrud, des Dorfſchmieds und
des Schneiders lagen bei Gerta Doepner, Herrn Kuhn und
Vogt in vorzüglichen Händen. Den Chören gebührt ein
beſon=
deres Lobeswort. Sie ſind von wichtiger Bedeutung und fanden,
von Herrn Chordirektor Sander trefflich einſtudiert,
wirkungs=
volle Ausführung.
E I.
Kleines Haus. — Sonntag, den 23. März.
Bürger Schippel
Komödie von Carl Sternheim.
Sternheims literariſches Schaffen hat ſich leergelaufen.
Darmſtadt war in vorderer Linie Zeuge dieſes Leerlaufens.
Die Mißerfolge des „Entfeſſelten Zeitgenoſſen” 1920 und des
„Nebbich” 1922 ſind die kennzeichnenden Stationen. So greift
man jetzt wieder zu Sternheims älteren Werken, um ihn auf der
Bühne zu halten.
Der „Bürger Schippel” 1912 entſtanden, zählt zu den
Komödien, in denen Sternheim ſeine Pfeile gegen das „
bürger=
liche Heldenleben” abſchießt. Sternheim, international geſinnt,
kapitaliſtiſch fundiert, bald in dem belgiſchen La Hulpe, bald in
der Schweiz, bald in dem nahen Königſtein ſich aufhaltend, ſieht
als Spötter auf die Umwelt herab. Keine Zeile kenne ich von
ihm, die mit dem Herzblut eines Dichters geſchrieben, die nur
aus innerlicher Bewegtheit hervorgegangen wäre. Mit
hunde=
ſchnäutziger Kälte faßt er Dinge und Menſchen ins Auge und
übergießt ſie mit der Lauge ſeiner Ironie.
Die Engherzigkeit eines beſchränkten Bürgertums hat es ihm
angetan, ſo daß er ſich in ſeinen Komödien der Vorkriegszeit
wie=
der und wieder gegen ſie gewandt hat. Dem bürgerlichen
Ge=
ſangsquartett fehlt der Tenor, der Preischor am fürſtlichen Hofe
ſteht in Gefahr. Rettung iſt nur möglich, wenn man den
Prole=
tarier Schippel als vierten Sänger aufnimmt. Schippel
kenn=
zeichnet ſich ſelbſt: „Arm, aus der Hefe des Volkes, wie man in
Ihren Kreiſen ſagt. Der Rock, den ich trage, iſt meine ganze
Garderobe. Die Flöte ſpiele ich ſchlecht. Ich blaſe mehr aus
Ver=
zweiflung, eigentlich auf dem letzten Loch.” Nach Kämpfen wird
Schippel aufgenommen, das Quartett erringt den Preis.
Schip=
pel hat Bürgerluft geatmet und ſtrebt nun ſelbſt nach
Bürger=
lichkeit, zumal das Bürgermädchen Thekla ſeine Wünſche reizt.
Den Schein der Lächerlichkeit wirft Sternheim nun nach zwei
Seiten: auf den Bürger wie auf den nach oben ſtrebenden
Proletarier. Ein Zweikampf, zu dem Schippel im Zylinder
antreten muß, bildet einen Höhepunkt der Komik. Doch ſchließlich
winkt Schippel die Aufnahme in das Bürgertum.
In der techniſchen Mache iſt „Bürger Schippel” Sternheims
geſchloſſenſte Komödie. Die Handlung wird ſtraff und ſpannend
durchgeführt. Die Sprache bringt die bei Sternheim beliebte
Ab=
kürzung in konzentrierter Form: ein Telegrammſtil, der bis zur
Unverſtändlichkeit und Manier geht und dazu beiträgt, ſeinen
Ge=
ſtalten Fleiſch und Blut zu nehmen. Haben aber die Geſtalten
kein eigenes Leben, ſind ſie nur Schemen, nur Träger von Wor:
Rummer 84.
Seite 3.
Darmſtädter Dagblatt, Moutag, den 24. März 1924.
Franten und Mart.
Von
Profeſſor Dr. Hermann Levy, Berlin.
Schadenfreude iſt weder im perſönlichen, noch im politiſchen
Leben eine ſchöne Eigenſchaft. Noch dazu kann ſie ſchädlich ſein,
indem ſie den objektiven Blick für die Lage des anderen trübt und
damit auch die eigene Stellungnahme ungünſtig beeinflußt. Hüten
wir uns daher auch, den Verfall des Franken mit anderen Augen
als denen des objektiven Beobachters anzuſehen. Verhehlen wir
uns nicht, daß das Herabgleiten der franzöſiſchen Währung nicht
ausſchließlich die Genugtuung in ſich trägt, daß auch der „Sieger”
einmal erfährt, was beginnende Verarmung bedeutet, ſondern
daß ſie auch als Symptom ganz allgemein ſchädlicher Umſtände
zu werten iſt, an deren Behebung alle Länder gleichzeitig
intereſ=
ſiert ſind oder intereſſiert ſein ſollten.
Das „Abrutſchen” des Franken, der Eintritt Frankreichs in
die Reihe der valutaerſchütterten Länder iſt ein Beweis dafür,
daß man nicht, wie es die „Friedens”macher von Verſailles
wähnten, die Welt in Länder teilen kann, die, weil ſie Sieger im
Weltkriege blieben, nun auch eine garantierte Wohlhabenheit für
alle Zeit genießen können, und ſolche, die als „Beſiegte” eben die
wirtſchaftlichen Folgen ihres Mißgeſchicks zu tragen haben.
Ge=
rade der Verfall des Franken, der Verfall der Währung eines der
drei „großen” Siegerſtaaten, zeigt, daß die Währung nicht von
der Frage „Sieger” oder „Beſiegte” abhängig iſt, ſie zeigt, daß
kein Land durch militäriſche Ueberlegenheit und kriegeriſche
Re=
ſultate ſich ſeinen Wohlſtand ohne weiteres garantieren kann.
Was Frankreich in den letzten Wochen an wachſenden Valuta=
Sorgen erlebt hat, beweiſt vielmehr, daß eine Bereicherung eines
Landes auf Koſten anderer heute in der allgemeinen
wirtſchaft=
lichen Verwobenheit der Länder untereinander nicht mehr
mög=
lich iſt, daß vielmehr das Unglück und die Verarmung einzelner
wichtiger Wirtſchaftsmächte, auf die Dauer nicht ohne gleichen
Einfluß auf die Nachbarländer bleiben kann. Gewiß, einen
gro=
ßen Teil des Frankenverfalls, hat man auf die unproduktiven
Ausgaben Frankreichs zu ſetzen. Aber einen andern, ſicherlich
nicht minder wichtigen Teil auf die weltwirtſchaftliche
Desorgani=
ſation, das wirtſchaftliche Chaos Mitteleuropas, das wiederum
der Entfaltung der produktiven Kräfte entgegenſteht, die für den
Hochſtand der Valuta eines Landes ſo weſentlich iſt.
So bleibt es Frankreich nicht erſpart, jenen Prozeß der
Geld=
entwertung durchzumachen, den die Mark in ihrer
Leidens=
geſchichte der letzten Jahre durchgemacht hat. Schon ſieht man
überall die gleichen Folgen. Der krampfhafte Verſuch, durch
Erhöhung der ſtaatlichen Einnahmen, auch vor allem der
Bahn=
tarife, die Löcher zu flicken, die der Mehraufwand für die Ein= gen konnen.
fuhr reißt. Aber wird damit dem Uebel ſelbſt geſteuert?
Keines=
wegs. Jede Erhöhung der ſtaatlichen Einnahmen, der
Bahn=
tarife uſw. führt ſofort zu einem Anziehen der Löhne, Steigerung ſind bereits ſeit einigen Tagen im Gange.
der Lebensmittelpreiſe und damit zu erneuter Belaſtung von
Fis=
kus und Volkswirtſchaft. Die Schraube ohne Ende tritt in
Tätig=
keit. Das Schlimme aber iſt, daß — wie wir es ſelbſt erlebt
haben — ſchon die bloße Tendenz der Geldentwertung (von deren
poſitivem Ausmaß ganz abgeſehen) zu immer verhängnisvollen
Reſultaten führt. Denn die Erfahrung der Mark lehrt, daß das
pſychologiſche Moment das Entſcheidene iſt. Mögen ſich Miniſter
mögen ſie mit großer Energie und nach ſchweren politiſchen
Kämpfen neue Steuern aufhäufen und durchzwingen, mit dieſen
„Deckungs”=Methoden erreicht man, nicht die Beruhigung des
Währungsbeſitzers. Wenn ſich einmal das Gift des Mißtrauens
eingeſchlichen hat, ſo iſt es nicht eher wieder auszurotten, als
durch eine poſitive Neuregelung, wie wir ſie bei uns erlebt haben,
das Vertrauen dadurch wieder hergeſtellt wird, daß dem „Gelde‟
der wertbeſtändige Charakter durch reale Unterlagen und nicht
mehr durch einen bloßen Appell an die Kreditwürdigkeit des
Staates untergelegt wird. Gerade dieſer Prozeß aber bedeutet,
wie wir es ja ſeit der Rentenmark kennen gelernt haben, die
Ver=
wandlung des „Inflations=Reichtums” in die „Deflations=
Ar=
mut”, Währungsverfall kann letzten Endes immer nur zu dieſem
Reſultat führen, daß er das Volk ärmer zurückläßt, als er zur
Zeit der geſunden Währung geweſen iſt. Das muß man ſich ſchon
heute in Frankreich ſagen, wenn man in den Taumel der
Valuta=
hauſſe, der ſteigenden Effektenkurſe und der aufwärtsſchnellenden
Warenpreiſe hineingerät und ſich vielleicht auch ſchon anfängt, in
gewiſſen Kreiſen eines Valutadumpings zu freuen. Im Grunde
genommen ſind alle dieſe Erſcheinungen Verarmungsſymptome,
wie das Beiſpiel der Mark gelehrt hat.
Es iſt fraglich, ob der Franken den Weg der Mark gehen
wird, oder ob es gelingt, ihn zu „ſtabiliſieren”, ehe das
ſchreck=
liche Ende ereicht iſt. Man hat zu bedenken, daß Frankreich
Wirtſchaft der Selbſtverſorgung ſtark ausgebildet iſt, und daß einen Antrag auf Streichung der für die holländiſche Vertretung
die franzöſiſche Induſtrie nicht jenen gewaltigen Einfuhrbedarf
verkörpert wie die deutſche. Immerhin iſt zu betonen, daß ge= die Oppoſition den Antrag unterſtützen wird. Man erwartet, daß
rade das Moment des Einfuhrbedarfs weſentlich zu der
Ver=
ſchlechterung des Frankenkurſes in letzter Zeit beigetragen hat,
und daß das neuerliche Steigen vieler Weltmarktpreiſe — wie
ten, ſo entbehren ſie andererſeits auch der Aktualität. Die Zeit
dieſes Bürgertums mit ſeinen kleinen Fürſtenhöfen liegt hinter
uns, und ſo iſt die auf den Tag geſtellte Komödie durch die
Ge=
genwart überholt.
Den Stil der Sternheimſchen Komödien, ſtelle ich mir vor:
ganz leicht, in Worten aufgehend, ſich ſelbſt ironiſierend, ohne
jede Erdenſchwere. So ſah ich früher auswärts den „Bürger
Schippel”, ſo ſah ich vor einigen Tagen im Neuen Theater in
Frankfurt die von Sternheim ſelbſt inſzenierte „Hoſe‟. Herr
Albrecht Joſeph nahm als Spielleiter den Ton ſchwerer. Seine
Menſchen — vielleicht mit Ausnahme von Theo Bögel, der in
der kleinen Rolle des Arztes den Sternheim=Stil amüſant traf —
nahmen ſich alle recht ernſt und ſpielten ein eindringliches,
dra=
matiſches Theater, wenn auch ſelbſtverſtändlich nach der
komi=
ſchen Seite gerichtet.
Von dieſer Grundlage ausgehend, gab Franz Schneider
als „Paul Schippel” einen neuen Beweis ſeiner ſtarken
Charak=
teriſierungskunſt. Wie er als Baſtard des Lebens zum erſten
Male die Luft eines bürgerlichen Wohnzimmers atmet, wie er
bei der Ablehnung von Theklas Hand über den Bürger
hinaus=
wächſt, wie er vor dem Zweikampf die ganze Unbequemlichkeit
ſeines bürgerlichen Heldenlebens von ſich werfen will — dies
waren Momente, deren Eindringlichkeit die Grenzen des
Un=
heimlichen ſtreiften.
Gerhard Ritter erſchien als „Goldſchmied Hicketier” in der
unverkennbaren Maske des Theatermalers Pilartz und nahm
ſich gleichfalls ſehr ernſt; ſein Spiel war amüſant, wenn auch
bisweilen allzulaut. Prächtig in der Komik war Ernſt
Lang=
heinz als Bürgertyp Wolke, geſchickt auch Kurt
Weſter=
mann als fürſtlicher Beamter und Duellant. Dem keuſchen
Bürgermädchen Thekla gab Eliſabeth Lennartz einige famoſe,
ſtilſichere Züge, ging aber ſonſt im Spiel nicht recht aus ſich
her=
aus. Kleinere Partien, verſahen Gillis von Rappard als
„Fürſt” und Käthe Meißner als „Mutter Hicketier”. Z.
Nauſikaa.
Aeſthetiſche und religiöſe Werte von höchſter Bedeutung ſind
in der Dichtung Homers vereinigt. Eine innige Frömmigkeit
Durchzieht die homeriſchen Menſchen, die homeriſche Welt. Das
Streben nach Wahrheit und das Streben nach Schönheit erfüllt
Die heutige Jugend; auch ſie iſt von der Sehnſucht nach ewigen
Werten, nach Religion, nach Gottheit beherrſcht. Deshalb hat ſie
zvieder die große Freude an der homeriſchen Dichtung, die die
früheren Geſchlechter beherrſcht hat.
Mit dieſen einleitenden Gedanken eröffnete Dr. Ernſt
Majer=Leonhard aus Frankfurt a. M. den Vortrag der
der Baumwolle und Wolle z. B. — einen weſentlichen Einfluß
auf den Stand des Franken auch weiterhin üben muß,
insbeſon=
dere, wenn Frankreichs Ausfuhr an fertigen Waren durch den
billigen Franken” künſtlich geſteigert wird. Der Schlüſſel
frei=
lich zu dem Problem des verfallenden Frankens bleibt — wenn
man von den allgemeinen Geſichtspunkten, wie der
weltwirt=
ſchaftlichen Desorganiſation, dem geſtörten Wirtſchaftsfrieden
uſw., abſieht — die verſchlechterte Finanzlage Frankreichs. „Zu
Recht oder Unrecht,” ſo ſchreibt der Mancheſter Guardian
Com=
mervial vom 28. Februar, „hat Frankreich Anleihe über Anleihe
aufgenommen, bis es heute ebenſo abhängig von einer fremden
Hilfe — ſei es durch Reparationszahlungen oder internationale
Anleihen — geworden iſt, um den Franken zu retten, wie es
Deutſchland zur Wiederherſtellung ſeiner Mark iſt.”
Was nun die ſozialen Wirkungen des Frankenverfalls
an=
geht, ſo ſind dieſe — freilich in dem bisher noch relatib
be=
ſchränkten Ausmaß — ebenalls denen des Markverfalls ähnlich.
Wenn auch Frankreich heute materiell keineswegs die Not leidet,
die das deutſche Volk hat auf ſich nehmen müſſen, ſo iſt doch die
Entäuſchung der Frankenbeſitzer um ſo größer, als ſie nach dem
Kriege gehofft hatten, ihren Reichtum zu vermehren, nicht ihn
geſchmälert zu ſehen. Dieſe pſychologiſche Einſtellung des mit
Siegeshymnen zuverſichtlich gemachten Volkes unterſcheidet es
von dem deutſchen, das von vornherein auf ſchwere materielle
Opfer vorbereitet geweſen iſt, als es den Krieg verlor. Dazu
kommt, daß Frankreich bekanntlich das Land der „kleinen
Rent=
ner” iſt, in einem viel breiteren Umfange, als ſich dieſe Klaſſe in
Deutſchland vorfindet. Dieſe ſehen ſchon heute ihre Erſparniſſe
an der ſtark geſchmälerten Kaufkraft ihrer Zinserträgniſſe
dahin=
ſchwinden.
Es fragt ſich, inwieweit das Sinken des Franken von den
führenden Männern des Landes als eine rechtzeitige Warnung
aufgefaßt werden wird, den Kurs der Gewalt durch einen ſolchen
des Möglichen zu erſetzen. Nur im Hinblick auf ſolche Einſicht
iſt auch für uns der Verfall des Franken begrüßenswert. Die
Währung iſt kein Problem, das ſich durch Gewalt und
Verord=
nungen löſen läßt. Der Verfall des Franken zeigt, wie ſehr auch
Frankreich auf die internationale Verſtändigung in
wirtſchaft=
lichen Fragen angewvieſen iſt, und wie ſehr ſich die Mittel zur
Erhaltung des Volkswohlſtandes von den Rezepten militäriſcher
Diktatoren unterſcheiden.
Herr von Hoeſch am Quai d’Orſag.
TU. Paris, 23. März. Zu dem geſtrigen Beſuch Herrn
von Hoeſchs am Quai dOrſay erfahren wir, daß die
ſtattgefun=
dene Unterredung der Frage galt, inwieweit die Vorbereitungen
der Wahlen zum Reichstag im beſetzten Gebiet ungeſtört erfol=
Beſprechungen, betr. einen Austauſch des Hauptmanns
d’Armont gegen deutſche, an der Ruhr feſtgenommene Geiſeln
Sachverſtändigenberatungen.
* Paris, 23. März. (Priv.=Tel.) Wie der Matin
berich=
tet, hat das Komite Mac Kenna ſeine Arbeiten ſoweit beendet,
daß zwei bis drei Sitzungen genügen werden, um den Bericht
endgültig feſtzulegen. Das Blatt glaubt, daß ſchon am
kommen=
ihre Köpfe zerbrechen, wie ſie das „Valuta”=Defizit „decken”, den Donnerstag die gemeinſamen Debatten der beiden,
Sachver=
ſtändigenausſchüſſe über dieſe Beſchlüſſe beginnen werden, und daß
es möglich ſein wird, den Geſamtbericht der
Reparatonskom=
miſſion vorzulegen und zu veröffentlichen.
Erpreſſungsabſichten bei der Aufnahme
Deutſchlands in den Völkerbund.
TU. Paris, 23. März. Die franzöſiſche Regierung will, dem
New York Herald zufolge, die Aufnahme Deutſchlands in den
Völker=
bund von folgenden Bedingungen abhängig machen:
1. Soll Deutſchland unverzüglich und vorbehaltlos den
Sachverſtän=
digenplan annehmen und verwirklichen;
2. Deutſchland ſoll ſeine militäriſchen Geheimverträge mit Rußland
bekannt geben und ihren offiziellen Text dem Völkerbund zur
Nachprüfung unterbreiten.
Daß zwiſchen Deutſchland und Rußland keine militäriſchen
Ge=
heimverträge beſtehen, iſt Poincaré natürlich bekannt. Er ſucht
ledig=
lich eine Gelegenheit, wegen der recht unangenehmen Enthüllungen
über die tſchecho=franzöſiſchen Geheimverträge ein Ablenkungsmanöver
einzuſchalten.
Neue Regierungskriſe in Holland.”
U Haag, 23. März. Eine der drei Parteien, die die
Re=
ein ſtark agrariſch durchſetztes, kleinbürgerliches Land iſt, daß die gierungsmehrheit bilden, nämlich die „hiſtoriſchen Chriſten”, hat
am Vatikan bereitgeſtellten Kredite eingebracht. Es ſcheint, daß
die Regierung in die Minderheit gerät und entweder ihre
Demiſ=
ſion einreicht oder die Auflöſung des Parlaments beſchließt, um
die Neuwahlen auszuſchreiben.
Nauſikaa=Epiſode aus Homers Odyſſee, den die
Huma=
niſtiſche Vereinigung geſtern vormittag im Kleinen
Hauſe des Landestheaters veranſtaltete. Fünf Schüler des
Frankfurter Gymnaſiums waren die Träger des Vortrags.
Wäh=
rend Dr. Majer=Leonhard als Konferenzier in deutſcher Sprache
den Gang der Handlung erklärte, trugen die Schüler die
ent=
ſprechenden Teile der Odyſſee in der griechiſchen Urſprache vor.
Ein großer, ſchwarzgelockter Knabe ſprach die Partien des
Odyſ=
ſeus: Nauſikaa war durch einen zarten Jungen mit heller Stimme
vertreten; ihr antwortete das dunkle Organ des königlichen
Vaters. Auf dieſe Weiſe wurde der Vortrag in der griechiſchen
Sprache, die doch wohl nur die Wenigſten ausreichend
beherr=
ſchen, einigermaßen verſtändlich. Mit Geſchick wurde trotz der
durch den Inhalt gebotenen Betonung und Nüanzierung des
Vortrages doch der Rhythmus des Hexameters eingehalten, ſo
daß die Schönheiten der homeriſchen Dichtung plaſtiſch
hervor=
traten.
Für weitere Kreiſe verlangt eine ſolche Darbietung zu hohe
ſprachliche Vorausſetzungen. Trotz der umfangreichen
Vorankün=
digungen war der Beſuch ſchwach. Für den engeren Kreis der
humaniſtiſchen Feinſchmecker war es ein Leckerbiſſen von der
Tafel des Lukullus.
* Zam jungen Drama.
Wenn ſich in der Lyrik die Gefühlswerte einer Zeit am deutlichſten
erſpüren laſſen, ſo ſchwingt im Drama, zu verdichtetſter Wucht geballt,
das Leben einer Zeit in ſeiner ganzen Fülle.
Neue Kunſt will neues Leben.
Die kleine Welt der Bretter, welche die Welt bedeuten, wird zum
läuft. Das Theater wird zum Sprechſaal der Lebensprobleme der
Zeit, der Schauſpieler zum Künder neuer Lebensidegle, die der Dichter
in ſeinem Werk ihn zu ſprechen heißt.
Das junge Drama entſteht aus einer inneren Notlage. Ein neues
Lebens geſtellt, und findet die Löſung der früheren ungenügend und
ſchal. Gewiß, daß, wenn ſie nicht mit dem Leben fertig werden,
be=
ſtimmt dus Leben mit ihnen fertig werde, laſſen ſie ſich wie Oedipus geſtellt ſah. Sie entkleidete den Menſchen allen Pelzwerks, das er
von der Sphinx die Lebensrätſel aufgeben und ſchauen mutig dem
Un=
geheuer in die faszinierenden Augen. Ihr ganzes Weſen fiebert in der
Gewißheit des Augenblicks, da die Sphinx ſich vom Felſen ſtürzen wird.
Das Rätſel iſt gelöſt, der Weg des Lebens iſt frei. Dies iſt die Lage. Mauſch des Zertrümmerns kam über ſie. Alles, um ſie her wurde zum
*) Am Donnerstag, den 27. März abends 8 Uhr, ſpricht im Nah= Sterben der Leiber und Seelen im größten aller Kriege ein.
men der Vorträge de
ſchen Bundes, im Feſtſaal des
Reglaym=
naſiums, Studienra
zämer über das Thema: „Das
Lebens=
gefühl in der modernen Lyrik und im Drama‟. Wir drucken im
Fol=
genden die einleitenden Worte einer demnächſt erſcheinenden Broſchüre
des Redners ab.,Verlag G. Müller.)
Beileid des Reichspräfidenten zum Ableben Thyſars.
Berlin, 24. März. Der Reichspräſident hat an die Witwe
des geſtern verſtorbenen tſchechoſlowakiſchen Geſandten Thuſar
das nachſtehende Beileidſchreiben gerichtet: In tiefer Bewegung
vernehme ich die Trauernachricht von dem plötzlichen Hinſcheiden
Ihres von mir hochverehrten Gatten, der mir auch ſeit langen
Jahren perſönlich nahegeſtanden hat. Aus ſeiner glänzenden
Laufbahn hat ihn ein jähes Geſchick ſeinem Vaterland, dem er
in hervorragendſten Stellungen ſeine ganze Kraft widmen konnte,
allzu früh entriſſen, und ſeinem ehrlichen Streben und raſtloſem
Schaffen ein vorzeitiges Ende geſetzt. Ich bitte Sie, verehrte,
gnädige Frau, meine und meiner Frau herzliche Teilnahme
ent=
gegennehmen zu wollen.
Ebenſo haben der Reichskanzler und der
Reichsaußenmini=
ſter der Gemahlin des Verblichenen ihre wärmſte Teilnahme zum
Ausdruck gebracht.
Die Geſchäfte der Geſandtſchaft werden bis auf weiteres
von dem Legationsrat Dr. Harliceck geführt.
Beilegung des Hamburger Hafenarbeiterſtreiks
Hamburg, 23. März. Die Einigungsverhandlungen im
Hafenarbeiterſtreik, die am geſtrigen Samstag unter dem Vorſitz
des Reichsarbeitsminiſters Dr. Brauns im Rathaus ihren
An=
fang nahmen, haben in ſpäter Abendſtunde zu einer Einigung
geführt. Die Parteien erklärten nach 13ſtündiger Verhandlung,
daß ſie ſich der Entſcheidung des Reichsarbeitsminiſters
unter=
werfen. Der Reichsarbeitsminiſter hat darauf folgenden Spruch
gefällt: „Der Schiedsſpruch des Schlichters Hamburg vom
18. März wird beſtätigt. Die Arbeit wird am Dienstag, den
25. März, wieder aufgenommen.”
Annahme der franzöſiſchen Finanzgeſetze.
Paris, 23. März. (Wolff). Kammer und Senat
beendeten nachts die Beratung der Finanzgeſetze. Gegen 11 Uhr
kam es zur Einigung über die gemeinſamen Texte. Einige
un=
wreſentlichen Artikel wurden ausgeſchaltet. Die Kiammer nahm
ſchließlich das Geſetz mit 370 gegen 172, der Senat mit 143 gegen
12 Stimmen an. Kammer und Senat vertagten ſich dann auf
kommenden Dienstag.
Konferenz der Rüſiungsbeſchränkung?
Paris, 23. März. (Wolff.) Wie der Neu=York Herald
aus Waſhington berichtet, fordert das
Repräſentan=
tenhaus in ſeinem bereits gemeldeten Antrage, die
europäi=
ſchen Mächte zu einer Konferenz über die Beſchränkung der
Rüſtungen einzuladen, u. a. noch, daß auch die Rüſtungen der
Staaten, die den Vertrag von Waſhington nicht unterzeichnet
hätten, Aufmerkſamkeit geſchenkt erhalten. Im übrigen vertritt,
dem Blatt zufolge, Coolidge dem Konferenzvorſchlag des
Repräſentantenhauſes gegenüber die Anſicht, daß das
Pro=
blem des wirtſchaftlichen Wiederaufbaues das
dringendſte ſei.
Die Ausrufung der griechiſchen Republik geſcheitert.
Athen, 23. März. (Wolff.) Wie die Blätter feſtſtellen,
müſſen die Beſprechungen in Brindiſſi mit Metaxas über
die Verſtändigung in der Frage der Ausrufung der
Re=
publik als geſcheitert angeſehen werden, da Metaxas auf
einem ſofortigen allgemeinen Straferlaß beſtand, während die
Regierung dieſen erſt nach Ausrufung der Republik verſprach,
im Augenblick allen politiſchen Gefangenen nur einen Aufſchub
gewähren wollte. Die Nationalverſammlung wird
übermorgen wieder zuſammentreten. Nach Erledigung der
Ver=
trauensfrage wird ſie über die Ausrufung der Republik am 25.
März, am Tage des Nationalfeſtes, Beſchluß faſſen.
Gefälſchte franzöſiſche Banknoten.
TU. Paris, 23. März. Das Echo de Paris veröffentlicht
eine aufſehenerregende Meldung, wonach in der Schweiz falſche
franzöſiſche Banknoten in Höhe von 100 Millionen Franken in
Umlauf gebracht worden ſeien. Die falſchen Noten ſeien in Bern
und Amſterdam hergeſtellt worden. Das Blatt behauptet, man
habe Beweiſe dafür erlangt, daß eine ausländiſche Regierung an
der Herſtellung der franzöſiſchen Banknoten beteiligt ſei und daß
auf dieſe Weiſe eine neue Entwvertung des Franken herbeigeführt
werden ſollte. In Chartres wurde eine große Anzahl gefälſchter
Hundert= und Tauſend=Franken=Scheine beſchlagnahmt.
Gleich=
zeitig ſind zwei Verhaftungen vorgenommen worden.
Die Bluttat von Queenstown.
TU. London, 24. März. Die Lage in Irland iſt
unver=
ändert. Die maßgebenden Vertreter der iriſchen Nationaliſten
verurteilen einmätig das bei Queenstown begangene
Verbre=
chen. Die Attentäter konnten bisher nicht ergriffen werden. Die
engliſche Regierung hat einen zweiten Zerſtörer nach
Queents=
town entſandt. Es heißt, die engliſche Regierung beabſichtige
niht, irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen.
des jungen Dramas der Gegenwart, wie es die Lage jedes für ſeine
Zeit jungen Dramas geweſen iſt.
Das junge Drama verſtehen, heißt den jungen Menſchen verſtehen.
Das junge Drama lieben, heißt den jungen Menſchen lieben. Man
kann den jungen Menſchen kennen und lieben, ohne das junge Drama
zu kennen und zu lieben. Das junge Drama verſtehen und lieben
kann man nicht, ohne den jungen Menſchen zu verſtehen und zu
lie=
ben. Gegen das junge Drama ſtehen, heißt auch, gegen die Art des
jungen Menſchen ſtehen, die ſich darin ausſpricht.
Die Kriſe des Dramas hebt nicht erſt mit dem Weltkrieg an, wie
die große europäiſche Kulturkuiſe, in deren Ablauf wir noch mitten
drinnſtehen, nicht mit dem Weltkrieg anhebt. Vielmehr iſt der Krieg
nur eine Erſcheinung dieſer Kriſe, in die auch die nicht am Krieg
be=
teiligten Staaten hineingezogen wurden.
Etwas Ungeheures war geſchehen. Eine Zeit, deren ſeeliſche
Ar=
mut kaum Ihresgleichen in irgendeiner Periode der Geſchichte hat, hielt
ſich für die fortgeſchrittenſte. Weil man in lenkbaren Luftſchiffen hoch
über dem Leben ſchwebend den Aether durchfurchte, hielt man ſich für
erhaben über frühere Zeiten, in denen ſich mühſam ein wackeliges
Ge=
fährt durch den Sand der Straße ſchleppte. Man durfte ſich reich
nen=
nen da es an Geld und Arbeit nicht gebrach und der Bauch der Erde
Kohle und Gold im Ueberfluß ſchenkte, weil gewaltige Maſchinen ſich
in ihre Eingeweide bohrten. Aber man war ſo arm an irgendwelchen
ſchöpferiſchen Ideen, daß alles erſtarrte und ſelber zur Maſchine wurde.
Man war freier, wie man ſich ſelbſtbewußt ſchmeichelte, als je ein
Men=
ſchengeſchlecht, weil der Fortſchritt mit Siebenmeilenſchritten durch die
Welt eilte und alles Rückſtändige unter ſich zertrampelte, aber man
ſtand als Sklave der Maſchine an einem Hebel und gehorchte ihren
Befehlen. Man hatte Gott entthront und durch den Menſchen, den
aufgeklärten erſetzt. Aber die Menſchen haßten einander mehr als je.
Unabläſſig ſchmiedeten ſie neue Waffen des Haſſes gegeneinander und
wurden nicht müde, neue Grauſamkeiten zu erfinden. Die Gefängniſſe
wurden nicht leerer und die Liebe ſchien erſtorben. Die jungen
Kna=
ben erzog man für das Leben, und meinte freilich nur das
Erwerbs=
leben damit, jene Form des Daſeins, deren Inhalt es iſt, den Anderen
Schauplatz der großen Welt, die heute mit filmartiger Schnelligkeit ab= auf eine geſchickte und möglichſt maskierte Weiſe den Garaus zu
machen. Das Wort „er iſt ein Idealiſt”, hielten viele, die nicht Schritt
gehalten hatten mit der Zeit, plötzlich für eine Beleidigung und
be=
eilten ſich, ſolchen frevelhaften Vorwurf ſchnell Lüge zu ſtrafen,
in=
dem ſie hurtig dem Gelde nachjagten und ein Vermögen zuſammenraff=
Geſchlecht von kühnen jugendlichen Geiſtern ſieht ſich vor die Frage des ten. Idealismus durſte man ſich allenfalls privatim leiſten, wenn man
mindeſtens Beſitzer eines Autos und einer Villa war.
Da kam eine Jugend, die ſich plötzlich vor die Urfrage des Lebens
mit erlauchter Gebärde ſich um die Schultern geſchwungen hatte.
Und ſiehe da. Er war ein Gerippe.
Nun ſchrie die Jugend auf. Sie ſchrie nach ihrer Seele. Ein
Chaos. Alte Formen zerſprangen. Und dann ſetzte das grauenhafte
Das Fieber hat nachgelaſſen. Wir ſehen klarer. Was ſagt uns
heute das junge Drama über das Lebensgefühl, aus dem heraus ein
neues Geſchlecht eine neue Zeit ſchaffen will?
Wie Diogenes ſucht dieſes junge Drama nach dem verſchütteten
Menſchen. Leidenſchaftlich ringt es um ein neues Menſchentum.
Seite X.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 24. März 1924
Rummer 84.
Aus der Landeshauptſtadt.
Darmſtadt, 24. März.
— Das Königlich ungariſche Generalkonſulat in Berlin iſt auf
gehoben und die Königlich ungariſche konſulariſche Vertretung für
deſ=
ſen Amtsbezirk der Königlich Ungariſchen Geſandtſchaft in Berlin
zu=
geſvieſen worden. Die Paßamthandlungen werden im Rahmen einer
Paßkanzlei der Geſandtſchaft im bisherigen Amtslokale des
General=
konſulats, Berlin W. 57 Bülowſtraße 21, vorgenommen werden.
Zu=
ſtändig iſt dieſe Dienſtſtelle u. a. für den unbeſetzten Teil des Volksſtaats
Heſſen.
— Mieterhebung des Lanbestheaters. Die Vollmieter werden auſ
die zurzeit ſtattfindende Erhebung der Mietpreiſe für den fünften
Ab=
ſchnitt hiermit nochmals hingewieſen. Insbeſondere die Mieter der
Vollmiete A ſeien darauf aufmerkſam gemacht, daß die Mietkarten zur
Vorſtellung am kommenden Dienstag bis ſpäteſtens 25. März,
nach=
mittags 5 Uhr bei der Hauptkaſſe eingelöſt ſein müſſen. Von der
Tages=
kaſſe des Großen Hauſes werden Mieterkarten nicht abgegeben. —
Er=
wähnt ſei ſchließlich auch nochmals, daß für verſäumte Vorſtellungen
infolge verſpäteter Einlöſung der Mietkarten uſw. Erſatzkarten nicht
ausgeſtellt werden und den Mietern ein Rücktrittsrecht vom Mietvertrag
jetzt nicht mehr zuſteht.
* Vortragsabend des Edangeliſchen Bundes. Nachdem der erſte der
Vorträge des Evangeliſchen Bundes über Religion und geiſtiges Leben
einen außenordentlich großen und dankbaren Hörerkreis gefunden hat,
darf auch der nächſten Donnerstag im Realgymnaſium
ſtattfin=
dende Vortrag unſeres durch ſeine ebenſo anmutigen wie gehaltvollen
Erzählungen und Novellen bekannten Landsmanns Studienrat Dr.
Krämer auf großes Intereſſe rechnen. Die Faſſung ſeines Themas
„Das Lebensgefühl in der Lyrik und in dem Drama
der Gegenwart”, zeigt an, daß der Redner in das neue Weſen
einführen wird, das der Lyrik und dem Drama der Gegenwart (z. B.
Unruh) charakteriſtiſch iſt. Vielen ſind dieſe Erzeugniſſe der neueſten
Literatur ganz oder teilweiſe unbekannt, nicht wenige haben an manchem
Anſtoß genommen, andere dagegen darin den Ausdruck ihres eigenen
neuartigen Erlebens und eines neuen, der früheren Generation fremden
Lebensgefühls gefunden. Ihnen allen wird der Vortrag eine auf
ein=
gehendem Studium eines Mitſchaffenden beruhende Einführung in dieſe
eigenartigen und in mancher Hinſicht neuartigen, zum Teil
ungewohn=
ten Gebiete der Kunſt der Gegenwart geben. Der Eintritt iſt frei.
— Gartenbauverein. Zu Beginn der ſehr gut beſuchten
Monats=
verſammlung wurden Mitteilungen über die Vereinszeitſchrift gemacht,
ferner über den Bezug von Kunſtdünger und über die demnächſtige
Filmvorführung für den Verein, die die Gewinnung von Stickſtoff aus
der Luft, zivecks Herſtellung von Stickſtoffdüngern, und weiterhin die
Erzeugung von Kalidünger veranſchaulichen wird. Am Schluſſe
er=
folgte eine Verloſung von Blumenſtöcken und Sämereien.
Oberberg=
rat Prof. Dr. Steuer behandelte in ſeinem Vortrag die Sintflut
vom Standpunkt des Naturwiſſenſchaftlers und Geſchichtsforſchers aus.
Die bibliſche Erzählung über dieſe Kataſtrophe hat viel Aehnlichkeit
mit einer Darſtellung der Sintflut, die uns durch die Ausgrabungen
bei dem aſſyriſchen Ninive bekannt geworden ſind. Auf Tontafeln in
Keilſchrift aufgeſchrieben ſtammt dorther ein Epos von 12 Geſängen,
worin auch eine Beſchreibung der Sintflut enthalten iſt. Der
Schau=
platz der Flut liegt darnach am Euphrat und Tigris, in der
meſopota=
miſchen Tiefebene, die weithin überflutet war. Welcher von beiden
Berichten, der isrgelitiſche oder der aſſyriſche, iſt nun der
urſprüng=
lichere? Die geologiſche Wiſſenſchaft hat ſich für den letzteren
eut=
ſchieden. Einmal bezieht ſich der aſſyriſche Bericht auf Orte des
Euph=
ratlandes, deren ehemalige Exiſtenz nachweisbar iſt, während im
bib=
liſchen Bericht jede Beziehung zu Paläſtina fehlt. Dann läßt ſich eine
natürliche Erklärung der Sintflut mit dem aſſyriſchen Bericht beſſer in
Uebereinſtimmung bringen. Verwüſtungen großer Länderſtrecken und
beſonders von Küſtengebieten ſind auch in der Geſchichte mehrfach
ver=
zeichnet. Oft ſind ſie hervorgerufen worden durch Ueberflutungen
ſei=
tens des Meeres infolge von Vulkanausbrüchen, insbeſondere
unter=
ſeeiſcher, und damit verbundener Erdbeben und Wirbelſtürme.
Be=
rühmt ſind die Zerſtörung von Liſſabon (1755) und die Kataſtrophe von
Krakortau (1883). Es ſind nun genügend Anhaltspunkte dafür
vor=
handen, daß ehedem auch das Euphratgebiet durch Sturmfluten vom
Meere aus verheert worden iſt, was zur Sintflutſage Anlaß gegeben
hat. Dieſer Sage liegt offenbar eine wirkliche Begebenheit zu Grunde,
die Juden haben den Sintflutbericht nur aus dem Euphratland
über=
nommen und umgeſtaltet.
Turngemeinde Beſſungen 1865 e. V., Darmſtadt. Die
Turnge=
meinde iſt rühriger denn je. Am Samstag, den 22. März I, J. fand
auf vielſeitigen Wunſch die Wiederholung des Bunten Abends ſtatt.
Wenn auch der Beſuch nicht ſo war, wie man erwartete, ſo kamen
wenigſtens die Anweſenden voll auf ihre Rechnung. Die Leitung hat
wiederum ihr Beſtes gegeben. Man muß die Sache geſehen haben, wie
die einzelnen Mitwirkenden alles hingaben, um vollwertige Leiſtungen
zu bieten. Als Turner muß man die Stuhlpyramide der Riege „Jahn”,
was Ausführung Schwierigkeit und Eleganz anbetrifft, hoch anſchlagen,
es waren eben Meiſterleiſtungen. Der Niege „Jahn” kann nur
Einig=
keit und unbedingte Unterordnung von größtem Nutzen ſein, denn wie
die Turner heute wieder zuſammen gearbeitet haben, läßt die ſchönſten
Hoffnungen aufkommen. Alſo Turner heraus, zeigt uns ihr leiſten
könnt. Was den humoriſtiſchen Teil anbelangt, kann man nur des
Lobes voll ſein, wie einzelne Mitwirkende ihrer nicht leichten Aufgabe
gerecht wurden. Reicher Beifall lohnte auch diesmal wieder ihre
Ar=
beit. — Der Schlager des Abends war wiederum der Zirkus. Was
hier der Geiſtesturnwart mit ſeinen Turnern zu Wege brachte, war
nur dadurch möglich, daß jeder einzelne mit ſeiner Rolle eng
verwach=
ſen war. Dies war unſtreitig der Fall. Ein richtiger Zirkus mit
allem Drum und Dran. Die einzelnen Artiſten, welche ſich die
Zirkus=
leitung verſchrieben hatte, die Turner Eigenbrodt (Kunſtreiter),
Krü=
ger, Heck und Künzel als Auguſte, Heß als Miß Telefona, Dörr als
Menſchenaffe, Schmahl und Ritter als langer Joſef, Geher als Athlet
boten wirklich Ergötzliches. Das Ringerpaar Müller und Schrauther,
das Boxerpaar Scherer und Schrauther, Turner Riedel mit ſeinen
zu=
ſammengefeſſelten Menſchenfreſſern Liſtmann und Becker, waren
wei=
tere Attraktionen im Zirkusprogramm. Feuner verfügte die
Zirkuslei=
tung über eine vierköpfige Akrobatentruppe (Scherer, Ritter, Heymann
und Horan). Was dieſe vier Turner vorführten, war geradezu
ver=
blüffend: mit welcher Sicherheit und Ruhe dieſelben arbeiteten, war
erſtaunlich. Auch hier war zu erkennen, daß ſtrenge Diſziplin herrſchte.
Hier gelten vor allem die Worte: „Ohne Müh’ kein Preis.” —
Wah=
rend den Zwiſchenpauſen ließ eine gute Kapelle ihre ſchönen Weiſen
erklingen. — Zuſammenfaſſend kann geſagt werden, die Turngemeinde
muß nicht immer rein turneriſche Sachen zeigen, ſondern kann ganz
gut ihren Mitgliedern und Gäſten einmal etwas anderes bieten, denn
daß dies möglich iſt, haben die Turner bei dem Bunten Abend zu
Ge=
nüge bewieſen.
Hi.
*Verwaltungsgerichtshof.
1. Antrag des Kreisamts Mainz auf Entziehung der der Eliſabeth
Müller in Mainz erteilten Erlaubnis zum Betrieb einer
Schankwirt=
ſchaft im Hauſe Hintere Bleiche Nr. 23 daſelbſt. Erſchienen ein
Ver=
treter des Kreisamts Mainz, Rechtsanwalt Dr. Walz in Vertretung des
Rechtsanwalts Dr. Mannheimer=Mainz. Die Wirtſchaft wird ſeit 1918
betrieben. Weil der Ehemann Müller wegen Hehlerei beſtraft iſt, hat
der Provinzialausſchuß Rheinheſſen die Konzeſſion entzogen, zumal der
Ehemann Müller in häuslicher Gemeinſchaft mit der
Konzeſſionsinhabe=
rin lebt. Es iſt dagegen Berufung an den Verwaltungsgerichtshof
ver=
folgt. Es werden drei Zeugen: Vereinsdiener Mundo, Bahnſchaffner
Weyerhäuſer und Gaſtwirt Ullmann vernommen; nachträglich iſt Frau
Müller erſchienen. Die Zeugen, ſämtlich Gäſte im M.ſchen Lokal, haben
keine Wahrnehmungen gemacht, wonach die Wirtſchaftsführung zu
bean=
ſtanden wäre. Ein weiter als Zeuge erſchienener Mainzer
Polizeinſpek=
tor beſtätigt, daß bei einer polizeilichen Streife eine wegen
Gewerbs=
unzucht beſtrafte Kellnerin im Lokal angetroffen wurde; es wird dazu
feſtgeſtellt, daß franzöſiſche Soldaten ſolche liederliche Frauenzimmer
in die Wirtſchaften mitzubringen pflegen, was auch Gaſtwirt Ullmann
beſtätigt. Der Vertreter des Kreisamts Mainz ſtellt Antrag auf
Aus=
ſetzung der Verhandlung und will weitere Beweismittel herbeiſchaffen
Der Anwalt der Berufungsklägerin ſucht das Urteil des
Provinzial=
ausſchuſſes, das ſich nur auf die Beſtrafung des Ehemannes Müller ſtützt,
aus Rechtsgründen (unrichtige Anwendung der Artikel 33 und 53 Gew.=
Ordnung) zu entkräften; eine Beſtrafung, die Frau Müller wegen
un=
rechtmäßigen Erwerbs von Brotkarten 1918 erlitten, könne unter
objek=
tiver Würdigung der damaligen Verhältniſſe nicht ins Gewicht fallen,
auf ſie ſei auch das Provinzialausſchußerkenntnis gar nicht gegründet,
auch der Antrag des Kreisamts Mainz gar nicht geſtützt. Der
Ver=
treter des Kreisamts bringt die Verurteilung der Frau Müller, die im
Zuſammenhange mit der Wirtſchaftsführung ſtehe, in Verbindung mit
der gegen den Ehemann Müller erkannten Strafe wegen Hehlerei und
der Wirtſchaftsführung der Ehefrau, was das Niveau der Wirtſchaft
beweiſe. Der Vertreter des Staatsintereſſes erklärt, im Rahmen dieſer
Inſtanz könnten andere Gründe, als die in 1. Inſtanz gewürdigten,
nicht nea herangezogen werden; er ſchließt ſich in rechtlicher Beziehung
den Ausführungen des Anwalts an. Sein Antrag geht dahin, das Urteil
des Provinzialausſchuſſes Rheinheſſen aufzuheben und den Antrag des
Kreisamts Mainz abzuweiſen. Urteil: Das Urteil des
Provinzial=
ausſchuſſes Rheinheſſen wird aufgehoben und der Antrag des Kreisamts
Mainz zurückgewieſen.
2. Antrag der Eheleute Noſenbaum in Friedberg auf Erlaß
einer Vorentſcheidung gegen den Notar Jöckel in Friedberg als
Vor=
ſitzenden des Mieteinigungsamts. Erſchienen Notar Jöckel und der
Ver=
treter von Roſenbaum Eheleuten, Rechtsanwalt Gutenſtein von
Frank=
furt a. M. Roſenbaum Eheleute wollen den Notar Jöckel wegen
Scha=
denerſatzes belangen, weil das Mieteinigungsamt eine wegen
Beſchlag=
nahme einer Wohnung ausgeſprochene Entſcheidung im
Beſchwerde=
wege beſtätigt hat. Das Miniſterium für Arbeit und Wirtſchaft hat
Vorentſcheidung gemäß Art. 77 Heſſ. Ausf.=Geſetz zum B.G.B.
bean=
tragt. Der Anſpruch wird beſonders darauf geſtützt, daß es ſich hier
um Beſchlagnahme rein gewerblicher Räume handele, bezüglich deren
eine Beſchlagnahme geſetzlich unzuläſſig ſei. Bezügliche Beweiſe ſeien
bei dem Mieteinigungsamt ſeinerzeit erboten, aber nicht erhoben worden.
Notar Jöckel beſtreitet entſchieden, daß er als Vorſitzender des
Miet=
einigungsamts aus Pflichtverletzung gehandelt und aus unſachlichen
Motiven heraus entſchieden habe. Roſenbaum habe Wohnung und
Zahnpraxis aufgegeben gehabt und ſei nach Frankfurt a. M. verzogen
geweſen, deshalb habe es ſich nicht mehr um gewerbliche Räume
gehan=
delt. In die Exekution des Wohnungsamts habe er nicht eingegriffen.
Der Vertreter des Staatsintereſſes betont, daß Jeder beim
Mieteini=
gungsamt Abgewieſene ſich als ungerecht behandelt fühle. Im Fragefall
ſolle eine Schadenerſatzklage künſtlich aufgebaut werden, um die
Ent=
ſcheidung des Mieteinigungsamts auszuſchalten. Er glaube aber, daß
im Fragefalle der Rechtsweg unzuläſſig ſei, die Sache kompetiere ganz
den Verwaltungsbehörden, die Frage, ob die Räume gewerbliche ſeien
oder nicht, unterſtehe nur der Entſcheidung der Verwaltungsbehörde, ein
Verſchulden des Vorſitzenden des Mieteinigungsamts ſei aber im übrigen
in keiner Weiſe zu begründen. Urteil: Der Notar Jöckel hat ſich in
der Sache einer Ueberſchreitung der Amtsbefugniſſe nicht ſchuldig
gemacht.
Bühnenvolksbund. Der Vortrag bes Prof. Bieſe muß
heute abend ausfallen nachdem das Landestheater, zufolge
un=
vorgeſehener Spielplanänderung, für unſere Sondermiete 22 heute
abend „Prinz von Homburg” angeſetzt hat und eine „
Ab=
ſetzung der Vorſtellung angeblich bei der Spielplangeſtellung nicht mehr
möglich iſt. Unſer Vortragsabend war allerdings dem Landestheater
rechtzeitig bekannt gegeben worden! Zu dem Vortrag gelöſte Karten
behalten Gültigkeit oder werden bei Chriſtian Arnold eingelöſt.
Luſtiger Senff=Georgi=Abend. Die Fülle des großen
Saalbau=
ſaales am vergangenen Samstag erbrachte den Beweis für das ſtarke
Verlangen nach mehr oder weniger harmloſem Humor, wie ihn Senff=
Georgi mit ſprühender Laune auszuteilen verſteht. Daß der in ſeiner
Vielſeitigkeit kaum zu übertreffende Vortragsmeiſter die witzige
Anek=
dote und das zu grotesk=mimiſcher Ausgeſtaltung geeignete
Vortrags=
ſtück aus praktiſchen Gründen bevorzugt iſt begreiflich. Selbſt
ſtoff=
lich minder Gutes ſchluckt man mit vergnüglichem Behagen, wenn es in
ſolch erſtklaſſiger Zubereitung ſerviert wird. Die größten Wirkungen
erzielte Senff=Georgi auch diesmal wieder dadurch, daß er die
vor=
kommenden Perſonen nicht nur ſpricht, ſondern figürlich darſtellt und
auf dieſe Weiſe ganze Szenen vorſpielt. Von beſonderem Reiz ſind die
geſchickten, ſelbſt verfaßten Ein= und Ueberleitungen zu den
derſchie=
denen Programmabſchnitten. Luſtiges von Ludwig Fulda, Hirſchberg=
Jura, Auernheim, Schüler, Reimann Uzarski u. A.; neu=bayeriſches,
preußiſch=berliniſches ſächſiſches und oſtpreußiſches zogen an dem
ver=
gnügten, ſtärkſten Beifall ſpendenden Publikum bunt vorüber. Zum
Schluß ein famoſer, ſelbſtgedichteter „Aprilſcherz” aus dem
Familien=
leben als Zugabe.
Zur Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung am Donnerstag,
den 27. März 1924, nachmittags 5 Uhr, iſt folgende Tagesordnung
feſtgeſetzt: 1. Erlaß einer Polizeiverordnung, die Abhaltung der
Früh=
jahrs= und Herbſtmeſſe betreffend (Meſſeordnung). 2. Errichtung von
Schulgärten für die allgemeine Knabenfortbildungsſchule und die
Mäd=
henfortbildungsſchule; hier: Bewilligung von Mitteln, 3. Ueberſicht
über die Einnahmen und Ausgaben der höheren Knabenſchulen für 1922.
4. Wahl des Vorſtandes der Simon und Charlotte Fulda=Stiftung. 5.
Abſchluß der Kaſſe der Knabenarbeitsanſtalt für 1922. 6. Verpachtung
des bade= und ſchwimmtechniſchen Betriebes der Badeanſtalten am Woog
an das Amt für Leibesübungen. 7. Errichtung einer Handelsſchule,
8. Mitteilungen.
* Provinzialausſchuß.
1. Klage des Auguſt Fendt zu Darmſtadt, Langgaſſe 29, gegen
Kreisamt Darmſtadt wegen Nichterteilung der Hauſiererlaubnis. Fendt
iſt bei Althändler Chriſt beſchäftigt geweſen und will ſelbſtändig werden.
Da er noch nicht 25 Jahre alt iſt, mußte das Geſuch verſagt werden.
2. Klage des F. Wilh. Herbold II. zu Groß=Rohrheim gegen
Kreisamt Bensheim wegen Nichterteilung einer Legitimationskarte.
H. will die Großhandelserlaubnis haben. Das Kreisamt erachtet, er
beſitze nicht die nötige Sachkenntnis. Urteil: Der Klage wird
ſtatt=
gegeben, Legitimationskarte iſt zu erteilen.
3. Geſuch der Frau Adolf Groß Wwe. zu Offenbach=Bürgel um
Erlaubnis zum Betriebe einer Schankwirtſchaft im Hauſe Niethgaſſe 1.
Die Rechtsdeputation der Stadtverordneten hat die Bedürfnisfrage
ver=
neint. Urteil: Die Konzeſſion wird erteilt.
4. Klage der Deutſchnationalen Volkspartei
Offen=
bach, des Hausbeſitzervereins E.V. daſelbſt und des
Bun=
des der Wohnungſuchenden daſelbſt gegen Stadtgemeinde
Offenbach wegen Anfechtung eines Stadtverordnetenbeſchluſſes. Am 15.
November 1923 wurde zwecks Wohnungsverteilung von den
Stadtver=
ordneten eine aus dem Stadtparlament parteipolitiſch zuſammengeſetzte
Kommiſſion gewählt, während die ſeither fungierende paritätiſch
zuſam=
mengeſetzt war. Die Klage begehrt Aufhebung des
Stadtverordneten=
beſchluſſes, ohne daß erhellt, auf welche Beſtimmung der Städteordnung
ſie ſich ſtützt; anſcheinend kann nur Artikel 98 in Frage kommen. Die
durch Beig. Aull vertretene Stadtverwaltung betont die formale
Un=
zuläſſigkeit der Klage, auf die das Gericht erkennt.
5. Klage des Jakob Bierbaum zu Geinsheim gegen den Beſcheid
des Kreisamts Groß=Gerau vom 15. September 1923 wegen
Nichtertei=
lens der Großhandelserlaubnis. Das Kreisamt erachtet, es ſeien ſchon
genügend Händler (mehr als 54) zugelaſſen, daher fehle Bedürfnis. Das
Geſuch wird abgelehnt.
6. Klage der Frau Babette Sattler zu Bensheim gegen den
Be=
ſcheid des Kreisamts Bensheim vom 9. Januar 1924 wegen
Nichtertei=
lens der Handelserlaubnis für Obſt und Gemüſe im Umherziehen. Frau
S. iſt wiederholt wegen Schleichhandels beſtraft und erſcheint deshalb
unzuverläffig. Urteil: Klageabweiſung.
7. Klage des Anton Souard zu Neu=Iſenburg gegen den Beſcheid
des Kreisamts Offenbach vom 29. Juni 1923 wegen Nichterteilung der
Großhandelserlaubnis. Erſchienen: Ant. Souard und mit ihm Juſtizrat
Dr. Oſann. Das Geſuch war aus volkswirtſchaftlichen Gründen abge
kehnt worden. S. betrieb ſchon vor dem Kriege Bäckerei und
Mehl=
handel. Der Klage wurde ſtattgegeben.
8. Klage der Frau Agnes Neumann zu Neu=Iſenburg gegen den
Beſcheid des Kreisamts Offenbach vom 26. September 1923 wegen
Nicht=
erteilung der Großhandelserlaubnis. Das Kreisamt hatte das Geſuch
mangels Bedürfniſſes abgelehnt. Aus ſozialen Gründen und weil gegen
Geſuchſtellerin nichts Belaſtendes vorliegt, wird Großhandelserlaubnis
erteilk.
Zuſchüſſe zu den Ankaufskoſten von Herdbuchballen und ſolchen
aus Leiſtungskühen an Gemeinden und Pridatzüchter. Den Gemeinden
und Privatzüchtern wird hierdurch bekannt gegeben, daß der Vorſtand
des Landwirtſchaftskammer=Ausſchuſſes für die Provinz Starkenburg
beſchloſſen hat, Zuſchüſſe zum Ankauf von Zuchtfaſeln des heſſiſchen
Fleckvieh= und des Odenwälder Rotviehſchlages auch im kommenden
Frühjahr wieder zu bewilligen. Es werden gewährt für: einen
Herd=
buchfaſel Mk. 25.— und für einen Herdbuchfaſel, der gleichzeitig einer
guten Leiſtungskuh entſtammt Mk. 35.—. Die Auszahlung dieſer
Zu=
ſchüſſe erfolgt nur auf Grund einer Eingabe beim
Landwirtſchafts=
kammer=Ausſchuß. Die Eingabe muß den Einkaufspreis des Faſels
enthalten und muß ihr der zugehörige Abſtammungsnachweis beiliegen.
Eingaben, die dieſe verlangten Unterlagen nicht enthalten, bleiben
un=
berückſichtigt. Die Geſchäftsſtelle des Landwirtſchaftskammer=Ausſchuſſes
Starkenburg iſt in der Lage, junge zuchtfähige Faſel, von guten
Leiſtungs=
kühen abſtammend, nachzuweiſen.
— Gefetz vom 26. Juli 1848, die Ausübung der Jagb und Fiſcherei
betreffend. Nach Art. 4 iſt derjenige Grundeigentümer, der eine
zu=
ſammenhängende Grundfläche von 300 Morgen Flächeninhalt und
dar=
über beſitzt, ſelbſt — gleichgültig, ob dieſe zuſammenhängende Fläche
in einer oder in mehreren Gemarkungen gelegen iſt — mit Ausſchluß
der Gemeinde, zur Ausübung der Jagd auf dieſer Grundfläche ſelbſt
oder durch Dritte berechtigt. (Abſ. 1.) — Hierzu beantragen v.
Hel=
molt und Genoſſen folgenden Zuſatz als Abſatz 2: „Auf
Grund=
eigentümer, die eine zuſammenhängende Grundfläche von 300 Morgen
Flächeninhalt und darüber erſt nach 1. Januar 1924 erworben oder die
eine vor 1. Januar 1924 erworbene Berechtigung bis dahin nicht in
Anſpruch genommen haben, findet die Beſtimmung des Abſ. 1 keine
Anwendung.”
Parlamentariſches.
8. Ein Antrag Hattemer will die wohltätige Einrichtung der
heſſiſchen Beamtenkrankenkaſſe auch denjenigen heſſiſchen
Penſionären und Witwen, die ſelbſt oder deren Gatten heſſiſche
Be=
amte in früher heſſiſchen Behörden und Stellen waren, die jetzt auf
das Reich übergegangen ſind, zugänglich machen.
Pachtſchutzordnung. Während, die Regierung mit Druckſache 997
Aenderungen der Pachtſchutzordnung vom 25. Juli 1921/11. Auguſt
1922 vorſchlägt, ſtellt Abg. Schott Antrag auf Aufhebung. Die
Wäh=
rung, ſo beſagt die Begründung, ſei ſtabiler geworden, es werde
über=
all wieder mit Mark gerechnet, die Inflation habe aufgehört,
Verpäch=
ter und Pächter könnten ſich in der Folge gütlich einigen. Vielfach
hät=
ten die Entſcheidungen der Einigungsämter auch beide Teile nicht
be=
friedigt und zu neuen Streitigkeiten geführt.
Wetterbericht derGießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 25. März.
Weiterhin milde, vorwiegend bedeckt, noch Niederſchläge.
Die feine Zigarette
„BCHLOSS AMERONGEN
Großformat
Stück 5 Pf.
(3197a
RIMOFA-Zigarettenfabrik, Frankfurt a. M.
Hans Peter Kromm der Lebendige.
Eine Geſchichte von Ufer zu Ufer
von Johanna Wolff.
(Nachdruck verboten.)
83)
Und Gudrune, das Buckelchen, zernähte ſich die Hände. Auch
die alte Antje wurde mit herangezogen und mußte bei der
Be=
aufſichtigung mithelfen. Sie tat’s nicht ungern. Hier kam ihre
Gabe, Geſchichten zu erzählen, wieder in Geltung. Antje ſaß
unter der Jugend und erzählte, und die Kinder aus der Stadt
ſchauderten ſich, ebenſo wie ſich früher der kleine Hans Peter
geſchauert hatte.
Und ſie aßen und wurden alle ſatt. Die erſten Pfleglinge
wurden rund und rotbackig, und nach dieſen kannen andre, die
tuch hochgebracht wurden.
„Hilde,” ſagte der Ingenieur, da er eines andern Tages aus
der Stadt heimgekommen war: „Es ſind arme Frauen da, die
ſind nach der Seuche verkrankt geblieben, der Krieg hat ihnen
den Mann genommen — ſchlecht ernährt und ſchlecht gekleidet
Ae4
„Bringe ſie,” erwiderte die Freundliche. „Wir rücken noch
wehr zuſammen. Vielleicht auch ſetzen deine Leute vom
Werkk=
platz ein Sommerhäuschen auf — Holz iſt ja noch vom Bauen
vorhanden.”
„Und die Ernährung?” fragte er zurück, „könnteſt du es
ſchaffen?”
„Noch geht’s!” lachte Hilde. „Frag Mutter, wie ſie den
Be=
ſtand unſerer Felder findet!“
Auch die Frauen kamen. Und ſie aßen und wurden alle ſatt.
Wenn ſie ihr Zunahmegewicht erreicht hatten und an ihrem
ganzen Menſchen aufgefriſcht waren, zogen andre ein.
Den Kindern hatte wan einen Tummelplatz beim
Würz=
gärtchen gegeben; ſie leiſteten kleine Dienſte in der Wirtſchaft,
die Frauen aber griffen bei aller Arbeit fröhlich zu, in der Küche
im Gemüſegarten und bei der Nähterei.
Weit hinaus in die Haide erſchallte das helle Lachen, das
Rufen und Süngen der großen und kleinen Pfleglinge. Manch=
mal blieben die Haidjer verwundert ſtehn, lauſchten oder ſteckten
die Köpfe über die Mauer: „Düſtermöhl?” Ne! Sünnemöhl!”
Und ſie nickten den Fremden zu. Es geſchah ſogar, daß im
Däm=
mern ein Haidier oder eine Haidjerin mit gefüllter Kiepe auf
dem Hof erſchien, die wurde dann abgeſetzt und gelaſſen und
ſchweigend vor Merete ausgepackt. Butterſtücken und
Kümmel=
käs, Buchweizengrütze und Obſt; mit ſtummem Fingerzeig auf
die Noteſſer entfernte man ſich wieder.
Und Deutſchland rang. Es ſchlug ſich um ſein Leben.
Und es ſtand auf in ihm all ſein Böſes. Was gemein und
verkemmen, was geil und gierig war, machte ſich hervor und
fand ſeinen Boden, wo es gedeihen konnte. Selbſtſucht und
Eigennutz nahmen überhand und rankten über Zaun und Gatter.
Und es ſtand auf in ihm all ſein Gutes. Was edel und
hoch=
herzig, was rein und ſelbſtlos war, drängte zur Betätigung
Bruderliebe und Opferſinn bewährten ſich in einer nie
dage=
weſenen Weiſe.
Da wurden Hungrige geſpeiſt und Nackte gekleidet, Frierende
wurden gewärmt und Heimloſe beherbergt, und dabei ging doch
das Beſte, was aufzutreiben war, hinaus — hinaus ins Feld zu
den Männern, die mit ihrem Leben einſtanden für die Grenzen
der Heimaterde.
Nicht vom Ueberfluß wurde geſpendet. Die, deren Hände
zum Geben offen waren, litten ſelber Mangel. Mühſam bis zum
Verzagen kümmerte man ſich durch. Ach, Deutſchlands Not ſtieg
ins Unerhörte.
Und Deutſchland wurde überwältigt — — Deutſchland
mahm den Waffenſtillſtand an.
Am kleinen bleigefaßten Fenſter der Diele ſeines
Stroh=
dachhauſes lehnte Hans Peter, die Wöllmer Zeitung in der
Hand. Vom Werkplatz gekommen, hatte er danach gegriffen,
nun war ihm, als hätte er Feuer angefaßt. Er fühlte ſeine
Ein=
geweide brennen und ſich krümmen in einem ungeheuren Wut=
und Wehgefühl. Das Blut war ihm heftig zu Kopf geſtiegen: O
dieſe Schmach! Der Kaiſer geflohen! Deutſchland im Staube,
um Gnade winſelnd, wie der gröblichſte Verbrecher! Wurzeltiefe
wurde zur Kronenhöhe gekehrt, Hände, die je beinen Zügel
ge=
halten, riſſen Gewalt und Recht an ſich. Und die Furcht, die
blaſſe Furcht und Feigheit einer haltloſen Regierung den
Fein=
den gegenüber! Die jetzt das Steuer hielten, die ließen ſich
an=
ſpeien und ſagten: danke.
Der Tropfen, der ihm ins Ein=Auge ſtieg, ſaß da, wie
ge=
ſchmolzenes Blei, aber der Brand in dem andern, der war nicht
auszuhalten. Er faßte nach dem Künſtlichen, riß es heraus und
ſchleuderte es zu Boden, und da es doch ganz blieb und wie
vorwurfsvoll zu ihm emporſtarrte, trat er’s mit dem Fuße gegen
die Wand, wieder und wieder und noch einmal, als wär’s der
Schmachfriedenswiſch, und Hans Peter ſtöhnte vor Qual — vor
Mannes=Seelenqual.
Die Mutter war hereingekommen und ſah verängſtet zu, ſah,
wie unter ſeinem Fuß die kleine zarte Sache mit Knirſchen in
Splitter ging. Zagend faßte ſie den Geiſtesabweſenden bei der
Hand, zagend, unendlich behutſam drückte ſie ihn auf die hölzerne
Ofenbank. War ſein Geſicht nicht wie in Blut geſchvollen? Die
Adern an ſeiner Stirn lagen wie Stricke auf.
Peterle!” ſagte ſie mit kaum hörbarem Bitten, „Peterle!”
Da preßte er ſeinen Kopf gegen ihren Leib und weinte —
weinte, ob mit einem Auge oder mit beiden — er wußte es nicht.
Und ſie ſtreichelte an ihm heruri, ſo ſänftiglich, wie ſie dem
Knäblein getan, ging davon, kam wieder und drückte ihm den
kleinen Kaſten in die Hand — ihre Freudengabe von beſtandener
Prüfung — das Erſatzauge. Der es verfertigt, war im Krieg
gefallen, ſeine Arbeit lebte
Deutſchland lag am Boden. Mehr als totgeſchlagen —
ent=
ehrt.
Eine Zeit der Natloſigkeit und Verwirrung begann.
Unſicherheit ging um wie ein Geſpenſt. Dumpfe, ſtumpf=
Hoffnungsloſigkeit beſchlich die Seelen der Beſten; die breite
Maſſe aber, faul, feil und feige, wurde zugänglich allem
Schlim=
men und Schlechten, das niemand hemmen wollte.
Und dann empfand man nichts mehr. Man praßte, man
tanzte, tanzte auf heißen Füßen dem Abgrund zu, oder man
ſchwieg und litt das Unſagbare.
Viermal zehn Jahre Sklavennot,
viermal zehn Jahre Hungerbrot,
viermal zehn Jahre Henkergericht,
viermal zehn Jahre — wir tragen es nicht
(Fortſetzung folgt.)
Nummer 84.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 24. März 1924
Seite 5.
Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Sportverein Darmſtadt—Olympia=Lorſch 3:0.
e In der Fortſetzung der Verbandsſpiele 1923/24 ſtieg am
geſtrigen Sonntag im Darmſtädter Stadion das Spiel Lorſch=
Darmſtadt. Zahlreich hatten ſich wieder die Anhänger des
Lederballs eingefunden. Sie kamen alle auf ihre Koſten, weniger
in ſpieleriſcher Hinſicht, mehr aber an heiteren Momenten, den
der faſt größte Teil des Spielverlaufs ihnen bot. Lorſch hatte
ſeinen beſten Spieler Bechtel als Mittelſtürmer aufgeſtellt, eine
Maßnahme, durch die dieſer ſonſt talentierte Mittelläufer mit
weniger Erfolg ſpielen konnte. Die Darnſtädter
Hintermann=
ſchaft iſt für ihn allein ein zu großes Hindernis. Seine
Neben=
leute brachten nicht die für ihn hierzu notwendige Unterſtützung
mit. So kam es, daß Bechtel ſeiner Mannſchaft weniger Nutzen
brachte, als dies ſicher auf ſeinem ihm eigenen Poſten der Fall
geweſen wäre. Sonſt ſpielten die Mannen aus Lorſch recht brav.
An Eifer waren ſie den Einheimiſchen ſogar überlegen. Die
Letzteren konnten heute nicht ſo recht gefallen, beſonders der
Sturm ſpielte manchmal zu unentſchloſſen und konnte ſich nicht
ſo recht durchſetzen. Glückte ein Angriff, und ſolcher waren es
zahlreiche, ſo wurde der Ball in allen Fällen neben das Tor
ge=
treten, ſo daß ſich die Zuſchauer ob dieſer vor dem Tore
manch=
mal beiſpielloſen Treffunſicherheit und verpaßten Gelegenheiten
geradezu ergötzten. Auch heute brachten ſie es trotz
andauern=
der Belagerung des Lorſcher Tors nicht fertig, die Torzahl zu
erhöhen. Nur ein einziges Mal brach Mülmerſtadt dieſen Bann.
Am Eckballverhältnis 12:3 für Darmſtadt wird niemand, die
Ueberlegenheit der Einheimiſchen bezweifeln. Hierdurch
konn=
ten ſich die einzelnen Spieler mit Recht auch den andauernden
Wechſel ihrer Plätze erlauben, da ja an und für ſich keine
Ge=
fahr beſtand, das Spiel zu verlieren. Der Gegner war nicht
ſterk genug, um dem Sportverein den heutigen Sieg ſtreitig zu
machen. Daß bei dieſer Tatſache nicht mehr als die drei Tore
erzielt worden ſind, ſtellt den Stürmern heute nicht gerade das
beſte Zeugnis aus. Der Lorſcher Torwächter hat ſeinen guten
Ruf bewahrt. In manchwal waghalſiger Weiſe holte er ſich
ſtets im letzten Moment noch den Ball. Andererſeits ſchoſſen
ihm zu Gefallen die Darmſtädter Stürmer den Ball vielmals
fanggerecht zu. Die übrige Mannſchaft aus Lorſch zeigte gute
Anlage und hat ihren jetzigen Tabellenſtand wohl verdient, wenn
auch ihr Torwächter den größten Anteil für ſich in „Anſpruch
nehmen kann. Daß das Spiel ſich in einenn angenehmen und
ſportlichen Rahmen abwickelte, iſt ohne Zweifel das Verdienſt
des Herrn Freudenberger=Stuttgart. Es verdient hervorgehoben
zu werden, daß ſogar heute die Zuſchauer in nicht einem
ein=
zigen Falle ihren Unwillen gegen dieſe vielangefeindete
Tätig=
keit zum Ausdruck brachten. Das will von den Darmſtädter
An=
hängern des Fußballs außerordentlich viel heißen. Am nächſten
Sonntag iſt den Einheimiſchen wieder Gelegenheit geboten, ihr
beſſeres Können zu beweiſen. Die Fahnen am Eingang des
Sta=
dions werden einen Großkampftag verkünden. In der
Pokal=
runde hat das Los beſtimmt, daß die Liga des Sportvereins
gegen den Bezirksligaverein Fußballklub Ludwigshafen 03
an=
zutreten hat. Hoffentlich holt ſich der Sturm der Einheimiſchen
mehr als beim geſtrigen Spiel und ſchießt den Ball genauer,
ſonſt wird ihr Siegeszug um den Süddeutſchen Verbandspokal
mit Mannheim=Feudenheim ſeinen Abſchluß gefunden haben.
Sportvereins 2a Mannſchaft gewann ihr fälliges
Verbands=
ſpiel gegen die 2. Männſchaft des Fußballvereins aus Weinheim
nnt 1:0. Die 1. Jugendmannſchaft des Sporwereins ſpielte
gegen die 1. Jugend des F. C. Olympia=Frankfurt
unent=
ſchieden 0:0.
F. C. Eintracht I. — Vgg. Weiterſtadt=Braunshardt I. 7:0.
Meh. Der F.C. Eintracht ſah ſich genötigt, zu dem geſtern
vor=
mittag ausgetragenen Verbandsſpiel außer Konkurrenz mit fünf
Mann Erſatz anzutreten. Dieſe löſten ihre Aufgabe ſehr gut,
in=
dem ſie der Vgg. Weiterſtadt=Braunshardt mit obigem Reſultat
das Nachſehen gaben. Das Halbzeitreſultat von 5:0 gibt vollauf
den Verlauf dieſer Spielzeit wieder, während in der zweiten
Hälfte die Vereinigten ſich energiſcher ihrer Haut wehrten und
das Eintrachttor öfter in Gefahr brachten: das Ehrentor blieb
ihnen jedoch verſagt, dagegen konnte der Platzverein noch
zwei=
mal einſenden.
Das anſchließend ſtattgefundene Spiel der I. Eintrachtjugend
gegen dieſelbe von 1860=Hanau, konnten die Darmſtädter nach
ſchönem techniſchen Kampfe mit 1:0 für ſich entſcheiden.
Eintracht I. Jgd. — Hanau 1860 I. Jgd.
Griesheim I. M. — Hahn I. 1:1.
Union — Bürſtadt 0:2.
V. f. R. Darmſtadt — F. V. Weinheim 0:4 (0:3).
Ka. Die Liga=Mannſchaft des V. f. R. unterlag geſtern in
Weinheim dem dortigen F.V. mit 0:4. Weinheim rächte ſomit
ſeine Niederlage gegen den Sportverein 98 kräftig. Die
Mann=
ſchaft kämpfte überaus hitzig, um ja recht hoch zu gewinnen, und
verlieh daher dem Spiel keine allzu gute Note. — Die Liga=
Erſatz=
mannſchaft des V. f. R. trennte ſich nach anregendem,
intereſſan=
tem Spiele mit den „Alten Herren” der Frankfurter Eintracht
mit 2:2. Herr Dröll (A. S. C.) war dem Spiel ein vorzüglicher
Leiter. — Ferner wurden folgende Reſultate erzielt:
Sp.=V. Frankfurt—Sp.=Vgg. Fürth 0:2 (0:1).
Das große Spiel um die deutſche Meiſterſchaft lockte rund
7000 Zuſchauer auf den Sportplatz Bornheim, die ſehr enttäuſcht
nach Spielende heimpilgerten, ließ doch die letzte Begegnung der
Rivalen ein hochklaſſiges Treffen erwarten, und wie jämmerlich
war das Spiel. Zeitweiſe wurde nicht nur geholzt, ſondern
geradezu unfair geſpielt, ſo daß ſchließlich zwei Mann von
Frank=
furt und einer von Fürth den Platz verlaſſen mußten. Der
Un=
parteiiſche, Hermann aus Luwigshafen, war ſehr ſicher und
kor=
rekt in ſeinen Entſcheidungen. Er hätte nur noch ſchärfer
drein=
fahren ſollen. Das zahlreiche Publikum war auch mal wieder
kräftig dabei. Es iſt eigentlich ſchade um die unnütze
Lungen=
kraft, die an einem Sonntag nachmittag auf dem Sportplatz
ver=
ſchwendet wird. Wie ſchon eingangs erwähnt, bot das Spiel
keine überragenden Leiſtungen, wenn auch die Fürther Spieler im
einzelnen techniſch und taktiſch ihrem Gegner meiſt über waren.
Das erſte Tor fiel in der 13. Minute durch Seiderer, der einen
von Koch abprallenden Ball einſandte. Wer nun glaubte, daß
Fürth jetzt Fußballkunſt demonſtrieren würde, wurde ſtark
ent=
täuſcht. Wohl ſah man hüben und drüben ſchnelle Durchbrüche
und manchmal auch techniſch ſchöne Einzeleiſtungen, aber Tore
fielen bis zur Pauſe nicht mehr.
In der zweiten Hälfte wurde das Spiel zeitweiſe ſehr hart.
Beiderſeits gabs viele Strafſtöße, und ungefähr nach 30
Minu=
ten Spielzeit der zweiten Spielhälfte mußten drei Spieler ſich
das Spiel von außen anſehen. Der Kampf wurde nun gänzlich
unintereſſant. Es war zeitweiſe nur ein Fortſchicken des Balles.
Als zum Ueberfluß noch Gattermann vom Sportverein verletzt
den Platz verließ, kämpfte dieſer mit 8 Spielern gegen die 10
von Fürth. Trotzdem wurde das Spiel offen durchgeführt.
Zeit=
weiſe konnte Sportverein ſogar das Fürther Tor belagern. Hier
war aber Müller, der eine der Verteidiger, einfach nicht zu
über=
winden. Das Innentrio des Sportvereins war heute mehr als
mäßig. Faſt gleichzeitig mit dem Schlußpfiff erringt Fürth eine
ſeiner vielen Echen, und im Anſchluß daran erringt Kißling den
zweiten Erfolg. Das Eckballverhältnis iſt 11:5 zugunſten von
Fürth.
Boruſſia=Neunkirchen—F. Cl. Nürnberg 0:5.
Die Nürnberger waren geſtern in großer Form. Die geſamte
Elf funktionierte tadellos. Dabei wurden noch zahlreiche
Tor=
gelegenheiten durch abſeits verdorben. Drei Tore fielen in der
erſten Hälfte, das erſte Tor in der 16. Minute durch Wieder,
der einen Ball ſcharf in die rechte untere Ecke lenkte, das zweite
in der 20. Minute durch Popp. Es war dies ein unhaltbarer
Schuß. Das dritte Tor erfolgte in der 30. Minute durch Träg
nach ſchöner Vorlage von Wieder. Ohne Pauſe ſpielte man
wei=
ter. Auch die zweite Spielhälfte bringt eine ſichtliche
Ueber=
legenheit der bayeriſchen Gäſte. In der 21. Minute iſt es
wiederum Wieder, der nach vielen Fehlſchüſſen das vierte Tor
er=
zielt, und bereits nach 6 weiteren Minuten fällt das fünfte durch
Bombenſchuß von Träg. Die letzte Viertelſtunde kam Boruſſia
ſehr gut auf und arbeitete auch ziemlich Torgelegenheiten
her=
aus. Im gegneriſchen Strafraum war es jedoch mit der
Schieß=
kunſt zu Ende. Außerdem hielt geſtern die gut ſpielende
Nürn=
berger Verteidigung ſehr ſchwere Bälle. Die Spielleitung war
einwandfrei.
Weitere Ergebniſſe:
Ta. Jgd.=M. V. f. R. — Ta. Jgd. Eintracht Frankfurt 1:2.
Ib. Jgd.=M. V. f. R. — I. Jgd. F.V. Weinheim 2:2.
Ta. Schl.=M. V. f. R. — Ta. Schl. Eintracht=Frankfurt 2:0.
III. Mannſchaft V. f. R. — III. M. Griesheim 3:2.
T. u. Sp.V. Waldhof — Kickers=Stuttgart 3:2.
Eintracht=Frankfurt — Union=Niederrad 0:0.
Hanau 93 — Germania=Frankfurt 1:2.
V. f. R. Frankfurt — Helvetia=Frankfurt 5:1.
Sportfreunde Frankfurt — Vgg. Fechenheim 1:0.
Hanau 94 — Boruſſia=Frankfurt 7:0.
Hanau 94 — Hetternheim 3:1.
Viktoria=Aſchaffenburg — Kur=Heſſen=Kaſſel 4:0.
Vgg. Groß=Auheim — Sp.=Freunde Frankfurt 1:4.
V. f. L. Iſenburg — Helvetia=Frankfurt 2:1.
Schiedsrichterausſchuß im D. F.B.
Die kürzlich erfolgte Anregung zur Zentraliſierung des
Schiedsrichterweſens im Deutſchen Fußballbund hat, in allen
Landesverbänden lebhaften Widerhall gefunden. Die
verſchie=
denen Schiedsrichterausſchüfſe der D.F.B=Unterverbände
unter=
ſtützen den Antrag, ſodaß der Bundesſchiedsrichterausſchuß bald
greifbare Formen annehmen dürfte.
Der Fußball=Länderkampf Ungarn—Italien,
der für den 13. April nach Budapeſt vereinbart worden war, ſoll
auf Wunſch der Italiener um eine Woche, auf den 6. April,
vor=
verlegt werden. Der ungariſche Verband wird ſich in der nächſten
Sitzung mit der Angelegenheit beſchäftigen.
Handball.
Hannover—Berlin.
Am 1. Oſterfeiertag ſtehen ſich in Hannover zum dritten Male
die Turner=Auswahlmannſchaften von Berlin und Hannover im
Handballkampf gegenüber. Das erſte Treffen dieſer beiden
Mann=
ſchaften wurde von Hannover mit 4:3 gewonnen, während ſich im
zweiten Spiel Berlin mit einem 4:0=Sieg revanchierte.
Leichtathletik.
Turngemeinde Darmſtadt 1846.
Mit gutem Erfolge kehrte die Leichtathletik=Abteilung von
dem Frühjahrs=Waldlauf des Main=Rhein=
Gaues der D. T. zurück. Sie beteiligte ſich mit 4
Mann=
ſchaften und 7 Einzelläufern. Bei einer zahlreichen Beteiligung
ſeitens der Gauvereine und guten Leiſtungen errang die
Abtei=
lung: Im Mannſchafts=Lauf A=Klaſſe den 1. Sieg, im
Mann=
ſchafts=Lauf B=Klaſſe den 3. Sieg, im Mannſchafts=Lauf Jugend=
Klaſſe den 1. Sieg. Im Einzel=Lauf, Oberſtufe, den 2. Sieg
Ferd. Meyer, im Einzel=Lauf, Mittelſtufe, den 1. Sieg
Wilh. von Dungen, im Einzellauf, B=Klaſſe, den 2. Sieg
Fr. Beck, im Einzel=Lauf, Jugend=Klaſſe, den 2. Sieg
Gahron.
Mittelrheiniſcher Meiſterſchuftswalblauf der D. T. in Darmſtadt am
6. April 1924
Der Darmſtädter Turnerſchaft wurde der ehrenvolle Auftrag
zu=
teil, den „Mittelrheiniſchen Meiſterſchaftswaldlauf”
vorzubereiten, der am 6. April, nachmittags 3 Uhr in Darmſtadt
ſtatt=
findet. Start und Ziel befindet ſich auf dem Sportplatz der Hochſchule.
Die Läufe führen durch den ſüd= und ſüdöſtlich vom Sportplatz gelegenen
Hochwald. Außer dem Meiſterſchaftslauf über 5000 m für Männer der
Jahrgänge 05 und älter iſt noch ein beſonderer Lauf über 2500 m für
männliche Jugend, Jahrgang 06, 07, 08, vorgeſehen. Jeder Lauf wird
gleichzeitig als Einzel= und Mannſchaftskampf ausgetragen. Die
Ver=
anſtaltung iſt offen für ſämtliche Mitglieder des 9. Kreiſes der deutſchen
Turnerſchaft. Es werden alſo zu dieſem Meiſterſchaftslauf Sportler aus
dem Saargebiet, der Rheinlande bis Koblenz, dem Lahn= und
Taunus=
gebiet aus Heſſen und Heſſen=Kaſſel, dem vorderen Speſſart, ſowie aus
Frankfurt und Umgebung ſtarten. Der Bevölkerung von Darmſtadt und
Umgebung iſt ſomit die ſeltene Gelegenheit geboten, einem bedeutenden
ſportlichn Ereignis beiwohnen zu können. Nach dem Lauf werden ſich
noch zwei auserwählte Mannſchaften aus dem Main=Rheingau im
Handballſpiel gegenüberſtehen.
HI. S.
Schwimmen.
S. S. „Möwe‟ Darmſtadt, e. V.
Das interne Schauſchwimmen am geſtrigen Sonntag
nach=
mittag im Städtiſchen Hallenbad war trotz geringer Propaganda
ſehr gut beſucht. Nach einem Aufſchwimmen ſämtlicher
Teil=
nehmer begrüßte der 1. Vorſitzende die Beſucher und vor allem
den V. f. L. Heſſen” Darmſtadt, der ſich in uneigennütziger
Weiſe zur Verſchönerung des Feſtes zur Verfügung geftellt hat.
Der Redner wies darauf hin, daß es ſich hier um ein
Schwimm=
feſt handelt, bei dem nicht ſportliche Höchſtleiſtungen gezeigt
wer=
den, ſondern um ein Schauſchwimmen, das mehr volkstümlichen
Charakter tragen ſoll. Nach einigen einführenden Worten des
Herrn Gießmann (Jung=Deutſchland Darmſtadt) nahm das Feſt
ſeinen Anfang. Von den Staffeln, die mit V. f. L. Heſſen
aus=
getragen wurden, gewann S. S. Möwe die Lagenſtaffel 4X2
Bahnen, ſowie die Creszendobruſtſtaffel 2:4:6:4:2 Bahnen,
während er die Freiſtiegſtaffel 4X2 Bahnen verlor. Es muß
jedoch bemerkt werden, daß V. f. L. ohne ſeinen beſten
Bruſt=
ſchwimmer Ober antrat. Der Ausgang der letzten Staffel hat
gezeigt, daß der Verein ſich mit aller Tatkraft auf das
Freiſtiel=
ſchwimmen verlegen muß. Das Waſſerballſpiel gewann S. S.
„Möwe” gegen V. f. L. Heſſen 4:1. Das Spiel wurde nach
inter=
nationalen Regeln geſpielt. Es litt ſehr unter der kurzen Länge
des Hallenbades. S. S. „Möwe” ſtellte, die techniſch beſſere
Mannſchaft, während V. f. L. die ſchnellere war. Sehr gut
ge=
fiel der Tormann des V. f. L. Heſſen, der recht gute Leiſtungen
zeigte. Das Spiel wurde von Herrn Gießmann einwandfrei
ge=
leitet. Am Abend fand im Perkeoſaale die Preisverteilung mit
anſchließendem Tanz ſtatt.
Nachſtehend die Ergebniſſe des Feſtes:
1. Eröffnungslagenſtaffel, 4X2 Bahnen: I. S.S.
Möwe 1,43, Hedtler, Petry, Fritz, Schmidt, Klein; II. V. f. L.
Heſſen 1,/43.2.
2. Knabenbruſtſchwimmen, Sieger: Luley, Trinkaus,
Mion, Lahl, Weingärtner, Weber.
3. Jugendſeiteſchwimmen, 3 Bahnen: I. Herzig.
4. Knaben=Vorgabeſeiteſchwimmen: I. Gimbel.
5. Tellertauchen, a) für Knaben; I. Gimbel, Hans;
b) für Herren: I. Schneider, Hans.
6. Geſteigerte Bruſtſtaffel, 2:4:6:4:2 Bahnen:
I. S.S. Möwe 4,41 Min., Hergo, Drieß, Späth, Hedtler, Hergt;
II. V. f. L. Heſſen 4,43 Min.
7. Vorgabe=Bruſtſchwimmen, 4 Bahnen: I.
Bend=
haus.
8. Rückenſchwimmen für Herren, 3 Bahnen; I.
Schmidt, H.
9. Jugenb=Bruſtſchwimmen, 3 Bahnen: I. Katz, J.
10. Herren=Seiteſchwimmen, 3 Bahnen: I. Petry,
Fritz.
11. Knaben=Rückſchwimmen, 2 Bahnen: I.
Gim=
bel, Hans.
12. Freiſtielſtaffel 4X2 Bahnen: I. V. f. L. Heſſen
1,35.3 Min. (Gerbig, Trumpfheller, Petry, Weiß).
13. Waſſerballſpiel: S.S. Möwe — V. f. L. Heſſen 4:1.
S. S. Möwe ſpielte mit der Mannſchaft: Maldinger, Hedtler,
Klein, Vogt, Scheid.
Der Alpen=Skikurs des Skiklub Darmſtadt.
Ein ſkiſportlicher Rückblick.
Hoch, oben in 1386 Meter Höhe, am Südoſthang des Schönjochels,
ſteht das frühere Kloſter und heutige Kurhaus obladis bei Landeck in
Tirol. Die Kloſterleute, welches dieſes Haus in alter Zeit hier
auf=
gebaut haben in luftiger Höhe, hatten Sinn für landſchaftliche
Schön=
heiten, wenn auch dieſer Umſtand nicht allein ausſchlaggebend geweſen
ſein mag für die Wahl dieſes Platzes, denn hier entſpringen auch
heil=
kräftige Schwefelquellen und ein lieblich mundender Sauerbrunnen
erlabt den Menſchen. Das beſchauliche Leben, welches die Kloſterbrüder
hier wohl geführt haben, iſt heute abgelöſt durch ein lebendigeres und
lebensfreudigeres. Der Winterſport hat vor Jahren ſchon ſeinen
Sieges=
zug angetreten und hat auch dieſem einſt ſtillen Hauſe an anderes
Ge=
präge gegeben, Schneeſchuhe und Rodelſchlitten ſtehen in den Gängen
herum und ein von der Winterſonne dunkelgebräuntes Skiläufer=
Völk=
chen belebt die Räume. Manche ſehnige Sportgeſtalt iſt darunter, der
man den zünftigen Skiläufer ſchon von weitem anſieht. — Von den
Fenſtern des Hotels aus hat man einen prachtvollen Blick auf das tief
unten liegende alte Tirolerdorf Ladis mit ſeiner auf ſteilen Felſen
auf=
gebauten maleriſchen Burgruine und das obere Inntal. Als Abſchluß
dieſes ſchönen Bildes dient auf der anderen Seite des Inntales die
machtvolle bis zu 3000 Meter aufragende Kette des Naunergrades. Dieſes
alpine Landſchaftsbild erhält einen beſonders impoſanten Bug durch die
Grundtöne der drei Winterfarben: blau der Himmel, weiß die
Schnee=
flächen und dunkel die Tannen. Dieſe Farben werden wieder belebt
von Minute zu Minute, in wechſelnder Beleuchtung durc) bſtufungen
aller Art wie ſie mir der Winter und am ſchönſten bei auf= und
unter=
gehender Sonne hervorbringen kann.
Hier auf dieſem ſchönen Erdenfleck hatte der Skiklub Darmſtadt 28
ſeiner Mitglieder geführt,um ſie teilnehmen zu laſſen an einem Kurſus,
der die Anfänger einführen ſollte in die Technik des Skilaufs und
an=
dererſeits den Fortgeſchrittenen Gelegenheit geben ſollte, ſich weiter zu
bilden und alpine Lauftechnik und Hochbeſteigungen kennen zu lernen.
Die geſtellten Aufgaben waren nicht leicht, da es lange dauerte, bis ſich
unſere Mittelgebirgsläufer an die dortigen ſteilen Hänge gewöhnt hatten.
Weiter iſt zu berückſichtigen, daß die körperlichen Anforderungen in den
Alpen bedeutend höher ſind als in unſerem gewohnten Odenwald. Der
Hauptwert des Kurſes lag wohl darin, daß jeder Teilnehmer ſehen
konnte, wo es bei ihm am meiſten fehlte und daß der Alpenſkilauf doch
gtwas gmz anderes iſt als in unſeren Mittelgebirgen.
Beſonders befriedigend war für jeden derjenige Teil des Kurſes,
der dazu diente Geländefahrten und alpine Hochbeſteigungen
vorzu=
nehmen. Dieſe Aufgaben waren die körperlich anſtrengendſten, aber auch
abwechſlungsreichſten und brachten ſtändige Fühlung mit der uns
um=
gebenden herrlichen Landſchaft. Wer wird wohl den prächtigen
Auf=
ſtieg zum Schönjochel je vergeſſen? Wie wir an einem ſchönen
Winter=
morgen mit unſeren fellbeſpannten Schneeſchuhen durch dichten
Zirbel=
wald ſteil hochſtiegen, bis wir die Waldgrenze bei der Frühſtückshütte
erreicht hatten. Dann weiter in großen Kehren über weite Schneefelder,
bei einer Sonnenbeſtrahlung, die infolge der Schneereflexen und dünner,
klarer Luft, unſere durch Gletſcherſalbe geſchützte Haut in kurzer Zeit
braun färbte. Und endlich, nach faſt 4ſtündigem Aufſtieg, bei einem
Höhenunterſchied von über 1000 Meter, war der Gipfel des
Schön=
jöchels (2494 Meter) erreicht, und Gipfelraſt mit herrlichem Rundblick
über die um uns liegende Alpenpracht war unſer Lohn. Das Beſchauuen
eines ſolchen großartigen Bildes iſt mehr als ein Augenblicksgenuß. In
der Erinnerung desjenigen der es geſehen hat, wird es nachwirken und
noch in ſpäteren Jahren Form und Geſtalt annehmen. — Dann dieſe
alpine Abfahrt über 1000 Meter Gefälle bei einer ſehr kurzen
Zielent=
fernung! In großen Kehren über prachtvolle Schneehänge bei
unter=
gehender Sonne ging die Fahrt in ſauſender Geſchwindigkeit. Da
reihte ſich für manchen Sturz an Sturz, da gab es wohl zitternde Knie.
Aber vorwärts hieß die Loſung, wenn wir vor Anbruch der
Dunkel=
heit unſer Ziel noch erreichen wollten. Und alles erreichte glücklich das
Ziel, obwohl der letzte vereiſte und verharrſchte Hang große
Schwierig=
keiten bereitete.
Ein anderes Bild brachte uns der Aufſtieg nach der Compadellalp
und anliegende Gipfel. Auf faſt 2000 Meter Höhe liegt die Alpe in
großartiger, erhabener Wintereinſamkeit. Nur nach einer Seite offen,
iſt die Alpe umgeben von felſigen, ſchneebedeckten Gipfeln, die das
Hochtal nochmals um 1000 Meter überragen. Keinen Vogel ſieht
man hier oben nur die Spuren von Schneehaſen und Schneehühnern
kreuzen den Weg, der hier nur aus Skiſpuren beſteht.
Im Sommer werden hier Edelmetalle gegraben, und in einer
tiefverſchneiten Hütte des Bergwerks verbrachten wir eine Nacht auf
Strohſäcken.
Am Abend vorher, in der Vollmondnacht des 20. Februar,
konn=
ten wir die Alpe beim magiſchen Lichte des Mondes bewundern.
Und am anderen Morgen, als das Hochtal noch im tiefſten Schatten lag.
zogen drei Teilnehmer auf die Scheid und auf das Arezjoch, während
andere im Laufe des Vormittags den Lazidkopf beſtiegen. Am
Nach=
mittag brachte uns eine ſchöne Abfahrt über die unteren Hünge des
Sattelkopfes, den Beutekopf ſtreifend, nach Obladis zurück.
Alle dieſe Abfahrten über ſteile Hänge, welche oft zerklüftet, von
ſchroffen Einſenkungen unterbrochen und über wechſelnden Schnee
füh=
ren, bilden die beſte Uebungsgelegenheit. Und was man an Hilfen im
ſteilen, alpinen Gelände am meiſten braucht, das iſt immer wieder der
Stemmbogen und insbeſondere der noch wirkſamere Stemmkriſtiania.
Auch die gerade, aufrechte Haltung des Mittelgebirgsläufers iſt hier
nicht immer durchzuführen. Hinderniſſe, die wir öfters durch
Stemm=
bogen oder Schwünge zu umgehen ſuchen, die nimmt der Tiroler durch
Schußfahrt, aber dabei duckt er ſich zuſammen und geht federnd in die
Knie. Begünſtigt durch ſchöne, ſonnige Witterung und günſtige
Schnee=
verhältniſſe, konnte der Kurſus befriedigend zu Ende geführt werden.
Es bleibt zu hoffen, daß auch dieſer Kurſus, wie alle früheren, dazu
beitragen wird, die Freude an der winterlichen Natur und am
Schnee=
ſchuhlauf zu fördern. Mögen weiterhin die große Zahl der
Erwachſe=
nen, die ſich in den letzten Jahren immer mehr dem Skilauf zuwendet,
die Jugend nicht vergeſſen. Dieſer ſchöne Sport ſoll auch bei uns das
werden, was er im Schwarzwald und anderen Gebirgen ſchon längſt iſt,
ein volkstümlicher Sport. Dazu brauchen wir in den höheren Lagen
der nächſtliegenden Gebirge „Hütten für die Jugend”.
Zum Nutzen unſerer Skiläufer und die es werden wollen, ſoll
hier=
mit noch folgendes geſagt ſein:
Wer den Skilauf wirklich ernſt treiben will, der bereite ſeinen
Kör=
per im Laufe des ganzen Jahres dafür vor, insbeſondere durch
Wan=
dern, Schwimmen, Turnen, Eislauf, Springen, Laufen uſw.
Jeden=
falls durch Leibesübungen, welche Herz, Lunge, Muskeln ausbilden,
Spannkraſt und Gewandheit des Körpers fördern.
Der Skilauf iſt und ſoll kein tändelndes Spiel ſein, ſondern eine
ernſte körperliche Arbeit. Das iſt ſchon bedingt durch das Weſen dieſes
Sportes, der einen ſtändigen Kampf darſtellt mit den Unbilden des
Winters, mit Kälte, Eis und Schnee, ebenſo wie Ueberwindung der
Steigungen und Gefälle bei der Abfahrt, welche im ſchwierigen Gelände
angeſpannteſte Aufmerkſamkeit erfordert.
Weiterhin ſoll darauf aufmerkſam gemacht werden, daß einige Tage
Skiſport im Winter, das was man an Körperübund im Laufe eines
Jahres verſäumt hat, nicht nachholen können. Es wäre nicht gut und
würde zur Verflachung des Skilaufes führen, wenn die Früchte des
voll=
endeten Könnens dem Einzelnen ſo leicht in den Schoß fallen würden.
Darum muß die Loſung jedes Skiläufers, der es mit ſeinem Sport ernſt
meint, heißen: Durch Arbeit zum Erfolg! Dann wird auch der
Ski=
lauf, wie jede andere Leibesübung, über die Perſon des Einzelnen
hin=
wea dem Ganzen dienen.
Bießmann,
Seite 6.
Turnen.
„Heſſen”, V. f. L.
Nachdem die das Schwimmen und Leichtathletik
betreffen=
den Betriebe ſich in erfreulichem Maße entwickelt haben, ſo daß
die Schwimmer einem Vereinswettkampf mit dem
Ludwigs=
hafener Schwimmverein und dem 1. Wormſer Schwimmwerein
hier entgegenſehen können, und die Leichtathleten demnächſt mit
beſonderer Veranſtaltung hervortreten werden, hat auch das
Turnen ſeine Anhänger gefunden. Die Jugend heranzuziehen
und auszubilden, hat man ſich hier zur beſonderen Aufgabe
ge=
macht. Eine turnbegeiſterte wackere Schar junger Mädchen und
Knaben übt wöchentlich zweimal, Mittwochs und Samstags,
nachmittags zwiſchen 6 und 7 Uhr, in der Turnhalle in der
Soderſtraße uuter bewährter Leitung und geeigneten
Vortur=
nern. Die übrigen Niegen üben an den gleichen Tagen, abendz.
Wandern.
Turngemeinde Darmſtadt 1846.
Zur vorletzten Wanderung des laufenden Wanderjahres
ruft der Wanderausſchuß der Woogsplatz=Turngemeinde ſeine
Getreuen auf Sonntag, den 30. März, zuſammen. Die
Wande=
rung beginnt in Ober=Ramſtadt und führt über Lichtenberg,
Lützelbach nach der Ruine Rodenſtein. Die Heimfahrt erfolgt
von Fränkiſch=Crumbach. Die Abfahrt nach Ober=Ramſtadt
er=
folgt am beſten ab Oſtbahnhof früh 6,15. Jugendliche unter 20
Jahren müſſen ſich wegen der Fahrpreisermäßigung bis
ſpäte=
ſtens Freitag, den 28. 0. M., in die beim Hausmeiſter aufliegende
Liſte einzeichnen. Gemeinſamer Mittagstiſch iſt nicht vorgeſehen.
Liederbücher mitbringen. Gäſte ſind herzlich willkommen. II. AI.
Pferdeſport.
Mannheimer Frühjahrs=Pferderennen.
Das Direktorium des Badiſchen Rennvereins. Mannheim
hat ſich mit Rückſicht auf den Termin der Reichstagswahlen
ent=
ſchloſſen, den Eröffnungstag des dreitägigen Mai=Meetings
vom 4. Mai auf Samstag, den 3. Mai, zu verlegen. Die
Mann=
heimer Renntermine werden alſo Samstag, den 3. Mai,
Mai=
markt=Dienstag, den 6. Mai, und Sonntag, den 11. Mai,
aus=
füllen. Der Entſchluß der Vereinsleitung iſt um ſo erfreulicher,
weil dadurch der Eröffnungstag nicht ausfallen muß und das
bereits im Wochenrennkalender veröffentlichte Programm im
Intereſſe der Ställe ſich abwickeln kann. Die Finanzierung des
Meetings geſtaltet ſich allerdings viel ſchwieriger, da der
beſon=
ders ſtark beſuchte Maimarkt=Sonntag mit den
Einnahmemög=
lichkeiten eines Wochentages bei weitem nicht verglichen
wer=
den kann.
Flugſport.
Der Flieger Linnekogel abgeftürzt.
Der Flieger Linnekogel ſtürzte am Samstag nachmittag
bei ſeinem erſten Alleinflug nach 6jähriger Unterbrechung in
ge=
ringer Höhe ab. Er war ſofort tot. Linnekogel iſt beſonders
durch ſeine Erfolge im Höhenflug vor dem Kriege vekannt
ge=
worden. Aur bekannteſten iſt ſein 6750=Meter=Höhenrekordflug
ohne Paſſagier, den er am 9. Juli 1914 auf einem Rumpler=
Eindecker ausführte.
Neuer deutſcher Flugrekord.
Soeben kehrte der Dornier=Eindecker=Düſſeldorf des neuen
Aero=Lloyd vom Beſuch der Wiener und Prager Meſſe zurück.
Während der Flug Berlin—Wien 4 Stunden 15 Minuten in
Anſpruch genommen hatte, wurde der Rückflug von Prag über
Dresden nach Berlin in 3 Stunden 58 Minuten durchgeführt,
was einen neuen Rekord darſtellt.
Boxen.
In der überfüllten Turnhalle des Frankfurter Turnvereins
1860 fanden am letzten Samstag die letzten Ausſcheidungskämpfe
um die Süddeutſche Meiſterſchaft ſtatt. Vom I. Darmſtädter
Box=
klus mußten ſich Blatz (Leichtgew.) und Ritzert (Federgew.) dem
Ringrichter ſtellen. Um den Titel eines Bezirksmeiſters des
Main=
bezirks kämpfte Blatz gegen Schellhorn, F. T. V. 60, und Ritzert
gegen Milke, Eintracht=Frankfurt. Beide Kämpfe waren
ſport=
lich die beſten des ganzen Programms, was auch aus der
leb=
haften Anteilnthme der zahlreichen Zuſchauer erſichtlich war. In
einem ſehr bewegten Treffen holte R. in drei Runden ein glattes
Unentſchieden heraus. Erſt in der Zuſatzrunde unterlag er knapp
gegen den brillanten Techniker M.. Wenn man in Betracht zieht,
daß M. als der beſte Boxer des Mainbezirks gilt, ſo iſt dieſes
Reſultat für den jungen R. immer noch ſehr ehrenvoll und
be=
rechtigt für die Zukunft zu den beſten Hoffnungen. In dem nun
folgenden Treffen zwiſchen Blatz und Schellhorn kam es etwas
anders, als man in eingeweihten Kreiſen allgemein annahm. Der
Frankfurter iſt als ſchwerer k. o.=Schläger bekannt, gegen den
ſchon Mancher die Waffen ſtrecken mußte. Daß B. ihn in der
3. Runde zur Aufgabe zwang, ſtellt ſeinem boxeriſchen Können
ein gutes Zeugnis aus. Gleich in der 1. Runde landet der
Darm=
ſtädter nach voraufgegangenem ſchweren Schlagwechſel bei ſeinem
Gegner einen harten Rechtshänder in der Herzgegend, von dem
ſich Letzterer im weiteren Verlauf, nicht mehr richtig erholen
konnte, und der für den Ausgang des Kampfes entſcheidend war.
Nach verzweifelter Gegenwehr, gibt er dann vor Ablauf der
3. Runde auf, B. ſomit als Sieger und Bezirksmeiſter
zurück=
laſſend.
Am kommenden Samstag werden nun in Mannheim
die Endkämpfe um die Süddeutſche Meiſterſchaft
ausgetragen, wobei Blatz jedenfalls auf den Titelhalter Frank=
Mannheim treffen wird., Hoffen wir, daß er hierbei die
Darm=
ſtädter Farben ſo ehrenvoll wie in Frankfurt vertritt.
Blinde Fußballſpieler.
Uns wird geſchrieben: Daß ſelbſt Blinde den Fußballſport pflegen,
wird überraſchen. Es zeigt ſich damit, welche Ausdehnung der
Fußball=
ſport erfahren hat und welcher Beliebtheit er ſich erfreut.
Einen regelrechten Match gegen eine gewöhnliche
Fußballſpieler=
mannſchaft, alſo gegen ſehende Fußballer, wagte unlängſt eine aus
Blinden des Kentuckh=Inſtituts für Blinde in Amerika zuſammengeſetzte
Mannſchaft. Es muß hierbei gleich vorweg bemerkt werden, daß die
blinde Fußballſpieler=Mannſchaft ganz ausgezeichnet ſpielte und der
ſehenden Gegenpartei als achtenswerter Gegner gegenüberſtand. Der
Eifer und die Begeiſterung der blinden Fußballer übertraf faſt noch die
der ſehenden Gegner, und wenn das Ergebnis auch zu ungunſten der
Blinden ausfiel, ſo mußte bei einer Bewertung des Spiels doch die hohe
Spielleiſtung der blinden Fußballſpielermannſchaft anerkannt werden.
Wie ein derartiges Blinden=Fußballſpiel verläuft?
Bekanntlich beſitzen die Blinden durchweg ein außerordentlich fein
ausgebildetes Gehör und Gefühl. Dies muß ihnen beim Fußballſpiel
das Sehen des Balles erſetzen. Sie ſtehen lauſchend vorgebeugt und
erwarten das Herannahen des Balles,
Als Vergünſtigung verlangen ſie bei einem weit ins Feld
zurück=
gefauſteten Balle oder bei einem ſonſtigen Wurf des Balles ins Feld die
Angabe der Richtung. Man hat ihnen auch die meiſten Regeln des
Rugby zugeſtanden; es iſt alſo beinahe alles von ſeiten der Blinden
erlaubt. Da ſie das Stoßobjekt nicht ſehen, greifen ſie mit den Händen
im ſchnellen Laufe nach dem Balle, ehe ſie zum Stoße anſetzen. Sie
erreichen eine große Geſchicklichkeit darin.
Ueber die Wirkung des Fußballſports auf die Blinden in
geſund=
heitlicher Hinſicht bleibt noch einiges zu ſagen. Durch die Eigenart
ihres Gebrechens waren die Blinden bisher faſt ausnahmslos auf die
ſitzende Lebensweiſe angewieſen. Darunter litt natürlich die körperliche
Entwicklung, und darüber hinaus wurde auf das Allgemeinbefinden
durch die mangelhafte Verdauung infolge der ſitzenden Lebensweiſe ein
ungünſtiger Einfluß ausgeübt. Durch die Bewegungsſpiele wird den
ſchädlichen Einflüſſen dieſer Art entgegengewirkt, und der Fußballſport
als Kampfart, die Mut und Entſchloſſenheit neben Geſchicklichkeit
ver=
langt, lenkt die Blinden aych in ſeeliſcher Hinſicht ab und erleichtert
ihnen ihr Schickſak.
K, I.
Darmſtädter Tagblatt, Moltag, den 24. März 1924.
Aus Heſſen.
* Langſtadt, 21. März. Hier ſpurde geſtern ein Düngerkurſus des
Landwirtſchaftsamts Groß=Umſtadt mit 30 Teilnehmern eröffnet.
D Offenbach, 21. März. In der geſtrigen Sitzung der
Stadt=
verordneten machte die Verwaltung die Mitteilung, nach einem
Schreiben des Miniſteriums werde der Bahnhofsumbau fortgeſetzt
wer=
den, ſobald die Eiſenbahnverwaltung die nötigen flüſſigen Mittel zur
Verfügung habe. Das ſei jedenfalls ſchon im April der Fall. Mit der
Anſchüttung des Bahndammes iſt vor einer Wchoe ſchon begonnen wor=
Antrag der Deutſchen Volkspartei, die Kündigung der ſtädtiſchen
Vor=
kriegsanleihen zurückzunehmen und Veräußerungen ſtädtiſchen Grund
Finanzausſchuß übexwieſen. Die Verwaltung legte dann den
ſogenann=
ten Zahlenvoranſchlag für 1924 vor, der in Einnahme und Ausgabe mit
ſchloß mit 9 500 000 Mark ab. An Steuern ſind 4 491 570 Mark
vor=
geſehen, worunter der Anteil der Reichseinkommenſteuer mit 1,3
Millio=
nen eingeſtellt iſt. Bei der Umſatzſteuer rechnet man mit 400 000 Mark.
Die Grundſteuer ſoll wieder 20 Pf. auf je 100 Mark Steuerwert
be=
tragen und 0,6 Millionen einbringen. Aus der Gewerbeſteuer hofft Jugend in der Bibel und in den großen puritaniſchen
Schrift=
man 1,6 Millionen Mark ziehen zu können. Kleinere Steuern ſollen
198 000 Mayk zum ſtädtiſchen Haushalt beitragen. Als eine
Sonder=
grundvermögensſteuer will man 60 Pf. auf je 100 Mark Steuerwert
erheben und dadurch den Betrag von 1,2 Millionen Mark aufbringen.
Die Mietzimsſteuer wird man noch mit 800 000 Mark einſtellen. Die
Er=
höhung der Beamtengehalte wird 300 000 Goldmark erfordern. Der
Wegfall des Zinſendienſtes infolge der dritten Steuernotverordnung
erſpart der Stadt rund eine Million Mark. Das iſt alſ. eine
Sonder=
halfen. Die Erhebung des vierten Zieles Grund= und Gewerbeſteuer,
die einem beſonderen Beſchluß der Stadtverordnetenverſammlung
vor=
behalten war, braucht nicht zu erfolgen. Der Oberbürgermeiſter ſchloß
ſeine Rede, wvomit er den Haushalt begründete, mit der Forderung,
dieſer Voranſchlag dürfe nicht überſchritten werden, und es dürfe keine
Ausgabe erfolgen, wenn nicht ſofort auch die nötige Deckung bereitgeſtellt
würde. Die Gepflogenheiten der Inflationszeit müßten endgültig
vor=
bei ſein. — Von den Siedlungshäuſern, die die Stadt erbaut hat, kommt
hart=Hauptmann=Straße. Die Straßenbahnfahrpreiſe für Kinder,
Kriegsbeſchädigte und Arbeitsinvaliden wurden von 7 auf 5 Goldpfennige
herabgeſetzt, weil das Herausgeben der 3 Pfennige die Schaffner zu
lange aufhält. Die öffentliche Sitzung war ausnahmesweiſe ſchon um
7.30 Uhr zu Ende.
*+ Offenbach, 19. März. Arbeitsmarkt. Die Zahl der
Voll=
erwerbsloſen iſt um 200 auf 1368 Perſonen zurückgegangen. Die Zahl der
Kurzarbeiter beträgt 460; dieſe Zahl iſt allerdings in den letzten Tagen
etwas geſtiegen.
Mainz, 21. März. Verhaftete Falſchmünzer. In
letz=
ter Zeit wurden in derſchiedenen hieſigen Geſchäften falſche 50
Billio=
nenſcheine verausgabt. Die Fälſchungen wurden dadurch begangen, nalen und internationalen Leben verwirklicht werden. Und weil,
daß bei den Millionenſcheinen der Anfangsbuchſtabe M in B umgeän= wie Clynes es ausdrückt, „die ſozialiſtiſchen Lehren Chriſtentum
dert wurde. Am Samstag nachmittag ſollte wieder ein ſolcher 50
Bil=
lionenſchein in einem hieſigen Geſchäft verausgabt werden. Der
Ge=
ſchäftsinhaber war aber vorſichtig und entdeckte alsbald die Fälſchung.
Er wies den Schei zurück und ließ gleichzeitig den Beſitzer des
fal=
ſchen Scheines verhaften. Der Feſtgenommene erklärte, den Schein giös” bezeichnet. Und echte Religion habe am wenigſten ſich vor
von ſeinem Freunde erhalten zu haben, der ebenfalls verhaftet wurde.
Vermutlich hat man nun die Täter, die in letzter Zeit mehrere
der=
artige Falſchſcheine in Verkehr brachten. Die Verhafteten kamen in
Unterſuchungshaft.
lohn prellte ein gefährlicher Schwindler Auswanderungsluſtige um 117
Billionen Mark und erhielt dafür 7 Monate Gefängnis. Es handelt ſich
um den Kaufmann Ludwig Prooſt, der vor 2 Jahren in Bingen zu
einem Jahr 8 Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Bei den
damaligen Schwindeleien gab er ſich als ſchwediſcher Attache von Koſör
aus, beſchäftigt bei der Geſandtſchaft in Berlin, und prellte als „
Auf=
käufer der ſchwediſchen Regierung” eine Anzahl Firmen um erhebliche
Beträge.
Gießen, 20. März. Der Beſuch der Univerſität. Die
Univerſität wies in dieſem Winterhalbjahr 1783 eingeſchriebene
Studie=
rende (hierunter 129 Studentinnen) auf. Der Staatsangehörigkeit nach
waren 866 Heſſen, 621 Preußen, 125 aus den übrigen deutſchen
Bundes=
ſtaaten und 171 Ausländer. Dazu kamen 10 Hoſpitantinnen, 121 Hörer
und 178 Hörerinnen. Der Geſamtbeſuch betrug 2092.
O Grünberg, 22. März. Mißgeburt. Eine Kuh des
Metzger=
meiſters Schmitz brachte ein totes Kalb zur Welt, das 2 Köpfe, 4
Vorder=
beine, 2 Hinterbeine und 2 Schwänze hatte. Die Kuh mußte geſchlachtet
werden.
X Rüdinghain, Kr. Schotten, 22. März. Lehrer=Jubiläum.
Lehrer Link konnte dieſer Tage ſein 40jähriges Dienſtjubiläum an der
hieſigen Volksſchule feiern. In beſonderer Würdigung ſeiner Verdienſte
ernannte ihn die Gemeinde zu ihrem Ehrenbürger. Aus Anlaß des
Jubiläums fand eine kleine Feierlichkeit ſtatt, in deren Mitte der
Jubi=
lar Gegenſtand zahlreicher Ovationen war.
Wartburgfahrt.
Der Weſtdeutſche Jünglingsbund unternimmt am
18. Mai 1924 eine Tagesfahrt auf die Wartburg. In dankenswerter,
liebenswürdiger Weiſe hat der Mainkreisvorſtand die Teilnahme an
dieſer Fahrt auch Bläſern und Freunden unſerer chriſtlichen Vereine
geſtattet, die dem Weſtbund nicht angehören. Bei Benutzung eines
Sonderzuges, der in Ausſicht genommen iſt, tritt 25 Prozent
Preis=
ermäßigung auf den tarifmäßigen Preis 3. Klaſſe ein. Es iſt wohl eine
ſeltene Gelegenheit, für einen verhältnismäßig ſehr billigen Preis bei
angenehmer Fahrt und in lieber Geſellſchaft in einem Tage von
Frank=
furt bis nach Eiſenach auf die Wartburg und wieder zurück zu kommen.
Alle Anmeldungen ſind bis ſpäteſtens zum 1. April 1924 direkt an
Herrn Sauerwein, Frankfurt a. M.=Süd, Darmſtädter Landſtraße 81,
zu richten. Mit der Anmeldung ſind zugleich 14 Mark nur in
Eiſenbahn=Wertzeichen pro Kopf abzuliefern (an den
Fahr=
kartenſchaltern zu haben). In dieſem Fahrpreis iſt die 25prozentige
Ermäßigung noch nicht in Anrechnung gebracht. Zuviel gezahltes Geld
wird zurückvergütet. Für Verpflegung wolle ſich jeder ſelbſt ſorgen,
doch iſt Gelegenheit gegeben, an einem Mittags= oder Abendtiſch
teilzu=
nehmen. Wer bis zum 1. April nicht angemeldet iſt und das Geld
bzw. die Eiſenbahn=Wertzeichen nicht eingeſandt hat, kann auf
Teil=
nahme nicht rechnen.
Die Poſaunenchor=Verbände weiſen auf die
Wartburg=
fahrt am 18. Mai 1924 hin, die eine ſeltene Gelegenheit bietet, für
ver=
hältnismäßig wenig Geld in das herrliche Thüringer Land zu fahren
und die ſtolze Wartburg zu beſuchen. An alle Poſaunenchöre wird die
Bitte gerichtet, ſich recht zahlreich zu beteiligen und durch ihre
Mitwir=
kung den Tag verſchönern zu helfen. Bis ſpäteſtens 1. April 1994 ſind
die Anmeldungen zu erfolgen, und zwar unter Beifügung des Geldes
(14 Mark in Eiſenbahn=Wertzeichen) an Herrn Auguſt Kolaß, Bad
Homburg v. d. H.. Schmidtgaſſe 5, oder Herrn Hans Sauerwein,
Frankfurt a. M.=Süd, Darmſtädter Landſtraße 87. Ebenfalls bis
1. April 1924 ſind die Anzahl der Bläſer, (nach Stimmen getrennt)
Herrn Organiſt Oskar Endreß, Frankfurt a. M.=Oberrad,
mit=
zuteilen. — Das für Auguſt 1924 geplante große Bundes=
Poſau=
nenfeſt fällt leider aus, es wird lediglich ein kleineres Bezirksfeſt
ab=
gehalten, über welches den in Betracht kommenden Chören noch nähere
Mitteilungen zugehen. Ferner ſei auf die 20jährige Jubelfeier, des
Lampertheimer Poſaunenchors am 1. Juni 1924 in Lampertheim a. Rh.
(unbeſetztes Gebiet) aufmerkſam gemacht, desgleichen auf das am
22. Juni 1994 in Offenbach a. M. ſtattfindende Heſſenbundfeſt. Am
29. Juni findet in Nieder=Ramſtadt das Kreisfeſt der
Mainkreisver=
bindung des Weſtdeutſchen Jünglingsbundes ſtatt. Die in Betracht
kommenden Poſaunenchöre werden ſchon jetzt gebeten, ſich die Tage
18. Mai, 1. Juni, 22. Juni, 29. Juni zu notieren und
frei=
zuhalten.
Ein guter alter Bekannter iſt nach jahrelangem, durch
den Krieg und die Nachkriegswehen hervorgerufenen Ausbleiben
nun=
mehr zur Freude vieler wieder eingetroffen, nämlich die „Wartburg”
Monatsblatt des Wartburg=Vereins Darmſtadt. Im alten Gewand, mit
der hiſtoriſchen Wartburg als Kopfſchmuck, von einem in der
Jugend=
arbeit groß gewordenen Altfreund geleitet, wird der Anzeiger, der
zu=
gleich ein vorzügliches Inſertionsorgan iſt, wieder in vielen Tauſenden
Exemplaren in Stadt und Land verbreitet. Möge der Anzeiger die
rechte Verbindung mit dem Elternhaus und den Freunden des
Ver=
eins und den Brudervereinen herſtellen und dazu dienen, dem rührigen,
aufblühenden C. V. J. M. „Wartburg” neue Freunde und Mitglieder
zu werben.
Warum ſchätzt der Sportsmann Salit?
Weil regelmäßige Maſſage mit Salit die
Muskeln elaſtiſch und widerſtandsfähig
er=
hält. Weil der Körper nach jeder ſportlichen oder turneriſchen Arbeit
durch Maſſage mit Saltt erfriſcht und gekräftigt wird. — In alle
Apotheken. — Tube 1.— M./ Flaſchen 1.20 und 2.— M. 4II.D7.3298
Nummer 84.
Die engliſche Arbeiterpartei und die Religion.
In der engliſchen Oeffentlichkeit war in den letzten Wochen
die Stellung der jetzt zur Regierung gekommenen Arbeiterpartei
und ihres Führers, des Miniſterpräſidenten Ramſay Macdonald
zur Religion der Gegenſtand einer lebhaften Erörterung. Auf
eine Anfrage der vielgeleſenen Wochenſchrift „The Britiſh
Wcekly”: Wo ſteht die engliſche Arbeiterpartei?, die immerhin
zeigte, daß man in den kirchlichen Kreiſen Englands in dieſer
Be=
ziehung nicht ohne Beſorgniſſe iſt, ſprachen ſich eine Reihe
hervor=
den. Im ganzen ſind noch 200 000 Kubikmketer Erde erforderlich. Ein ragender Führer der Partei, darunter der jetzige Miniſter des
Innern Arthur Henderſon, der erſte Lord des Privatſiegels und
und Bodens nur noch in öffentlicher Sitzung vorzunehmen, wurde dem Leiter des Unterhauſes Clynes, der Herausgeber des politiſchen
Organs der Arbeiterpartei „Daily Heralde und andere
Parla=
mentsmitglieder, auch verſchiedene Geiſtliche in höchſt bemerkens=
20 453 280 Goldmark abſchließt. Der letzte Friedensvoranſchlag (1914) werten, eingehenden Worten über jene Frage aus. Das Ergebnis
der Erörterung dürfte gerade in Deutſchland ſtarke Beachtung
finden.
Ueber Ramſay Macdonald erfährt man, daß er in ſeiner
ſtellern ſeine geiſtige Heimat hatte. Noch jetzt iſt er einer der
will=
kommenſten religiöſen Sprecher bei den Zuſammenkünften der
Freikirchke, eine freiwillig übernommene Verpflichtung, der er
ſich auch als Miniſterpräſident nicht entzieht. „Die einzige
Lö=
ſung für unſere Probleme liegt im Chriſtentum”, bemerkte er
wenige Tage vor ſeinem Regierungsantritt zu dem Sekretär des
Free Churche Council. Und dieſer urteilt: „Der gegenwärtige
ſteuer für die Bürger, die früher der Stadt mit ihrem Vermögen aus= Premierminiſter iſt ein Chriſt und bringt für ſeine große Aufgabe
eine chriſtliche Betrachtungsweiſe und Geſinnung mit, die nach
ſeiner Ueberzeugung der Ausdruck ſeines Glaubens iſt.”
Auch ſonſt ſollen zahlreiche Arbeiterführer aus den
Freikir=
chen hervorgegangen ſein, und keine andere engliſche Partei, wird
verſichert, habe ſo viele Prediger in ihren Reihen. Einer der
Hauptgründe für dieſes den deutſchen Beobachter überraſchende
Verhältnis von Arbeiterſchaft und Kirche, wird in der
Unab=
eines auf 2000 Goldmark. Eine neue Straße erhält den Namen Ger= hängigkeit der engliſchen Freikirchen geſehen, zu der man das
Staatskirchentum des kaiſerlichen Deutſchland in Gegenſatz ſtellt.
Daß der Partei Tauſende und Abertauſende lebendiger Chriſten
angehören, wird auch von dem (neutralen) Herausgeber des „The
Britiſh Weekly” hervorgehoben. Und aus der einen oder anderen
Antwort klingt der warme Ton eines ganz perſönlichen
Bekennt=
niſſes zur Religion.
Darüber ſind ſich die Schreiber einig, daß im Grunde
ge=
nommen das Programm der Arbeiterpartei nichts anderes iſt als
praktiſches Chriſtentum. Die chriſtlichen Ideale ſollen im
natio=
ſind, angewandt auf das wirtſchaftliche Leben, hat ohne das
Chri=
ſtentum auch der ſozialiſtiſche Staat keinen Beſtand.” In dieſem
Sinne alſo wird die engliſche Arbeiterbewegung als „tief
reli=
dem Sozialismus zu fürchten.
Freilich wird hier auch ſofort die Grenze deutlich, die einem
tieferen, eigentlich religiöſen Verſtehen des Chriſtentums gezogen
Bingen, 19. März. Auswandererſchwindel. In Iſer= iſt. Auch das andere gilt es bei Wertung jener Aeußerungen zu
bedenken, daß ſie nicht ohne Tendenz niedergeſchrieben ſind. Aber
auch dann ſpringt der gewaltige Unterſchied in Theorie und
Praxis der deutſchen Sozialdemokratie — man denke an das Wort
Bebels „Sozialismus und Chriſtentum ſtehen ſich entgegen wie
Feuer und Waſſer” — ſcharf in die Augen. Eine innere
Umſtel=
lung hat zweifelsohne in den Nachkriegsjahren auch in deutſchen
ſozialiſtiſchen Kreiſen da und dort eingeſetzt. Ob ſie zu einer
wirk=
lichen Neuorientierung nach dem Vorgang der engliſchen
Bruder=
partei führen wird?
Reich und Ausland.
* Chineſiſche Krabben in der Elbe.
Ein naturgeſchichtliches Rätſel, deſſen einwandfreie Löſung noch
nicht gelungen iſt, wird der Forſchung dadurch aufgegeben, daß einige
Finkenwärder Fiſcher in der Unterelbe Krabben gefunden haben, die
ſich als Angehörige einer aus chineſiſchen Gewäſſern bekannten Form
herausſtellten. Mit der Frage, wie dieſe Tiere in die Elbe gelangt
ſind, beſchäftigt ſich W. Schnakenbeck in den „Naturwiſſenſchaften‟. Es
wurden im ganzen 12 Tiere gefunden, von denen 6 genauer beobachtet
werden konnten. Vorher war ſchon eine ſolche Krabbe im Juli 1922 an
einer anderen Stelle von Fiſchern erbeutet worden, und man muß
an=
nehmen, daß dieſe Fremdlinge aus dem Reiche der Mitte an
verſchiede=
nen Orten des Stromes in größerer Zahl, eingeſchleppt ſind. Die
Krabbenart findet ſich in chineſiſchen Gewäſſern, auch im Brack= und
Süß=
waſſer; in Japan ſteigen die Tiere ſogar in die Bergflüſſe hinauf, heißen
hier geradezu, Bergkrabben” und werden häufig auf dem Trockenen
beobachtet. Daß ſie ſich lange Zeit außerhalb des Waſſers lebendig
er=
halten, geht daraus hervor, daß die eingelieferten Tiere 5—6 Tage auf
den Fahrzeugen ohne Waſſer lebten. Zweifellos iſt der Schiffsverkehr
der Vermittler geweſen, der die Krabben nach der Elbe brachte. Solche
Verſchleppungen kommen ja überaus häufig vor und ſind bei vielen
Inſekten beobachtet. Merkwürdig iſt es aber in dieſem Falle, daß die
Ladung der Schiffe, durch die ſonſt die Verpflanzung erfolgt, bei dieſem
chineſiſchen Krebs nicht in Frage kommen kann. Auf dieſem Gebiete
er=
eignen ſich die merkwürdigſten Sachen: So fand man vor einiger Zeit
ein Krokodil in der Elbe, was großes Aufſehen erregte. Dieſer
Fall klärte ſich aber ganz einfach auf denn beim Entladen eines
Hagen=
beck=Transports war eines der Krokodile in die Elbe gefallen, wo es
eine Zeitlang munter weiterlebte. Es ließe ſich nun ebenfalls denken,
daß dieſer ziemlich große Krebs von einem Matroſen aus Sport oder
Spielerei oder zum Verkauf aus China mitgenommen und die Tiere
dann kurz vor der Ladung über Bord geworfen worden ſind. Es wäre
aber anzunehmen, daß dieſer Seemann ſich dann gemeldet hätte
nach=
dem überall nachgefragt worden war. Die wahrſcheinlichſte Erklärung
beſteht wohl darin, daß die Krabben, die man auch ſonſt an
ſchwimmen=
dem Holz gefunden hat, ſich an einem Anwuchs von Muſcheln oder ſonſt
an einer Ritze des Schiffskörpers feſtgeklammert haben und dadurch
mitgeführt wurden. Da die Tiere, als ſie gefunden wurden,
vollkom=
men ausgewachſen waren, iſt es wahrſcheinlich, daß die Krabben in
jugendlichem Zuſtand eingeſchleppt wurden, die weite Reiſe übers Meer
am Schiffsrumpf mitmachten und, als ſie an der Unterelbe in ein ihnen
genehmes Brackwaſſer kamen, ſich dort anſiedelten. Jedenfalls beſteht die
Tatſache, daß dieſe chineſiſche Krabbenform in der Elbe vorhanden iſt,
und ſie wird ſich dort halten können, da nicht nur die Lebensbedingungen,
ſondern auch die für die Fortpflanzung günſtig ſind.
O
Ihre Nachbarin iſt immer ihre Kleider, Bluſen uſw
nur mit den weltberühmten echten Heitmann’s Farben, Mark
Fuchskopf im Stern, ſelbſt färbt. Tun Sie es auch und Si
ſind eben ſo elegant gekleidet. Heitmann’s Farbe ſpart den Färber,
Tageskalender. — Montag, den 24. März.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende 934 Uh
Sondermiete 1042 und 2211. Schülermiete rot 6): „Prinz Friedrich vo
Homburg” — Kleines Haus, 6 und 8 Uhr, Film: „Nanuk de
Pelzjäger” — Orpheum, 72 Uhr: „Dolly (im Himmelbett)”
Republikaniſcher Reichsbund, abends 8 Uhr, im
Saal=
bau: „Ueber Bahern und Reich”. — Union=, Reſidenz=, Zentral=
Theater, Palaſt=Lichtſpiele: „Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender. — Dienstag, den 25. März.
Nutzholzverſteigerung, vorm. 9½ Uhr, im Bahnhofshotel zu
Bensheim. — Jagdverpachtung, nachm. 2/. Uhr, auf dem
Rathaus, zu Biblis. — Verſteigerung von 2 Arbeitspferden,
10 Milchküken uſw., vorm. 10 Uhr, auf dem Gut Karlshof zu
Darm=
ſtadt, Kranichſteiner Straße 65.
Veranwontlich für Feuillten und Heſiſche Nachnichten: Mar Streeſt
Verantwortlich für Sport: Dr. Eugen Buhlmann.
Verantwortlich für Schlußdienſt: Andreas Bauer
Verantwortlich für den Inſeratenteil: Willy Kuble
Lruck und Verlag: L. C. Wittich — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Nummer hat 8 Seiten
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Darmſtädter 2e blati, Bn
Seite 7
Zei
24. MRä1z 1324.
* Beitrag
Wie aus dem Bericht über die Provinzialausſchutzſitzung
vom 8. d. in Nr. 69 hervorgeht, wurde mit der Klage der Firma
Benz & Cie. Rheiniſche Automobil= und Motorenfabrik
A.=G. in Mannheim, gegen einen Beſchluß des Kreisausſchuſſes
Heppenheim eine ſowohl für die Automobilinduſtrie wie für die
Kreiſe bedeutſame Frage erörtert.
Das Kunſtſtraßengeſetz vom 12. Auguſt 1896 verdankt mit
ſeine Entſtehung einem von einer ſtattlichen Reihe von
Land=
tagsabgeordneten der Zweiten Kammer der Landſtände
ein=
gebrachten Initiativgeſetzentwurf. Der von der Regierung
dehi=
nächſt eingebrachte Geſetzentwurf enthielt — nach dem Vorgange
Badens — den Art. 16, der in der erwähnten
Verwaltungs=
ſtreitſache nun wieder eine Rolle zu ſpielen berufen iſt. „Wird”, ſo
heißt es, in dem aus Vorberatungen der Zweiten Kammer
her=
vorgegangene Entwurf, „eine Kreisſtraße für die Zwecke eines
dem Erwerbe dienenden Betriebes dauernd oder
vorüber=
gehend in erheblichem Maße gebraucht oder
ab=
genützt, ſo iſt der Kreisausſchuß befugt, zu den Koſten der
Unterhaltung von dem Betri=bsunzernehmer einen
angemeſ=
ſenen Beitrag zu verlangen.” In der Plenarſitzung in
der Zweiten Kammer am 11. Juni 1896 nahm nur der Aby.
Schmitt zu Art. 16 das Wort. Er erklärte ſein Einverſtändnis
mit der Jeſtimmng. Er wollte von der Regierung wiſſen, was
ſie unter den Worten „zu den Koſten, der Unterhaltung”
ver=
ſtehe. „In einem Falle, ſo fuhr Schmitt fort, wo eine
Zement=
fabrik die Staatsſtraße in ungeheuerlicher Weiſe abnutzte, kam
es zu gerichtlicher Entſcheidung, ob das ſog. Abkratzen des
koloſſalen Schlamms, der durch das Fuhrwerk entſteht, mittelſt
eiſerner Schaufeln zu den Unterhaltungskoſten oder zu den
Reinigungskoften gehört. Ich bin zu der Anſicht gekommen, es
gehört zu den Unterhaltungskoſten. In der Gemeinde Nieder=
Ingelheim mußten 50, 60 und 70 Karren in einer einzigen Woche
tveggebracht werden, und zwar nur verurſacht, durch die eine
Zementfabrik dort.”
Geh. Rat Dr. Schäffer: „Das Abziehen hat zu geſchehen,
wenn die Unterhaltung der Straßen es erforderlich macht und
ſobald durch irgend einen Betrieb die Vermehrung des
Abzieh=
materials herbeigeführt wird, ſo würde das unbedingt zu den
Uinterhaltungskoſten zu rechnen ſein. Das, was techniſch nötig
iſt, um eine Straße ordnungsmäßig zu unterhalten, das gehört
nicht zu den Reinigungsarbeiten.” Schmitt: „Das Abziehen iſt
alſo zu den Koſten der Unterhaltung zu rechnen.”
Die Automobilfirma Benz hat angeſichts der ſchſveren
wirt=
ſchaftlichen Lage den Betrieb ſtark eingeſchränkt und leidet, wie
viele andere Firmen der Branche auch unter dem ausländiſchen
(insbeſondere franzöſiſchen und italieniſchen) Wettbewerb,
wo=
gegen die Automobilinduſtrie dieſer beiden Länder eine ſtarke
Konkurrenz der Vereinigten Staaten wiederum ſchwer trifft.
Benz ließen die Probewagen früher mehr in der nahen
Pfalz laufen und haben ſich erſt nach deren Beſetzung die
heſſi=
ſchen Kreisſtraßen zu Probeverſuchen erwählt. Wenn der
Juſtitiar des Unternehmens in der Verhandlung vom 8. d.
zu=
nächſt bemängelte, Heſſen könne nicht außerhalb Heſſens Sitz
habende Firmen zu den Unterhaltungskoſten heranziehen, ſo war
dieſe Anſicht fehlſam. In dem vom Grafen zu Solms=Laubach
in der Erſten Kammer der Landſtände erſtatteten Bericht heißt
es: „Art. 16, der von Betriebsunternehmern, die eine Kunſtſtraße
in erheblichem Maße benutzen, einen Beitrag zur Unterhaltung
fordert, iſt durch Beſchluß verehrlicher Zweiter Kammer inſofern
in modifizierter Geſtalt angenommen worden, als jetzt nicht bloß
im Großherzogtum wohnende Unternehmer allein herangezogen
werden ſollen. Freilich wird es darauf ankommen, ob man von
nicht dem Großherzogtum angehörigen Perſonen die Leiſtungen
erhalten kann. Immerhim iſt die allgemeine und außerdem
kürzere Faſſung vorzuziehen."
Dem Beſchluß vom 17. Juli 1923 liegen Zählungen an den
6 letzten Wochentagen des Juni 1923 zugrunde, die der Vertreter
des Unternehmens nach verſchiedenen Richtungen bemängelte,
uhne daß die Verhandlung ſelbſt noch weitere Aufklärung
ge=
bracht hätte. Etwas Weſentliches muß bei dem
Kreisausſchuß=
beſchluß und dem Provinzialausſchußerkenntnis auffallen: Die
Heranziehung zu einem Beitrag (und deſſen Beſtätigung mit der
Klageabweiſung) durch Lieferung von 29 Kubikmetern
Hart=
ſteinſchotter. Das Kunſtſtraßengeſetz bennt nur einen Beitrag in
Geld, nicht aber einen Beitrag, der, wie der Kreisausſchuß will,
in Straßenunterhaltungsmaterial beſtehen ſoll. Das Geſetz gibt
Lafür keinen Anhalt.
Der Art. 16 des Geſetzes vom 12. Auguſt 1896 hat auch ſchon
den Verwaltungsgerichtshof beſchäftigt, allerdings in Fällen,
die mit den Kriegsverhältniſſen in einem äußeren
Zuſammen=
hange ſtanden. — In einem Falle waren zu der Zeit, als die
Zuckerrüben für die Volksernährung erfaßt wurden, mit
Laſt=
automobilen ſolche Vorräte zur Bahn gebracht worden mittelſt
ron der Militärverwaltung beigeſtellter Fahrzeuge; hier wurde
der abliefernde Rübenpächter von Heranziehung zu den
Straßen=
unterhaltungskoſten freigeſtellt, weil er nicht das
Erwerbsunter=
nehmen repräſentierte, das die Kreisſtraße be= und abnützte.
Im anderen Falle, der in Oberheſſen ſpielte, handelte es ſich um
vom preußiſchen Forſtfiskus von einer Holzhandlung zur
Weiter=
lieferung an Zechen bezogenes Grubenholz. Die
Holzhand=
lungsfirma — alſo das Erwerbsunternehmen — führte das
Holz in der zweiten Hälfte des Jahres 1916 auf einer
Kreis=
ſtraße des Kreiſes Lauterbach mit Pferden und einem
Laſtkraft=
wagen (nebſt Anhänger) der Heeresverwaltung zur
Eiſenbahn=
halteſtelle Hutzdorf. Die mit 800 Mark angeſonnene
Beitrags=
leiſtung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 12. Jan.
1918 beſtätigt. In dieſem überaus gründlichen und
ausführ=
lichen Erkenntniſſe ſind alle Fragen hinſichtlich der
Anwend=
barkeit des Art. 16 erörtert und die Haftung des
Betriebsunter=
nehmens auf das Kauſalitätsprinzip zurückgeführt.
Der Gebrauch der Straße in erheblichem Maße bedingt deren
Abnützung mit. Auf das Maß irgend welchen Verſchuldens wird
nicht abgeſtellt. (Vgl. im übrigen Entſcheidungen des Heſſ.
Verwaltungsgerichtshofs Band 3 S. 245 ff.)
Die Entwicklung der Induſtrie hat auch im Automobilweſen
in rechtlicher Beziehung ſtarke Veränderungen zur Folge gehabt.
Die Benutzung von Kraftfahrzeugen wird ſteuerlich durch
die Beſtimmungen des neuen Kraftfahrzeugſteuergeſetzes, ſchwer
getroffen. Die Regelung nach dem Reichsſtempelgeſetze iſt
ver=
laſſen und ſeit 1. Juli 1922 das neue Kraftfahrzeugſteuergeſetz
in Kraft: Für das Halten von ſolchen Fahrzeugen twurden neue,
den heutigen Verhältniſſen entſprechende Beſtimmungen
feſt=
geſetzt. Der Steuer unterliegt die Benutzung ſolcher
Fahrzeuge, die zur Beförderung von Perſonen und Gütern
dienen, zum Befahren öffentlicher Wege und Plätze.
Steuer=
ſchuldner iſt der Eigenbeſitzer des Fahrzeugs, die Höhe der
Steuer bemißt ſich nach der Höhe der Pferdeſtärke bzw. dem
Eigengcſvicht des betriebsfertigen Kraftfahrzeugs.
Beſonders einſchneidend iſt die Beſteuerung, der
Probe=
fahrtbennzeichen. Nach Art. XI. der 2. Steuernotverordnung
vom 21. Dezember 1923 beträgt die Steuer für eine auf die
Dauer eines Jahres ausgeſtellte Steuerkarte für
Probe=
jahrtkennzeichen, die für Kraftfahrzeuge jeder Art gelten, die
horrende Summe von 200 Goldmark. Nun beſtimmte § 18 des
Kraftfahrzeugſteuergeſetzes vom 8./20. April 1922, daß „in den
Läudern zu Zwecken der öffentlich=rechtlichen Wegeunterhaltung
eine Steuer für die Benutzung der Wege durch andere
Fahrzeuge als Kraftfahrzeuge zu erheben iſt.” „Zu
läſſig bleiben Beiträge (Vorausleiſtungen) zur Deckung der
Koſten für eine außergewöhnliche Abnützung der Wege. Der
Reichsrat hat nähere Beſtimmungen über die Grundſätze zu
eilaſſen, die einer gemeinſamen Regelung bedürfen, insbeſondere
um Doppelbeſteuerungen auszuſchließen” (ſ. RGBl. Nr. 16 vom
1. März 1924). Eine weſentliche Aenderung hat hier das Geſetz
zur Aenderung des Landesſteuergeſetzes vom 30. März 1920 vom
23. Juni 1923 gebracht: Mit Wirkung vom 1. April
1923 (Art. TX, Abſ. des Geſetzes, RGBl. Nr. 49 vom 5. Juli
1923) iſt § 18 des Kraftfahrzeuggeſetzes
aufge=
hoben, ſtatt deſſen in das neue Landesſteuergeſetz ein § 11a.
(und § 43c) eingefügt. Dieſer § 11a befreit Kraftfahrzeuge im
Sinne des Geſetzes vom 8./20. April 1922 von einer
landesrecht=
lichen Steuer für Benutzung der Wege und erklärt ab 1. April
1923 Beiträge zur Deckung der Koſten nur noch für eine
außergewöhnliche Abnutzung der Wege für
zuläſſig. Eine gemäß § 11a vom Lande Heſſen für die
Be=
nutzung der Wege durch Fahrzeuge im landwirtſchaftlichen
Be=
triebe zu erhebende Zugtierſteuer hat der Sonderausſchuß des
Landtags abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, welche anderen
Vorſchläge die Heſſiſche Regierung dem Landtage ſelbſt
dem=
nächſt machen wird.
Während das 1896er heſſiſche Geſetz nur von einem
in erheblichem Maße ſtattfindenden Gebrauch oder
des=
gleichen Abnützung der Kreisſtraße ſpricht und bei dieſem
Tat=
beſtandsmoment eine Heranziehung des Betriebsunternehmers
zuläßt, erklärt s 11a des Reichsgeſetzes ſolche Beiträge für
Kraft=
fahrzeuge nur im Falle einer außergewöhnlichen
Ab=
nützung der Wege für zuläſſig. Für das Jahr 1923 kann
alſo ein Automobilbeſitzer mit Wirkung vom
1. April 1923 nur dann noch zu Beiträgen zur
Deckung der Koſten für Zwecke der
öffentlich=
rechtlichen Wegeunterhaltung mit
Erfolgheran=
gezogen werden, wenn behauptet und bewieſen
wird, daß eine außergewöhnliche Abnutzung der
Wege durch den Automobilverkehr verurſacht
wurde. Die Verhandlungen der Benzſchen
Verwaltungsſtreit=
ſache geben bisher für dieſe Beurteilung keine genügenden
Unterlagen. Da vorausſichtlich der abgewieſene Klageteil den
Verwaltungsgerichtshof anrufen wird, wird ja dieſe gerade für
den Automobilverkehr prinzipiell wichtige Frage in Heſſen zu
höchſtriehterlicher Entſcheidung gelangen. Nur der
Vollſtändig=
keit halber ſei zum Schluſſe noch angefügt, daß nach § 45 der
3. Steuernotverordnung vom 14. Febr. 1924 das ganze
Aufkom=
wen an Kraftfahrzeugſteuer den Ländern in voller Höhe zufällt
abzüglich 4 v. H. für die Verwaltung der Steuer durch das
Reich. Die eine Hälfte der Steuer iſt nach der Bevölkerungszahl,
die andere nach dem Gebietsumfang auf die einzelnen Länder
zu verteilen. Die Länder haben die auf ſie
ent=
fallende Steuer mindeſtens zur Hälfte zu
Zwecken der öffentlichen Wegeunterhaltung zu
verwenden (vgl. den Entwurf eines Geſetzes über die
Re=
gelung des Staatshaushalts für das Rechnungsjahr 1924,
Druck=
ſache Nr. 985, S. 2).
Durchführungsbeſtimmungen zu 8 11
des Grunderwerbſieuergeſetzes.
(Faſſung des Art. VIII Nr. 3 der 2. StNV. vom 19. Dez. 1923.)
Für die Feſtſtellung des gemeinen Wertes, in Goldmark
findet die RAbgO. Anwendung. Iſt nach dem 21. Dezember
1923 der Wert des Grundſtücks für die Veranlagung zur
Ver=
mögensſteuer feſtgeſtellt worden, ſo hat dieſe Wertfeſtſtellung bei
der Wertermittlung für die Zwecke der Grunderwerbſteuer den
Ausgangspunkt zu bilden. Bieten ſich, insbeſondere bei
Ver=
gleichung von Kaufpreiſen weſentlich gleichartiger Grundſtücke,
einwandfreie Anhaltspunkte für eine erhebliche Abweichung des
Vermögensſteuerwertes von dem gemeinen Werte, ſo iſt dies bei
der Wertfeſtſtellung zu berückſichtigen.
Wird bei der Feſtſtellung des gemeinen Wertes von
Pck=
piermarkpreiſen im weſentlichen gleichartiger Grundſtücke
aus=
gegangen, ſo ſind dieſe Grundſtückspreiſe nach dem zur Zeit der
Preisvereinbarung geltenden Goldumrechnungsſatze für
Reichs=
ſteuern in Goldmark umzurechnen.
Als Stichtag für die Feſtſtellung des gemeinen Wertes gilt
im allgemeinen der Tag, an dem die Steuerſchuld (Eintragung
der Rechtsänderung im Grundbuch oder Vorgang, der die
Rechtsänderung bewirkt) entſteht, in den Fällen des § 5 Abſ. 1,
3 und 4 des Grunderwerbſteuergeſetzes der Tag, an dem das
zur Uebertragung des Eigentums verpflichtende
Veräußerungs=
geſchäft abgeſchloſſen wird. Beim Uebergang des Eigentums
im Wege der Zwangsverſteigerung (88 13, 14 des Geſ.) iſt
Stich=
tag der Tag, an dem der Zuſchlag erteilt wird.
Liegt der Stichtag vor 1. September 1923, ſo hat die
Um=
pechnung in Goldmark nach dem Mittelkurſe der amtlichen
Ber=
liner Börſennotiz für den Dollar (Auszahlung New=York) am
letzten dem Stichtag vorausgegangenen Börſennotiztage zu
er=
folgen. Dieſe vom 27. Februar 1924 datierende Verordnung iſt
rückwirkend am 22. Dezember 1923 in Kraft
ge=
treten.
* Kraftfahrzeugſieuer
Durch die 2. Steuernotverordnung iſt auch die
Kraftfahr=
zeugſteuer mit Wirkung vom 4. Januar geändert:
Die Steuer beträgt für die Dauer eines Jahres für:
1. Krafträder mit Ausnahme der Kleinkrafträder bis 1,5 PS
10 G.=Mk., über 1,5 bis 3 PS 15 G.=M., über 3 bis 3,5 PS
20 G.=Mk., über 3,5 bis 4 PS 28 G.=Mk., über 4 PS 35 G.=Mk.
2. Perſonenkraftwagen mit Ausnahme der Kraftomnibuſſe
für jede Pferdeſtärke oder einen Teil davon von den erſten 6 PS
(1—6) 20 G.=Mk., von den nächſten 4 PS (7—10) 40 G.=Mk., von
den nächſten 4 PS (11—14) 60 G.=Mk., von den weiteren
Pferde=
ſtärken 80 G.=Mk.
3. Kraftomnibuſſe und Laſtkraftwagen mit Ausnahme der
unter 4. genannten bei einem Eigengewichte des betriebsfertigen
Kraftfahrzeugs bis 500 Kg. 30 G.=Mk., über 500 bis 1000 Kg.
60 G.=M., über 1000 bis 1500 Kg. 90 G.=Mk., über 1500 bis
2000 Kg. 120 G.=Mk., über 2000 bis 2500 Kg. 140 G.=Mk., über
2500 bis 3000 (g. 160 G.=Mk., über 3000 bis 3500 Kg. 180 G.=Mk.,
über 3500 bis 4000 Kg. 190 G.=Mk., über 4000 Kg. 200 G.=Mk.
4. Elektriſche oder mit Dampf angetriebene Laſtkraftwagen
ſowie Zugmaſchinen ohne Güterladeraum bei einem
Eigen=
gewichte des betriebsfertigen Kraftfahrzeugs bis 500 Kg.
15 G.=Mk., über 500 bis 1000 Kg. 30 G.=Mk., über 1000 bis
1500 Kg. 45 G.=Mk., über 1500 bis 2000 Kg. 60 G.=Mk., über 2000
bis 2500 Kg. 70 G.=Gk., über 2500 bis 3000 Kg. 80 G.=Mk., über
3000 bis 3500 Kg. 90 G.=Mk., über 3500 bis 4000 Kg. 95 G.=Mk.,
über 4000 Kg. 100 G.=Mr. Bruchteile einer Goldmark ſind auf
volle Goldmark aufzurunden. Die Steuer iſt vor Benutzung des
Kraftahrzeugs gegen Löſung einer Steuerkarte nach dem
Gold=
wert zu leiſten.
Die Steuerkarte koſtet für Probefahrtkennzeichen, die für
Kraftfahrzeuge jeder Art gelten, auf die Dauer eines
200 G.=Mk., für ſolche Zeichen, die nur ſür Kraftref).
30 G.=Mk., auf die Dauer von 6 Monaten zwei Driitel,
Monaten ein Viertel der Jahresſtener.
* Pereinfachung der Steuerrechtspflege.
Die 3. Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924, die ja
bezüglich des zivilrechtlichen Inhalts ſchon kurz nach
Bekannt=
wverden ſo ſtarkem Kopfſchütteln und immer ſtärkerer Ablehnung
fortdauernd begegnet, hat uns eine Vereinfachung der
Steuer=
rechtspflege Art. VII (§§ 45 bis 55) gebracht, die man mit einem
draſtiſchen Ausdruck als eine „Verkümmerung” der Rechtspflege
zu bezeichnen keinen Anſtand nehmen ſollte. Wir können dies
an der Beſtimmung des § 51 beweiſen, der lautet:
„Iſt Einſpruch, Berufung, Anfechtung oder Rechtsbeſchwerde
eingelegt worden, ſo kann der Vorſitzende der
Rechtsmittel=
behörde verfügen, daß der Beſchwerdeführer an die zuſtändige
Finanzkaſſe einen Koſtenvorſchuß zu zahlen hat. Der Vorſchuß
iſt in Goldmark ſo hoch feſtzuſetzen, daß die Koſten, die im Falle
der Zurückweiſung des Rechtsmittels dem Beſchwerdeführer zur
Laſt fallen, vorausſichtlich aus dem Koſtenvorſchuß gedeckt
wer=
den können. In der Verfügung iſt ferner eine Friſt zu
beſtim=
men, innerhalb deren der Nachweis der Vorſchußzahlung dem
Vorſitzenden der Rechtsmittelbehörde zu erbringen iſt. Gegen
die Verfügung iſt ein Rechtsmittel oder
ſon=
ſtiger Rechtsbehelf nicht gegeben.”
Der Geſetzgeber ſcheint ſich gar nicht mehr der Tatſache
be=
wußt zu ſein, daß es auch im Steuerverfahren etwas gibt, was
zan im gewöhnlichen Leben „Armenrecht” nennt. (§ 293, Abf. 3
RAbgO. und vgl. dazu den Aufſatz: „Das Armenrecht in der
Reichsabgabenordnung” in der „Steuerrundſchau” März 1923.),
Zum Armenrecht ſind heute — man kann es ruhig ſagen —
große Maſſen von Perſonen qualifiziert, die zu der
Bevölkerungs=
ſchicht des breiteſten Mittelſtandes gehören, die gar nicht in der
Lage ſind, innerhalb der vom Vorſitzenden beſtimmten Friſt
einen in Goldmark feſtgeſetzten Koſtenvorſchuß zu erlegen. Dieſe
Perſonen müſſen ſich ſchon bei der Rechtsmitteleinlegung mit
einem Armenzeugnis bewaffnen und um Stundung nachſuchen,
damit ſie nicht an der Klippe des einzuzahlenden
Gebühren=
torſchuſſes ſcheitern. Als ein Rückfall in weit hinter uns
liegende Zeiten des ach! ſo verpönten gemeinen
Zivilprozeß=
rechts, das im Reich bis 1. Oktober 1873 galt, mutet 8 50 an:
„Hat im Beſteuerungsverfahren ein Beteiligter aus
Mut=
willen oder in der Abſicht die Finanzbehörden
irrezuführen ein Rechtsmittel eingelegt, ſo kann
die Rechtsmittelbehörde die im § 289 Abſ. 2 RAbgO.
vorgeſehe=
nen Gebühren bis auf das Doppelte erhöhen.”
Im alten gemeinen Prozeßrecht, wie geſagt, kannte man
ſolche „Fribolitätsſtrafen”, wie man es nannte. Will man
wirk=
lich ſolche verbrauchte und verſtaubte Rechtsbehelfe aus der
juriſtiſchen Rumpelkammer wieder hervorholen? Ich dächte doch,
wir hätten eben Beſſeres zu tun, als uns mit derartigen
Ver=
ſchlimmbeſſerungen, in der großen Wiſſenſchaſt lächerlich zu
wachen. „Gest le ridicule, aui tue” ſagt ein franzöſiſches
Sprichwort!
§ 48 beſtimmt, daß bei Berufungen, deren
Beſchwerdegegen=
ſtand keinen höheren Wert als 50 Goldmark hat, die
Rechtsmittelbehörde, ohne daß es einer weiteren
Auf=
klärung des Sachverhalts oder einer Stellung
nahme zu Rechtsfragen (!) bedarf, nach freiem
Ermeſſenentſcheiden kann. Zur Begründung einer
ſol=
chen Entſcheidung genügt der Hinweis, daß auf Grund dieſer
Verordnung nach freiem Ermeſſen entſchieden
wor=
den iſt. Da werden ſelbſt die freidenkeriſchſten Prozeſſualiſten
bedenklich den Kopf ſchütteln.
Wir ſtehen glücklicherweiſe mit einer glatten Ablehnung
ſolcher neueſten Verordnungsfabrikation nicht allein, befinden
uns dielmehr in der beſten Geſellſchaft der erleuchteten
Wiſſen=
ſchaft. Kein Geringerer wie der Senatspräſident Kloß
am Reichsfinanzhof hat in den „M. N. N.” Nr. 57 vom
27. Februar über ſolche Verſchlechterung des Rechtsſchutzes der
Steuerpflichtigen den Stab gebrochen. Sieht ſo der Rechtsſchutz
aus, den die Reichsregierung nach der Erſtattung des Gutachtens
am Bamberger Juriſtentag in Erkennung der
Reform=
bedürftigkeit der RAbgO. nach dieſer Richtung uns bieten will,
ſo danken wir für ſolche Reform, der Reichstag möge, wenn er
noch die Kraft beſitzt zu gedeihlichem Arbeiten, dem Art. FII
8§ 45 bis 55 getroſt die Genehmigung verſagen, ſolche Tat dürfte
nur zu Nutz und Frommen der Steuerpflichtigen ausſchlagen
können.
Beſteuerung der Landwirte.
Nach Anhörung eines Referats über „Reinertrag und
Ein=
kommen als Quelle der Steuerkraft der Landwirtſchaft” faßte
die Geſellſchaft ſchweizeriſcher Landwirte in Zürich nachſtehende
Entſchließung:
Die landwirtſchaftlichen Organiſationen ſollen einſtehen:
1. Für die dem Ertragswert entſprechende Bewertung des
Grundbeſitzes;
2. für die Einſchätzung der Viehhabe nach dem Nutzungswert;
3. für die Einſchätzung des toten Inventars nach dem
Ver=
kaufswert oder dem amortiſierten Verkaufswert im
Zeit=
punkt der Einſchätzung;
4. für die Anerkennung des Grundſatzes, daß nur die zum
Verkauf beſtimmten landwirtſchaftlichen Vorräte der
Be=
ſteuerung unterliegen, ſofern überhaupt die Vorräte von
Geſetzeswegen beſteuert werden müſſen;
5. für eine richtige dem wahren Verhältnis
entſprechende Einſchätzung des
Einkom=
mens als Ausgangspunkt der Einſchätzung.
Für alle Gemeinden ſollen Normalzahlen
über die Höhe des volkswirtſchaftlichen
Einkommens aufgeſtellt werden;
6. ſoweit als immer möglich für die Ablehnung der
Fami=
lienbeſteuerung einzutreten, weil dieſe unter den heutigen
Verhältniſſen nur Anſtoß zu Unbilligkeiten geben kann.
Dieſe Reſolution wird ſämtlichen landwirtſchaftlichen
Vereinen der Schweiz ſowie ſämtlichen Kantonsregierungen
unterbreitet.
Ertragsklaſſen und Nahmenſätze für die Berichtigung des
Wehrbeitragswertes landwirtſchaftlicher Grundſtücke. Der Reichs=
Finanzminiſter hat für die Bezirke der einzelnen
Landesfinanz=
ämter Ertragsklaſſen feſtgeſetzt, insgeſamt 6, und für jede Klaſſe
eine Preisſpanne für je 1 Hektar. Für Darmſtadt ſind
fol=
gende Ertragsklaſſen feſtgeſetzt: I. 4800—3900; II. 3900—3000;
III. 3000—2300; TV. 2300—1700; Va. 1700—1000; Vb. unter
1000 Goldmark für je 1 Hektar.
— Steuerliche Zinsſätze. Ab 1. April 1924: Der Zinsfuß
für ſteuerliche Verzugszinſen beträgt bis auf weiteres 18 Proz.
jährlich, bei Zahlungsaufſchub 12 Proz., ſoweit Zinſen zu
ent=
richten ſind. Im Falle der Stundung beſtimmt das Finanzamt
(Landesſinanzamt) den Zinsfuß, ſowei
Stundung
ewährt iſt. Der Zinsſuß beträg
Proz. und
höchſtens 12 Proz.
Seite 8.
Nummer 84
(28834
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2. Teil:
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Familie Hans Oittmar.
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25. März, nachmittags 3 Uhr, auf
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Herren, die auf Körperpflege halten, ganz
unentbehrlich.
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vortrefflich bewährt hat, zweifelt sie nicht
mehr an der Wahrheit des Sinnspruchs:
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Kukirol allein” und gibt ihren Hühneraugen
Einfamtlienhausfmit derselben Seelenruhe den Absehied, Nie
a. d. B., 8 Zimmer, sonst ihren Verehrern, Binnen drei Tagen
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