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Morgenzeitung der Landeskauptſtadt
Wöchentliche illefirierte Beilage: „Die Gegenwart”, Tagesſpiegel in Bild und Wort
Nachdruck ſämtlicher mit verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſiattet.
Nummer 70
Montag, den 10. März 1924.
187. Jahrgang
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aufträge und Teiſtung von Schadenerſatz. Bei
Konkurs oder gerichtlicher Veitreibung fällt jieder
Rabat weg. Banffonto: Deutſche Bank und
Darm=
ſtädter 8 Nailonalbank.
Das franzöſiſche Gelbbach.
Das Memorandum des Marſchall Foch.
Paris, 9. März. (Wolff.) Die in dem geſtern
herausge=
gebenen Gelbbuch über die Sicherheitsfrage (genauer Titel:
Do=
kumente über die Verhandlungen betreffend die
Sicherheitsgaran=
tien gegen einen Angriff Deutſchlands vom 10. Januar 1919 bis
7. Dezember 1923) veröffentlichten Dokumente ſind zum Teil, ſei
es durch die Preſſe, ſei es durch das bekanne Buch André
Tar=
dieus über die Friedenskonferenz bereits bekannt. Unter den
noch nicht veröffentlichten Schriftſtücken ſteht in erſter Linie das
vom 10. Januar 1919 datierte Memorandum des
Mar=
ſchalls Foch, in dem dieſer unter anderem erklärt, der Rhein
als militäriſche Grenze, die für die Aufrechterhaltung des von
den Alliierten und Aſſoziierten angeſtrebten Friedens unerläßlich
ſei, ſtelle keinerlei territorialen Vorteil für irgend ein Land dar.
Es handle ſich nicht darum, das linke Rheinufer zu annektieren,
Frankreich oder Belgien einen Gebietszuwachs zu verſchaffen
und den Rhein gegen einen deutſchen Vorſtoß zu ſchützen,
ſon=
dern darum, am Rhein die gemeinſame Sicherheitsſchranke, die
für die Geſellſchaft der demokratiſchen Nationen unerläßlich ſei,
zu errichten. Es handle ſich nicht darum, einer einzigen Macht
die Gewalt an dieſer gemeinſamen Schranke anzuvertrauen,
ſon=
dern vielmehr ſei es durch die moraliſche, ſei es durch die
mate=
rielle Unterſtützung aller demokratiſchen Mächte, die
Verteidi=
gung ihrer Exiſtenz und ihrer Zukunft zu gewährleiſten dadurch,
daß man es Deutſchland ein für allemal unmöglich mache, den
Krieg und den Geiſt der deutſchen Vorherrſchaft auf das linke
Rheinufer hinüberzutragen. Selbſwerſtändlich werde es Sache
des Friedensvertrages ſein, das Statut der außerhalb der
fran=
zöſiſchen und belgiſchen Grenze lebenden linksrheiniſchen
Bevöl=
kerung zu beſtimmen.
Welcher Art aber auch dieſe Organiſation ſein möge, ſie
werde der oben erwähnten militäriſchen Notwendigkeit Rechnung
tragen müſſen und dementſprechend:
1. Deutſchland den militäriſchen Zugang zu den
rheini=
ſchen Landesteilen auf dem linken Ufer und die politiſche
Pro=
paganda auf dieſem Gebiet völlig unmöglich machen,
viel=
leicht ſogar dieſe Gebiete durch eine militäriſche
Neutraliſie=
rungszone decken,
2. die militäriſche Beſetzung der Rheinlande auf dem
lin=
ken Rheinufer durch alliierte Truppen ſichern,
3. den Rheinſtaaten auf dem linken Ufer durch Anſchluß
an die übrigen weſtlichen Staaten mit Hilfe eines gemeinſamen
Zollregimes die für ihre Wirtſchnftstätigkeit erforderlichen
Ab=
ſatzmärkte garantieren müſſen.
Unter dieſen Vorausſetzungen und entſprechend dem von
allen anerkannten Grundſatz der Freiheit der Völker könne man
ſich die Bildung autonomer Staaten auf dem linken Rheinufer
denken, die ſich unter den oben angedeuteten Vorbehalten ſelbſt
verwalteten. Die Bildung dieſer Staaten an der ſtarken
natür=
lichen Grenze des Rheines werde allein im Stande ſein,
Weſt=
europa den Frieden zu ſichern.
Die Feſilegung der deutſchen Weſigrenze.
Das folgende Dokument, ein Memorandum der franzöſiſchen
Regierung, betreffend die Feſtlegung der deutſchen
Weſtgrenze durch den Rhein und die alliierte
Beſetzung der Rheinbrücken, iſt datiert vom 25.
Februar 1919. Es ſchließt ſich der Auffaſſung des Marſchalls
Foch an. In dieſem erſten Teil des Gelbbuches, der bis zum
2. September 1919 reicht, findet ſich außerdem eine zweite Note
des Marſchalls Foch an die alliierten Regierungen vom 31.
März, ferner die Entwürfe zu den ſpäteren Artikeln 428 bis 431
des Verſailler Vertrages. Einer dieſer Entwürfe ſtellt den
Wortlaut der nicht ratifizierten franzöſiſch=engliſch=
amerikani=
ſchen Garaniepakte dar.
Widerlegung der Einwendungen Wilſons und
Llond Georges.
Ein wichtiges Dokument iſt die Note der franzöſiſchen
Regie=
rung vom 17. März, in der Einwendungen des Präſidenten
Wil=
ſon und Lloyd Georges gegen die Beſetzung des linken
Rhein=
ufers und die Vorſchläge des Marſchalls Foch vorgebracht
wer=
den. Die Einwendungen von Wilſon und Lloyd George enthält
das Gelbbuch nicht; aber aus der Widerlegung der franzöſiſchen
Regierung verdient folgendes hervorgehoben zu werden: Das
linke Rheinufer ſei von dem übrigen Deutſchland verſchieden. Es
preußiſchen Beamten nicht, die das Deutſche Reich ihm
aufgenö=
tigt habe. Trotzdem Frankreich abſolute Zurückhaltung übe,
tre=
ten dort bereits ſeparatiſtiſche Tendenzen auf. Man rechne mit
nationaliſtiſcher Erregung in Deutſchland. Dieſer Zuſtand ſei
durch die Niederlage geſchaffen worden. Man glaube, daß die
vorgeſchlagene Löſung des Imperialismus verdächtigt werden
könne. Aber es handele ſich nicht darum, zu anneltieren, es
han=
dele ſich darum, unter der Gewähr des Völkerbundes einen den
Intereſſen der Völker und den Beſtrebungen eines großen Teiles
unter ihnen entſprechend unabhängigen Staat zu ſchaffen. Das
ſei keine Bismarcſche Löſung. Man mache ſich Sorge wegen des
Eindrucks auf die öffentliche Meinung in England und Amerika.
Der ganze letzte Krieg lehre aber, daß der Rhein nicht nur die
militäriſche Grenze Frankreichs und Belgiens, ſondern auch der
Demokratien jenſeits des Meeres ſei. Es werde auf die Geſahr
einer unbeſtimmte Zeit hindurch währenden Beſetzung
hinge=
wieſen. Aher da die ganze Organiſation des linken Rheinufers
in der Hand des Völlerbundes liegen ſolle, werde dieſer ſtets das
Recht haben, ſie zu ändern.
Beſetzung des linken Rheinufers und Regime
im Saargebiet.
Ein weiteres intereſſantes Dokument (Nr. 13) betrifft
Aeuße=
rungen des Marſchalls Foch über die geplante Beſetzung des
linken Rheiufers und über das Regime im
Saar=
gebiet. Er erklärt: Ich weiſe ſchon jetzt darauf hin, daß die
Freigabe der nördlichen Beſetzungszone den Verzicht auf den am
ſtärkſten mit Induſtrie durchſetzten Teil des Beſetzungsgebietes,
den Verzicht auf denjenigen Brückenkopf, der zum Ruhrgebiet, der
Hauptquelle des deutſchen Reichtums, Zutritt gewährt, bedeutet,
das wir dann nicht weiter bedrohen und auf deſſen Beſchlagnahme
wir verzichten. Nach 15 Jahren, wird ſchließlich die rheiniſche
Barriere in der ganzen Ausdehnung der beſetzten Gebiete
frei=
gegeben. Frankreich ſteht wieder mit ſeinen Grenzen von 1870,
das heißt ohne jede militäriſche Garantie, da.
An einer anderen Stelle erklärt der Marſchall: Wenn man
mich fragt nach der Löſung, die ich vorſchlagen würde, würde ich
etwa folgendes ſagen: Die Frage der Rheinlande wird abſolut
beſtimmt durch die Frage des Rheines ſelber. Dieſer Fluß iſt
für alles maßgebend. Wenn man Herr des Rheins iſt, iſt man
Herr des ganzen Landes. Steht man nicht am Rhein, ſo hat man
alles verloren.
Die Frage eines Sicherheitspaktes.
Der zweite Teil beſchäftigt ſich ausſchließlich mit der Frage
des Abſchluſſes eines Sicherheitspaktes. Sie wurde eingeleitet
durch Briand, der am 24. Dezember 1919 dem franzöſiſchen
Bot=
ſchafter den Auftrag erteilte, Lord Curzon eine allgemeine
Unter=
haltung über alle Fragen vorzuſchlagen, die Frankreich und
Eroß=
britannien beſchäftigen. Dieſer Meinungsaustauſch endete mit
dem bekannten Vorſchlag Lloyd Georges in Cannes, über den
alles Wichtige bereits veröffentlicht wurde. Das erſte Dokument,
in dem nach dem Regierungswechſel Poincaré die Frage wieder
aufnahm, ſind die Inſtruktionen an den franzöſiſchen Botſchafter
in London vom 23. Januar 1922. Poincaré forderte den
franzö=
ſiſchen Botſchafer auf, die Verhandlungen mit der engliſchen
Re=
gierung über die Frage eines Sicherheitsabkommens wieder
auf=
zunehmen. Am 29. Januar geht an den franzöſiſchen Botſchafter
zur Weitergabe an die engliſche Regierung ein detailliertes
Memorandum, in dem Poincaré die Kritik Lord Curzons an den
franzöſiſchen Vorſchlägen zu widerlegen ſucht. Der franzöſiſche
Miniſterpräſident verlangt vor allem, daß die Dauer des
Sicher=
heitspaktes, anſtatt wie die engliſche Regierung vorgeſchlagen
hatte, auf 10 Jahre begrenzt werde, auf 30 Jahre, mindeſtens
aber auf 20 Jahre ausgedehnt werde. Nach ſeiner Auffaſſung
dürfte das Abkommen ſich nicht ausſchließlich auf einen
unmittel=
baren Angriff Deutſchlands erſtrecken, es müßte vielmehr das
allgemeine Einvernehmen der beiden Länder im Iutereſſe der
Aufrechterhaltung des Friedens bekunden. Darin liege auch das
beſte Mittel, die Mitwirkung anderer Länder zu erleichtern.
Die Dokumentenſammlung kommt dann bei der Konferenz wendig, daß Herr Poincaré jetzt nicht auf dem Wege der „
Sank=
in Genua an. Von dem berühmten Telegrammverkehr zwiſchen
Miniſterpräſident Poincaré und dem erſten franzöſiſchen Dele=
Der auf die Konferenz bezügliche Teil des Gelbbuches beginnt
mit neuen Inſtruktionen an den franzöſiſchen Botſchafter in
London, in denen die franzöſiſche Regierung ſich bereit erklärt,
auf die früher von ihr verlangte Verſtändigung zwiſchen den
bei=
den Generalſtäben zu verzichten und eine Erweiterung des
Pak=
tes entweder durch die Einbeziehung Belgiens oder den Zutritt
Italiens und der mitteleuropäiſchen Verbündeten Frankreichs in
Ausſicht nimmt, den Anſchluß Deutſchlands und Rußlands jedoch
ablehnt.
Der Rapalſo=Vertrag.
Von beſonderem Intereſſe iſt in einer Inſtruktion Poincarés,
die am 2. Mai 1922 dem franzöſiſchen Botſchafter in London
übermittelt wurde, die folgende auf den Rapallo=Vertrag Bezug an Rhein und Ruhr ſeine Truppen ſtehen hat. Der franzöſiſche
nehmende Stelle: Poincaré ſchreibt: Der Abſchluß des
deutſch=
ruſſiſchen Vertrags ſtellt in augenfälliger Weiſe eine Bedrohung
für den Frieden dar. Dieſer Vertrag iſt nur das Symptom der
natürlichen Tendenzen de: Deutſchen und Ruſſen, ſich in gemein= ſeinen Kräften ſteht, zu verhindern ſuchen. Dazu bedarf es nicht
ſchaftlich=feindſeliger Abſicht gegen die Signatarmächte des
Ver=
ſailler Vertages, insbeſondere Englands und Frankreichs,
ein=
er ſtellt ſich vor, daß es, um ihr vorzubeugen, genügen würde,
beteiligen. Man braucht nur die Kommentare zu leſen, zu denen
Anlaß gegeben hat, um zu begreifen, wie illuſoriſch die Hoffnung
des engliſchen Premierminiſters in dieſer Beziehung iſt. Es iſt
klar, daß Deutſchland weit weniger Wert auf die Beſtimmungen
als auf die allgemeine Bedeutung des Vertrages legt, und daß
es in ihm den erſten Schritt zu einer weitgehenden Annäherung
zwiſchen ihm und Rußland erblickt, die ihm die Möglichkeit geben
ſoll, die Weſtmächte matt zu ſetzen und ſeine Revanche
vorzu=
pallo geheime Anhänge mit militäriſchen Beſtimmungen enthält,
aber eine ruſſiſch=deutſche Militärentente, iſt nichtsdeſtoweniger des Herrn Poincaré und ſeiner Freunde. In Wirrlichkeit wollen
und England nicht durch die Ereigniſſe überraſcht werden ſollten,
Manöver dadurch antworteten, daß ſie öffentlich durch die Unter= halten können.
zeichnung eines Sicherheitspaktes ihre Entſchbüſſe bekundeten, vor
ruht die Beſprechung über den Sichexheitspakt ein ganzes Jahr, wir nicht müde werden, dieſe Reviſion zu fordern, und wenn auch
franzöſiſche und engliſche Regierung die bekannte Note über die
Reparations= und Ruhrfrage im Sommer 1923 austauſchen. Dieſe
Dokumente ſind durch das franzöſiſche Gelbbuch über die
Nepa=
rations= und Ruhrfrage bereits im Dezember 1923 veröffentlicht als ein erfreuliches Symptom zu werten. Denn ſie zeigen: Der
worden.
eR=
* Reuiſton des Bufntages
von Besſailles.
Von
Senator Dr. Nöldeke, Hamburg.
In der Frage, ob Deutſchland jetzt dem Völkerbund
bei=
treten ſolle, iſt mein Standpunkt der, daß in einem ſolchen
Bei=
tritt keineswegs eine erneute Anerkennung des Diltats liegen
darf, und daß dies ausdrücklich von unſerer Seite mit dem
Hin=
zufügen erklärt werden muß, daß im Gegenteil Deutſchland in
dem Völkerbund auf eine baldige Reviſion des Vertrages
hin=
wirken werde. Inzwiſchen hat die Frage der „Reviſion des
Ver=
ſailler Vertrages” auf beiden Seiten des Kanals die Geiſter in
eine gewiſfe Erregung Ferfetzi. Der britiſche Miniſter Henderſon
hat in einer Wahlrede ſich für eine baldige gründliche Reviſion
des Vertrages ausgeſprochen. Das hat nicht nur in Paris das
größte Aufſehen hervorgerufen, ſondern auch die Konſer ativen
und Liberalen im engliſchen Parlament in Harniſch gebracht.
Auch Lloyd George, der in den letzten Mongten wvohl die ſchärffte
Kritik im Ententelager an den verſchiedenſten Beſtimmungen des
Vertrages geübt hat, hat die Forderung Henderſons ſür einen
ſchweren Mißgriff und eine Gefährdung des Friedens Europas
erklärt. Macdona:d hat ſich mit einigen allgemeinen Phraſen
aus der Affäre gezogen, wonach eine Rediſiion des Vertrages
noch für lange Zeit nicht in Frage kommen kann, und es ſich
unächſt nur darun handele, einige Sonberfragen, wie die der
Revckationen und der Abrüſtung, zu regeln.
Immerhin läßt ſich nicht beitennen, daß der Gedanke einer
Reviſion des Verſailler Diktats auf dem Marſche
iſt. Aus den neutralen Ländern haben wir ſchon häuſig
Stim=
men in dieſein Sinne gehört, und auch in den Ländern der
En=
tente, ſogar in Frankreich, gibt es vernünftige Leute, die unter
vier Augen zugeben, daß der Vertrag, ſo wie er gefaßt jvorden
iſt und ſich im Laufe der Jahre entwickelt hat, ſür die geſamte
Veltwirtſchaſt unerträglich iſt. Schon die urſprüngliche Faſſung
des Vertrages macht dieſen für Deutſchland in bielen
Beziehun=
gen untragbat und unerfüllbar. Die Freiheit, ja Willkür, miit
der Frankreich die einzelnen Beſtimmungen handhabt und in ihr
Gegenteil verkehrt, haben aher eine große Anzah” bon
Vertrag=
lichen Beſtimmungen in der Praris derartig entſtellt, daß eine
den, daß mau ſchon zufrieden ſein könne, wenn Frankreich das
Ruhrgebiet räume, wenn das linke Rheinufer in den verträglich
feſtgeſetzten Friſten geräumt werde, wenn das Saargebiet nach
den beſtimmten 15 Jahren dem Schickſal einer unabhängigen
Volksabſtimmung unterworfen und die Reparationen auf ein
er=
trägliches Maß herabgeſetzt werden.
Gewiß ſind das alles Fragen, die ohne eine Reviſion des
Vertrages ſelbſt in einer befriedigenden Weiſe geregelt werden
können. Sie erforder=
tionen” oder ſonſtwie dasjenige zu erreichen ſucht, was bei den
Pariſer Friedensverhandlungen die Leiter der übrigen
Entente=
gierten in Genua, Barthou, enthält die Veröffentlichung nichts, mächte dem franzöſiſchen Imperialismus abgeſchlagen haben.
Aber die letzten Wochen, namentlich die Verhandlungen der
un=
parteiiſchen Finanzſachverſtändigen haben ergeben, daß damit
allein den wirtſchaftlichen Intereſſen ſowohl Deutſchlands als
auch der Ententeländer nicht gedient iſt, die von Deutſchland
Reparationen haben wollen und deshalb ein leiſtungsfähiges
Deutſchland vorausſetzen.
Die Sachverſtändigen haben im allgemeinen einen dichten
Schleier über ihre Verhandlungen gelegt. Aber einiges iſt doch
durch den Schleier hindurchgedrungen, namentlich der Gedanke,
daß Deutſchland nicht gedeihen und Reparationen zählen kann,
wenn nicht die wirtſchaftliche und Verwaltungseinheit zwiſchen
dem unbeſetzten und beſetzten Gebiet in vollem Umfange wieder
hergeſtellt wird. Das iſt aber nicht möglich, ſolange Frankreich
Militarismus wird, wenn er dort noch irgend etwas zu ſagen
hat, nicht aufhören, die Bevölkerung nach Herzensluſt zu quälen
und die wirtſchaftliche Erſtarkung Deutſchlands, ſoweit es in
nur eines Aufhörens der rechtswidrigen Veſetzung des rechten
Rheinufers, ſondern vor allem auch einer Zurückziehung der
ander zu nähern. Lloyd George überſieht dieſe Gefahr nicht, aber fremden Truppen vom linken Rheinufer, alſo eine Abkürzung
der Friſten des Artikels 429 des Vertrages um ein erhebliches.
die Deutſchen und Ruſſen an einem allgemeinen Friedenspakt zu Und weiter iſt auch im Kreiſe der Sachverſtändigen ſchon angeregt
worden — mit welchem Erfolge ſteht nicht feſt —, daß uns ein
der neue Vertrag von Rapallo eben erſt in der deutſchen Preſſe Teik unſerer Kolonien in der Form des Völkerbundsmandats
zurückgegebn werden ſoll.
Frankreich hat gegen alle derartigen Forderungen natürlich
ſchon ſeinen entſchiedenen Widerſpruch erhoben. Es will auf der
einen Seite von Deutſchland möglichſt viel Geld und andere
Lei=
ſtungen haben, aber unter keinen Umſtänden dulden, daß
Deutſch=
land wirtſchaftlich erſtarkt. Wie wir unter dieſen Umſtänden die
bereiten. Es iſt zwar nicht ganz ſicher, daß der Vertrag von Ra= ſinanziellen und wirtſchaftlichen Verpflichtungen des Vertrages
auch nur einigermaßen kollen erfüllen können, iſt das Geheimnis
keine illuſoriſche Gefahr. Poincare ſagt weiter, wenn Frankreich dieſe natürlich gar keine Erfüllung des Vertrages von unſerer
Seite, damit ſie be: jeder Gelegenheit den Fuß feſter auf uns
ſei es dringend notwendig, daß ſie auf dieſes deutſch=ruſſiſche ſetzen und das beſetzte Gebiet unbeſchränkt in ihrem Beſitz be=
So ſind bis zu einer Reviſion des Verſailler Vertrages noch
der Gefahr einig zu bleiben. Nach dieſem Meinungsaustauſch zahlreiche ſchwere Hinderniſſe zu überwinden. Trotzdem dürfen
und wird erſt in dem Zeitpunkt wieder aufgenommen, in dem die die Ausführungen des britiſchen Miniſters Henderſon, die nicht
und uns in falſche Hoffnungen einwiegen dürfen, ſo ſind ſie doch
Gedanke der Reviſion marſchiert!
Seite 2
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. März 1924,
Rummer 70
Die Pariſer Preſſe zum franzöſiſchen Gelbbuch.
Vom Tage.
Paris, 9. März. (Wolff.) Das geſtern von der franzöſchen
Regierung herausgegebene Gelbbuch wird von der
überwiegen-
den Mehrheit der franzöſiſchen Preſſe als Beweis dafür
bezeich=
net, daß der Nichtabſchluß des Garantiepaktes nicht Frankreich zur
Laſt gelegt werden könne.
Petit Pariſien ſchreibt: Nicht ohne Melancholie lege
man das Gelbbuch aus der Hand. Denn man ſtelle feſt, daß 1922
wie ſchon 1919 die loyalen Abſichten und berechtigten Wünſche
Fran reichs von der engliſchen Regierung und der öffentlichen
Meinung jenſeits des Kanals verkannt worden ſeien.
Feſtzuſtel=
len ſei auch, daß in dem Augenblick, in dem die Verhandlungen
über das franzöſiſch=britiſche Abkommen einen entſcheidenden
Schritt vorwärts gemacht hätten, man ſich engliſcherſeits in
brüs=
ker Weiſe verſteift habe, wodurch die Einigung unmöglich gemacht
worden ſei.
Das Echo de Paris vertritt den Standpunkt, daß kein
Augenblick opportuner für die Veröffentlichung der Dokumente
ſei als der, in dem der Briefwechſel zwiſchen Poincaré und
Mac=
donald als Vorläufer des Berichts, der Sachverſtändigen
ver=
öffentlicht wurde. Die Prüfung der 46 Dokumente zwinge zur
Schlußfolgerung, daß Frankreich in dieſer ganzen Angelegenheit
eine ebenſo entſchloſſene wie entgegenkommende Politik betrieben
habe, und daß es bereit geweſen ſei, alle Konzeſſionen zu machen,
vorausgeſetzt, daß die Erreichung des verfolgten Zieles durch ſie
nicht illuſoriſch würde. Jetzt müſſe man hoffen, daß ſich die
Eng=
länder mit Macdonald geändert hätten. Es wäre aber verfrüht,
anzunehmen, daß die Veröffentlichung des Gelbbuches einen
Schritt zur Ueberbrückung des Gegenſatzes zwiſchen der
franzöſi=
ſchen und der engliſchen Theſe bedeute. Das Gelbbuch begnüge
ſich damit, den Standpunkt der beiden Regierungen beſſer zu
be=
gründen. Die Schwierigkeiten, einen Ausgleich zu finden, ſeien
immer noch vorhanden.
Auf die Frage, warum die Verhandlungen über den Abſchluß
des franzöſiſch=engliſchen Sicherheitspaktes geſcheitert ſeien,
ant=
wortet das PetitJournal, das Organ Loucheurs, die Regie.
rung Poincaré habe nicht, wie man in England behauptet,
weni=
ger Eifer gezeigt, als die Regierung Briand. Das Gelhbuch
be=
weiſe das. Denn es ſtelle feſt, daß die Verhandlungen niemals
eifriger betrieben wurden, als im Januar und Februar 1922: ſie
hätten ſich bei der Frage der Ausdehnung des Sicherheitspaktes
auf die Oſtgrenzen Deutſchlands feſtgefahren. Poincaré habe mit
viel Logik und Nachdruck darauf beſtanden, aber die britiſche
Re=
gierung habe davon nichts wiſſen woll=. Sie habe gemeint, daß
die öffentliche Meinung in England =twas derartiges nicht
an=
nehmen würde, und habe gelaubt, den Sicherheitspakt durch
an=
dere Abkommen überflüſſig machen zu können, nämlich durch das
in London von der Genueſer Konferenz erwartete Ergebnis.
Das Journal vertritt den Standpunkt, daß das Gelbbuch
klar erkennen laſſe, daß die Engländer nur dann um die
Sicher=
heit Frankreichs beſorgt ſeien, wenn es ſich darum handele,
radi=
kale Maßnahmen zu treffen, die allein endgültig Frankreichs
Sicherheit garantieren könnten. 1919 habe Frankreich einen
Puf=
ferſtaat bilden wollen. Um Frankreich von dieſer Abſicht
abzu=
bringen, hätten Wilſon und Lloyd George den illuſoriſchen
Sicher=
heitspakt vorgeſchlagen.
Intereſſante Betrachtungen des Temps.
Paris 9. März. (Wolff.) Das Gelbbuch, das geſtern von der
franzöſiſchen Regierung veröffentlicht worden iſt, veranlaßt den Temps
zu der folgenden, recht intereſſanten Betrachtung: Nach dem
Waffen=
ſtillſtand, ſo ſchreibt das Blatt, hätten die franzöſiſchen militäriſchen
Be=
hörden, oder doch wenigſtens die Militärbehörden, die im Namen
Frank=
reichs geſprochen haben, eine deutſche Revanche außerordentlich
befürch=
tet. Die Dokumente, die das Gelbbuch veröffentlicht, offenbarten
peſſi=
miſtiſche Vorausſetzungen. Die anderen alliierten und aſſoziierten
Län=
der, die dieſe Noten erhalten hätten, ſeien alſo über die franzöſiſchen
Beunruhigungen unterrichtet geweſen, was nicht gerade die
diploma=
tiſche Lage Frankreichs geſtärkt habe. Die franzſiſchen Behörden
hät=
ten ſo lebhafte Beunruhigungen gehabt, daß ſie ſich nicht damit begnügt
hätten, militäriſche Vorſichsmaßnahmen zu verlangen. In der
Denk=
ſchrift, die Marſchall Foch am 10. Januar 1919 überreicht habe, ſei ſchon
davon die Rede gewefen, Deutſchland nicht nur den militäriſchen
Zu=
gang zum linken Rheinufer zu unterſagen, ſondern auch „politiſche
Pro=
paganda” in dieſen Ländern. Die gleiche Note habe die Konſtituierung
neuer autonomer Staate auf dem linken Rheinufer ins Auge gefaßt.
Dieſe Politik habe in der ſpäteren Denkſchrift der franzöſiſchen
Regie=
rung vom 25. Februar 1919 ſich zu der Formel verdichtet: „Feſtſetzung
der Weſtgrenze Deutſchlands am Rhein‟. Dieſe politiſche Garantie ſei
verſchieden geweſen von der militäriſchen Garantie, die in der Beſetzung
der Brückenköpfe durch eine interalliierte Macht gefordert wurde. Der
Temps meint, er habe ſich nicht über den Wert einer militäriſchen
Auf=
faſſung auszuſprechen, aber er wolle ſich jede Freiheit der Beurteilung
vorbehalten, einmal, weil das franzöſiſche Oberkommando ſich 1914
voll=
kommen getäuſcht habe und dann, weil die militäriſchen Forderungen der
franzöſiſchen Sicherheit, wie ſie die Regierung Poincaré 1922 erläutert
habe, über die Garantien hinaus gegangen ſeien, die die Regierung
Clemenceau im Jahre 1919 in die Sicherheitspakte habe einſchreiben
laffen. Zum wenigſten alſo beſtanden Zweifel.
Der Temps fährt dann fort: In dem Augenblick, in dem politiſche
Garantien notwendig geworden waren, um einen deutſchen Angriff zu
verhüten oder abzuwehren, hätte die franzöſiſche Regierung mit den po=
Der Leipziger Börſenvorſtand iſt gemeinſam mit der Vereinigung
der Leipziger Bankiers und Banken beim Reichsfinanzminiſterium um
ſofortigen Abbau des Inflationszuſchlags zur Börſenumſatzſteuer
vor=
ſtellig geworden. Gleichzeitig wurde das ſächſiſche Wirtſchaftsminiſterium
gebeten, auf das Reichsfinanzminiſterium einzuwirken.
Die geſtern vorgenommene Urabſtimmung der geſamten Hamburger
Hafenarbeiterſchaft hat mit überwiegender Mehrheit zum Streikbeſchluß
geführt. Die Arbeitsniederlegung ſoll am Dienstag erfolgen.
Geſtern fanden zwei Erſatzwahlen für den Senat ſtatt. Im
Departe=
ment Seine et Marne wurde für den verſtorbenen Senator
Regisman=
ſet, der ebenfalls der demokratiſchen Linken angehörige Abgeordnete
Lugol gewählt. Im Departement Indre=et=Loire wurde für den
zurück=
getretenen Senator Goebele, der der republikaniſchen Union angehörende
Abgeordnete Bluyſen gewählt, der ſich zur republikaniſchen Aktion zählt.
Nach einer Meldung des Petit Pariſien aus Boulogne haben die
Southern Railways, die den Dienſt zwiſchen Frankreich und England
verſehen, geſtern das Pfund Sterling mit 120 Franken berechnet.
Poincaré empfing geſtern den Vorſitzenden der
Regierungskommiſ=
ſion des Saargebiets Rault.
Nach Meldungen aus Brüſſel wird die Entſcheidung darüber, ob es
Theunis gelingt, ein neues Kabinett zu bilden, Montag erfolgen, da an
dieſem Tage die Fraktionen der katholiſchen und liberalen Partei in der
Kammer und im Senat entſcheidende Beſchlüſſe über die Politik des
zu=
künftigen Kabinetts und deſſen Zuſammenſetzung faſſen werden.
Macdonald und Admiral Beatty hatten geſtern eine Beſprechung.
Der Premierminiſter teilte dabei mit, das Kabinett habe beſchloſſen,
die Pläne, betreffend den Bau von Docks in Singapore, mit Rückſicht
auf den gegenwärtigen Stand der engliſchen Finanzen nicht auszuführen.
Reuter meldet aus Malta, Beatty werde an den bevorſtehenden
bri=
tiſchen Flottenmanövern im Mittelmeer teilnehmen.
Reuter erfährt, daß die Vollſitzung der engliſch=ruſſiſchen Konferenz
Ende Märs oder Anfang April unter dem Vorſitz des Premierminiſters
im Foreign Office eröffnet werde. Die Konferenz werde dann zwei
Unterausſchüſſe ernennen, einen politiſchen und einen wirtſchaftlichen.
Erſterer werde im Foreign Office, letzterer im Handelsamt tagen.
Nach einer Havasmeldung aus Konſtantinopel wird der Vertreter
der Regierung Angoras in Kontantinopel, Adnan Bey, ſich demnächſt
nach Paris begeben. Nach der Ratifizierung des Lauſaner
Friedensver=
trages werde er zum Botſchafter in Paris ernannt. Die Regierung
habe ferner beſchloſſen, Botſchafter für Berlin, Wien und Budapeſt zu
ernennen.
Nach Blättermeldungen aus Konſtantinopel ſoll die türkiſche
Regie=
rung die Wiedereröffnung der franzöſiſchen Schulen in Adrianopel
ge=
ſtattet haben.
Nach einer Havasmeldung aus Athen beſtätigt es ſich, daß der
Re=
gent den Führer der Republikaner Papanaſtaſiu mit der
Kabinettsbil=
dung betraut hat.
Nach Blättermeldungen aus Barcelona ſoll General Primo de
Rivera beſchloſſen haben, die Kohleninduſtrie zu nationaliſieren.
litiſchen Anſichten der Alliierten und Aſſoziierten rechnen müſſen. Sie
hätte namentlich fragen müſſen, ob England vom politiſchen
Stand=
punkt aus, die Feſtſetzung der Weſtgrenze Deutſchlands am
Rhein hätte annehmen können. Wenn ſie ſich aber eingebildet
hät=
ten, daß ſie die Engländer zu dieſer Auffaſſung führen könnten, dann
hätten ſie einen ungeheuren Schnitzer begangen. Wenn ſie aber im
Gegenteil die Unmöglichkeit begriffen habe, die Engländer zu
überzeu=
gen, dann hätte die franzöſiſche Regierung ihre politiſche Garantie in
einer anderen Kombination ſuchen müſſen. Dieſe andere Kombination
hätte unvermeidlich dazu führen müſſen, daß Frankreich und England /
gegenüber Deutſchland eine beſtimmte Politik betrieben, nämlich eine
Politik, die bei den Deutſchen die Stärkung der demokratiſchen
Inſtitu=
tionen und die Entwicklung pazifiſtiſchen Geiſtes hätte bilden müſſen.
Dieſe Politik habe man nicht nur nicht durchgeführt, ſondern man habe
ſich der Gefahr ausgeſetzt, ſie für lange Zeit unmöglich zu machen
da=
durch, daß man die Weſtgrenze Deutſchlands am Rhein verlangt habe.
Dieſe undurchführbare Forderung habe nur dazu geführt, den deutſchen
Nationalismus aufzupeitſchen dadurch, daß man ihm bewieſen habe,
daß Frankreich mit ſeinen Abſichten iſoliert daſtehe und infolgedeſſen
eine ſchwacke Seite ſeiner Politik gezeigt habe.
Der Zuſammentritt des Völkerbundsrates.
TU. Paris 10. März. Heute wird in Genf die Seſſion
des Völkerbundsrates eröffnet. Geſtern trafen Lord Parmoore
und Branting ein. An der Sitzung nimmt auch zum erſten Male
Dr. Beneſch als Vertreter der Kleinen Entente teil. Melot iſt
als Nachfolger von Hymans als Vertreter Belgiens nach Genf
abgereiſt. Zunächſt wird über die Memelfrage verhandelt
wer=
den. Dazu erfährt der Genfer Vertreter der Havas=Agentur,
daß zwiſchen Litauen und Polen in der Frage ſoeben ein
Ver=
gleich erzielt worden ſei. Der Völkerbundsrat wird ferner über
die Auslegung der Artikel 11 und 15 des Paktes beraten, die ſich
auf einen eventuellen Schiedsſpruch gelegentlich internationaler
Auseinanderſetzungen beziehen. Außerdem ſtehen noch 25
an=
dere Fragen auf der Tagesordnung, unter anderem das
Ruhr=
problem, die Errichtung eines polniſchen Waffenarſenals in
Dan=
zig, die Lage der deutſchen Anſiedler in Polen, Feſtſetzung der
polniſch=tſchechiſchen Grenze, die finanzielle Wiederaufrichtung
Ungarns uſw. Der Vertreter der Havas=Agentur glaubt, an
Hand eingehender Erkundigungen zu wiſſen, daß trotz dieſes
um=
fangreichen Programms der Völkerbundsrat bereits nächſten
Samstag auseinandergehen wird.
Der neue Frankenſturz.
Die Beratungen im Elyſée.
Paris, 9. März. (Wolff.) Heute vormittag fand im Elyſée
unter dem Vorſitz des Präſidenten der Republik eine Beratung
ſtatt, an der außer dem Miniſterpräſidenten teilnahmen: der
Fi=
nanzminiſter, der Gouverneur der Bank von Frankreich und die
Mitglieder des Generalrates dieſer Bank. Es wurden alle
Maß=
nahmen beſprochen, durch die man die Sanierung der Finanzen
und die Wiederaufrichtung des Franken zu erzielen hofft. In
dem nach Schluß der Beratung veröffentlichten offiziellen
Com=
muniqué heißt es, die Regierung werde beim Senat darauf
be=
ſtehen, daß die Finanzgeſetze raſch angenommen werden und ſie
werde die Erklärungen wiederholen, die ſie vor der Kammer
ab=
gegeben habe und die die Notwendigkeit beweiſen ſollen, daß die
Ausgaben eingeſchränkt und der Anleihepolitik ein Ende bereitet
werden müßten. Die Bank von Frankreich werde die
Bemühun=
gen unterſtützen, die die Regierung in die Wege leitet und alle
erforderlichen Maßnahmen treffen.
Poincarés Mißerfolg.
TU. Paris, 9. März. Die Finanzkommiſſion des Senats hat in
ihrer geſtrigen Sitzung den Artikel 1 der Regierungsvorlage, wonach
Erſparniſſe in der Höhe von einer Milliarde Franken auf dem Wege
beſonderer Erlaſſe durchgeführt werden können, mit 18 gegen 7
Stim=
men abgelehnt. Dagegen hat ſie die Artikel, betr. die 30proz.
Steuer=
vermehrung angenommen, ſowie acht andere Artikel von geringerer
Be=
deutung. Poincare hat im Verlauf des geſtrigen Tages, auch am Abend,
wichtige Beſprechungen mit Delaſteyrie, Maginot und anderen Miniſtern
abgehalten. Trotz ſeiner eindringlichen Vorſtellungen hat die
Finanz=
kommiſſion die Eröffnung der Debatte im Senat auf Donnerstag, und
nicht, wie Poincaré hoffte, auf Dienstag feſtgeſetzt. Bekanntlich beſtand
Poincaré auf uneingeſchränkter Annahme der Regierungsvorlagen. Die
Ablehnung des Ermächtigungsgeſetzes durch die Finanzkommiſſion
be=
deutet einen Mißerfolg des Miniſterpräſidentn. Die Kommentare gut
unterrichteter Blätter laſſen erkennen, daß Poincaré evtl. nachgeben
wird.
Poincaré in der Senats=Kommiſſion.
TU. Paris, 9. März. Poincaré beriet geſtern mit dem
Finanz=
miniſter, dem Kriegsminiſter und dem Chef im Finanzminiſterium über
weitere Maßnahmen gegen die Frankenkriſe. Dann begab er ſich in die
Sitzung der Finanzkommiſſion des Senats. In etwa vierſtündiger Rede
legte er nochmals vor der Kommiſſion das geſamte Programm der
Re=
gierung über die in dem Finanzermächtigungsgeſetz vorgeſehenen
Maß=
nahmen dar. Poincaré beſtand darauf, daß die Kommiſſion dieſes
Pro=
jekt underändert ſo ſchnell wie möglich annehme und bis allerſpäteſtens
nächſten Donnerstag dem Senat zur Plenardebatte weiterleite. Die
Kommiſſion beſchloß, den ganzen Sonntag durchzuarbeiten, um die
Ge=
ſetze ſo ſchnell wie möglich den Wünſchen der Regierung
entſprechend=
zu erledigen.
Nach den Morgenblättern waren die Beratungen durch den Stand
des franzöſiſchen Franken veranlaßt. Dach Echo de Paris ſchreibt, man
habe noch keine Beſchlüſſe gefaßt, aber die neue Offenſive gegen
den Franken erfordere eine ſiegreiche Gegenoffenſive. Die Abſichten der
Regierung gingen dahin, zunächſt den weiteren Sturz des Franken
auf=
zuhalten. Jeder müſſe auf ſeinem Poſten ſeine Schuldigkeit tun oder
ſeine Stellung verlaſſen. In zweiter Reihe ſolle durchgeſetzt werden,
daß der Senat die Finanzgeſetze annehme, um das Budget auszugleichen,
in dritter Linie ſollen neue Regierungsmethoden zur Anwendung
ge=
bracht werden, wie ſie der kritiſche Augenblick erfordere, den das Land
jeßzt durchmache.
Der Petit Pariſien will aus autoriſierter Quelle erfahren haben,
daß der Peſſimismus, den einzelne Blätter hinſichtlich der Arbeiten der
Sachverſtändigen an den Tag gelegt hätten, unbegründet ſei. Es werbe
immer wahrſcheinlicher, daß alle Vorſchläge der Sachverſtändigen
ein=
mütig erfolgen würden. Ueber gewiſſe Fragen ſei bereits eine
allge=
meine Einigung erzielt.
Engliſche Preſſeſtimmen.
London, 9. März. (Wolff.) Der Aufſehen erregende neue
Sturz des franzöſiſchen Franken findet größte Beachtung. Der
Man=
cheſter Guardian ſchreibt: Poincarés Nervenkraft ſei offenbar an der
Grenze angelangt. Sein brutales Ultimatum an den Senat, ſeine
finan=
ziellen Reformen ſofort anzunehmen, ſehe wie die Handlung eines
Man=
nes aus der entweder die Selbſtbeherrſchung verloren haben oder zum
Rücktritt gezwungen werde.
TU. London, 10. März. Die Londoner Sonntagsblätter
beſchäftigen ſich mit dem Frankenſturz und dem Verhältnis zu
Frankreich. Der Obſerver lehnt die engliſche Bürgſchaftspflicht
für Frankreich ab, weil die franzöſiſche Nervoſität im
Bevölke=
rungsproblem wurzele. Ein Land mit Bevölkerungsabnahme ſei
aber auf Verſtändigungspolitik und nicht auf Machtpolitik
an=
gewieſen. Die Verwendung ſchwarzer Truppen ſei ein Vorläufer
des nationalen Zuſammenbruchs. Solange Frankreich
Deutſch=
lands nationale Einheit verneine, ſei eine Verſtändigung mit
England unmöglich.
Großes Haus. — Sonntag, den 9. März.
Othello
Lyriſches Drama von A. Boito, Muſik von G. Verdi.
„Othello” iſt das Werk Verdis, das den Meiſter nach „Aida‟
auf der Höhe ſeines muſikdramatiſchen Schaffens zeigt und nur
noch von ſeinem „Fallſtaff” übertoffen wird. Unſere
Bühnen=
leitung hat uns in kurzer Aufeinanderfolge die drei Meiſterwerke
gebracht und dieſe Entwicklungsreihe deutlich gemacht.
Sind im „Falſtaff” alle Szenen ſo knapp als möglich
geſtal=
tet, die lyriſchen Teile nur angedeutet, iſt die Partitur mit
größ=
ter Oekonomie behandelt, die Zeichnung der Perſonen ohne
Leit=
motibe ſcharf und geiſtreich umriſſen, ſo werden im „Othello”
die Szenen auf breiteſter Grundlage aufgebaut, mit dramatiſcher
Leidenſchaft angefüllt, mit heißer Melodik und Lyrik beladen,
alles ſchwer, wuchtig, ausführlich ausgeſponnen. Das gibt jedem
Stück von ſelbſt den ihm eigenen, anderen Stil. Denn Verdi hat
ſich nie in ſtiliſtiſche Grundſätze verrannt. Unbeengt von
Syſte=
men, unbeſchwert von philoſophiſchen Gedanken, ſchuf nicht ſein
Kopf, einzig ſein Herz den Stil der Muſik für jedes ſeiner Werke.
Man ſieht keine Konſtruktion, wie bei Wagner, man hört nur
Muſik. Und dieſe Muſik, durchaus perſönlich und höchſt genial,
hat unwiderſtehliche Kraft des Ausdrucks. Daß er eine
folge=
richtige, muſikdramatiſche Entwicklung durchlief, auch dazu trieb
ihn nicht Verſtand oder fremdes Vorbild, ſondern ſeine Muſik,
die von der erſten Oper an aufs Dramatiſche geſtellt war. Es
gibt nur einen deutſchen Meiſter, der gleich ihm alle Werke ſo
ganz von der Muſik ausgehen ließ: das iſt Mozart.
Die Wiederaufnahme des herrlichen Werkes, das im
Vor=
jahre eine Reihe vortrefflicher Aufführungen erfuhr, geſtaltete
ſich auch heute in der glänzenden Inſzenierung und guten
Nol=
lenbeſetzung für das Werk, die Künſtler, die muſikaliſche und
Spielleitung zu einem Erfolg von ſtarker Eindruckskraft. In der
Titelfigur beſitzt Herr Verheyen ſeine beſte Rolle. Verdi
ver=
langt in ihr neben dem Sänger den reifen Darſteller und
Cha=
ralteriſtiker. Dieſe Aufgabe erfüllt der Künſtler, und man kann
hier tatſächlich über eine intelligent aufgefaßte, äußerlich
bild=
mäßig und ſeeliſch tief ausgeprägte Darſtellung eher den Mangel
ſtimmlichen Vermögens nachſehen.
Jago iſt die eigentlich tragende Rolle des Stückes. In ihm
laufen alle Fäden der Handlung zuſammen, er führt zu den
muſikdramatiſchen Höhepunkten der Oper. Man weiß, daß Boito
die Oper Jago, nicht Othello genannt haben wollte. Jago iſt nicht
wie bei Shakeſpeare ein Theaterböſewicht. Er iſt bei Boito zum
leibhaftigen Satan gewachſen, der mit ſeinem Credo blasphemiſch
das Heiligſte verſpottet. In Herrn Biſchoffs meiſterlicher
Darſtellung wurde dieſer teufliſche Zug ſtark herausgearbeitet
und wirkte mit packender Dämonie. Für ſolche ſcharfgeſchnittene
Figuren iſt der vielſeitige Künſtler ein unübertrefflicher Vertreter
Als Desdemona iſt Hedwig Werle, die in dieſer Rolle im
Vorjahre erſolgreich gaſtierte, von großem Reiz. Sie beſitzt
Wärme und Anmut echter Weiblichkeit, die dieſe Engelsgeſtalt ſo
wundervoll macht. Ihre ſchlanke, vornehme Erſcheinung, die
ge=
ſchmackvolle Art ihres Spieles, ihre ausdrucksvolle, kunſtgerecht
behandelte Stimme ſchufen in harmoniſchem Zuſammenwirken
eine vortreffliche Leiſtung.
Herrn Wellers Caſſio iſt auch aus ſeinem vorjährigen
Gaſtſpiel bekannt. Die Rolle iſt undankbar und voll
unangenehm=
ſter Einſätze. Aus ihr etwas zu machen, iſt der Künſtler nicht
befähigt, deſſen Begabung auf anderem Felde zu liegen ſcheint.
Martha Liebel ſang und ſpielte die Emilia gut. Auch die
klei=
nen Rollen lagen in beſten Händen. Die Chöre ſind wichtige
Beſtandteile des erſten und dritten Aktes; ſie kamen
charakte=
riſtiſch zur Geltung.
v. HI.
— Heſſiſches Landestheater. Berichtigung der Mietvor
ſtellungen für die laufende Woche: GroßesHaus:
Diens=
tag: Sondermieten 12 (10), 15 (10): „Der Roſengarten”,
Mitt=
woch: Keine Vorſtellung. Donnerstag: C 15, a 6: „Prinz von
Homburg.” Freitag: Sondermieten 17 (9), 18 (9): „Fatinitza.”
Samstagt E 15, e 8: „Prinz von Homburg.” Sonntag: A. 16
„Aida.” — Kleines Haus: Mittwoch: Zuſatzmiete VIII (7):
Tanzſuite von Richard Strauß; hierauf: „Ariadne auf Naxos.
Donnerstag: Sondermiete 14 (10): „Die Gärtnerin aus Liebe‟
vorher: „Baſtien und Baſtienne.” Freitag: Liederabend Hans
Hoefflin. Samstag: Unbeſtimmt. Sonntag: Sonntags=
Frem=
denmiete Er 1 (3): „Was Ihr wollt.”
* Konzert.
F.N. Der volkstümliche muſikaliſche Vortrag am Sonntag
Vormittag in der Aula des Realgymnaſiums begann mit
warm=
herzigen Worten des Veranſtalters, Herrn Ober=Reg.=Rat
Grospietſch, die der Not der beſetzten Gebiete galten. Selbſt
ausgewieſen, konnte er den laſtenden Druck, der bald durch rigo=
roſe Maßnahmen, bald durch kleinliche Nadelſtiche der Bedrücker
jeden Deutſchen drüben peinigt, beſonders gut veranſchaulichen.
— Selbſt an der Dichtung Richard Wagners macht der Zenſer
nicht halt, und Hans Sachs muß auf der Feſtwieſe von „
frem=
dem Tand” ſprechen, weil der „wälſche Tand” das Anſehen und
die Sicherheit der Beſatzung gefährden könne. — Eine am Schluß
des Konzertes veranſtaltete Sammlung galt der Unterſtützung
der im beſetzten Gebiet Not Leidenden.
Den muſikaliſchen Teil füllten die Nomanzen aus L. Tiecks
Magelone aus in der Vertonung durch Johs. Brahms (op. 33).
Herr Grospietſch, der den Zyklus, deſſen Klavierpart an
Schwie=
rigkeiten reich iſt, mit beſtem Erfolg begleitete, führte in den
Zu=
ſammenhang ein, indem er das romantiſche, ſich an ein altes
Volksbuch anſchließende Märchen erzählte. Die Kompoſitionen,
15 faſt durchweg breit ausgeführte und innerlich ſtark
drama=
tiſierte Geſänge, ſind unſtreitig von hohem Wert und mit all der
Linienſchönheit und Klangfülle, deren Brahms fähig iſt,
ausge=
ſtattet. Wenn trotzdem das Werk als Zyklus nur ſelten in die
Oeffentlichkeit gelangt, dagegen einzelne Lieder häufiger
geſun=
gen werden, ſo hat das weniger Ungleichheit des Wertes der
Romanzen zur Urſache als vielmehr ein Fehlen ſcharfer
Gegen=
ſätze, denn eine gewiſſe Gleichförmigkeit der Kompoſitionstechnik
überbrückt mehr die Kontraſte, als daß ſie dieſelben unterſtreicht.
Demgegenüber ſollte man ſtets die beiden Lieder der Magelone
und Sulima einer Frauenſtimme zuteilen, wogegen an anderen
Orten oft gefehlt wird.
Herr Robert Hager, der merbwürdiger Weiſe ſo ſelten
be=
ſchäftigte neue Bariton des Landestheaters, erfreute wieder durch
ſeine überaus ſympathiſche, edle und weiche Stimme und durch
die vornehme künſtleriſche Auffaſſung, die durch gute Ausſprache
geſtützt wird. Auch geſangstechniſch iſt ſein Können
achtungge=
bietend. Kleinigkeiten, wie einige weniger geſchickt genommene
hohe Töne, die im Widerſpruch zu der ſonſt guten hohen Lage
ſtanden, oder wie eine gewiſſe Scheu vor dramatiſcher
Stimmbe=
handlung werden bei ihm bald verſchwinden. Auch kleine
text=
liche und muſikaliſche Verſtöße kamen vor. Im Ganzen aber
ge=
währte die Wärme des Vortrags, das Mitempfinden und die
Klangſchönheit der Stimme hohen Genuß. Zur Unterſtreichung der
Gegenſätze hätten wir „Wie ſoll ich die Freude, die Wonne denn
tragen?” etwas raſcher und überſchwvänglicher gewünſcht.
Fräu=
lein Eugenie Stefanowa paßte im Stimmklang vorzüglich
zu dem Sänger und trug die beiden ihr zufallenden Romanzen
mit wundervollem Ton vor. Schade, daß ihrer Ausſprache des
Deutſchen noch manche fremde Färbung anhaftet. In freudiger
Dankbarkeit ſpendeten die Zuhörer reichen Beifall.
Nummer 70.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. März 1924.
Seite 3.
Aas der Landeshauptſtadt.
Darmſiadt, 10. März.
Das Ende der Poſtkutſche.
— Aus dem Straßenbilde der Stadt Darmſtadt werden in den
nachſten Tagen die gelben und grauen, von Pferden gezogenen Poſr=
Beförderungsmittel, elektriſche Kraſtwagen, erſetzt werden. Von der muß als beklagenswert regiſtriert werden. Man ſah bei dieſer
Reichspoſtverwaltung ſind fünf 2 To.=Kraftwagen beſchafft worden, die
hauxtſächlich für den Paketzuſtelldienſt verwendet werden ſollen.
Da=
neben dient ein kleinerer 0,6 Tonner=Wagen für Befürderung von
Brief=
poſten und für die Zuſtellung von Eilpaketen. Die unbeſtreitbaren
Vor=
züge des Kraftwagens vor dem Pferdewagen im Stadtpoſtverkehr liegen
uicht ſo ſehr in ſeiner größeren Geſchwvindigkeit als vielmehr in ſeiner
unbeſchränkten Verwendbarkeit für alle vorkommenden Fahrten und in
dem bedeutenderen Faſſungsvermögen, das eine Einſchränkung der
Fahrten und ſomit eine ſchnellere Abwicklung des geſamten
Beförde=
rungsgeſchäfts, ſoſvie auch eine Perſonalerſparnis bei dieſem Dienſt= bleiben. Werden lange nachhallen die wundervollen Klänge der
zweige ermöglicht. Für den Paketzuſtelldienſt, bei dem die Wa=
gen ſehr häufig halten müſſen und immer nur kurze Strecken
zurück=
zulegen haben, eignen ſich Kraftwagen mit elektriſchem Antrieb beſſer
als Wagen mit Verbrennungsmotoren. Sie haben ſich in vielen Städten
mit nicht zu ſtarken Steigungen und gut gepflaſterten Straßen ſeit
Jahren bewährt. Die für Darmſtadt beſchafften Wagen ſind von den
Hanfa Lloyd=Werken A.G. in Bremen geliefert worden. Für die
Bat=
terien der elektriſchen Kraftwagen iſt beim Poſtamt 2 (Hauptbahnhof)
eine Ladeſtelle eingerichtet. Nachdem ſeit kurzem Probefahrten mit den
neuen Wagen vorgenommen worden ſiund, werden ſie vom 10. März ab
in den regelmäßigen Betrieb eingeſtellt werden. Damit iſt die hieſige
Poſthalterei, die ſeit dem Jahre 1881 von der Familie des jetzigen
Poſt=
halters Walther in bewährter Weiſe geführt worden iſt, entbehrlich
ge=
worden und aufgehoben.
* Der wiſſenſchaftliche Großfilm „Die Braunkohle”, der
geſtern nochmals im Kleinen Haus abgerollt wurde, reiht ſich
würdig den beſten deutſchen Filmen gleicher und ähnlicher Art
an, ja er ſteht in gewiſſem Sinne an der Spitze gleicher
Film=
erzeugniſſe, und es darf als bedauerlich bezeichnet werden, daß
die Vorführungen ſo mangelhaft beſucht waren. Vielleicht war
das herrliche Wetter ſchuld daran. Der Film bietet
außer=
gewöhnlich viel Intereſſantes, Lehrreiches und Wiſſenswertes.
Wir kommen darauf zurück.
* Turngemeinde Beſſungen 1865 e. V., Darmſtadt. Der
angekün=
digte große Tag iſt vorüber, und alles iſt tadellos gegangen. Die Leiter
der Veranſtaltung, der 1. Turnwart und der Geiſtesturnwart, haben es
auch nicht anders erwartet; ſie haben ſich auf ihre Turnerinnen und
Turner verlaſſen können. Eine kleine Entſchädigung für ihre große
Mühe. Geht man nun zur allgemeinen Beſprechung über, kann man
nicht umhin, ſeine Bewunderung über die einfache, in ſattem Grün
gehaltene Stilbühne zu bekunden. Ferner war nen der große
Schein=
werfer. Die ſo geſchaffene Bühne gab der ganzen Veranſtaltung einen
vornehmen Charakter. Das Programm, welches ſich würdig der Bühne
anſchloß, bezeichnete den Turner Hanauer als Anſager. Gleich die erſte
Nummer — eigentlich eine Diſziplin=Nummer für die männlichen
Be=
ſucher — wurde geſchickt angebracht als „Nauchen verboten‟. Die
ein=
zelnen Programmnummern mußten umſtändehalber etwas umgeſtellt
werden, aber gebracht wurde alles. Zunachſt Fräulein P. Löſch, als
Beſſunger Nachtigall gebrieſen, ſang ganz meiſterhaft drei ſchöne, dem
Abend angedaßte Lieder. — Vier Turnerinnen: Darmſtädter. Müller,
Pahl und Nung, führten anmutig einen „Hobſer zu Vieren” auf. —
Frau Gr. Jänicke, eine feſche Soubrette, erzielte mit ihren Liedern
ganz ungemeinen Erfolg. — Die Zöglingsriege führte
Geſellſchafts=
übungen (Freübungen) vor. Dieſe Uebungen, gut durchgeführt,
zeig=
ten ſtrenge Diſziplin. — Die Stuhlptramiden der Riege „Jahn” waren
Kabinettsleiſtungen dieſer Riege. Mut, Entſchloſſenheit und
Korrekt=
heit bei jeder Stellung war Trumpf bei den ausführenden Turnern. —
— Nun kam unſere Jugend zu Wort: Unſere Tunerin Lisbeth
Darm=
ſtädter in ihren „Baby=Typen” war allerliebſt. Ausſprache und
Aus=
drucksmittel überzeugend. Rauſchender Beifall war der Lohn für ihr
Können. Sie mußte ſich zu zwei Zugaben bequemen. — Die
Einzel=
tänze von den Turnerinnen Müller und Pahl zeichneten ſich durch
An=
mut aus; den geſanglichen Teil hierbei hatte Fräulein P. Löſch
über=
nomael. — Die Pantomime „Haarwuchsmittel” löſte reine Lachſalven
aus. Beſonders lehrreich war hierbei, daß die Menſchen nach ihrem
Aeußeren beurteilt und demgemäß z. B. in dem Friſeurgeſchäft
unter=
ſchiedlich bedient wurden. — Jetzt kaum ein Hauptſchlager von unſerem
unermüdlichen Turner H., indem er als Kölner „Abgebauter” auftrat.
Was der alles aus ſeinem Beruf zu erzählen wußte, war erſtaunlich.
Reicher Beifall lohnte ſeine Arbeit. — Das Duett in Biedermeier von
Frau Gr. Jänicke und Hans Künzel war ganz reizend, was Geſang
und Darſtellung anbelangt. — Die Staatsratsſitzung wurde ausgeführt
von den Turnern Gebel, Prinz und Schneider, war köſtlich und ließ
einen tiefen Blick hinter die Kuliſſen von Anno dazumal tun. Sie
hat=
ten die Lache auf ihrer Seite. — Der Humoriſt Turner Fr. Jänicke
war vorzüglich; was der in ſeinem erſten Kuplet nicht alles werden
wollte bei einer edtl. Wiedergeburt, iſt kaum glaublich. In ſeinem
zweiten Kuplet beſang er die Tüchtigkeit eines Maurers in
überzeugen=
der Weiſe. — Ein Geigenkünſtler aus dem ſonnigen Italien, der gerade
auf der Durchreiſe war, gab ein Freikonzert. Die nötige Begleitung
auf dem Klavier hatte Sionora Fr. Geher übernommen. — Nun kam
der Clou des Abends, über den vorher nichts zu erfahren war, uämlich
der Zirkus „Bernem‟. Dieſer Rieſen=Zirkus hatte für einen Tan ſeine
Zelte in der Turnhalle aufgeſchlagen, um den Bernemer Turnern eine
Extravorſtellung zu geben. Der Direktor des Zirkus, Turner H., war
ein feiner Lobredner für ſeine Artiſten. Das Repertoire war großartig.
In der Gala=Abendvorſtellung konnte man alles ſehen, z. B.
Kunſt=
reiter, den langen Joſef, den Menſchenaffen, Miß de la Fona,
Trapez=
künſtlerin, Menſchenfreſſer, Akrobaten, Ring= und Boxkamp, die
un=
vermeidlichen Auguſte und anderes mehr. Alles war auf das Aeußerſte
geſpannt, was kommen wird. Die einzelnen Vorführungen löſten reine
Lachſalben aus. Dies war ja auch der Zweck, einmal fröhliche Menſchen
zu ſehen. — Allen mitwirkenden Turnern, die ſich in ſo uneigennütziger
Weiſe zur Verfügung ſtellten, ſei hiermit herzlichſt gedankt. — Ferner
ſei noch der Kapelle gedacht, die die Zwiſchenpauſen mit Spielen ſchöner
Muſikſtücke ausfüllte.
— Reichsſteuerzahlungen im März 1924. Am 10. März
haben die Gewerbebetriebe eine Vorauszahlung
auf die Einkommenſteuer zu leiſten. Iſt ſie nicht bis zum
17. März erfolgt, ſo treten für je 15 Tage 5 Prozent
Zuſchlag hinzu. Am 10. März haben die
Gewerbe=
betriebe eine Vorauszahlung auf die
Körper=
ſchaftsſteuer zu leiſten. Iſt ſie nicht bis 1 7. März erfolgt,
ſo treten 5 Prozent Zuſchlag für je 15 Tage hinzu.
Am 10. März iſt die Umſatzſteuer für die Uniſätze des
Monats Februar fällig. Iſt ſie nicht bis 1 7. März bezahlt, ſo
treten 5 Pzt. Zuſchlag für je 15 Tage hinzu. — Am 15, März
müſſen die Steuerabzüge vom Arbeitslohn, die in
der Zeit vom 1. bis 10. März 1924 einbehalten wurden, an die
Finanzkaſſe abgeführt (bzw. geklebt) werden. Wird die Friſt
auch nur um einen Tag überſchritten, ſo treten 5%
Zuſchlag für je 15 Tage hinzu. Am 25. März müſſen die
Steuerabzüge vom Arbeitslohn, die in der Zeit vom
10. bis 20. März 1924 einbehalten wurden, an die Finanzkaſſe
abgeführt (bzw. geklebt) werden. Wird die Friſt auch nur um
einen Tag überſchritten, ſo treten, 5 Prozent
Zu=
ſchlag für je 15 Tage hinzu. — Im März iſt an einem noch u.
zu beſtimmenden Tage die Vermögensſteuererklärung
abzugeben.
Der geſtrige Opfertag für das leſetzte Heſſen ſah bei dem
herrſchenden wundervollen Vorfrühlingsſonnentag zahlreiche
Menſchen in den Straßen, was den Sammlungen offenſichtlich Franzoſenherrſchaft am Rhein, wo der Vater oder Großbater wie ein
ſehr zugute kam.
Die Feier im Großen Hauſe des Landestheaters nahm den geſchletbt oder aus ſeiner Heimat ausgewieſen wurde.
Sinder, werſchwinden zud reſtios durch neuzetliche und leiſtungsfähigere erhofften würdigen und eindrudstiefen Verlauf. Eines allerdings Streichen des Feindes leidet, und blutet, vergiß auch du das Rhein=
Kundgebung — leere Plätze im Theater. Wenn auch nicht viel,
ſo doch immerhin einige. Das läßt auf einen bedenklichen
Man=
gel an Verſtändnis für dieſe Kundgebung ſchließen. Und wenn
das Theater die dreifache Zahl an Menſchen faſſen könnte, es
durfte kein Platz leer bleiben. Mögen die der Feier fern
Ge=
bliebenen ſich das, was hier nicht au geſprochen werden ſoll,
ſelbſt ſagen.
Der Verlauf der impoſanten Feier war von ſtärkſtem
Ein=
druck. Nur wenig Aeußeres wurde geboten, abſichtlich. Aber was
geboten ward, wird für alle, die es miterlebten, unvergeßlich
unvollendeten Sinfonie von Schubert, mit denen das
Landes=
theaterorcheſter unter Generalmuſikdirektor Ballings
fein=
ſinniger und temperamentvoller Leitung die Feier eröffnete,
gleichwie auch die von 250 Knaben hieſiger Schulen geſungenen
Chöre. Kammermuſiker Fr. Brückmann, der die
Knaben=
chöre mit Orcheſterbegleitung dirigierte, hatte es verſtanden, die
Jungen für ihre Aufgabe zu begeiſtern, ſie ſangen
Schencken=
dorfs „Lied vom Rhein” mit ſchönem Empfinden und
ſchmetter=
ten ihr „Sie ſollen ihn nicht haben, den freien
deutſchen Rhein” ſo ernſt, friſch und begeiſtert in den
wei=
ten Raum, daß es wie ein Treuſchwur für die Zukunft klang.
Man ſah in manchem Auge Tränen, und brauſender Beifall
dankte den friſchen Jungen. — Dann die Feſtanſprache. Sie
kam aus dem Munde eines Mannes, der ſelbſt drüben
jahre=
lang all das Furchtbare miterlebt, das die Bedrücker über die
Bevölkerung verhängen, bis ihr Machtgebot auch ihn aus Heimat
und Wirkungskreis wies. Die Nede hielt Herr
Oberlandesgerichtsrat Altendorf:
Wir haben uns heute hier verſammelt, um unſer Mitgefühl
kund zu tun für unſere unter fremder Gewaltherrſchaft leidenden
Brü=
der und Schweſtern im beſetzten Gebiet, um unſerem Schmerze
Aus=
druck zu verleihen über die fortgeſetzten Leiden und Qualen, denen unſer
deutſches Rheiuland ausgeſetzt iſt durch landfremde Peiniger, um
öf=
fentlich dagegen Verwahrung einzulegen, daß gegen Recht und
Verträge deutſcher Boden uns entfremdet werden ſoll, und um unſere
Entſchloſſenheit zu bekunden, daß wir dieſe Gewalttaten und
Rechtsbrüche nicht hinnehmen wollen, ſondern daß wir in ihrer
Ab=
wehr einig ſind und einig bleiben wollen mit unſeren Volksgenoſſen
drüben am Rhein, mit denen wir eines Fleiſches und eines Blutes
ſind im großen Verbande des deutſchen Vaterlandes!
Fünf Jahre ſind ſchon dahingegangen, ſeitdem der Franzoſe am
Nhein ſteht, fünf Jahre, während deren er in ſyſtematiſcher Arbeit daran
iſt, das rheiniſche Volk und Land ſeinen Zwecken dienſtbar zu machen.
Fünf Jahre, in denen er kein Mittel unverſucht gelaſſen hat, dieſes
kerndeutſche Volk und Land vom deutſchen Rhein loszulöſen. und
doch ſteht er noch da mit leeren Händen, ja, es iſt gewiß, er iſt heute
weiter von ſeinen Zielen entfernt, als er kam.
Wenn man in früheren Zeiten auf die nationale Zuverläſſigkeit
der Rheinländer zu ſprechen kam, dann gab es — wir Rheinländer
wiſſen das recht gut — manchen im deutſchen Vaterland, der geneigt
war, die Achſeln zu zucken. Wenn man die Leichtlebigkeit der
rheini=
ſchen Bevölkerung beobachtete, ſo lag es in der Tat nicht alzu fern,
anzunehmen, daß bei dieſem Volke nichts in die Tiefe gehe, und daß
auch das vaterländiſche Gefühl nur an der Oberfläche hafte. Die ſo
dachten, haben den Rheinländern ein ſchweres Unrecht abzubitten: ſie
werden jetzt einzuſehen haben, daß dieſes Volk deutſch iſt bis auf die
Knochen. Ueberall der unerſchütterliche Wille, feſtzuhalten am deutſchen
Vold und Reich, trotz aller Folterungen und Quälereien um dieſes
Be=
kenntniſſes willen!
All die Lebensfreude, von der die Rebenhügel des Rheins ſonſt
widerhallten, iſt vorbei; das Lachen iſt verſtummt, die fröhlichen
Winzer=
lieder, die im Herbſt aus den Weinbergen ſchallten, ſind berklungen; die
Muſik, die an ſchönen Sommertagen von den Rheindampfern klang, iſt
verhallt. Es iſt ſtill geworden da drüben am Rhein; unheimlich ſchwarze
Wetterwolken lagern über dem Strom, als wollte jeden Augenblick ein
Blitz ſich entladen, der furchtbares Unheil anrichtet. Die Bevölkerung
lebt in fortgeſetzter Angſt und Furcht eine gedrücke Stimmung iſt
über ſie gekommen, die nichts mehr aufkommen läßt von der früheren
Lebensfreude.
Und in dieſer unheilſchwangeren Atmoſphäre hat ſich das Beſte im
Chaxakter der rheiniſchen Bevölkerung entwickelt; ihr ſtarkes
Unab=
hängigkeits= und Freiheitsbedürfnis. Je mehr der Franzoſe dem
Rhein=
länder das Recht nahm, das zu tun und zu reden, was er wollte, um
ſo mehr erzog er ihn ſich ſelbſt zum Feind, um ſo ſtärker wurde in
ihm die Liebe zum deutſchen Vaterland.
Und für den, der es ſelbſt miterlebt hat, wie das Feſthalten am
Deutſchtum bei der rheiniſchen Bevölkerung allmählich immer mehr zum
ſtählernen Entſchluß wurde, bleibt es eine der erhebendſten
Erinne=
rungen, wie unter dieſer alles beherrſchenden Idee der
Volkszuſammen=
gehörigkeit alle Unterſchiede der Stände und Berufe, alle Gegenſätze der finden und mit dem Ergebnis beantwortet werden:
politiſchen Meinungen, alle Verſchiedenheiten religiöſer Auffaſſungen,
ja ſelbſt perſönliche Feindſchaften ausgeglichen und überbrückt wurden,
wie jeder in dem anderen nur in erſter Linie ſeinen Volksgenoſſen und
Bruder erblickte, mit dem er die gemeinſame Not trug und mit dem er
über gemeinſame Abwehr beriet. Dieſe Volksgemeinſchaft, wie ſie da
drühen beſteht, ſchließt jetzt ſelbſt Kommuniſten ein, gegen deren
Zu=
verläſſigkeit man anfangs Bedenken hatte, und wird am beſten durch
das draſtiſche Wort gekennzeichnet: Am Nhein gibt es nur noch Deutſche
und Lumpen!
Die Zahl der Lumpen aber iſt im Abnehmen begriffen. Die Zeiten
eines Dorten und Liebing, eines Smeets und Deckers ſind vorüber. Als
ein Heldenſtamm von Märtyrergröße haben ſich die Pfälzer gezeigt, die
unter der Geißel eines beſonders grauſamen Regimes ſeufzen. Die
Bedrückung dieſes furchtbar heimgeſuchten Landes war ſo unmenſchlich,
diß ſelbſt in den Reihen unſerer Feinde ſich ein Murren erbob und auf
Abſtellung der Grauſamkeiten gedrängt wurde. Bei dieſer Sachlage iſt
es nur zu verſtändlich, daß bei der Bevölkerung der Haß gegen ihre hatten ebenſovielen Männern Platz gemacht. Die Chöre der
Bedrücker ins Ungemeſſene ſteigt, und daß er ſich in Taten der Abwehr
und Vergeltung entlädt, über die die Täter ſelbſt früher ein Schaudern unter Fr. Brückmanns Leitung das Niederländiſche Dankgebet.
empfunden hätten. Aber dieſe Taten, wie ſie in der Inbrandſetzung
des Pirmaſenſer Rathauſes ihren Höhepunkt gefunden haben, mögen
ſie auch mit den Geſetzen des irdiſchen Nichters in Widerſpruch ſtehen,
können vor dem Stuhle einer höheren Gerechtigkeit nicht verworfen
werden.
Das aber iſt es, was ſich unter der Gewaltherrſchaft der Franzoſen
augenblicklich drüben am Rhein vollzieht. Wer ſich nicht beugen will,
ſondern ſeine Ueberzeugung zum Ausdruck bringt, wer nicht
hergelau=
fenes Geſindel als die wahre Vertretung des rheiniſchen Volkes
aner=
kennen will, wer nicht die Einbrüche und Näubereien dieſer mit der
Staatsautorität umkleideten Verbrecherbande als legitime Staatsakte
gel=
ten läßt, der wird als ein Feind der öffentlichen Ordnung erklärt und
gefährdet die Sicherheit der Beſatzungstruppen. So achtet der Franzoſe ſtattgefunden hat, hat der Bayernverein Darmſtadt
das Selbſtbeſtimmungsrecht der Völker, das angeblich ein Grundpfeiler Vorberitungen getroffen, um eine große Bayern=
Pfalz=
der durch das Verſailler Diktat geſchaffenen Neuordnung der europäiſchen kundgebung folgen zu laſſen. Es iſt beabſichtigt, ſämtliche
Rheinlandes, derſelbe Franzoſe, der bis in die letzte Zeit hinein die
ver=
logene Nedensart der Kriegspropaganda im Munde führt, daß er nicht Feier zu vereinen, an der ſich deutſche Männer und Frauen aller
aus ſelbſtſüchtigen Motiven, ſondern für die Freiheit der Velt gekämpſt Berufe, aller Stände, aller Parteien und aller Konfeſſionen
be=
deutſche Nheinland, derſelbe Franzoſe, der in geſpreizter Anmaßung ſeine Teilnahme ſie deren Leidensweg verfolgen, ihnen gleichzeitig
Machtſtellung zur Rettung der Biviliſation für erforderlich erklärt!
lichen Frieden die Liſte der unter den feindlichen Baionetten und Geweh= Die vom Heimatsgedanken getragene Veranſtaltung wird mit
ven gefallenen Toten fortgeſetzt ſich dergrößert; daß Tauſende wegen
ihrer Pflichterfüllung im Dienſte des Vaterlandes ins Gefängnis ge= einem vaterländiſchen Programm begleitet ſein, das dem Ernſte
vorfen werden und oft jahrelang hinter Kerkermauern ſchmachten; daß des Tages angepaßt iſt und die Beſucher in die bayeriſche Hei=
Hundertauſende von Haus und Hof dertrieben werden, weil ſie dem mat verſetzt. Der Ertrag ſoll ganz zugunſten der Pfalzſpende
feindlichen Bedrücker unbequem ſind! Die von ſolchen Geſvaltmaßnahmen überwieſen werden.
Betroffenen werden es ganz gewiß nicht vergeſſen, und ihre Kind= und
Kindeskinder werden die Erinnerung aufrecht erhalten an die Zeit der
Verbrecher von Bewaffneten aus dem Bett geholt und ins Gefängnis
Und du, mein deutſches Volk, das nicht unmittelbar unter den
land nicht! Wenn man da drüben am Rhein lebt, abgeſchnitten von
dem übrigen Vaterland, ununterrichtet über das, was hier getan wird
zur Retung der leidenden Volksgenoſſen, eingeſchüchtert durch die
feind=
lichen Bajonette und falſch belehrt durch die Ausſtreuungen des Feindes,
wie durch die unter feindlicher Zenſur ſtehende eigene Preſſe, — wenn
man ſo lebt in einer Stimmung der Ungewißheit, der Unſicherheit, des
Zweifels, dann iſt man leicht geneigt zu glauben, daß die Volksgenoſſen
drüben im unbeſetzten Vaterland ſich nicht viel Sorge machen um das
gequälte Rheinland, und daß man es wohl gar müde werden könnte,
immer wieder Opfer zu bringen für dieſes halb verlorene Stück des
Vaterlandes. O, laſſen Sie uns alles aufbieten, daß ſolche Stimmung
im Rheinland nicht aufkommt! Niemals darf man da drüben die
Be=
fürchtung aufkommen lafſen, daß die Volksgenoſſen im beſetzten Gebiet
auf ſich allein angewieſen ſeien! Das wäre die fürchterlichſte
Entäu=
ſchung, die nicht nur die Opfer dieſes mit ſo ungleichen Waffen
ge=
führten Krieges, ſondern das ganze Rheinland treffen könnte.
Viel=
mehr iſt es unſere Pflicht, dafür zu ſorgen, daß das Rheinland von der
Ueberzeugung durchdrungen bleibt; unſere Brüder im großen
deut=
ſchen Vaterland werden uns niemals verlaſſen, ſie werden in Treue zu
uns ſtehen, wie wir ihnen die Treue gehalten haben, und ſie werden
das letzte Stück Brot mit uns teilen! Das erfordert der Geiſt wahrer
Volksgemeinſchaft von uns allen, das iſt aber auch das Gebot höchſter
politiſcher Notwendigkeit.
Denn darüber darf ſich das deutſche Volk keiner Täuſchung hingeben:
was ſich drüben am Rhein jetzt abſpielt, iſt nur die
Wiederholung jener alten Machtbeſtrebungen des
franzöſiſchen Imperialismus, die ſeit Jahrhunderten bei
unſeren weſtlichen Nachbar lebendig ſind und ſich immer Geltung
ver=
ſchafft haben, wenn die Gelegenheit dazu gegeben war. Auf den
Blät=
tern dev Geſchichte ſeit Ludwig AlV. ſtehen dieſe Beſtrebungen in völlig
eindeutiger Weiſe verzeichnet und ſind an vielen Stellen mit blutigen
Lettern eingegraben.
Doch getroſt! Das deutſche Volk, das durch die Schule Bismarcks
gegangen iſt, hat dieſen großen politiſchen Lehrmeiſter nicht umſonſt
gebabt. Sein Geiſt iſt es, der das Reich zuſammenhält in dieſer Zeit,
da ſein Beſtand von allen Seiten und namentlich durch die Machtgelüſte
des Erbfeindes auf das Aeußerſte gefährdet iſt, und das deutſche Volk
wird ſich ſeine Einheit nicht mehr nehmen laſſei, weil es weiß, zu
wel=
chen Höhen nationaler Geltung in wirtſchaftlicher, geiſtiger und
kultu=
reller Hinſicht uns der feſte Zuſammenſchluß aller deutſchen Stämme
geführt hat. Wenn man die fortgeſetzten Angriffe, die von Paris aus
gegen die Reichseinheit unternommen werden, und den politiſchen und
wirtſchaftlichen Ruin des deutſchen Volkes zum Ziele haben, tagtäglich
vor Augen hat, ſo denkt man an jene prothetiſchen Worte, die der
Eiſerne Kanzler im Jahre 1887 im Reichstage ausſprach, als ſich in
Frankreich der Rebanchegedanke zur Kriegsgefahr auszuwachſen drohte.
Damals ſchilderte jener große Staatsmann in düſteren Farben die
furcht=
bare Zeit, die für uns hereinbrechen werde, wenn der Franzoſe ſich ſtark
genug fühle, um über uns Herr zu werden. Dann werde es, ſo meinte
er, zu dem kommen, was der Franzoſe Saigner 4 blane nenne, das heißt,
es werde der Kampf bis zum Weißbluten fortgeſetzt wverden. Dieſe
furchtbare Zeit iſt da, meine verehrten Damen und Herren, und darum
heißt es: zuſammenſtehen wie ein Mann, wenn wir unſer höchſtes und
letztes nationales Gut nicht verlieren wollen, die Einheit unſeres
deut=
ſchen Vaterlandes!. Noch iſt es nicht genügend überall erkannt, daß die
Erhaltung des Rheinlandes unter deutſcher
Hoheit zugleich die Erhaltung des Deutſchen
Rei=
ches bedeutet. Ohne das Rhein= und Nuhrgebiet iſt das
Neick=
ein Torſo, deſſen innere Lebenskraft dahinſiechen muß, und deshalb iſt
die Rhein= und Ruhrfrage die große internationale Frage, die
Lebens=
frage des deutſchen Volkes. Wir ſind mit dem Schickſal unſerer
Volks=
genoſſen drüben am Rhein und an der Ruhr auf Gedeih und Verderb
unlösbar verbunden. Ihre Knechtung iſt unſere Knechtung und ihre
Freiheit iſt unſere Freiheit! — Es iſt alſo hier im unbeſetzten, wenn
auch nicht freien Deutſchland nicht damit getan, daß man den Brüdern
und Schweſtern da drüben Dank und Hochachtung ausdrückt für ihr
mannhaftes Feſthalten an ihrem Volkstum. Es iſt auch damit nicht
ge=
tan, daß man die Opfer dieſes Daſeinskampfes mit Geldmitteln
unter=
ſtützt, wiewohl wir Ausgewieſenen, die wir, oft unter Zurücklaſſung aller
Habe, auf fremde Hilfe angewvieſen waren, aus den zahlreichen Beweiſen
brüderlichen Entgegenkommens eine innere Stärkung empfingen, die
unſer Geſchick leichter tragen half. Es gilt vielmehr, das ganze deutſche
Volk zu der Erkenntnis aufzurütteln, daß drüben am Rhein unſer aller
Schickſal entſchieden wird, und deshalb im ganzen deutſchen Volke den
Willen zur Tat der Befreiung zu wecken. Nur wenn der
unerſchütter=
liche Wille uns alle durchdringt, daß es in dieſer Frage für uns
keiner=
lei Zugeſtändniſſe geben darf, nur dann wird auch das Nheinland
feſt=
bleiben. Dann wird aber auch niemand auf dieſer
Welt dem Rheinland ſein Deutſchtum rauben können.
Rufen wir deshalb unſeren Volksgenoſſen am Rhein heute und
immer wieder den Treueſchwur hinüber:
Wir wollen ſein ein einig Volk von Brüdern
In keiner Not uns trennen und Gefahr!”
Der Ruf wird an den Bergen des Rheins ein begeiſterte: Echo
„Wir wollen frei fein, wie die Väter waren,
Eher den Tod, als in der Knechtſchaft leben!”
So ſchlingt ſich ein unzerreißbares Band um alle Volksgenoſſen von
der Mags bis an die Memel, indem alle einig ſind in der tiefen
Er=
kenntnis, daß wir uns der Nettung des Vaterlandes weihen müſſen als
des Höchſten, was wir alle gemeinſam beſitzen. Helfe jeder bei dem
großen Befreiungswerke!. Mit Herz und Hand fürs Vaterland!
Ein donnerndes Hoch unſerem ungeteilten einigen deutſchen
Vater=
lande!
Dem brauſenden Hoch auf das Vaterland folgte das
Deutſch=
landlied, das von der Feſtverſammlung mitgeſungen wurde.
Dann teilte ſich wieder der Vorhang und die jugendlichen Sänger
Vereinigten Männergeſangvereine Darmſtadts ſangen ebenfalls
Es war wohl keiner, der die Schlußſtrophe mit ihrem Gebet, zu
dem das Orcheſter mit Orgel und Harmonium in vollen Akkorden
den Widerklang gab, nicht aus tiefſtem Herzen mitfühlte und
betete:
Herr mach uns frei!
M. St.
Bayern=Pfalzkundgebung.
Nachdem die heſſiſche Gedenkfeier für das beſetzte Gebiet
Verhältniſſe ſein ſoll!. So achtet der Franzoſe die Freiheit des deutſchen hier wohnende Bayern zu einer ernſten landsmannſchaftlichen
habe. So behandelt der Franzoſe das auf der höchſten Kulturſtufe ſtehende teiligen können, um den Pfälzern zu zeigen, mit welch inniger
aber guch die Bewunderung und den Dank zum Ausdruck zu
Wehe denen, die ein Volk zur Verzweiflung trei= bringen für die aufrechte, tapfere Haltung, mit der ſie das
ben! Wie ſollten wir es je vergeſſen können, daß mitten im angeb= Deutſchtum und ihre Treue zum engeren Vaterlande beteidigen.
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Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. März 1924.
Reich und Ausland
Erweiterung der Külner Meſſe.
Der über Erwarten ſtarke Andrang zur Kölner Meſſe (11.—17. Mai
1924) hat den Aufſichtsrat der Kölner Meſſegeſellſchaft veranlaßt, ſich
mit der Frage einer ſofortigen Erweiterung der Kölner Meſſeanlagen
zu befaſſen. In ſeiner unter dem Vorſitz des Oberbürgermeiſters Dr.
Adenauer am 5. März abgehaltenen Sitzung iſt nun beſchloſſen worden,
für die Frühjahrsmeſſe mit Bauzuſchüſſen der Ausſteller proviſoriſche
Meſſehallen zu errichten, und zwar ſoll die Ausſtellungsfläche
um 11000 Qm. vergrößert werden. Die Hallen werden ſo
in die Meſſeanlage eingefügt, daß das einheitliche und überſichtliche Bild
der Meſſe nicht geſtört wird. Sie ſollen auch für die folgenden Meſſen
ſtehen bleiben, bis der geplante mehrſtöckige Erweiterungsbau der Meſſe
fertiggeſtellt iſt. — Der Aufſichtsrat hat ferner beſchloſſen, die Kölner
Herbſtmeſſe in der Zeit vom 14.—19. September abzuhalten.
Flucht eines Hochſtaplers.
Betrügereien im großen Stil verübte im Frühjahr vorigen Jahrs
ein vornehm auftretender Mann, der ſich Militärattaché und
Kapitän=
lcutnant a. D. von Voß nannte. Er erſchien bei Banken,
Induſtriel=
len und Großgrundbeſitzern, beſonders in Pommern, um „
Beſtel=
lungen auf eine Broſchüre” zu ſuchen, die im Intereſſe von
Teutſchland im In= und Ausland möglichſt weit verbreitet werden ſollte.
Die Werbeformulare, deren Inhalt ſich ſpäter als erdichtet
heraus=
ſtellte, trugen den Aufdruck: „Auswärtiges Amt, Wilhelmſtraße‟. Den
Eindruck, daß er mit der Regierung in Verbindung ſtehe und in deren
Auftrag handele, wußte er noch dadurch zu verſtärken, daß er in die
Unterhaltung ſehr oft Namen von hervorragenden Männern des
öffent=
lichen Lebens ſo einfließen ließ, als ob er mit ihnen in näherem Verkehr
geſtanden hätte. Da die Umgangsformen des Mannes einwandfrei
waren, gab, man ihm nicht nur die erbetenen Anzahlungen, ſondern
auch noch erhebliche Beiträge zur Fertigſtellung des angeblich wichtigen
Werkes. Als man in einer pommerſchen Stadt Verdacht ſchöpfte und
den Werber verhaften ließ, verlangte er entrüſtet, einer angeſehenen
Perſönlichkeit der Stadt gegenübergeſtellt zu werden, die ihn kenne. Ein
Beamter brachte ihn dorthin, und nun benahm ſich der Verhaftete ſo
geſchickt, daß ſein Begleiter überzeugt ſein mußte, er kenne den Mann,
auf den er ſich berief. Der „Militärattaché” wurde infolgedeſſen ſofort
wieder entlaſſen. Als ſich herausſtellte, daß er den angeſehenen Mann
nur daher kannte, daß er auch ihm kurz zuvor die Broſchüre aufgeredet
hatte, war er bereits verſchwunden. Schließlich wurde der Betrüger
doch gefaßt und als ein 26 Jahre alter, aus Güſtrow gebürtiger früherer
Hauptmann Walter Wieſe feſtgeſtellt. Die Ermittelungen ergaben,
daß er auch Mecklenburg heimgeſucht hatte. Deshalb ſollte er jetzt von
Dresden, wo er ſich in Unterſuchungshaft befand, nach Treptow an der
Tollenſe gebracht werden. Auf dem Wege dorthin iſt er nun entwichen.
Die Kolonialgedenkfeiern im Reiche.
K. W. In ganz Deutſchland finden am 24. April, dem 40.
Ge=
burtstage der deutſchen Kolonialpolitik, öffentliche koloniale
Gedenk=
feiern ſtatt. In Berlin, Hamburg, Bremen, München, Leipzig,
Dres=
den und Breslau ſind bereits die Vorbereitungen zu großen kolonialen
Kundgebungen getroffen.
Anſiedlung Deutſcher in Oſtafrika.
KW. Das engliſche Auswärtige Amt teilt über Einreiſe und
Grund=
ernerb für Deutſche in Kenha in Oſtafrika mit, daß deutſchen
Reichs=
angehörigen die Ausübung von Geſchäften unter eigenem Namen
ge=
ſtattet iſt. Nur bezüglich der Ausübung des Bankgewerbes beſtehen
gewiſſe Beſchränkungen. Die Verordnung vom Jahre 1923, durch die
eine Veräußerung unbeweglichen Eigentums an ehemals feindliche
Staatsangehörige verboten wurde, iſt mit Ablauf des Jahres außer
Kraft getreten und nicht wieder erneuert worden. Mithin beſteht die
Möglichkeit des Erwerbs von Grundbeſitz ſeitens deutſcher
Reichsange=
höriger.
Folgenſchwere Exploſion.
Maximiliansau. Montag nachmittag 4 Uhr explodierte in
der Nähe des Rheinüberganges in unmittelbarer Nähe von hier ein
Benzinfaß, wobei 3 Brückenwärter, darunter 2 ſchwer, verletzt wurden.
Nummer 20.
Die beiden Schwerverletzten mußten mittelſt Kraftwagen ſofort, in das
Krankenhaus in Karlsruhe überführt werden. Der eine von beiden,
Brückenwärter Stieber aus Wörth, dem durch die Gewalt der Exploſion
der rechte Fuß abgeriſſen worden war, iſt inzwiſchen daſelbſt ſeinen
Ver=
letzungen erlegen.
Wetterbericht der Giebetzer Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 11. März:
Morgens dunſtig, tagsüber Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Mit ſtärkeren Niederſchlägen iſt nicht zu rechnen.
Tageskalender.
Landestheater Großes Haus, abends 7 Uhr: 6. Konzert des
Landestheaterorcheſters. — Kleines Haus abends 6 und 8 Uhr:
Filmvortrag „Die Braunkohle als Retterin aus Deutſchlands Not”. —
Orpheum, abends 734 Uhr: Die keuſche Suſanne‟. — Union=,
Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender — Dienstag, 11. März:
Stamm= und Nutzholzverſteigerung vorm. 9 Uhr in
Weiterſtadt (Zuſammenkunft an dem Bahnübergang der Gräfenhäuſer
Straße, unweit dem Merckſchen Waſſerwerk). —
Stammholzver=
ſteigerung vorm. 10 Uhr im Schaafheimer Gemeindewald (
Zu=
ſammenkunft auf dem Stockſtadter Weg am Eingang des Waldes).
Hauptſchriftleitung: Rudolf Mauve
Verantwortlick für Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve
Verantwortlich für Feuilleton und Heſſiſche Nachrchten: Max Streeſ=
Verantwortlich für Sport: Dr. Eugen Buhlmann
Verantwortlich für Schlußd ent: Andreas Bauer
Verantwortlich für den Inſeratente l: Willy Kuhle
Druck und Verlag: L. C. Wittich — ſämtlich in Darmſtadt.
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Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. März 1924.
Rummer 70.
Raſticat Snllendan, Senmersächt
Ueber die Berwendung des Kalkes im Garten
Phosphorſäure und Kati mut der Boden auch Kalk enthalten.
Wenn einer dieſer Stoffe fehlt, ſo muß die Kultur von
Nutzpflan=
zen Not leiden ganz unmöglich werden. Die erſten drei
Nährſtoffe pfleg: nau nun den Aeckern und beſonders den
Gär=
ten regelmäßig im S allmiſt und in künſtlichen Düngemitteln
zu=
zuführen. Kalt wird häufig vergeſſen. Aber gerade für
Garten=
böden, a welehe weit höhere Anforderungen geſtellt werden
müſſen IS an das Ackerland, iſt die regelmäßige Zufuhr von
Kair g beſonders notwendig. Der Kalt beſchleunigt die
Zer=
ſetzung 2es Humus im Boden. Durch dieſen Prozeß werden die
im Humus enhaltenen Pflanzennährſtoffe für die Pflanzen
auf=
nahm: ſahig geiacht. Außerdem wird Kohlenſäure frei, welche
auch ihrerſeits löſend auf ſeſte Bodenbeſtandteile einwirkt und
die darin enthaltenen Nährſtoffe aufnahmefähig macht. Dadurch
erklärt ſich die auſſaugige Wirkung des Kalkes auf Böden, welche
bisher nur mit Stallmiſt bewirtſchaftet wurden.
Aus dem Geſagten geht hervor, daß der Kalk die Zerſetzung
aller Bodenbeſtandteile beſchleunigt. Es wird durch denſelben
natürlich ein ſtärkerer Verbrauch des im Boden befindlichen
Hu=
mus bewirkt. Würde man dem Boden fortgeſetzt nur Kalk
zu=
führen, ſo würde dieſer Boden in längerer Zeit verarmen, die
Erzeugung von Nutzpflanzen ſich verringern und ſchließlich ganz
anfhören. Auf dieſe Erſcheinung gründet ſich das Sprichwort,
daß der Kalk reiche Väter, aber arme Söhne mache. Wenn man
alſo die Verarmung des Bodens vermeiden will, ſo muß man
bei regelmäßiger Kallzufuhr auch regelmäßige, reichliche
Stall=
miſtdüngungen geben.
Im Gegenſatz zum Acker, für welchen nur in den ſeltenen
Fällen übermäßige Stallmiſtmengen zur Verfügung ſtehen, wird
häufig dem Gartenlande alljährlich eine große Menge Stallmiſt
zugeführt. Da es ſich hier meiſtens nur um kleine Flächen
han=
delt, ſo iſt die zugeführte Menge häuſig zu groß, ſo daß der Miſt
von einem Jahr zum andern, nicht völlig verweſen kann. Es
bleiben oft große Mengen halbverrotteten. Düngers im Lande
zurück, welche keinen Nutzen ſchaffen, da nur der völlig zerſetzte
Dünger für die Pflanzen aufnehmbar iſt. Hier erweiſt ſich der
Kalk ſehr ſegensreich, da er die Zerſetzung beſchleunigt und die
Aufſpeicherung unzerſetzter Düngermengen im Acker unmöglich
macht. Bei regelmäßiger Zufuhr von großen Stallmiſtmengen
auf das Gartenland erweiſt ſich alſo eine regelmäßige Zuführung
von Kalk als durchaus notwendig, um dieſe Düngermengen auch
entſprechend auszunützen.
Auf ſchweren Böden bildet der Kalk auch das beſte
Locke=
rungsmittel. Bei der Verwendung aller Arten Kalkdüngers iſt
die erſte Bedingung ſeiner guten Wirkſamkeit, daß er möglichſt
innig mit den oberſten Bodenſchichten vermiſcht wird. Man
ver=
wendet für kleinere Flächen, um welche es ſich im Garten ja
mei=
ſtens handelt, den Kalk am beſten im möglichſt fein gemahlenen
Zuſtande. Er muß auch möglichſt gleich nach dem Aufbringen
durch Hacken und Harken innig mit der Erde vermiſcht werden.
Um dieſes ausführen zu können, nimmt man die Kalldüngung
nur auf gut abgetrocknetem Boden und bei trockenem Wetter vor.
Bleibt der Kalk längere Zeit obenauf liegen und wird er vom
Negen naß und ſchmierig, ſo ballt er auch nach dem Abtrocknen
zuſammen, ſodaß ſich eine feine Verteilung und innige Ver= Dreierlei. Erſtens wird die Winterkruſte des Bodens gebrochen.
miſchung mit dem Boden nicht mehr erreichen läßt. Er bildet
dann größere und kleinere Stücke, welche dem Lande keinen derer Wichtigkeit für das Pflanzenwachstum iſt, denn auch die
Nutzen bringen können. Noch nach Jahren findet man ſolche
ver=
härtete Kalkklumpen beim Graben wieder.
Man unterſcheidet für Düngezwecke gebrannten oder Aetz= ſchicht gebildet, die eine unnütze Waſſerabgabe des Bodens an
kalk und kohlenſauren Kalk. Der erſtere wirkt raſcher und lockert wendige Waſſer im Boden gehalten. Drittens wird das eben
namentlich ſchwerere Böden intenſiver als der letztere. Aetzkalk
findet deshalb beſonders auf bindigeren Böden Verwendung,
wvo er beſonders durch ſeine lockernde Wirkung wertvoll wird, den Pflanzen Man eggt deshalb nicht nur die Drillreihen ent=
Hier iſt kohlenſaurer Kalk faſt nutzlos, da er auf die phyſikaliſche lang, ſondern auch quer zu ihnen, und zwar mit den ſogenann=
Verbeſſerung des Bodens von nur geringem, kaum merkbaren
Einfluß iſt. Auf leichteren Böden ſollte dagegen nur der letztere
verwendet werden. Auf dieſen Böden braucht man nicht für die in leichten hölzernen Eggenbalken ſitzen. Dieſe Eggen ritzen
Lockerung zu ſorgen, und auch die Zerſetzung des Stallmiſtes geht
hier meiſtens raſcher vor ſich, als einem lieb iſt. Man ſoll
des=
halb mit der Kalkdüngung auf leichten Böden überhaupt vor= da dieſe bereits feſten Fuß gefaßt haben. Anders iſt es mit dem
ſichtig ſein. Ein Uebermaß kann hier ſehr leicht Schaden bringen, eben auflaufenden Unkraut. Dieſes wird, da es noch kein
aus=
da er den lockeren Boden noch lockerer macht und die Zerſetzung
des Stallmiſtes in unerwünſchter Weiſe beſchleunigt. Der Kalk Hacken wird aber durch dieſe Eggenarbeit keinesfalls erſetzt,
kommt hier lediglich als direktes Pflanzennährungsmittel in
Frage, zu welchem Zweck aber nur verhältnismäßig geringe Meu=
gen erforderlich ſind. Zur Befriedigung dieſes Bedürfniſſes
ver=
wendet man auf Sandböden am beſten einen lehm= oder
tonhal=
tigen Mergel, welcher dem Sande neben Kalk auch Feinerde zu=
Außer den drei eigentlichen Pflanzennährſtoffen Stickſtoff, führt. Man wird hier zweamäßig nur geringe Mengen auf
ein=
mal geben und die Zuſuhr hierher in kürzeren Zwiſchenräumen
wiederholen. Auf ſchweren Böden braucht man nicht ängſtlich
den Morgen für eine gewöhnliche Kalkdüngung etwa 10 Zentner
Aetzkal: und wiederholt dieſe Düngung alle vier Jahre. Handelt
es ſich aber darum, die Humusſäure in einem Boden zu binden
oder zähen Boden locker zu machen, ſo kann man unbedentlich
auch die doppelte Menge verbrauchen. Da die verſchiedenen toten Chlor enthalten. In dieſer Beziehung ſteht der Stallmiſt mit
Böden ſtets die zu verwendenden Mengen danach beſtimmen.
Wenn bislang der Kalk in ſeinen verſchiedenen Wirkungen
als direkter Pflanzennährſtoff und als Bodenverbeſſerungsmittel
betrachtet worden iſt, ſo kann er im Garten auch noch aus einem
anderen Grunde ſich ſehr nützlich erweiſen. Er bildet nämlich
ein ſicheres Vernichtungsmittel für verſchiedene Schädlinge. Wenn
ſich im Boden infolge übermäßiger Verwendung von Stallmiſt
größere Mengen unverrotteten Düngers anſammeln, ſo bilden
mer, Larven und Schnecken, welche ſich hier entwickeln und
nach=
her die Kulturen ſchwer ſchädigen können. Wird nun durch
An=
wendung von Kalk die Umſetzung des Miſtes beſchleunigt, ſo
werden dadurch dieſen Tieren ihre Schlupfwinkel genommen.
Auch gegen das Auftreten der bekannten Kohlhernie, welcher an
vielen Orten 70 bis 80 Prozent aller Kohlgewächſe zum Opfer
fallen, bilden ſtarke Gaben Aetzkalk ein bewährtes Mittel. Uim
vollen Erfolg zu haben, ſoll man beſonders auch die Saatbeete
aller Kohlgewächſe nach dem Ernten dick mit Kalk beſtreuen und
dieſen mit der Harke unterbringen. Wenn die zarten Wurzeln
der Sämlinge gleich mit dem Kalk in nahe Berührung treten,
wwird dadurch eine Infektion mit dem ſchädlichen Pilz verhindert
ein anderer Feind der Kohlgewächſe, welcher dieſen in der zarten
Jugend ſchweren Schaden zufügen kann, wird durch den Kalk
vertrieben. Es iſt dieſes der Erfolg, welcher häufig die Anzucht
der Kohlgewächſe gänzlich unmöglich macht. Um ihn zu
vertrei=
ben, muß man die jungen Kohlſgaten, ſolange ſie noch vom Tau
feucht ſind, mit ſtaubfeinem Kalk überſtreuen, wodurch die
Schäd=
linge vertrieben werden. Nach Bedarf iſt dieſes Verfahren zu
wiederholen. Auch gegen die ſehr läſtigen Ackerſchnecken kann
man die Pflanzen durch Ueberſtreuen mit Staubkalk ſchützen.
Eggen oder hacken?
Nach der Schneeſchmelze iſt der Ackerboden gewöhnlich ſtark
verkruſtet und die jungen Pflanzen der Winterſaaten laufen dann
Gefahr, zu erſticken. Sie wird abgewendet, durch
Bodenlocke=
rung. Auf die Frage, ob man dieſe durch Eggen oder Hacken
vorteilhafter erreicht, kann man nur antworten: durch beides.
Beide Maßnahmen, dienen dazu, den Pflanzen das Daſein
leichter zu geſtalten und dadurch eine Ernteſteigerung zu
erzie=
len. Daher eggen und hacken! Das Eggen kann viel früher als
das Hacken vorgenommen werden. Sobald der Boden ſoweit
abgetrocknet iſt, daß er bei der Eggenarbeit nicht mehr ſchmiert,
iſt es Zeit, zu eggen. Durch dieſes zeitige Eggen erreicht man
Die Luft kann nun den Boden durchſpülen, was von ganz beſon=
Wurzeln brauchen Luft zur gedeihlichen Entwickelung.
Zwei=
tens wird durch die gelockerte oberſte Bodenſchicht eine
Schutz=
die Luft verhindert. Dadurch wird das für die Pflanzen ſo
not=
aufkeimende Unkraut vernichtet. Dieſes ſteckt freilich nicht nur
zwiſchen den Drillreihen, ſondern mit Vorliebe auch zwiſchen
ten „Nageleggen”. Eggen mit etwa zwanzig Zentimeter langen,
nach Art der ſchmiedeeiſernen Nägel ſpitz auslaufenden Zinken,
den Boden, je nach ſeiner Schwere, mehr oder weniger tief, ohne
jedoch die auf ihm wachſenden Kulturpflanzen zu beſchädigen,
gebreitetes Wurzelnetz hat, von den Eggenzinken vernichtet. Das
denn das Hacken bewirkt durch Anhäufeln ſtärkere Bewurzelung
und Beſtockung der Pflanzen.
Schaden durch chlorhaltige Salze
bei Karioffein.
Obwohl Kalidüngung an und für ſich nährend wirkt,
beob=
achtet man bei Kartofſeln doch oft einen Verluſt an Stärkegehalt
zu ſein. Ein Zuviel ſchadet hier ſelten. Man verwender auf nach der Düngung mit Kalirohſalzen. Dies erklart ſich dadurch,
daß das in den Rohſalzen ſtets in Menge vorhandene Chlor
ſo=
wohl den Knollenertrag wie auch den Stärkegehalt
außerordent=
lich ungünſtig zu beeinfluſſen vermag. Deshalb muß man hier
ſolche Stoffe bevorzugen, die viel Kali, aber möglichſt wenig
oder kohlenſauren Kalke in ihrem Kalkgehalt ſehr voneinander oben au, den wir noch dadurch an Kali anreichern können, daß
abweichen, ſo muß man bei deren Verwendung auf leichteren die Futterpflanzen durch reichliche Düngung mit Kaliſalzen mit
Kali angereichert werden. Aus demſelben Grunde erhält auch die
der Kartoffel vorangehende Gründüngung eine reichliche Zugab”
an Kalifalzen.
Indeſſen wird damit in vielen Fällen der Kalibedarf der
Kartoffeln für eine hohe Ernte noch nicht gedeckt ſein, zumal ſie
ja meiſt auf leichteren, ſandigeren Böden angebgut werden, die
von Natur gewöhnlich ſehr kaliarm ſind. Es bleibt darum nichts
anderes übrig, als auch noch mit Kaliſalzen zu düngen.
Dafür=
wähle man jedoch nur ſolche Kaliſalze, welche verhältnismäßig
dieſe eine gern aufgeſuchte Zufluchts= und Brutſtätte für Wür= wenig Chlor enthalten. Unter dieſen verdient das ſogenannte
vierzigprozentige Kalidüngerſalz den Vorzug. Allerdings
ent=
hält es immer noch ebenſo große Mengen an Chlor wie an Kali,
ſo daß mit 100 Kilogramm Kali auch 109 Kilogramm Chlor dem
Boden zugeführt werden; der Kainit enthält aber die
zweiein=
halbfache Menge und der Karnallit gar die vierfache Menge an
Chlor, letzterer noch dazu vorwiegend in der beſonders
ſchäd=
lichen Form des Chlormagneſiums. Wenn deshalb letztere Salze
ausnahmsweiſe zu Kartoffeln angewendet werben ſollen, ſo muß
man danach trachten, das Chlor ſoweit wie möglich zu beſeitigen.
Dies geſchieht am einfachſten dadurch, daß die Salze ſchon im
Herbſt oder Vorwinter ausgeſtreut werden. Einmal verteilen
ſie ſich dadurch gleichmäßig im Boden, dann aber wird vor allen
und die Pflanzen von früheſter Jugend an geſchützt. Auch noch Dingen das Chlor durch das Kalzium des Kaltes zu dem im
Bodenwaſſer leicht beweglichen Chlorkalzium gebunden und in
den Untergrund geführt, wo es nicht mehr ſchädigend auf die
Menge und Güte der Kartoffelernte einwirken kann. Je
früh=
zeitiger das Ausſtreuen der Salze und das Kalken vorgenommen
wird, deſto ſicherer hat dieſe wichtige Umſetzung fchon
ftattgefun=
den, ehe ſich die Kartoffeln entwickeln. Man wird darum auch
das vierzigprozentige Salz ſo früh vor der Beſtellung ausſtreuen,
wie es ſich irgead einrichten läßt.
Die Bindung des Chlors durch Kalk weiſt auf die
Wichtig=
keit und Unentbehrlichkeit dieſes Düngeſtoffes als unmittelbare
Pflanzennahrung hin.
Gründängung und Stickſioffzufuhr.
Mit der ſogenannten Gründüngung verfolgt man den Zweck,
den Stickſtoff der Luft durch Pflanzen im Boden einzureichern.
Durch Verſuche hat man ermittelt, daß bei einem Grünertrage
von tauſend Kilo fünf Kilo Stickſtoff dem Boden einverleibt
werden daß aber die Lupine den größten Grünertrag geliefert,
nämlich zwanzigtauſend Kilo auf das Hektar. Serradella bringt
fünfzehntauſend Kilo, Winterwicke und Rotklee nur je
zwölf=
tauſend Kilo Grünertrag auf das Hektar, ſo daß alſo der Anbau
der Lupine am vorteilhafteſten für dieſen Zweck iſt.
Der Scharraunz im Winter.
Damit der Scharraum in der kalten Jahreszeit dem Geflügel
Nutzen bringt, muß er nach Südoſten offen ſein. So lann die
Sonne möglichſt lange hineinſcheinen. Gegen Wind und Schnee
muß er Schutz bieten. Auf den Boden hringe man Stroh, um
die Tiere zum Scharren zu veranlaſſen. Dies muß alle zwei bis
drei Tage erneuert werden, weil es nach dieſer Zeit dumpfig
und feucht wird. Feuchtigkeit an den Füßen vertragen die
Hüh=
ner nicht. Neben Stroh kann man auch feuchtes Laub derwenden.
Wie beugt men Froſtriſſen vor?
Von Mitte Januar ab wirkt die Sonne von 12 bis 2 Uhr
mittags ſchon belebend und löſend auf den Saft in den
Baum=
ſtämmen. In dieſer Zeit haben wir aber bei klarem Himmel
noch kalte Nächte zu erwarten. Jufolgedeſſen gefriert der am
Nachmittag flüſſig gewordene Saft nachts und bringt Ninde und
Holz zum Platzen. Um dieſen Schaden zu verhüten, ſtelle man
an die Südweſtſeite der Stämme Bretter von 1 Meter Höhe oder
binde eine Handvll Tannenreiſer an den Stamm. Spaliere
ver=
hängt man mit Stroh= oder Rohrdecken.
Hans Peter Kromm der Lebendige.
Eine Geſchichte von Ufer zu Ufer
von Johanna Wolff.
(Nachdruck verboten.)
69)
Da ſank Meretens Sohn an dem Bett des Freundes auf die
Knie, kein Laut kam über ſeine Lippen. Was in ihm vorging —
die Seele des andern, die ſein Stilleſein begleitete, wußte, ſpürte
es, litt mit ihm und litt doch ohne Schmerz!
Titjes Wille war ſchon eingegangen in den Willen des
Gött=
lichen, hatte Göttlichkeit angezogen; ſo machte ihm das Erdliche,
das noch mit ſeinem Leibe auf dem Erdenlager ruhte, nur geringe
Laſt. Die Nerven, die zuckten wohl auf, aber das eigentliche
Wehtun war von ihm genommen.
„Manchmal tut mein Bruder, als ob er gar nicht krank wäre‟,
ſagte Lydia zu Profeſſor Würzer, „er ſieht und merkt alles und
iſt ſcheinhar, wie er immer war.”
„Dann iſt, was ich geraten habe, das richtige für ihn”, gab
der kluge Arzt zurück, „laſſen wir ihn dabei. Beſchränkung würde
ihm unnötiges Quälen bedeuten. Er ſoll ſich ſo wohl wie irgend
möglich fühlen. Erquicken, nicht quälen."
Wenn eine Fieberwelle vorüber war, ſetzte jedesmal große
Schwäche ein; dann lag Titje mit geſchloſſenen Augen
regungs=
los, das bleiche Antlitz ſo ſtill, der Körper ſo ſchmal=unerdlich.
Dann ſtieg heiße Angſt auf im Herzen der Schweſter. Aber
ſo=
lange Hans Peter ein ruhiges Geſicht machte, glaubte ſie wirkliche
Gefahr fern.
Eine ſchlechte Nacht war vorübergegangen. Die Fieberwelle
bom Abend hatte den Kranken hin= und hergeworfen; gegen
Morgen war er dann eingeſchlafen, und jetzt, nach einigen
Stun=
den, erwachte er klar und kräftiger.
„Peterle!”
„Ja, Titje.”
„Wollen reden zuſammen.”
„it8.
„Das Leben hatte uns eine Spanne auseinandergerückt,
letzte Zeit — — was haſt Du geſchafft, getrieben?"
„Wollteſt Du ſelber mich nicht ein wenig von Dir abſchieben,
Titje? Vielleicht war ich zu anklebig geworden?”
Titje ſchwieg und ſah vor ſich hin: „Ich empfand es als
richtig. Jetzt aber — — es beſchäftigt Dich etwas — etwas
Beſonderes,” ſagte er, „liegt’s in Deinem Beruf?”
„Ja. Lieber, ich bin den Verborgenheiten der Muttererde
nachgeſchlichen. Glaubf: Du an Propbezeiungen?”
„Wenn ſie eintreffen,” lächelte Titje. „Sind ſchließlich auch
Natürlichkeiten, gelöſte Kräfte, die in Vergangenem oder
Zukünf=
tigem umgehen. Was iſt? Erzähle!”
Da teilte ihm Hans Peter mit, welche Legende ſich auf dem
Sonnenhof gebildet, vom Urenkel Ein=Auge, der „Himmelsgold”
und „Fließendes Licht” finden werde, und zuletzt kam er auf
Kläschen Wunderſam und die Wünſchelrute zu ſprechen.
„Glaubſt Du an Prophezeiungen?” fragte Titje mit
Heiter=
keit zurück.
„Früher habe ich nicht daran geglaubt”, erwiderte Hans
Peter verſonnen. „Es geht ja manches um unter dieſen Leuten,
die abgeſchloſſen ihre Eigenart bewahrt haben. Nun hat mein
Studium mich aufs neue darauf gebracht, und Beobachtungen,
die ich ſchon als Junge gemacht, ſind in mir lebendig geworden.
Jetzt wandre ich in aller Stille mit Pickel und Spaten umher.
Die Haidjer aber meinen, ich ſei Schatzgräber und wunderlich im
Kopfe geworden.” fügte er in halbem Scherz hinzu.
Titje hatte ſehr aufmerkſam zugehört. „Und was ſagt Frau
Merete dazu? Die Nüchterne und Verſtändige?”
„Mutter? Die läßt mich gewähren. Seit ich den neuen
Acker=Pflug erfunden, der auf der Stelle wendei, hat ſie
Ver=
trauen zu mir.‟ Er lachte fröhlich und ging im Zimmer auf und
ab. „Wenn Du nur erſt geſund wärſt, Titje —
Die Dunkelaugen des Blaſſen gingen ihm nach, und da Hans
Peter die kraftvolle Geſtalt dehnte, ſagte jener leiſe: „Ein=Auge,
lieber Menſch! Dir wird an Erkennen nichts abgehn, auch wenn
ich nicht geſund würde. Komm her, darfſt jetzt ganz nahe an den
Titje Bernd heranrücken‟ Er ergriff ihn bei der Hand und hob
ihm den Kopf. Hans Peter ſchütterte über und über, als hätte
eine Wurfſchaufel Steine auf ihn gebracht, und waren doch nur
Titjes gelaſſene Worte über ihn hingegangen. Doch welch ein
Laut hatte darin geſchwungen! Ein Ton, der fern herkam, von
Ufern, die Hans Peter verhüllt lagen.
Da war keine Unſicherheit mehr, nur Stille und
abgeſchloſ=
ſene Todesgewißheit.
Aber hatten die Dunkelaugen nicht ihren Glanz? Die
ſchmalen Wangen einen Schein von Röte?
„Lydia iſt mit ihrem Vermögensteil verſorgt”, ſprach Titje
weiter. „Was ich beſitze, Freund, iſt Dein. Meine Schweſter
wird keine Anſprüche daran ſtellen, und ich habe auch meine
Wünſche rechtlich feſtgelegt. Was von mir Dir zukommt, wirſt
Du gebrauchen, die Pläne, die von mir zu Dir gehen,
durchzu=
führen und wirſt es mir zurückerſtatten an den Brüdern, denn
Du wirſt nicht in die Fremde gehn —
„Titie!” rief Hans Peter aramvoll, „Titje!” Und lag vor
dem Bett, das Geſicht in die Hände gegraben. „Ich werde tun,
wie Du ſaaſt, aber nur mit Dir — mit Dir vereint.” Und er
preßte den Kopf in des Freundes durchſichtige Hand.
Ein Elänzen aing über Titjes Geſicht: „Sehe ich Dich nicht?
Ich ſebe Hans Peter Kromm — — ſie umringen ihn, wie Kinder
ihren Vater umringen, ſie halten ihre Hände auf, und er füllt
dieſe leeren und magern Hände: Menſchenhände —
Bruder=
hände! ind er ſchafft ihnen Heimſtätten in denen die Sonne zu
Hauſe iſt. Die beſitzlos waren, haben eine Scholle gewonnen,
darauf es wachſen wird: Bruderland.”
Auf Hans Peters Haupt lag Titjes ſegnende Hand, ſtrömende
Kräfte fluteten hinüber aus ſeiner Seele, die ganz ſtill geworden,
in die andere, die aufgeriſſen, das Verrinnende in ſich auſnahm.
„Wie ſoll ich hochkommen, wenn Du nicht da biſt, mich zu
heben?” fragte Hans Peter traurig. „Mein Beruf weiſt mich
nach unten hin: Du kamſt von oben her, wo Du im Licht Deine
Stätte haſt; ohne Dich werde ich nicht heraufkönnen.”
„Laß Dich nicht aufhalten, auch nicht durch mich”, gab der
andere zurück. „Eins iſt Oben und Unten. Du wirſt ſein ein
Menſch der Tat. Suchen und Finden iſt beides bei Dir. Und
jetzt komm und halte mich ein wenig an Deiner Schulter, mich
verlangt hoch zu ſitzen.”
Da lehnte ihn Hans Peter gegen ſich und hielt ihn umfaßt
und hörte ihn atmen. Hatte Kläschen nicht ebenſo bei ihm
ge=
ſeſſen? Der lag nun auf dem kleinen Haidefriedhof. Er war alt
und werkmüde geweſen. Aber Titje! Titje Vernd, der Mann
auf der Höhe des Lebens, der Aufſteigende — ihm war, als ſollte
ſein eigenes Herz ſtillſtehn.
„Glaubſt Du nicht, daß Gott gnädig und barmherzig iſt und
daß er uns hört, wenn wir ihn anrufen”, fragte er bekümmert.
Titje ſchwieg eine Zeitlang. Dann ſchüttelte er mit einer
be=
ſtimmten Bewegung den Kopf: „Nein”, ſagte er, „an den lieben
Gott mit den Sperlingen auf dem Dach und den Haaren auf dem
Haupt glaube ich eigentlich nicht. Wir ſchlagen unſere Nägel zu
tief und untermenſchlichen das Göttliche, wir hängen ihm
Eigen=
ſchaſten an, die unſere Sehnſucht längſt hinter ſich gelaſſen hat.
Oder meinſt Du, einem guten Vater müßten Kinder immerfort
mit Vitten und Beten in den Ohren liegen? Ich hätte die
Knienden längſt aus dem Staube geriſſen —.
„Das iſt ſo mit einem aufgewachſen,” ſagte Hans Peter,
„und es hat mich getröſtet, Titje.”
„Lieber, vergiß nicht, daß ja unſere ganze Menſchlichleit vom
Göttlichen umfangen iſt,” ſagte der Kranke, und mit leiſem
La=
chen fügte er hinzu: „Die Haare auf dem Haupte ſind mit darin!
Aber macht es nicht auch getroſt, das Göttliche darüberſtehend zu
wiſſen? Groß und frei in ſeiner Lebendigkeit? Warum glauben
wir gern an einen toten Gott, der ein Götzenbild iſt! Den
Blut=
rünſtigen und Zerſchlagenen hängen wir zwiſchen heiligen
Wän=
den auf! Da iſt er ein Ungefährlicher, meinen wir. Ich aber
glaube nicht, daß hinter unbewegten Vorhängen Gott wohnt.
Gott iſt im Beweglichen. Es wird der Menſch und was des
Menſchen iſt aus mir und Dir. Und nun leg mich — — ich bin
ſo froh, daß Du bei mir biſt — Du — — Menſch.”
Da legten die Freundeshände den Müden zurück, er wandte
das Geſicht zur Seite und lag regungslos. Einen ganzen Tag
ſchlug Titje kaum die Augen auf; doch wenn er etwas äußerte,
war’s immer heſ und durchdacht, man ſpürte, daß ſeines Geiſtes
Kräfte ſtetig an der Arbeit waren.
(Fortſetzung folgt.)
Nummer 70.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 10. März 1924.
Seite 5.
Sport, Spiel und Turnen.
Fußball.
Sportverein Darmſtadt—Fußballverein Weinheim 9:1.
ſtadt 1898 am geſtrigen Sonntag im Fußballverein Weinheim f überraſchenden Niederlage des Mainmeiſters. Es iſt nicht zuviel
einen ſeiner ſchärfften Mitbewerber um die Tabellenſpitze in der geſagt, wenn man behauptet, daß die Mannſchaft des Mainmei=
Odenwaldkreisliga ab. Die Ligamannſchaft des Sportvereins;; ſters ſowie die des Rheinmeiſters nicht den anderen
Kreismann=
beſtätigte damit in überzeugender gleichbleibender Weiſe ihre
der=
zeitige Form, die ſie über ein Neckarau 5:1, Warohof 1:0,
Feu=
denheim 3:1, zu dem geſtrigen Sieg führte. Herr Liſt vom
Sport=
klub Stuttgart ließ es ſich nicht nehmen, auch geſtern Darmſtadt
als Schiedsrichter bei einem weiteren wichtigen Spiele des
Sport=
vereins ſeine Aufwartung zu machen. Und wie er das Spiel lei= mußte. Der Torwart Wittemann hielt derart glänzend unter
an=
tete, kennzeichnete ſeinen Ruf, den er unter den erſten ſüddeutſchen
Pfeifenmännern genießt. Weinheim, wie erwartet, die ſtabile,
gut durchgebildete Mannſchaft, hielt, was man ſich von ihr ver= in der 7. Minute nach Wiederbeginn kommt eine Flanke von links
ſprach. Abgefehen von der Verteidigung, die etwas ſchwach er= gut zur Mitte, Koch greift zu ſpät ein, und ſchon hat der
Halb=
ſchien, zeigten die Weinheimer, daß ſie als gewandte Fußballſpie= rechte eingedrückt. Sportverein kämpft nun mächtig auf Sieg.
ler über reſpeltables Können verfügen. Nach den
vorausgegan=
genen Spielen war den Gäſten bewußt, daß ihnen heute das
ſchärfſte Spiel in der diesjährigen Verbandsrunde bevorſtand.
Trotzdem hegten ſie Zweifel, daß ihr bisheriger Siegeslauf in der
Meiſterſchaftsrunde eine Unterbrechung erfahren ſollte. Unter
welchen Umſtänden die Einheimiſchen ihren Sieg über einen
ſol=
chen Gegner errangen, war überzeugend. Er hat die in die
Liga=
elf des Sportvereins geſetzten Erwartungen abermals vollauf be.
ſtätigt. In ihrer derzeitigen Form gibt die Darmſtädter
Mann=
ſchaft auf ihrem Platze einen Gegner ab, an dem die ſpielſtärkſten
Vereine des Süddeutſchen Fußballverbandes ſicher ihre liebe Not
haben werden. Prächtiges Können entwickeln die Stürmer im
Verein wit einer ſtabilen Hintermannſchaft. Neun einwandfreie
Tore gegen einen Meiſterſchaftsanwärter und einen Gegner wie
Weinheim zu erzielen, iſt eine glänzende Leiſtung. Scharfes,
for=
ſches Spiel, das nie aus dem Rahmen des Erlaubten fiel, konnte
die zahlreichen Zuſchauer hoch befriedigen. Das Ehrentor
Wein=
heims war verdient, wenn es auch zu vermeiden geweſen wäre.
Frick eröffnete den Torreigen, dem Stephan aus der Verteidigung,
über die Mitte bei einem Eckball aufgerückt, ein weiteres folgen
ließ. Becker ſchoß fünf Tore, von denen ſein erſtes in raffinierter
Täuſchung — wohl das ſchönſte des Tages. Müllmerſtadt, der
heute leer auszugehen ſchien, ſchoß die beiden anderen Tore. An
dieſen Erfolgen iſt heute auch die Läuferreihe (Fiſcher, Tacacs,
Mahr) mit nicht geringem Anteil beteiligt. Der überragende
Er=
folg der Einheimiſchen war, wie ſchon erwährt, überzeugend und
gibt der Mannſchaft die beſten Hoffnungen für kommenden
Sonn=
tag, ſeinen letzten Rivalen als Meiſterſchaftsanwärter, die
Spiel=
vereinigung Mannheim=Sandhofen, aus dem Felde zu ſchlagen.
Welche Bedeutung dieſem Spiele beigemeſſen wird, zeigt die
Ver=
bandsbehörde dadurch, daß ſie Witte=Stuttgart, mit den beſten
Schiedsrichter Süddeutſchlands, als Spielleiter beſtimmt hat.
Wünſchen wir der tapferen einheimiſchen Elf zu ihrem ſchärfſten
und ſchwerſten Spiele in der Meiſterſchaftsrunde den beſten
Er=
folg. Gelingt der Wurf, ſo ſteht die Fußballſache für
Darm=
ſtadt gut.
Sp.=Vgg. 1921 Darmſtadt I. — Freie Turnerſchaft Bürſtadt I 1:0 (0:0).
Bei prächtigem Wetter ſtanden ſich vorgenannte Mannſchaften auf
dem Sportplatz „Windmühle” gegenüber und lieferten ſich ein ſchönes,
gen der Bürſtädter Elf ſein; denn offen geſtanden, dieſe Spielſtärke der
Mannſchaft hatte man in Darmſtadt nicht erwartet. Das Spiel beginnt
und wird die erſte Halbzeit mit lebhaftem Tempo durchgeführt.
Tor=
gelegenheiten ergeben ſich beiderſeits, jedoch wurden ſie nicht ausgenützt.
Mit 0 zu 0 geht es in die Pauſe. Gegen Schluß der zweiten Halbzeit, ſönlichkeit eingeweiht ſind. Im Intereſſe ſämtlicher Mainvereine
Das Tor für Darmſtadt fiel ungefähr 10 Miuten vor Schluß. Als
Unparteiiſcher waltete Polſter=Pfungſtadt, welcher das Spiel jederzeit
in der Hand hatte.
II. Mannſchaft Spielvereinigung—II. Bürſtadt 3: 2.
I. Jod. Spielvereinigung—l. Jgd. Gräfenhauſen (Gräfenhauſen nicht
angetreten).
F. C. Eintracht—Olympia Hahn, 3:1.
Auf dem völlig aufgeweichten T.G.D.=Platz= ſtanden ſich
obige Gegner gegenüber. Eintracht konnte mit dieſem Siege
körperlich ſtarke Mannſchaft ins Feld, der es aber an der nöti= Der erſte Sieg der 1. Jugendmannſchaft war ſomit wohl verdient.
Die=
gen Ballbehandlung fehlte. Eintracht konnte in dieſem Moraſt
ihr flaches Paßſpiel nicht anbringen, ſo daß ſich vor den Augen Reichert.
der wenigen Zuſchauer ein unintereſſantes Spiel abwickelte.
Eintracht 1. Jgd. — F. Sp.V. Mainz, 1:3.
Viktoria Griesheim—Germania Eberſtadt, 4:2.
Die Kämpfe um die nordeutſche Meiſterſchaft fielen wegen
ſchlechter Bodenverhältniſſe aus.
Bergſchändung.
Ein Beitrag zum Kampf gegen alpine Unkultur.
„Wir ſuchen Einſamkeit in den Bergen, darum ſind Maſſenbeſuche
in den Bergen eine Unkultur. Dem Ueberfluten der Hütten (
Schutz=
hütten und Unterkunftshäuſer des Deutſchen und Oeſterreichiſchen
Alpen=
vereins) mit kulturloſen Menſchen muß deshalb entgegengetreten
wer=
den.” Kein geringerer als Prof. Dr. Paulcke ſpricht dieſe Worte. Sie
ſind nicht zu ſtreng, noch zu weitgehend, vielmehr leider allzu ſehr am
Platze. Aus dicht bevölkerten Induſtriegebieten, aus qualvoller Enge
der Großſtadt, aus den ſtauberfüllten Werkſtätten und Kontoren flieht
der Bergſteiger in die Welt des Hochgebirges. Und dieſe Welt, die ſeine
Welt iſt, vor reſpektloſen Eingriffen zu ſchützen, betrachtet der
ernſt=
hafte Alpiniſt als ſeine vornehmſte Pflicht, die ihm aus ſeinem innerſten
Erleben heraus, rein inſtinktiv, erwachſen muß.
Die Zügfpitze, Deutſchlands höchſter und bekannteſter Berg, möge
mir als Beweisobjekt für das dienen, was ich als Bergſchändung
be=
zeichnete. Wer im verfloſſenen Jahre, insbeſondere zur Zeit des
gro=
ßen deutſchen Turnfeſtes in München den Sturm auf die Zugſpitze
mit=
erlebte, weiß, daß dieſer Ausdruck nicht zu hart iſt. Die Jugſpitze, wohl
Deutfchlands höchſter, aber im allgemeinen leicht zu beſteigender Berg,
war das Ziel Tauſender von Leuten geworden, die, meiſt jeder alpinen
Erfahrung bar und ohne jede Hochachtung, die der rechte Bergſteiger der
Bergwelt entgegenbringt, einzig und allein den naiven Wunſch zu
ver=
wirklichen ſuchten, einmal auf dem höchſten Berg in deutſchen Landen
geſtanden zu haben. Ich will ſchweigen von der Ausrüſtung, mit der
die Mehrzahl dieſer „Bergſteiger” der geduldigen Zugſpitze zu Leibe
gingen, ſchweigen auch von ergötzlichen Szenen, die ſich beim Auf= und
Abſtieg abſpielten. Vergeblich warnte die Münchener
Alpenvereins=
ſektion in der Preſſe vor den Gefahren, die die Zugſpitze birgt an Tagen,
an denen die Natur nicht lächelt, ſondern furchtbar zürnt. Viele
muß=
ten ihr leichtſinniges Unternehmen, vor allem die Forcierung des Auf=
Um die ſüddeutſche Meiſierſchaft.
Sp.V. Frankfurt — T. u. Sp.V. Waldhof 0:1.
Auf dem dichtbeſetzten Sportplatz Bornheim fand die
Begeg=
re= Mit einem Bombenſieg ſchüttelte der Sportverein Darm= nung obiger Meiſterſchaftsmannſchaften ſtatt und endete mit der
ſchaften ebenbürtig iſt. Dies zeigte deutlich das geſtrige Spiel.
Trotzdem muß gefagt werden, daß der Mainbezirksmeiſter 80
Mi=
nuten das Spiel vollkommen in der Hand hatte, während
Mann=
heim nur etwa einen Bruchteil der Spielznit ernſtlich in Frage
kam. Die Sportvereinsmannſchaft, vor allem der Sturm, ſpielte
ſo uneinheitlich und ſo mäßig, daß eben der Erfolg ausbleiben
derem einen ſcharf getretenen Elfmeter, daß ihm Mannheim den
Sieg verdankt. Bei der Pauſe ſtand der Kampf 0:0. Ungefähr
Im Uebereifer wird beiderſeits oft allzu ſcharf gekämpft. Trotz
zahlreicher Ausſichten ändert ſich jedoch bis zum Schlußpfiff nichts
mehr. Brucker=Stuttgart konnte nicht gefallen.
F. Cl. Nürnberg — Stuttgarter Kickers 3:0.
Boruſſia Neunkirchen — Sp. Vgg. Fürth 1:4.
Zweite Pokal=Nunde im Mainbezirk.
Eintracht=Frankfurt — Germania=Frankfurtt 2:0.
Weitere Ergebniſſe.
Kickers=Offenbach — Pforzheim 2:2.
Sp. V. Offenbach — Phönix=Mannheim 1:1.
Sp. V. Hetternheim — Sportfreunde Frankfurt 4:2.
Sp. V. Wiesbaden — V. f. B. 01 Frankfurt 1:1.
Union Niederrad—Sachſenhauſen, 6:0.
Germania Fulda—Helvetia Frankfurt, 3:2.
F. Cl. Rödelheim—Eckenheim, 5:1.
Hanau 93—Boruſſia Frankfurt, 6:2.
Hanau 94—Olympia Fkankfurt, 4:2.
Mannheim 08—V.f. R. Mannheim, 2:1.
Pfalz Ludwigshafen-Phönix Ludwigshafen, 1:3.
Sandhofen—Pfungſtadt, 2:1.
Vorwärts Mannheim—V.f. L. Neckarau, 1:2.
98 Schwetzingen-Käfertal, 4:0.
04 Ludwigshafen-Landau, 8:0.
Alemannia Worms—F. Cl. Feudenheim, 2:6.
Wacker München—F. V. 60 München, 1:1.
Endſpiel um die weſtdeutſche Meiſterſchaft.
Sportfreunde Siegen (Meiſter des ſüdweſtpfälziſchen Gaues)
— Kurheſſen Kaſſel (Meiſter des Heſſiſch=Hannoverſchen Gaues),
2:1.
Länder=Kampf.
Italien—Spanien, 0:0.
Die Vorſtandswahl im Mainbezirk.
Geſtern früh tagten in Forells Garten in Bockenheim unter
dem Vorſitz von Dr. Raßbach ſämtliche Vereine des Mainbezirks,
um die Neuwahl des Vorſitzenden und ſeines Stellvertreters
vor=
zunehmen. Nach einigen Vorſchlägen erfolgte die Wiederwahl der
ſpanendes Treffen. Angenehm erſtaunt konnte man über die Leiſtun= Herren Koch und Berlep, die die Wahl auch annahmen. Es iſt
umſomehr zu begrüßen, daß die Herren trotz verſchiedener
An=
feindungen, die ſich faſt alle als haltlos erwieſen haben,
wieder=
gewählt wurden, da ſie die Verbandsgeſchäfte jahrelang gut
ge=
führt und auch in die Verbandsgeſchäfte wie keine andere
Per=
laſſen beide Mannſchaften etwas nach, ſie hatten ſich zu ſehr verausgabt, iſt ein gedeihliches Zuſammenarbeiten zwiſchen Behörde und
Vereinen nur zu wünſchen.
Leichtathletik.
„Heſſen”, Berein für Leibesübung.
Bei den geſtern von der Sportvereinigung Arheilgen von 1904
ver=
anſtalteten Frühjahrswaldläufen hat der junge Verein über
Erwarten ſehr gut abgeſchnitten. Konnte er doch gegenüber anerkannt
guten Gegnern ſich nicht nur behaupten, ſondern auch ſiegreich beſtehen.
Beſonders hervorzuheben iſt das gleichmäßige Laufen der Jugend des
ihr letztes Verbandsſpiel unter Dach bringen. Hahn ſtellte eine Vereins, was ſich in dem faſt geſchloſſenen Einlauf derſelben zeigte.
ſelbe beſtand aus Karl Müller, Heinr. Schönwolf, L. Bärthel, Hans
Die aus Baumann, Colombeck, Schröder und Karl Schönwolf be=
Dem als Unparteiiſchen amtierenden Herrn Becker (Germania= ſtehende Jungmamſchaft konnte den 2. Platz behaupten. Einzelſieger
Pfungſtadt, machte man die Leitung ſehr ſchwer, ſo daß er ſich ge= wurden: Jugend: Karl Müller Zweiter, Heinr. Schönwol; Dritter.
nötigt fah, eine Viertelſtunde vor Schluß abzubrechen. Mch. Jungmannen: Baumann Zweiter. Eine beſondere Freude für
den jungen Verein bedeuteten die anerkennenden Worte, die der
Ver=
treter des Frankfurter Verbandes für Turnſport, Herr Ohly, an die
Eintracht 1. Sch. — Vf.B. Ober=Ramſtadt 2. Jgd., 1:2. zahlreich erſchienenen Mitglieder des Vereins richtete. Die anfeuernden
Worte aus dem Munde eines berufenen Sportmannes und Vertreters
eines Sportverbands fanden in den Herzen der ſportbegeiſterten Jugend
Widerhall.
ſtiegs durch das Höllental, mit dem Tode büßen. Das Bergſteigen war
Modeſache geworden und die Zugſpitze ein Modeberg.
Aber auch von anderer Seite ſind ſeit langem Beſtrebungen im
Gange, das Zugſpitzengebiet der „Ziviliſation” zu erſchließen, und zwar
kommen dieſe Beſtrebungen von ſeiten der Induſtrie und des
Großkapi=
tals. Man hat die Erteilung einer Konzeſſion zur Erbauung einer
Zugſvitzbahn nachgeſucht. Das Anſuchen iſt indeſſen vom bayeriſchen
Miniſterium für Handel und Gewerbe abgelehnt worden. Für die
Ab=
lehnung des Geſuchs war nicht nur das Fehlen eines Bedürfniſſes
maßgebend, ſondern auch erhebliche Bedenken vom Standpunkte des
Naturſchutzes, die vom Hauptausſchuß des Deutſchen und
Oeſterreichi=
ſchen Alpenvereins, dem bayeriſchen Landesausſchuß für Naturpflege
und dem Bund Naturſchutz in Bayern erhoben worden waren. Damit
iſt der ſchon ſeit langem geführte Kampf um die Zugſpitzbahn abermals
zu Gunſten des Naturſchutzes und der Naturfreunde entſchieden worden.
Die Verwirklichung des Zugſpitzenbahnprojekts würde wohl eine
Stei=
gerung des Fremdenverkehrs und eine weitere Belebung der
Fremden=
induſtrie, auf der anderen Seite aber auch ein Ueberfluten der
Berg=
welt mit Menſchen aller Kategorien im Gefolge haben, an deren
Er=
ſcheinen in den Bergen der Alpiniſt mit Schrecken denken mag. Der
ablehnende Beſcheid, den das Zugſpitzenkonſortium ſich behördlicherſeits
geholt hat, entfachte natürlich bei den Beteiligten einen Sturm der
Entriſtung.
Weit davon entfernt, die Bedeutung einer fortgeſchrittenen Technik
und blühenden Induſtrie für die nationale Wohlfahrt eines Landes zu
verkennen, iſt doch zu ſagen, daß es noch lange kein Zeichen für den
hohen Kulturſtand und die Tüchtigkeit eines Volkes iſt, wenn es eine
zu einem 3000 Meter hohen Gipfel führende. Bergbahn beſitzt.
Ver=
fehlt wäre es, gegen Bergbahnen Stellung zu nehmen, wo ſie einem
dringenden Verkehrsbedürfnis entſprechen. Da mag ſich der ſchaffende
Menſchengeift im Kampf mit den Widerſtänden der Natur meſſen. Aber
bei dem nunmehr abermals zu Fall gebrachten Zugſpitzenbahnprojekt
handelt es ſich um ein Unternehmen, das, abgeſehen von dem Nutzen,
Schwimmen.
Klubzweikampf „Jung=Deutſchland‟=Darmſtadt gegen
„Moenus”=Offenbach.
Ueberlegener Sieg Darmſtadts.
„Jung=Deutſchland” hat ſeine Scharte von Offenbach
gründ=
lich ausgewetzt, dank der dieſes Mal beſſeren Beſetzung der
Staffeln. Trotzdem fehlten an der vollſtändigen Mannſchaft
noch die Gebrüder Kalbfleiſch, während Offenbach bis auf
Schmidt=Halle komplett antrat. Schon die 10X3 Bahnen bel.
Staffel zeigte die deutliche Ueberlegenheit Darmſtadts und
wurde in Offenbach auch nur durch die ſtark erſatzgeſchwächte
Beſetzung verloren. Den Knabenſchwimmern „Jung=
Deutſch=
lands” muß ein volles Lob ausgeſprochen werden, ſie gaben
tat=
ſächlich ihr Beſtes her und konnten durch ihren hocherfreulichen
Eifer ihre ſämtlichen Staffeln gewinnen. Das Gegenteil gilt
leider von der Jugend, die durch das Aufrücken ihrer beſten
Kräſte in die Juniorklaſſe außerordentlich geſchwächt worden iſt
und tüchtig trainieren muß, um auf ihre frühere Geſamthöhe zu
gelangen. Die Herrenlagenſtaffel, die in O. durch Erſatz
ver=
loren wurde, geſtaltete ſich zu einem der ſchärſſten Rennen, das
durch vorzügliches Schwimmen der geſamten Mannſchaft für
Darmſtadt gewonnen wurde. Die Herren bel. 3X6 Bahnen
ſchien verloren, bis Darmſtadts Schlußmann auf der letzten
Bahn durch glänzenden Spurt das Rennen mit 2⁄ Sekunden
für „Jung=Deutſchland entſcheiden konnte. Die
Herrenbruſt=
ſtaffel, die ohne Erſatz geſchwommen wurde, konnte. Darmſtadt
nach ſpannendſtem Kampf an ſich reißen, während ſich die
ge=
ſteigerte Herrenſtaffel zu einem überlegenen Sieg mit
einein=
halb Bahnen Vorſprung für „Jung=Deutſchland” geſtaltete.
Nachſtehend die Ergebniſſe (Bahnlänge 18 Mtr.):
1. 10X3 Bahnen bel.: 1. J.=D. (Schmuck, Seriba, Ihrig,
Kemmer, Federlin, Cramer, Bach, Sack, Gils, Berges) 5,49,8.
2. Knabenlagenſtaffel 4X3 B.: 1. J.=D. (
Petterſ=
ſon, Etzold, v. Touſſaint, Förſter) 3,07,1.
3. Jugendbruſtſtaffel 3X3 B.: 1. Offb. (Müllergroß,
Hain, Bloch) 2,19,4.
4. Herrenlagenſtaffel 4X3 B.: 1. J.=D. (
Rellens=
mann, Schmuck, Berges, Gils) 2,30,7.
5. Knabenbruſtſtaffel 3X3 B.: 1. J.=D. (Petterſſon,
Vollheim, Förſter) 2,28.
6. Jugendlagenſtaffel 4X3 B.: 1. Offb. (Müllergroß,
Rauſch, Ritter, Maus) 2,46,2.
7. Herren bel. 3X6 B.: 1. J.=D. (Schmuck, Seriba,
Ber=
ges) 3,47.
8. Jugend bel. 4X3 B.: 1. Offb. (Ritter, Maus, Hain,
ch) 2,29.
Rau
9. Kuaben bel. 3X3 B.: 1. J.=D. (Petterſſon, Etzold,
Förſter) 2,11,1.
10. Herrenbruſtſtaffel 3X3 B.: 1. J.=D. (
Nellens=
mann, Enders, Gils) 2,07,9.
11. Jugend bel. 3, 6, 8, 11 B.: 1. Offb. (Maus, Ritter,
Hanſel, Weigel) 7,07,3.
12. Herren bel. 3, 6, 8, 11 B.: 1. J.=D. (Schmuck, Seriba,
Gils, Berges) 6.10,8.
Dr. II.
Rugby.
Sp.Cl. 80 Frankfurt — Heidelbeiger Ruder=Geſ., 12:6.
Hocket.
F. V. 60 Frankfurt—Union Niederrad, 9:1 (1:1).
Pflichtgemäße Leibesübungen der Stubenien.
dra. Der Kampf um die pflichtgemäße Körperübung der Studenten,
in dem die Studentenſchaft ſelbſt die Fahne voranträgt, ſcheitert an der
Tatenloſigkeit der Behörden. Vorausſetung wäre ſelbſtverſrärdlich der
Beſitz ausreichender Uebungsplätze und Turnhallen, ſowie die Anſtellung
einer genügenden Zahl Sportlehrer. Solange die körperliche Erziehung
von unſeren Behörden als techniſches Fach angeſehen wird, iſt ſie
natür=
lich an den Unverſitäten kein Lehr= und Forſchungsgegenſtand, und die
Einrichtungen ſind daher meiſtens dürftiger als die füir andere techniſche
Fächer. Man bedenke, daß die größte Univerſität Deutſchlauds, die
Friedrich Wilhelm=Uniderſität in Berlin, weit und breit keine den
be=
ſcheidenſten Anſprüchen genügende Uebungsſtätte ihr eigen nennt! Der
zur Univerſität gehörige Sportplatz liegt über 12 Kilometer (Luftlinie)
entfernt. Am nächſten erreichbar ſind noch die Turn= und
Sporteinrich=
tungen der Deutſchen Hochſchule für Leibesübungen im Stadion, die
der Univerſität zur Verfügung ſtehen. Im übrigen behilft ſie ſich mit
einigen für Stunden gemieteten Turnhallen. 12 000 Studierenden ſteht
ein Turn= und Sportlehrer gegenüber! — Nicht ganz ſo ſchlimm, aber,
immer noch ſchlimm genug ſteht es bei anderen Anſtalten, und man
hört nichts von entſcheidenden Maßnahmen der zuſtändigen Behörden.
Zur Zeit haben wenigſtens einige Univerſitäten zur Selbſthilfe
gegrif=
fen, um auf die Studierenden den von dieſen ſelbſt gewünſchten Druck
auszuüben. So hat der Senat der Univerſität Marburg das Amt für
Leibesübungen ermächtigt, in die Teſtierbücher eines jeden Studenten
des erſten und zweiten Studienſemeſters einen Stempelvermerk über ihre
Teilnahme an den pflichtgemäßen Leibesübungen zu ſetzen. Der
Ver=
merk lautet: Inhaber hat an den pflichtgemaßen Leibesübungen
teil=
genommen — nicht teilgenommen — bzw. war befreit. Eine ähnliche
Einrichtung haben die Techniſchen Hochſchulen von Karlsruhe und
Darmſtadt getroffen.
den es einigen wenigen ſchafft lediglich die Vergnügungsſucht weiter
Volksmaſſen befriedigen ſoll. Denn im Augenblick der Verwirklichung
dieſer Bahn iſt die Zugſpitzenbeſteigung kein bergſportliches, individuelles
Erlebnis mehr, ſondern eine, zwar ſehr moderne, aber wahrſcheinlich
auch ziemlich koſtſpielige Vergnügungsreiſe. Dann hätten wir das Recht
verloren, von der Bedeutung der Berge für den Wiederaufſtieg und die
Wiedergeſundung des deutſchen Volkes zu ſprechen. Weil uns die
Rein=
heit der Berge heilig iſt, nehmen wir Stellung gegen die Verſchändelung
des Hochgebirges durch Gipfelbahnen. Uns liegt an der Erhaltung des
Hochgebirges in ſeiner urſprünglichen Form.
Joſeph Enzenperger, der erſte Wetterwart auf der meteorologiſchen
Hochſtation der Zugſpitze, ſchilderte vor Jahren in einem Aufſatz ſeinen
ſiebenmonatlichen beruflichen Aufenthalt auf der Zugſpitze. Darin
hieß es: „Kein Haſten und Drängen und Lärmen ſtört meine Ruhe,
kein Lokomotivpfiff, keine troſtloſe Mietskaſerne wehrt den Ausblick in
Gottes freie Natur. Ich brauche ja nur ans Fenſter zu treten, um eines
der herrlichſten Bilder auf dieſer Erde aufzunehmen. Hoch vom
Dach=
ſtein her bis zum Altvater Saentis und den fernen Bergen
Graubün=
dens liegt eine Bergeswelt vor mir ausgebreitet, in der alle
Landſchafts=
elemente, vom Lieblichen zum Erhabenen, vom Ruhigen zum
Wildbe=
wegten, vom Grotesken zum Majeſtätiſchen vertreten ſind.” Und
wei=
ter: „Wie ſollte der, dem es vergönnt iſt, ſo dem Herzſchlag der Natur
zu lauſchen, nicht beneidenswert und nicht dankbaren und fröhlichen
Ge=
müts ſein?” — Dankbaren und fröhlichen Gemüts würde aber der
Berg=
freund nicht mehr ſein, wenn dereinſt auf dem Bahnſteig des
Zugſpitzen=
bahnhofs eine buntgewürfelte Menſchenſchar mit erheuchelter
Gefühls=
duſelei Naturbetrachtungen anſtellt.
Nicht dürft ihr Schienenſtränge in die Berge legen. Nicht dürft ihr
deren ſtille Einſamkeiten mit euren nichtsſagenden Geſprächen, eurem
Flirt ſtören. Ernſt und ſtill wie die Felsrieſen ſei der Sinn, heiter und
fröhlich wie ſonnige Matten ſei das Herz der Meuſchen, die das
Ge=
birge mit übervollem Glück durchſvandern wollen.
H: Tillenburg.