Drens
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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſi. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 14
Montag, den 14. Januar 1924.
187. Jahrgang
Einzelnummer 15 Goldpfennige
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ſe in Goldma
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Falle böherer
Gewalt, wie Krieg. Aufruhr Streil uſw., erliſct
ſede Verpſichtung auf Erfäal
der
Anzeigen=
aufträge und Leiſtung von Schadenerſatz. Bei
Konkurs oder gerichtlicher Beitreibung fällt ed
Rabatt weg. Bankkonto‟ Deutſche Bani und
Darm=
ſtädter 8 Nationalbant.
Die Pfalz.
Clives in der Pfalz.
* München, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Der engliſche
General=
konſul in München, Clives, hat heute morgen die angekündigte
Reiſe nach der Pfalz angetreten, um dort auf Weiſung ſeiner
Regierung eine Unterſuchung der durch den Separatiſtenterror
herbeigeführten unmöglichen Zuſtände einzuleiten. Der
General=
konſul hält ſich einen Tag in Heidelberg auf. Er wird dort mit
den aus der Pfalz ausgewieſenen Beamten eine Beſprechung
haben. Seine Abweſenheit von München wird etwa 5 Tage
dauern.
Die engliſche Enquete.
Pari’s, 13. Jan. (Wolff.) In Paris wird
angenom=
men, daß der engliſche Generaltonſul Clive in München heute
in der Pfalz ankommt, um im Auftrage ſeiner Regierung eine
Enquete über das Verhalten der franzöſiſchen Behörden
gegen=
über der Sonderbündler=Regierung in Speyer zu veranſtalten.
Das Echo de Paris berichtet, daß die Verhandlungen der
Rheinlandkommiſſion vom 2. Januar über die Anerkennung der
Verordnungen der proviſoriſchen Regierung der Sonderbündler
nur vorläuſigen Charakter hatten, da die Entſcheidung gegen den
engliſchen Delegierten getroffen worden war. Es hätte alſo eine
zweite Verhandlung ſtattfinden müſſen, die am Donnerstag
be=
gonnen habe. Dieſe ſei aber auf Anraten Beigiens aufgeſchoben
worden. Die engliſche Regierung könne alſo nur zwiſchen der
Anerkennung der pfälziſchen Regierung und einer Prozedur
wählen, in die ſie im Begriff ſtehe, ſich einzulaſſen. Eine
mitt=
lere Linie gebe es nicht. Das Vorgehen Englands hätte nur
einen freundſchaftlichen Charakter tragen können; das ſei aber
jetzt nach der Ermordung von Heinz kaum möglich. Wenn der
engliſche Generalkonſul in der franzöſiſchen Beſetzungszone eine
Enquete gegen den Willen des Kommandanten veranſtalte,
müſſe er notwendigerweiſe der Autorität der
Rheinlandkommiſ=
ſion Abbruch tun. Das verſtoße gegen die Rheinlandsakte und
gegen die Geſchäftsordnung der Rheinlandkommiſſion. 1921
habe die Rheinlandkommiſſion beſtimmt, daß das Exequatur des
Deutſchen Reiches für ausländiſche Konſuln im beſetzten Gebiete
nur näch Zuſtimmung der Rheinlandkommiſſion gültig ſei. Es
müſſe alſo die Frage aufgeworfen werden, ob der Generalkonſul
Clipe um die Genehmigung nachgeſucht habe. Das Echo de
Paris erklärt, daß das nicht der Fall ſei. Die franzöſiſche
Re=
gierung werde die britiſche Geſte damit beantworten, daß ſie
offiziell beſtimmt, wer Clive bei der Reiſe begleite.
* Paris, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Miniſterpräſident
Poin=
kgrä hatte heute vormittag eine längere Unterredung mit dem
engliſchen Botſchäfter in Paris, Cieve, die nach dem Temps in
der Hauptſache auf die von der engliſchen Regierung
beabſich=
tigte Enqueté in der Pfalz Bezug hatte. Mit dieſer iſt
bekannt=
lich der engliſche Generalkonſul in München, Clives, betraut
worden. Die franzöſiſche Regierung ſteht, wie der Temps
her=
vorhebt, auf dem Standpunkt, daß eine etwaige Enqueté über
die ſeparatiſtiſche Bewegung in der Pfalz und die dort
geſchaf=
fene Lage interalliierten Charakter tragen müſſe und ein
Vertre=
ter Englands ſie nicht allein vornehmen könne.
Re.
Eine Schweizer Stimme zu den unhaltbaren Zuſtänden.
Bern, 13. Jan. (Wolff.) Die Neue Züricher Zeitung
ſchreibt zu den Vorgängen in der Pfalz: Die Bluttat von
Speher beleuchtet grell die unhaltbaren Zuſtände, die ſich unter
dem Teror der Sonderbündler mit offener
franzöſi=
ſcher Duldung in der bayeriſchen Pfalz herausbildeten. Von
Anfang an war offenſichtlich, daß Frankreich die pfälziſche
Sepa=
ratiſtenbewegung aktiver unterſtütze als die rheiniſche. Das
mag mit der geographiſchen Lage der Pfalz zuſammenhängen,
die als unmittelbares Nachbargebiet Elſaß=Lothringens und des
von Frankreich bekanntlich heftig umworbenen Saarlandes für
die franzöſiſche Politik eine beſondere Bedeutung hat. Unter
den Augen des Generals de Metz terroriſierte zweifellos eine
nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung repräſentierende
Autonomiſtenregierung mit einigen hundert bewaffneten
Sepa=
ratiſten das ganze Land rückſichtslos. Es wurde ausgewieſen,
wer für die deutſche Regierung arbeitete. Auch die
Rheinland=
kommiſſion, in der Frankreich, Belgien und immer noch England
vertreten ſind, fing ſeit Jahresbeginn an, die Verordnungen
der Separatiſtenbewegung offiziell zu regiſtrieren und damit als
rechtsgültig anzuerkennen. Gleichzeitig hörte man von einer
diplomatiſchen Demarche, die Lord Curzon in Paris
unternomi=
men habe, um über die merkwürdige Tätigkeit der franzöſiſchen
Beſatzungsbehörde in der Pfalz Aufſchluß zu verlangen.
Cur=
zons Neugierde und Beſorgnis ſind verſtändlich, nicht minder
berechtigt aber iſt die Frage, wie lange noch England mit der
einen Hand in der Rheinlandkommiſſion die franzöſiſchen Pläne
am Rhein fördern helfen und mit der anderen gleichzeitig in
Paris dagegen proteſtieren will.
De Metz verbietet den Aufruf der Geiſilichkeit.
* Speyer, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Der franzöſiſche
Ober=
delegierte für die Pfalz, General de Metz, hat die Bekanntgabe
der Erklärung verboten, die am Sonntag in ſämtlichen
katholi=
ſchen Kirchen der Pfalz von der Kanzel herab verleſen werden
ſollte und die die Aufſorderung an die Katholiken der Pfalz
ent=
hält, der ungeſetzlichen und unrechtmäßigen ſogen, autonomen
Negierung keinen Cehorſam zu leiſten.
Die Trauerfeier.
* Speyer, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Heut= vormittag fand
in Speher die Trauerfeier für den ermordeten
Separatiſten=
führer Heinz=Orbis ſtatt, die ein neuer Beweis dafür war, wie
außerordentlich gering die zahlenmäßige Beteiligung der Pfälzer
an der Separatiſtenbewegung iſt. Nur 390 Perſonen
einſchließ=
lich der Separatiſtentruppen und der Franzoſen nahmen daran
teil. General de Metz feierie den Getöteten in einem in
ſranzöſi=
ſcher Sprache gehaltenen Nachruf als den Freund Frankreichs
und legte darauf im Namen Frankreichs einen Kranz ni=der.
Nach der Feer wurde die Leiche in die Heimat überführt. Der
Leickenzug zum Bahnhof wurde durch ſeparatiſtiſche Truppen
ge=
ſchützt, die den Zug mit der Separntiſtenfahne eröffneten und
auch die Nachhut bildeten, wobei ſie Pfeifen und Zigarelten
rauchten.
Vom Tage
Die Annahme von Poſtpaketen im unbeſetzten Gebiet mußte für den
beſetzten Teil des Oberpoſtdirektionsbezirks Köln und für den
Ober=
poſtdirektionsbezirk Aachen wegen Zollſchwierigkeiten in Vohwinkel
vorübergeyend eingeſtellt werden.
Die Morgenfeier der proletariſchen Jugend, die geſtern bereits von
der politiſchen Polizei verboten war hatte doch eine größere Anzahl
Verſonen veranlaßt, ſich am Sonntag mittag vor dem Großen
Schau=
ſpielhauſe in Berlin anzuſammela. Polizeibeamte zerſtreuten die
Menge. Sie nahmen drei Männer und eine Frau wegen Widerſtandes
feſt.
Wie der Temps mitteilt, wird die Botſchafterkonferenz in aller
Kürze zuſammentreten, um die vorgeſtern in Paris überreichte Note
über die Wiederaufnahme der Militärkontrolle zu prüfen.
Der Prinz von Wales iſt geſtern von Paris nach London
zurück=
gereiſt.
Die franzöſiſche Preſſe erörtert die Frage, ob Kammerwahlen am
2. März oder 5. April ſtattfinden, alſo zu einem früheren Termin als
bisher angenommen. Man nimmt an, daß der Kabinettsrat bereits
geſtern ſich mit dieſer Frage beſchäftigte, und daß ſie in aller Kürze
entſchieden wird.
Die Pariſer Polizei wies geſtern neun Ausländer, ſieben Ruſſen
und zwei Griechen, aus weil ſie an der Pariſer Börſe
Baiſſeſpekula=
tiolen m franzöſiſchen Franken trieben.
Der Sekretär des engliſchen Lokomotivheizerverbands hat geſtern
eine Erklärung veröffentlicht, wonach der Eiſenbahnerſtreik
unver=
meidlich iſt, und ohne vorherige Benachrichtigung des Publikums
er=
folgen wird.
Der Kapitän eines britiſchen Kanonenbootes verhandelte mit dem
Polizeidirektor von Hongkong über die Durchführung gemeinſamer
Maßnahmen zur Unterdrückung der Seeräuberei in den Gewäſſern
Hongkongs.
Gemeindewahlen in Sachſen.
Die erſten Ergebniſſe.
* Dresden, 14. Jan. (Priv.=Tel.) Die am geſtrigen
Sonntag ſtattgefundenen Gemeindewahlen ſind in ganz Sachſen
ohne Störung verlaufen, nachdem der Samstag den Höhepunkt
des Wahlkampfes zeitigte. Im allgemeinen iſt bisher eine
Zu=
nähme der bürgerlichen Stimmen feſtzuſtellen, ſelbſt in
Ortſchaf=
ten, in denen ſeit Jahren die Sozialdemokraten und
Kommu=
niſten die Herrſchaft hatten.
Die Gemeinderatswahlen in Dresden zeitigten folgende
Re=
ſultate: Vereinigte Bürgerliche Parteien 39, Vereinigte
Sozial=
demokraten und Kommuniſten 31 und Deutſchſoziale 5 Sitze,
wo=
durch die bisherige ſozialdemokratiſche Mehrheit im
Stadtparla=
ment gebrochen iſt. Auch in Chemnitz haben die Bürgerlichen
mit 31 Sitzen gegen 30 der Linken den Sieg davongetragen.
Wenn auch die Kommuniſten in einigen Orten einen kleinen
Stimmenzuwachs zu verzeichnen haben, ſo ſind doch andererſeits
einige ihrer Hochburgen, wie Neuſtadt. Sednitz und Bad Elſter,
gefallen.
Auch in Leipzig haben die geſtrigen Gemeinderatswahlen
eine bürgerliche Mehrheit gebracht. An Stelle der bisherigen
Stimmengleichheit von 34 Bürgerlichen und 34 Linksparteilern
werden dem neuen Stadtparlament 38 Bürgerliche und 35
Links=
parteiler angehören.
Ausländiſche Preſſevertreter beim ſächſiſchen
Induſtriellenverband.
* Dresden, 12. Jan. (Priv.=Tel.) Die Berliner
Vertreter ausländiſcher Zeitungen waren heute
vom Verbande der ſächſiſchen Induſtriellen zu Gaſt
geladen worden. Der Vorſitzende des Verbandes, Moras=Zittau,
begrüßte die Journaliſten und führte dabei etwa folgendes aus:
Nach jahrelanger Abſperrung vom Auslaude und nach einer Zeit
des Haſſes, den der Krieg unter den Nationen aufgewühlt habe,
begrüße er es beſonders, die Vertreter der ausländiſchen Preſſe
in Dresden empfangen zu können. Die ſächſiſche Induſtrie, in
der Hauptſache Exportinduſtrie, müſſe alles aufbieten, um die
Wege wieder zu öffnen, die in die Welt hinausgehen. Die noch
beſtehenden Schwierigkeiten in der Zuſammenarbeit können zum
größten Teil durch Handels= und Wirtſchaftsverträge mit den
Völkern, die unſere Fabrikate brauchen, beſeitigt werden, ſofern
dieſe Verteäge auf der Grundlage der Gleichberechtigung
Deutſchland als wichtigen Faktor der Weltwirtſchaft anerkennen.
Uinter den vielen Konferenzen, die ſeit Abſchluß des Krieges
ſtattgefunden haben, hat keine die Aufgabe ſo klar umriſſen, wie
die Konferenz von Genua. Es ſei Aufgabe der Preſſe der
gan=
zen Welt, immer erneut hierauf hinzuweiſen, da von den
Ab=
ſichten der Konferenzen leider nur zu wenig in die Praxis
um=
geſetzt worden iſt. Die Weltwirtſchaft kann nur dann gedeihen,
wenn Freizügigkeit von Menſch, Kapital und Arbeit ſichergeſtellt
iſt. Dieſen Zuſtand wieder herbeizuführen, müſſe die Aufgabe
aller Völker ſein, und die Preſſe wird dabei ein wichtiges Stück
Pionierarbeit leiſten müſſen, wenn ſie die Millionen ihrer Leſer
immer wieder hierauf hinweiſt. Im Anſchluß hieran ſprach der
Syndikus des Verbandes, Dr. März, über „Sachſen und
ſeine Induſtrie‟. Er betonte, daß ſich ein Drittel der
ge=
ſamten deutſchen Texailinduſtrie in Sachſen befinde, und daß
das beſondere Kennzeichen der ſächſiſchen Induſtrie ihre
Verſei=
nerung und Spezialiſierung ſei, während z. B. Rheinland und
Weſtfalen durch Schwer= und Großinduſtrie ihren Charakter
er=
hielten. Die ſächſiſche Arbeiterſchaft ſei als intelligent, fleißig
und anpaſſungsfähig bekannt. Eine der ſchwierigſten Fragen
für die ſächſiſche Induſtrie ſei gegenwärtig der Kreditbedarf.
Selbſt große und leiſtungsfähige ſächſiſche Firmen erhalten von
den beantragten Bankkrediten nur den vierten Teil, und auch
dieſen nur gegen weitgehendſte Sicherungen. Die
Kapitalknavy=
heit werde durch ſtarke Steuerbelaſtung und dadurch vermehut,
daß viele Tirmen bedeuten e Auslandsforderungen für; ihr=
Waren verloren hätten. Die Eefährdung von Auslandskrediten
ſei gceiquet, die gegenwärtig ſchwierige Lage Deutſchlands zu
erteitern.
* Der Kampf um die
Petroleumquellen Mexikos.
Von
Profeſſor=Dr. Münch.
Mit dem Weggang des genialen, mit eiſerner Fauſt
durch=
greifenden Präſidenten Porfirio Diaz im Jahre 1911 wird Mexiko
in ſeiner Entwicklung fortgeſetzt durch innere Unruhen geſtört,
und ſeit einigen Wochen tobt wieder einmal der Aufruhr durch
die fruchtbaren Gaue des Landes und hat ſich jetzt zu einem
Kampf um die Petroleumfelder verdichtet. Dabei ſpielen die
Intereſſen ausländiſcher Staaten und Finanzgruppen, beſonders
der mächtigen Nachbarrepublik im Norden, eine große Rolle, und
man weiß nicht, inwieweit ſie mittel= oder unmittelbar an dieſen
Aufſtandsbewegungen beteiligt ſind. Bei dem Wettlauf nach
Minen= und Petroleumkonzeſſionen werden eben die gewagteſten
Mittel angewandt, und man ſcheut nicht davor zurück, eine in
dieſer Beziehung nicht willfährige Landesregierung mit Gewalt
zu ſtürzen. Und bei den ſtarken perſönlichen Gegenſätzen
inner=
halb der führenden politiſchen Kreiſe Mexikos ſind ſolche Verſuche
nur zu oft von Erfolg begleitet. Daß ſolche Aufſtände
regel=
mäßig auf Koſten des Landes ſtattfinden und ſeine Entwicklung
für längere oder kürzere Zeit vollſtändig lahmlegen, ſtört dieſe
maßgebenden Finanzgruppen wenig, denn der Gewinn, der
ihnen winkt, iſt gewöhnlich ſehr hoch. Denn kaum ein Land
auf der Erde iſt von der Natur ſo verſchwenderiſch mit
Boden=
ſchätzen aller Art ausgeſtattet wie Meriko — ganz zu ſchweigen
von der Fruchtbarkeit des Bodens —, und nur die Vereinigten
Staaten von Nordamerika können hier zum Vergleich
heran=
gezogen werden.
Es iſt bekannt, daß Mexiko ſchon in der ſpaniſchen
Kolonial=
zeit dem Mutterlande gewaltige Schätze an Gold und Silber
ge=
liefert hat. Ein Rückgang in der Produktion trat erſt ein in den
letzten Jahren der ſpaniſchen Kolonialherrſchaft und während
der zahlloſen inneren Wirren der neuen Republik. Die Urſachen
dieſes Rückganges waren aber und ſind noch heute rein
äußer=
licher, beſonders politiſcher Natur, von einer Erſchöpfung der
Erzvorräte kann gar keine Red= ſein. Selbſt die ſeit
Jahrhun=
derten ausgebeuteten Fundſtellen ſind noch lange nicht erſchöpft,
und noch immer werden neue egideckt und in Angriff genommen.
Auch heute noch iſt Mexiko das führende Silberland auf der
gan=
zen Welt, und auch die Gewinnung von Gold, Kupfer, Blei, Zink
und anderen Metallen ſichern dem Lande einen maßgebenden
Platz im Welthandel. Dazu kommit aber die in den letzten Jahren
ſehr geſteigerte Queckſilberproduktion und vor allem die
Aus=
beute an Petroleum. In wenigen Jahren — erſt kurz vor dem
Weltkriege wurden ergiebige Quellen erbohrt — hat ſich Mexiko
bereits zum zweiten Platz unter allen Petroleumländern der
Erde emporgeſchwungen und ſteht direkt hinter den Vereinigten
Staaten, ja es wird dieſen Nebenbuhler in kürzeſter Zeit
über=
flügelt haben. Die Rohölvorräte der Union gehen nämlich
ziem=
lich raſch ihrer Erſchöpfung entgegen, während in Mexiko faſt
in jeder Woche neue Funde gemeldet werden, trotzdem ſchon eine
ganze Reihe ſehr ergiebig geweſener Quellen erſchöpſt ſind.
1913 führte Mexiko erſt nahezu 26 000 000 Faß aus, die
Ver=
einigten Staaten faſt 250 000 000 Faß, während die
Petroleum=
ausfuhr der ganzen Welt 384 667 550 Faß betrug. 1918 waren
die entſprechenden Zahlen 63 828 327, 355 927 716 und 514 729 354.
1920, nach dem Weltkrieg, ſtieg die Ausfuhr Mexikos auf 155
Millionen Faß (!) und 1922 gar auf 200 Millionen, das bedeutet
gegen 1914 faſt eine Verzehnfachung. Ja, die Geſamtproduktion
Mexikos an Rohöl wird auf eine Milliarde Faß geſchätzt,
und damit marſchiert Meriko ſeit 1920 an der Spitze aller
Petroleumländer. Kein Wunder, daß ein reines Wettrennen
um die feſtgeſtellten und vermuteten Oelvorkommen entſtanden
iſt und ſich insbeſondere England und die Nordamerikaner den
Rang abzulaufen ſuchen. Nicht weniger wie 97 Prozent des in
Petroleum=Unternehmungen angelegten Kapitals gehört fremden
Nationen, beſonders den Nordamerikanern! Neben der
Rocke=
fellerſchen Standard Oil=Gruppe ſind es vor allem eine engliſche,
von Lord Cowdray geführte, Geſellſchaſt und der unter
hollän=
diſchem Einfluß ſtehende Ehell=Konzern, die einen führenden
Cin=
fluß auf die Ausbeutung des merikaniſchen Rohölgebietes
ge=
wonnen haben. Dieſe beherrſchende Stellung fremden Kapitals
bildet eine ſtändige politſche Gefahr für das Land, ſie iſt
im=
ſtande, Mexiko um ſeine Exiſtenz zu bringen. Von den
Ver=
einigten Staaten droht natürlich die ſchwerſte Gefahr, und es
iſt ein offenes Geheimnis, daß die langen Kämpfe gegen den
Bandenführer Villa zum größten Teil auf die Machenſchaften
der fremden Kapitalgruppen zurückzuführen ſind. Auch jetzt ſind
wieder ſolche Kräfte am Werk, und es iſt ſehr die Frage, ob es
dem Präſidenten Obregon gelingen wird, den Aufſtand dauernd
niederzuwerfen, denn er kann die Quellen des Aufruhrs nicht
verſchließen. Der für die Ausbeute der Petroleum uellen ſo ſehr
günſtige Umſtand, daß ſie alle nicht weit von der Küſte des
mexikaniſchen Golfes liegen (in Tamaulipas, Veracruz, Takasco
und Chiapas), bietet nämlich zugleich willkommene Gelegenheit,
Waffen einzuſchmuggeln und Banden zu organiſieren, zumal
ausgedehnte Lagunen längs der Küſte für ſolche geheimen Zwecke
wie geſchaffen ſind.
Bedauerlich bleibt, daß deutſches Kapital bei den
außer=
ordentlich gewinnbringenden Petroleum=Unternehmungen: in
Mexiko bisher gar keinen Erfolg aufzuweiſen hat, trotzdem der
deutſche Kaufmann ſich großen Anſehens in dem Lande erfreut
und der Deutſche überhaupt dort viel Sympathie genießt. Wir
können daher nur wünſchen, daß es der rechtmäßigen Regierung
gelingen möge, das mexikaniſche Staatsſchiff gegenüber den
freinden Machenſchaſten flottzuhalten und die Petroleumſelder
von den Aufſtändiſchen endgültig zu ſäubern, ehe heilloſer
Schaden angerihtet iſt.
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 14. Januar. 1924.
Rummer 14.
Die Konferenz der Kleinen Entente.
Das amtliche Kommunigé.
Belgrad, 12. Jan. (Wolff.) Ueber die heute zu Ende
geführte Konferenz der Kleinen Entente wurde folgendes
Kom=
munigué ausgegeben: Die leite Sitzung der der er her
zilei=
nen Entente fand heute vormittag 10 Uhr im Miniſterium des
Aeußern ſtatt. Beneſch, Duca und Nin ſch tſch ſetzten die Be
pre=
chung der Frage der ungariſchen Anleihe fort. Nachdem ſie die
diesbezüglichen Protokolle auf ihre Vollſtändigkeit überprüft
hatten, kamen ſie über die Entſcheidungen überein, die auch zur
Beſeitigung von beſtehenden Schwierigkeiten notwendig ſind.
Die nächſte Zuſammenkunft.
Prag, 13. Jan. (Wolff.) Das Tſchechoſlowakiſche
Preſſe=
büro meldet aus Belgrad: Die Außenminiſter der Tſchechoſlowakei,
Rumäniens und Südſlawiens haben bei Beendigung der
Kon=
ferenz beſchloſſen, daß die nächſte Zuſammenkunft der Vertreter
der Kleinen Entente im Juni oder Juli ſtattſinden ſoll. Die
drei Miniſter werden noch vor ihrer Abreiſe in Verhandlungen
von Miniſter zu Miniſter die zwiſchen ihren Staaten noch
ſchwe=
benden Fragen regeln.
Um die Anerkennung Sowjetrußlands.
Paris, 13. Jan. (Wolff.) Der Berichterſtatter des „
Ma=
tin” berichtet aus Belgrad, ihm habe der rumäniſche
Außen=
miniſter Duca erklärt, daß demnächſt Verhandlungen zwiſchen
Rumänien und Sowjetrußland über die Fragen der
Anerken=
nung der Sowjetregierung eingeleitet würden. Die Kleine
En=
tente ſei Bulgarien gegenüber ſolidariſch. Sie verlange die
Re=
ſpektierung des Friedensvertrags von Neuilly und verpflichte
Bulgarien, Grenzzwiſchenfälle zu vermeiden. Auf die Frage der
Korreſpondenten erklärte der rumäniſche Miniſter, die
franzö=
ſiſch=tſchechiſche Allianz werde nicht erweitert. Der tſchechiſche
Außenminiſter Beneſch ſagte zu dem Vertreter des Matin, die
Sowjetregierung würde von ſeiner Regierung de kacto aner
kannt werden. Ueber die Frage der de zure=Anerkennung
könne er noch nichts Beſtimmtes ſagen. Wie der Berichterſtatter
weiter erfährt, wird zu der engliſchen Note über die von
Frank=
reich eröffneten Kredite an die Länder der Kleinen Entente
er=
klärt, daß jeder Staat getrennt antworten und mitteilen werde,
daß die franzöſiſchen Kredite die Bezahlung der Schulden an
England nicht beeinfluſſen würden.
Prag, 13. Jan. (Wolff.) Das Tſchechoſlowakiſche
Preſſe=
büro meldet aus Belgrad über die Richtlinien, auf die ſich die
Konferenz der Kleinen Entente bezüglich ihrer Haltung in der
ruſſiſchen Frage grundſätzlich einigte. Es könnten auf Grund
authentiſcher Informationen folgende zwei Punkte feſtgeſtellt
werden: Die Regierungen der Kleinen Entente ſeien ſich darin
einig, abzuwarten, welchen Standpunkt in dieſer Frage Italien
und England einnehmen würden. Die Regierungen der
Klei=
nen Entente behielten ſich vollkommene Handlungsfreiheit vor,
damit ſie, entſprechend neuen Umſtänden und der allgemeinen
Lage ihren beſonderen Standpunkt beſtimmen könnten.
Numä=
nien werde ſeine bisherigen Verhandlungen fortſetzen, da es mit
Rußland einige beſondere Fragen zu regeln habe.
Beneſch als Vermittler.
* London, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Der diplomatiſche B= des Obſerver teilt mit,,daß Dr. Beneſch der
ruſſi=
ſchen egicrung den Vorſchlag gemacht habe, als Vermittler
zwiſchen Moskau und Paris bei Verhandlungen zwecks
Wieder=
aufnahme der diplomatiſchen Beziehungen zwiſchen Frankreick
und Rußland aufzutreten. Die Grundlage der Verhandlungen
würde ſein, daß Frankreich Rußland de jure anerkeunt im
Aus=
tauſch gegen eine ruſſiſche Anerlennung der ruſſiſchen
Vorkriegs=
ſchulden und einer Verpflichtung auf ſeiten Nußlands, den
Ver=
ſailler Vertrag zu reſpektieren. Dem Berichterſtatter zufolge iſt
die obige Information noch nicht amtlich beſtätigt weiden.
Jialieniſch=jugoflawiſches Bündnis.
* Mailand, 13. Jan. (Priv.=Tel) Der Korreſpondent
des Corriere della Sera in Belgrad verſichert, die amtliche
Be=
ſrätigung des Abſchluſſes des Bündniſſes zwiſchen Italien und
Jugoſlawien werde in einigen Tagen erfolgen. Der Vertrag
beſtehe aus 6 Artikeln und halte ſich in einem engeren Rahmen,
als der franzöſiſch=tſchechoſlowakiſche Bündnisvertrag. In der
Einleitung erkennen Italien und Südſlavien übereinſtimmend die
Notwendigkeit der Erhaltung des Friedens an. Das Bündnis
habe den Charakter eines Schutzvertrages und richte ſich nicht
gegen Dritte. Die Verſtändigung in der Frage von Fiume ſei
in einem beſonderen Vertrag geregelt worden, wenn auch die
beiden Uebereinkommen gleichzeitig abgeſchloſſen wurden. Nach
Austauſch der Ratiſizierungsurkunden werde eine Begegnung
Muſfolinis mit Paſchitſch und im Anſchluß daran als Ausdrug
der Freundſchaft zwiſchen beiden Staaten auch eine Begegnung
der Monarchen erfolgen.
Die Antworten auf das deutſche Memorandum
Berlin, 13. Jan. (Wolff.) Der deutſche Geſchäftsträger
in Brüſſel, Rödiger, iſt, wie wir erfahren, in Berlin einge
troffen. Der Geſchäftsträger in Paris, v. Hoeſch, der ſeine
Ab=
reiſe wegen leichter Erkrankung verſchieben mußte, wird
voraus=
ſichtlich am Dienstag früh in Berlin ſein. Die den
Geſchäfts=
trägern in Paris und Brüſſel am Freitag überreichten Antworten
auf das deutſche Memorandum vom 24. Dezember ſind inzwiſchen
durch Kuriere in Berlin eingegangen.
Berlin 13. Jan. (Priv.=Tel.) Der Wortlaut der
bel=
giſchen und franzöſiſchen Antwortnoten iſt heute durch Kuriere
dem Berliner Auswärtigen Amt überbracht worden. Sie
wer=
den zur Stunde übertragen. Die beiden Noten umfaſſen
zuſam=
men 29 Seiten. Die Verarbeitung ſeitens der zuſtändigen
Re=
gierungsſtellen konnte daher noch nicht begonnen werden. Das
Kabinett wird über die beiden Noten vorausſichtlich erſt beraten,
wenn der deutche Geſchäftsträger in Paris, v. Hoeſch, in
Ber=
lin eingetroffen iſt, alſo nicht vor Dienstag.
Cröffnungsitzung der Sachverſtändigenausſchüſſe.
* Paris, 14. Jan. (Priv.=Tel.) Heute vormittag um 11
Uhr tritt das erſte Sachverſtändigenkomitee zur Prüfung der
deutſchen Staatsſchulden und der Stützung der Mark unter dem
Verſitz von Barthou zuſammen. Der Präſident der
Reparations=
komnziſſion wird die amerikaniſchen, britiſchen, franzöſiſchen,
bel=
giſchen und italieniſchen Sachverſtändigen in einer
Begrüßungs=
anſprache willkommen heißen. General Daves wird darauf mi
einer Nede antvorten und den Vorſitz des Komitees
über=
nehmen. Die italieniſchen Delegierten ſind geſtern früh in Paris
eingetroffen, die belgiſchen Delegierten geſtern abend.
Die amerikaniſchen Oelegierten in Paris.
Paris 13. Jan. (Wolff.) Der amerikaniſche Delegierte
ür den Ausſchuß zur Erforſchung der deutſchen
Auslandsgut=
haben, Robinſon, übermittelte der Preſſe eine Erklärung
in der er hervorhebt, er habe bis jetzt keine Mitteilung über die
Enquete zu machen, die ihn nach Paris führte, und er
beabſich=
tige auch nicht, dies zukünftig zu tun. Er begebe ſich ohne
Vor=
urteil an die Arbeit mit dem Wunſche, die Tatſachen unparteiiſch
zu erforſchen, in der Hoffnung, daß man nach aufmerkſamer
Prüfung des Gegenſtandes nach nationalen und internationalen
Gefichtspunkten zu ſoliden Schlüſſen gelange.
Der amerikaniſche Vertreter in dem Ausſchuß der
Revarations=
kommiſſion für Währungs= und Budgetfragen, General Dawes
und Owen Young prüften nach dem Petit Pariſien in der
letzten Tagen die ihnen von der Reparationskommiſſion zur
Ver=
fügung geſtellten Akten über die deutſche Budgetordnung, über
die Wirtſchafts= und Finanzlage, über die Bilanz der Reichsbank
und Rentenbank eingehend. An der Prüfung nahm auch der
offizielle Beobachter der Vereinigten Statten in der
Reparations=
kommiſſion Logan teik. Geſtern verhandelten die beiden
ame=
rikaniſchen Sachverſtändigen mit den bereits in Paris
angekom=
menen engliſchen Sachverſtändigen Sir Robert
Kinders=
ley und Sir Charles Staup. Die belgiſchen und
italie=
niſchen Sachverſtändigen treffen heute in Paris ein. Morgen
vormittag 11 Uhr hält der Sachverſtändigenausſchuß ſeine erſte
Sitzung ab; es iſt wahrſcheinlich, daß er auch am Nachmittag
tagt, um über die Arbeitsmethoden zu verhandeln. Da die
ame=
rikaniſchen Sachverſtändigen zu einem raſchen Abſchluß der
Ver=
handlungen gelangen wollen, wird der erſte Komitee=Ausſchuß
täglich zwei Sitzungen abhalten.
Eine Moſtifikation.
Speyer 12. Jan. Die Pariſer Preſſe läßt ſich aus Speyer
berichten, daß der Delegierte der Rheinlandkommiſſion in Lud
wigshafen einen Brief erhalten hat, der am Bahnhof in
Frank=
furt aufgegeben und von 5 „Oberländern” mit den
Anfangs=
buchſtaben ihrer Namen unterzeichnet ſein ſoll. In dem Brief
heißt es: Wir ſind auf deutſchem Boden in Sicherheit
angekom=
men und haben die Ehre, mitzuteilen, daß eine Ueberwachung
der Brücken und Nachforſchungen nach Tätern nicht mehr nötig
ſind. Mit Gottes Hilfe iſt dieſen ſchändlichen Menſchen
Gerech=
tigkeit widerfahren. Der Delegierte kann ſeine Spießgeſellen
ſchützen, wie er will, ſie werden Oberländern nicht entgehen.
Wir haben den Schwur abgelegt, nicht zu raſten, bis der letzte
dieſer Räuber und Verräter am Boden liegt. Mein Oberland,”
Wie der Matin= hinzufügt, befindet ſich rechts von der
Unter=
ſchrift ein Hakenkreuz, links ein Edelweiß.
Es handelt ſich bei dieſer Meldung um eine grobe
Myſtifi=
kation.. Die Tatſachen deuten darauf hin, daß es ſich bei der
Tat von Speher um einen Akt der Notwehr des pfälziſchen
Vol=
kes handelt, und daß die Tat von Pfälzern ausgeführt wurde.
Die Augenzeugen ſtimmen darin überein, daß die Vollſtrecker
des Willens des pfälziſchen Volkes unverfälſchten Pfälzer
Dialekt ſprachen. Selbſt wenn der Brief wirklich eriſtiert und
nicht eine zu durchſichtigen Zwecken in die Welt geſetzte
Fäl=
ſchung iſt, kann es ſich nur um eine Myſtifikation handeln.
Die Fraktionsſitzung der DeutſchenPolkspartei.
* Berlin, 13. Jan. (Priv.=Tel.) Der Fraktionsſitzung der
Deutſchen Volkspartei, die am Samstag nachmittag
zuſammen=
getreten iſt, iſt inſofern eine beſondere Bedeutung beizumeſſen,
als der Verſuch gemacht werden ſollte, die Gegenfätze, die
inner=
halb der Fraktion in den letzten Monaten zutage getreten ſind
auszugleichen. Es iſt ein offenes Geheimnis, daß eigentlich ſeit
dem Tage, an dem Dr. Streſemann das Kanzleramt übernahmn,
der rechte Flügel der Fraktion mit der Politik nicht
einverſtan=
den war, und deshalb ſchon dem erſten Vertrauensvotum für
das Kabinett nicht zuſtimmte. Die Gegenſätze laſſen ſich
präzi=
ſieren auf das Schlagwort: Große Koalition oder Bürgerblock.
Es ſcheint, als wenn es gelungen iſt, die Anſchauungen auf einer
mittleren Linie zu einigen. Jedenfalls faßte die ſehr ſtark
be=
ſuchte Fraktionsſitzung zum Schluß einſtimmig eine
Entſchlie=
ßung, die erneut den Gedanken der Volksgemeinſchaft zum
Aus=
druck bringt.
Aufhebung des vereinfachten Strafverfahrens.
Berlin, 13. Jan. (Wolff.) Durch eine Verordnung des
Reichspräſidenten über die beſchleunigte Aburteilung von
Straftaten vom 17. Dezember 1923 wurden die Strafkammern
für zuſtändig erklärt zur Aburteilung einer Reihe von
Straf=
taten, wodurch die öffentliche Ordnung, zumal in Zeiten von
Unruhen, beſonders ſchwer beinträchtigt wird. Um die
notwen=
dige ſchnelle Aburteilung dieſer Straftaten ſicher zu ſtellen, ſieht
die Verordnung gegenüber den Vorſchriften der
Strafprozeßord=
nung ein abgekürztes, vielfach vereinfachtes Verfahren vor. Wie
der Reichsminiſter der Juſtiz bereits im 45. Ausſchuß des
Reichstages bei der Beratung der Verordnung über die
Gerichts=
verfaſſung und Strafrechtspflege hervorhob, war die
Reichsjuſtiz=
verwaltung beſtrebt, die zeitliche Geltungsdauer der Verordnung
vom 17. Dezember 1923 möglichſt abzukürzen. Nachdem
nun=
mehr die Verordnung über die Gerichtsverfaſſung und
Straf=
rechtspflege vom 4. Januar 1924 erlaſſen iſt, ſcheint der
Zeit=
punkt nahe gerückt, an dem die Verodnung vom 17. Dezember
entbehrlich wird. Durch die in ihr vorgeſchlagenen
Notmaßnah=
men wird ein Teil der Gründe beſeitigt, die den Erlaß der
„Verordnung vom 17. Dezember notwendig erſcheinen ließen. Es
iſt auch zu erwarten, daß die Strafkammern die dringendſten
unter dieſe Verordnung fallenden Sachen bereits erledigt haben,
oder doch bis zum Ablauf des Monats werden erledigen können.
Der Reichspräſident entſchloß ſich deshalb, auf Antrag des
Reichsminiſters der Juſtiz, die Verordnung vom 17. Dezember
1923 zum 1. Februar außer Kraft zu ſetzen.
Sparmaßnahmen.
Berlin, 13. Jan. Um den aus den Zeitverhältniſſen
er=
wachſenen vielſeitigen und ungeheuren Schwierigkeiten auf dem
Gebiete des Behörden=Bibliothekweſens nach Möglichkeit zu
be=
gegnen, iſt für Berlin mit Zuſtimmung des preußiſchen
Staats=
miniſteriums die „Arbeitsgemeinſchaft der Preuß.
Behörden=Bibliotheken” gebildet worden. Sie
um=
faßt zurzeit 14 Bibliotheken der preußiſchen Miniſterien, des
preu=
ßiſchen Statiſtiſchen Landesamts, des Oberverwaltungsgericht,
Kammergerichts, Evang. Oberkirchenrats und des Landtages.
In gleicher Weiſe iſt auf Antrag des Reichsſparkommiſſariats
durch den Reichsminiſter des Innern die „
Arbeitsgemein=
ſchaft der Reichsbehörden=Bibliotheken”
gegrün=
det worden, deren Aufgaben und Ziele ſich mit denjenigen der
Preuß. Arbeitsgemeinſchaft decken. Der Reichsarbeitsgemeinſchaft
gehören 30 Bibliotheken der Reichsminiſterien, des Reichstages
und der größeren Reichsbehörden an.
Beide Arbeitsgemeinſchaften haben die Aufgabe, unter den
gegebenen Verhältniſſen die ſparſamſte Bewirtſchaftung der den
einzelnen Behörden für Bibliothekszwecke zur Verfügung
ſtehen=
den Geldmitteln durch erhöhte wirtſchaftliche Ausnutzung der
verhandenen Bücherbeſtände und Einrichtungen zu erreichen,
Keine Verringerung der Kohlenſteuer.
* Düſſeldorf, 13. Jan. (Priv.=Tel.) In Düſſeldorf hat
eine wichtige Beſprechung zwiſchen Franzen und Hannecart
einerſeits und Stinnes, Klöckner und anderen deutſchen
Indu=
ſtriellen andererſeits ſtattgefunden. Es wurde über die
Aus=
führungsbeſtimmungen des Abkommens vom 24. November
ver=
handelt. Wie verlautet, bleiben die Franzoſen bei ihrer Forde
rung, daß die Kohlenſteuer auf ihrer bisherigen Höhe bleiben ſoll,
Hilfsaktion Vorarlbergs.
Berlin, 13. Jan. In vorbildlicher Wei’e beteiligt ſich die
Vorarlberger Bevölkerung an den zur Linderung der Not in
Deutſchland von verſchiedenen Stellen und Verbänden
eingelei=
teten Sammlungen. In der Hauptſache ſind die Erträgniſſe
für das Schwabenland beſtimmt; daneben richtet ſich die
Hilfs=
aktion der Vorarlberger insbeſondere auf die Unterbringung
von Ruhrkindern.
Heſſiſches Landestheater.
Großes Haus. — Sonntag, den 13. Januar.
Wda.
Große Oper von Ghislanzoni, Muſik von G. Verdi.
Cin frei erfundener, geadelter Stoff begeiſterte den Meiſter,
der ſeither ſeine Texte vorhandenen Dramen oder Romanen
entlehnte, zu einer muſikaliſchen Geſtaltung, die das
Gelegen=
heitswerk von Suez zu dem erſten ſeiner drei unbeſtrittenen
Meiſterwerke machte. Blendender Effelt, aufdringliche Theatralik
früherer Werke weichen ſinnvoller Dramatik, derbe Gegenſätze
verſchwinden, eine Mannigfaltigkeit blühender Farben tut ſich
auf, von Lokalkolorit gehoben. Die Inſtrumentation hat ſich
bereichert und verfeinert, die Fülle kühner und ſüßer Melodien
iſt geblieben. Straffer Aufbau der Akte, hinreißende
Steige=
rungen, glänzende Enſembleſätze geben die Vollendung zu einem
Werk, das ohne Vorbild und Anlehnung ganz Perdi gehört
Mit Wagner, von deſſen Stil man eine Zeit lang die Aida
be=
einflußt hielt, hat es ſicherlich nichts zu tun. Aber freilich brachte
der Zweck es mit ſich, daß das dramatiſche Kunſtwerk hinter der
„Großen Oper” zurückſtehen mußte.
Die Aufführung war eine abgerundete gute Leiftung dank
der ſtarken Leitung Michgel Ballings und Peter
Suhr=
kamps.
Die Infzenierung war die alte vom Jahre 14. Ganz auf
Illuſion geſtellt, bietet ſie dem heutigen, von der Moderne er
zogenen Auge einen Anblick, der kaum mehr ertragen werden
kann. Dasſelbe gilt von den Koſtümen, dem hiſtoriſchen
Klein=
kram, dem Bombaſt des Siegesfeſtes mit ſeinen verkleideten
Menſchen, ſoviel fri here ernſtliche Arbeit und heutige ſorgfältige
Einſtudierung damit verbunden ſein mag. Glücklicherweiſe hatte
man für die Ballette neue Formen gefunden, die wohltuend
an=
zuſehen waren. Dieſe Inſzenierung, für die übrigens niemand
verantwortlich gezeichnet hatte, iſt nicht diskutierbar. Aber das
iſt jetzt überhaupt das Los der Großen Oper, wenn ſie nicht vom
Genie neu aufgebaut wird, wozu meiſt die Mittel fehlen.
Die Befetzung der vier äußerſt dankbaren Hauptrollen war
nicht durchweg glücklich. Die Titelrolle, dem hochdramatiſchen
Fache angehörend, hatte man Hedwig Werle anvertraut. Ich
halte dies für einen Mißariff, mit der man der vielſeitigen und
beliebten Dame keinen Gefallen getan hat. Ihre Stimmlage,
Tonſarbe, auch ihr Ausſehen, Spiel und Mimik, an ſich
ent=
zückend, eignen ſich nicht; ihre Geſtaltungskraft, ihr künſtleriſches
Temperament reichen nicht aus. Das war alles ſehr fein,
ele=
gant, harmoniſch, aber nicht Aida, die anthiopiſche Sklavin. Ich
muß nun indes Frl. Werles muſikaliſche Begabung, Ausbildung
und Sicherheit bewundern, mit welcher Vollendung ſie trotzdem
mit dieſer anſpruchsvollen Rolle fertig wurde. In der Amneris
ſtellte Anna Jacobs mit trefflichem Gelingen eine
ſcharfum=
riſſene Charakterfigur hin. Mit bewußter Gegenſätzlichkeit war
das Harte, Leidenſchaftliche und ſchließlich Verzweifelte
heraus=
gearbeitet und mit der Machtfülle ihrer ſicher geführten Stimme
verkörpert. Herr Verheyen iſt ein guter Rhadames. Das
Heroiſche dieſes doch ſo menſchlich weichen Helden liegt ihm. Die
Stimme gehorchte nicht immer; dennoch führte ſeine intelligente
Darſtellung zu vielen glanzvollen Höhen. Herrn Häuſers
Amonasro hätte das ungezügelte Temperament des Wilden
ſtär=
ker betonen dürfen; gefanglich gab der vorzügliche Verdi=Sänger
wieder eine treffliche Leiſtung. Der gar nicht unbedeutenden Rolle
des Oberprieſters lieh Heinrich Hölzlin ſein wundervoll
klin=
gendes Organ und ſeine vornehme Darſtellungsart. Herr Heinrich
Kuhn war in Maske und Geſang ein impoſanter König. Gut
führte Herr Sauer die kleine Rolle des Boten durch, und
herr=
lich ſchwangen ſich die klaren Töne der Prieſterin von Margarete
Albrecht. Auch die von Dr. Hans Wedig ſtudierten Chöre
ſaßen feſt und klangen.
Die Vorſtellung der Oper, die in ihrer Neigung zum
Aus=
ſtattungsſtück ſtark an die alten Zeiten der höfiſch prunkender
Feſtſpiele erinnerte, fand offenbar bei dem zahlreichen
Sonntags=
publikum großen Beifall. Ein großes Theater muß auch ſolche
Stügke manchmal bringen dürfen.
v. HI.
* Die Schupo im Examen.
Für die Sicherheit der Allgemeinheit iſt es von größter
Wich=
tigkeit, daß die Beamten der Schutzpolizei mit größter Sorgfalt
ausgewählt werden, denn es ſind äußerſt mannigfache
Anfor=
derungen, die an den „Schupomann” geſtellt werden und die er
im Dienſte erfüllen muß. Der bekannte Pſychotechniker Dr. Rob
Werner Schulte hat daher eingehende Methoden für die
Eig=
nungsprüfung bei der Schupo ausgearbeitet und ſie an einem
großen Verſuchsmaterial erprobt. Ueber dieſes komplizierte
Exa=
men, das die Anwärter bei der Schutzpolizei beſtehen müſſen, teilt
er in einem Aufſatz der Frankfurter Wochenſchriſt „Die Umſchau”
näheres mit. Der zuverläſſige Polizeibeamte braucht, beſonders
wenn er im Straßen= oder Rerierdienſt beſchäftigt wird, eine
An=
zahl von geiſtigen, ſeeliſchen und Charaktereigenſchaften, um mit
dem Publikum gut auszukommen. So iſt zum Beiſpiel Sehſchärfe
notwendig, und er wird daraufhin geprüft durch die
Feineinſtel=
lung kleiner Gegenſtände, bei der die Fehler mit dem Mikroſkop
abgeleſen werden. Er muß auch ſehr raſch imſtande ſein, eine
Zahl oder ein Wort aufzufaſſen, und dies zeigt er am „
Schnell=
blickprüfer” durch den Verſuchskarten ganz kurze Zeit gezeigt
werden und richtig erkannt ſein müſſen. Näumliches
Orientie=
rungsvermögen, gutes Gehör ſind erforderlich. Beſonders wichtig
ſind bei dem „Schupo” die Intelligenzleiſtungen. Man verlangt
gute Auffaſſungsgabe bei der Entgegennahme von Befehlen,
be=
ſondere Zuverläſſigkeit der Ausſage bei der Schilderung von
Vorgängen, Merkfähigkeit, Gedächtnisſtärke uſw. Bei der
Eig=
nungsprüfung werden auch feſtgeſtellt: Begriffsbildung,
Erfaſ=
ſung des Weſentlichen, Zurechtfindenkönnen in neuen
Situatio=
nen, die Auskunſtserteilung an das Publikum, die
Kombina=
tionsgabe bei der Beurteilung von Situationen uſw. Der
Schut=
polizeibeamte darf ſich nicht leicht erſchrecken laſſen und muß einen
hohen Grad von Mut beſitzen. Um ſeine Schreckhaftigkeit zu
prü=
fen, werden ihm die Augen verbunden, und er berommt einen
Apparat in die Hand, der beim Zittern der Hand eine ſogenannte
„Schreckkurve” aufzeichnet. Dann wird plötzlich eine Piſtole
ab=
gefeuert und feſtgeſtellt, wie die Schredkkurve verläuft, ob er beim
Schuß zuſammengefahren iſt. Die Mutprüfung erfolgt auf die
Weiſe, daß der Beamte elektriſch geladene Handgriffe anſaſſen
muß und dabei ſeine Standhaftigkeit und Energie zeigt. Die
Entſchlußgeſchwindigkeit wird ſo unterſucht, daß der Prüfling ein
fallendes Gewicht möglichſt ſchnell durch einen Taſtendruck
brem=
ſen ſoll. Je kürzer die Fallſtrecke iſt, die das Gewicht durchläuft,
deſto ſchneller und ſicherer iſt die Entſchlußfähigkeit. Der
Ver=
kehrsbeamte auf belebten Plätzen muß eine Mehrfachbehandlung
ausführen können. Bei den Verſuchen läßt man kleine
Glüh=
lämpchen aufleuchten, und der Prüfling muß dann ſofort
be=
ſtimmte Bewegungen ausführen. Durch ähnliche Methoden
wer=
den Geiſtesgegenwart, Willensenergie uſw. geprüft, und es ergibt
ſich ſchließlich aus all dieſen Proben ein reiches Materiak, aus
dem man erkennen kann, welche Eigenſchaften bei dem
Betreffen=
den beſonders ausgebildet ſind und für welchen Dienſtzweig er
am beſten paßt. Bei der Prüfung iſt auch die perſönliche
Be=
obachtung des Anwärters von ſehr großer Bedeutung. Man hat
erkannt, daß neben das rein experimentelle
Unterſuchungsperfah=
ren ein Beobachtungsverfahren treten muß, um auch die Gefühls=
und Charaktereigenſchaften, alſo die ganze Perſönlichkeit zu
er=
faſſen. Die Zuverläſſigkeit der Prüfmethoden ergab ſich dadurch,
daß Kontrollunterſuchungen vorgenommen wurden, bei denen
Laboratorium und Dienſtſtelle von einander unabhängig ihr
Gut=
achtung abgaben. Es zeigte ſich, daß die Ergebniſſe der
experi=
mentellen Unterſuchung mit den Erfahrungen über die dienſtliche
Brauchbarkeit in ſehr hohem Maße übereinſtimmten, in 91
Pro=
zent für die experimentellen Verfahren und in 93 Prozent für die
Beobachtungsmethoden. Es läßt ſich alſo die Eignung des
Schupo für ſeinen Dienſt in wiſſenſchaftlich und praktiſch
einwand=
freier Weiſe ermitteln.
Die englifche Preffe ift zurzeit das getreue Spiegelbild der
innen= und außenpolitiſchen Lage des Landes. Was immer
über die nächſte Zukunft prafelt wird, es drückt eine Ungewiß
heit aus, die durch das Bewußtfein über die diplomatiſchen
Fehlſchläge und Mißgrifſe der ſetzten Jahre noch geſteigert wird.
Heute wird üblicherweiſe die Thronrede ſteigen, woran
ſich in ebenſo üblicher Weiſe Neden und Verhaudlungen ſchließen,
um mit der Befeſtigung oder dem Sturz der Negierung Baldwir
zu enden. Alle Zeichendeuter ſtimmen darin überein, daß die
Tage der Regierung Baldwin gezählt ſeien, während über das.
was dann komen muß, das Rätſelraten kein Ende nehmen will
Stürzt Valdin, ſo muß der König nach überliefertem Brauch
den Führer der Oppoſition berufen. Und wenn Ramſay
Mac=
donald zum Schluß der Audienz dem König die Hand küßt, dann
hat er auch den Auftrag zur Regierungsbildung in der Taſche.
Tatſächlich iſt dieſ= Möglichleit unmittelbar nahegerückt, daß der
Führer der Arbeiterpartei Miniſterpräſident wird. Allein was
iſt die Arbeiterpartei? In Deutſchland wird pamentlich in
ſozia=
liſtiſchen Blättern viel über eine engliſche Arbeiterregierung
ge=
ſchrieben. Das ſoll ein Troſt in Tränen ſein, weil die
Sozial=
demokratie in Deutſchland buchſtäblich auf dem
fcharfgeſchliffe=
nen Raſiermeſſer ſitzt, auf dem ſie nicht nur abwärts rutſcht,
ſon=
dern fich wahrſcheinlich auch ſelbſt halbiert. Nun iſt die engliſche
Arbeiterpartei nichts weniger als eine engliſche Ausgabe der
Sozialdemokratie. Was ſich heute Labour Party nennt, iſt dem
geſchichtlichen Werden nach nichts weniger als eine geiſtig und
politiſch einheitliche und geſchloſſene Partei. Die Labour Party
hat nicht nur die ehemaligen Unabhängigen aufgeſogen, deren
Führer vor dem Kriege der Sozialiſt Keir Hardie war, ſondern
auch die ſog. Arbeiterparrei, die ſ. Zt. unter John Burns nichts
anderes war als der linke Flügel der Liberalen. Es iſt weiter
zu beachten, daß die ſtärkſten geiſtigen Kräfte der Labour
Party noch immer die Fabier ſind, auf die die ſchablonenmäßige
Anwendung oder Bezeichnung einer marriſtiſch=ſozialiſtiſchen
Gruppe überhaupt nicht paßt. Soweit es ſich um Marxiſten im
ſtrengen Sinne handelt, alfo parteimäßig nun die Reſte der
ehe=
maligen Unabhängigen, dürfte ihr Einſchlag und ihr Einfluß
in ded Labour Party nicht einmal vorwiegen. Schon der Wechſe
in der Führerſchaft nach den Wahlen von 1922 beutete darauf
hin, daß ſich Teiſe der Labour Party nicht unbedingt unter dem
ſozialiſtiſch=marxiſtiſchen Banner ſammeln wollten. Wenn aber
Ramſay Macdonald die Regierungsbildung übernehmen muß,
iſt er in ſeinen Entſchlüſſen nicht einmal in Hinſicht auf ſeine
eigene Partei frei und ſüher. Daß es ihm gelingen könnte, auf
der ſchmalen parlamentariſchen Grundlage ſeinei Partei das
Regierungsſchiff lange zu führen, iſt wenig wahrſ heinlich, es ſei
denn, daß Liberale und Konſervative ſich geheim oder offen dahin
verſtändigen, die Labour Party einmal gründlich abwirtſchaften
zu laſſen.
Nicht nur innenpolitiſch, ſondern auch außenpolitiſch. Und
nicht nur deshälb muß davor gewarnt werden, in der engliſchen
Politik einen Meilenſtein zu ſetzen, wenn Ramſay Masdonald
tatſächlich in Whitehall einziehen ſollte. Vor allem gilt dies für
das Wielerherſtellungsproblem, das auch Maedonald mehr als
Engländ, denn als ſozialiſtiſches Allerweltsſchwefelholz ſieht
Dem Engländer brennt das Problem nur ſoweit auf den Nägein,
als die außenpolitiſche Entwickelung England aus Europa faſt
ausgeſchaltet hat. Lioyd George, Bonar Law und Baldwin haben
gleichermaßen dazu beigetragen, am meiſten Lloyd George, deſſen
ſtärkſter diplomati cher Triumph, die Tagung von Genua, von
Poin=
earé kurz= und kleingeſchlagen wurde. Daß Ramſay Macdonald
das überlegene diplomati che Genie iſt, das vermag, die
verfah=
vene politiſche Lage Englands wieder einzurenken, das glauben
weder ſeine Anhänger noch ſeine Gegner. Und Poincaré hat
den Poſten Maedonald ſofort in ſeine Rechnung geſtellt, als er
ſich ſcheinbar einer Verſtändigung mit Deutſchland geneigt zeigte,
die die Engländer ſchon aus wirtſchaftlichen Gründen mehr
fürchten, als den doch nur kurz bemeſſenen Kreuzweg einer „
Ar=
beiterregierung‟ Es werden nicht allzu viel wirkliche Arbeiter
darin ſitzen, ganz ſicher aber keine ausgepichten Marxiſten,
zu=
mal der Marxismus für die Engländer eher eine politiſche
Gewaltlehre im Stil des Chartismus iſt, als ein wirtſchaftliches
und ſoziales Umwälzungsftſtem. In der Schwäche der
parla=
mentariſchen Stellung Maedonalds liegt nicht nur für
Eng=
land die viel größere Gefahr, daß ſie das Uebergeſpicht
Frank=
beichs in Europa womöglich noch ſteigert. Das wiffen auch die
Führer der Konſervativen und Liberalen, die dieſe Gefahr in
Darmſtadt, 14. Januar.
— Landestheater. Die Mieter der Sondermieten 16 und
17 werden darauf aufmerkſam gemacht, daß heute, Montag, nachmittags
von 3½ bis 5 Uhr, die zweite eilzahlung der 2. Nate fällig iſt.
Hiet=
bei ſind Mietkarte und Quittungskarte mitzubringen. Die nächſte
Vor=
ſtellung, Verdis „Troubadour”, für dieſe beiden Sondermieten findet
be=
reits am Dienstag ſtatt. Der Zutritt zum Zuſchauerraum iſt nur gegen
Vorzeigung der Mietkarte und Quittungskarte geſtattet. Den Mietern
wird empfohlen, die Zahlſtunden einzuhalten und von der Möglichkeit
vor der Vorſtellung ſelbſt an der Abendkaſſe zu zahlen, keinen Gebrauck
zu machen, weil hierbei Verzögerungen entſtehen können und die Gene
raldirektion keinen Erſatz gewähren kann, wenn der Mieter einen Teil
der Vorſtellung verſäumt
— Vortrag über Oſtgotenkunſt (mit Lichtbildern). Der zweite
Vortrag in der Vortragsgemeinſchaft der Techn. Wiſſenſch. Vereine
(Mittelrhein. Arch. u. Ing.=V., V. d. J., V. D. Dipl.=Ing. u.
Elet=
trotechn. Geſ.) findet am Dienstag, den 15. Januar abend=
8 Uhr, im Hörſaal 137 der Techn. Hochſchule ſtatt. Es ſpricht Herr
Regierungsbaurat Bode aus Kaſſel über „Oſtgotenkunſt und
byzantini=
ſcher Stil”, wobei insbeſondere die Bautätigkeit Theoderichs beſprochen
und neue Aufſchlüſſe über den weitreichenden Einfluß dieſer Bauepoche
gegeben werden. — Gäſte find willkommen.
Schützt ſie vor Hunger!
Bringt ihnen Licht und Wärme!
„Notgemeinſchaft” und „Volksopfer” ſind ein
Denk=
mal deutſcher Opferwilligkeit. Sie haben gezeigt, daß Herz
und Sinn ſich über eigne Sorgen nicht zu verſchließen
brauchen vor des Nächſten Not. Erneut haben jetzt die
Reichsregierung und die Regierungen der Länder zur
deutſchen Nothilfe aufgerufen. Sie ſprechen aus, was alle
Deutſchen im Innerſten bewegt. Einzelne Städte und
Gemeinden haben bereits” eine örtliche Hilfstätigkeit
ein=
geleitet. Iſt auch ſchon viel getan, es muß noch mehr
geſchehen.
Du haſt noch nicht genug gegeben!
Gib ſchnell und reichlich!
Heſſiſche Nothilfe 1923/24.
Geſamtminiſterium. Landeskirchenamt. Biſchöfliches Ordinariat,
Heſſiſche Handelskammern. Handwerkskammer,
Landwirtſchafts=
kammer. Landeskommiſſion der freien Gewerkſchaften.
Landes=
kommiſſion der freien Angeſtellten=Gewerkſchaften. Chriſtliche
Gewerkſchaften in Heſſen. Deutſcher Gewerkſchaftsbund.
Evan=
geliſches Arbeiterſekretariat. Heſſiſcher Beamtenbund.
Landes=
verband für Innere Miſſion. Caritasverband. Jsraelitiſche
Wohlfahrt in Heſſen. Hefſiſches Rotes Kreuz (Landesverein und
Aliee=Frauenverein). Landesausſchuß für Arbei erwohlfahrt
Landesverein Heſſiſcher Zeitungsredakteure.
Landesgeſchäftsſtelle iſt das Miniſterium des Innern,
Darm=
ſtadt, Luiſenptatz 2, Fernſprecher Nr. 29, Poſtſchecktonto
Frank=
furt a. M. 69 000, Konten bei der Heſſiſchen Girozentrale, der
Kommunalen Landesbank und der Landeshypothekenbank.
werden. Neuwahlen müſſen in abſehbarer Zeit
kommen, vielleicht ſogar eher, als ſich heute
vorausſehen läßt. Dann aber hat die
An=
ziehungskraft der Labour Party einen Stoß
er=
litten, der ſich beiden Neuwahlen inſofern
aus=
wirken kann, als die beiden alten Parteien in
der Hauptſache wieder allein um die Stimmen
der Wähler ringen können.
Anſtalt für Epileptiſche, Nieder=Ramſtadt. Der Kollektant
der Anſtalt wird in dieſen Tagen bei den Beſohnern der S
Darmſtadt um eine Gabe der Liebe bitten zur Erhaltung und
Fort=
führung dieſes Werkes der Inneren Miſſion. An Alle, die ein Herz
haben für unſere Kranken, ergeht hiermit die freundliche Bitte: Helfen
Sie durch eine Spende mit, daß die Anſtalt auch durch die jetzige ſchwere
Notzeit hindurchkommt.
RDV. Wieder „Geſellſchafts=Sonderzüge‟. Während der letzten
Monata bedenklichſten Kohlenmangels hatte das
Reichsverkehrsminiſte=
rium die Führung von Sonberzüigen allgemein ablehnen müſſen, um die
gefamte Leiſtungsfähigkeit der Reichshahn dem lebenswichtigen Verkehr
vorzubehalten; jetzt, nach einer kleinen Entſpannung der Lage, hat der
Reichsverkehrcminiſter geſtattet, daß von Geſellſchaften oder Vereinen
beantragte Sunderzüge zu den im Tarif vorgeſehenen Bedingungen
wieder befördert werden; jedoch muß auch bei dieſen Geſellſchafts=
Sonderzügen nach dem Brundſatz verfahren werden, daß im
Perſonen=
zugverkehr keine Leiſtung unter den Selbſtkoſten ausgeführt werden
darf. Die Entſcheidung bleibt den Reichsbahndirektionen überlaſſen,
Monatskalender des Vereins für Aquarien=
und Terrarienkunde Hottonia=Darmſiadt.
— Gleich dem Dezember bringt uns auch der Januar nur wenige
fonnige und helle Tage für die Pflege der Aquarien und Texrarien,
ſowie deren Bewohner. Bei den heizbaren Aquarien für die Exoten
iſt das Hauptaugenmerk auf das richtige Funktionieren der
Heizungs=
appgrg
te zu lenken ſo daß die Temperatun nicht unter 18 Grad C,
fällt. Falls eine Heizungsanlage zu hohe Koſten verurſacht, brin
man die in Frage kommenden Behälter in geheizte Raume, Küche
oder dergkeichen unter. Sollte, wie es in dieſen Tagen der Fall iſ
die Tempergtur während der Nachtzeit dennoch unter 18 Grad C.
fallen, ſo benütze man als Heizkörper eine Wärmflaſche. Dieſelbe
mit kochendem Waſſer gefüllt, unier die Beiken geſtellt und das Ganze
mit einem dicken Kolter eingeſchlagen, hält die vorhandene Wärme
gut beiſammen. Die Temperatur des Waſſers wird in den meiſten
Fallen bis morgens ſogar geſtiegen ſein. Diefes einfache und billige
Verfahren iſt in den Kreiſen der Aquarien=Liebhaber nur zu empfeh
len. Sofern es ſich um einheimiſche Fiſche handelt, ſind dieſelben in
froftfreien Näumen unterzubringen. Schleierfiſche halte man nicht un
ter 8 Grad C., da ſich ſonſt hierbei vielfach Blaſenleiden bemerkbar
macht und der Fiſch an dieſer Krankheit leicht eingeht. Bei der zurzeit
herrſchenden ſtalken Kälte ſind ſämtliche Teiche zugefroren und das
Einfangen von Futtertieren unmöglich gemacht. An dieſer Stelle
wurde bereits vor mehreren Monaten aufmerkſam gemacht, daß
Anlegung einer Enchyträenkiſte unentbehrlich iſt. Hier kann nun de
Lichtverhältniſſe im Januar gehören zu den uugünſtigſten und aus die
ſem Grunde können bei ungetauchten Pflanzen nicht oder in nicht
Pflanzten Becken nur kaum foviel Sauerſtoff hervorbringen, als die
Tierwelt zu ihrem Gedeihen nötig hat. Dieſer Sauerſtoffmangel zeig
ſich bei den Fiſchen dadurch, daß die Tiere zur Oberfläche kommen und
atmoſphäriſche Luft aufnehmen, d. h. ſie ſchnappen Luft. Tritt dieſes
ein, ſo muß der Durchlüftungsgpparat in Tätigkeit geſetzt werden, un
den Ausgleich wieder herzuſtellen. Gegen Ende des Monats finden
wir im Freien ſchon treibende Winterknoſpen von Myriophilium
(Taufendblatt) und Hydrocharis (Froſchbiß),
Die Seewaſſer=Aquarien ſind kräftig zu durchlüften. Futter iſt je
nach Bedarf zu reichen. Bei Froſtwetter iſt nicht empfehlenswert,
See=
waſſertiere zu beziehen.
Die Terrarientiere befinden ſich wohl meiſt noch in den
Ueber=
winterungskäſten. Dieſe ſind öfters auf den richtigen Feuchtigkeitsgrad
hin zu kentrollieren, auch achte man darauf, daß keine verendeten Tiere
in den Käſten bleihen. Die heizbaren Terrarien bedürfen derſelben
Pflege wie die heizbaren Aquarien. Die Luftklappen werden mittags
einige Zeit geüffnet. Gefüttert wird nach Bedarf, doch ſoll möglichſt
Abwechslung im Futter geboten werden. Das Trinkwaſſer muß vosher
ſtets temperiert werden. Auch beim Bezuge von Terraxientieren
man die nötige Vorſicht walten, da bei ſtrenger Kälte die Tiere matt
werden und ſich ſchlecht erholen.
PK.
B. Dieburg, 11. Jan. Jedermann in hieſiger Stadt und darüber
hinaus wohl faſt auch jeder im ganzen Kreife kennt die ſegensreiche
Tätig=
keit der St. Nochuskrankenanſtalt, aber nicht weniger auch die
ſchwierige wirtſchaftliche Lage unſerer charitativen Anſtalten infolge der
unſeligen Teuerung. Es war daher mit Freuden zu begrüßen, daß der
hieſige Männergeſangverein ein
Wohltätigkeitskon=
zert zugunſten der Anſtalt gab, das im „Grünen Baum” eine ſtattliche
Anzahl Gäſte vereinigte. Der Geſangverein verfügt über eine zahlen
mäßig zwar nicht allzu ſtarke, aber wohldiſziplinierte und gut geſchulte
Sängerſchar, die unter der Leitung ihres Dirigenten, Herrn Lehrer
Kel=
ler, mit dem klangvollen und friſchen Vortrag Beethovenſcher,
Mendel=
ſohnſcher, Othegravenſcher Chöre ſchöne, erfreuende Leiſtungen bot. Für
den inſtrumentalen Teil des Abends ſorgten die bewährten Kräfte der
Herren Bödecker, Brand und Dang. Mit dem Vortrag einiger Lieder
erfreute Herrn Fröhners friſche Stimme. Auch für den Humor war
ge=
ſorgt; in drei Singſpielen und einigen komiſchen Vorträgen boten
Vereins=
mitglieder alle Kräfte auf, um die Zuhörer zu unterhalten und zu
er=
freuen. Es fehlte auch nicht an Beifall. Herr Dekan Ebersmann ſprach
dem Verein den Dank der St. Rochusanſtalt für ſeine
Wohltätigkeits=
veranſtaltung aus, während der Vorſitzende des Vereins, Herr
Kreis=
wohlfahrtsinſpektor Ellermann, allen Mitwirkenden dankte.
AOffenbach, 11. Jan. Zur Anlegung von Schrebergärtet
erden in dem Staatswalde an dem Zementwerk Tempelſeemühle
gegenwärtig 44 Morgen Wald abgeholzt, und etwas weiter
weſtlich davon, an dem ſogenannten Kur= und Spielplatze des Vereins
für volksverſtändliche Geſundheitspflege, werben für denſelben Zweck
weitere 25 Morgen niedergelegt. Im vergangenen Jahre wurden in
derſelben Gegend ſchon einmal 44 Morgen für Schrebergärren zur
Ver=
fügung geſtellt. Der Grund und Boden bleibt im
ſitze des Staates
2
ſtärkte Milchzufuhr in unſerer Stadt in den letzten Tagen ſoll auf die
Einfuhr holländiſcher B
ter zurückzuführen ſein. Da wir ſelbſt nicht
genügend Milch und 2
r erzeugen können, wird es ſehr begrüß
daß unſer wertbeſtändiges Geld die Einfuhr holländiſcher Erzeugniſſe
möglich macht.
A Offenbach, 11. Jan. Die hieſige Bruderſchaft des
Jungdeut=
ſchen Ordens hat in dem evangeliſchen Vereinshauſe eine ſogenannte
Geuſenküche eingerichtet. Das Mittagsmahl wurde zuerſt für
Goldpfennig, jetzt aber, um den Unbemittelten noch mehr
entgegenzukom=
men, wird es für 10 Pfennig abgegeben. Die Gäſte der Küche wurde
durch Vermittelung von evangeliſchen und katholiſchen Schweſtern und
Pfarrern, des Kriegervereins und des Städtiſchen Wohlfahrtsamtes
ge=
ttel und
funden, damit Unwürdige ferngehalten w.
n. Die Lebens
anderen Betriebsmittel wurden durch Sammlungen bei hieſigen
Geſchäfts=
keuten und bei Ordensmitgliedern auf dem Lande aufgebracht. Die Küche
wird gegenwärtig von etwa 40 Gäſten beſucht
Oſthofen (Rheinheſſen), 11. Jan. Unglücksfälle beim
Rodeln. Beim Rodeln verunglückte hier ein 12 Jahre altes
Mäd=
hen. namens Knieriem; es trug einen Beinbruch davon. — Desgleichen
erlitt ein 18jähriger junger Mann beim Rodeln mehrere Rippenbrüche.
19)
Hanz Beter Kromm der Lebendige.
Eine Geſchichte von Ufer zu Ufer
von Johanna Wolff.
(Nachdruck verboten.)
Sie ſtieß einen lauten Schrei aus: „Dunnerklags!” Und
noch=
mak: „Dunnertlags!” Wie eine plötzliche Erleuchtung war dieſer
Name wieder in ihr Gedächtnis hineingefahren, und alles, alles
ſtand vor ihr, die ganze Sonnenmühle und was damit
zuſam=
menhing. Sie mußte ſich ſchnell hinſetzen, ſo bebten ihr die Anie
„Tia! Da bin ich nun,” tat das Männlein mit der tiefen
Stimme den Mund auf und nahm den braunen Strohhut vom
Kopſe, „und ich ſoll beſtellen: Jetzt wäre es ſo weit.‟ Der Mund
klappte wieder zu, der Ankömmling ſtand, wie er ſtand.
„Bleibſt Du nun hiers” fragte Peterle und rüäte dienſtfertig
einen Schemel herzu. Er hoffte, der Fremde würde den Ranzen
ablegen, ben er auf dem Rügen trug. Was mochte der enthalten
So ein ſonderkarer alter ſchrumpeliger Ranzen, der mußte doch
etwas ganz Punderſames in ſich bergen,
Aber der „Dunnerklags” blieb ſtehen, hielt die Hände über
ſeinem Knotenſtock und ſah mit kleinen klugen Augen von der
Frau zu bem Kind und wieder zurück, Und das verbräunte
Runzelgeſicht wurde immer heller. Da die großen Leute ſchwie
gen, kam der Bub zu Port; er hatte den ſonderbaren Ruf der
mi Bein um das Männchen
Dich leisen.”
„Ich Dich auch”, tönte es im Baß zurück.
Da grifſen die Kinderhände nach den Arbeitshänden über
dem Knotenſtock, und das liebe Geſicht dicht an das runzlige
drängend, fragte Hans Peter: „Warum heißeft Du ſof”
Der Mann redte den faltigen Hals, der Kopf kam hervor
und ſtand ganz richtig über den Schultern, und auf dem Kop
waren bicke aſchblonde Haare, ganz glatt, wie angerlebt, man
hätte meinen können, der Dunnerllags hätte eine Lehmkappe
aufgeſetzt.
„Jch heiße, wie ich heiße; kommiſt Du mit, ſpirſt Du es früh
genug erfahren.” lind dann ging der Kopf wieder zurück.
Endlich hatte ſich auch die Mutter zuſammengefaßt; ſie zog
den Fremden in das Wohnſtübchen und es gab ein Hinundher
von Lorten und Resen, die das Kind nicht verſtand.
„Ich foll beide mitbringen,” ſagte der kleine Mann, „die
Frau und das Aind — das Kind von dem Bild — die bei en zu
Hauſe” — er machte eine Handbewegung, um ein großes und ein
kleines Weſen anzudeuten —, „ſie kommen nicht mehr zurecht
allein, und die Große, die gewirtet hat, die macht’s nicht mehr
lange, und eher wollte ſie nicht ſchicken.
„Wer iſt jetzt bei den Tanten?” fragte Merete bewegt, „ſie
müſſen doch betreut werden, wenn es ſo mit ihnen ſteht.”
„Wer ſoll da ſein? Brigitte iſt da und Antſe auch, die tun,
was ſie, können uno ſo gut ſie’s verſtehen.”
„Brigitte und Antje? Die waren ja ſchon damals da”, ſagte
die junge Frau verwundert.
„Freilich ſparen ſie da! Und da bleiben ſie. Das gehört ſich
o. Ordentliche Dienſten halten ſich zum Haus wie die Katzen —
ich auch.”
Merete kochte Kaffee, und ſie ſaßen zuſammen am Tiſch. Doch
ſein Brot holte der kleine Mann aus dem Ranzen — Landbrot
Das war dunkel und roch ganz anders als Stadtbrot — „
eigen=
gebacen!” lind die Wurſt war eigengemachte Mettwurſt.
Dun=
nerklags legte das Nahrhaſte vor den Buben hin, der langte zu
und es mundete ihm.
Peterle lief fort und ſuchte in der Kammer herum, fuhr in
alle Winkel und kam endlich wieder; er ſetzte etwas Dunkles au
die Tiſchplatte und lächelte dazu, als hätte er eine Entdeckung
gemacht.
„Den großen Stock haſt Du aber nicht zum Hauen
mit=
gebracht?”
„9 kommt darauf an,” meinte Dunnerklags gleichmütig.
„Du haſt Schäftenſtiefel, und die Hoſen haſt Du wohl
ein=
geſteckt, weil s ſchmutzig iſt.” Peterle feufzte: Schäftenſtieſel waren
ſchon lange ſein Traum!
„Komm mit, da ſtehen noch welche, kleine von mir, die können
Dir paſſen.”
Jetzt regte ſich das Dunkle auf dem Tiſch; die Schildkröte
war’s, welche die Fiſchhändlerin dem Kleinen zum Geſchenk ge
macht. Das Schalentier reckte den faltigen Hals und zeigte den
ſpitzen Kopf, die kleinen Aeuglein gingen nach reihts und nach
links; als Dunnerklaas ſich berührte, zog ſich der Kopf zurück.
Das iſt Röschen, ſie tut gerade wie Du” ſagte Hans Peter, und
ſein Blick glitt von der Schildkröte zum Dunnerklags. „Wenn ich
nach den Schäftenſtiefeln komme, bringe ich Röschen mit, und
wenn Du ſo Dein Geſicht verſteaſt, ſage ich zu ihr; tu mal den
Kopf heraus, tu mal den Kopf heraus!
Ein luſtiges kleines Lachen fuhr aus des Männkeins Mund=
„Du biſt aber ein Kluger, Du!” Haarige Hänvo faßten zu und
hoben das King geradeauf bis zur Stubendedke empor.
„Du biſt aber ſtark, Du!‟
Das Knechtlein ſchmunzelte und ſtreckte ſeine ſehnigen Arme
aus: „Sollſt mich mak bei den Pferden ſehen. Dreie haben wir
und ein Fohlen. Tia!” Alſo Schäftenſtieſel, drei Pferde und ein
Fohlen! Welcher Junge wäre dafür nicht zu haben geweſen!
Peterle trug dem Ranzenmann ſeine Freundſchaft an, und erſt
nachdem dieſer Bund geſchloſſen, ſtellte Merete Fragen über
Fra=
gen, und Dunnerklaas beantwortete ſie ſtoßweiſe, abgebrochen
oder mit einem guten kleinen Lachen, wie es eben ſeine Art war.
Denn Art hatte er, und zwar eine ganz eigene für ſich.
Der Hof!” ſagte er und reäte den Hals aus den Schultern,
ſöweit er konnte, daß obenauf der ſpitze Kopf ſtand mit den
klei=
nen blanken Augen — wirklich ſehr ähnlich wie bei Röschen. „Da
muß ein Erbe ſein”, ſprachen dieſe Augen und glitten zu dem
Buben hinüber, der den großen Knotenſtock im Zimmer
umher=
trug wie ein Zeichen der Macht.
Da muß ein Erbe ſein! tönte es weiter in Frau Meretes
Ge=
müt. Auch ihre Augen hafteten an dem Kinde: Sollte das die
Antwort ſein auf ihre Gebete? Kümmerte der Herrgott ſich
wirk=
lich alſo um ſeine Geſchöpfe, daß er eingriff, wenn die rechte Zeit
gekommen?
Wieder ſchob ſich Peterle zu dem fremden Mann: „Und Du
gibſt mir wirklich die Schäſtenſtiefel und läßt mich auf dem
Schecken reiten unb zeigſt mir, wie das Fohlen trinkt?”
Da fuhr der Gefragte hoch auf: „Aber Menſch, alles gehört
ja Dein — ich — kin doch nur der Dunnerklags und gehöre zum
Hof. Für’s Arbeiten, weißt Du: Ackern und Säen und Dreſchen
und dann Holzhaaen und Torfmachen und nach dem Vieh
ſchauen.”
Hans Peters Augen wurden immer größer: „Du kannſt
aber mächtig viel.‟ Er zupfte die Mutter am Kleid: „Ich will
hin und auch Torf machen, und Röschen ſoll auch mit. Und
wir wollen nach dem Vieh ſchauen.”
„Der wwiro”, knurrte das Mannlein.
Die Mutter umfang ihren Jungen faſt mit Leidenſchaft:
„Kindermund — Gottesmund! Gib ihm die Hand, Peterle!”
So legte ſich die ſchmale Kinderhano in die behaarte
Schwie=
lenhand des Knechtleins. Und tvie ein Schwur ging’s dabei über
das Nunzelgeſicht? „1nd auch die Frau wird eine gute Hoffrau”,
ſagte der Dunnerklags.
„Weiß man das ſo gewiß?” lächelte Merete.
„So was weiß man immer. Und as Ottchen, die Große, iſt,
die hätte mir wohl was Schriftliches mitgegeben, aber ſeit dem
Schlaganfall will’s nicht mit der Hand, und die kleine
Stein=
häuſerin,” er tippte ſich an die Stirn, „die hat nie mitgezählt.
Als das Knechtlein die Lippen zuſammentat, ſah es alt aus und
jung in eins; man hätte ſeine Jahre nicht beſtimmen können.
„Der iſt huzlig geboren,” pflegte der verſtorbene Beſitzer von ihm
zu ſagen, „der hat ſein Alt=Leut=Geſicht mit auf die Welt
ge=
bracht.” Uind der Mann mußte es wiſſen, denn er hatte das
Kläs=
chen aus der Nottaufe gehoben.
(Fortſetzung ſolgt.)
Seite 4.
Darmſtädter Dagblatt, Montag, den 14. Januar 1924.
Rummer 14.
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
In einem vornehmen Weinlokal am Kaiſerdamm beſtellten zum
Sil=
beſterabend zwei Herren von elegantem Auftreten einen größeren Tiſch
mit 16 Plätzen. Nach und nach beſetten ihn ſieben Herren und acht junge
Damen. Der eine leere Stuhl und die überzählige Dame bewieſen, daß
noch ein Gaſt fehlen mußte. Man ließ den Sekt kalt ſtellen, rührte ihn
aber noch nicht an, da man den fehlenden Gaſt immer noch erwartete.
Endlich jedoch gab man das Warten auf, und die Silveſterfeier begann.
Die Feier war in beſt m Gange und die Stimmung ſchon gehoben, als
ſtatt des achten Gaſtes zwei andere Herren unauffällig an den Tiſch
herantraten und die Geſellſchaft zu einer anderen Veranſtaltung
einzu=
laden ſchienen. Man bezahlte die Zeche und brach gemeinſam auf. Die
Fahrt ging aber nicht zu einem neuen Vergnügen, ſondern nach dem
Alexanderplatz ins Polizeipräſidium. Die Siſtierten waren Einbrecher,
die es ſeit geraumer Zeit im Weſten Berlins unheimlich getrieben hatten.
Der Hauptführer Woppermann war leider zu der Feier nicht erſchienen,
und ſo entging er vorläufig der Verhaftung. Die Verbrecher pflegten in
allen guten Lokalen von Verlin=W. ſtändig zu verkehren, und ſo erfuhren
ſie leicht, wann die Wohnung dieſes oder jenes Kaufmanns vom
Kur=
fürſtendamm unbewacht war. Nicht ſelten eilten die Verbrecher mit ihrer
Beute aus der einen Wohnung gleich in eine andere. Der Bande
konn=
ten bereits 40 Einbrüche nachgewieſen werden.
Reichsgericht gegen ſächſiſche Staatsregierung.
Wie der Dresdener Berichterſtatter des „Ev. Preſſedienſtes” meldet
iſt der Rechstſtreit um die von der ſächſiſchen Staatsregierung verfügte
Zwangspenſionierung des Präſidenten und Vizepräſidenten des Evang.=
Luth. Landeskonſiſtoriums in Dresden zugunſten der ſächſiſchen
Landes=
kirche entſchieden. Konſiſtorialpräſident D. Dr. Boehme und
Landes=
biſchof D. Ihmels wurden durch Beſchluß des Reichsgerichts in ihren
Aemtern beſtätigt und haben ihre amtliche Tätigkeit
be=
reits wieder aufgenommen. Der Spruch des Gerichtshofes
ſtellt feſt, daß Art. 173 der Reichsverfaſſung die Anwendung des
ſtaat=
lichen Altersgrenzengeſetzes auf die kirchlichen Führer Sachſens
ver=
bietet, und die Bwangspenſionierung daher nicht zu Reiht
erfolgt iſt. Damit hat das religionsfeindliche ſächſiſche
Regierungs=
fyſtem, voran der jugendliche Kultusminiſter, juſt ehe er vom
Schau=
platz ſeines Wirkens abtreten mußte, eine empfindliche Niederlage
er=
litten. Die Freiheit und Selbſtändigkeit der Kirche hat, als ein
reichs=
verfaſſungsmäßiger Grundſatz, an dem nicht gedreht und gedeutelt
wer=
den kann, durch den oberſten deutſchen Gerichtshof ihre feierliche
Aner=
kennung erlangt. Dieſe Tatſache insbeſondere wird weit über die
ſäch=
ſiſchen Landesgrenzen hinaus Beachtung finden und weiterwirken.
An unſere verehrl. Leſer!
Den heutigen wirtſchaftlichen Verhältniſſen
Rech=
nung tragend, haben wir uns entſchloſſen, für
Familien=
anzeigen und Stellengeſuche eine bedeutende Preis
ermäßigung eintreten zu laſſen.
Wir berechnen jetzt für genannte Anzeigen pro
Zeile 15 Pfg. aus Stadt und Kreis Darmſiadt,
25 Pfg. für auswärtige.
Des ferneren gewähren wir unſeren Abonnenten
bis 31. ds. Mis auf die
Kleinen Anzeigen
(Privatanzeigen) bei Vorlegung der letzten
Abonne=
ments=Quittung einen
Rabatt von 10%=
4zo) Der Verlag des Darmſtädter Tagblatt.
Finniſche Frauenhilfe.
— Finnland iſt kein Land des Ueberfluſſes wie Amerika, aber
leben=
dige Herzen ſchlagen in ſeinen Frauen, Herzen, die unter der Not und
Sorge deutſcher Mütter mitleiden. Große Kiſten mit warmen
Kinder=
kleidern, Strümpfen, Windeln und allem, was eben den deutſchen
Müt=
tern für ihre Jüngſten fehlt, kamen zu Weihnachten über die Oſtſee in
die Zentrale für Mutter= und Säuglingsfürſorge zur Verteilung für die
Fürſorgeſchweſtern im ganzen Lande. In langen Wochen waren alle
dieſe von liebevollen Händen genähten, unermüdlich durch die
Schul=
kinder und Frauenvereine geſammelten Stücke für die kleinſten
deut=
ſchen Bürger, die vielfach bittere Not leiden in dieſem kalten Winter,
zuſammengebracht. Manches Röckchen enthielt eingenäht ein 50=” ere=Stück
oder ein Brieſchen, einen Gruß der unbekannten Geberin an die
unbe=
kannte Empfängerin, ein Lichtſignal der durch alle Dunkelheit des Haſſes
innerlich verbundenen Mütter. In der einen Kiſte lag ein Brief der
Vorſitzenden des finnländiſchen Komitees für deutſhe Kinderhilfe. Seine
Schlußworte drücken die Geſinnung aus, aus der heraus die Hilfe
ge=
leiſtet wurde:
„Wie gerne wollten wir mehr ſchicken, überhaupt mehr tun, um
helfen zu können. Leider haben wir eine ſehr ſchlechte Ernte gehabt,
der Herbſt iſt eben ſehr ungünſtig geweſen, ſo daß unſere Lage auch
keine glänzende iſt. Aber was wir geben können, das kommt von
Her=
zen mit dem innigen Wunſch daß die Wüſtenwanderung der Deutſchen
bald zu Ende ſein möge, daß wieder Friede und Gerechtigkeit auf der
Erde etwas bedeuten mögen. Kurz, wir wünſhen für Deutſchland alles
Gute, was einem das Chriſtfeſt eingeben kann.
Unvergeſſen bleibt den finniſchen Frauen dieſe Geſinnung und Hilfe.
Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
A
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktion kelnerlei
Ver=
intwortung; für ſie bleibt auf
und des §21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Umfang
der Einſender verantwortlich.) — Einſendungen, die micht verwendet werden, können nicht
zurückge andt, die Ablehnung nicht begründet werden.
Eingeſtelltes Verfahren.
Bonn. Gegen den Direktor der Bonner Straßenbahn war ein
Verfahren wegen Preiswuchers eingeleitet worden, weil die Fahrpreiſe
übermäßig hoch geweſen ſein ſollen. Nunmehr wurde das gegen den
verantwortlichen Dezernenten der Straßen= und Fernbahnen Bonns
ein=
geleitete Verfahren eingeſtellt da die Ermittelungen nichts ergeben
hätten, was den Bahnen als Preistreiberei zur Laſt gelegt werden
könnte.
Stiftung für alte Leute.
Landau. Durch die Stiftung eines Landauer Bürgers ſoll alten
Leuten, die ihren feſten Wohnſitz in Landau haben, ein ſorgenfreier
Lebensabend gewährt werden. Im Bürgerheim iſt für etwa 20 Perſonen
bei freier Wohnung, Koſt und Heizung Naum geſchaffen worden. Auch
ein Bad und ein Garten ſtehen zu freier Benützung bereit. Für ſolche,
die wegen irgend eines Gebrechens ein Zimmer für ſich haben wollen,
iſt auch geſorgt. Dieſe Einzelzimmer müſſen aber von den Betreffenden
mit ihren eigenen Möbeln ausgeſtattet werden. Durch die hochherzige
tiftung iſt ſolchen, die unverſchuldet in Not geraten ſind, bis an ihr
ebensende geholfen. Ihre Verſorgung und Wartung geſchieht durch
Schweſtern des Städtiſchen Krankenhauſes.
Raubzug im Stettiner Stadttheater.
Mit großer Verwegenheit arbeiteten Einbrecher, die die
Garderobe=
räume des Stettiner Stadttheaters einer fachgemäßen Unterſuchung
unter=
zogen. Sie öffneten nicht weniger als ſieben verſchloſſene Türen und
erbeuteten ctwa 1500 Koſtüme, ſeidene Strümpfe, Lackſtiefel ſowie die
ge=
ſamte Ballettausſtattung der Opern „Elga” und „Roſenkavalier”.
Da=
durch wird der Spielplan des Theaters nicht weſentlich beeinflußt. Auch
Privatgarderobe von Schauſpielern und zwölf Hühner des Hausmeiſters
hießen ſie mitgehen.
Im Motorboot verhungert.
Aus Norwegen wird eine ſchreckliche Tragödie gemeldet, die ſich
auf der Nordſee abgeſpielt hat. Drei Männer hatten ſich in einem
Motorboot von Larvik auf eine Vergnügungsreiſe begeben. Der Motor
verſagte indeſſen, das Boot wurde auf die hohe See hinausgetrieben.
Die Drei hatten nichts zu eſſen und zu trinken. Sie trafen auch kein
Schiff, das ſie hätte aufnehmen können. Erſt nach neun Tagen
wur=
den ſie von dem deutſchen Schiffdampfg „Grimm” gerettet. Einer von
ihnen war bereits verhungert, die beiden anderen waren ſo erſchöpft,
daß ſie nicht allein an Bord des „Grimm” gehen konnten.
Unaufhör=
lich, ſo erzählten ſie, ſeien die Eeen in das Boot geſchlagen, ſo daß ſie
ohne Unterbrechung pumpen mußten. Am ſiebenten Tage ſetzte ſich
der dritte der Genoſſen auf die Ruderbank, ſtarb dort und blieb ſo, ſteif
gefroren, die beiden letzten Tage als Leiche ſitzen.
Nach der Bekanntmachung der „Allgemeinen Ortskrankenkaſſe
Darmſtadt (Stadt) vom 22. Dezember 1923 kann die Zahlung der
Beiträge für Dienſtboten monatlich erfolgen. Die Zahlſtunden ſind mit
Beginn 1924 — auch an den beſonders eingerihteten Zahlſtellen — nur
auf die Vormittagsſtunden 8—1 Uhr beſchränkt. Gerade die geplagten
Hausfrauen, die ihre Vormittage der Berufsarbeit im eigentlichſten
Sinne des Wortes widmen müſſen, bedauern es, daß die Zahlſtellen
ge=
rade zu einer Zeit geſchloſſen ſind, in der ſie am beſten Zeit hätten,
nämlich am Nachmittag. Im übrigen wäre zu wünſchen, daß die
Bei=
träge baldigſt wieder auf einen normalen Stand zurückgeführt würden
angeſichts der faſt unerſchwinglichen Höhe, die ſie erreicht haben.
Briefkaſten.
A. L., hier. Der Anzeigeteil, der auf der Geſchäftsſtelle offen liegt,
wird dem gewünſchten Zwecke dienen.
Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende 9 Uhr:
Kon=
zert. Kleines Haus: Keine Vorſtellung. —
Orpheum, 784 Uhr:
„Inkognito” — Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele;
Kino=Vorſtellungen.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Dienstag, den 15. Januar:
Zunächſt Anhalten des vorn
d heiteren Froſtwetters, doch
blei=
ben die Ausſichten auf eine baldige Milderung und Eintritt trüben
Wetters noch beſtehen.
ſauptſchriftleitung: Rudolf Mauve
Verantwortl+ für Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve
thnd
Verantwo=
h für Feuill ton und Heſſiſche Nachrchten: Max Streeſe
Verantu
für Sport: Dr. Eugen Buhlmann
Verantwortlich
r Schlußd en:: Andreas Baue
Verantw rtlich für den Inſ ratente l: Willy Kunle
Druck und Verlag: 2. C. Wittich — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Nummer hat G Seiteu.
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[ ← ][ ][ → ]Mummer 14.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 14. Januar 1924.
Seite 5.
6
Mori, 4
piel und Turnen.
Fußball.
1. Jgd. F.C. Nürnberg—1. Jgd. V.f.R. Darmſtadt 2:0 (1:0).
* Die vor dem geſtrigen Länderwettkampf Deutſchland=
Oeſterreich gegen die 1. Jgd.=Mſchft. des Deutſchen
Altmei=
ſters, des 1. F.C. Nürnberg, ſpielende 1. Jgd.=Mſchſt. des
V.f.R. Darmſtadt unterlag nach ausgeglichenem intereſſanten
Kampfe mit dem ehrenvollen Reſultat von 9:2 Toren und
hinter=
ließ ſpieleriſch und ſportlich den beſten Eindruck.
Deutſchland—Oeſterreich 4:3 (3:0)
(Privat=Telegramm.)
Die deutſche Mannſchaſt gewann wiederum einen wichtigen
Länderkampf, wenn auch das Ergebnis etwas knapp iſt. Die
deutſche Mannſchaſt war glüalich aufgeſtellt. Speziell der Sturm
lieferte ein glänzendes wuchtiges Spiel, und wäre nicht die
ge=
ſamte Läuferreihe in der zweiten Hälfte ſtark abgefallen, ſo hätte
das Ergebnis leicht beſſer für die deutſche Mannſchaft ausfallen
können. Das erſte Tor fiel durch Auer. Die beiden anderen vor
der Pauſe ſchoß Franz. Nach Wiederbeginn iſt wider Erwarten
die deutſche Läuferreihe vollſtändig ausgepumpt. Die techniſän
beſſeren Oeſterreicher, die auch viel beiseglicher ſind, erzielen das
erſte Tor durch Swätoſch. Dann iſt es Franz, der als glücklicher
Schütze das Reſultat auf 4:1 ſtellt. Oeſterreichs Elf läßt jevock
nicht loder und erzielt zwei weitere Tore durch Jſeda und
Hor=
vat. Der Schiedsrichter Hebac=Prag leitete den Kampf nicht
befriedigend. Er ſchädigte beide Parteien. Beſonders die
deutſche Mannſchaft war durch ſeine ſonderbaren
Abſeitsentſchei=
dungen benachteiligt. Einige klare Torgelegenheiten wurden ſo
zunichte gemacht. Das Publikum ſpendete lebhaften Beifall
beiderſeits, und nicht endenwvollender Beifall empſing die
dellt=
ſche Elf, als ſie den Platz verließ.
Oeſterreich ſchiate folgende Elf in den Kampf: „Aigner
(Simmering); Daindler (Amateure), Blum (Vienna); Kurz,
Schrenka (Vienna), Geyer (Amateure); Seidel (Vienna), Jscde
(Floridsdarf), Horvat (Simmering), Swatoſch (Amateure),
Ha=
deys (Vienna). — Die deutſche Elf ſtand bereits ſeit langer
Zeit in folgender Nürnberg=Fürther Kombination feſt
Stuhl=
faut; Kugler, Müller; „Schmidt, Kalb, Hagen; Sutor, Wieder,
Seiderer, Franz, Auer.
Weitere Länderſpiele:
Frankreich-Belgien 2:0.
Frankreich-Luxemburg 2:1.
Sp.=Bgg. „Union”=Darmſtadt—,Germania”=Pfungſtadt, 2:1.
m. Nach einem ſchönen Spiel, das teils Pfungſtadt, teils
Darmſtadt im Vorteil ſah, konnte Union Germania=Pfungſtadt
mit 1:2 Toren nach Hauſe ſchicken. Die Techniſche Hochſchule
ſtellte in liebenswürdiger Weiſe Union ihren Platz zur
Ver=
fügung, da Unions Spielplatz durch den gefrorenen Boden
ſpiel=
unfähig war. Wenn Union dieſen Sieg erfocht, ſo verdankt es
ihn in erſter Linie ihrer unermüdlichen Läuferreihe. Pfungſtadt
das den erſten Treffer erzielte, konnte ſich dieſes Vorteils nicht
lange freuen, denn Union erzielte kurz darauf den Ausgleich. Bei
Halbzeit ſtaud das Spiel 1:1. Erſt in der zweiten Hälfte,
be=
günſtigt durch die beſſeren Platzverhältniſſe, zeigte ſich eine kleine
Ueberlegenheit Unions. Auf eine Flanke don links erzielten
die Unioniſten ihren Siegestreffer. Kurz vor Schluß war
Ger=
mania noch eine Gelegenheit zum Ausgleich geboten, doch der
Freiſtoß verfehlte ſein Ziel. Union hat ſich durch dieſen Sieg
vom Tabellenende wieder ein Stück entfernt. Zurzeit nimmt
Union mit 9 Punkten die Mitte ein.
Klärung im Mainbezirk.
(Privat=Telegramm.)
Eintracht Frankfurt — S.=V. Offenbach 3:2.
S.=C. Bürgel — S.=V. Frankſurt 1:3.
Helvetia=Frankfurt — Kickers=Offenbach 5:2.
Der bisherige Sonntag brachte endlich etwas Licht in das
bisherige Chaos im Mainbezirk. Durch ihre Niederlagen
ſchie=
den S.=C. Bürgel ſowie Kiders Offenbach endgültig als
Anwär=
ter auf die Meiſterſchaft aus, ſo daß nunmehr nur noch
Ein=
tracht in der Laue iſt, mit dem Fußballſportverein punktgleich zu
werden. Die Spiele verliefen durchaus einwandfrei. Die
Ver=
eine hatten Sorge getragen, daß die Spielplätze inſtand waren.
Am Niederwald hatte die Eintracht=Frankfurt den Sp.=V.
Offenkach als Gegner. Diefe wehrte ſich recht tapfer. Bis zur
Pauſe ging Eintracht durch ein Selbſtter Offenbachs und ein von
Pfeiffer erzieltes mit 2:0 in Führung. Die zweite Spielhälfte
war Eintracht auch wieder überlegen, die Mannſchaft ſpielte
je=
doch nicht nur ſchlecht, ſondern luſtlos. Der Gegner nützte dies
aus und innerhalb einer Viertelſtunde gelang es ihm, das
Er=
gebnis auf 2:2 zu ſtellen. Jetzt erſt ſah die Eintrachtmannſchaft
ein, was ſie angerichtet hatte, und nahm die Sache ernſter. Schuß
auf Schuß ging aufs Offenkacher Tor. Dieſe verteidigten
zahl=
reich und gut. Viel Hände im Strafraum überſah der
Schieds=
richter. Endlich ein zu deutliches ahndete er mit einem
Elf=
meter. Pfeiffer ſchoß kaltblütig berechnend in aller Ruhe ein
Darauſhin verließ der Offenbacher Torwächter mit zwei
Kolle=
gen in unſportlicher Weiſe den Platz. Selbſtredend iſt Eintracht
der geſchwächten Mannſchaft gegenüber weiter im Vorteil. Es
bleibt bei dem Ergebnis von 3:2. Eckenverhältnis 11:1. Herr
Huſſel=Nürnberg leitete aufmerkſam und ſpielgerecht. Die
Offen=
bacher hatten daher durchaus keinen Grund, als Proteſt gegen den
Elfmeter den Platz zu verlaſſen, zudem Herr Huſſen dreimal
we=
gen Hände im Strafraum mit gutem Gewiſſen einen Elfmeter
hätte geben können.
In Bürgel weilte der Frankfurter Sportverein zum
Rück=
ſpiel und gewann diefes verdient mit 3:1. Er ſtellte die beſſere
Mannſchaft dar. Das Spiel war jederzeit offen und fair. Für
Bürgel gelang der Chrentreffer in der letzten Minute durch ein
Mißverſtändnis der Frankfurter Verteidigung. Herr Rettelbach=
Ludwigshafen leitete einwandfrei und energiſch. Er ließ ſich durch
keinerlei Zwiſchenrufe beirren, und das will in Bürgel viel
heißen.
Das dritte Spiel fand in Frankfurt ſtatt, und zwar auf dem
Sportfreundeplatz. Hier traſen ſich Kiaers=Offenbach und die
Helvetia=Frankfurt. Die Offenbacher waren nach ihrem Sieg
gegen den Meiſter nicht wviederzuerkennen. Die Elf ſpielte, zumal
in der erſten Spielhälfte, zuſammenhang= und luſtlos. Helvetia
war gleich mit Ciſer dabei. Gar zu ſchnell kam die Pauſe, bei
der Helvetia mit 5:1 führte. Die zweite Hälſte wurde der
Tor=
wächter gleich nach Beginn des Spiels vom Platze verwieſen, da
er in unſportlicher Weiſe einem anſtürmenden Offenbacher ins
Geſicht ſchlug. Von dieſem Augenblick an war Offenbach bis
zum Schlußpfiff überlegen. Bei der äußerſt guten Verteidigung
gelang ihm jedoch nur noch ein Erfolg. Herr Hering aus
Mann=
heim war ein guter Spielleiter.
Turngemeinde Rödelheim, Gaumeiſter in der B=Klaſſe.
Tgde. Rödelheim — Sp.=V. Jvria 1:0.
Weitere Ergebniſſe:
Kickers=Stuttgart—F.C. Pforzheim 2:1.
F. C. Freiburg—Phönix=Karlsruhe 1:0.
S. C. Stuttgart—V.f. R. Heilbronn 1:0.
Bayern=München—F. V. Nürnberg 1:0.
F.C. Pirmaſens—V.f. R. Mannheim 2:1.
Boruſſia=Neunkirchen—Völklingen 5:1 (Pokalſpiel),
Saar=Saarbrücken—Sp. V. Wiesbaden 1:1.
V.f. L. Neckarau—Feudenheim 2:0.
Hamburg:
Union—Ottenſen 1:0
Polizei—Uhlenhorſt=Herta 4:1.
Nienſtätten—Teutonia 5:5.
Berlin:
N. N. W.—Minerva 3:1.
Kickers—Berliner Sp.V. 6:4.
Union=Oberſchönweide—Tennis=Boruſſia 7.2.
Herta—V.f.B. Pankow 5:2.
Sp. V. Spandau—Alemannia 2:0.
Wacker—Meteor 7:4.
Radfahren.
Winterſportfeſt des Velociped=Club Darmſtadt.
Der Velociped=Club Darmſtadt hatte die Radſporigemeinde
zu ſeinem diesjährigen Winterſportfeſt am geſtrigen Sonntag
zuſammengerufen. Der große Saal des Städtiſchen Saalbaues
und ſeine ſämtlichen Galerien warn dicht beſetzt, und ſchon um
3 Uhr war kein Sitzplatz mehr zu haben. linter den
Anweſen=
den waren alle Größen des Radſportes vertreten, und die Gaue
des Vundes deutſcher Radfahrer haben ſich, wie in den vorigen
Jahren, gelegentlich dieſer Veranſtaltung ein Stelldichein
ge=
geben. Auch der Stadt=Ausſchuß für Leibesübungen war durch
ſeinen Vorſitzenden, Herr Noth, vertreten. Der Club konnte
mit Freude die Anweſenheit ſeiner Ehrenmitglieder Bankdirektor
Ullrich aus Trier und Bauer feſtſtellen. Der V. C. D. trat mit
ſeinen ſämtlichen Mannſchaften an, und zwar mit dem 16er=
Begrüßungsreigen, gefahren von der 2. und 3.
Jugendmann=
ſchaft, 8er gemiſchten Jugendreigen (Tiroler), gefahren von der
4. Jugendmannſchaft, 4 Mädchen und 4 Knaben, 8er Niederrad=
Jugendreigen, gefahren von der bisher unbeſiegten 1.
Jugend=
mannſchaft des V. C. D., ferner Ler Niederradreigen der 3.
alti=
ven Mannſchaft, Ler Flaggenreigen, gefahren von der 1.
Saal=
mannſchaft, 6er Glühlichtreigen der 2. Saalmannſchaft, Ser
Schmucreigen von der 1. Schmuckmaunſchaft, 4 Damen und
4 Herren. Weiter ein 12er Damenreigen und der Kunſtreigen
der Kunſtmannſchaft. Die Leiſtungen des Clubs im
Reigen=
fahren ſind beſonders lobenswert. Sie bezeugen den
Fahr=
warten Louis Hax und Kunſtfahrwart Kurt Frahnert, daß ſie
tüchtige Nadſportlehrer ſind und glänzende Vorbilder für die
Jugend darſtellen. Dem V. C. D. kann man zu dieſen Beiden
Glück wünſchen. Das Programm wurde weiter durch ein 2er=
Kunſtfahren der Gebrüder Göttmann gehoben und erſtmalig
nach langer Pauſe wieder ein Rad=Poloſpiel durch die 1. und
2. Polomannſchaft des Clubs gezeigt. Den Sieg errang die
1. Mannſchaft (Herren Jakobi, Rühl, Ziegler) gegen 2.
Mann=
ſchaft (Herren Waldſchmidt, Gruber, Leichtlein) mit 5:1 Toren
Zu den ausgeſchriebenen Radballſpielen hatten die Vereine:
Radfahrer=Verein Germania Frankfurt, Gießener Radfahrer=
Verein 1885 und Radfahrer=Verein Wanderluſt Frankfurt
ge=
meldet; im Zwiſchenſpiel Gießen gegen Wandorluſt ſiegte Wan=
derluſt mit 7: 4 Toren, das Endſpiel gewann Germania mit
8:3 Toren. Auch ein Jugend=Radballſpiel zwiſchen der Jugend
des R.=V. Wanderluſt Frankfurt und R.=V. Adler Frankfurt war
ſehr intereſſant und endete mit der Siege der Wanderluſt mit
8:1 Toren — Alles in allem kann der V. C. D. auf eine
wohl=
gelungene Veranſtaltung zurückblicen, und die Zuſchauer hatten
ihre Freude an den gewandten, geſchmeidigen Figuren der
rad=
ſporttreibenden Jugend.
(Der Vorbericht kam bedauerlicherweiſe erſt am Sonntag
abend in unſeren Beſitz. D. Red.)
Wandern.
Wanderabteilung der Turngeſellſchaft Darmſtadt 1875.
Am Samstag abend hielten die Wanderer der
Turngeſell=
ſchaft Darmſtadt ihr Detorierungsſeſt ab. In dem mit Tannen=
und Fichtengrün geſchmüaten Zneipſaale des Vereinshauſes
hatte ſich eine ſehr zahrreiche Mitgliederſchar zuſammengefunden
Ein reichhaltiges Programm unter Mitwirkung der Haustapelle
ſowie der Turnerſingmannſchaft brachte uns einige angenehme
und ſchöne Stunden. Rezitationen und humoriſtiſche Vorträge
wechſelten in bunter Reihenfolge. Einen Rüdblick auf das
ver=
floſſene Wanderjahr brachte uns unſer Wanderwart, deſſen
Aus=
führungen zeigten, daß im verfloſſenen Jahre 10 Wanderungen
mit einer Durchſchnit steilnehmerzahl von 25 Mitgliedern
ge=
macht wurden. Anſchließend wurde die Dekorierung der
Wan=
derer vorgenommen, und es konnten 7 Wanderer das
Wander=
abzeichen der Deutſchen Turnerſchaft erhalten. Mit einem Appell
an alle Anweſende ſchloß der 2. Sprecher den erſten Teil des
Pro=
gramms. Cinige Konzertſtücke, gemeinſame Lieder ſowie
humo=
riſtiſche Vorträge hielten die luſtige Wanderſchar noch einige
Stunden beiſammen. Allen, die zum Gelingen, dieſes Abends
mitgeholfen haben, gebührt Dank. Zum Schluß möchten wir
einen Appell an alle Mitglieder zu großer Beteiligung an unſeren
Wanderungen im neuen Vereinsjahre richten.
Winterſport.
Oberharzer Ski=Staffellauf.
Den Oberharzer Ski=Staffellauf, der über 45 Kilometer vom
Brockenhotel nach Altenau veranſtaltet wurde, gewann Oderbrück
in 3 Stunden 28 Min. 24 Se, vor der Ortsgruppe Schierke
3:35,49 und Ortsgruppe Altenau 3:39,31.
Das Rennen der Altersläufer fiel an Magdeburg in 4:53,26.
Feſi der Berliner Sportpreſſe.
Bei dem Feſt, das der Verein der deutſchen Sportpreſſe zum
drittenmal im Berliner Sportpalaſt veranſtaltete, und das zu
einem großen Erfolg wurde, geſann das Hundertrunden=
Nadfahren Bauer mit 14 P. gegen Techmer, Lewanow,
Sal=
dow und Oskar Tietz. Im Flieger=Rennen ſiegte Hahn
gegen Schrage, Arend und Stabe. Die 10XZweiſtunden=
Staffel fiel an Sp.C. Charlottenburg.
In dem über 10 Nunden angeſetzten Boxkampf zwiſchen
Milenz=Berlin und Vongehr=Königsberg, ſiegte Erſterer in der
dritten Runde, in welcher der Schiedsrichter den Kampf wegen
11eberlegenheit von Milenz abbrach.
Flugſport.
Sportflugzeug auf Schneekufen.
Am Mittwoch, den 9. Januar, hat der erſte Flug eines
Sport=
flugzeuges auf Schnee ufen mit Erfolg ſtattgefunden.
Die Firma Stahlwerk Mark=Breslau, Aktiengeſellſchaft, welche
den bekannten Sporteinſitzer mit nur 30 PS.=Motor, der ſ.
die Landung Unter den Linden ausführte, herausbringt, ſah ſich
durch den überaus ſtarken Schneefall der letzten Tage veranlaßt,
ihre Maſchinen mit Schneelufen zu verſehen, um den Flugbetrieb
auf dem tief verſchneiten Flugplatz Gandau, aufrecht erhalt zu
können. Es iſt das erſtemal, daß eine derartige kleine Maſchine
mit Schneelufen erſolgreich geflogen iſt.
Die Schneekufen ſind ſo gebaut, daß ſie ſich in kürzeſter Zeit
gegen Räder austauſchen laſſen, woraus ſich eine erhebliche
Er=
weiterung des Anwendungsgebietes des „Jedermann=
Flugzeu=
ges” ergibt.
Die „fliegenden Skier” werden alſo bald eine neue Note in
das Sportbild unſerer Winterkurorte bringen, und unſere
Ski=
ſpringer werden Mühe haben, mit den von den Sportflugzeugen
auf Skiern ausgeführten „Sprüngen” mitzukommen.
Schwimmen.
Das erſte deutſche Stundenſchimmen.
Das erſte deutſche Stundenſchwimmen mit Zwiſchenwertun
gen wurde geſtern in Berlin vom Berliner Schwimmſport lub 89
mit gutem Erfolg veranſtaltet. Neben dieſem ſtarteten noch S.C.
Charlottenburg, Vereinigte Waſſerfreunde Steglitz=Spandau.
Berlin 89 ſiegte nach Zurücklegung von 5720 Meter mit 53
Punlten ge en Vereinigte Waſſerfreunde 74 und S.C.
Charlot=
tenburg 97 Punkte.
Wintertage im Allgäu.
Bilder aus dem Reiche des Bergwinters.
Von H. Tillenburg.
König Bergwinter! Von deines Reiches Herrlichkeit und
Präicht ſprachen und träumten bir ſchon im Sommer auf hohen
Zerggipſeln oder grünen Matten. Verfallen iſt für immer dir
der je in deinen Kriſtallpaläſten geſtanden, deine weißen
Mär=
chendome geſchaut hat. Zu tiefem, heißem Dank verpflichteſt du
jeden, der die Wunder deiner ſtillen, weißen Schönheit in
ſei=
uem Herzen aufnahm. Kein Entrinnen gibt es vor dir; kein
Mittel iſt verſchrieben, das die Flügel unſerer Bergſehnſucht
be=
ſchneiden könnte . . . Unſer Traum aber ward Wirklichkeit.
Sorgloſer und freier reiſt niemand als der Skiläufer ins
Bebirge. Das Bewußtſein, einmal weniaſtens für einige Tage
ja vielleicht auch Wochen vom Werktags Harm erlöſt zu ſein,
ſich einmal ohne Zweck und Ziel ſeines Erdendaſeins zu
er=
frenen, gibt Nuhe und große Freude. — Bahriſch Allgän iſt
unſer Ziel, Bergſport unſere Loſung. Ein ſeliges Vorahnen
überkam uns ſchon während der Fahrt, wenn der Blick durch
die Fenſter des Eiſenbahnabteils auf die nächtliche, aber
ſchnee=
heile Winterlandſchaft glitt.
Nun ſei das Endziel der langen Bahnfahrt veraten: Ober
ſtaufen i. A. Ein kleines, 800 Meter über dem Meeresſpiegel
gelegenes Dorf an der Bahnlinie Münehen-—Lindau.
Sommer=
friſche und Winterſportplat (ausſchließlich Skitouriſtik)
klei=
neren Stils. Kein Platz für Moderevuen. Tief verſchneit liegt
das Vergdorf nunmehr da. Häuſer, Scheunen, Brunnen und
Zäune werden von einem rieſigen Schnemantel bedeckt.
Meter=
hoch laſtet der Echne auf den Dächern, die Gefahr eines
Ein=
brückens naherückend. Straßen und Plätze müſſen neu
ange=
legt, d. h. Fahrwege müſſen in die Schneemaſſen gegraben
wer=
den, um den Verkehr auch nur notdürftig aufreiht erhallen zu
können. Die Schienenſtränge der Eiſenbahn ſind zeitweilig
voll=
ſtändig verſchneit. Größere Gruppen von Arbeitern und Reichs=
wehrſoldaten ſind ſtändig mit der Freimachung der Gleiſe
be=
ſchäftigt. Verſchiedentlich rechnete man mit einer Einſtellung
des Eiſenbahnterkehrs, was ſicherlich mancher begeiſterter
Ski=
läufer als eine nur zu willkommene Verlängerung feines
Winteraufenthalts begrüßt hätte. Grund: Eingeſchneit! Nur
mit dem Unterſchied, daß die ſonſtige Schreckhaftigkeit dieſes
Wortes in jenem Falle harmloſerer Natur geweſen wäre.
So=
viel über das „Skiläuferdorf” Oberſtaufen.
Frau Holle meinte es wahrlich gut. Unaufhörlich ſchüttelt
ie ihre weißen, ſamtnen Flocken. Nur zu viel des Guten
Es ſchneit ſeit Stunden, Tagen. Ununterbrochen Tag und Nacht
Mitunter pfeift der Wind eine eiſige Melodie dazwiſchen und
aus dem lautloſen Schnegerieſel wird ein Sturm wildartigen
Charakters. Auf die linternehmung größerer Touren mußte
unter dieſen Umſtänden derzichtet werden. Um ſo eifriger
tum=
melt ſich jung und alt auf den Uebungshängen. Manch einer
und manch eine macht hier eine nähere unfreiwillige
Bekannt=
ſchaft mit dem jungfräulichen Schnee, denn auch auf Skiern iſt
kein Meiſter und keine Meiſterin vom Himmel gefallen und
dann gehört es dazu, das Hinfallen nämlich. Mit viel Geſchick
bewegt ſich die Allgäuer Jugend auf den Langhölzern, der man
nicht ganz ohne Neid nachſagt, daß ſie mit Skiern auf die Welt
kommt. Aber, wie geſagt, das glauben nur neiderfüllte Herzen.
Am Chriſtabend verloren Wind und Schneefall an Stärke.
Still und abgeklärt erſcheint Berg und Tal in der heiligen Nacht.
Drunten tief im Weiſſachtal leuchten Lichter in weißen Unend
lichkeiten. Friede und Milde atmet nun alles und es offenbart
ſich in großartiger Form die tiefe Wahrheit von der Stille und
Heiligkeit dieſer Nacht. Von der Orgelempore der Dorflirche
brauſt ein vielſtimmiger Weihnachtschoral in die Nacht „Friede
den Menſchen auf Erden, die eines guten Willens ſind”.
Der erſte Weihnachtsfeiertag iſt ein prachtvoller,
ſonnen=
klarer Wintertag. Auf den Berahängen glitzert und funkelt der
Sone inhriadenfach in der Winterſonne. Alles weiß in weiß.
Eine Welt in Eis und Echnce. Was das Schneegeſtöber ſeit
Tagen unſeren Blicken ſchampoll entzog, jetzt zeigt es ſich im
hellen Sonnenlicht, das in reich flutenden Strömen vom blauen,
wvolkenloſen Himmelszelt zur Erde niederbricht: Winter in den
Bergen. Ein Dichter, ein Maler vielleicht, wäre eher berufen,
dieſes Bild in ſich aufzunehmen und ein Werk zu ſchaffen, das
mit Eindringlichkeit dieſe Wunder in Eis und Schnne zu
ſchil=
dern vermöchte. Aber auch ſie, glaube ich, würden nichts
Voll=
kommenes ſchaffen. Und in dieſer Wunderwelt feiern ſportfrohe
Menſchen Feſte eigener Art, wetteifern Natur und Menſch in
Schönheit und Kraft. An der neu errichteten Kapfſchanze hält
der Oberſtaufener Skiklub ſein Eröfnungsſpringen ab. Hoch
oben am ſteilen Abhang, in deſſen Mitte ſich die Sprungſchanze
befindet, nehmen die kühnen Springer den Anlauf, um in
raſender Fahrt über den Hügel hinweg in die Luft zu fliegen.
Ein deutlich vernehmbares Pfeifen ertönt, wenn nach dem
Abſprung der Läufer die ſekundenlange Reiſe durch die Luft
angctreten hat. Weit unten prallen die Hölzer wieder auf den
Schnee, und mit unverminderter Schnelligkeit geht die Fahrt
weiter, bis auf dem nun in flaches Gelände übergehenden Hang
die Skier ſich auslaufen und der Springer mit einem eleganten
Telemark in die Ruheſtellung übergeht. Es iſt dann ein ſoge
nannter „geſtandener” Sprung. Nicht imnier glückt der
Auf=
ſprung und der Springer purzelt dann in einer Wolke von
Schnee den ſteilen Hang hinab. Der Sprunglauf verlangt hohes
ſritechniſches Können und nicht zuletzt Mut und Schneid.
Das Wetter im Gebirge iſt einem raſchen Wechſel
unter=
worfen. Auf froſtklare Sonnentage falgen ſolche mit
Föhn=
ſtimmung. Das Thermometer ſtieg über Null, was in
Ski=
läuferkreifen einen Stimmungsfall unter Null bewirkte. O
ver=
kehrte Welt! Das Juterregnum der Föhnwinde war aber nur
von kurzer Dauer. Lald herſchte wieder krachender Froſt und
das „Wachſen” und „Bügeln der Slier” hatte ein Ende
gefun=
den. Bis zur Neige leeiten wir den Kelch der Winterfreuden,
denen wir uns noch einige Zeit hingeben durften. Des Jahres
letzte Stunde aber war auch unſere Abſchiedsſunde. Schwveren,
aber übereichen Herzens reißen wir uns los. Nein ſchweifen
die Erinnerungen an ſolche Tage ...
Seite 6.
Tarmſtädter Tagblatt, Moita, Reit 14. Z.eutttt 1924.
F iiitter 14.
Brunnenkreſſe ohne fließendes Waſſer:
Vielfach hält man die Kultur der Brunnenkreſſe nur dort
für lohnend, wo fließendes Waſſer vorhanden iſt. Man kann
jedoch Brunnenkreſſe von guter Zartheit auch ohne
Graben=
anlagen und Waſſer heranziehen und es ſogar einrichten, daß
man das beliebte Salatkraut das ganze Jahr hindurch erntet.
Im lauwarmen Miſtbeetkaſten kann man ſchon Anfang März
ſäen. Man verwendet dazu eine kräftige Miſtbeeterde, auf deren
geebnete Oberfläche man den feinen Samen dünn ausſtreut. Er
wird dann nur ganz ſchn ach mit feuchter Erde überſiebt und
leicht angeklopft. Beſtändiges Feuchthalten iſt nötig. Bei
gün=
ſtiger Witterung keimt der Samen nach fünf bis ſechs Tagen.
Nun heißt es bei jedem Sonnenſtrahl fleißig Schatten geben,
auch darf das Spritzen nicht verſäumt werden. Die Kreſſe
ent=
wickelt ſich überraſchend ſchnell und üppig und iſt vier Wochen
nach der Ausſaat ſchon zum Schneiden. Bei guter Pflege laſſen
ſich die Beete mehrmals abernten. Ich fand aber immer, daß der
erfte Schnitt die zarteſten Blötter lieferte und machte deshalb
ver=
ſchiedene Ausſaaten in verſchiedenen Zeiträumen, um ſtets zarte
Kreſſe zu haben. Die Hauptſache bei der ſonſt ſo einfachen und
leichten Kultur iſt Aufmerkſamkeit, im Schatten legen und
gleich=
mäßiges Feuchthalten.
Für den Winterbedarf empfehle ich eine Hauptausſaat in der
erſten Septemberwoche. Die Pflanzen ſind dann ſchon gut
herangewachſen, wenn die winterliche Witterung eintritt. Die
Käſten werden nur mit Laub umgeben und Decken aufgelegt,
wenn Fröſte kommen. Doch an allen froſtfreien Tagesſtunden
werden die Decken entfernt, und es wird auch reichlich Luft
ge=
geben. Die Ernte dauert, wie ſonſt in jeder Waſſeranlage, den
ganzen Winter, und noch Mitte Mai läßt ſich der Bedarf den
Käſten entnehmen, wenn inzwiſchen ſchon die erſte neue Ausſaat
herangewachſen iſt. Selbſtverſtändlich läßt ſich die
Winterpflan=
zung auch durch Stecklinge ausführen. Die mit Wurzeln
ver=
ſehenen Endtriebe von alten Pflanzen werden Ende Auguſt eng
gepflanzt.
Im freien Land, eignen ſich feuchte, ſchattige Ecken zur
Brunnenkreſſezucht. Man ſät hier Ende Mai auf ſorgfältig
be=
reitete Beete. Bis die Pflänzchen einige Zentimeter hoch
gewor=
den ſind, darf die Oberfläche nie trocken werden. Der Wuchs und
die Ausbreitung der Ranken, die ſich wieder bewurzeln, nach
allen Seiten hin iſt überraſchend. Nach jedem Schnitt wachſen
die Triebe ſchnell wieder nach, den ganzen Sommer hindurch und
bis tief in den Herbſt hinein. Wenn Fröſte drohen, umgebe man
das Beet mit Brettern, lege Stangen über und bei Froſtnächten
Decken. Bei günſtigem Wetter kann man auf ſolche Weiſe noch
um Dezember viel Kreſſe ſchneiden.
Frühe Bohnen.
Wer die erſten Bohnen im Frühbeet ziehen will, legt am
beſten die Samen Anfang Januar in Töpfe und ſetzt die Pflanzen
erſt ſpäter aus, weil der Kaſten dann beſſer ausgenützt wird.
Man legt den Kaſten friſch an, wenn die Sämlinge die erſten
Blätter bilden. Die Samentöpfe füllt man zunächſt nur
drei=
viertel voll und häufelt die Sämlinge ſpäter durch Zufüllen an.
Sie bilden dann am Stengel noch Wurzeln. Damit die Stengel
nicht roſtig werden, darf der Stand nicht zu warm ſein, vor
allem muß man vorſichtig gießen und die Pflanzen nahe unter
Glas halten. Das Frühbeet iſt ſehr vorſichtig zu lüften und
täglich aufzudecken. Spritzen darf man nur bei ſonnigem Wetter
Die Durchſchnittstemperatur muß 24 Grad Celſius betragen. Als
Treibſorten ſind zu empfehlen die Pariſer frühe Buſchbohne und
die engliſche Treibbohne.
Frühe Ausſaaten im Zimmer.
Mit der eigenen Anzucht von Gemüſe und
Blumenpflänz=
chen ſpart der Garienbeſitzer nicht nur Geld, er bereitet ſich
da=
durch zugleich einen ſchönen Zeitvertreib durch die Beobachtung
des Wachstums der jungen Keimlinge am Fenſter. Schon im
Februar kann man mit dieſen Frühkulturen beginnen.
Vorzüg=
lich eignen ſich ſür dieſen Zweck die flachen Bücklingskäſten. Vor
dem Gebrauch müſſen ſie abgebrüht oder gedämpft werden. Um
dem Gießwaſſer Abzug zu verſchaffen; bohrt man in den Boden
mehrere Löcher, denn ſonſt ſäuert die Erde. Blumentöpfe für
Ausſaaten ſind weniger im Gebrauch; die im unteren Teil des
Topſes befindliche, von den flachſtreichenden Wurzeln der
Keim=
linge nicht benützte Erde iſt vollkommen überflüſſig und neigt
auch, beſonders bei unvorſichtigem Gießen, leicht zur Säuerung.
Am beſten ſind flache Tonſchalen in ſolchen Größen, daß ſie
be=
quem aufs Fenſterbrett geſtellt werden können; Abzugslöcher
für das Gießwaſſer müſſen auch dieſe aufweiſen. Als Saaterde
benutzt man allgemein die ſogen. Miſtbeeterde, jene lockere,
krü=
melige Maſſe, die durch mehrjähriges Kompoſtieren aus den
Packungen der Miſtbeetkäſten entſteht. Sie wird, um Fäulnis
der Wurzeln zu vermeiden, mit etwa 5 v. H. ſchönem weißen
Flußſand, der nicht feinkörnig zu ſein braucht, vermiſcht.
Be=
dingung iſt die Verwendung dieſer Miſtbeeterde natürlich nicht,
und es genügt unter Umſtänden ſchon gute, in alter Kultur
be=
findliche Gartenerde. Wenn Lauberde und beſonders
Buchen=
lauberde zur Verfügung ſteht, kann man auch dieſe mit Vorteil
verwenden, und zwar ſind beſonders Begonienausſaaten für
Buchenlauberde dankbar. In allen Fällen iſt aber ein Zuſatz
von ſeißem Flußſand unbedingt notwendig.
Die zur Verfügung ſtehende Erde wird geſiebt und das im
Siebe zurückbleibende grobe Geröll bringt man als untere Schicht
in die Behälter. Unmittelbar auf den Boden der Saatſchalen
kommt des Waſſerabzugs wegen eine Lage Topfſcherben. Die
Decke bildet dann das Feingeſiebte. Bei ſehr feinkörnigem Samen
nimmt man am vorteilhafteſten als Sieb einen kleinen, mit
Flie=
gengaze beſpannten Holzrahmen. In den Käſten wird die Erde
leicht angebrückt. Man verwendet ſie nach Möglichkeit luftfeucht.
Iſt ſie aber ausnahmsweiſe trocken, ſo iſt es gut, das ganze
Saatkäſtchen in einen größeren Behälter mit Waſſer ſo
einzu=
ſtellen, daß das Waſſer einige Zentimeter an den Wänden
hin=
aufgeht. Hierdurch wird die Erde von unten her mit
Feuchtig=
keit durchtränkt, und ein Verſchlämmen der Oberfläche, wie es
beim Gießen mit der Brauſe entſtehen würde, wird vermieden.
Ganz ſeine Saaten werden einfach auf die leicht angedrückte
Ober=
fläche der Erbe aufgeſtreut uno etwas angedruckt; mit Erde
wer=
den ſie nicht bedeckt. Wohl aber muß man das Käſtchen dann
mit einer Elasſcheibe abdecklen. Stärkere Saaten werden nach
einer alten Gärtnerregel ſo hoch mit Erde bedeckt, als ſie ſelber
dick ſind. In allen Fällen iſt es beſſer, lieber flacher zu ſäen als
zu tief. Auch tut man immer gut, gleichgültig, ob der Samen
bedeckt oder unbedeckt in die Erde gebracht wurde, die
Samen=
ſchale mit einer Glasſcheibe abzudecken. Hierdurch ſpart man ſich
das ſonſt notwendige häufige Gießen, das man bei feinkörnigen
Sagten und ſtark ausgetrockneten Behältern lieber durch
Ein=
ſtellen in ein Gefäß mit Waſſer erſetzen ſollte. Dunkel brauchen
die Saaten nicht gehalten zu werden. Man ſtelle ſie ohne
wei=
veres auf den für ſie beſtimmten Platz am Fenſter. Anfänger
ſäen meiſt zu dicht. Feinkörnige Samen ſät man am
vorteil=
hafteſten gleich aus der Tüte. Stärtere Samen läßt man
zwi=
ſchen Daumen=, Zeige= und Mittelfinger hindurchrieſeln, indem
man die Haud leicht ſchüttelt.
Hufſattichblätter als Viehfuiter.
An Wegrändern und feuchten Ecken wächſt vielfach ein kaum
auszurottendes Gewächs: der gemeine Huflattich. Die
tiefwur=
zelnde Pflanze treibt langgeſtielte, herzförmige Blätter ohne
Stengel unmittelbar aus dem Boden. Die Blüten erſcheinen ſchon
vom April an als kleine, gelbe, niedrige Blumen vor den
Blät=
tern. Dieſes Unkraut hat einen hohen Wert als Viehſutter. Es
wächſt auf ton=, lehm= und kalkhaltigem Boden. Gerade die
Tat=
ſache, daß die Pflanze, kalkreichen Boden liebt, macht ſie als
Futterpflanze ſehr wertvoll. Das Füttern des Huflattichs trägt
zur Geſundheit der Haustiere ſehr bei, wenn man nicht zu große
Mengen davon auf einmal verabreicht.
* Nutzkaninchen.
Die Zeit ſtellt an die Kaninchenzüchter heutzutage andere
Anforderungen als früher. Stand ehemals die Liebhaberei bzw.
der Sport im Vordergrunde des Intereſſes, ſo iſt durch die jetzige
ſchwierige Lage auf dem Gebiete der Ernährung eine
vollſtän=
dige Umwandlung eingetreten. In der Gegenwart iſt Fleiſch
und Fell die Loſung; alles andere muß ſich beſcheiden im
Hin=
tergrunde halten oder wird erbarmungslos zurückgedrängt. Allen
dieſen unabweislichen Tatſachen gegenüber muß ſich die Zucht
auf ſie einſtellen.
Das Halten von großen und kleinen Sportraſſen wird ſich
aber nie unterdrücken laſſen, denn es werden immer noch
gut=
geſtellte Liebhaber zu finden ſein, die nicht allein in der
Pro=
duktion von Fleiſch und Fellen ihre Befriedigung finden,
ſon=
dern ihre Erholung und ihr Vergnügen in der Schaffung von
Form, Farbe und Zeichnung ſuchen. Vom volkswirtſchaftlichen
Standpunkte aus kann man die Sport= und Raſſezucht in keiner
Weiſe befehden, höchſtens die Auswüchſe derſelben, die ſich oft
in unangnehmer Weiſe bemerkbar machen, bekämpfen. Ohne
Raſſezucht kann auch die wirtſchaftliche Zucht auf die Dauer nicht
beſtehen, denn die muß das Blut zur Auffriſchung der Nutzraſſen
heige en, ohne welche eine Degeneration nicht zu vermeiden iſt.
Die iſtungsfähigkeit würde Einbuße erleiden und den Verfall
herbeiführen. Es kann demnach der Sportzucht, wenn ſie ſich
in angemeſſenen Grenzen hält, nicht ein Kampf angeſagt werden;
er könnte in der Folge der Nutzzucht verhängnisvoll werden.
Gegenſeitige Duldung iſt der geeignetſte Weg, um beide Teile
zufriedenzuſtellen.
Wenn wir die Raſſen hierbei ſelbſt einer kleinen Betrachtung
unterziehen, ſei gleich erwähnt, daß die Rieſenraſſen: Belgiſche
Rieſen, weiße Rieſen, blaue Wiener, franzöſiſche und engliſche
Witder uſw. wohl eine Menge Fleiſch und große Felle liefern,
daß aber auch zum Aufbau des Körpers eine große Menge an
Futter beanſprucht wird, die, ſtreng genommen, kaum im
Ein=
klaug mit dem Wert der erzielten Maſſe ſteht. Dabei ſind die
großen Raſſen meiſt weniger fruchtbar, nicht allzu
widerſtands=
fähig, verlangen mehr Pflege, bedürſen eines größeren
Stall=
raumes uſw. Das alles ſind Momente, die für eine Nutzzucht
nicht förderlich ſind. Im Gegenſatz zu den Rieſen ſtehen wieder
Lie Zwerge, wie Ruſſen, Holländer, Hermelin, die ſich durch
win=
zige Größe, geringeres Gewicht und kleine Felle für die
Nutz=
zucht noch weniger eignen als ihre großen Vettern. Der goldene
Mittelweg iſt wie bei ſo vielen Dingen auch hier der beſte, und
daher kommen für die Nutzzucht hauptſächlich die mittleren
Raſ=
ſen in Frage, die durchweg ziemlich frühreif ſind, weniger
Stall=
raum beanſpruchen, widerſtandsfähig ſind, eine genügende
Fleiſchmenge für den Marktverkauf und ein mittleres Fell
lie=
fern, die Unkoſten decken und Ueberſchüſſe erwarten laſſen. Felle
mittlerer Größe finden auch bei den Kürſchnern leichter Abſatz.
Einfarbige Felle der Mittelraſſen werden immer geſucht bleiben.
Aus dieſem Grunde ſind dieſelben auch für die Nutzzucht
empfeh=
lenswerter, beſonders dann, wenn eine Farbe von gleichmäßigem
Ton, die ein Umfärben ausſchließt, angeſtrebt wird. Es gibt
Modefarben, die man auch bei Kaninchen erzielen kann, wie blau,
ſilberfarben, eremefarben oder braun.
Die Behaarung der Felle läßt vielfach noch zu wünſchen
übrig, da ſie meiſt zu locker ſitzt und zu wenig dicht und zu kurz
im Haar iſt. Als Pelzwerk wird immer ein Kaninchenfell den
Vorzug haben, deſſen Behaarung geſchloſſen, lang und dicht ſteht.
Es liegt in der Hand des Züchters und in ſeinem eigenen
Nutzen, hierauf hinzuarbeiten. Bei manchen Naſſen hat ſich ſchon
eine weſentliche Beſſerung nach dieſer Richtung hin eingeſtellt,
und der Züchter darf nicht verſäumen, ſich die Anforderungen,
die an ein brauchbares Fell geſtellt werden müſſen, ſteis vor
Augen zu halten. Bei beharrlicher Arbeit iſt dieſes Ziel nicht
ſchwer zu erreichen; die Mühen werden durch beſſere Preiſe
reich=
lich entlohnt werden.
So bieten ſich auch dem Nutzzüchter noch erſtrebenswerte
Ziele, an denen er ſich verſuchen und ſein Können zeigen kaun.
Erſt ſolche Probleme reizen und ſpannen an, und ſie zu löſen,
bringt Erfolg und klingenden Lohn.
* Welche Hühner legen im Winter?
Dieſe Frage legt ſich gewiß jeder Geflügel= bzw. Hühnerhalter
vor, wenn es im Hühnerſtall hinſichtlich der Eierproduktion
ein=
mal recht knapp hergeht, wie dieſes meiſtens nach der Mauſer
bis hinein in die Monate Januar und Februar der Fall iſt. Im
allgemeinen ſind ja die ſchweren Raſſen die eigentlichen
Winter=
leger und verdienen als ſolche immer den Vorzug. Deſſen un= die den ganzen Frühling und Sommer Pollen und Nektar
feil=
geachtet aber kann man die oben angeſchnittene Frage auch ruhig
dahin beantworten, daß diejenigen Hühner, welche das ganze
Jahr zweckmäßig und gut gehalten und gefüttert werden, auch
Winterleger ſind. Wenngleich beiſpielsweiſe die Italiener mehr
Frühjahrs= und Sommerleger ſind, ſo kann man doch durch gute
im Januar oder gar ſchon im Dezember mit dem Legen beginnen
und es dann ununterbrochen bis zur Mauſer fortſetzen. Wenn den ſind die Plütenröhren zu eng und zu tief und dann nur den
man ſicher im Winter und Sommer legende Hennen haben will,
iſt es praktiſch, neben Italienern oder anderen leichteren Raſſen
auch eine ſchwere Raſſe zu halten. Die ſchwere Raſſe muß aber
für den Zweck des Winterlegens aus einer Frühbrut ſtammen,
während man die Sommerleger auch noch im April und Mai den Notkleeſamen. Auf Wieſen, beſonders trockenen, und auf
erbrüten laſſen kann. Länger als drei Legejahre ſoll man die
Hühner betanntlich nicht halten, wenn man mit der
Cier=
proouktion gute Erſolge haben will.
Die vielen, angeblich das Eierlegen fördernden Futtermittel, die in der Nähe hauſen, haben zumeiſt gute Honigernten.
die an ſich aut ſein können, ſind auch nur bis zu einem gewiſſen
Grade wirkſam, denn das Huhn braucht im Herbſt und Winter
nicht nur mehr Erhaltungsſutter, beſonders wenn die Stallungen
kalt ſind, ſondern auch viele Jahrſoffe zur Ergänzung des
Ge=
fieders, und außerdem Produktionsfutter zur Anregung der
Cier=
ablage. Es iſt vielfach die irrige Anſicht verbreitet, daß die
Hühner in der Zeit, wo ſie nicht legen, weniger Futter brauchen
und es ſich nicht bezahlt mache, ſie gut zu füttern. Wer ſich von
dieſer Anſicht ablehren läßt, und eine richtige Zuſammenſetzung
in Menge und Güte des Futters einhält, wird gewiß durch eine
früh einſetzende Legetätigkeit entſchädigt werden. Darauf iſt auch geſät, bringen die Pflanzen nach zirka acht Wochen ihre Blüten:
in einzelnen Fällen der Erfolg zurückzuführen, welcher mit
ein=
zelnen Raſſen oder mit künſtlichen Futtermiſchungen erzielt als gutes Viehfutter geprieſen, aber für den Imker lohnt ſich der
wurde und der immer um ſo mehr hervorgetreten iſt, je unzweck= Anbau immerhin.
mäßiger die Hühner vorher ernährt worden ſind.
Zur Erläuterunlg des eben Geſagten wollen wir nicht ver= und Höhenlagen bindend. Im einzelnen muß jeder Laudwirt
ſäumen, auf einen ſiehen Jahre lang durchgeführten Verſuch prüfen, wieeit er darauf eingehen kann. Daß es ſich ni hit um
hinzuweiſen. Zum Verſuch ſind verwendet worden:
Goldwyan=
dottes und rebhuhnfarkige Italiener. Eine Gege überſieuung
der fechs beſten Hühner jeder Naſſe zeigt das gleiche Verhältnis, kennt und beobachtet.
Ara4
ONN
Md Siemmnasieien
das ſich faſt unverändert bei den ſechs ſchlechteſten Hennen
hek=
ausſtellt. Unter den Goldwyandottes gibt es nicht wenige, die
im Winter faſt ebenſo viele Eier legen wie im Somnier, und der
Durchſchnitt ihrer ſchlechteſten Winterlegerinnen übertrifft den
Durchſchnitt der Italiener überhaupt. Beim beſagten Verſuch
bringen es die beſten Legerinnen im Winter ſogar auf eine höhere
Zahl als im Sommer. Einzelne erreichen ſogar bis zu 56 Proz.,
während die Italiener nur bis auf 41 Proz. kommen.
Es iſt ja nicht zu beſtreiten, daß es von größter Vedeutung
iſt, die Legetätigkeit auf den Sommer und Winter zu veclegen.
Bei der Zuſammenſtellung der Legereſultate hat ſich weiter
er=
geben, daß die Italiener von Oktober bis Dezember eine ſehr
geringe Legetätigkeit aufweiſen; dieſe nimmt dann aber bis
März gut zu. Bei den ſchweren Goldwyandottes hingegen iſt
der Ertrag von Oktober bis Dezember ſehr merklich höher und
nimmt bis März ein wenig ab. Die Schwankungen im Ertrag
ſind bei der ſchweren Raſſe nicht ſo groß wie bei der leichten,
Es iſt ſehr zweckmäßig, beide Raſſen nebeneinander zu halten,
weil dadurch ein ſehr wünſchenswerter Ausgleich ſtattfindet, der
uns auch im Winter eine genügende Menge Eier ſichert.
Man kann eine Raſſe halten, welche man will: unterernährte,
traurig herumhockende und frierende Tiere legen nicht. Dann
kann auch der natürlich oder künſtlich warme Stall nichts ändern.
Im Winter müſſen die Tiere kräftig ernährt werden, müſſen
einen hellen Scharraum haben, wo ſie ſich durch Scharren und
Suchen nach Körnern die Zeit vertreiben und ſich natürlich auch
warm halten können. Der Schla ſtall ſoll trocken und hell ſein
und hinreichend Sitzgelegenheit haben. Bekanntlich braucht das
Huhn ſehr viel Grünes; dieſes iſt immer ſehr zuträglich und darf
deshalb nicht mangeln, wenn man Einfluß auf die Legetätigkeit
im Winter haben will. Am beſten und einfachſten iſt es, wenn
man den Hühnern Rüben oder Kohl vorlegt und wenn dieſe
daran nach Belieben und Bedarf picken können.
Weſche Tauben ſind zuchtfähig?
Ein Hauptpunkt für die Zuchtfähigkeit der Tauben iſt das
Alter der Tiere. Am ſchnellſten werden junge Tauben aus
Früh=
bruten zuchtfähig, und zwar ſtellt ſich der Geſchlechtstrieb bei den
Täubern im allgemeinen früher ein als bei den Täubinnen.
Junge Täuber ſind meiſt mit vier, junge Täubinnen mit fünf
Monaten zuchtfähig. Wenn junge Täubinnen noch früher Eier
legen, ſo ſind dieſe Eier in der Regel ſo klein, daß der Embryo
ſich nicht geſund darin entwickeln kann, oder die Eier ſind
über=
haupt unbefruchtet. Auf alle Fälle aber iſt es ratſam, nicht zwei
junge Tiere ſich miteinander verpaaren zu laſſen, ſondern es ſoll
ſtets nur das eine Tier des Paares, ganz gleich welches, jung
ſein, das andere aber im Alter überwiegen.
Die reichſte und kräftigſte Nachkommenſchaft bringen die
Tauben vom zweiten bis zum ſiebenten Jahre; ſpäterhin ſallen
nur wenige und ſchwächliche Junge. Sehr ſchnell geht die
Jucht=
fähigkeit der Tauben zurück, wenn nicht genügend fremdes Blut
zugeführt wird. Wer Wirtſchaftsgeflügelzucht treibt, das heißt,
durch die Zahl der jungen Tauben auf ſeine Koſten kommen will,
darſ niemals dulden, daß ſich ein Neſtpaar zum Zuchtpaar
zu=
ſammenſchließt; auch die Verpaarung von den Tauben, die
dem=
ſelben Elternpaar, aber verſchiedenen Bruten angehören, ſollte
nicht geduldet werden. Schließlich kommt es auch auf die
Füt=
terung und Witterung an. Gut und reichlich gefütterte Tiere
bringen mehr Junge als knapp gehaltene.
Die Biene als Helferin in der, Landwirtſchaft.
Der Nutzen, den die Bienen beim Honigſammeln dadurch
ſtiften, daß ſie Blütenſtaub von Blüte zu Blüte tragen und
da=
durch die Befruchtung vermitteln, iſt nach Berechnung des
Er=
langer Univerſitätslehrers Profeſſor Dr. Zander, eines Forſchers
erſten Nanges auf diefem Gebiet, fünf= bis zehnmal höher
ein=
zuſchätzen als der Ertrag an Honig und Wachs. Durch die Viene
ſorgt die Natur nicht nur für die Befruchtung der Blüten
über=
haupt, ſondern auch für Blutauffriſchung in den einzelnen
Pflan=
zenfamilien und für Reinzüchtung der Arten. Die Viene
ſam=
melt nämlich auf jedem ihrer Flüge nur von ein und derſelben
Pflanzenart Nektar und Blütenſtaub ein, jedoch bei ſehr vielen
Pflanzen. Die dadurch herbeigeführte Fremdbeſtäubung iſt von
größter Bedeutung für die Fruchtbildung und die Fortpflanzung.
Wird den Juſekten der Beſuch der Blüten beſtimmter Pflanzen
unmöglich gemacht, dann bleiben die Blüten taub; ſo iſt Obſtbau
ohne Bienenzucht völlig unlohnend, die Ernte von Kleeſamen
ohne Bienen und Hummeln nicht denkbar, und auch die Erträge
der Rapsfelder ſind in hohem Maße von den Bienen abhängig.
Nicht nur, daß ſie hier die Beſtäuber, bilden, ſie vertreiben zugleich
die ſchädlichen Rapskäferchen aus der Blüte. Der alljährlich
teiederkehrende Blütenreichtum unſerer Hänge, Gärten und der
Wieſen, der Fruchtanſatz bei Gurken, Bohnen, Erbſen,
Him=
beeren uſw. iſt zum größten Teil den Bienen zu verdanken. Die
Landwirte haben infolgedeſſen allen Anlaß, dieſe ihre
Helfe=
rinnen nach Kräften zu unterſtützen.
Leider hat aber die Landwirtſchaft, je intenſiver ſie ihre
Arbeit geſtaltete, den Blütenflor mehr und mehr aus den
Fel=
dern verdrängt; ſie hat das Geſträuch ſumpfreicher Flurſtücke
gerodet, das Buſchwerk an Bächen, Teichen, auf den
Gemarkun=
gen und an Hohlwegen verſchwinden laſſen. Oedländereien ſid
urbar gemacht. Alles das waren einſt Weideplätze der Bienen,
boten. Natürlich verlangt niemand eine Umkehr der
Landwirt=
ſchaft zu weniger ertragreichen und bodenſparenden Verfahren,
aber neue Weideplätze müſſen die Bienen vorfinden, und das iſt
möglich, ohne die Nutzung zu ſchmälern. Die Imler haben dazu
folgende Vorſchläge zu machen: Miſcht die Rotkleeſaaten mit
Fütterung und zweckmäßige Haltung erreichen, daß dieſe bereits Schwedenklee. Notklee gibt der Bienenzucht nur auf migeren
Feldern oder in dürren Jahrgängen Nektar. In fetten Beſtän=
Hummeln zugänglich, dagegen wird der kurzröhrige Schwedenklee
— weiße Blüten, rot angehaucht — mit Erfolg beflogen.
Land=
wirte, die ſelbſt Bienenzucht treiben, haben ihn längſt auf ihren
Schlägen und mengen gewöhnlich fünf bis acht Prozent unter
Nändern, muß mehr die Ausbreitung des Weißklees gefördert
werden, zumal er auch ein vor üigliches Viehfutter iſt.
Weißklee=
ſchläge finden wir hauptſächlich auf den Viehweiden. Imker,
Auf leichtem Boden und in nicht zu kalten Lagen müßte als
Grünfutter von den Landwirten auch Eſparſette angebaut
wer=
den. In Sandgegenden lieſert der Buchweizen viel Honia und
Pollen; auf ſchwerem Boden wachſend, ſondert er jedoch in ſeinen
Futterwicke. Sommerrüben und Ackerhanf ſind.. ener die
empfehlen. Ferner wird von den Bienen ſtark beflogen die
Phazelia, wahrſcheinlich in Nichtimkerlreiſen nur wenig bekannt.
Ihre grauhaarigen Stengel ſind faſt kleehoch und haben
viel=
blütige dunkelblaue Blütenriſpen; im Frühjahr oder Sommer
Blätter und Stengel ſind etwas hart und werden nicht gerade
Dieſe Vorſchläge ſind natürlich nicht für alle Bodenklaſſen
eine gleichgültige Angelegenheit handelt, wird jedem einle
der die natürlichen Lebensbedingungen ſeiner K