Darmstädter Tagblatt 1924


25. Februar 1924

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Nummer 56
Montag, den 25. Februar 1924.
187. Jahrgang

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Rabatt weg. Bankonto: Deutſche Bank und Darme
ſtädter 8 Nationalbank.

Briands Kritik an der Politik Poincarés.
Paris, 25. Febr. (Wolff.) Der ehemalige Miniſterpräſi=
dent
Briand hat geſtern nachmittag in Carcaſonne aus Anlaß
einer Gedächtnisfeier eine politiſche Rede gehalten. Die Außen=
politik
, ſo erklärte er, beherrſche gegenwärtig die innere Politik
Frankreichs. Frankreich könne eine Außenpolitik, die ſeinen In=
tereſſen
entſpreche, nur betreiben, wenn es der Welt als das
Land der Revolution und der Freiheit ſich zeige. Solange er
Miniſterpräſident geweſen ſei, habe er darauf hingearbeitet, die
Einigkeit unter den Alliierten aufrecht zu erhalten und den Frie=
den
zu wollen. Angeſichts der Ungeduld der öffentlichen Mei=
nung
habe er die Miniſterpräſidentſchaft niederlegen müſſen, je=
doch
ein tiefes Gefühl dafür bewahrt, daß Frankreichs Rechte
und Sicherheiten nur durch internationale Löſungen garantiert
werden könnten. Im Jahre 1921, als er Miniſterpräſident ge=
weſen
ſei, habe Frankreich mehr von Deutſchland erhalten, als
in den folgenden Jahren. Er bezweifle, daß eine befriedigendere
Löſung als die, welche er in Cannes vorgeſchlagen habe, für die
Regelung des Reparationsproblems gefunden werden könne.
Man beginne einzuſehen, daß die militäriſche
Geſte nicht immer als das beſte Mittel erſcheine,
um alle Probleme zu löſen. Das Problem des Fran=
kenkurſes
ſei eng verbunden mit der auswärtigen Lage. Als er
die Miniſterpräſidentſchaft niedergelegt habe, habe der Dollar auf
17 geſtanden. Jedesmal, wenn Verhandlungen mit den Alliier=
ten
eingeleitet worden ſeien, ſei der Franken geſtiegen. Dadurch
ſei die Lebenshaltungsteuerung vermindert worden. In der
Stunde, in der die franzöſiſche Regierung den Beweis erbracht
habe, daß ſie bereit ſei, auf der Baſis der Arbeiten der Sachver=
ſtändigen
zu verhandeln, ſei die Spannung auf dem Deviſen=
markt
niedergehalten worden. Wenn die Verhandlungen wieder
aufgenommen würden, werde auch das Vertrauen wiederkehren.

Vom Tage
Die franzöſiſche Beſatzungsbehörde hat die Durch=
führung
der Wahlen für den bayeriſchen Landtag, am
6. April für das Gebiet der Pfalz verboten.
Die franzöſiſch=belgiſche Regie geht nunmehr auch dazu über, von
den in Eiſenbahndienſtgebäuden wohnenden Beamten und Arbeitern
der Eiſenbahn die Mieten einzuziehen.
Die Pariſer Ausgabe des Newyork Herald bringt die aufſehener=
regende
Meldung aus Waſhington, daß der Präſident der erſten Sach=
verſtändigenkommiſſion
, General Dawes, in den Petroleumſkandal ver=
wickelt
ſei, und zwar ſoll der Vorſitzende des Waſhingtoner Unterſu=
chungsausſchuſſes
, Senator Wehler, feſtgeſtellt haben, daß General Da=
wes
den Beamten der Adminiſtration regelmäßige Tipps zum Ankauf
von Petroleum= und Stahlaktien zukommen ließ.
Im Senat fand die neue Ausſprache über die Petroleum=
angelegenheit
ſtatt. Senator Borah ſoll den Attorny=General
Daugherty lebhaft kritiſiert und erklärt haben, daß er entſchloſſen
ſei, ſeine Verſetzung in den Anklagezuſtand zu veranlaſſen.
Nach Meldungen aus Suchum, wo Trotzki ſich aufhält, wurde dort
ein Attentat gegen ihn verübt. Drei mit Revolvern und Handgrana=
ten
bewaffnete Perſonen verſuchten in die Villa Trotzkis einzudringen.
Bei ihrer Verhaftung gaben ſie Feuer, wurden aber ſelbſt niederge=
ſchoſſen
.
Einer Reuterdepeſche aus Athen zufolge, iſt nach Angabe griechi=
ſcher
Blätter eine Revolution in Bulgarien ausgebrochen. König Boris
ſoll von den Aufſtändiſchen verſchleppt, der Miniſterpräſident und ver=
ſchiedene
Kabinettsmitglieder von den Kommuniſten ermordet wor=
den
ſein.
Der albaniſche Miniſterpräſident Zogu wurde in dem Augenblick,
in dem er den Sitzungsſaal der konſtituierenden Verſammlung betre=
ten
wollte, der Gegenſtand eines Attentats. Ein Student gab drei
Revolverſchüſſe ab und verletzte ihn an der Hand und am linken Knie
leicht. Der Attentäter wurde verhaftet.

Die Not des geiſtigen Mittelſtandes.

Berlin, 24. Febr. (Wolff.) Im Plenarſitzungsſaal des
Reichstags fand heute vormittag in Anweſenheit des Reichspräſi=
denten
, des Reichskanzlers und verſchiedener Reichsminiſter eine
eindrucksvolle Kundgebung für den gefährdeten
deutfchen geiſtigen Mittelſtand ſtatt. Der von nahezu
2000 Vertretern der notleidenden deutſchen Kulturſchicht beſuch=
ten
Verſammlung wohnten auch zahlreiche Vertreter des Reichs=
tags
, der Landesregierungen, der Behörden, der ausländiſchen
Mächte, ſowie der inländiſchen und ausländiſchen Preſſe bei. Die
Reden wurden, wie der Leiter der Verſammlung Dr. Groll her=
vorhob
, radiotelephoniſch 2000 Kilometer weit verbreitet. Als
erſter Redner wies
Reichstagsabgeordneter Everlin
in ſeiner Eigenſchaft als Vorſitzender des Schutzkartells für die
uotleidende Kulturſchicht Deutſchlands darauf hin, was deutſche
Geiſtesgröße, deutſche Wiſſenſchaft, Kunſt und Technik allen
Völkern gegeben hat. Dieſes Geiſtesleben, ſo führte er aus,
leide Not, die Stätten der Wiſſenſchaft werden abgebaut und
die Forſchungsinſtitute durch Geldſorgen gehemmt. Der Wäh=
rungszerfall
vernichtete den Lebensertrag vieler deutſcher Geiſtes=
arbeiter
; überall droht der Zerfall der deutſchen Kultur. Nach
einem Hinweis auf die franzöſiſche Politik, die immer
noch ein gewaltiges Volk von 60 Millionen zur Ver=
zweiflung
treibe, forderte der Redner für die geſamte
notleidende deutſche Kulwrſchicht Gerechtigkeit von allen, die
am Verſailler Vertrag beteiligt ſind. Desgleichen richtete er an
die Regierung und den Reichstag die Bitte, daß ſie der Not
der geiſtigen Mittelſtände mehr als bisher Rechnung tragen
möchten.
Der Reichskanzler
begann ſeine Ausführungen mit dem Hinweis auf das unend=
liche
Elend, worin ſich das deutſche Volk bereits befand, als
er das Kanzleramt übernahm. Unſere Pflicht, erklärte er,
mußte es ſein, den ungeheuren Sturz der Wirtſchaft anfzuhalten.
Hoffentlich gelingt es, nach einer der Gerechtigkeit entſprechenden
Regelung unſeres Verhältniſſes zu den Enienteſtaaten auf
Grund des Verſailler Vertrages auch zu einer
ruhigeren Entwicklung unſerer Finanz= und
Wirtſchaftslage zu gelangen. Der Staat hat ein In=
tereſſe
an dem Wohlergehen aller Kreiſe der Bevölkerung, ge=
rade
der Kulturſtaat unſerer Zeit hat ein beſonieres Intereſſe
am Geiſtesarbeiter. Wenn alle Kreiſe die Wahrheit dieſes
Satzes erkannt hätten, dann würden gerade weite Kreiſe
der Juduſtrie und des Handels in den letzten Jahren
und Mongten unſeres Elends für die Iutellektuellen von ganz
anderen Gedanken beſeelt geweſen ſein und würden ſich zu
ganz anderen Taten haben aufraffen müſſen,
als wir ſie leider Gottes zu verzeichnen hatten. Der Reichs=
kanzler
wies dann den außerordentlichen Wert der Geiſtesarbeit
für die Entwicklung von Induſtrie und Handel einerſeits und
für den Ausbau des Arbeiterſchutzes andererſeits nach. Er er=
klärte
, daß deutſche Arbeit und deutſche Induſtrie den kommen=
den
ſchweren internationalen Wettbewerb nur dann
ſiegreich beſtehen können, wenn außerordentliche Qua=
litätsarbeit
in jeder Richtung geleiſtet wird. Für alle
Fortſchritte, worauf wir rechnen müſſen, ſchafft erſt das geiſtige
Leben, die Arbeit der Männer der Wiſſenſchaft und der Tech=
niker
und Ingenieure die Vorausſetzungen. Dementſprechend
hat der Staat, die geſamte Entwicklung unſeres Wirtſchafts=
lebens
und unſerer Finanzen und unſer ganzes Gemeinſchafts=
leben
ein außerordentliches Intereſſe daran, daß unſer Kultur=
fortſchritt
und unſer intellektuelles Leben geſichert und geför=
dert
wird. Die Bedeutung unſeres Geiſteslebens reicht weit
über die Grenzen unſeres Staates hinaus. Ich ſpreche nicht zu
ſtolz, wenn ich ſage: An dem Fortbeſtehen und an der Fort=
entwicklung
des deutſchen Geiſteslebens der deutſchen Wiſſen=
ſchaft
, der deutſchen Literatur und Kunſt ſowie der deutſchen
Technik hat die ganze Welt ein großes Intereſſe. Die Zeiten
ſind vorüber, wo ein Staat glaubt, nur ſeine eigenen egoiſtiſchen
Ziele verfolgen zu können. Der finanzielle Ruin Deutſchlands
hatte einen wirtſchaftlichen und finanziellen Niedergang auch
der Siegerſtaaten zur Folge. Wenn unſere Univerſitäten, un=
ſere
Forſchungsinſtitute, unſere Hochſchulen, techniſchen ſotvie
ſcnſtigen höheren Lehranſtalten, die im Auslande einen außer=
ordentlichen
Ruf genoſſen, jetzt ſo außerordentlich ſchwere Not

leiden, ſollte dann nicht die ganze Welt daran teilnehmen
müſſen, nicht aus überſchwenglichem Humanitätsgefühl, ſondern
aus dem Gefühl der bitteren Notwendigkeit, weil die ganze
Menſchheit mit der Wiſſenſchaft veraniert iſt und leidet, wenn
eines ihrer Glieder Not leidet.
Die ganze Welt muß Rückſicht nehmen auf unſere intellektuel=
len
Kräfte, auf die große Zahl unſerer Intelligenz, Chemiker und
Techniker, auf alles, was ſich zur Kunſt, Wiſſenſchaft und Litera=
tur
rechnet. Es würde ein außerordentlicher Fehler und ein
Manko für die Entwicklung der Literatur und Kunſt der ganzen
Welt ſein, falls die deutſche Literatur und Kunſt ausgeſchaltet
würde. Die Intelligenz hat aber auch Anſpruch darauf, in den
weiteſten Schichten des eigenen Volkes Verſtändnis zu
finden, namentlich in den Kreiſen der Kapitalkräfti=
gen
, und bei ihnen materielle Unterſtützung zu erhalten, die ſich
nachher wieder in wertvoller Weiſe auch für die Kapitalkräftigen
in Wirtſchaft und Großhandel auswirken wird. Leider ſind die
Finanzen des Reichs und der einzelnen Län=
der
derart zerrüttet, daß es dem Staat unmög=
lich
iſt, auch dem intellektuellen Teil der Bevöl=
kerung
eine ſolche Förderung und Unterſtützung zuteil
werden zu laſſen, wie das notwendig wäre und wie wir
es gern tun würden, wenn nicht der eiſerne Zwang der Not es
uns einfach unmöglich machte. Die Regierunghat heute
in erſter Linie dafür zu ſorgen, daß unſer Wirt=
ſchaftsleben
gehalten wird auf der Höhe und
dem ruhigen Stand, den wir ſeit Mitte November glück=
licherweiſe
haben. Alle unſere Maßnahmen ſind nur von dem
Gedanken beſeelt: Unfer Volk darf und ſoll nicht mehr in
eine Inflation hineingeraten. Wir müſſen den Sach=
verſtändigen
zeigen, daß das deutſche Volk bis zum äußer=
ſten
zu gehen entſchloſſen iſt, um ſeine Geſchäfte ſelbſt zu be=
ſorgen
und ſeine Finanzen in Ordnung zu bringen, ſoweit es
möglich iſt. Wir müſſen dieſe nächſten Monate mit der Ent=
ſchloſſenheit
des ganzen deutſchen Volkes durchhalten, wir wollen
wieder zu dem Aufſtieg zu einer beſſeren Entwicklung unſeres
Volkes kommen. Der Kanzler gedachte zum Schluß mit ſehr
herzlichen Worten der Not der deutſchen ſtudieren=
den
Jugend. In den jungen Männern, worin der ſtäh=
lerne
ernſte Wille zur Tat lebt, die in gemeinſamer Tätigkeit mit
den Arbeitern ſchwer gearbeitet haben, wird ein Geſchlecht her=
anreifen
, das weiß, wie wertvoll es iſt, Brüder zu beſitzen, wenn
auch anderen Standes. Wir wollen ein Reich ſein, wir wollen
ein Volk ſein, wir werden wetteifern in friedlicher Geiſtes= und
Wirtſchaftsarbeit, um das Wohl des Ganzen, das Wohl des
deutſchen Volkes und das der ganzen Welt zu ſördern.
Nach dem Reichskanzler ergriffen noch das Wort: Dr. Dopi=
fat
, der in ſeiner Eigenſchaft als Vorſitzender des Bezirksver=
bandes
Berlin im Reichsverband der deutſchen Preſſe die
furchtbare individuelle Not unter den Ange=
hörigen
der journaliſtiſchen Berufe ſchilderte: Dr.
Ludwig (Fulda), der für das freie deutſche Schrift=
tum
betonte, daß keine Weiterentwicklung der Weltideale ohne
die Mitwirkung der deutſchen Geiſtesarbeit möglich und denkbar
iſt; Geheimer Sanitätsrat Dr. Herzau, der die furchtbare Not=
lage
der mediziniſchen Wiſſenſchaft, der Krankenver=
ſorgung
und der einzelnen Aerzte beleuchtete: Architelt. Dr.
Siedler, der auf die Not der deutſchen Künſtlerwelt
hinwies und ſchließlich der Hauptgeſchäftsführer der SelGſthilfe
der deutſchen Studentenſchaft, Dr. Schairer, der nach einem
Hinweis auf das Leben der Werkſtudenten den Dank für die
Hilfe ausſprach, die der deutſchen Studentenſchaft von inländi=
ſchen
und ausländiſchen Wohltätern, vom Papſt und von den
Studentenſchaften der ſkandinaviſchen Länder, der Schweiz, Spa=
niens
. Englands und Amerikas zu teil wird.
Die Verſammlung nahm ſchließlich einmütig eine Ent=
ſchließung
an, worin die Vertreter der geiſtigen Berufe
Deutſchlands unter Betonung auf ihr Recht auf Leben die Welt
daran erinnern, was die Menſchheit der deutſchen Wiſſenſchaft.
Kunſt und Technik verdankt. Die Entſchließung warnt davor, die
Verelendung der deutſchen Kulturſchicht als eine Sonderange=
legenheit
eines einzelnen Volkes zu betrachten und fordert vom
geſamten deutſchen Volk, vor keinen Anſtrenaungen zurückzu=
ſchrecken
, um den Geiſtesarbeitern erträgliche Lebens= und Ar=
beitsbedingungen
zu ſchaffen.

Der öſterreichiſche Bankbeamtenſtreik.
Der Beginn der großen Sanierungskriſe.
(Von unſerem Wiener Korreſpondenten.)
Wien, am 19. Februar.
Nach den vielen großen Ausſtänden, die in den letzten Jah=
ren
das wirtſchaftliche Leben der Donaurepublik ſo oft empfindlich
geſtört haben, erleben nun Wien und ganz Oeſterreich in dieſen
Tagen das beſondere Novum eines Bankbeamtenſtreiks. Von
welch unheilvollen Wirkungen dieſer Streik auf das geſamte
wirtſchaftliche Leben eines Staates ſein muß, braucht man heute,
da die Erfahrungen der letzten Jahre die überragende Bedeutung
des Bank= und Börſenweſens jedermann ſo deutlich vor Augen
geführt haben, wohl nicht näher auseinander zu ſetzen. Vor
allem iſt jeder größere Induſtrielle und Kaufmann bankmäßig
intereſſiert, d. h. er hat bei einer Bank ein Konto, von dem er
fallweiſe die für ſeine ganze Geſchäftsführung notwendigen Gel=
der
abhebt; ein ſehr beträchtlicher Teil der öſterreichiſchen indu=
ſtriellen
und kommerziellen Unternehmungen, darunter natürlich
die meiſten großen Geſellſchaften, ſtehen unter der direkten Patro=
nanz
von Finanzinſtituten, ſind alſo auf deren fortlaufende finan=
zielle
Aſſiſtenz unmittelbar angewieſen; der geſamte Wechſel=
und Scheckverkehr, der im Kreislauf des modernen Wirtſchafts=
lebens
eine ſo entſcheidende Rolle ſpielt, iſt durch den Streik der
Bankbeamten völlig lahmgelegt. Von beſonderer Tragweite iſt
ferner die Tatſache, daß ſich dem Streik auch die Beamten der
öſterreichiſchen Nationalbank und der Deviſenzentrale angeſchloſ=
ſen
haben; ga letzterer die ausſchließliche Befugnis zum Verkauf
von Valuten und Deviſen zukommt, kann kein öſterreichiſches
Unternehmen bis auf weiteres Zahlungen in fremder Währung
leiſten, ſofern es nicht was natürlich nur ſehr ſelten der Fall:
ſein kann , große Reſerven in fremdländiſchen Geldern ange=
ſammelt
hat. Dazu kommen ſchließlich noch die durch den Aus=
ſtand
verurſachte Ausſchaltung des hervorragenden Bank= und
Börſenplatzes Wien aus dem internationalen Finanzgeſchäft und
die ſehr empfindliche Störung jedes Fremdenverkehrs im weite=
ſten
Sinne des Wortes, da dem vorübergehend hier weilenden
Ausländer durch die Lahmlegung der Deviſenzentrale die Be=
ſchaffung
inländiſcher Zahlungsmittel ſehr erſchwert wird.
Die vorſtehende flüchtige Zuſammenfaſfung ſoll natürlich nur
die augenfälligſten Wirkungen dieſes großen Streiks andeuten;
tatſächlch müßte er im Hinblick auf die kaum überſehbare Ver=
knüpfung
zahlloſer Einzelintereſſen des geſamten Wirtſchafts=
lebens
mit dem Bankweſen binnen kurzem zu den kataſtrophalſten
Konſequenzen führen.
Hiermit iſt aber nur die unmittelbare Bedeutung des großen
Ausſtandes für ganz Oeſterreich charakteriſiert; unvergleichlich
größer erſcheint ſeine Tragweite noch, wenn man ihn im rich=
tigen
Zuſammenhange mit dem geſamten ökonomiſchen und ſo=
zialen
Leben Oeſterreichs betrachtet: er erſcheint dann als der
Beginn der großen öſterreichiſchen Sanierungskriſe und als Auf=
takt
zu der unvermeidlichen und nahe bevorſiehenden Ausein=
anderſetzung
zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Dieſe Schlußfolgerungen ergeben ſich von ſelbſt, wenn man
die Forderungen der ſtreitenden Bankbeamten einerſeits und der
Finanzinſtitute andererſeits näher prüft.
Die Bankbeamten verlangen vor allem eine allgemeine Er=
höhung
ihrer Gehälter um 15 Prozent und die definitive Anſtel=
lung
eines prozentuell ziemlich beträchtlichen Teiles der Beamten=
ſchaft
, der bisher nur in proviſoriſchem, alſo leicht kündbarem
Dienſtverhältniſſe ſteht. Der Verband der Oeſterreichiſchen
Banken und Bankiers iſt in den dem Streik vorangegangenen
Verhandlungen auf dieſe Poſtulate der Gegenpartei zunächſt nicht
näher eingegangen, ſondern hat ſeinerſeits eine Reihe weſent=
licher
Forderungen geſtellt, von denen insbeſondere zwei hervor=
zuheben
ſind: Verlängerung der Arbeitszeit um zweieinhalb
Stunden wöchentlich und Erweiterung des Kaſſendienſtes, der
bisher in allen Bankinſtituten um 1 Uhr mittags ſchloß. Die ab=
ſolute
Ablehnung dieſer Forderungen ſeitens der Beamten führte
ſchließlich zum Streik.
Zu dem Verlangen der Bankbeamten nach einer 15prozentigen
Erhöhung ihrer Gehälter wäre objektiver Weiſe folgendes zu be=
merken
: Die öſterreichiſchen Bantbeamten ſind zweifellos ſchon
ſeit Jahren die beſtbezahlte Arbeitnehmergruppe im Staate über=
haupt
und ſie dürften auch materiell beſſer geſtellt ſein als ihre
Kollegen in den meiſten europäiſchen Staaten. Andererſeits
haben die öſterreichiſchen Finanzinſtitute in den letzten Jahren
Gewinnſte zu verzeichnen gehabt, die in der inländiſchen Wirt=
ſchaft
überhaupt beiſpiellos daſtehen und die auch nach interna=
tionalem
Maßſtabe ein höchſt reſpektables Niveau erreichen. Da=
zu
kommt noch ein beſonderes ſpezifiſch öſterreichiſches Moment,
deſſen Kenntnis für die gerechte Beurteilung der materiellen
Wünſche der Bankbeamten von ausſchlaggebender Bedeutung iſt:
Die Direktoren aller größeren öſterreichiſchen Finanzinſtitute be=
ziehen
bereits ſeit geraumer Zeit Gehälter, die das Doppelte und
Dreifache ihrer Friedensbezüge betragen. Man nimmt allge=
mein
als monatliches Fixum eines leitenden Wiener Bankdirek=
tors
eine Summe von 40 bis 50 Millionen öſterr. Kronen (3500
bis 4000 Schw. Franken) an; dazu kommen die regelmäßigen
Tantiémen, deren genaue Abſchätzung für den nicht vollkommen
Eingeweihten unmöglich iſt, die aber jedenfalls einige Hundert
Millionen öſterreichſche Kronen pro Jahr betragen; und ſchleßlich
ſpielt für jeden öſterreichiſchen Bankdirektor das Syndikatsge=
ſchäft
, d. h. die direkte Beteiligung an Transaktionen ſeines Inſti=
tutes
, eine überragende Rolle. Man wird ſich alſo kaum einer
Ueberſchätzung ſchuldig machen, wenn man die wirklich repräfen=
tativen
Wiener Bankdireltoren ihre Geſamtzahl beträgt 250 bis
300 dro Mann auf ein Vermögen von durchſchnittlich 200 bis
300 Milliarden öſterr. Kronen (drei bis vier Millionen Dollar)
und Monatseinkünfte von 300 bis 500 Millionen öſterr. Kronen
(2535 000 Schw. Franken) taxiert. Das ſind Ziffern, die doch
wohl eine beträchtliche materielle Ueberwertung eines einzelnen
Menſchen, mag er auch über beſondere Arbeitsqualitäten der=
fügen
, bedeuten. Und es iſt begreiflich, daß die Bankbeamten der
Anſicht ſind, daß eine Erhöhung ihrer Gehälter trotz der ſeit Mo=
naten
herrſchenden Flauheit im öſterreichiſchen Bankgewerbe mög=
lich
wäre, wenn ſich die Bankmagnaten eine gewiſſe Reduzierung
ihrer Einkünfte gefallen ließen.
Die zweite Hauptforderung der Bankbeamten, das Verlangen
nach definitiver Anſtellung der bisherigen proviſoriſchen Ange=
ſtellten
, hängt unmittelbar mit dem Abbauproblem zuſammen.

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Nummer 56.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 25. Februar 1924,

Der weſentlichſte Vorzug des angeſtrebten definitiven Dienſtder=
hältniſſes
beſteht nämlich darin, daß der definitive Beamte nor=
maler
Weiſe kaum gekündigt werden kann. Natürlich würde die
Durchſetzung dieſer Forderung eine ſehr beträchtliche Belaſtung
jedes einzelnen Finanzinſtitutes bedeuten, gegen die ſich die Ban=
ken
wohl bis aufs äußerſte zur Wehr ſetzen werden; andererſeits
iſt es aber menſchlich ſehr wohl begreiflich, daß die Bankbeamten
auf dieſe Weiſe den drohenden Abbau, der durch die andauernde
Stagnation im Bank= und Börſengeſchäft in greifbare Nähe ge=
rückt
erſcheint, unmöglich machen wollen.
Die erſte Hauptforderung der Banken, das Verkangen nach
Erhöhung der Arbeitszeit, erſcheint auf den erſten Blick nicht be=
ſonders
weitreichender Natur zu ſein: Die wöchentliche Arbeits=
zeit
, die bisher 41 Stunden betrug, ſoll um zweieinhalb Stunden
verlängert werden. Hierbei weiſen die Finanzinſtitute darauf
hin, daß die geforderte Arbeitswoche von 43½ Stunden erſt das
Minimum der in allen anderen europäiſchen Ländern feſtgeſetz=
ten
Leiſtungen der Bankangeſtellten darſtellt. Sie betonen ferner,
daß die gegenwärtige Unrentabilität ihrer Betriebe unbedingt
eine Steigerung der Arbeitsleiſtung notwendig macht. Die Rich=
tigkeit
dieſes Gedankenganges muß objektiver Weiſe entſchieden
anerkannt werden. Ganz ähnlich verhält es ſich mit dem Verlan=
gen
der Banken nach Verlängerung des täglichen Kaſſendienſies.
Die Finanzinſtitute betonen durchaus zutreffend, daß =Zien heute
der einzige große europäiſche Finanzplatz iſt, auf dem jede Geld=
auszahlung
nach 1 Uhr mittags unmöglich iſt.
Warum alſo verhalten ſich die Bankbeamten gegenüber dieſen
wohlbegründeten Forderungen ihrer Arbeitgeber ſo ſchroff ab=
lehnend
und zogen den auch für ſie gewiß recht riskanten offenen
Kampf jedem Verſuch einer vergleichsweiſen Schlichtung vor?
Zum Teile darum, weil ſie fürchteten, daß die Steigerung ihrer
Arbeitsleiſtungen den Banken den Abbau überſchüſſigen Perſonals
erleichtern werde. Vor allem aber deswegen, und hier wer=
den
die einleitend angedeuteten Zuſammenhänge beſonders klar
, weil ſie in der Forderung der Banken den Verſuch einer
Durchbrechung des Prinzips des achtſtündigen Arbeitstages er=
blicken
. Die Finanzinſtitute verlangen nämlich auch die Rege=
lung
der Ueberſtundendienſtleiſtung, und zwar in der Weiſe, daß
von nun ab. jeder Beamte zu einer insgeſamt 56ſtündigen Ar=
beitsleiſtung
pro Woche verpflichtet ſein ſoll; auf Grund des
achtſtündigen Arbeitstages ergibt ſich aber nur eine 48ſtündige
Arbeitswoche.
Gerade in dieſem Punkte fühlen ſich die ſtreikenden Bank=
beamten
durchaus als Vortrupp der geſamten öſterreichiſchen An=
geſtellten
= und Arbeiterſchaft, die ja in den nächſten Monaten
zweifellos in ſchweren Kämpfen mit ihren Arbeitgebern ſtehen
wird, in denen neben dem Lohn= und Abbauproblem vor allem
die Frage des Achtſtundentages eine entſcheidende Rolle ſpielen
wird. Es iſt daher wohl zu beachten, daß die Bankbeamten in
den entſcheidenden Tagen vor Streikausbruch in ununterbroche=
ner
engſter Fühlungnahme mit der öſterreichiſchen Gewerkſchafts=
ommiſſion
ſtanden, der höchſten Inſtanz der geſamten öſterreichi=
ſchen
Arbeiter= und Angeſtelltenſchaft. Ebenſo bedeutungsvoll iſt
aber andererſeits, daß der Verband der öſterreichiſchen Banken
und Bankiers mit dem Hauptverband der Induſtrie der Zen=
tralorganiſation
der induſtriellen Unternehmer, in ſteter enger
Verbindung ſteht. Es heißt ſogar, daß dem Bankenverband die
jetzige große Machtprobe keineswegs unerwünſcht kam, da er die
Auseinanderſetzung zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
auf der ganzen Linie für unvermeidlich anſieht und dem Unter=
nehmertum
durch eine ſiegreiche Beendigung des jetzigen Streiks
die überlegene Poſition in den Entſcheidungskämpfen der nächſten
Zukunft ſichern will.
Eine Vorausſage über den Ausgang des Bankbeamtenſtreiks
erſcheint im jetzigen Zeitpunkt vollkommen ausgeſchloſſen. Aller=
dings
hat Bundeskanzler Seipel bereits bei beiden Parteien in=
terveniert
und wird in Hinblick auf die durch den Au=sſtand be=
drohten
vitalen Intereſſen von Staat und Regierung Gwiß ſeine
ganze Autorität und taktiſche Kunſt aufbieten, um einen raſchen
Friedensſchluß herbeizuführen. Trotzdem erſcheint es angeſichts
der außerordentlichen Machtſtellung der beiden Streitparteien und
der prinzipiellen Bedeutung des Ergebniſſes des Kampfes keines=
wegs
ausgeſchloſſen, daß der Streik noch bis in die nächſte Woche
andauert.
Das vitalſte Intereſſe des Staates ſelbſt und ſeiner geſamten
Bevölkerung erfordert jedenfalls die ſchleunigſte Beilegung des
Streils, und gleicher Weiſe eine Einigung auf mittlerer
Linie; ein entſchiedener Sieg eines der beiden Streitteile könnte
gerade in Oeſterreich, das ſeiner ganzen ſozialen und politiſchen
Struktur nach auf ein Gleichgewichtsverhältnis zwiſchen Kapital
und Arbeit angewieſen iſt, ſchwere Erſchütterungen zur Folge
haben.
Internationale Konferenz über den Achtſtundentag.
Genf, 24. Febr. (Wolff.) Es beſtätigt ſich, daß, obgleich
das internationale Arbeitsamt erklärt, amtlich keine Kenntnis von
derartigen Plänen zu haben, gegenwärtig in London Verhand=
lungen
über die Einberufung einer internationalen Konferenz
über den Achtſtundentag geführt werden. Aus der heiklen Natur
dieſer Vorbeſprechungen erklärt es ſich, daß das Arbeitsamt der
öffentlichen Meinung gegenüber noch die größte Zurückhaltung
übt, um ſo mehr, als gegenwärtig alle leitenden und maßgeben=
den
Stellen des Arbeitsamtes von Genf abweſend ſind,

Henderſon für eine Reviſion des Verſailler
Vertrags.
London, 25. Febr. (Wolff.) Der engliſche Miniſter des
Innern Henderſon befaßte ſich geſtern in einer Wahlrede
mit der internationalen Lage unter beſonderer Bezugnahme auf
die Notwendigkeit einer Reviſion des Verſailler Vertrages. Er
ſagte, die Tatſache, die am meiſten aus der internationalen Lage
herausrage, ſei die, daß die Friedensverträge fehlgeſchlagen ſeien.
Was auch immer die Abſicht der alliierten Staatsmänner geweſen
ſei, die ihre Länder in Paris vertraten, es ſei ihnen nicht ge=
lungen
, einen gerechten und dauerhaften Frieden zuſtande zu
bringen. Die Politik, die man nach dem Waffenſtillſtand getrieben
habe, habe Europa Chaos, Ruinen, Hungersnot, Krankheit und
Tod gebracht. Die Aufgabe, der=Macdonald und die Regierung
gegenüberſtünden, ſei nicht nur die Frage, wie die Entſittlichung
aufgehalten werden könne, ſondern wie verhindert werden könne,
daß der wirtſchaftliche Ruin weitere Fortſchritte mache. Die Auf=
gabe
der Regierung ſei es, einen wirklichen Frieden zu ſchaffen,
Handel und Verkehr wieder herzuſtellen und auf eine ſo feſte
Grundlage zu ſtellen, daß die Ziviliſation niemals wieder von
einer ähnlichen Gefahr bedroht wird. Daher müßten alle, die den
Beginn einer neuen Aera internationalen Zuſammenwirkens
und Wohlwollens zu ſehen wünſchten, auf die ſchnellſtmögliche
Reviſion des Vertrages von Verſailles als einer unbedingten
Notwendigkeit beſtehen, ebenſo wie auf einer Löſung des um=
ſtrittenen
Reparationsproblems. Was ſowohl die territorialen
als auch die wirtſchaftlichen Seiten des Verſailler Vertrages be=
treffen
, ſo ſei eine Reviſion ſeiner Beſtimmungen nicht nur
weſentlich, ſondern auch ſeit langem überfällig. Die Urheber des
Vertrages hätten, als ſie in vorbereiteten, die Geſchichte völlig
verhöhnt. Sie hätten zum mindeſten erkennen müſſen, daß ſie
alte Traditionen verletzten und ſich über die Wünſche der Bevöl=
kerung
hinwegſetzten, nur damit die Beute den Siegern zufalle.
Der Verſailler Vertrag ſei zweifellos dem Grundſatz der dem
Waffenſtillſtand vorausgehenden Vereinbarungen, unter denen
Deutſchland die Waffen geſtreckt habe, entgegengeſetzt. Der Ver=
ſailler
Vertrag enthalte territoriale und wirtſchaftliche Klauſeln,
die Tatſachen leugneten, die ſowohl dem Buchſtaben wie dem
Geiſt nach in öffentlichen Erklärungen enthalten ſeien, die von
den allierten Staatsmännern während des Krieges abgegeben
wurden. Der Vertrag habe ferner den Kampf um die Befreiung
und Schaffung einer Herrſchaft des Rechts in einen tatſächlichen
Eroberungskrieg umgewandelt. Die Beſtimmungen des Vertrags
verfolgten den Zweck, aus den beſiegten Ländern unmögliche
Summen als Entſchädigung herauszupreſſen, unter der irrtüm=
lichen
Annahme, daß das wirtſchaftliche Leben mancher Länder
zerſtört werden könne, ohne daß dies das Wirtſchaftsleben ande=
rer
Länder berühre. Henderſon ſagte, er wolle deshalb der Oef=
fentlichkeit
zeigen, auf welchem Standpunkte die Regierung ſtehe.
Der Premierminiſter verſuche die notwendige Atmoſphäre zu
ſchaffen und er hoffe, daß man durch eine Konferenz, durch den
Völkerbund oder durch beide Unternehmen zu dem Standpunkt
zurückkommen könne, der von dem verſtorbenen Präſidenten Wil=
ſon
im Gegenſatz zu der Politik der alliierten Staatsmänner in
den Jahren 1915, 1916 und 1917 eingenommen wurde. Henderſon
ſchloß: Ich bin überzeugt, daß unſere alliierten Staatsmänner
nach dem Waffenſtillſtand und nach dem Beginn ihrer Arbeiten in
Paris wirtſchaftliche Tatſachen unberückſichtigt gelaſſen haben,
und es ſcheint mir, daß, je eher unſere Regierung die notwendige
Atmoſphäre ſchafft, und je eher man zu einer Reviſiion des Ver=
trages
kommt, es umſo beſſer für alle in Frage Kommenden
ſein wird.
Die Sanierung Oeſterreichs.
Wien, 24. Febr. (Wolff.) In der heutigen Sitzung des Wiener
Chriſtlichlichſozialen Parteirates erſtattete der Finanz=
miniſter
Bericht über den gegenwärtigen Stand der Sanierung des
Staatsbudgets. Er erklärte, es ſei zu hoffen, daß das laufende Jahr
den Abſchluß der Sanierung bringen werde und daß damit die Kon=
trolle
des Völkerbundes enden werde. Bei der nächſten Jahreswende
würde der Völkerbundskredit nicht verbraucht ſein. Eine dauernde
Fundierung der Währung ſei zu erſtreben, und es ſei zu bedenken, daß
die Ausgaben manchesmal auch dort gedroſſelt ſeien, wo dies ohne Scha=
den
für die Volkswirtſchaft nicht auf die Dauer geſchehen könne.
Nach einer Mitteilung der Generaldirektion der Oeſterreichi=
ſchen
Bundesbahnen über das Betriebsergebnis des Monats
Dezember vor. Js, ſtellt ſich die vorläufige Schätzung der Einnahmen
auf 210 Milliarden Kronen (um 11 Milliarden mehr als veranſchlagt);
die Ausgaben auf 291,3 Milliarden Kronen (um 33,4 weniger als ver=
anſchlagt
).

Der geheimnisvolle Lobredner.
TU. Paris, 25. Febr. Bekanntlich hat Poincaré im
Verlauf der vorgeſtrigen Kammerſitzung zur Verteidigung ſeiner
Außenpolitik auf angebliche Aeußerungen eines Sachverſtändigen
angeſpielt, wonach die beiden Ausſchüſſe dank der Ruhrokkupa=
tion
mit ihren Arbeiten ſchneller vorwärts gekommen ſeien. Der
Matin verſichert, Mac Kenna habe dieſen Ausſpruch getan. Das
Oeuvre ſagt, der ehemalige britiſche Schatzkanzler, der anfänglich
von der Ruhrbeſetzung nichts wiſſen wollte, habe in der Tat er=
klärt
, daß die deutſchen Induſtriellen durch die Tatſache der
Ruhrokkupation von der Notwendigkeit der Leiſtungen der Repa=
rationszahlungen
überzeugt worden ſeien, was alſo eine Folge
der franzöſiſchen Politik ſei.
Von berufener Seite wird beſtritten, daß Poincaré mit die=
ſer
Aeußerung den Vorſitzenden der zweiten Sachverſtändigen=
kommiſſion
gemeint habe. Die franzöſiſche Regierung wünſche
aus Gründen der Diskretion nicht, den Namen des betreffenden
Herrn bekannt zu geben. Es wird jedoch betont, daß es ſich um
einen der vertrauteſten Mitarbeiter des engliſchen Premiermini=
ſters
Macdonald handele.
Die Oowning=Street und die Vorgänge
in der Pfalz.
Paris, 25. Febr. (Wolff.) Echo de Paris beſchäftigt ſich
wiederum mit der Lage in der Pfalz. Es iſt unzufrieden
damit, daß man in der Downing Street die Sanktionen gegen die
angeblichen Urheber und Mitſchuldigen des Zwiſchenfalls in Pir=
maſens
kritiſiert. Das Foreign Office behauptet, daß Frankreich
in mehr als einem Falle Perſonen mit Strafen belegt habe, die
im Laufe der Unterſuchung Clives gegen die franzöſiſchen Be=
hörden
Zeugnis abgelegt hätten. Das Foreign Office ſei ſogar
nicht weit davon entfernt, zu verlangen, daß den Delegierten der
Rheinlandkommiſſion die Befugnis entzogen werde, Ausweiſun=
gen
vorzunehmen. Das Foreign Office ſchlage deshälb ent=
ſprechende
Maßnahmen vor. Schon mache ſich die Wirkung der
Londoner Kritik in der Pfalz geltend. Die Korreſpondenten eng=
liſcher
und franzöſiſcher Blätter berichteten von zunehmender
Franzoſenfeindlichkeit. Es ſei die Pflicht des franzöſiſchen Mini=
ſteriums
, koſte es, was es wolle, dieſe gefährliche Stimmung zu
beſeitigen. Wenn franzöſiſche Beamte in der Vergangenheit Irr=
tümer
oder Unvorſichtigkeiten begangen hätten, dann müſſe man
dieſe zurechtweiſen. Man müſſe aber auch betonen, daß die Leiter
der Organiſation ihre Autorität aufrecht erhalten müßten, die
ihnen übertragen worden iſt.
Deutſch=polniſche Konferenz.
Genf, 24. Febr. (Wolff.) Das deutſch=polniſche Schiedsgericht,
deſſen Verhandlungen bis Ende Dezember 1923 in Paris ſtattgefunden
haben, tritt am Dienstag, 26. Februar, zu einer Beratung in Genf zu=
ſammen
, die etwa eine Woche dauern wird und in erſter Linie der
Frage gilt, inwieweit der polniſche Staat verpflichſtet iſt, die Verträge
des Preußiſchen Staates mit den Domänenpächtern einzuhalten. Dev
deutſche Schiedsrichter, der frühere Reichsminiſter Heinze, iſt heute hier
eingetroffen. Polniſcher Schiedsrichter iſt Profeſſor Naſitkiewicz, Prä=
ſident
des Schiedsgerichts iſt der Genfer Profeſſor Paul Moriaud.
Nachdem die am 11. Februar eröffneten deutſch=polniſchen Verhand=
lungen
mit Ausnahme der erſten Vollſitzung ausſchließlich Kommiſſions=
beratungen
zum Gegenſtand hatten, fand heute zum erſten Male eine
offizielle Sitzung der beiden bevollmächtigten Staatsſekretäre Lewald
und Kusninsky ſtatt. Es wurde beſchloſſen, am nächſten Dienstag oder
Mittwoch wieder eine Vollſitzung der Konferenz abzuhalten, in der das
Ratsmitglied Suſa=Dantas (Braſilien) den Vorſitz führen wird.
Trotzdem von allen beteiligten Stellen ſtrengſtes Stillſchweigen über
den bisherigen Verlauf und die Ausſichten der deutſch=polniſchen Kon=
ferenz
gewahrt wird, muß doch damit gerechnet werden, daß die Ver=
handlungen
entgegen früheren Erſartungen bis in den März hinein
dauern werden, wahrſcheinlich bis zur Tagung des Vülkerbundsrates,
der am 10. März beginnen ſoll und auf der der Präſident der Konfe=
wird
. Ueber die bisherigen Kommiſſionsarbeiten der deutſch=polniſchen
Ueber die bisherigen Kommiſſionsarbeiten der deutſch =polniſchen
Konferenz erfährt man, daß beide Parteien, ohne daß noch ein erſter
Entwurf vorliegt, verſuchten, zu verſchiedenen einheitlichen Formulie=
rungen
für das geplante deutſch=polniſche Abkommen zu gelangen. Die
Verhandlungen erſtreckten ſich dabei auf die Erwerbung der polniſchen
Staatsangehörigkeit durch die früheren Deutſchen, die Feſtſtellung der
hierfür maßgebenden Begriffe des Wohnſitzes, die Möglichkeit des dop=
pelten
Wohnſitzes und die Frage, ob der Wohnſitz in den nunmehr pol=
niſchen
Gebieten in der Zeit von 19081920 unterbrochen werden durfte
oder nicht, und endlich auf die praktiſche Anwendung des vom Völker=
bund
angenommenen Rechtsgutachtens.
Sowjetrußland und Japan.
Paris, 24. Febr. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Tokio hat der Vertreter der ruſſiſchen Sowjet=Preſſeagentur
Roſta Befehl erhalten, von Tokio abzureiſen, während die Ver=
treter
japaniſcher Blätter in Moskau von der Regierung entſpre=
chende
Anweiſung erhalten haben, Moskau zu verlaſſen; anderer=
ſeits
haben die Ruſſen dem japaniſchen Konſul in Wladiwoſtok
ſeine Exequatur entzogen und lehnen es ab, die japaniſche Poſt
durch Sibirien durchzulaſſen.

*Konzerte.
F. N. Das zweite Konzert des Darmſtädter Kammer=
orcheſters
unter Leitung von Auguſt Vogt fand im Kleinen
Haus des Landestheaters ſtatt, und damit hat dieſer gutpropor=
tionierte
Klangkörper einen Raum gefunden, in dem ſeine Vor=
züge
und ſein Können aufs vorteilhafteſte wirken. Beſonders
das Streichorcheſter, das in der Vortragsfolge ſtark bevorzugt
war, iſt vorzüglich abgetönt und ſpielt mit großer Sicherheit,
Genauigkeit und ſtarker Beachtung des Willens ſeines Leiters,
wodurch alle Werke zu lebendiger Wirkung gelangen.
Ein großzügiges Concerto grosso von Händel leitete ein.
In ihm ſteht der Komponiſt ganz auf dem Boden der älteren
italieniſchen Orcheſtermuſik, die ſich auf Streichorcheſter mit
Cembalo und ebenfalls Streicherſoliſten beſchränkt, während die
deutſchen Komponiſten gerne Bläſer hinzuzogen. Ebenfalls für
Streichorcheſter geſchrieben iſt die umfangreiche Suite von Georg
Philipp Telemann, dem Modekomponiſten der Bach=Zeit, der
in kurzen, aber ſcharf ausgeprägten Charakterſätzen eine Kunſt
vertritt, die Volkstümlichkeit, Geiſt und vollendete Beherrſchung
alles Techniſchen in ſich verbindet. Kein Wunder, daß dieſe
leichte und doch wertvolle Koſt damals ſo beliebt wurde. Auguſt
Vogt hat die auf der hieſigen Landesbibliohtk mit noch vielen
anderen ſchlummernde Partitur aufführungsfertig gemacht und
dabei feines Verſtändnis, für den Stil jener Zeit bewieſen.
In dem Konzert in C=Moll für zwei Klaviere von Bach ſpielten
die Damen Mathilde Neeff und Guſſy v. Bellersheim
mit gereifter Technik und ſchönem Vortrag. Das Orcheſter be=
gleitete
ſehr diskret, an einigen Stellen faſt zu rückſichtsvoll. Die
friſche Sinfonie mit dem Bärentanz von Haydn bildete den
Schluß. Auch die Bläſer, durch einige Herren vom Landes=
theater
=Orcheſter verſtärkt, hielten ſich recht gut, wenn auch
dilettierende Spieler auf den Blasinſtrumenten oft nicht an den
Ausbildungsgrad der Streicher heranreichen.
Herr Vogt bewies durch die ſichere techniſche Beherrſchung
des Orcheſters und durch das ſtarke Maß uon künſtleriſcher
Uebertragungsfähigkeit auf die Ausführenden aufs neue ſein
ganz ungewöhnliches Dirigententalent. Intereſſant war in der
zehnſätzigen Telemann=Suite die Genauigkeit, mit der er das
Tempo jedes Satzes erfaßte, wodurch er Schwankungen, die bei
Dilettanten bei häufigem Tempowochſel leicht eintreten, faſt
völlig vermied. Im erſten Satz der Sinfonie wurde der Cha=
rakterunterſchied
der beiden Themen durch eine für Haydn faſt

zu große Veränderung des Zeitmaßes unterſtrichen, wogegen
in der Folge Menutt Trio Menuett die Satzabſchnitte zu
ſehr verſchwanden. Wir ſind davon überzeugt, daß Auguſt
Vogt den Marſchallſtab des Dirigenten im Torniſter trägt. Das
Haus war ſehr gut beſucht und die Anerkenung für die treff=
lichen
Leiſtungen und die intereſſante Vortragsfolge ſtark.
*
W. In der Sonntagmorgenmuſik des Herrn Oberregierungs=
rats
Grospietſch ſang Fräulein Marg. Albrecht Lieder von
Peter Cornelius, dem feinen, viel zu wenig bekannten Dichter=
komponiſten
und Hugo Wolf. Ein ſtilvolles, ſchlicht=vornehmes
Programm, für deſſen Auswahl der jungen Künſtlerin beſonderer
Dank gebührt.
Zunächſt bot Fräulein Albrecht drei kleine Lieder von Cor=
nelius
: Untreu, Ein Ton und Schmetterlingslied. Dann folgte
der Brautliederzyklus, mit dem uns Fräulein Albrecht in eine
beſſire Welt entrückte, eine Welt, in der Gefühlswerte höher im
Kurs ſtanden, als heute. Um die Jahrhundertwende wurden die
Lieder viel geſungen und bewundert. Sie verlangen tiefe ſee=
liſche
Einſtellung und großes Ausdrucksvermögen. Der reiz=
volle
, hohe Sopran der Künſtlerin kam dem Vortrag ſehr zu
ſtatten, beſonders die erſten drei Lieder: Myrtenreis‟. Der
Liebe Lohn und als ſchönſtes Vorabend kamen prachtvoll zur
Geltung, die übrigen drei waren weniger ſeeliſch bewegt. Dann
folgten Lieder von Hugo Wolf nach Texten von Heyſe, die dem
Ausdrucksvermögen der jungen Sängerin zum Teil überraſchend
gut lagen, wie Auch kleine Dinge können uns entzücken Du
glaubſt mit einem Fädchen mich zu halten und Mein Liebſter
iſt ſo klein.
Herrn Grospietſch fiel diesmal eine dankbare Aufgabe durch
die Begleitung der Lieder zu, deren er ſich mit großer Anpaſ=
ſungsfähigkeit
, auch an kleine Eigenmächtigkeiten entledigte. An
dem warmen Dank der Zuhörer nahm er mit Recht teil.
Zum Schluſſe wurden die Programme der nächſten Veran=
ſtaltungen
bekannt gegeben; als erſte der Magelone=Zyklus von
Brahms, geſungen von Herrn Hager, der durch ſein letztes Auf=
treten
im Requiem von Sgambati plötzlich aus dem Dunkel des
Nichtbekanntſeins getreten iſt, und darauf ein Wagner und Strauß
gewidmeter Morgen, dem Fräulein Werlé künſtleriſche Mitwir=
kung
verleihen ſoll.
Es iſt bewunderswert, wie unermüdlich und uneigennützig
Herr Grospietſch der Kunſt, den Künſtlern und einem großer
Kreis Muſikhungriger dient, denen Konzertſaal und Theater ver=
ſchloſſen
ſind.

Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
Uraufführung in Mannheim. Am 9. März d. J.
findet am Landestheater in Mannheim die mit großer Span=
nung
erwartete Urauführung der Oper Alceſtes von Egon
Welleſz ſtatt.
C. K. Der Gotha erſcheint weiter. Die von engl.
und franzöſ. Zeitungen verbreitete Nachricht über das Ende
des Gotha bewahrheitet ſich glücklicherweiſe nicht. Wie der
Verlag dieſes wichtigen Unternehmens, Juſtus Perthes in Gotha
mitteilt, erſcheint der Almanach de Gotha, die franzöſiſche Aus
gabe des Gothaiſchen Hofkalenders und des Diplomatiſchen Jahr=
buichs
, die den Franzoſen von jeher ein Dorn im Auge war, nadh
wie vor weiter. Die Ausgabe hat ſich nur verzögert, weil das
ſtatiſtiſche Material ſehr viel ſchwerer als früher zu beſchaffen
iſt und infolge der unſicheren politiſchen Verhältniſſe fortwährend
Veränderungen eintreten, durch die einzelne Abſchnitte veralten,
bevor ſie noch erſchienen ſind. Der neueſte Band für das Jah
1924 wird aber bald erſcheinen. Die anderen wichtigen Unter=
nehmungen
des Verlags, die Gothaiſchen Genealogiſchen Taſchen=
bücher
überhaupt, werden ebenfalls in ununterbrochener Folge
fortgeſetzt. Der Gothaiſche Hofkalender und die Taſchenbücher
der Gräflichen und Freiherrlichen Häuſer ſind für 1924 bereits
erſchienen. Das Taſchenbuch der Uradligen Häuſer folgt in
einigen Monaten, während das Taſchenbuch der Briefadligen
Häuſer, das 1924 nicht erſcheint, als erſtes Taſchenbuch für 1925
herausgegeben werden wird.
* Feſtſchrift der Univerſität Königsberg
zum Kant=Jubiläum. Immanuel Kants 200. Geburts=
tag
wird von der geſamten Kulturwelt am 24. April d. J. be=
gangen
. In ganz beſonders würdiger Weiſe rüſtet ſich die
Fönigsberger Univerſität, an der Kant den größten Teil ſeines
Lebens hindurch wirkte, durch Herausgabe einer Feſtſchrift, deren
Bearbeitung der gegenwärtige Inhaber des Kant=Lehrſtuhles,
Profeſſor Dr. A. Goedeckemeyer, im Verein mit zehn anderen
Königsberger Gelehrten ſämtlicher Fakultäten beſorgt und die in
der Dieterich’ſchen Verlagsbuchhandlung in Leipzig erſcheint.
Dem hohen Zwecke der Feſtſchrift entſprechend, behandeln ihre
Beiträge dauerndes Intereſſe heiſchende Einzelfragen aus der
vielſeitigen Geiſtesarbeit des großen Philoſophen auf den
mannigfachen Gebieten der Geiſtes= und Naturwiſſenſchaften.
In würdiger und geſchmackvoller Ausſtattung wird die offizielle
Feſtſchrift den zahlreichen Verehrern Kants ein Erinnerungs=
zeichen
von bleibendem Werte ſein.

[ ][  ][ ]

Rummer 56.

Handelskammer Darmſtadt.
Sitzung vom 21. Febuar 1924.

Ein beträchtlicher Teil der Tätigkeit der Handelskammer hat ſich
wiederum auf die Steuergeſetzgebung erſtreckt. Sowohl bei dem Landes=
finanzamt
wie auch in Berlin direkt wurde gegen das in Darmſtadt
angewandte Nachveranlagungsverfahren für die Ein=
kommen
= und Körperſchaftsſteuer 1923 Stellung ge=
nommen
. Es wurde darauf hingewieſen, daß in der zweiten Steuer=
notverordnung
der Geſetzgeber ausdrücklich auf eine Veranlagung für
das Jahr 1923 verzichtet habe, da eine ſolche nicht durchgeführt werden
kann, weil aus der Menge verſchiedenartiger Zahlen des letzten Steuer=
jahres
eine brauchbare Bilanz oder Steuererklärung nicht aufgeſtellt
werden kann. Es darf nicht der klar geäußerte Wille des Geſetzgebers
durck, die Maßnahme der Finanzbehörden in ſein Gegenteil verkehrt
werden. Weiter hat eine Beſprechung des Steuerausſchuſſes der
Heſſiſchen Handelskammern zwecks Prüfung der Frage ſtattgefunden,
auf welcher Baſis die Berechnung der Gewerbeſteuer für
das Jahr 1924 ſtattfinden ſoll. Es gab hierfür nur drei Möglich=
keiten
: 1. Beibehaltung des alten Gemeindeumlagengeſetzes; 2. Zu=
grundelegung
der Lohnſteuerbeträge wie in Sachſen; 3. Anpaſſung
der Gewerbeſteuer an die Einkommenſteuervorauszahlung. Aus techni=
ſchen
Gründen kam die Durchführung der Gewerbeſteuer auf Grund
eines vollſtändig neuen Geſetzes nicht in Betracht. Von den obigen drei
Möglichkeiten entſchied man ſich unter beſtimmten Kautelen für die An=
paſſung
der Gewerbeſteuer an die Einkommenſteuervorauszahlung, wie
es auch in Preußen beabſichtigt iſt. Das Heſſiſche Finanzminiſterium
ſagte zu, einen entſprechenden Entwurf den Handelskammern ſobald wie
möglich zuzuſtellen.
Das ſeinerzeit durch Vermittelung der Handelskammer im hieſigen
Bezirk eingeführte Handelskammernotgeld iſt durch Erlaß
des Reichsfinan zminiſters zum Umtauſch aufgerufen worden. Es iſt
gelungen, die Darmſtädter Volksbank dafür zu gewinnen, daß ſie den
Umtauſch koſtenlos vornimmt. Der Darmſtädter Einzelhandel hat ſich
bereit erklärt, während der bis zum 10. März d. Js. laufenden Um=
tauſchfriſt
das Handelskammernotgeld noch in Zahlung zu nehmen.
Mit der Vereinigung Darmſtädter Banken und Bankiers haben
Verhandlungen bezüglich der Bedingungen für Renten=
markkredite
ſtattgefunden. Seitens der der Vereinigung ange=
hörenden
Banken werden im allgemeinen folgende Bedingungen in
Anſatz gebracht: Zinſen 2 Prozent über Lombardſatz der Reichsbank,
zur Zeit 14 Prozent p. A. und 11½ Prozent Proviſion pro Monat.
Bei der Poſt wurde betreffs des Rentenmarkpoſtſcheck=
verkehrs
angeregt, es möchte auch die Auszahlung in Rentenmarl
erfolgen, da ſich doch nunmehr bei ihr ein gewiſſer Fonds von Nenten=
mark
angeſammelt habe.
Die Handelskammer war vertreten auf einer Sitzung des Einzel=
handelsausſchuſſes
des Deutſchen Induſtrie= und
Handelstags am 12. Februar und des Hauptaus=
ſchuſſes
am 13. Februar 1924 in Berlin. In erſterer
Sitzung wurde hauptſächlich verhandelt über Verkaufsbedin=
gungen
der Induſtrie und des Großhandels unter dem
Einfluß der ſtabiliſierten Währung, wobei der Einzelhandel die Anſicht
äußerte, daß die unerfüllbaren Verkaufsbedingungen von verſchiedenen
Induſtrieverbänden nur durch Aufhebung der Einfuhrverbote beſeitigt
werden könnten. Weiter wurde die Vertretung des Einzel=
handels
in den Handelskammern und im Deutſchen
Induſtrie= und Handelstag beſprochen. Hierbei trat man
der Forderung nach einer öffentlich rechtlichen Organiſation des Einzel=
handels
bzw. einzelner Berufs= oder Wirtſchaftszweige außerhalb der
Handelskammern mit aller Entſchiedenheit entgegen; man wünſchte je=
doch
, daß der Einzelhandel, deſſen Vertretung in den Handelskammern
erfreuliche Fortſchritte gemacht hat, allenthalben in der Mitgliederzahl.
der Handelskammern gemäß ſeiner jeweiligen örtlichen Bedeutung zur
Geltung komme. Entſchieden ſprach man ſich dagegen aus, daß immer
noch Induſtriebetriebe und Banken Gegenſtände des täglichen
Bedarfs, vor allem Lebensmittel, kaufen und an Beamte, Ange=
ſtellte
und Arbeiter abgeben. Allgemein wurde die ſofortige Aufhebung
der Wuchergerichtsverordnung vom 13. Juli 1923 gewünſcht, und haupt=
ſächlich
gefordert, daß, ſo lange die Wuchergerichte noch beſtehen,
vor Erhebung der Anklage die zuſtändige Induſtrie= und Handelskammer
gutachtlich gehört werden müſſe, und kein Urteil ergehe ohne Anhörung
von Sachverſtändigen, die von den Berufsvertretungen dem Gericht in
jedem Einzelfalle benannt worden ſind. Außerdem ſollen die ſchweben=
den
Verfahren gegen Einzelhändler aus Anlaß von Verſtößen gegen
die Preistreibereiverordnung niedergeſchlagen und be=
reits
erfolgte Verurteilungen oder ergangene Strafbefehle rückgängig
gemacht werden. Die Hauptausſchußſitzung des Deut=
ſchen
Induſtrie= und Handelstags beſchäftigte ſich haupt=
ſächlich
mit der Neparationsfrage und der Währungslage,
wobei hauptſächlich auch Reichswirtſchaftsminiſter Hamm und Reichsbank=
präſident
Dr. Schacht ausführliche Erklärungen abgaben. Die ſich an=
ſchließenden
Verhandlungen über die dritte Steuernotver=
ordnung
und die Aufwertungsfrage führten zu dem
Wunſch, es ſei für die Aufwertung ein normaler Satz von 10 Prozent

feſtzuſetzen, von dem nur in ganz beſtimmten Fällen abgewichen werden
könne. Alle Streitigkeiten hieraus, wären durch noch einzurichtende
Schlichtungsſtellen beizulegen.
Erfahrungsgemäß haben ſich die Schwierigkeiten bezüglich der
Zollabfertigung an der Oſtgrenze des beſetzten Ge=
bietes
ſtark gehäuft. Dies hat der Handelskammer Veranlaſſung
gegeben, eine Zuſammenſtellung von Geſichtspunkten zu verfertigen,
welche bei dem Güterwechſel zwiſchen dem beſetzten und unbeſetzten Ge=
biet
zu beachten ſind. Die Zuſammenſtellung kann von der Handels
kammer bezogen oder im Bureau der Kammer eingeſehen werden. Das=
ſelbe
gilt bezüglich einer Zuſchrift der Reichsbahndirektion Mainz über
die Notwendigkeit richtiger Gewichtsangaben auf
den Frachtbriefen beim Verkehr mit dem beſetzten Gebiet, da
nur hierdurch die Nachzahlung von Frachtzuſchlägen vermieden werden
kann.
Der zuſtändige Ausſchuß des Deutſchen Induſtrie= und Handels=
tages
ſoll demänchſt Stellung nehmen zur Frage der Ausgeſtal=
tung
unſerer Sozialverſicherung. Als Ergebnis der
Stellungnahme der Handelskammer hierzu wurde dem Induſtrie= und
Handelstag mitgeteilt, abgelehnt müſſe werden, an Stelle der Sozial=
verſicherung
eine allgemeine Volksfürſorge zu ſetzen. Weiter wurde ab=
gelehnt
, die geſamte Organiſation der Sozialverſicherung zu verein=
heitlichen
. Ferner wurde eine Vereinheitlichung innerhalb der einzel=
nen
Verſicherungszweige bezüglich der Kranken= ſowie der Unfallver=
ſicherung
abgelehnt, wahrend bezüglich der Angeſtellten= und Invaliden=
verſicherung
die Möglichkeit einer Verſchmelzung der Erörterung wert
wäre. Als undurchführbar wurde bezeichnet, daß die Angeſtellten= und
Invalidenverſicherung in die völlige Selbſtverwaltung der Angeſtellten
und Unternehmer genommen werden. Weiter müſſe die Unfallverſiche=

rung in der Selbſtverwaltung der Unternehmer bleiben, alſo eine gleich=
berechtigte
Zuziehung der Arbeitnehmer auch künftighin ausgeſchloſſen
ſein. Eine Beſeitigung der Gehaltsgrenzen für die Verſicherungspflicht
bei der Krankenverſicherung wurde als untunlich bezeichnet. Auch er=
ſchien
eine Einbeziehung der Sozial= und Kleinrentner in die Kranken=
verſicherung
ausgeſchloſſen.
Die Handelskammer iſt für Wiedereinführung der Eil=
züge
im Odenwald bei der Reichsbahndirektion Mainz eingetre=
ten
, da dieſe ein Bedürfnis für Handel und Induſtrie des hinteren
Odenwaldes ſind.
Das Frankaturverfahren im Eiſenbahngüter=
verkehr
iſt beabſichtigt reſtlos aufzuheben. Dafür ſollen ſämtliche
Frachten erſt durch die Empfangsſtation erhoben werden. Ein Teil der
von der Handelskämmer befragten Induſtrien iſt damit einverſtanden,
es müſſe jedoch der Güterverkehr mit der Regiebahn im beſetzten Ge=
biet
ausgenommen werden. Ebenſo muß eine Ausnahme bei Liefe=
rungen
über See, wo häufig frachtfreie Lieferung nach dem Seehafen
vorgeſchrieben iſt, platzgreifen. Aus Handelskreiſen dagegen wurde
geltend gemacht, daß man ſich von dem geplanten Verfahren bedenkliche
Nachteile verſpreche. Für eine reſtloſe Aufhebung des Frankaturver=
fahrens
könnte daher nicht eingetreten werden.
Bezüglich der Frachtberechnung bei Sendungen aus
dem beſetzten Gebiet hat die Handelskammer angeregt, daß ab
Uebergangsſtation ſeitens der Deutſchen Eiſenbahnverwaltung nicht der
Mindeſtſatz, ſondern die tatſächliche Kilometerzahl in Anrechnung ge=
bracht
werden möge, da ſonſt für viele Sendungen eine außerordentliche
Frachtverteuerung eintrete. Die Handelskammer hat weiter angeregt,
daß auf den Uebergangsſtationen ins beſetzte Gebiet, im Falle einer,
uus zolltechniſchen Gründen notwendigen Lagerung, das Lager= bezw.
Standgeld ermäßigt werden möchte. Nach Lage der Dinge iſt die Ein=
führung
einer lagergeldfreien Friſt von mindeſtens zehn Tagen not=
wendig
, um eine Schädigung der Bewohner des beſetzten Gebistes zu
vermeiden. Die Eiſenbahnberwaltung muß ihr möglichſtes tun zur Er=
leichterung
der Lage der Bevölkerung des beſetzten Gebietes.
Bezüglich der Umarbeitung der Reichsbahngüter=
tarife
wurde neben der Gewährung von Seehafenausnahmetarifen,
auch die Einführung von Ausnahmetarifen für den Export überhaupt,
alſo auch über die Reichsgrenzen vorgeſchlagen. Empfohlen wurde, es
möchten, ähnlich wie dies früher geſchah, die Landeseiſenbahnräte in
derartigen Tariffragen gehört werden.
Nachdem durch den Perſonalabbau eine Verminderung der
Ortsbriefbeſtellungen von drei auf zwei werktäglich ſtattge=
funden
hat, hatte ſich eine Anzahl von Mißſtänden ergeben, welche in
einer Ausſprache mit den Poſtämtern 1 und 2 erörtert wurden. Lei=
der
konnte eine Wiedereinführung der drei Briefbeſtellungen nicht er=
reicht
werden. Dagegen erklärte ſich die Poſtverwaltung bereit, die
Nachmittagsbriefbeſtellung ſo frühzeitig als nur irgend möglich ſtattfin=
den
zu laſſen. Gleichzeitig wurde zugeſagt, es ſollten die Intereſſenten
darauf hingewieſen werden, daß ſie eilige Briefſchaften beim Poſtamt 1
abholen könnten. Eine dementſprechende Veröffentlichung hat ſeitens
der Poſtverwaltung ſtattgefunden. Hiernach wird die Abendpoſt von
Norddeutſchland (Berlin, Hamburg, Leipzig uſw.) nicht mehr um
11 Uhr, ſondern erſt um 2¾ Uhr abgetragen. Dieſe Briefſchaften kön=
nen
während der Schalterſtunden, 812½ und 1½/6 Uhr, beim Poſt=
amt
1 abgeholt werden, nachdem die vorgeſchriebene Abholungserklä=
rung
abgegeben worden iſt. Die Sendungen aus den Poſten, die
abends, nachts und früh morgens eingehen, ſtehen bei Schalterbeginn
zur Abholung bereit, die Sachen aus den tagsüber einlaufenden Poſten
ſpäteſtens eine Stunde nach dem Eingang beim Poſtamt 1. So kön=
nen
beiſpielsweiſe die um 10 Uhr eingehenden Briefſendungen aus
Norddeutſchland um 11 Uhr abgeholt werden.

Mehr Pflege der ſpaniſchen Sprache.
Frankfurt a. M. Auf Einladung der Deutſch=Spaniſchen Ge=
ſellſchaft
e. V., Frankfurt a. M., fand kürzlich eine Sitzung von Dozen=
ten
der Frankfurter Univerſität, Direktoren und Studienräten der
Höheren Schulen ſowie ſonſtigen Intereſſenten der ſpaniſchen Sprache
ſtatt, die über die Möglichkeit der Einführung des ſpaniſchen Unter=
richts
an höheren Schulen berieten. Es wurde dabei einſtimmig die
Notwendigkeit anerkannt, den ſpaniſchen Sprachunterricht in Deutſch=
land
mehr als bisher zu pflegen. Die Vertreter der Frankfurter
Schulbehörden verſicherten ihr Intereſſe an der behandelten Frage und
betonten, daß für eine Schule, nämlich die Merton=Oberrealſchule, die
obligatoriſche Einführung des Spaniſchen bereits beim Miniſterium be=
antragt
ſei. Eine ſtattliche Anzahl von Lehrern widme ſich ſchon jetzt
dem Studium der ſpaniſchen Sprache, ſo daß auch für eine Einführung
des Spaniſchen an anderen höheren Schulen genügend Lehrkräfte vor=
handen
ſind. Es iſt zu erwarten, daß mit dieſen Beſchlüſſen der An=
fang
einer Entwicklung gemacht wird, die für die Annäherung des
deutſchen Volkes an die ſpaniſch ſprechenden Völker von größter Wich=
tigkeit
werden wird.

Roggen=Spende des Kreiſes Malmedy.
Wiesbaden. Der Verband der landwirtſchaftlichen Vereine des
Kreiſes Malmedy, früher zu Deutſchland, jetzt zu Belgien gehörig,
hat dem Charitasverband Wiesbaden 100 Zentner Roggenmehl zur
Linderung der Not geſchenkweiſe überwieſen.
Schlägerei mit tötlichem Ausgang.
Berlin. Am Samstag früh geriet der 32 Jahre alte Kürſchner=
meiſter
Pletſch in ſeinem Laden mit ſeinem Freunde, dem Likörrei=
ſenden
Barth, mit dem er die Nacht gezecht hatte, in Streitigkeiten,
die ſchließlich in eine ſchwere Schlägerei ausarteten. Auf die Hilferufe
des Pletſch eilte ſein bei ihm wohnender Laufburſche herbei und gab
auf Barth zwei Schüſſe ab, die dieſen ſofort töteten. Der Tater
wurde feſtgenommen.
Verbotene Lotterien.
Zurzeit wird in Inſeraten und in brieflichen Angeboten zum Spiel
in der Hamburger Staatslotterie aufgefordert, zum Teil unter Weg=
laſſung
der Bezeichnung Hamburger, ſo daß der Anſchein geweckt
werden kann, als handle es ſich um die Preußiſche Staatslotterie. In
Preußen und in den übrigen an der preußiſch=ſüddeutſchen Klaſſenlot=
terie
beteiligten Landern das iſt in allen deutſchen Ländern, mit
Ausnahme der Freiſtaaten Sachſen und Hamburg iſt das Spielen
in der Hamburger Staatslotterie und ebenſo auch in der ſächſiſchen
Landeslotterie geſetzlich verboten und unter Strafe geſtellt. Das
Gleiche gilt von dem Verkauf und dem Anbieten ſolcher Loſe. Gegen
Zuwiderhandlungen wird unnachſichtlich vorgegangen. Erlaubt iſt nur
das Spiel in der Preußiſch=ſüddeutſchen Klaſſenlotterie. Die Ziehung
1. Klaſſe der nächſten 23./249. Preußiſch=ſüddeutſchen Klaſſenlotterie, in
zeitgemäß umgeſtaltetem neuem Gewande mit nur Rentenmark=( Gold=
mark
=Gewinnen, findet am 7. März 1924 ſtatt. Loſe und Gewinnpläne
können bei allen Staatlichen Lotterieeinnahmen bezogen werden.
Eisnot.
Kiel. Die Marineſtation Oſtſee teilt mit: Durch die in der mitt=
leren
Oſtſee herrſchenden ſtürmiſchen Weſt= und Nordweſtwinde iſt die
Lage der im Eis eingeſchloſſenen Dampfer gefährdet worden, da ſie teil=
weiſe
mit dem aufgebrochenen Eis, ohne ſich herausarbeiten zu kön=
nen
, ins Treiben geraten ſind. Notſignale auf drahtloſem Wege ſind
eingelaufen. Die Braunſchweig wird ſofort nach beſchleunigter Koh=
lenübernahme
auslaufen, um den bedrängten Schiffen Hilfe zu brin=
gen
. Für die Hilfeleiſtung kommen nur ſtarke Eisbrecher oder Linien=
ſchiffe
in Frage, von denen aber zurzeit nur ein einziges, die Braun=
ſchweig
fahrtbereit iſt.
Ein engliſcher Nordpolflug geplant.
Paris. Der Londoner Temps=Berichterſtatter behauptet zu
wiſſen, daß die engliſche Regierung die Eroberung des Nordpoles auf
dem Luftwege beabſichtige. Bekanntlich haben die Amerikaner aus ver=
ſchiedenen
Gründen auf die Expedition der Shenandoah, die für kom=
mendes
Frühjahr geplant war, verzichtet. Die engliſche Regierung
ſcheint ſich aber von den Gefahren einer ſolchen Luftſchiffexpedition
nicht abſchrecken zu laſſen, da der engliſche Luftkreuzer R. 36 mit der
Ausfahrt nach dem Nordpol beauftragt werden ſoll. R. 36 dürfte
wie der Berichterſtatter mitteilt, Anfang Mai mit dem Kommandanten
Boothy ſeine Reiſe nach der arktiſchen Zone antreten.
Ein neuer amerikaniſcher Höhenrekord.
Wie aus Dahton (Ohio) mitgeteilt wird, hat der amerikaniſche Flie=
gerleutnant
Mac Ready geſtern einen neuen Höhenrekord von 41000
Fuß, d. i. 12 495 Meter aufgeſtellt.
Gericht über chineſiſche Piraten.
Hongkong. Der Zivilingenienr von Kanton hat dem engliſchen
Konſul mitgeteilt, daß 44 Piraten durch Erſchießen zum Tode und zwei
Frauen zu 10 Jahren Haft verurteilt worden ſind. Den Piraten wird
ein Ueberfall auf ein Schiff der Zollſtation zur Laſt gelegt.

Der K. St V. Moenania erfüllt
hiermit die traurige Pflicht, alle
A. H. A. H und V. B. V. B von dem
Hinſcheiden unſeres lb. A. H,
Herrn Ingenieur
Joſ. Redemann
Bauunternehmer
am 20. Februar in Düſſeldorf in
Kenntnis zu ſetzen. Wir werden
ſeiner ſteis in Treue gedenken.
J. A. des
Altherrnvereins Moenania
Dipl.=Ing. Hainz, Studienrat
J. A. des
aktiven Vereins Moenania
Fritzen, ing. X.

Heute nachmittag entſchlief ſanft unſere
liebe, treuſorgende Mutter, Schwiegermutter,
Schweſter und Schwägerin
deinn Schellenverg
geb. Weinrichter
Darmſtadt, Wiesbaden, Wien, 23. Febr. 1924.
In tiefer Trauer:
Eleonore Bolbach, geb. Schellenberg
Alfred Schellenberg, Bankprokuriſt
Mathilde Schellenberg
Georg Bolbach, Rechnungsrat
Alfred Schellenberg, Architekt
Familie Prof. Holzer.
Die Beerdigung findet Dienstag, den 26. Februar,
10), Uhr vormittags, am Waldfriedhof ſtatt.
Von Beileidsbeſuchen bitte abzuſehen. (2257

Allen Verwandten und Be=
annten
die traurige Mitteilung,
daß mein lieber Mann, unſer lieber
Vater, Schwiegervater, Groß=
vater
, Bruder, Schwager und Onkel
Suloo Kallent
Schutzmann und Ratsdiener i. R.
heute morgen im 77. Lebensjahre
nach kurzer Krankheit ſanft ent=
ſchlafen
iſt.
Alsbach a. d. B., 23. Febr. 1924.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Die Beerdigung findet Dienstag
den 26. Febr., nachmittags 8 Uhr,
in Alsbach ſtatt.

Todes=Anzeige.
Heute früh. 5½ Uhr verſchied
nach langem ſchweren Leiden im
63. Lebensjahre mein lieber Mann.
unſer treuſorgender Vater, Schwie
gervater und Großvater
Konrad Seibel.
Darmſtadt, Ruthsſtraße 19,
Nockenberg, den 23. Febr. 1924,
Die tieftrauernden Hinterbliebenen:
Margarethe Seibel. geb. Schlegelmilch.
Die Beerdigung findet Dienstag,
den 26. Febr., nachm. 2 Uhr, vom
Portale des alten Friedhofs, Nied.=
Namſtädterſtraße, aus ſtatt. (2254

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Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 25. Februar 1924.

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Bekanntmachung.
Nach dem Geſetz vom 21. Januar
1924 über eine außerordentliche
Steuer vom Gewerbebetrieb iſt von
dem Steuerwert des gewerblichen An=
lage
= und Betriebskapitals (mit Aus=
nahme
des land= und forſtwirtſchaft=
lichen
), der nach Artikel 1 des Finanz=
geſetzes
für das Rechnungsjahr 1923 der
Gewerbeſteuer unterliegt, eine einmalige
außerordentliche Staatsſteuer zu
entrichten. Die außerordentl. Steuer
beträgt von je 100 Mark Steuer=
wert
3 Goldpfennige. Die Steuer
wird nicht erhoben, wenn der Steuer=
wert
des Anlage= und Betriebskapitals
den Betrag von 10000 Mark nicht er=
reicht
. Für die Umrechnung dieſer Gold=
ſchuld
in Papiermark gilt der für den
Tag der Zahlung jeweils bekanntge=
machte
Goldumrechnungsſatz für Reichs=
ſteuern
.
Beiſpiel: Der Steuerwert ſei 40000
Mark; die Steuer beträgt 12 Goldmark
oder z. Zt. 12 Billionen Papiermark.
Steuerbeſcheide werden nicht ausge=
fertigt
, jedoch ſollen den Pflichtigen kurze
Benachrichtigungen zugehen. Zahlung
iſt ohne weitere Aufforderung
ſpäteſtens am 5. März 1924 an die
zuſtändige Finanzkaſſe oder Unter=
erhebſtelle
zu leiſten, auch dann,
wenn die erwähnte Benachrichtigung
einem Steuerpflichtigen nicht zugegangen
ſein ſollte. Im Falle des Zahlungsver=
zugs
muß die Beitreibung eingeleitet
werden, außerdem ſind Zuſchläge in Höhe
von 5 v. H. des Rückſtandes für jeden
auf den Zeitpunkt der Fälligkeit folgen=
den
angefangenen halben Monat zu
entrichten.
Da Steuerwert und Steuerpflicht ſeſt=
ſtehen
, ſo ſind Rechtsmittel dagegen
nicht gegeben. Einwendungen gegen die
Berechnung der Steuer ſind an das zu=
ſtändige
Finanzamt zu richten.
Darmſtadt, den 18. Febr. 1924.
Heſſ. Miniſterium der Finanzen.
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1 Toilettetiſch. 1 Ruhebett, 2 Sofas.
3 Kleiderſchränke, zweitürig, 4
Kleiderſchränke, eintür., 2 Kommoden,
6 T7 Tiſche, 1 Ovaltiſch, 8 Rohrſtühle,
2 Ctageren, 1 Peddigrohr=Garnitur, 1
Korbgarnitur, 1 Konſoleſpiegel:
2 Herrenſchreibtiſche, 1 kleiner
Kaſſenſchrank;
1 Kücheneinrichtung, 2 Küchen=
ſchränke
, 1 Wandgasbadeofen, 2 Zink=
badewannen
, Bilder, Spiegel, Glas,
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Beſichtigung: Mittwoch v. 25 Uhr.
Darmſtadt, den 25. Febr. 1924.

Amtsgerichtstaxator.

[ ][  ][ ]

Rummer F6.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 25. Februar 1924

Seite 5.

dr nen.

Fußball.
Sp.=V. Darmſtadt T.= u. Sp.=V. Mannheim=Feudenheim 3:1.
e. Kalter Wind wehte am geſtrigen Sonntag über die Sport=
plätze
am Böllenfalltor, als der Schiedsrichter, Herr Wein=
gärtner
aus Offenbach, zum Spiel anpfiff, bei dem ſich die Liga=
Elf des Sportvereins Darmſtadt der Liga=Mannſchaft des Turn=
und Sportvereins Mannheim=Feudenheim in der Pokalrunde
des Süddeutſchen Fußballverbandes gegenüberſtanden. Schon
von Anbeginn des Spiels war zu bemerken, daß auch heute
wieder den Darmſtädtern abermals eine harte Aufgabe bevor=
ſtand
. Die Gegner, auf die die Einheimiſchen im weiteren
Verlauf der Pokalrunde ſtoßen, ſind kampferprobte und tüchtige
Mannſchaften. Sie zu bezwingen, ſetzt ein nicht ungewöhnliches
Maß von Können voraus. Daß trotzdem auch heute wieder der
Sportverein Darmſtadt die Oberhand behielt, beſagt etwbas.
Wenn auch die Feudenheimer etwas enttäuſchten, ſo wird der
Wille, mit dem dieſe Mannſchaft ihr heutiges Spiel unter allen
Umſtänden gewinnen wollte, gerne Anerkennung finden. Doch
mußte die Art, wie ſie um den Erfolg kämpfte, befremden.
Das fortwährende laute Auflehnen gegen den Schiedsrichter bei
einflußreichen Entſcheidungen, die Mätzchen, die ſich Lipponer,
die Seele der auswärtigen Mannſchaft, und ein Verteidiger er=
laubten
, waren nicht gerade ſportlich zu nennen. Wenn ſich
erſterer u. a. im Strafraum hinfallen läßt, um einen Elfiniezer
zu erzwingen, und letzterer vor dem Tor der Mannheimer ſich
mit dem ganzen Körper am Boden auf den Ball legt und ihn
feſthält, um den ſicheren Erfolg ſeines Gegners zu verhindern,
ſo bedeuten dies Vorkommniſſe, die mehr als durchſichrig er=
ſcheinen
, wenn es auf reelle Weiſe nicht gelingen will. Den
Leiſtungen eines Laumann und des Darmſtädter Innenſturms
waren ſie nicht gewachſen. Dem Strafſtoß, den Müllmerſtadt
wie aus einer Piſtole geſchoſſen ins Tor jagte, wie Becker,
Bärenz, Müllmerſtadt beim Durchbruch trotz zahlreicher Verteidi=
gung
ein weiteres Tor erzielten und wie ihr Torwächter einen
haarſcharf getretenen Eckball Fricks als Tor gelten laſſen muß,
was ſie auch noch ſtreitig zu machen ſuchten, ſolchen Leiſtungen
hatten ſie nichts gegenüberzuſtellen. Ihr einziger Erfolg, bei
dem Lipponer durch einen Fehler der Darmſtädter Hinter=
mannſchaft
das Ehrentor erzielte, ſoll ſie trotzdem nicht im
ſchlechteſten Lichte erſcheinen laſſen. Aber eins mußte auch
heute wieder der größte Neider zugeben: daß ſich die Einhei=
miſchen
beſſer durchzuſetzen verſtanden. Darin hatte ihr Gegner
unbedingt ein Minus beim ganzen Spiel. Der Erfolg der
Hieſigen war verdient und kennzeichnete das Stärkenverhältnis
beider Mannſchaften. Der Schiedsrichter war ſehr gut, doch
wäre einige Male ein ſchärferes Durchgreifen am Platze ge=
weſen
. Der gegewärtige Stand der Einheimiſchen in den
Pokalſpielen iſt ſehr günſtig. Auch außerhalb wirft derſelbe
das beſte Licht auf die Leiſtungsfähigkeit der Darmſtädter Fuß=
baller
. Noch nie hatte ein einheimiſcher Sportverein mit einer
Fußballmannſchaft derartige Erfolge aufzuweiſen. Kurz hinter=
einander
wurden vier ſchwere Gegner des Rheinbezirks von
den Darmſtädtern einvandfrei aus der Pokalrunde 1924 aus=
geſchifft
. Nur noch fünf Vereine in dieſem Bezirk, dem größten
im Süddeutſchen Fußballverbande, ſind teilnahmeberechtigt.
Darunter der Sportverein Darmſtadt. Noch zwei Treffen, un=
günſtigenfalls
noch drei, bei keinem Freilos, ergibt den Rhein=
bezirks
=Pokalmeiſter für 1924. Wünſchen wir der wackeren Elf
und der tüchtigen Leitung des Sportvereins auch bei dieſen
Spielen noch den beſten Erfolg. Zu welcher Leiſtungsfähigkeit
ſich die Liga=Mannſchaft dieſes Vereins emporgerungen hat,
kennzeichnet die Tatſache, daß dieſe Mannſchaft ſeit der Sport=
woche
1923 gegen Kickers Offenbach auf ihrem eigenen Platze
nicht ein einziges Spiel weder unentſchieden geſpielt noch ver=
loren
hat. In den diesjährigen Verbandsſpielen, bei den ſie
mit Mannheim=Sandhofen gleiche Punktzahl hat, hat ſie gegen
Olympia Lorſch am 7. Oktober 1923 das letzte Spiel auf aus=
wärtigem
Platze verloren. Daß ſie dieſe Scharte wieder aus=
merzen
wird, wird vielleicht das Spiel am kommenden Sonntag
in Darmſtadt gegen dieſen Verein zeigen.
Spielvergg. 1921 F. V. Mörfelden T, 6:1 (1:1).
Sonntag nachmittag ſtanden ſich auf dem Sportplatze an der
Windmühle vorgenannte Mannſchaften zu einem Privatſpiel
gegenüber. Darmſtadt hat Anſtoß, findet ſich aber vorerſt nicht
zuſammen. Ein Durchbruch Mörfelden führt zu einem Eckball,
welcher nichts einbringt. Kurz darauf kann ſie durch ihren Mittel=
ſtürmer
in Führung gehen. Es gelingt ihnen nochmals, einen
Eckball zu erzielen, der neben der Torlatte landet. Nun taut die
Spielvereinigungsmannſchaft auf, kann aber außer zwei Eck=
bällen
nichts erreichen. Bald darauf ſtellt der Mittelſtürmer
Darmſtadts das Ergebnis auf 1:1. So geht es in die Pauſe.
Nach der Pauſe läßt die Spielvereinigungsmannſchaft ihren
Gegner nicht mehr zum Schuß kommen. Es folgen Durchbrüche
auf Durchbrüche, welche auch von Erfola gekrönt ſind. Drei
Tore ſind die Ausbeute, die der Halbrechte, Mittelſtürmer und
Halblinke erzielen. Weitere Eckbälle bringen nichts ein. Kurz
vor Schlußpfiff kann Darmſtadt nochmals zwei Tore erringen.
Mörfelden mußte ſich diesmal mit einem Ehrentor zufrieden
geben.
Weitere Ergebniſſe:
Germauia Frankfurt Helvetia Frankfurt 3: 2.
Union Niederrad Helbetia Frankfurt 4 : 2.
V. f. R. Frankfurt Boruſſia Frankfurt 1:0.
Sportfreunde Frankfurt Sp.=V. 07 Heddernheim 0:1.
Phönix Ludwigshafen Germania Ludwigshafen 6:0.
T.=G. Ludwigshafen V. f. B. Zweibrücken 3: 1.
T.= u. Sp.=V. Höchſt F.=V. Saarbrücken 1:1.
Sp.=V. Wiesbaden 05 Trier 2:0.
Saar Saarbrücken Sulzbach 6:0.
Alemannia Worms F.=Cl. Idar 1: 1.
St. Ingbert 09 Neunkirchen 3: 2.
2. Hauptrunde der Pokalſpiele im Mainbezirk:
Kickers Offenbach Olympia Frankfurt 4: 1.
Viktoria Aſchaffenburg Hanau 93 4:0.

Turnen.
Hochſchulwetturnen.
Es iſt gewiß kein Zufall, daß in unſerer Zeit vaterländiſcher
Not immer wieder mit allem Nachdruck auf die Pflege der Leibes=
übungen
als eines wichtigen Volkserziehungs= und Ertüch=
tigungsmittels
hingewieſen wurde. Jeder weiß, daß ein durch
planmäßige Uebung, Kräftigung und Abhärtung geſtählter Kör=
per
Grundlage und Vorausſetzung bietet für einen friſchen Geiſt,
für Selbſtvertrauen, Mut und ſittliche Kraft, für Selbſtzucht, Ein=
und Unterordnung zu einem gemeinſamen Gedanken, für treue,
unverbrüchliche Vaterlandsliebe, kurz: Wehrhaftigkeit im wei=
teſten
Sinne des Wortes beim Einzelnen wie beim ganzen
Volke. Uind mit vollem Recht leitet man daraus ab, daß das
Turnen, die Leibesübungen wie kein anderes Mittel die Vor=
bedingung
bilden für den Aufſchwung eines Volkes zu höchſten
geiſtigen wie wirtſchaftlichen Leiſtungen.
Wie tief der Gedanke der körperlichen Ertüchtigung in den
ſtudentiſchen Kreiſen Eingang gefunden und feſte Wurzel gefaßt
hat, zeigte das Hochſchulwetturnen. Es war nicht gedacht
als eine Wettkampffeier, ſondern vielmehr als eine Propaganda=
veranſtaltung
größeren Stils. Sie ſollte gerade auch in der
Studentenſchaft neuen Anreiz und neues Verf' ndnis erwecken
für den Wert und die Bedeutung des Turnens und für die Ar=
beit
der Studentenſchaft und nicht minder des Lehrkörpers der
Hochſchule mit dem Ziele, daß die Leibesübungen Pflicht jedes
Studenten werden müſſen.
Eine wohlverdiente Ehrung leitete die Wettkämpfe ein. In
begeiſterten Worten ſprach Herr Stadtſchulrat Schmuck kurz
über den Wert der Leibesübungen für die akademiſche Jugend
in Vaterlands Not, und überreichte dann Herrn Profeſſor Dr.
Finger von der Techniſchen Hochſchule für ſeine langjährige,
verdienſtvolle Tätigkeit für Vereinsweſen und Hochſchulſport den
Ehrenbrief der Deutſchen Turnerſchaft. Herr Profeſſor Dr. Pe=
terſen
von der Techn. Hochſchule wurde wegen ſeiner rührigen
Mitarbeit für die Förderung der Leibesübungen an der Hoch=
ſchule
zum perſönlichen Mitglied des Deutſchen Reichsausſchuſſes
für Leibesübungen ernannt.
Die nun folgenden Wettkämpfe zeigten, daß die Studenten=
ſchaft
der Arbeit dieſer Herren alle Ehre machte. Die erfreulich
große Beteiligung (138 gegen 24 Wettkämpfer im Vorjahre)
brachte zwar einige Unregelmäßigkeiten in die im Programm
vorgeſehenen Zeiten, gewährte dafür aber auch eine äußerſt
reiche und vielſeitige Abwechslung in der Turnfolge, die ſich
unter der bewährten Leitung des Dipl.=Turn= und Sportlehrers
Söllinger flott und muſtergültig abwickelte.
Der Uebungsausſchnitt eines Turnabends mit Gymnaſtik,
Geräteturnen, Hallenathletik, Kampfſport und Spielen bot den
Zuſchauern einen intereſſanten Einblick in den flotten und leb=
haften
Turnbetrieb an der Hochſchule, wie er ſich geſtalten könnte,
wenn eine eigene Turnhalle vorhanden wäre. Hervorzuheben ſei
hier beim Kampfſport das Medizinballwerfen, eine ganz neue
Uebungsart, die bei genügendem Raum treffend durchbildend iſt,
ferner die gymnaſtiſchen Uebungen, deren Vorführung der Darm=
ſtädter
S. C. erfreulicherweiſe übernommen hatte. Die Meiſter=
ſchaftskämpfe
für Ober= und Unterſtufe zeigten in den gutgewähl=
ten
Pflicht= und Kürübungen an Reck, Barren und Pferd, ſowie
in den Freiübungen famoſe Leiſtungen. Sieger in der Oberſtufe
wurde Herr Hoffmann (Wingolf) mit 69 Punkten.
Ganz beſonderes Intereſſe wurde dem Korporationsmann=
ſchaftswetturnen
an fünf Barren für Ober= und Unterſtufe ent=
gegengebracht
, das zum erſten Male in dieſer Art ausgetragen
wurde. Auch hier war die Arbeit der Korporationen muſtergül=
tig
, wenngleich auch das Zuſammenwirken der Mannſchaft an
den Geräten noch etwas gleichmäßiger ſein muß. Von den 13
Korporationen, die da in edlem Wettſtreit um die Siegespalme
rangen, ſeien beſonders die beiden Turnverbindungen Aleman=
nia
und Ghibellinia erwähnt. Beſonders letztere, die ſchon
beim Waldlauf hohe ſportliche Leiſtungsfähigkeit zeigte, bewies
auch hier, daß ſie als Korporation wirklich Erſtklaſſiges zu leiſten
imſtande iſt. Sie gewann in der Ober= und Unterſtufe den
1. Preis und damit die Meiſterſchaft.
Von den weiteren Faktoren, die viel zum Gelingen des
Feſtes beitrugen, ſeien genannt: das mit viel Spannung erwar=
tete
Boxen, von drei Paaren in je einer Runde vorgeführt, ferner
das Florettfechten unter Leitung des Fechtmeiſters Kayſer,
einem geſunden Sport, dem an der Hochſchule noch breiterer
Raum gewährt werden ſollte.
Das Turnen der Beſten am Reck mit ganz ausgezeichneten
Leiſtungen bildete das Ende der Turnfolge. Die herzlichen
Schlußworte von Herrn Prof. Dr. Peterſen wurden von den
Anweſenden dankbar aufgenommen, und es war wohl keiner da,
der mit den Darbietungen des Tages nicht zufrieden geweſen
wäre. Möge darum dieſe Werbeveranſtaltung auch von Erfolg
begleitet ſein!
W. M.
Schwimmen.
Vereinszweikampf Heſſen=Darmſtadt,Heſſen=Worms 8:5.
Der geſtern nachmittag im Hallenſchwimmbad ausgetragene Vereins=
zweikampf
Heſſen=Darmſtadt Heſſen=Worms endete mit einem Sieg
der Darmſtädter mit 8 zu 5 Punkten. Gewertet wurden zwölf Staffeln
und ein Waſſerballſpiel. Aus den Staffeln konnte man leicht die Ueber=
legenheit
der Darmſtädter Herren herausleſen, während die Darm=
ſtädter
Damenjugend knapp unterlag. Die Jugend und Knaben glichen
ſich. Ueberlegen waren die Darmſtädter in ſämtlichen Dreiſtilſtaffeln.
Hervorragend ſchwamm heute Fr. Weiß. H. Ober, der unverhofft,
trotz Krankheit, an den Start ging, entſchied die Herrenlagen= und die
Herrenbruſtſtaffel zu Darmſtadts Gunſten. Leider kamen die Darm=
ſtädter
Heſſen im Waſſerball nicht auf. Mit einem Reſultzt von 8:4
für Worms gingen die Mannſchaften aus dem Waſſer.
Die Ergebniſſe:
1. Eröffnungsfreiſtilſtaffel (10X2 Bahnen): Sieger:
Darmſtadt in 4.15 Min. (Gerbig, Ober, Roth, Trumpfheller, We=
ber
, Knauff, Petry, Dahmer, Lindemann, Weiß), 2. Worms in 4.18
Minuten.
2. Damenjugendlagenſtaffel (3 X 2 Bahnen): 1.
Worms 1.32 Min. (Schiefer, Hahnenberger, Zilles). 2. Darmſtadt in

Kreis=Meiſterſchaftsſpiele:
F.=Sp.=V. Frankfurt Stuttgarter Kickers 3: 2.
1. F.=C. Nürnberg Boruſſia Neunkirchen 2:0.
T.= u. Sp.=V. 1877 Waldhof Spielvgg. Fürth 2: 3.
Wandern.
Den Auftakt des diesjährigen Wanderjahres der Turn=
geſellſchaft
Darmſtadt bildete am vergangenen Sonntag
eine Halbtagswanderung. Eine ſtattliche Anzahl Wanderer und
Wanderinnen fand ſich zu dieſer in allen Teilen gut verlaufenen
Wanderung ein. Um 38 Uhr ging es am Woog vorüber, am
Botaniſchen Garten vorbei, über den Glasberg und auf einſamen
Waldwegen zur Braunkohlengrube Prinz von Heſſen um dann
am Bahnhofe Meſſel Frühſtücksraſt zu halten. Bei Gaſtwirt
Heberer wurde Einkehr gehalten und um ½12 Uhr erfolgte der
Rückmarſch durch den Park nach Darmſtadt. Fröhlich, friſch und
frei folgte die luſtige Wanderſchar ihrem Führer, Wanderwart
Zimmer, welcher es verſtand, dieſe kleine Wanderung geſchmack=
voll
auszugeſtalten, ſo daß alle Teilnehmer voll und ganz auf ihre
Rechnung kamen. Wanderer auf zur zweiten Wanderung am
22. März 1924.

3. Knabenbruſtſtaffel (3X2 Bahnen): 1. Darmſtadt in
1.34: Min. (W. Hanſt, Frommann, Sonnthal). 2. Worms 1.36 Min.

1.38: Minuten.
4. Jugendfreiſtilſtaffel (3X2 Bahnen): 1. Darmſtadt
(Weber, Knauff, Roth) 1.20: Min. 2. Worms 1.21 Min.
5. Herrenlagenſtaffel (3X2 Bahnen): 1. Darmſtadt (Ober,
Dahmer, Weiß) 2.54: Min. 2. Worms 2.55 Min.
6. Damenjugendbruſtſtaffel: 1. Worms (Zilles, Schie=
fer
, Hahnenberger) 1.381 Min. 2. Darmſtadt 1.39: Min.
Zur Knabenfreiſtilſtaffel (Nr. 7 der Wettkampffolge,
ſtellte Worms keine Geguer.
8. Jugendlagenſtaffel: 1. Worms (Dexheimer, Gergen,
Schwarz) 1.244 Min. 2. Darmſtadt 1.24: Min.
9. Herrenbruſtſtaffel (3X2 Bahnen): 1. Darmſtadt (Ober,
Burchardt, Dahmer). 3.08 Min. 2. Worms 3.21 Min.
10. Knabenlagenſtaffel: 1. Worns (Zilles, Albrecht,
Hens) 1.32: Min. 2. Darmſtadt 1.32: Min.
11. Jugendbruſtſtaffel (3X2 Bahnen): 1. Darmſtadt
(Müller, Schönwolf, Roth) 1.28: Min. 2. Worms 1.31: Min.
12. Herrenfreiſtilſtaffel (2, 4, 6, 4, 2 Bahuen): 1. Darm=
ſtadt
(Lindemann, Trumpfheller, Weiß, Petry, Gerbig) 4.59 Minuten.
2. Worms.
Die Herren Gg. Pfordte (Möwe=Darmſtadt), Gg. Federlin ( Jung=
deutſchland
Darmſtadt), ſowie M. Gerbig und N. Ganßmann (Heſſen=
Darmſtadt) füllten die Pguſe mit ihrer Springkunſt aus.

Leichtathletik.
Klubkampf im Waldlauf. Techn. Hochſchule Sportverein 1898.
Sportverein 98 gewinnt mit 127:73 Punkten.
Die bekannte Wettkampfſtrecke Rund um den Dachsberg
ſtellte an die Teilnehmer große Anforderungen. Die Steigung
im erſten Drittel des Weges gibt dem Läufer Gelegenheit, ſeine
Kräfte richtig zu verteilen, um auf dem abfallenden Teil der
Strecke nicht zu verſäumen, mit zu der Spitzengruppe zu ge=
hören
. Trotz der genauen Streckenkenntnis der Teilnehmer von
der T. H.=Mannſchaft wurden die vorgenannten Schwierigleiten
außer Acht gelaſſen, ſo daß von den geſtarteten 10 Läufern dieſer
Mannſchaft 4 Teilnehmer nicht durchs Ziel gingen bezw. zum
Aufgeben gezwungen wurden.
Sportverein belegte den 1., 2., 3., 4., 7., 10., 11., 14., 15. und
16. Platz; die Techn. Hochſchule ſtellte den 5., 6., 8., 9., 12. und 13.
Läufer.
Boxen.
Der Kampfabend des I. D. B. C.
Am Samstag abend hatte der I. D.B.C. ſeine Anhänger nach der
Turnhalle am Woogsplatz, der bekannten Kampfſtätte, eingeladen.
Zahlreich waren die Zuſchauer und geladenen Ehrengäſte erſchienen, die
alle unter größter Anteilnahme dem Verlauf der einzelnen Kämpfe
folgten. Die Einleitung des Abends hatte Herr Strack=Offenbach
übernommen, der in kurzen Worten den Gäſten des Abends den Wert
und Zweck des Boxens darlegte. Das Kampfgericht war pünktlich zur
Stelle; im Ring amtierte Herr Nenneberg=Frankfurt, der ſich ſei=
ner
Aufgabe aufs beſte entledigte. Die Organiſation war gut und eine
flotte Abwicklung des großen Programms dadurch möglich. Den Ein=
leitungskampf
des Abends beſtritten im Federgewicht Bär (116,
1. D.B.C.) und Hochrain (113, Aſchaffenburg). Nach einer ausge=
glichenen
erſten Runde kommt H. in der zweiten und letzten Runde gut
auf und holt ſich einen knappen, aber verdienten Punktſieg, der beſonders
auf ſeine klar hereingebrachten Treffer zurückzuführen iſt. Im zwei=
ten
Kampf im Federgewicht geht Bruder (113, 1. D.B. C.) mit Mu=
thig
(117, Aſchaffenburg) durch die Stricke. Vom Gongſchlag an hat
B. den Kampf in der Hand; indem er ſeinem Gegner den Nahkampf
aufzwingt, landet er wiederholt mit Wirkung. Am Schluß der erſten
Runde gib: M. den ausſichtsloſen Kampf auf, um dadurch einer ſchwe=
ren
Niederlage zu entgehen. B. lieferte einen feiner beſten Kämpfe
und zeigte gegen früher eine weſentliche Formverbeſſerung. Auffallend
war ſeine elegante, federnde Beinarbeit. Im dritten Kampf im
Federgewicht vertrat Ritzert (115, 1. D.B.C.) gegen Schellen=
berg
(117, Aſchaffenburg) die Darmſtädter Farben. R. iſt eine ganze
Klaſſe beſſer als ſein Gegner und holt ſich einen leichten Sieg. Im
Verlaufe des Kampfes zeigt er ſich als feiner Techniker. Durch ſeine
Gewandtheit und zweckmäßige Beinarbeit vermeidet er alle gefährlichen
Sachen, dabei ſelbſt aber aus allen Lagen landend. Noch völlig friſch
verläßt er am Schluß des Kampfes den Ring; ein Erfolg fleißigen
Trainings und einer guten Vorbereitung. Im Leichtgewicht:
Ripper (126, 1. D.B.C.)-Baumann (122, Aſchaffenburg) mußte
letzterer, auf einen präziſen Kinnhaken von R. genau auf den Punkt
gelandet, einen k. o. einſtecken. R.s Schlagkraft iſt bekannt. B. muß
noch lernen, ſich zu decken bzw, ſchwere Treffer zu vermeiden. Sonſt
wären beide gleichwertig. Lebhaft begrüßt betreten nun die beiden
Leichtgewichtler Blatz (126, 1. D.B.C.) und Weber (120, Aſchaffen=
burg
) den Ring. B. erklämpft ſich in zwei Runden einen klaren Punkt=
ſieg
. Mit ſeinem linken Geraden beherrſcht er den Aſchaffenburger,
mährend des ganzen Kampfes und landet wiederholt mit Wirkung, dabei
aber ſeinen Gegner äußerſt ſchonend und fair behandelnd. Wenn W.
erſt einmal verſteht, einen Linken niederzukämpfen, dürfte er ein be=
achtenswerter
Gegner werden. Durch ſeine vornehme Kampfesweiſe
hat B. ſich wieder neue Sympathien erworben. Nach einer Pauſe
von 10 Minuten betreten jetzt die beiden Walter Knöpp (134, 1. D.
B. C.) und Martin (33, Aſchaffenburg) den Ring. K. geht vom
Gongſchlag an gleich mächtig ins Zeug und ſcheint in der erſten Runde
Sieger zu werden. Doch bald wendet ſich das Blättchen und beide lie=
fern
ſich einen ausgeglichenen Kampf. Nach drei unentſchiedenen Run=
den
ſiegte M. in der Zuſatzrunde infolge ſeiner größeren Energie.
Bexeriſch zeigten beide nicht viel. K. hat gute Anlagen, ſchien diesmal
aber wenig trainiert und nicht ſorgſam genug vorbereitet. Im Ge=
miſchtgewicht
ſpaziert dem zappelnd enteilenden Schmitt (133,
Frankfurt) der Weltergewichtler Kunkel (128, Aſchaffenburg) nach.
In lebhaftem Tempo eröffnen beide die erſte Runde. Sch. iſt äußerſt
flink und ſchien anfang der Beſſere. Allmählich ſetzt ſich jedoch K. in=
folge
ſeines größeren Stehvermögens durch und ſteuert durch zweck=
mäßige
, zielbewußte Arbeit dem Punktſieg zu. K. iſt ein Boxer von
Herz und Kämpfergeiſt, während Sch. mehr durch wohldurchdachte Ab=
wehr
und gute Beinarbeit glänzte. Im Schwergewicht ſtanden
ſich Trumpfheller (160, 1. D.B. C.) und Wolf (160, Frankfurt)
gegenüber. Beide kommen in einem nicht beſonders ſchönen Kampfe
bis in die dritte Runde. Ihr Stil iſt noch ziemlich ungeſchliffen und
etwas allzu amateurhaft. Wenn beide erſt einmal verſtehen, ihre be=
deutenden
Körperkräfte entſcheidend ins Feld zu führen, haben ſie viel=
leicht
eine Zukunft. T. erhielt durch ſeine Linksarbeit den Sieg zuge=
ſprochen
. In dem darauf folgenden Kampf im Leichtgewicht
Ludwig Eckert (126, Mamz)Staudt (122, Frankfurt, Pol.=Sp. V.)
begegnen ſich zwei hervorragende Leute. Nach einer ziemlich ausge=
glichenen
erſten Runde iſt St. leider gezwungen, infolge einer Daumen=
verletzung
den ſo viel verſprechenden Kampf aufzugeben und E. als
Sieger zurücklaſſend. Bis dahin lieferten beide einen techniſch ſchönen
Kampf, und hinterließen jedenfalls den beſten Eindruck. Vielleicht läßt
ſich in einem ſpäteren Treffen in Darmſtadt einmal der Beſſere er=
mitteln
.
Den Schlußkampf des Abends beſtritten Karl Eckert (136, Mainz)
und Behnke (130, Frankfurt, Pol.=Sp.V.). In einem flotten, erbit=
tertem
Kampfe liefern ſie ſich den beſten Kampf des Abends, in dem B.
jedoch der Beſſere iſt. Seiner dauernden Angriffsluſt, verbunden mit
einem zermürbenden Nahkampfftil, kann E. nur ein gutes Defenſivboxen
gegenüberſtellen und nicht vermeiden, manchen ſchweren Brocken ein=
zuſtecken
. Wenn man B.s größere Ring= und Kampferfahrung in Be=
tracht
zieht, ſo iſt es für den erſt 17jährigen E. immerhin eine hervor=
ragende
Leiſtung, daß er gegen einen ſolchen Mann wie B. nur nach
Punkten verlor.
Starker Beifall der Anweſenden belohnte in jedem Kampfe Sieger
und Beſiegten, und jeder Boxſportanhänger dürfte wohl an dieſem
Abend befriedigt die Kampfſtätte am Woogsplatz verlaſſen haben.

Schach.
Das internationale Schachmeiſtertournier in Meran hat
mit dem überlegenen Sieg des Meiſters von Deutſchland Ernſt
Grünfeld=Wien geendet, der auf 10½ Punkte aus 13 Par=
tien
kam. Zweiter wurde Großmeiſter Rudolf Spielmann=
München mit 8½ Punkten. Der polniſche Großmeiſter Rubin=
ſtein
mußte ſich mit 8 Punkten und dem 3. Preis begnügen.
An 4. und 5. Stelle kamen Przepiorka und Selesniew mit 7½
Punkten. Im gleichzeitig ſtattfindenden Haupttournier ſiegte
Böhm. Das ſtarkbeſetzte Damentournier ſah Engländerinnen
an der Spitze, die Damen Cotton und Holloway teilten die bei=
den
erſten Preiſe. Das ganze Tournier iſt in ſeiner Veranſtal=
tung
und in ſeinem wohlgelungenen Verlauf hauptſächlich der
Initiative des Tournierleiters, des bekannten Schachmeiſters Dr.
Adolf Seitz=Augsburg, zu verdanken.

Automobilſport.
Das Baden=Badener Autoturnier.
Wie wir hören, iſt auch für dieſes Jahr das Baden=Badener Auto=
turnier
geſichert und von der Arbeitsgemeinſchaft genehmigt. Es wird
vom 8. bis 13. Juli ſtattfinden. Der Robert Batſchari=Wanderpreis,
welcher nach dreijähriger Verteidigung zuletzt von Ingenieur Karl
Kappler gewonnen wurde, iſt neu geſtiftet worden und wird im Juli
zum erſten Male wieder verteidigt werden,

[ ][  ]

Seite 6.

Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 25. Februar 1924,

Mummer 56.

Die Deutſchlandfahrt.
Im Schneegeſtöber von Leipzig nach Görlitz. Feierlicher Empfang in
Dresden. Feierlichkeiten und Sportbegeiſterung in Görlitz.
Von unſerem Sonderberichterſtatter Siegfried Dörſchlag.
Görlitz, 23. Februar.
Nun hatten die Deutſchlandfahrer, nach ihrer Sechstageleiſtung
durch Weſt= und Süddeutſchland, mit ſeinen ſchneeverwehten, eisbe=
kruſteten
Bergſtraßen, gehofft, endlich der beſchwerlichen Balanzier=
fahrten
ledig zu ſein, und gute, ſchneefreie Straßen vor ſich zu haben.
Straßentechniſch=theoretiſch mußten ſie recht haben, denn die Straße
LeipzigGörlitzBreslau iſt eine der beſten, die wir im Deutſchen
Reiche haben. Welche Tücke ſie aber haben kann und wie unendlich
ſchwierig ſie zu bewältigen iſt, wenn dicker Schnee ſie deckt, das haben
die Siebzehntagefahrer heute zur Genüge erfahren. Es war wiederum
eine außerordentlich anſtrengende Etappe, und wenn auch nur ein ver=
haltnismäßig
geringer Prozentſatz ſie mit Ueberſchreitung der Höchſt=
zeit
zurückgelegt hat und das Gros der unentwegten Kämpen wie immer
rechtzeitig zur Stelle war, ſo konnte ſie doch den Vergleich mit den
bahriſchen oder ſchwäbiſchen Fahrſtrecken durchaus ſtandhalten. Es ſei
hier einmal geſagt, daß die Deutſchlandfahrt ob ihrer bisher bei deut=
ſchen
Prüfungsfahrten noch nie dageweſenen Witterungs= und Strecken=
ſchwierigkeiten
in der Tat eine Prüfungsfahrt iſt, gegen die alle ſog.
Rekordfahrten auf hergerichteten Bahnen verblaſſen müſſen und auch
alle bisher in Deutſchland ausgefahrenen Motorradwettbewerbe. Wenn
daher einzelne Zeitungen, zu denen auch das Berliner Tageblatt ge=
hört
, von Strecken reden, die keine beſonderen Schwierigkeiten bieten,
ſo handelt es ſich hier entweder um eine völlige Ahnungsloſigkeit oder
um Böswilligkeit. An das Tageblatt haben die Deutſchlandfahrer
geſtern, ob deſſen unſachlicher Berliner Berichterſtattung, ein Ent=
rüſtungstelegramm
abgeſandt. Auf jeden Fall haben diejenigen Kor=
reſpondenten
, die ſolchen blühenden Unſinn leichtfertig in die Welt
ſetzen, von der Fahrt und deren Verlauf und Bedeutung keine blaſſe
Ahnung. Sie blamieren ſich und ſchädigen deutſchen Sport.
95 Fahrer war immer noch in Leipzig zur Stelle. Wohl ſind viele
von dieſen ſchon überreichlich mit Strafpunkten belaſtet. Immerhin
beweiſt dieſe erſtaunlich hohe Teilnehmerzahl den ſportlichen Geiſt der
Deutſchlandfahrer. Kann einer die Etappe nicht mit motoriſcher Kraft
der Maſchine beenden, ſo benutzt er eben die Bahn, um bis zur Tages=
endſtation
zu kommen, und ſtartet am nächſten Tage wieder zur näch=
ſten
Ctappe. Solche Bahnfahrt bringt ihm mindeſtens 500 Strafpunkte
ein bei weiteren Entfernungen mehr. Es iſt den Fahrern auch un=
benommen
, unterwegs oder auf den Etappenſtationen Reparaturen
vorzunehmen und ſelbſt die plombierten Teile zu wechſeln. Jeder An=
griff
eſner Plombe wird aber mit Strafpunkten geahndet.
Als unſer Preſſewagen der Agrippina=Verſicherung, unter der
Führung des ſtets humorvollen Herrn Kratz, gegen 8¾4 Uhr vormittags
Leipzig verließ, war das Gros der Fahrer ſchon unterwegs. Um 8½
Uhr war der Start erteilt worden, und nur diejenigen blieben zurück,
die noch reparieren wollten. Am Himmel fliehendes Wolkengefetz. Dazu
ein ſtrammer Nordoſt, der eiſig über die verſchneiten Felder fegte. Trotz
Davonjagens im 80 und 90 Kilometertempo dauert es geraume Zeit,
bis wir die letzten Fahrer eingeholt haben. Auf ihren kleinen Maſchin=
chen
es ſind durchweg Leichtkrafträder, die im hinteren Felde lie=
gen
praſſeln ſie mit ihren melodiſch ſummenden Motoren davon, daß
man ſeine helle Freude daran hat. Als bei Meißen die Ufer der Elbe
zuſammentreten, haben wir die Hamburger Haweka=Fahrer Bremer,
Dralle und Schulz vor uns, die mit einer Regelmäßigkeit ihre Straße
ziehen, die bewunderswert iſt und auch durch Steigungen nicht unter=
brochen
wird. Dann wieder haben wir die Fahrer Lenſch und Pohl=
mann
aus Neumünſter vor uns, die aus ihren Neve=Maſchinen der
kleinſten Klaſſe auf den glatten Straßen mit feſtgefahrenem Schnee
ſpielend ein 50 Kilometertempo herausholen. Bedarf es noch beſſerer
Beweiſe für die fabelhafte Leiſtungsfähigkeit des deutſchen Kleinmotor=
baues
?
Am Elbufer entlang wurde Dresden erreicht. Schon beim Ein=
treffen
an der Stadtgrenze freundlicher Empfang: Gratis=Imbis für
alle Fahrer und wärmender Trunk. Auf menſchenumſäumten Straßen
gings zum Platz vor Schloß und Oper. Hier unüberſehbares Menſchen=
gewimmel
. Militärmuſik. Unſer Preſſewagen hält. Und ſchon ſtreckt
uns, als den Vertretern der vom deutſchen Rhein kommenden Preſſe,
ein Pour le merite geſchmückter Offizier die Hand zum Willkommen=
gruß
entgegen. Eine Perſönlichkeit, die man ſchon vom Bilde her
kennt: General Müller, Militärbefehlshaber in Sachſen. Auf abge=
ſperrtem
Platze nehmen Motorräder und Begleitwagen Aufſtellung. Im
großen Saale des Italieniſchen Dörfchen bot der A. D.A. C., Gau Sach=
ſen
, den Deutſchlandfahrern einen Mittagsimbiß, freigiebig koſtenlos,
ebenſo wie die Yenidze=Cigarettenfabrik jedem Fahrer eine Packung
Salem Kavalier mit auf den Weg gab, wie jeder Fahrer einen Veil=
chenſtrauß
erhielt und von einer Görlitzer Firma eine Flaſche Schnaps,
wohl die reichlichſten Gaben, die den Fahrern bisher zugefloſſen waren.
Nach dem Dresdener A. D.A. C.=Gauvorſitzenden ſprach General Müller
und grüßte die Fahrer vom deutſchen Rhein, ſprach angeſichts dieſes,
mit den Deutſchlandfahrern vom Rhein her wehenden echt deutſchen
Sportgeiſtes mit einer Herzenswärme, die erkennen ließ, welch unendlich
weiches deutſches Herz in dieſer Soldatenbruſt ſchlug. Es waren
Augenblicke während dieſer Rede des hohen Militärs, die den Deutſch=
landfahrern
das Waſſer in die Augen trieben und die ſchließlich Gene=
ral
Müller, vielleicht kürzer als er gewollt, enden ließen. Unvergeßlich
aber wird allen Deutſchlandfahrern dieſer Willkommengruß ſein, der
dem deutſchen Sport und dem deutſchen Rhein galt für deutſche Wie=
dererſtarkung
.
Deutſchland. Deutſchland über alles! ſpielt draußen die Militär=
kapelle
, während die Fahrer zur Weiterfahrt Aufſtellung nahmen. Un=
ter
den Klängen der Wacht am Rhein ging es dann oſtwärts. Von
Tauſenden von Menſchen begrüßt, am Elbufer entlang und bei Blaſe=
witz
über die Elbe. Dann hoch aufs rechte Elbufer, hinauf nach Loſch=
witz
. Und dann hinter Bühlau wieder Schneefahrt, die an Schnee=
mengen
denen der Vortage nicht nachſtand. Dazu aber dichtes Flocken=
wallen
, das die Fahrer zu Schneemännern werden ließ, zu Schneemän=
nern
, die wieder von einer Straßenſeite auf die andere hin= und her=
tanzten
und alle Mühe hatten, ihre Maſchinen auszubalanzieren. So
mancher läg urplötzlich im Straßenſchnee, krabbelte ſich wieder auf den
Sattel ſchwirrte wieder weiter. Wieder aber war dies Fahren durch
die hohen Schneemengen eine Materialprüfung, eine Zerreißprobe, die
von der Mehrzahl der Maſchinen doch in Ehren beſtanden wurde.
Auch in Bautzen, in Löbau und im ſchleſiſchen Grenzſtädtchen Rei=
chenbach
war die Anteilnahme groß und freundlich. Nur ein einziges
Gegenbeiſpiel war bisher zu verzeichnen: in Bautzen ſchlug ein ange=
trunkener
Mann dem Berliner N. S.U.=Fahrer Rolf André Klein mit
einem Knüppel über den Kopf. Klein ſtürzte, war aber im Nu auf
den Beinen und verabfolgte dem Angreifer ein paar Boxſchläge à Ia
Breitenſträdter, ſchwang ſich wieder in den Sattel und ließ den Bur=
ſchen
der Polizei zurück. Wie ſchwierig es auch immer ſein mag, auf
den ſchneeverwehten Straßen Tempo zu fahren die K.M.B.=Fahrer
Eſch, Buch und Bethge aus Köln ſtoppen wir im 70 Kilometertempo ab
und H. Bätz=Köln hat auf K.M.B. das Kunſtſtück fertig gebracht, mit
Sozius die ganzen ſieben Tage Fahrt bisher anſtandslos und in hervor=
ragender
Fahrweiſe zurückzulegen. Fahrer wie Maſchine und ſchließ=
lich
auch dem Mitfahrer gebührt hier höchſtes Lob. Müffeler=Köln auf
Sphinx, der durch Nummernverwechſelung in unſerem geſtrigen Bericht
mit Roſenbaum verwechſelt worden war, und der trotz mannigfachem
Pech mit Bereifung und Straßentücken vorzüglich durchgehalten hatte,
blieb heute durch Sturz und dadurch erfolgten Maſchinenſchaden über
ſeine Höchſtzeit auf der Strecke. An den Tagen beſchleunigten Fahrens
ohne Mindeſtzeiten war er immer mit vorn geweſen. Schirmer, auf
Baherland, jagte heute mit erheblichem Vorſprung vor dem Felde her,
mußte dann aber vor der Kontrollſtation halten und dort mit anderen
ſchnellgefahrenen Fahrern warten, weil er ſeine Mindeſtzeit unterboten
hatte, was bekanntlich verboten iſt. Wir trafen heute vor allen Kon=
trollſtationen
Fahrer im Schneckentempo oder abgeſattelt, die auf Vor=
rat
gefahren waren und nun ihre Ankunftzeit hier abwarteten. Trim=
born
=Wiesdorf auf Beard=more=Präziſion, Pütz und Baur auf Panter,
die drei tüchtigen Magolafahrer Tomaſſi, Baurhöver und Stelzer, der
Berliner Friedrich auf Moebo, Woodhauſe auf Sunbeam, Fauſt auf
K. G., Wieſe auf ſeinem Harley-Davidſon=Beiwagen, Fiespladen auf
Mars u. a. gehörten zu dieſen.
Die Abenddämmerung warf blaue Schatten auf das ſchleſiſche
Schneereich und der Gipfel der Landskrone erſtrahlte im Licht der hin=
ter
Waldgipfel verſchwundenen Abendſonne, als die Fahrer in Görlitz
eintrafen. Ganz Görlitz ſchien auf den Beinen. Berittene Polizei ſorgte
für Ordnung. Abends feierliche Begrüßung durch den Oberbürgermei=
ſter
, einen Vertreter des Wehrkreiskommandos, den Vorſitzenden des
Rheinland= und Weſtfalenverbandes, durch Perſönlichkeiten des Sports
und des öffentlichen Lebens. Abend für Abend ſchallt auf die Reden
ein dreifaches Töff=Töff=Hurra durch die Säle, wie es beſſer nicht klav=
pen
könnte. Bis 6½ Uhr nachmittags ſind 68 Fahrer zur Stelle. Wir
haben aber im letzten Drittel der Strecke noch manchen Schmeewanderer
getroffen, der ſeine Maſchine durch den weichen flockigen. Neuſchmee
ſchob, ſo daß auch der Ausfall an Fahrern auf dieſer 7. Etappe durch=
aus
gering ſein dürfte. Wann endlich ſo fragen ſich Fahrer und

Stadt und Land.
Darmſtadt, 25. Februar.
Der Heſſiſche Motorrad=Club e. V., Sitz Darm=
ſtadt
(A.D.A. C.) hatte unerwartet geſtern nachmittag in ſeinem
Clubheim im Landwehr=Kaſino einen Freundſchaftsbe=
ſuch
des Gaues IIIa des Allgemeinen Deutſchen
Automobilklubs und deſſen Ortsgruppen, darunter be=
kannte
Sportsleute ſowie der Gauvorſitzende Dr. Arthur Dietz
und der Gauſportleiter, Ewald Kroth, Frankfurt a. M. Der
erſte Vorſitzende des H. M. C., Hans Ludwig, hatte ſofort die
erreichbaren Mitglieder ſeines Clubs ins Clubheim berufen und
man wunderte ſich, wie zahlreich dieſelben auf deſſen Ruf hin
erſchienen waren. Es gab ſich die Gelegenheit, auch die lokalen
Sportereigniſſe in Darmſtadt zu beſprechen und die Anſichten
anderer großer und bekannter Sportsleute zu hören. Der Abend
brach leider allzu früh herein und mußten die Herren auch in=
folge
des eingetretenen Schneewetters ihre Rückfahrt mit ihren
Wagen und Motorrädern, die ſehr zahlreich beiſammen waren,
antreten, mit dem Wunſche auf baldiges Wiederſehen.
Zum heutigen Gaſtfpiel des Großruſſiſchen Balalaika=Orcheſters
iſt die Nachfrage ſo ſtark, daß auch die oberen Ränge geöff=
net
werden. Die Preiſe betragen dort ebenfalls 1 und 2 Mk.
X Auszahlung von Militär=Verſorgungsgebührniſſen beim hieſigen
Poſtamt 1. Die Auszahlung der Militär=Verſorgungsgebührniſſe für
den Monat März erfolgt am 27. Februar an den acht Zahlſtellen
in der Paketausgabe. Die an dieſem Zahltage nicht abgehobenen Be=
träge
werden nur bis zum 1. März einſchließlich zum Abheben in der
Rentenſtelle während der Zahlſtunden bereitgehalten; eine Zuſtellung
der Beträge erfolgt nicht mehr, ſie werden vielmehr nach dieſem Zeit=
punkt
dem Verſorgungsamt zurücküberwieſen.
8. Standesamtliche Scheine werden ab 1. April 1924 in Struktur
und Beweiskraft neu geregelt: Geburts= Heirats= und Todesſcheine
die den aus § 15b des Geſetzes vom 8. März 1923 erſichtlichen Inhalt
haben und mit Unterſchrift und Dienſtſiegel des Beamten verſehen ſind,
beweiſen, daß Geburt, Eheſchließung oder Sterbefall im Regiſter beur=
kundet
ſind. Gleiches gilt für Eintragungen in ein Familienſtamm=
buch
, wenn ſie den für die Scheine vorgeſehenen Inhalt haben und
Unterſchrift und Siegel aufweiſen. Ein Antrag auf Erteilung einer
ſtandesamtlichen Urkunde gilt als auf die Erteilung eines Geburts=
Heirats= oder Todesſcheines gerichtet, wenn nicht ein vollſtändiger Aus=
zug
ausdrücklich verlangt wird oder ſolches Verlangen aus dem mit=
geteilten
Verwendungszweck ſich ergibt. Hält der Beamte einen Ge=
burtsſchein
nicht für ausreichend, ſo kann er die Beibringung eines voll=
ſtändigen
Auszugs verlangen.
Die Märzmiete beträgt in den Gemeinden mit Städteordnung 22
Prozent, in den übrigen Gemeinden 21 Prozent der Friedensmiete; ſie
iſt zahlbar in Gold= oder Papiermark. Bei Zahlung in letzterer iſt der
Kurs vom Vortage des Fälligkeitstermins zu Grunde zu legen. Die Be=
träge
ſind auf volle 10 Pfennige nach oben abzurunden. Die Betriebs
koſten ſind, wie die amtliche Darmſtädter Zeitung ſagt, der wir dieſ
Mitteilung entnehmen, umzulegen.
Zur 3. Steuernotverorbnung hat der Hypothekengläubiger= Schutz=
verband
in Berlin (Sitz Berlin=Biesdörf) in Uebereinſtimmung mit dem
landwirtſchaftlichen Domänenpächterverband beſchloſſen, unter Einſetzung
aller politiſchen und rechtlichen Mittel gegen genannte Verordnung Stel=
lung
zu nehmen und zunächſt die Fraktionen des Reichstages um Bekannt=
gabe
ihrer Stellungnahme zu erſuchen.
Deutſchvölkiſcher Turnverein Jahn‟ Darmſtadt. Das groß=
zügig
angelegte Hilfswerk des Deutſchen Turnerbundes (1919) Sitz
Wien zur Unterbringung von Turnerkindern reichsdeutſcher Bundes=
vereine
in Turnerbundskreiſen Oeſterreichs iſt in vollem Gang. Der erſte
Kinderzug, der auch unſere hieſigen Kinder nach Oeſterreich gebracht hat,
iſt dort gut angelangt. Die Kleinen haben aus ihren Erholungsorten
die erſten Grüße geſandt, aus denen die helle Begeiſterung über den
herzlichen Empfang und die gute Aufnahme bei den Pflegeeltern ſpricht,
Der auf 3 bis 4 Monate berechnete Aufenthalt in den verſchiedenſten
Orten Oeſterreichs in geſunder Luft und bei guter Verpflegung wird
den Kindern äußerſt wohl tun. Schon ſind unſere öſterreichiſchen Turn=
brüder
aber bei den Vorarbeiten für den 2. Kinderzug, der Anfang
Oſtermonds (April) nach Oeſterreich gehen ſoll. Dieſes Mal aber kön=
nen
nur Kinder unter 14 Jahren berückſichtigt werden. Vereinsmit=
glieder
, die ihre Kinder mit dieſem Zug nach Oeſterreich ſenden wollen,
werden gebeten, die Anmeldung umgehend bei Trbr. Fritz Claß, Mar=
tinsſtraße
31, einzureichen.
n. Strafkammer. Eine unter Ausſchluß der Oeffentlichkeit geführte
Verhandlung wegen Verbrechens nach § 176 Abſ. 3, 174 St. G.B. endigte
damit, daß der 39jährige Schloſſer Bernhard Knop aus Gerasheim mit
mildernden Umſtänden zu 1 Jahr Gefängnis, abzüglich 5 Wochen Unter=
ſuchungshaft
verurteilt wurde. In einem Berufungsfall einfacher
Hehlerei und einer jetzt damit verbundenen Anklage wegen gewerbs=
mäßiger
Hehlerei hatte ſich der 38 Jahre alte Althändler Georg Weſp
von hier zu verantworten. Es kam der Ankauf geſtohlener Schmuck=
ſachen
, ſowie mehrerer ſilberner Löffel zu verſchiedenen Zeiten und von
verſchiedenen Perſonen in Frage und erfolgte hinſichtlich letzterer Anklage
mangels Beweiſes der ſubjektiven Seite Freiſpruch des Angeklagten, der
demgemäß aus der Unterſuchungshaft ſofort entlaſſen wurde. Auch in
der anderen Sache nahm das Berufungsgericht im Gegenſatz zur Vor=
inſtanz
keine Hehlerei, ſondern Betrug an und erkannte dafür auf 50
Goldmark Geldſtrafe event. 5 Tage Gefängnis. Es handelt ſich um einige
verlorene Schmuckſachen, die der Finder unterſchlagen und W. in gutem
Glauben von ihm erworben hatte. Nachträglich erfuhr ex durch Inſerat
und Rückſprache mit der Verliererin den Sachverhalt und ſpiegelete ihr
bei Einlöſung einen höheren Ankaufspreis vor. Der nächſte Monat wird
zwei größere Verhandlungen von allgemeinem Belang vor der Straf
kammer 1 ſtatt des Schwurgerichts bringen, und dieſe finden voraus=
ſichtlich
im Schwurgerichtsſaal des alten Juſtizgebäudes unter Ausgab=
von
Eintrittskarten für Zuhörer ſtatt. Für die Anklage gegen den Ein=
brecher
Wilhelm Kinkel aus Frankfurt a. M. wegen ſchweren Diebſtahls,
Mordverſuchs und Mords (an Polizeiwachtmeiſter Günther hier) iſt der
5. März und für die Anklage gegen Händler Fritz Hofmann von hier
wegen Ermordung ſeiner Ehefrau iſt der 17. März als Verhandlungs=
termin
anberaumt. Letzterer Fall dürfte mehree Tage beanſpuchen.
n. Schöffengericht 1. Merkwürdiger Weiſe fällt ein Vergehen gegen
das Poſtgeſetz einem hieſigen Rechtsanwalt und deſſen Bürovorſteher
zur Laſt, weshalb beide zu je 8 Goldmark Geldſtrafe verurteilt wurden.
Ihrerſeits waren achtzehn, für Pfungſtadt beſtimmte Geſchäftsbriefe ſtatt
der Aufgabe zur Poſt hier einer Büroangeſtellten, die dort wohnt, zum
Einwurf beim dortigen Poſtamt mitgegeben worden. Es wurde ſo die
Differenz zwiſchen Fern= und Ortsporto geſpart. Das Poſtgeſetz ſchafft
das Reichsmonopol und ſtellt die entgeltliche Beförderung ſolcher Sen=
dungen
Anderer unter Strafe, die auf das Vierfache der hinterzogenen
Gebühr zu bemeſſen iſt. Die Angeklagten beſtreiten das Tatbeſtandsmerk=
mal
der Entgeltlichkeit, weil die Betreffende als Gehilfin des eigenen
Büros das Mitnehmen beſorgt hatte. Nach Anſicht des Gerichts liegt je=
doch
das fragliche Moment darin, daß jene Angeſtellte für ihre Dienſte
Gehalt bezieht und in Erfüllung ihrer Dienſtobliegenheiten auch das
erwähnte Geſchäft erledigte. Diebſtahl und bezw. Hehlerei trug dem
hieſigen Hausburſchen Alfred Selter, ſowie dem Kaufmann Wilhelm
Schäfer von hier je 2 Wochen Gefängnis ein. Erſterer hatte Ende
1922 und anfangs v. Js. pährend ſeiner Beſchäftigung bei einer hieſigen
Großhandlung mehrere Zentner Fett, ſowie Eier uſw. entwendet und in
einem Bruder des Mitangeklagten einen Abnehmer gefunden. Dieſer
wußte um den unredlichen Erwerb und gab etwa 1½Ztr. Margarine an
den Mitangeklagten ab. Letzterer ſchützt guten Glauben vor, doch hatte
eben fener Bruder, der nachher Selbſtmord verübte, in dem Geſtändnis
den Bruder als damals mit dem Diebſtahl bekannt bezeichnet, worauf
auch ſonſtige Umſtände hindeuten. Der Dieb iſt geiſtig minderwertig, er=
ſcheint
aber zurechnungsfähig. Wegen umfangreicher Schwindelei er=
hielt
der Kaufmann Max Reis aus Pforzheim, der aus anderer Unter=
ſuchungshaft
von Liegnitz vorgeführt war, trotz Leugnens 5 Monate Ge=
fängnis
. Er hatte einem hieſigen Althändler anfangs v. Js. 200 000 Mk.
Darlehen entlockt und denſelben ferner um mehr als zehn Billionen
Mark dadurch geſchädigt, daß er durch ihn Gemälde bei einer Frank=
furter
Verſteigerung erwerben, ſie ſich aushändigen ließ und veräußerte,
ohne jenem die vorgelegte Summe zu erſetzen.
Lokale Veranſtaltungen.
Die blerunter erſchelnenden Netiyen ſind ausſchließllch als Hinweiſe auf Anzeigen zu betrachten,
in keinem Falle iraerdwie ais Berabuns eder Krin.
C. V. J. M., Wartburgverein Darmſtadt, Lieb=
frauenſtr
. 6. Dienstag, den 26. Febr., abends 8½ Uhr, Treffen zu
wichtigen Beſprechungen, für alle Wartburger, im geſchloſſenen Freun=
deskreis
. Treffort: Wartburgzimmer.
Rus den Parteien.
Deutſche Demokratiſche Frauengruppe. Don=
nerstag
, den 28. Februar, abends 8 Uhr, im Parteilokal, Waldſtraße 45:

Provinzialausſchuß.

1. Klage des Gemeinderatsmitglieds Seigel zu Viernheim gegen
den Beſchluß des Kreisausſchuſſes Heppenheim vom 18. Dezember
1923 wegen Ausſpruchs einer Ordnungsſtrafe. Erſchienen: Gemeinderat
Seigel und Bürgermeiſter Lambert von Viernheim. Weil er ſich einer
Ungehörigkeit in der Gemeinderatsſitzung gegenüber dem Bürgermeiſter
am 18. Sepetmber 1923 zuſchulden habe kommen laſſen, auch in der von
Seigel zugegebenen abgeſchwächten Form, hat der Kreisausſchuß eine
Strafe von 5 Gmk. gegen Seigel ausgeſprochen, wogegen Klage erhoben
iſt. Die Worte lauteten etwa: Sie ſind nicht unſer Vorgeſetzter, nur
unſer Vorſitzender, Sie brauchen das Maul nicht ſo weit aufzureißen,
oder Sie können (oder haben) das Maul halten. Es ging in der betr.

gegen den Beſchluß des Bezirkswohnungskommiſſars Dieburg vom
20. Dezember 1923 wegen Enteignung von Baugelände in Kleeſtadt.
Erſchienen: für das Rentamt Rentamtmann Saleck, vom Kreisamt Re=
gierungsrat
Walther und Baurat Gombel, der Bürgermeiſter von Klee=
ſtadt
. Zur Hebung der dringendſten Wohnungsnot wurde dem Frhrn.
von Wambolt gehöriges Gelände vom Bezirkswohnungskommiſſar zur
Bebauung enteignet. Als Entſchädigung wurden vom Kommiſſar feſt=
geſetzt
1,80 Gmk. pro Quadratmeter (einſchließlich der Obſtbäume und
des durch Abtrennung des nicht enteigneten Teiles verurſachten Minder=
werts
). Eine Anzahlung von 200 Gmk. hat die Gemeinde zu leiſten,
und einen Zufahrtsweg von der Straße zum Grundſtück herzuſtellen.
Die Rentamtsverwaltung hat die Höhe der zugebilligten Entſchädigung
beanſtandet, will ſie höher feſtgeſetzt wiſſen, dies namentlich auch wegen
des Minderwerts, den die nicht enteigneten Parzellen erleiden; ſie be=
anſprucht
2 Mk. pro Quadratmeter und würde ſich mit Zubilligung
ſolcher Entſchädigung zufrieden geben. Die Gemeinde läßt durch den
Bürgermeiſter erklären, daß ſie den Zufahrtsweg zuſammen mit dem
Siedler des enteigneten Grundſtücks herſtellen will, beſtreitet aber eine
Verpflichtung, für Wertminderung aufzukommen. Urteil: Der Enteig=
nungspreis
von 1 Mk. 80 Pf. pro Quadratmeter wird aufrecht er=
halten
; er erhöht ſich auf 2 Mk., falls der Zufahrtsweg nicht binnen
drei Monaten hergeſtellt iſt.
3. Gewerbebetrieb der Moſes Sobernheim Ehefrau in
Mörfelden; hier: Antrag des Kreisamts Groß=Gerau auf Ent=
ziehung
des Wandergewerbeſcheins. Erſchienen: M. Sobernheim Ehe=
frau
. Der Antrag gründet ſich auf Beſtrafung wegen Hehlerei beim
Erwerb geſtohlener Zünder (1 Jahr Zuchthaus). Urteil: Der Wander=
gewerbeſchein
wird entzogen.
4. Beſchwerde des Joh. Koch II. von Klein=Krotzenburg gegen das
Kreisamt (Handelszulaſſungsſtelle) Offenbach wegen Verſagung des
Großhandelsbetriebs. Erſchienen: die Ehefrau Koch. Das Kreisamt
führt aus: Für Klein=Krotzenburg beſteht kein Bedürfnis für Erteilung
der Erlaubnis; für den Landkreis, ſei in 18 Fällen Erlaubnis erteilt,
für Kartoffelhandel in 39 Fällen. Koch hatte Kleinhandelserlaubnis.
In Frage ſteht, ob für Einlegung der Beſchwerde an den Provinzial=
ausſchuß
die Friſt gewahrt iſt. Koch Ehefrau erklärt, ihr Mann ſei
Aufkäufer, auch für den Kommunalverband tätig geweſen. Der kauf=
männiſch
vorgebildete Sohn ſolle im Broßhandelsbetrieb tätig werden.
Urteil: Die Beſchwerde wird als unbegründet verworfen.
5. Beſchwerde des Adam Arnold I. zu Oberabtſteinach gegen
den Beſchluß des Kreisamts (Handelszulaſſungsſtelle) Heppenheim
wegen Nichterteilung der Großhandelserlaubnis. Das Kreisamt hat
die Erlaubnis verſagt aus volkswirtſchaftlichen Gründen und mangels
Bedürfniſſes. (Die Erlaubnis iſt in 62 Fällen erteilt.) Der Antrag=
ſteller
habe auch nicht das erforderliche Betriebskapital und die nötige
Erfahrung. Arnold behauptet, Kapital von ſeinen Eltern und einem
amerikaniſchen Verwandten zur Verfügung zu haben; theoretiſche Vor=
bildung
habe er auf der Handelsſchule in Mannheim, die praktiſche
ebenda erworben. Zeugniſſe über Tätigkeit bei Firmen werden über=
reicht
. Der Umſtand, daß in 62 Fällen die Erlaubnis erteilt ſei, komme,
ſo wird ausgeführt, für das abgelegene Gebiet von Oberabtſteinach, das
badiſche Aufkäufer beſuchten, nicht in Frage. Urteil: Die Beſchwerde
wird als begründet erklärt, die Handelserlaubnis iſt zu erteilen.

X Groß=Umſtadt, 23. Febr. Die Gemeindefagd die auf
6 Jahre weiter verpachtet wurde, brachte einen Erlös von 7515 Mark für
das Jahr.
Groß=Steinheim, 23. Febr. Beſtrafter Steuerdefrau=
dant
. Wegen wiederholter Umſatzſteuerhinterziehung für das Kalender=
jahr
1922 wurde der hieſige Metzgermeiſter und Viehhändler Jakob Selig
durch rechtskräftigen Strafbeſcheid des Finanzamts Offenbach=Land zu
rund 900 Goldmark Geldſtrafe und zur Tragung der erwachſenen Koſten
ſes Verfahrens verurteilt.
Mainz, 23. Febr. Ein 29jähriger Kaufmann aus Rüſſelsheim fuhr
am Mittwoch nachmittag mit ſeinem Motorrad mit übermäßiger Ge=
ſchwindigkeit
am Rheinufer entlang. In der Nähe des Gebäudes der
Köln=Düſſeldorfer Geſellſchaft überrannte er einen 10jährigen Knaben,
der gerade über die Straße gehen wollte. Der Junge blieb bewußtlos
am Boden liegen und wurde durch die Sanitätswache nach der elterlichen
Wohnung in der Chriſtophsſtraße verbracht. Die außerlichen Verletzun=
gen
des Knaben ſind nicht weiter gefährlich, dagegen ſcheinen auch innere
Kopfverletzungen vorzuliegen.
* Friedberg, 23. Febr. Pferdemarkt. Auftrieb: 44 Pferde.
Bei langſamem Handel wurden 15001700 Goldmark für gute Pferde
gezahlt.
Butzbach, 23. Febr. Kein Schulabbaul. Der Gemeinderat
hat ſich einſtimmig dem Vorſchlag des Bildungsausſchuſſes, einen Ab=
bau
an der hieſigen Stadtſchule zu verhindern, angeſchloſſen.
O Ilbeshauſen (Kr. Lauterbach), 23. Febr. Volksvorleſun=
gen
. Zum erſten Male iſt es in dieſem Jahre hier gelungen, regel=
mäßige
Volksvorleſungen abzuhalten. Um das Zuſtandekommen haben
ſich beſonders der Pfarrer, der Lehrer, der Bürgermeiſter, der Ortsarzt
ind die Lehrer des Landeserziehungsheims Bergſchule, verdient ge=
macht
. Die Teilnehmerzahl an den Vorträgen, die ſich auf alle Wiſſens=
gebiete
erſtrecken, iſt ſtändig im Wachſen begriffen.

Briefkaſſen.
Abonnent in G. Der Norddeutſche Lloyd in Bremen oder die
HamburgAmerika=Linie werden wohl die beſte Auskunft geben kön=
nen
. Wenden Sie ſich deshalb brieflich an die Verwaltung des Nordd.
Lloyd in Bremen oder die Hapag in Hamburg.
P. E. Gr. Dieſe Fragen wird wohl am Beſten das Kreisamt
Darmſtadt oder das Staatsminiſterium, hier, Neckarſtraße 7, beant=
worten
können.

Es giebt kein besseres säftereinigendes
Mittel zur Regulierung des Stuhlgangs
als die weltberühmten
Pfarrer Kneipp-Pillen.
Best. Rhabarber u. med. Seife je 2. Kalmus 3, Wach
bolderbeer 1, Aloe 4.
(I. Mn. 224
Zu haben in Setachteln zu 1 dH. In den Apothsken.
Prospekt aller Hneiyy-Zittel durct Ine pp-Centrale i. Fürzberg.

Geſchäftliches.

Kleine Kinder große Sorgen! Dieſe Erfahrung
macht jede junge Mutter täglich und ſtündlich. Nicht die Ernährungs=
frage
iſt es allein, die in Betracht kommt. Oft weiß ſie ſich keinen Rat,
ob ſie es wagen darf, beim täglichen Bad den empfindlichen Kinder=
körper
mit Seife zu reinigen. Die Bedenken können allerdings fort=
fallen
, wenn jede Mutter nur die Steckenpferd=Buttermilch=Seife der=
wendet
, welche die bekannte deutſche Firma Bergmann u. Co., Rade=
beul
, erzeugt. Dieſe Seife iſt infolge ihrer angenehmen Milde die
Kinderfeife im beſten Sinne des Begriffes. Jede Mutter ſollte ſie kennen
lernen ſie wird ſie dann ſchätzen und unentbehrlich finden.

Tageskalender.
Landestheater Großes Haus, Anfang 8 Uhr, Ende gegen 10
Gaſtſpiel des Großruſſiſchen Balalaika=Orcheſters. Kleines H.
abends 6 und 8 Uhr: Filmvortrag. Liebesleben der Tiere und P
zen. Orpheum 7¾ Uhr: Ein Walzertraum. Spr
film über Leichtathletik, 8 Uhr abends, im Feſtſaal der Turngem
am Woogsplatz. Union=, Reſidenz=, Zentraltheater, Palaſtlichtſt
Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender. Dienstag, den 26. Februar.
Brennholzverſteigerung, vorm. 10 Uhr, zu Burg Fra
ſtein.

HaupuertHeitung: Rudelf Mauve
VerantwortL; für Doldk mMaitk: Aulelf Mauv
Verestwortlich ſür FeLter und ode Maer aten: Ma
Deranwertlich Hr Spart: Dr. Eagen Ballmann
Terzswernſich für Leice me: Undraas Dauer
Bwere ind Ar den Dfratestel: Eilly Kudle
Truc und Berlag: 2. C. Wittic ſ4mtlich in Darmſtadt.

Die heneige Rummer hai 6 Zeiten