Einzelnummer 15 Goldpfentige
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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit * verſehenen Originai=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſi. Tagbl.” geſfattet.
Nummer 1
Dienstag, den 1. Januar 1924.
187. Jahrgang
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27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 20 Goldpfg.
Finanz=Anzeigen 30 Goldpfg., Reklamezelte (92 mm
breich 4 Goldmark. Anzelgen von auewärts 30 Goldpfg.,
Finanz=Anzeigen 45 Goldpfg, 92 mm breite
Rellame=
zeilte 1.50 Goldmark. Alle Preiſe in Soldmart
(1 Oollar — 4.20 Markl. — Im Falle höherer
Gewalt, wie Krieg, Aufruhr Streil nſw., erliſcht
ſede Verpſichtung auf Erfüllung der
Anzeigen=
zufträge und Leiſfung von Schadenerſatz. Bei
Konkurs oder gerſchtlicher Beitreibung fällt eder
Nabatt weg. Bankkonto: Deutſche Banl und
Darm=
ſtädter 8 Nationalbank.
Zur Jahreswende!
Von Reichskanzler Dr. Marx.
Wenn wir Deutſche an der Jahreswende Rückſchau halten
auf das verfloſſene Jahr, ſo ſtellen wir zuſammenfaſſend feſt, daß
das Jahr 1923 auch eines der Nachkriegsjahre geweſen iſt, von
denen jeder Tag ausgefüllt war mit Kummer und Sorge. Am
Anfang des Jahres ſteht die Beſetzung des wertvollſten deutſchen
Wirtſchaftszentrums durch Mächte, deren Schuldner Deutſchland
iſt. Schwere wirtſchaftliche Schäden hat die Beſchlagnahme des
Ruhrgebietes für Deutſchland im Gefolge gehabt, Schäden, deren
Auswirkung auch in das neue Jahr 1924 übergreift.
Die deutſche Regierung in ihrer Geſamtheit ſucht die Wege
zur Verſtändigung mit den Geläubigerſtaaten zu ebnen, ſie iſt
gewillt, mit allen Kräften beizutragen zum Wiederaufbau der
ganzen europäiſchen Welt, die noch ſchwer unter den
Nachwir=
kungen des blutigen Völkerringens 1914/1918 zu leiden hat.
Nicht von der deutſchen Regierung allein hängt es ab, ob die
Schritte, die ſie zu Ende des Jahres 1923 getan hat und zu
Be=
ginn des Jahres 1924 noch tun wird, Erfolg haben werden. Ich
möchte wünſchen, daß endlich Deutſchland zur Geſundung komme,
daß die Wunden vernarben, die Krieg und Nachkriegszeit ihm
geſchlagen, daß Deutſchland ſich einreihen kann in den friedlichen
Wettbewerb aller Nationen, daß die Dämme des Haſſes und des
Mißtrauens niedergeriſſen werden, die ſich zwiſchen uns und
an=
deren trennend auftürmen, — mit einem Wort, daß das Jahr
1924 einen neuen Abſchnitt in der Geſchichte der Nation bildet.
In dieſer Hoffnung wollen wir über die Schwelle des neuen
Jahres treten.
Glückwunſchielegramm des Reichspräſidenten
an Hainiſch.
Berlin, 31. Dez. (Wolff.) Der Reichspräſident
hat dem öſterreichiſchen Bundespräſidenten
fol=
gendes Telegramm geſandt:
Bundespröſident Hainiſch, Wien. Zum Jahreswechſel ſpreche
ich Ihnen und dem ſtammesverwandten öſterreichiſchen Volfe
herzlichſten Glückwunſch aus. Deutſchland gedenkt in aufrichtiger
Dankbarkeit der vielen Beweiſe hilfsbereiter Anteilnahme des
Brudervolkes. Möge das neue Jahr unſere Länder fördern auf
dem Wege der Geſundung, den Oeſterreich zu unſerer Freude
bereits mit gutem Erfolge beſchritten hat. (gez.) Ebert,
Reichs=
präſident.
Das Jahr an der Ruhr.
* Paris, 31. Dez. (Priv.=Tel.) Die Pariſer Zeitungen
be=
ginnen mit der Veröffentlichung der Jahresbilanz. Die meiſten
Betrachtungen ſind trotz des Sieges an der Nuhr nicht ſehr
hoff=
nungsvoll. Selbſt Hervé ſchreibt am Schluß ſeines heutigen
Ar=
tikels: Noch ein ſolches Jahr, und Frankreich und Europa ſind
im Wurſtleſſel. In dieſem ſind die franzöſiſchen Nationaliſten
äußerſt zufrieden.
In einer Betrachtung, die das „Journal” über das Jahr
1923 anſtellt, das es das Jahr an der Ruhr nennt, kommt das
Blatt zu folgender Schlußfolgerung: Deutſchland vernichtet!
England für lange Zeit zur Ohnmacht verurteilt! Unter dieſen
Auſpizien geht das Jahr 1923 zu Ende. Selten hat Frankreich
eine ſo ſchine Gelegenheit gehabt, die radikale Liquidation des
Krieges und die wahre Herſtellung des Friedens aufzunehmen.
Das ſetzt allerdings etwas anderes voraus, als Verhandlungen
mit Deutſchland, als Enqucten, als unproduktive Pläne für
eine wirtſchaftliche Wiederaufrichtung. Man muß vor allem das
Werk im Ruhrgebiet fortſetzen und vollenden. Wir haben uns
zu ſehr engagiert, um zurücweichen zu können.
Die beſte Kritik der franzöſiſchen Politik ſteht in der
Wochen=
ſchrift Le Progres, in der nach einem Dutzend ausgezeichneter
Artikel über das politiſche und wirtſchaftliche Ergebnis des
Jah=
res 1923 der Schlußartikel die Ueberſchrift trägt: „Das Jahr an
der Ruhr — das Jahr des Wahnſinns.”
Pariſer Quertreibereien.
* Berlin, 31. Dez. (Priv.=Tel.) Amtlich wird mitgeteilt:
Die Agence Havas hat am 20. Dezember das am Montag
über=
reichte deutſche Memorandum veröffentlicht, während die
Regie=
rungen von Frankreich und Belgien im Einverſtändnis mit der
deutſchen Regierung es für zweckmäßig gehalten hatten, das
Memorandum der Oeffentlichkeit nicht zu übergeben, um ſo die
angebahnten Verhandlungen möglichſt zu erleichtern. Es iſt heute
erſtaunlicherwveiſe der Wortlaut des Memorandums in der
eng=
liſchen Preſſe zu leſen. Obgleich die Note ſich den Charakter eines
im Wefentlichen techniſchen Schriftſtückes gibt, zeigt ſie viel
deut=
licher, als man annehmen könnte, das wahre Ziel, das viel
weni=
ger darin beſteht, an Rhein und Ruhr ei ien wirtſchaftlichen
Mo=
dus vivendi zu ſchaffen, als darin, die politiſche und
adminiſtra=
tive Souperänität wiederherzuſtellen. Die vorzeitige
Veröffent=
lichung des deutſchen Memorandums, die der bei den
Beſprechun=
gen in Paris und Brüſſel getroffenen Verabredung
zuwider=
läuft, wird deutſcherſeits bedauert, zumal da ſie einen Teil der
franzöſiſchen Preſſe zu Aeußerungen veranlaßt hat, die kaum
geeignet ſind, den im Gange befindlichen Austauſch zwiſchen den
Regierungen zu fördern. Der deutſchen Regierung wird in einer
Havasmeldung vorgeworfen, daß es ihr nicht auf einen Modus
vivendi in den beſetzten Gebieten, ſondern darauf ankomme, dort
die politiſche und adminiſtrative Souveränität des Reiches und
ſchlechthin den Zuſtand vor dem 11. Januar wiederherzuſtellen.
Dieſer Vorwurf iſt nicht recht verſtändlich. Die Neichsregierung
hat bei den von ihr eingeleiteten Beſprechungen nicht die
end=
gültige Beſprechung der Rhein= und RNuhrfrage zur Diskuſſion
geſtellt, ſie hat ihre Anregungen vielmehr ganz unzweideutig auf
eine proviſoriſche Regelung abgeſtellt, die es ermöglichen würde,
ſchon vor der endgültigen Löſung das Wirtſchaftsleben in den
beſetzten Gelieten wieder in Gang zu bringen und für die
Be=
völkerung einigermaßen erträgliche Lebensbedingungen zu
ſchaffen.
Vom Tage
Vom Chef der Heeresleitung iſt die „Welt am Montag‟
verboten worden.
Aus der Zentrumspartei in Buer ſind vier
Stadtverord=
nete ausgetreten und haben eine chriſtlich=ſoziale
Arbei=
terpartei gebildet.
Nachdem die deutſche Regierung bei der interalliierten
Militärkon=
trollkommiſſion eine Entſchuldigung für die Feſtnahme und Beläſtigung
dreier Mitglieder der Kommiſſion abgegeben hat, hält man den
Leip=
ziger Zwiſchenfall jetzt für erledigt.
Die Befugnis der Krankenkaſſen, zu den früheren
Beiträ=
gen 2 b. H. des Grundlohnes als Notzuſchlag zu erheben, iſt
er=
loſchen. Die wirtſchaftliche Lage läßt nicht zu, dieſe Befugnis auf
das neue Jahr zu erſtrecken. Wo bisher der Notzuſchlag erhoben
wor=
den iſt, ſinkt mit Beginn des neuen Jahres der Krankenkaſſenbeitrag
ohne weiteres.
Der in Künſtlerkreiſen bekannte Architekt Max Langheinrich,
der auch zu den Gründern d.r „Elf Scharfrichter” gehört, iſt im Alter
von 55 Jahren geſtorben.
Infolge ſeines Rücktritts ſcheidet der bisherige Staatsminiſter für
Landwirtſchaft Wutzlhofer als Bevollmächtigter Bayerns aus dem
Reichs=
rat aus. Als neuer ſtellvertretender Bevollmächtigter Bayerns im
Reichsrat iſt der bekannte Legationsrat bei der bayeriſchen Geſandtſchaft
in Berlin, Dr. Hermann Quark beſtellt worden.
Der britiſche Botſchafter in Waſhington, Sir Auckland Geddes,
iſt aus Geſundheitsrückſichen zurückgetreten. Als Nachfolger wird
in amtlichen Kreiſen der britiſche Geſandte in Madrid, Howard,
ge=
nannt.
Sir Horace Numbold iſt zum engliſchen Botſchafter
in Madrid ernannt worden als Nachfolger Howards, der
Botſchaf=
ter in Waſhington wird, nachdem, wie bereits gemeldet, Geddes aus
Geſundheitsrückſichten zurückgetreten iſt.
Ein Telegramm aus Veracruz beſagt, die Garniſon des Hafens von
Tuxpan habe ſich den Revolutionären unter Huerta
angeſchloſ=
ſen. Dies gebe den Aufſtändiſchen die völlige Herrſchaft über das
Petroleumgebiet, deſſen Hafen Tuxpan ſei.
Amtlicher Oollarkurs 4 210 300 000 000
1 Goldmark — 1 Billion 1 Pfg. — 10 Milliarden
Abänderung des Ausnahmezuſtandes.
Eine Verordnung des Reichspräſidenten.”
Berlin, 31. Dez. Der Reichspräſident erläßt unter
Ge=
genzeichnung des Reichskanzlers und des Reichsinnenminiſters
auf Grund des Artilels 48 der Reichsverfaſſung folgende
Ver=
ordnung über Abänderung des beſtehenden
Ausnahme=
zuſtandes:
Artikel 1. Hinter den Paragraphen der Verordnung des
Reichsprüſidenten auf Grund des Artikels 48 Abſatz 2 der
Reichs=
verfaſſung, betreffend die zur Wiederherſtellung der öffentlichen
Sicherheit und Oronung auf dem Reichsgebiet nötigen
Maßnah=
men vom 26. September 1923 (Reichsgeſetzblatt I S. 905)
wer=
den ſolgende Paragraphen 5a und 5b eingeſchaltet:
Paragraph 5a: Gegen das Verbot regelmäßig erſcheinender
Drucſchriſten iſt die Beſchwerde an den Staatsgerichtshof zum
Schutze der Republik zuſtändig. Die Beſchwerde hat keine
auf=
ſchiebende Wirkung. Der Staatsgerichtshof entſcheidet in der
Beſetzung von drei Mitgliedern, von denen mindeſtens eines
dem Reichsgericht nicht angehört. Auf das Verfahren finden
die Beſtimmungen der Ziffern 2 und 3 der Verordnung über
das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der
Re=
publik in Verwaltungsſachen vom 1. Auguſt 1923 (
Reichsgeſetz=
blatt I S. 675) Anwendung. Die Entſcheidungen des
Staats=
gerichtshofes ſind ſchriftlich zu begründen und den Beteiligten
zuzuſtellen.
Paragraph 5b: Auf Beſchränkungen der perſönlichen
Frei=
heit ſindet das Geſetz, betreffend die Verhaftung und
Aufent=
haltsbeſchränkug auf Grund des Kriegszuſtandes und des
Be=
lagerungszuſtandes, vom 4. September 1916 (Reichsgeſetzblatt
S. 1329) entſprechende Anwendung. An Stelle des
Reichs=
militärgerichts tritt der Staatsgerichtshof zum Schutze der
Re=
publik. Für die Beſetzung und das Verfahren gelten die
Be=
ſtimmungen des Paragraphen 5a.
Artikel 2. Dieſe Verordnung tritt mit dem Tage ihrer
Ver=
kündung in Kraft. Sie findet auch Anwendung, ſoweit an
die=
ſem Tage auf Grund der Verordnung des Reichspräſidenten vom
26. September 1923 regelmäßig erſcheinende Druckſchriften
ver=
boten oder Perſonen in ihrer perſönlichen Freiheit beſchränkt
ſind. Perſonen, die ſich am Tage der Verkündung dieſer
Verord=
nung auf Grund der Verordnung des Reichspräſidenten vom
26. September 1923 in Haſt befinden, ſind alsbald darüber zu
belehren, daß ihnen gegen die Verhaftung jederzeit das
Rechts=
mittel der Beſchwerde an den Staatsgerichtshof zum Schutze der
Republik zuſteht.
Reichsgeſchäftsaufſicht über Leipzig?
Leipzig, 31. Dez. Die Leipziger Spitzenverbände haben
an den Reichspräſidenten eine Eingabe gerichtet, in der ſie den
Antrag ſtellen, daß über die Stadt Leipzig gemäß Artikel 15 im
Zuſammenhang mit Art. 48 der Reichsverfaſſung die Geſchäfts
aufſicht des Reichs verhängt werde. Der Rat der Stadt Leipzig
erklärt demgegenüber, daß der Antrag weder ſachlich noch
geſetz=
lich irgendwie begründet ſei.
Or. Jarres in Weimar.
Jeng 31. Dez. (Priv.=Tel.) Reichsinnenminiſter Dr.
Jarres weilte am Sonntag in Weimar und verhandelte
ſo=
wohl mit den Vertretern der bürgerlichen als auch der
ſozialiſti=
ſchen Partcien. Erſtere forderten die Berufung eines
Reichskomi=
miſſars für Thüringen. Am Abend kehrte der
Reichsinnenmini=
ſter mit der ſeit einigen Tagen in Weimar befindlichen
Reichs=
unterſuchungskommiſſion nach Berlin zurück.
Föderaliſtiſche Jahreswende?
Vor bedeutſamen Eutſcheidungen für Reich und Länder.
g. München, 30. Dezember.
Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird das Jahr 1924, deſſen
Schwelle wir uns eben anſchicken zu überſchreiten, ſchon in ſeinen
erſten Wochen und Monden bedeutſame
Entſcheidun=
gen in der innerdeutſchen Politik zur Reife bringen, bedeutſam
nicht nur für die deutſchen Länder, ſondern ebenſo
ſchidkſals=
ſchwer ſür das Reich ſelbſt, deſſen verantwortliche Organe,
Regierung und Reichstag, in dieſen Fragen das entſcheidende
Wort zu ſprechen haben werden. Denn wir glauben recht
berich=
tet zu ſein, daß die angekündigte bayeriſche Denkſchrift
über die Reviſion der Weimarer Verfaſſung im
föderaliſtiſchen Sinne am Silveſtertag der
Reichsregie=
rung überreicht werden wird, Bayern alſo offenbar, jetzt den
Zeitpunkt als gegeben erachtet, durch einen neuen Schritt in
die=
ſer Richtung klare Sicht über ſeine politiſchen Wünſche und eine
klare Entſcheidung über dieſe Schiaſalsfragen der deutſchen
Nation zu ſchaffen.
Man könnte geteilter Meinung darüber ſein, ob die Nöte
des Augenblias und die Rückſichten auf die deutſche Außenpolitik
es gerade jetzt ratſam erſcheinen laſſen, Probleme von ſolcher
Tragweite, wie ſie in der Verfaſſungsfrage nun einmal gegeben
ſind, aufzurollen und eine prinzipielle Entſcheidung anzuſtreben.
Wer jedoch einigermaßen Einblick in die geradezu verzweifelten
Verhältniſſe hat, die durch das gegenwärtige Steuerſyſtem für
die Länder und Gemeinden geſchaffen worden ſind — verzweifelt
weniger in der Richtung einer unabwendbaren Kataſtrohhe als
vielmehr durch die ein geordnetes Haushalten abſolut
verhin=
dernde Unſicherheit der Finanzgebarung und der ſinanziellen
Be=
ziehungen zwiſchen Reich und Ländern — wird ohne weiteres
zugeben müſſen, daß zum mindeſten auf dieſem Gebiet
ſchleu=
nigſt Wandel geſchaffen werden muß. Mit anderen Worten: um
eine Neuregelung der Verfaſſungsbeſtimmungen, die ſich der
Rückgabe der Finanzhoheit an die Länder entgegenſtellen,
wird man nicht herumkommen, wenn nicht das ſo hoffnungspoll
begonnene Sanierungswerk der Reichs= und Staatsfinanzen
binnen kurzem an Verhältniſſen ſcheitern ſoll, die nicht zum
letz=
ten auf die unhaltbaren ſingnzpolitiſchen Konſtruktionen der
Weiinarer Berſaſſung zurü kzuführen ſinß. Es iſt an dieſer Stelle
ſchon genugſam auf die Unmöglichkeit ſolcher Syſteme
hingewie=
ſen worden. Und es kann vom Standpunkt wahrer
Reichsfreudig=
keit aus nur begrüßt werden, daß die Erkenntnis ſolcher
Unhalt=
barkeiten ſich auch außerhalb Bayerns mehr und mehr Bahn
ge=
brochen hat. Die Reiſe des Reichsfinanzminiſters Dr. Luther
nach Süddeutſchland beweiſt zur Genüge, daß Bayern mit ſeinen
Wünſchen und Forderungen in dieſer Nichtung keineswegs
allein ſteht, wenn auch über Maß und Umfang der Reformen
vielleicht Unterſchiede beſtehen mögen. Solche auszugleichen,
dürfte kaum Schwierigkeiten bieten, nachdem allerorten
Erfah=
rungen über die Mißlichkeiten des gegenwärtigen Syſtems
leider nur zu lange gemacht werden mußten, deren Austauſch
von ſelkſt auf den Weg weiſen müßte, wie ihnen abzuhelfen und
allen, Reich und Ländern, das zu geben ſei, was jedem billig
gebührt.
Die Denkſchrift der baheriſchen Regierung wird jedoch kaum
bei dieſer vordringlichſten Forderung haltmachen, die von dem
bayeriſchen Finanzminiſter erſt vor wenigen Tagen erneut in
Berlin vertreten wurde. Die Struktur des Kabinetts Knilling,
in dem nach der Ausbootung des bauernbündleriſchen
Landwirt=
ſchaftsminiſters nu: mehr noch die Bayeriſche Volkspartei und
die (deutſchnationale und deutſchvolksparteiliche) Mittelpartei
vertreten iſt, läßt dielmehr vermuten, daß auch die erheblich über
das finanzielle Gekiet hinausgehenden Forderungen der
Baye=
riſchen Volkspart=i in ihr unterſtützt werden, die vor Wochen
ſchon dem Reichstag in Form eines Antrags dieſer ſtärkſten
baye=
riſchen Partei zugingen und durch das ſelbſtgewählte
Ermäch=
tigungseril des Reichsparlaments bisher noch nicht das Licht der
Veratungsräume erblickten. Es kann nicht Aufgabe einer kurzen
Ueberſicht ſein, zu dieſen Forderungen im einzelnen
Stel=
lung zu nehmen. Dazu werden die ohne Zweiſel nun in nächſter
Zeit zu erwartenden Verhandlungen zwifchen Reich und
Län=
dern — denn nicht um eine bayeriſche Angelegenheit allein
kann es ſich bei dieſen Dingen handeln! — ohnehin Verazlaſſung
genug geben, da hier Probleme von größter Tragweite für das
weitere Schickſal der deutſchen Nation zur Löſung kommen
müſſen. Das Geſamtbild dieſes föderaliſtiſchen Programms
jedoch läßt uns annehmen, daß mancher Tropfen Waſſer in den
Becher der Erwartungen Bayerns gegoſſen werden wird, wenn
dieſes Programm als Minimum dieſer Hoffnungen zu
betrach=
ten wäre.
Ganz außer Zweifel muß für jeden, dem die Wahrung der
Neichseinheit als letztem und höchſtem Gute, das dem
Deutſchen Reich von heute noch verblieben iſt, die Ueberzeugung
ſtehen, daß manches in dem Notbau der Weimarer Verfaſſung
dringendſt einer Ueberprüfung bedarf. Das iſt eine
Selbſtver=
ſtändlichkeit umſo mehr, als dieſe Verfaſſung, in einer von
inne=
ren und äußeren Stürmen noch heftig bewegten Zeit entſtanden,
keineswegs Anſpruch darauf machen kann, die Frucht ruhigen
Wägens aller Faltoren des politiſchen Lebens, nüchterner und
klarer Umſetzung neuer ſtaatsrechtlicher Verhältniſſe in
verfaſ=
ſungspolitiſche Wirklichkeit zu ſein. Wer wie wir in den Sturm=
und Drangtagen des Jahres 1919 in Weimar ſelbſt Zeuge des
Werdens dieſer Staatsakte war, weiß nur zu gut, unter welchen
Bedingungen dieſes Werk zuſtande kam — wviebiel Partei
willkür auch hier, und gerade bei den wichtigſten Poſtulaten, den
Bau gefährdete und die Spuren ihres Wirkens auch an dem
fer=
tigen Werk hinterließ. Wir denken an die hochbedeutſamen
Be=
ſtimmungen über das Schulweſen, an den „berüchtigten”
Artikel 18 mit ſeiner Regelung der Neugliederung der
Länder und des hier zu beobachtenden Verfahrens, den noch
„berüchtigteren” Artikel 48 und ſeine Notſtandsbefug
niſſe — alles Produtte von Kompromiſſen der damaligen
Mehrheitsparteien, die den Stempel des Kompromiſſes nur zu
deutlich auf der Stirn tragen. Kein Wunder, wenn gerade auch
an dieſen Punkten das Reformprogramm der Bayeriſchen
Volks=
partei und mit ihr wohl auch das der Staatsregierung den Hebel
anſetzt, um hier klare Bahn zu ſchaffen. Wer wie wir die
immer=
währenden — und faſt ausſchließlich auf den Artikel 43
zurück=
gehenden — Konfliltszuſtände Bayerns mit dem Reich auf das
tiefſte, ſchen tregen der falſchen Illuſion bedauert hat, die ge=
Rummer 1.
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 1. Januar 1924.
wiſſe „freundwillige” Nachbarn aus ſolchen Zuſtänden immer
wieder für ſich herausholten, muß ſich für eine Löſung dieſer
Verfaſſungsfragen einſetzen, die für ſolche peinlichen
Zwiſchen=
piele keinen Raum mehr läßt.
Ob ſolche Löſung in der von Bayern geforderten Form einer
Uebertragung der Rechte des Artikels 48 auf die
Länder=
regierungen gefunden werden kann, möchte uns doch
einiger=
maßen zweifelhaſt erſcheinen. Man kann ſich ſehr wohl
vor=
ſtellen, daß Dinge, die Sachſen und Thüringen mit
ſozia=
iſtiſch=kommuniſtiſchen Mehrheiten keineswegs als „Bedrohung
der öffentlichen Sicherheit” gelten laſſen würden, in Bayern
ſchon Anlaß zur Anwendung des Notſtandsparagraphen geben
könnten, ſofern ſie ſich dort ereigneten — und umgekehrt! Die
etzten politiſchen Ereigniſſe in Sachſen, Thüringen und Bayern,
die verſchiedenartige Beurteilung von roten Hundertſchaften,
Kampfverbänden anderer Couleur und ähnlichen Organiſationen
in den verſchiedenen Ländern hat ja zur Genüge gezeigt, welch
herrlichen Zuſtänden das Reich in ſeinen einzelnen Ländern
ent=
gegentreiben würde, wollte es ſich des Einſpruchsrechtes der
Reichsorgane als berufener Hüter der geſamtdeutſchen
Inter=
eſſen begeben. Hier wird man alſo auf andere Wege ſinnen
müſſen, um eine für alle Beteiligten tragbare Löſung zu finden,
die nach unſerem Dafürhalten auch die Verfügung über die
be=
waffnete Macht des Landes, nur unter ganz beſtimmten, eng
umgrenzten Kautelen zulaſſen dürfte.
Daß eine ſo weit als irgend möglich gehende Wahrung der
Juſtiz= und Polizeihoheit der Länder im
wohlver=
ſtandenen Intereſſe des Ganzen ſelbſt läge, haben mancherlei
trübe Vorkommniſſe der letzten Jahre oft genug dargetan. Sie
kann und darf aber keinesfalls ſo weit gehen, wie es gerade in
Bayern jetzt zu beobachten war und iſt, daß ſelbſtherrliche
Ge=
walten wie der bayeriſche Generalſtaatskommiſſar rechtmäßig
verfolgte politiſche Häftlinge dem Richter entziehen, nur weil
ihnen die Naſe des Richters, will ſagen der Gerichtshof ſelbſt,
nicht paßt. Wir können uns — das muß einmal geſagt werden!
— keinen Bundesſtaat denken, der Leute wie Ehrhardt unter der
Anklage des Hochverrats dem Schutze eines Gliedſtaates vor
ſeinen Richtern überlaſſen könnte, ohne ſelbſt ſeine ganze
Auto=
rität preiszugeben. Ueber die Strafwürdigkeit der Ehrhardt zur
Laſt gelegten Taten könnten etwa verſchiedene Meinungen
be=
ſtehen. Damit iſt jedoch keinesfalls ein Freibrief für eine
Länder=
regierung gegeben, dieſe Beurteilung dem allein zuſtändigen
Forum durch ſicheres Aſyl für den Entflohenen vorwegzunehmen.
Die bayeriſche Regierung, die als verfaſſungsmäßige Inſtanz
einzig und allein die Verantwortung für ſolche Dinge trägt —
hätte allen Anlaß, ſolchen Zuſtänden ein für allemal ein Ende
zu machen, wenn ſie ihre — im Grundzug ſicherlich berechtigten
und weitgehend zu billigenden — Forderungen ernſt genommen
zu ſehen wünſcht.
Wenn der Katalog der bayeriſchen Forderungen des
weite=
ren noch die Rückgabe der Verkehrshoheit, die Sicherung
des Länderbeſitzes an Bodenſchätzen und Naturkräften
vor=
ſieht, ſo wird über ſolche Fragen vornehmlich nach dem
Geſichts=
punkt wirtſchaftlicher Tauglichkeit des
Vorgeſchlage=
nen zu urteilen ſein.
Die grundſätzliche Frage einer Begrenzung der
Reichs=
zuſtändigkeiten und der Uebertragung der Ausführung
von Reichsgeſetzen an die Länder wird durch den im Gang
be=
findlichen Abbau der Behörden und die damit notwendige
Um=
ſtellung des geſamten Verwaltungsorganismus auf
größtmög=
liche Wirtſchaftlichkeit ſo eng berührt, daß ſie nur im
Zuſammen=
hang mit dieſen und nur vom Standpunkt finanzpolitiſcher
Zweckmäßigkeiten für beide Teile gelöſt werden kann. Einer
Erweiterung der Rechte des Reichsrats im Sinne einer
Gleichberechtigung mit den anderen Organen des Reiches in
Ge=
ſetzgebung, Haushaltgenehmigung und Verwaltung wird wohl
jeder im Grundzug beitreten, der ein von faſt allen Garantien
freies Einkammerſyſtem als größtes Uebel des gegenwärtigen
Syſtems betrachtet.
Wir faſſen zuſammen: In vielem, was von Bayern aus jetzt
zu einer grundlegenden Reform der Reichsverfaſſung in
Vor=
ſchlag gebracht wird, kann ein Umbau des Werkes von Weimar
nur von Segen für Reich und Länder ſein und zur Belebung
der Reichsfreudigkeit in allen Landen beitragen, wenn wir auch
der Meinung ſind, daß Reichsfreudigkeit als ſolche nicht an
Bedingungen gebunden werden kann und darf. Wenn nicht alle
Erwartungen reifen werden, die man in Bayern hegen mag, ſo
wird man ſich dabei in Bayern vergegenwärtigen müſſen, daß
die politiſche und wirtſchaftliche Struktur des Landes
keines=
wegs mit der des Reiches identiſch iſt, daß Maßnahmen, die
hier ganz im Sinne der Entwicklung lägen, dort unter
Um=
ſtänden von größter Gefahr für das Schicſal des Ganzen
wer=
den können. Zur Reichsleitung wird man das Vertrauen haben
können, daß ſie über den Intereſſen des Ganzen auch die im
wohlverſtandenen Intereſſe der Geſamtheit liegenden Belange
der Länder zu würdigen wiſſen wird. Iſt die gleiche Einſicht in
die Notwendigkeiten der Geſamtheit auch in den Ländern
und im Reichstag vorhanden, dann kann die Jahreswende
gleich=
zeitig Schickſalswende im deutſchen Verfaſſungsleben werden
und, freier in ihrem Eigenleben, die deutſchen Stümme umſo
enger zuſammenſchließen zur deutſchen Nation, die ſich
ihren Platz an der Sonne dereinſt wieder erkämpfen wird. Der
Schwierigkeiten liegen viele auf dem Wege. Daß mit ihnen
ge=
rechnet werden muß, wird gerade Vayern im neuen Jahre im
eigenen Hauſe klar werden, wenn der Verſuch, die bayeriſche
Verfaſſung zu reformieren, im Kampfe des
Volksbegeh=
rens und Volksentſcheids die Feuerprobe zu beſtehen
hat. Hier liegt der erſte Prüfſtein für die Tragfähigkeit
der bayeriſchen Wünſche, auch ſoweit ſie den Reichsbau berühren.
Hie Rhodus, hie salta . . .!
Die neuen Steuern.
Scharfe Oppoſition in Süddeutſchland.
Berlin, 31. Dez. In der geſtrigen Kabinettsſitzung hat
Finanzminiſter Dr. Luther das Ergebnis ſeiner Reiſe nach
Süddeutſchland vorgetragen. Dieſe Reiſe bezweckte bekanntlich
die Fühlungnahme mit den ſüddeutſchen Ländern in der Frage
der neuen Verteilung der Laſten und Steuereinnahmen zwiſchen
Reich und Ländern, die mit der in der dritten
Steuernotverord=
nung vorgeſehenen Beſteuerung von Obligationen und des
Grundbeſitzes verbunden iſt. Aus der Ausſprache mit den
ſüd=
deutſchen Regierungen haben ſich neue Geſichtspunkte ergeben,
die eine Vertagung der Verabſchiedung der dritten
Steuernot=
verordnung durch das Kabinett notwendig machten. Wie der
„Montag” hört, wird die nächſte Kabinettsſitzung erſt nach
Neu=
jahr ſtattfinden.
Die Baheriſche Volkspartei gegen den Finanzausgleich.
München, 31. Dez. Der Landesausſchuß der Bayeriſchen
Volkspartei hat am Samstag auf Antrag des
Reichstagsabge=
ordneten Rauch folgende Entſchließung angenommen: Der von
der Reichsregierung in Ausſicht genommene Finanzausgleich
ſcheint geeignet, den Ländern und Gemeinden gegenüber dem
derzeitigen Zuſtand neue Laſten, nicht aber jene ergiebigen
Steuerquellen zu bringen, durch die ſie in die Lage verſetzt
wer=
den, die ihnen zugedachten neuen Laſten nach dem Wegfall der
Leiſtungen vom Reich auch wirklich tragen zu können. Anſtatt
mit der Uebertragung der früheren Aufgaben den Ländern und
Gemeinden auch die früheren Steuerquellen zurückzugeben,
ſol=
len Länder und Gemeinden auf neue Steuern verwieſen werden,
deren Aufkommen höchſt fragwürdig iſt. Entgegen unſerer
pro=
grammatiſchen Forderung, die Steuergeſetzgebung und den
Steuererhebungsapparat den Ländern und Gemeinden
zurück=
zuübereignen, ſollen dieſe nach wie vor in der Hand des Reichs
bleiben. Der Landesausſchuß der Bayeriſchen Volkspartei
er=
hebt gegen dieſe Art von Finanzreform und gegen dieſe
Geſtal=
tung des Finanzausgleichs allerſchärfſten Proteſt und erſucht
die bayeriſche Staatsregierung, hiergegen mit allen
verfaſſungs=
mäßigen Mitteln Stellung zu nehmen.
Die Beſchlüſſe der Bayeriſchen Volkspartei.
Einführung eines Staatspräſidenten und des
Zweikammer=
ſyſtems. Aenderung des Wahlrechts.
München, 31. Dez. Zu dem bereits gemeldeten Beſchluß
des Landesausſchuſſes der Bayeriſchen Volkspartei in der
Ver=
faſſungsfrage iſt weiter zu melden, daß nach dem Wortlaut des
Beſchluſſes 1. der Landtag aufgelöſt, 2. ein Geſetzentwurf
vor=
gelegt werden ſoll auf Ermächtigung des neu zu wählenden
Landtags, mit einfacher Mehrheit eine neue Verfaſſungsurkunde
zu beſchließen. Die Begründung dieſes Geſetzentwurfs ſoll als
beſondeke Ziele enthalten:
1. Die Einführung eines Staatspräſidenten,
der u. a. auch das Recht der Landtagsauflöſung haben ſoll;
2. Die Einführung eines Zweikammerſyſtems
und Vereinfachung des parlamentariſchen Betriebs, ſowie
Verringerung ſeiner Koſten;
3. Die Aenderung des Wahlrechts durch Verbindung
zwiſchen dem Wahlkreis und dem Abgeordneten;
4. Die Erweiterung der Volksrechte in bezug auf
Volksbegehren und Volksentſcheid.
In der Begründung dieſer Forderung wird erklärt, daß
in=
folge der Parteiſucht der kleineren Parteien der gegenwärtige
Landtag aufgelöſt werden müſſe und das Parlament ſeine
Ar=
beitsfähigkeit erſt dann wieder erlangen könne, wenn die aus
der Revolution von 1918 heraus geborene Verfaſſung abgeändert
und eine neue Verfaſſung geſchaffen wird, die bayeriſchen
Stem=
pel trägt und einen echt deutſchen und chriſtlich=vaterländiſchen
Geiſt hat. Der Landesausſchuß der Bayeriſchen Volkspartei
ruft daher das bayeriſche Volk auf, auf dem Wege des
Volks=
begehrens ſich zugunſten der Schaffung einer neuen bayeriſchen
Verfaſſung nach den chriſtlich=vaterländiſchen Idcalen zu
ent=
ſcheiden. Mit dieſem Vorgehen der Bayeriſchen Volkspartei wird
alſo zum erſtenmal in Deutſchland ſeit der Schaffung der neuen
Verfaſſungsverhältniſſe das Volk unmittelbar zur Entſcheidung
einer wichtigen ſtaatspolitiſchen Frage aufgerufen.
Die Oemarche Lord Curzons.
Die franzöſiſche Auffaſſung.
Paris, 31. Dez. (Wolff.) Der Temps glaubt, die
Nach=
richt des Evening Standard, daß die engliſche Regierung in
Warſchau, Bukareſt und Belgrad wegen der von der
franzöſi=
chen Regierung gewährten Kredite Vorſtellungen erhoben habe,
beſtätigen zu können. Die britiſche Regierung ſtelle die Frage,
ob die Frankreich gewährten Garantien nicht die Garantien
ver=
ringerten, die England in Anſpruch nehme, um die Sicherſtellung
ſeiner Forderungen zu gewährleiſten. Der Londoner
Bericht=
erſtatter des Temps glaubt die Gründe, die Lord Curzon zu
ſeiner Demarche veranlaßt haben, wie folgt erklären zu können:
In London weiſe man darauf hin, daß dieſe Schritte Lord
Curzons eine Art Antwort auf die Oppoſition der franzöſiſchen
Regierung gegen den Plan der engliſch=amerikaniſchen
Nah=
rungsmittelkredite für Deutſchland darſtellten”. Wenn dieſe
Er=
klärung die allein zutreffende ſei, bemerlt der Temps, werde es
wirklich allzu leicht ſein, auf die engliſche Demarche zu
antwor=
ten. Zunächſt habe Frankreich keine „Oppoſition” gegen den
Anleiheplan gemacht. Frankreich habe nur den Eindruck, daß
zwvei Vorfragen aufgeklärt werden müßten: nämlich 1., ob die
deutſche Regierung nicht in ihrem eigenen Lande das Getreide
und den Speck, den es brauche, billiger finden könne, und 2.,
wenn ſie wirllich gezwungen ſei, dieſe Lebensmittel im Ausland
zu kaufen, ob ſie nicht in Deutſchland ſelbſt die für die
Bezah=
lung nötigen Deviſen aufzutreiben imſtande ſei, anſtatt
an=
ſpruchsvollen Geldgebern eine Hypothek von 70 Millionen Doll.
zu gewähren. Daß dieſe Geldgeber mit den von Frankreich
auf=
geworfenen Fragen unzufrieden ſeien, werde niemand
über=
raſchen, aber man würde nicht gut begreifen, daß Curzon Schritte
unternehme, die mehreren alliierten Nationen mißfielen, bloß
um Iutereſſen zu unterſtützen, die in hohem Grade privater Art
ſeien.
Das franzöſiſch=tſchechoſlowakiſche Bündnis.
London, 31. Dez. (Wolff.) Der diplomatiſche
Bericht=
erſtatter des Daily Telegraph ſchreibt, das franzöſiſch=
tſchechoſlo=
wakiſche Bündnis ſei weiterhin das in den diplomatiſchen
Krei=
ſen am meiſten erörterte Thema. In London herrſche
allge=
meine Ueberraſchung darüber, daß die Staatskunſt Prags, die
bisher viel Vorſicht und Mäßigung gezeigt, ſich in eine Allianz
habe verwickeln laſſen, die früher oder ſpäter faſt unvermeidlich
Europa wieder in zwei bewaffnete Lager teilen müſſe. Die
öffentliche Meinung Italiens ſei wegen des zwiſchen Paris und
Prag geplanten Paktes am meiſten beſorgt, weil ſie der Anſicht
ſei, daß, wenn ein derartiger Pakt auch in erſter Linie gegen
Deutſchland gerichtet ſei, er doch die Konſolidierung der Kleinen
Entente, möglicherweiſe mit Unterſtützung Griechenlands,
be=
deute, und der geplanten italieniſch=ruſſiſchen Verſtändigung im
Wege ſtehen könnte. Das Ergebnis könnte ſein, daß die
Ver=
ſöhnung zwiſchen Italien und einigen ſeiner früheren Feinde,
wie Ungarn und Bulgarien, beſchleunigt würde, und daß dieſe
Verſöhnung mit der letzten italieniſch=ſpaniſchen Annäherung
verbunden werde. Inzwiſchen ſeien weitere Symptome einer
italieniſch=polniſchen Annäherung vorhanden. Die italieniſche
Firma Perrone verhandele mit dem polniſchen Generalſtab
be=
treffs großer Rüſtungs= und Munitionswerke in Poſen.
Deutſchland und der Völkerbund.
London, 31. Dez. (Wolff.) Der Generalmajor Sir
Frede=
rik Maurice ſchreibt in der Daily News über die Frage des
Beitritts Deutſchlands zum Völkerbunde und
die Gründe der ablehnenden Haltung Deutſchlands, die faſt
all=
gemeine Anſicht der Rheinländer ſei, daß der Völkerbund nur ein
Deckmantel für die franzöſiſche Politik ſei. Die Rheinländer
be=
fürchteten ehrlich, daß, wenn ſie dem Völkerbund überliefert
würden jihre Beherrſchung durch Frankreich legaliſiert und eine
dauernde ſein würde. Daher ſeien ſie gegen den Beitritt
Deutſch=
lands zum Völkerbunde. Dieſe Befürchtungen ſeien durch die
Ereigniſſe in der bayeriſchen Pfalz keineswegs vermindert
wor=
den, wo eine kleine Gruppe von Separatiſten mit Unterſtützung
der franzöſiſchen Bajonette ſich einer hilfloſen, aber empörten
Bevölkerung aufgedrungen habe. Wenn Deutſchland dem
Völ=
kerbund beitreten ſolle, ſo ſei der erſte Schritt, der dazu
notwen=
dig ſei, zuzuſehen, daß die deutſche Bevölkerung der Pfalz kair
play erhalte und der franzöſiſche Einfluß im Saargebiet
vermin=
dert werde.
Oer franzöſiſche Botſchafter beim Reichskanzler
* Berlin 31. Dez. (Priv.=Tel.) Heute nachmittag fand
eine längere Beſprechung zwiſchen dem Reichskanzler und dem
ranzöſiſchen Botſchafter ſtatt. Der Reichskanzler hat vor allem
auf das Düſſeldorfer Urteil hingewieſen, deſſen Ungrechtigkeit im
ganzen deutſchen Volk eine außerordentliche Erbitterung
hervor=
gerufen habe, und das umſomehr bedauert werden müſſe, als die
Reichsregierung durch ihren letzten Schritt in Paris und Brüſſel
ihren aufrichtigen Willen zu einer Verſtändigung über die
Ver=
hältniſſe in den beſetzten Gebieten kundgegeben hat.
Heſſiſches Landestheater.
Kleines Haus. — Montag, den 31. Dezember.
Fatinitza.
Operette von R. Genee, Muſik von F. v. Suppé.
Schüchtern trat von jeher die Operette in unſeren Spielplan.
Die „Fledermaus”, zeitweiſe den „Zigeunerbaron” auch den
„Bettelſtudent” hörte man an Februar=Abenden. Selten aber
kam’s darüber hinaus. Wagte man ſich an Neuheiten, waren’s
häufig Mißgriffe. lind doch ſcheint es mir wichtig, die Operette
in Muſteraufführungen vorzuführen, von der, meiſt nur auf
Sommerbühnen mangelhaft geſpielt, ein falſches Bild gezeigt,
ihr Wert nicht erkennbar wurde. Wie die Poſſe zum Schauſpiel,
gehört ſie zum Opernſpielplan. Die Zahl guter Operetten iſt
nicht ſonderlich groß, immerhin genügend, um viele zu finden,
die noch nicht verblaßten oder wieder wirkungsvoll gemacht
wer=
den können. Es iſt ein Vorzug der Operette, daß ſie dies verträgt
und oft mit wenigen Strichen und Zutaten aktuell zu geſtalten
iſt. Unſere Bühne iſt zurzeit in der Lage, dazu beſte Kräfte
ein=
ſetzen zu können. Für die Inſzenierung haben wir ſie in
Aus=
maßen, die Darmſtadt als führendes Vorbild an die Spitze
ge=
rüct haben. Und unſer Perſonal birgt für ſie beſonders
geeig=
nete Begalungen. Ich möchte wünſchen, daß man der Operette
mehr Naum gönne als ſeither. Hier lohnt ſich die Mühe, die
Wir=
kung iſt geſi hert, die Abwechslung, die ſie dem Spielplan zuführt,
erfri ihend, Witz und Satire, Freude und Lachen gerade heute
willicmmen. Strauß, Suppé, Millöcker, Genee, Lecoca, vor allem
aber Ofſenlach; was kann man heute aus deren beſten Werken
machen!
„Fa initza” iſt ein Werk, das ſeinerzeit im Siegeslauf über
alle Bi hnen ging. Heute iſt es ſtark verblaßt und auch ſchwer zu
retten. Der Stoff, früher höchſt aktuell, iſt gut gefunden, die
Handlung, voll echter Operettenſituationen, ſpannend geführt.
Alles für uns Seutige verjährt, bißl brav und unſchuldig. Die
Muſik hat mehr Schmiß als Geiſt. Aus ihrem Melodienſchatz
pſiff ſci her jeder Heiner, blies jede Militärkapelle den
Fatinitza=
marſch. Sie iſt nett und anſtändig gemacht, Tänze und Couplets
ſind pi ant, die Enſembles vorzüglich. Freilich, die Raketen des
Wiles, die Blitzlichter der Satire fehlen.
Das ( anze läßt ſich genießen, wenn es gut gegeben wird.
ef Roſen
Das war d.
ſtocks, der übrigens jetzt Mädchen für alles ſein muß, dank der
ausgezeichneten Regie Heinrich Kuhns. Der rechte ſchmiſſige
Operettenton war ja nicht erreicht, alle Perſonen lebten aber
luſtig in ihren Rollen und gaben ihr Beſtes. Die Fatinitza ſang
Paula Kapper, in Ausſehen, Spiel und Stimmlage für dieſe
Rolle nicht recht paſſend, mit hübſchem Gelingen. Die Lydia
hatte in Margarete Albrecht eine feine, wirkungsvolle
Ver=
treterin. Die Damen Weißweiler, Doepner,
Stefa=
nowa, Porita bildeten als die vier Haremsfrauen ein
rei=
zendes Quartett. Herr Kuhn war in ſeiner packenden Draſtik
ein unübertrefflicher Graf Kantſchukoff. Herr Vogt faßte ſeinen
Jzzet Paſcha erfolgreich von der feinkomiſchen Seite; der
viel=
gewandte Herr Peterſen ſchuf im Sergeant Sidorewitſch eine
köſtliche Type. Herr Weller aber zeigte ſich von einer mir ganz
neuen, vorteilhaften Seite als Berichterſtatter von Golz.
Leben=
dig und flott in Ausſehen und Spiel, alle Feinheiten des Stils
beherrſchend, ſtimmlich frei und ſicher, elegant in den Enſembles,
gab er eine ausgezeichnete, erfreuliche Leiſtung. Die zahlreichen
kleinen Rollen fügten ſich gut ein. Sehr angenehm waren die
Bühnenbilder Arthur Pohls, die ſchönen Koſtüme, die
effekt=
vollen Beleuchtungen. Es war eine launige, beluſtigende
Auf=
führung.
v. HI.
Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben
— Eine „Kalenderkunſtausſtellung” in der
Mannheimer Kunſthalle. Uinter dem Titel „
Kalender=
kunſt aus alter und neuer Zeit” hat die Städtiſche Kunſthalle in
Mannheim zum Jahreswechſel eine umfaſſende Ausſtellung von
neuartigem Charalter und mehr als örtlicher Bedeutung eröffnet.
Der Veranſtalter, Dr. G. F. Hartlaub hat durch ein
Nund=
ſchreiben an die führenden Gebrauchsgraphiker und Kunſtſchulen
Deutſchlands eine große Reihe von neuen Entwürfen aller Arten
von Kalendern zuſammengebracht, die geeignet ſcheinen, das
künſtleriſch und typographiſch außerordentlich herabgekommene
zeitgenöſſiſche Kalenderweſen wieder im Anſchluß an die alten
Bildmotive und Schriftgeſtaltungen, ſowie unter Verückſichtigung
der eigentlich ſinngemäßen kalendariſchen Ueberlieferungen in
neue Bahnen zu leiten. Für Verleger, Druckereien, inſerierende
Firmen und alle ſonſtigen am Kalenderweſen intereſſierte Kreiſe
iſt die gewählte Mannheimer Schau von unmittelbarem, auch
wirtſchaftlichem Intereſſe. Mit der Ausſtellung moderner
Ka=
lenderentwvürſe derbunden iſt eine umfaſſende retroſpektive
Abteilung, die zum erſten Male die Entwicklung der kalen=
dariſchen Bild= und Schriftmotive (mit Einſchluß der
merkwür=
digen aſtrologiſchen Sinnbilder) vom frühen Mittelalter bis zur
Romantik anſchaulich macht. Die Ausſtellung bleibt bis Mitte
Februar zugänglich.
— Spuren der deutſchen Not auf dem Gebiet
wiſſenſchaftlichen Literatur. Nach einer Feſtſtellung
des Preußiſchen Kultusminiſteriums haben ſeit dem Jahre 1919
153 pädagogiſche Zeitſchriften ihr Erſcheinen eingeſtellt. Auch iſt
ein Rüclgang zu konſtatieren in den Neuerſcheinungen auf dem
Gebiete der Erziehung und des Unterrichts (1913: 5429, 1922:
2831), der Sprach= und Literaturwiſſenſchaft und der Medizin.
Stark zugenommen haben dagegen die Sammelwerke, kurz
un=
terrichtende Schriften über Kunſt=, Muſik= und Theaterfragen,
Bücher der ſchönen Literatur und Werke über Landwirtſchaft.
Adolf von Harnacks Nachfolger. Zum Nachfolger
Adolf v. Harnacks an der Univerſität Berlin iſt Profeſſor Dr.
Haus Lietzmann=Jena berufen worden. Der als
Kirchen=
hiſtoriker, Bibelforſcher und Archäologe gleich hervorragende
Ge=
lehrte hat den Ruf angenommen. Es iſt anzunehmen, daß die
Univerſitätspolitik der thüringiſchen Staatsregierung für die
Entſcheidung Profeſſor Lietzmanns mitbeſtimmend geweſen iſt.
Adolf d. Harnack ſieht im Sommer nächſten Jahres auf hundert
Semeſter akademiſcher Lehrtätigkeit zurück..
Iſolde Kurz iſt anläßlich ihres 70. Geburtstages von
ihrer Vaterſtadt Reutlingen zur Ehrenbürgerin ernannt
worden.
Das verbreitetſte wiſſenſchaftliche Litere
turblatt, das „Literariſche Zentralblatt für Deutſchland
(Verlag Ed. Avenarius, Leipzig), tritt mit dem neuen Jahre
ſeinen 75. Jahrgang ein. Infolge engen Zuſammenarbeiter
mit dem wiſſenſchaftlichen Kollegium der Deutſchen Bücherei i=
Leipzig, die ſeit 1913 lückenlos das geſamte in deutſcher Sprack
erſcheinende Schrifttum ſammelt, iſt das „Literariſche Zentral
blatt” nunmehr zum ſchnell, pünktlich und umfaſſend berichte
den Literaturblatt ausgebaut worden; am Ende eines jeder
Monats berichtet es nunmehr über die wichtigſten neuen wiſſer
ſchaft ichen Bücher und Zeitſchriftenaufſätze des ablaufende=
Monats mit etta 800 Titelnachweiſen und kurzen Charalter
ſtiken. Die damit angebahnte neue Entwicklung des alten Lite
raturblattes iſt in dieſem Augenblick nicht nur für die bedrängt
deutſche Wiſſenſchaft eine weſentliche Hilfe, ſondern auch gegen
über dem Ausland ein einzigartiges Rüſtzeug für Verbreitun
und Süützung deutſcher wiſſenſchaftlicher Arbeit,
Runiitter 1.
Der Bertehr mt dem beſetzren Gebiet.
Die Verzögerung durch die Regie.
Dortmund, 31. Dez. In Verfolg der Dortmunder
Ver=
handlungen mit der Negie ſind von deutſcher Seite alle
Vorbe=
reitungen getroffen worden, um den Verkehr zwiſchen dem
be=
ſetzten und unbeſetzten Gebiet über ſämtliche Uebergangsſtationen
ſofort in Gang zu bringen. Bei der franzöſiſchen Regie ſind
entſprechende Weiſungen zur beſchleunigten Wiederaufnahme
des Perſonenverkehrs noch nicht ergangen. Die deutſchen
Dienſt=
ſtellen, die für den Verkauf von Fahrkarten der Negie
vorge=
ſehen ſind, ſind von der Regie noch nicht mit entſprechenden
Fahrkarten uſw. ausgerüſtet worden. Dieſe Verzögerungen
twerden von den Handel= und Gewerbetreibenden, ſowie von der
Arbeiterbevölkerung auf das unliebſamſte empfunden.
Falſche Außerungen Poincarés über den
Düſſeldorfer Prozeß.
* Münſter, 31. Dez. (Priv.=Tel.) Der franzöſiſche
Mini=
ſterpräſident hat anläßlich der Düſſeldorfer Vorfälle der Kammer
mitgeteilt, daß ein Befehl der deutſchen Regierung zum
Ein=
greifen gegen die ſeparatiſtiſche Demonſtration vorgelegen hätte.
Poincaré hat ſich auch gegenüber anderer Seite geäußert, daß
ein Befehl vorläge, der die deutſche Rgierung in den Augen der
ganzen Welt kompromittieren würde, nämlich ein Befehl, auf
un=
ſchuldige Frauen, Greiſe und Kinder zu ſchießen.
Der Düſſeldorſer Prozeß hat zwar zur widerrechtlichen
Ver=
urteilung völlig unſchuldiger deutſcher Staatsangehöriger geführt,
er hat aber keineswegs den Beweis für die Richtigkeit der
ten=
denziöfen Aeußerungen des franzöſiſchen Miniſterpräſidenten
bei=
bringen können. Es handelt ſich bei dieſem ſogenannten Befehl
um eine Anordnung des Regierungspräſidenten Grützner. Dieſe
Anordnung iſt in der öffentlichen Verhandlungen verleſen
wor=
den. Sie iſt völlig harmlos und ſagt lediglich, daß das
hochver=
räteriſche Unternehmen der Separatiſten mit allen Mitteln zu
bekämpfen ſei. Dieſer Befehl drückt nichts anderes aus, als was
ſchon nach dem deutſchen Geſetz für jeden deutſchen Bürger und
für jede deutſche Behörde ſelbſtverſtändliches Gebot iſt.
Regicrungspräſident Dr. Grützner äußerte ſich nach dem
Be=
kanntwerden des Urteils folgendermaßen: Das Düſſeldorfer
Ur=
teil bedeutet eine offene Stellungnahme der Franzoſen zugunſten
der Separatiſten. Insbeſondere iſt dieſes Urteil als ein erneuter
Bruch der Haager Landkriegsordnung anzuſehen; denn in dieſer
wird beſtimmt, daß okkupierende Macht die Geſetze des
okku=
pierten Landes zu reſpektieren hat. Die von mir angeordnete
Maßnahme hat ſich, darin kann auch nicht der geringſte Zweifel
möglich ſein, lediglich gegen deutſche Hoch= und Landesverräter
gerichtet, und die Offiziere und Beamten der Schutzpolizei haben
am 30. September in Diſſeldorf nichts anderes als ihre
ſelbſt=
verſtändliche Pflicht geta. i.
Ein Zwiſchenfall.
Paris, 31. Dez. (Wolff.) Wie der Neu=York Herald aus
Waſhington berichtet, hat die Gattin des belgiſchen
Botſchafters, Baronin de Cartier de Marchienne, ſich
ge=
weigert, auf einem diplomatiſchen Diner im Weißen Hauſe
ſich von dem deutſchen Botſchafter Dr. Wiedfeldt zu Tiſche
führen zu laſſen. Die Baronin habe dem Weißen Hauſe
mitge=
teilt, daß ſie an dem Diner in dieſem Falle nicht teilnehmen
werde. Der deutſche Botſchafter führte darauf die Gattin des
japaniſchen Botſchafters Hanihara zu Tiſch. Dem Blatte zufolge
beſtehen infolge dieſes Zwiſchenfalls, der in diplomatiſchen
Krei=
ſen großes Aufſehen erregt hat, geſpannte Beziehungen
zwiſchen der belgiſchen und der deutſchen Botſchaft. Die Baronin
iſt eine geborene Amerikanerin.
Amerikaniſches Kriegsmaterial für Mexiko.
Paris, 31. Dez. (Wolff.) Nach einer Meldung des New=
York Herald aus Waſhington hat die Negierung der Vereinigten
Staaten die mexikaniſche Regierung ermächtigt, Kriegsmaterial
von der amerikaniſchen Armee zur Verwendung gegen die
Auf=
ſtändiſchen zu kaufen. Präſident Coolidge habe auf Vorſchlag
von Staatsſekretär Hughes beſchloſſen, an Mexiko 15 000
Armee=
gewehre und 10 Millionen Munitionsbänder zu verkaufen. Es
verlautet, daß der Kriegsſekretär Weeks keine ernſtlichen
Einwen=
dungen gegen den Verkauf erhoben habe.
Die Aufgaben der ſpaniſchen Politik.
TU. Madrid 31. Dez. Das Direktorium veröffentlicht
eine ausführliche Note über die drei wichtigſten Probleme der
ſpaniſchen Politik: das neue Tanger=Statut, den kataloniſchen
Separatismus und das Marokko=Protektorat. Das Direktorium
erklärt darin, das engliſch=franzöſiſche Tanger=Abkommen
ent=
ſpreche nicht den Intereſſen und den hiſtoriſchen Rechten
Spa=
niens. Weiterhin ſei es entſchloſſen, energiſche Maßnahmen gegen
den kataleniſchen Separatismus zu ergreifen. In Barcelona
wurden fünf Stadträte verhaftet. 136 kataloniſche Stadt= und
Gemeindeverwaltungen, die ſich für die Autonomie erklärten, ſind
vor Gericht geſtellt.
Darmſtädter Tanblatt, Dienstag, den 1. Januar 1924,
Seite 8.
Die Vorkriegs=Arbeitszeit.
In der Eiſeninduſirie.
Düſſeldorf, 31. Dez. Die Arbeitgebervereinigung für
die Eiſen und Stahl erzeugende und verarbeitende Induſtrie in
Düſſeldorf und Umgebung, zu der alle derartigen Werke in
Düſ=
ſeldorf, Benrath, Ratingen, Hilden, Großenbaum, Huckingen und
Lindorf gehören, erläßt eine Bekanntmachung an ihre Arbeiter,
daß vom 2. Januar an für dieſe Werke nur noch zu den
Verein=
barungen zwiſchen dem Arbeitgeberverband der nordweſtdeutſchen
Eiſen= und Stahlinduſtrie und den Arbeitnehmerverbänden
ge=
arbeitet wird. Vom 2. Januar ab beträgt in dieſen Werken die
Arbeitszeit einſchließlich der Pauſen für ſechs Wochentage in
den Hüttenwerken durchſchnittlich 59 Stunden (Tagesſchicht 58,
Nachtſchicht 60 Stunden, für Arbeiter in der
weiterverarbeiten=
den Induſtrie 57½ Stunden. Für die Bezahlung werden täglich
10 Arbeitsſtunden zugrunde gelegt, d. h., ein Arbeiter, der zehn
Stunden arbeitet, erhält auch für zehn Stunden Lohn. Bei der
Einſtellung in die Werke ſollen dor allem ehemalige
Werksange=
hörige berückſichtigt werden.
Aenderung der Dienſtborſchriften der Reichsbahn.
Berlin, 31. Dez. Nach dem Beſchluß des Reichskabinetts
beträgt die Dienſtzeit der Beamten wöchentlich mindeſtens 54
Stunden. Regelmäßige Mehrleiſtungen können innerhalb eines
Kalenderjahres durch regelmäßige Minderleiſtungen ausgeglichen
werden oder umgekehrt. Soweit der Dienſt in bloßer
Dienſt=
bereitſchaft beſteht, iſt die Dienſtzeit entſprechend zu erhöhen.
Dieſer Beſchluß bedingt eine Aenderung der vorläufigen
Dienſt=
vorſchriften für das Betriebsperſonal der Reichsbahn vom
Auguſt 1922. Der Reichsverkehrsminiſter hat die
Spitzengewerk=
ſchaften zu Verhandlungen hierüber eingeladen.
Ablehnung des Schiedsfpruchs im Braunkohlenbergbau.
Köthen, 31. Dez. (Wolff.) Hier fand geſtern eine
Kon=
ferenz der am Tarif für den mitteldeutſchen
Braunkohlenbergbau beteiligten Organifationen ſtatt,
der aus allen Revieren von 200 Delegierten beſucht war. Nach
reger AusfFrache wurde einſtimig beſchloſſen, den unter dem
Vorſitz des Reichsarbeitsminiſters zuſtandegekommenen
Schieds=
ſpruch über die Arbeitszeitverlängerung und die Tarifregelung
abzulehnen, weil er jeder rechtlichen Grundlage entbehre
und weil die darin feſtgeſetzte Arbeitszeit weit über den Rahmen
der Vorkriegsarbeitszeit in den Braunkohlenrevieren
hinaus=
gehe. Schließlich richtete die Verſammlung einen Appell an den
Reichsarbeitsminiſter, die Rechtslage wiederherzuſtellen. Bis zur
Neuregelung ſoll an der bisherigen tariflichen Arbeitszeit
feſt=
gehalten werden.
Die Reorganiſation des Kohlenſyndikats.
TU. Berlin, 31. Dez. Die vorgeſtrige
Zechenbeſitzerverſamm=
lung des Rheiniſch=Weſtfäliſchen Kohlenſyndikats hat noch zu
keinem endgültigen Entſchluß geführt. Da man ein ſtraff
gebil=
detes Syndikat mit Einſchluß aller dafür in Betracht
kommen=
den Schächte einem minder ſtraffen Syndikat mit mehr
Außen=
ſeitern vorziehen möchte, wurde eine neue Baſis in Ausſicht
ge=
nommen, zu der eine auf den nächſten Samstag nach Eſſen
ein=
berufene neue Zechenbeſitzerverſammlung Stellung nehmen ſoll.
Zu dem Bombenattentat in Hannover.
Hannover, 31. Dez. Zu den vor einiger Zeit vor der
Stadt erfolgten Sprengſtoffexploſionen und dem kurz darauf
gegen das Regierungsgebäude verübten Bombenattentat teilt
das Polizeivräſidium mit: Die Bombenattentate ſind von
Mit=
gliedern der Kommuniſtiſchen Partei verübt worden. Die
Zen=
tralleitung in Berlin und die Bezirksleitung Hannover hatten
Anweiſungen ergehen laſſen, die Sprengſtoffe zu beſorgen und
ein beſonderes Kommando zu bilden, um die Bevölkerung, die
Behörden und mißliebige Perſonen und Beamte zu beunruhigen.
Es iſt gelungen, einen Teil der Sprengſtoffe zu beſchlagnahmen
und eine Anzahl Perſonen feſtzunehmen, die als Täter in Frage
kommen. Geſtern iſt ein Mann verhaftet worden, der im Beſitz
einer fertigen Bombe war.
Holländiſche Hilfsaktion.
Amſterdam, 30. Dez. (Wolff.) Heute morgen traf an
der Grenze in Zevenaar zum erſten Male ſeit der Ruhrbeſetzung
ein Extrazug mit deutſchen Kindern aus dem Ruhrgebiet
ein, der nach Amſterdam und Utrecht beſtimmt iſt. Das Rote
Kreuz ſandte in den letzten zwei Wochen 39 Waggons mit
Le=
bensmitteln, Kleidern uſw. nach Deutſchland. Eine Anzahl der
in Berlin wohnenden Holländer, darunter der niederländiſche
Geſandte, erläßt heute in den Blättern einen Aufruf, worin um
reichliche, vor allem ſchnelle Spenden für die notleidende
deut=
ſche Bevölkerung gebeten wird.
Darmſtadt, 1. Januar.
* 1924!
Nun hat der Jahreswechſel ſich vollzogen. Der Zeiger der
Weltenuhr iſt um eine winzige Ziffer weiter gerückt. Mit
Glockenläuten, mit Feuerwerk, mit Kanonenſchlägen und
Böller=
ſchüſſen iſt um die 12. Stunde das alte Jahr verabſchiedet, das
neue begrüßt ſvorden. In trautem Familienkreiſe, in vielen
Reſtaurants, je nach der Veranlagung und dem Vermögen des
Einzelnen, bei Muſik und Tanz, in ſtiller Beſchaulichkeit, iſt
Silveſter gefeiert worden, ſind Wünſche ausgeſprochen und
mit dampfendem Punſch, wohl auch mit perlendem Selt
begoſ=
ſen, jedenfalls aber von jedem, der irgend es ſich leiſten konnte,
mit kernhaftem Trunk und herzlichem Händedruck beträftigt
worden. Wünſche, die, wenn ſie alle in Erfüllung gingen, die
Menſchheit in eitel Glück und Wonne wiegen würden. In allen
Familien wurde trotz der Not der Zeit gefeiert. Wer um
die Mitternacht durch die Straßen ging, konnte vielfach
beobach=
ten, daß nach altem Brauch noch einmal die Chriſtbaumkerzen
angezündet wurden, daß, wie es nun einmal ſo üblich iſt, als die
Turmuhren zum Schlage der letzten Zwölf anhuben, die Fenſter
geöffnet wurden und ein fröhliches „Proſit Neujahr!”
hinüber= und herüberſchallte, die Gläſer aneinanderſtießen und
das Geknatter von allen möglichen Feuerwerkskörpern ſich in
die Rufe miſchte, daß bengaliſches Licht von Balkonen und
Erkern erſtrahlte, bis alles wieder in Dunkel und Stille tauchte.
Zwar, ganz ſo geräuſchvoll wie in früheren Jahren, da das
Knattern und Krachen ſchon in den Abendſtunden anfing, ſchien
es geſtern nicht zu ſein. Das wundervolle Winterwetter hielt
die Jugend wohl ab von dem Unfug und wohl auch die — ſchmal
gewordene Brieftaſche. Aber fröhlich wurde das neue Jahr
dennoch begrüßt, und das iſt gut ſo. Unſer Leben darf nicht
freudelos werden. Freude und Fröhlichkeit in beſcheidenem
Grenzen ſtärkt den Lebensmut und die Arbeitsfreudigkeit.
Freilich auch ernſte Fragen tauchen auf beim Jahreswechſel.
Eine wohl beſenders, die über allen anderen ſteht: Die Frage
nach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn der
Ge=
ſchichte. Freilich, wem die Weltgeſchichte eine endloſe Linie
iſt, von Fortſchritt zu Fortſchritt ſich entwickelnd, dem muß eines
Tages die große Enttäuſchung kommen, der wird beim
Jahres=
wechſel über die vielen Schwellen von Jahr zu Jahr, von
Jahr=
hundert zu Jahrhundert einmal zurückſchauen und vergebens
eine Linie nach aufwärts ſuchen. Dem wird aber zu
beglücken=
der Erkenntnis, daß es Dinge gibt, die nicht veralten und
über=
boten werden können. Gerade jetzt glänzen alte Edelſteine, die
noch vor kurzem kaum geachtet waren, aus dem geiſtigen Bau
unſeres Volkes und der Geſchichte der Chriſtenheit neu auf. Die
Geſchichte iſt nicht eine gerade Linie, ſie iſt ein wunderbares
Gebild, wie Rocholl einſt ſchrieb, aus menſchlicher Freiheit und
göttlicher Weisheit. Neben dem wilden Fortſtürmen
losgelaſſe=
ner Triebe, der Flucht in die Weite, geht eine Sehnſucht nach
Ruhe in der Tiefe. Und da des Menſchen Sohn allen Kreaturen
Tiefe iſt, ſo kann der Menſch ſich ſelbſt in der Tiefe nur faſſen
und begreifen, wenn er ihn ergreift; er findet ſich, indem er ihn
findet, und der Zwieſpalt jener Flucht und Sehnſucht iſt in
ihm gelöſt. Und in ihm iſt am Ende der Tage das Rätſel des
Völkerlebens gelöſt, die Tiefe der Menſchheit iſt in ihm der
Menſchheit aufgeſchloſſen; ſie findet ihr Geheimnis in ſeiner
Offenbarung, findet ſich in ihm. Siehe da, eine Hütte Gottes
bei den Menſchen!
— Die Beſprechungen mit dem Reichsfinanzminiſter in Darmſtadt.
Die von dem Sondersausſchuß des Landtags beſtimmte Abordnung, die
wegen Kündigung und Entlaſſung der Eiſenbahner im beſetzten Gebiet
ſowie wegen der Herabſetzung der Bezüge der übrigen Ausgewieſenen
vom Neichsfinanzminiſter Dr. Luther aus Anlaß ſeiner Anweſenheit in
Darmſtadt vorſtellig geworden iſt, beſtand, außer dem
Kammerpräſiden=
ten Adelung, aus den Abg. Oberbürgerm. Köhler=Worms, Lutz=Worms
und Hoffmann=Darmſtadt. Ihnen hatte ſich angeſchloſſen im Intereſſe
der Ausgewieſenen Rechtsanwalt Schwörer und Oberlandesgerichtsrat
Altendorf ſowie für die Zentralfürſorge Profeſſor Schmidtgen, Aſſeſſor
Gutermuth und Dr. Reuß als Vertreter für das Rote Kreuz. Die
Herren wieſen nicht nur in eindringlichſter Weiſe auf die
außerordent=
lich nachteiligen Wirkungen und Härten hin, die durch die
Anordnun=
gen hervorgerufen werden, ſondern auch auf die wirtſchaftlichen und
politiſchen Nachteile, durch die die Vorausſetzung von Treue und
Glau=
ben auf die Regierungsverſprechungen erſchüttert werde. Im weiteren
wurde eingehend und dringlich auf die unzureichende Betreuung der
Ausgewieſenen aufmerkſam gemacht, deren Familien infolge der harten
Beſtimmungen kaum das nackte Leben friſten können. Es fehle auch:
den allenfalls zurücktehrenden Ausgewieſenen jede Richtlinie gegenüber
der ſeinerzeit für Sicherung ihrer Zukunft gegebenen Zuſicherungen.
Der Reichsfinanzminiſter erwiderte, daß die wirklich ſchlechte
Finanz=
lage das Reich zwinge, mit Energie Erſparniſſe zu ſchaffen, wenn eine
Hebung der Verhältniſſe erreicht werden ſoll. Hierbei ſeien brutale und
anſcheinend ungerechte Nachwirkungen nicht ganz zu vermeiden. Er
wolle ſich der Frage annehmen, könne aber ohne Rückſprache mit ſeinen
Miniſterkollegen beſtimmte Zuſicherungen nicht geben.
— Berückſichtigung der Geldentwertung auch bei Zahlungsverzug.
Der 1. Z.=S. des Reichsgerichts hat in einem Urteile vom 22. November
ausgeſprochen, daß auch im Falle des Zahlungsverzugs bezüglich
einer Geldſchuld der Gläubiger aus § 288 Abſ. 2 BGB.
Schadenserſatz=
anſprüche geltend zu machen berechtigt iſt, die durch die Geldentwertung
begründet ſind.
* Der Rummelpott.
Man ſchreibt uns aus Holſtein: Unzählig= Volksbräuche
werden um die Neujahrszeit in den verſchiedenen Gegenden
un=
ſeres deutſchen Vaterlaudes ausgeübt. Einer der originellſten
iſt wohl der von der ſchleswig=holſteiniſchen Jugend bis in die
heutige Zeit ausgeübte, nämlich das „Rummelpottgehen”.
Der Rummelpott iſt ein wunderliches Muſikinſtrument, das
noch wunderlichere Töne von ſich gibt und zu dem drei Teile
gehören: ein Stückchen Teichrohr (Reth, hochdeutſch Ried), eine
Schweinsblaſe und ein Topf. Bei der meiſt in den Spätherbſt
fallenden Schlachtzeit wird die Schweinsblaſe wie ein koſtbares
Kleinod aufbewahrt, damit ſie am Silveſtertage ihre
Schuldig=
keit tun kann. Einen alten Topf bekommt man ja leicht. Dann
ſchneidet man ein zirka 30 Zentimeter langes Rohr ſo zurecht,
daß es oben mit einem Knoten abſchließt. Jetzt feuchtet man
eine halbe Blaſe an, breitet ſie aus und befeſtigt ſie in der Mitt?
des Nohrs, ſo daß die Blaſe an dem Nohr herunterhängt wie
der Bezug eines Schirmes. Nun wird die Blaſe ſo auf einen
Torf gelegt, daß das Nohr außen in die Höhe ſteht, und dann
ie Blaſe um den Topf ſo feſt gebunden, wie man Einmachgläſer
mit Pergamentpapier zubindet. Streicht man nun mit
ange=
feuchteten Fingern an dem Rohr herunter, dann entſteht ein
Ton ähnlich dem, der durch Herunterfahren mit den Fingern an
einer feuchten Fenſterſcheibe hervorgerufen wird. Damit iſt der
Rummelpott fertig und der Gang kann beginnen.
Einige Knaben, mitunter auch Mädchen, ziehen nun, mit
Rummelpotten ausgerüſtet, von Haus zu Haus und laſſen ihre
eigenartige Muſik erſchallen. Die Hausbewohner ſprechen dann
hinter dem Feuſter oder der Tür ein Gedicht, das in den
einzel=
nen Orten kleine Abweichungen aufweiſt, im Sinn aber ſtets
dasſelbe iſt. Es lautet in den meiſten Fällen:
Liſchen, de Dören open,
Lat den Rummel rin.
Wenn dat Schipp ut Holland kümmt,
So het dat goden Wind.
Schipper, wullt du wiken,
Spelmann, wullt du ſtriken,
Hau de Rait den Swanz aff,
Hau em nich to lang aff,
Lat en lütten Stummel ſtahn,
Dat de Ratt kann wieder gahn,
Herut, herut, du Fledermus,
Wat deihſt du in dat Buernhus?
In’t Buernhus ſitt de rieke Mann,
De di den Büdel füllen kann,
Appeln un Beern ſünd ok god
Jungs un Deerns danzt um in Strohhot.
Nach dem Auffagen dieſer Verſe verſtummt der
Rummel=
pott und die Kinder erhalten bereitwilligſt Gaben aller Art, die
in unſerer modernen Zeit vielfach durch Geld abgelöſt werden.
Früher beſtanden ſie zumeiſt in Obſt, Kuchen und vor allem in
„Förten” dem holſteiniſchen Nationalgebäck. Auch läßt leider
das Aufſagen der Verſe nach, weil es der neuen Generation nicht
mehr ſtandesgemäß vorkommt.
In der Glückſtädter Gegend ſingen die Kinder ſelbſt ein Lied
zum Rummelpott, welches lautet:
Oll Vadder Bargmann
Har in roden Rock an,
All wat he verdeenen kann,
Steek in ſinen Strohhot.
Aeppel und Beern, de ſmeckt god
Ruff! Ruff! Ruff!
Un as dat Schipp na Holland ging,
Dor har dat goden Wind.
De Schipper wull nich wiken,
De Stürmann wull nicht riken".
Ruff! Ruff! Nuff!
Dor gung he in beten wider,
Dor kem he bi’n Snider.
De Snider ſet uvn Diſch,
UIn et gebraten Fiſch.
Ruff! Ruff! Ruff!
Hau de Katt den Swanz aff,
Hau em nich to lang aff,
Lot in lütten Stummel ſtahn,
Dot he wedder waſſen kann.
Ruff! Ruff! Ruff!
Nach jedem „Ruff” machen die Kinder mit ihrem
Nummel=
pott einen ohrenbetäubenden Lärm. Von Haus zu Haus ziehen
ſie, und wenn ſie das Dorf oder Städtchen herum ſind, dann
wverden die Gaben geteilt und mit der Freude auf den
nächſt=
jährigen Rummelpottgang geht es heim.
Wilhelm Karbe.
* Vom Neujahrsaberglauben berühmter Leute. Die
Sil=
veſternacht und der Anbruch des neuen Jahres ſpielen in der
Volkslunde eine große Rolle, weil damit der mannigfachſte
Aberglauben verknüpft iſt. Aber nicht nur das Volk unterliegt
dieſen Anſchauungen, ſondern auch berühmte Männer haben
ſich zu Neujahr von ſolchen abergläubiſchen Anwandlungen
nicht frei machen können. Von Schiller wird uns erzählt,
daß er dem Silveſterabend eine beſondere Wirkung auf das
künftige Jahr zuſchrieb. Erhielt er an Silveſter eine gute
Nach=
richt, ſo galt ihm dies für eine üble Vorbedeutung; der Dichter
meinte, daß der Zufall dem Menſchen am Schluß des Jahres
nioch einen Glücksbrocken hinwerfe, um ihm dann im kommenden
Jahr deſto mehr ſchwarze Loſe zu werfen. Von Goethe
be=
richtet uns ſein „Urfreund” Knebel, er habe mit größter
Span=
iung auſ das erſte Wort gelauſcht, das ihm nach dem zwölften
Schlage der Uihr im neuen Jahr geſagt wurde. Aus dieſem
Wort zog er dann allerlei Schlüſſe für den Verlauf des
künf=
igen Jahres und war in der Deutung ſehr erfinderiſch. Selbſt
ein ſo kühler Beobachter des Menſchenlebens wie Henrik
Ibſen konnte ſich am Silveſterabend des Aberglaubens nicht
erwehren. So wollte er an dieſem Abend keine Tinte und kein
Papier ſehen, da er fürchtete, dies könne ſeine Schaffenskraſt im
neuen Jahre lähmen. Daß das aberglänliſche Volk der
Schau=
pieler ſich dem Zauber der Silveſternacht hingibt, iſt nicht
ver=
wunderlich. Von Kainz und Matkowsky werden in dieſer
Be=
iehung merkwürdige Geſchichten erzählt. Den ſunderlichſten
Neujahrsaberglauben aber hatte Caruſo. Er wollte am
Sil=
veſterabend nur in Geſellſchaft von blondhagrigen und
blau=
jugigen Menſchen ſein, weil er der feſten Leberzengung war,
daß ihm Brünette lnglück brächten. Er begrün e dieſen
Aber=
glauben mit einer Erzählung aus ſeinem Leben. els er nämlich
im Jahre 1893 in Neapel Silveſter feierte, war er z.ſällig nur
mit blauäugigen Menſehen zuſammen. Er erhielt in neuen
Jahr ſein erſtes Engagemient in Neapel. Ganz ähnlic a ig es
ihm am Silveſter 1898. Er befand ſich damals in de
eſell=
chaft von 10 blonden Damen und vier blonden Herren. W nige
Wochen ſpäter trat er am Mailänder Theater „Lirico” auf und
hatte ſeinen erſten großen Erfolg, der ſeinen Weltruf beg
un=
dete. Dagegen hatte er im Jahie 1888, in der er auf B.fehl
ſeines Vaters Schloſſer wersen mußte, den „ilvener n. *
Ge=
ſellſchaſt von ſchwarzhagrigen Leuten . . racht; es ar der
inglücklichſte Silveſterabenk ſeines Leues und as felgende
Jahr das traurigſte, da er ſchwer unter dem ihm auf
edrunge=
en Beruf litt.
Seite 4
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 1. Januar 1924
Nummer 1
Der Verkehr mit den Regiebahnen.
Reine durchgehenden Fahrkarten! — Keine direkte Güterabfertigung!
RDV. Wie bereits kurz berichtet, dürfen Fahrkarten für Stationen,
bie die franzöſiſch=belgiſche Regie in Betrieb genommen hat, nicht
aus=
gegeben werden, ſondern der Reiſende muß auf der „Grenzſtation” neue
Fahrkarten für die Weiterreiſe löſen, was zweifellos ſchwere
Unbequem=
lichkeiten und Zugverſäumniſſe mit ſich bringen wird. Auch Reiſegepäck
kann nicht durchgehend nach Stationen der Regiebahn abgefertigt
werden.
Beſonders hart wird der Güterverkehr getroffen. Die
Vor=
bereitungen für die Aufnahme des Uebergabeverkehrs ſind ſeitens der
Reichsbahn ſo gefördert, daß die bisher beſtehenden Sperren des
Güter=
verkehrs nach dem beſetzten Gebiet — mit einzelnen örtlichen
Ausnah=
men — aufgehoben und die Abfertigung von Gütern wieder
aufge=
nommen werden ſoll. Eilgut, Frachtgut und Tiere für Stationen mit
Regiebetrieb dürfe nur angenommen werden, wenn jeder Sendung ein
deutſcher Frachſtbrief mitgegeben wird, der als Beſtimmungsſtation den
Tarifübergangspunkt (zwiſchen Regie und Reichsbahn) und den
Ver=
merk „zur Weiterbeförderung im Regiebetrieb nach . . .” enthält; die
gleiche Anſchrift muß der Wagen= oder Stückgut=Beſtellzettel enthalten.
Bei „zollfreien” Gütern iſt der Frachtbrief mit dem Vermerk zu
ver=
ſehen: „Nach Nr des Interalliierten Zolltarifs vom März 1923
zoll=
frei”, oder bei Lebensmitteln: „Als Lebensmittel zollfrei” Bei
zoll=
pflichtigen Gütern muß die Einfuhrbewilligung der interalliierten
Zoll=
behörde dem Frachtbrief angeheftet ſein.
Aehnlich iſt der Verkehr von Regieſtationen nach dem unbeſetzten
Deutſchland geregelt und ebenſo der Verkehr von und nach dem
Aus=
land, der über Regieſtrecken führt.
Tarifübergangspunkte bzw. „Grenzſtationen” ſind.
We=
ſel, Dorſten, Sinſen, Lünen=Nord, Lünen=Süd, Scharnhorſt, Dortmund=
Hauptbahnhof, Dortmund=Oſt, Dortmund=Süd, Hoerde, Löttringhauſen
Vorhalle, Hattingen (Ruhr), Kupferdreh, Ratingen=Weſt, Düſſeldorf=
Hauptbahnhof, Düſſeldorf=Derendorf, Troisdorf, Flammersfeld,
Monta=
baur, Staffel, Eſchhofen; Höchſt, Goldſtein, Darmſtadt=
Hauptbahn=
hof, Kranichſtein, Groß=Gerau, Worms Mannheim, Lußhof, Reinsheim.
Maxau.
Da ein Uebergangsverkehr zwiſchen den im Reichseiſenbahnbetriebe
befindlichen Stationen der Reichsbahndirektion K )ln und Stationen
im Regiebetrieb nicht vereinbart iſt, bedarf die ausnahmsweiſe
Ueber=
führung von Sendungen wie bisher der örtlichen Regelung durch die
Reichsbahndirektion Köln.
Die Einſchiebung der franzöſiſch=belgiſchen Regie in den
Verkehr=
zwiſchen Deutſchland und Holland, Belgien, Frankreich bedeutet, wie
auch in der ausländiſchen Preſſe ſchon wiederholt betont wurde, eine
Balkaniſierung” des Verkehrs, die das wirtſchaftliche Gleichgewicht
Europas dauernd ſtören muß; wie in den Protokollen der Mainzer und
Düſſeldorfer Verhandlungen zwiſchen Regie und Reichsbahn
ausdrück=
lich hervorgehoben iſt, iſt eine Anerkennung der Regie durch die
Reichs=
bahn de jure nicht erfolgt; man hat ſich unter dem Zwang der
politi=
ſchen, wirtſchaftlichen und finanziellen Verhältniſſe nur zur Schaffung
eines modus rirendi verſtehen müſſen, eines Zuſtandes, dem viele
Schrächen und Nachteile anhaften, die man aber in Kauf nehmen zu
müſſen glaubte,, um überhaupt einen Notverkehr mit den abgeſchnürten
Gebieten zu ermöglichen. In nächſter Zukunft wird ſich zeigen, daß
nicht nur Deutſchland unter dieſem Zuſtand zu leiden hat, ſondern ganz
Europa: „Balkaniſierung” des Verkehrs!
— Gewerkſchaftsbund der Angeſtellten (G.D.A.). Der
Bildungsaus=
ſchuß wird im neuen Jahre mit beſonderen Veranſtaltungen
hervortre=
ten. Für die Monatsverſammlung, welche dieſesmal am Mittwoch, den
9. Januar, ſtattfindet, iſt ein Vortrag geplant. Ende des Monats
Januar oder Anfang Februar, je nachdem die
Ausführungsbeſtimmun=
gen erlaſſen ſind, findet ein Kurſus über Goldmarkbilanzen ſtatt. Mitte
des Monats Januar wird, unter Leitung des Herrn Kuhn und unter
Mitwirkung der Damen Frau Kuhn=Liebel und Frl. Werle, ſowie des
Herrn Konzertmeiſters Drumm, Herrn Enehfelm und Herrn
Kapellmei=
ſter Roſenſtock vom Heſſiſchen Landestheater, ein Künſtlerabend
ver=
anſtaltet. Alles nähere iſt aus der heutigen und den nachfolgenden
An=
zeigen ſowie den Bekanntmachungen des Mitteilungsblattes des
Gewerk=
ſchaftsbundes erſichtlich.
* Schenkungen an heſſiſche oder nichtheſſiſche juriſtiſche Perſonen
ſowie gleiche Zuwendungen von Todeswegen bedürfen
zu ihrer Gültigkeit in ihrem vollen Umfange der Genehmigung des
Geſamtminiſteriums, wenn ſie Gegenſtände im Werte von mehr als
D Goldmauk betreffen. Der Wert des geſchenkten (letztwillig
zugewende=
ten Gegenſtandes iſt in Goldmark zu ermitteln. Steht der
Goldmark=
wert nicht ohne Weiteres feſt, ſo iſt der Wert des Gegenſtandes zunächſt
in Reichswährung zu ermitteln. Der ſo gefundene Wert iſt dann in
Goldmark nach dem Umrechnungsſatze umzurechnen, den der
Reichs=
finanzminiſter (ſ. § 2, Abſ. 3, Aufwertungsverordnung vom 11./18.
Oktober 1923) feſtſetzt und fortlaufend veröffentlicht. Dieſe Umrechnung
hat auch dann ſtattzufinden, wenn ein auf Reichswährung lautender
Be=
trag geſchenkt oder letztwillig zugewendet wird. Für die Ermittlung des
Werts ſowie für die Umrechnungen iſt im Falle der Schenkung unter
Lebenden der Tag des Abſchluſſes des Schenkungsvertrages, einer
letzt=
willigen Zuwendung der Sterbetag zu Grunde zu legen. — Die obige
Wertarenze kann das Geſamtminiſterium den veränderken wirtſchaftlichen
Verhältniſſen anpaſſen und insbeſondere beweglich geſtalten.
— Abänderung des Mieterfchutzgeſetzes. Die Oberſte Landesbehörde
in Heſſen (Geſamtminiſterium) kann anordnen, daß in Fällen, in denen
die geſetzliche Miete gilt, Vermieter wie Mieter zu verlangen berechtigt
ſind, daß der Mietzins wöchentlich oder monatlich gezahlt wird; ſie kann
weiter anordnen, daß die Vorſchriften §§ 1—31 auf Neubauten oder
durch Um= oder Einbauten neu geſchaffene Räume Anwendung finden,
die nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig wurden oder künftig werden und
für die Zuſchüſſe aus öffentlichen Mitteln gegeben ſind.
— Leuchtmittel= und Zündwarenſteuer. Auch dieſe beiden
Steuer=
arten ſind ab 1. Januar 1924 auf Goldmark umgeſtellt.
RDV. Falſches Notgeld der Reichsbahn. Der höchſte Nennwert des
im Verkehr befindlichen auf Papiermark lautenden Notgeldes beträgt 20
Billionen Mark; Scheine mit höherem Nennwert ſind Fälſchungen, vor
deren Annahme gewarnt wird.
— Rentenmark. Wer öffentlich vor einer Menſchenmenge oder durch
Verbreitung von Schriften oder anderen Darſtellungen dazu auffordert
oder anreizt, die Annahme der Rentenmark zu verweigern oder die
Durchführung der Vorſchriften über die Rentenmark zu hindern, wird,
ſofern nicht ſchwerere Strafe verwirkt iſt, mit Gefängnis bis zu 6
Mo=
naten oder mit Geldſtrafe belegt. Bei mildernden Umſtänden kann
ausſchließlich auf Geldſtrafe erkannt werden. Dieſe Strafbeſtimmungen
ſind am 29. Dezember in Kraft getreten.
Wiriſchaftspolitiſcher Lehrgang
der Zentralſielle für Volksbildung.
Im Rahmen ihres ſtaatbürgerlichen Kursprogramms hat die
Zen=
tralſtelle für Volksbildung am 28. und 29. Dezember im Sitzungsſaale
des Landtags ihren letzten diesjährigen Lehrgang über Politik,
Wirt=
ſchaft, Währung und Steuern veranſtaltet. Die Vorträge hatte der
Privatdozent an unſerer Landesuniverſität, Herr Dr. Friedrich Naab,
(gleichzeitig Referent beim Reichsſparkommiſſar und Leiter der
Arbeits=
ſtätte für Sachliche Politik in Frankfurt, Main) übernommen. Er
be=
handelte in außerordentlich klarer und ſehr tief eingreifender Weiſe
Deutſchlands Finanz=, Zahlungs= und Wirtſchaftsbilanz, unterſuchte die
bereits begangenen und noch vor uns liegenden Wege zur Geſundung der
Reichsfinanzen und führte vor allem ein von ihm und Dr. Rabbethge
ausgedachtes Steuerſyſtem vor. Im Schlußvortrag wurde der
Zuſammen=
hang der Wirtſchaftspolitik mit der Sozial= und Kulturpolitik erörtert.
Die Vorträge veranlaßten rege Ausſprachen, durch die der Referent
ver=
ſchiedenartige Gelegenheit zur Erweiterung des Bildes erhielt. Es iſt
durch eine Suskription Gelegenheit geſchaffen worden, über den ſchon
großen Teilnehmerkreis hinaus — von 250 Beſuchern ſind erfreulicher
Weiſe die Hälfte aus allen Teilen Heſſens herbeigekommen — durch ein
Selbſtreferat des Vortragenden den wichtigſten Inhalt der Tagung in
Geſtalt einer Flugſchrift der Zentralſtelle in allen Ortsausſchüſſen für
Volksbildung in Heſſen bekannt zu machen.
Aenderung der Gebühren für Zeugen und Sachverſtändige. Ab
15. Dezember 1923 gilt: Die dem Zeugen für Zeitverſäumnis zuſtehende
Entſchadigung betragt 5—75 Goldpfennige für jede angefangene
Stunde. Die den Sachverſtändigen zuſtehende Vergütung beträgt
höch=
ſtens 1.50 Goldmark und im Falle beſonders ſchwieriger Leiſtung
3 Goldmark für jede angefangene Stunde. Die Reiſentſchädigung für
jedes angefangene Kilometer des Hin= und Rückwegs beträgt 5 Pfennige.
Der Höchſtſatz der Entſchädigung für den durch Abweſenheit vom
Aufenthaltsort verurſachten Aufwand bemißt ſich nach dem Satze, der
den Reichsbeamten der Stufe 3 als Taggeld zuſteht. Die
Geſamtver=
gütung für Zeugen und Sachverſtändige wird auf volle 5 Goldpfennige
aufgerundet.
— Ein Wohltätigkeitskonzert großen Stils wird am nächſten
Sams=
tag, den 5. Januar, in der hieſigen Stadtkirche veranſtaltet werden.
Sein Ertrag wird Altpenſionären unſeres Landestheaters, die
beſonders ſchwer unter der wirtſchaftlichen Not der Zeit zu leiden
haben, ohne jeden Abzug zur Verfügung geſtellt werden. Ihre
Mit=
wirkung haben in uneigennützigſter Weiſe zugeſagt: Frau Anna
Bau=
meiſter=Jacobs (Alt), Frl. Anni Delp (Violine), Herr Alexis
af Enehjelm (Tenor), Herr Fritz Valk (Vorleſung aus der
Apokalypſe) und Herr Eberhard Delp (Orgel).
— Orpheum. Der heutige Neujahrstag bringt, alter Uebung gemäß,
ein luſtiges Stück, „eines aus der Lachkiſte”, Guſtav Bertrams: „Venus
im Grünen”, Operettenſchlank in drei Akten, weſches ſich zuletzt in
Leip=
zig dier Wochen lang auf dem Spielplan behaupten konnte. — Teilweiſe
neu bearbeitet von Guſtav Bertram, reich an Situationskomik, iſt dem
beliebten Künſtler mit dieſem Stück Gelegenheit gebofen, ſeinem
ur=
wüchſigen Humor die Zügel ſchießen zu laſſen und — dies iſt der
Haupt=
zweck — befreiendes, ablenkendes Lachen auszulöſen. — „Venus im
Grünen” bleibt nur wenige Tage auf dem Spielplan. (S. Anz.)
— Volkstheater. Heute findet die Erſtaufführung des
hochintereſſan=
ten Senſationsſchauſpiels „Die fremde Frau” ſtatt. Die Direktion hat
dieſes ſpannende Bühnenwerk für den Neujahrstag angeſetzt, um den
Beſuchern des Volkstheaters gleich zu Anfang des Jahres einen
beſon=
deren Genuß zu bieten. Die Beſucher werden befriedigt ſein,
nament=
lich da das Werk in muſtergültiger Weiſe in Szene geht. Nachmittags
gelangt nochmals Aſchenbrödel zur Aufführung. (Siehe Anzeige.)
Lokale Veranſtaltungen.
Die bierunter erſcheinenden Nofizen ſind ausſchließlich als Hinweiſe auf Anzeigen zu beirachten.
in keinem Falle irgendwie als Beſprechung oder Kritik.
— Turngeſellſchaft Darmſtadt 1875. — Schwimm=
Abteilung. Am Samstag, den 5. Januar, veranſtaltet die Abteilung
einen Bunten Abend” im Nebenſaale des Vereinshauſes. Ein
reichhal=
tiges Programm hat der Vergnügungsausſchuß der Abteilung für dieſen
Abend zuſammengeſtellt. Es kann deshalb allen Mitgliedern empfohlen
werden, die Veranſtaltung der Abteilung zu beſuchen. U. A. ſei nur
er=
wähnt: verſchiedene Duette, Geſangsvorträge ſowie ein ſchönes Konzert
der Hauskapelle wird dafür ſorgen, daß die Stimmung des Abends eine
ſchöne wird. — Der Wanderausſchußruft zu ſeiner letzten
Wande=
rung in dieſem Wanderjahre auf, und hofft, daß eine zahlreiche
Beteili=
gung bei dieſer Wanderung iſt. Der Abmarſch iſt am Vereinshaus und
iſt eine Marſchzeit von 4 Stunden vorgeſehen. Außerdem ſei erwähnt,
daß der Unterhaltungsabend der Wanderabteilung am Samstag, den 12.
Januar, ſtattfindet, verbunden mit Dekorierung der Wanderer.
Marineverein Darmſtadt. Am Neujahrstage, nachmittags,
im Mathildenhöhſaal, Dieburgerſtr., veranſtaltet der Marineverein eine
Feier mit ſeemänniſchem Programm. Wer die früheren Veranſtaltungen
der Seemänner beſucht hat, weiß, daß Eigenartiges geboten wird. Alle
auswärtigen und hieſigen Kameraden, die dem Verein noch nicht
ange=
hören, ſowie alle diefenigen, die ſich für ſeemänniſches Theater, Vorträge,
Reiſen um die Welt und für das Stück „Die Meeresjungfrau”,
Schiffs=
jungenſchickſale, intereſſieren, ſind freundlichſt eingeladen.
— Verein heſſiſcher Finanzbeamten. Am
Donners=
tag, den 3. Januar, abends, Vortragsabend über „Koloniale
Erinnerun=
gen” im kleinen Saal des Hoſpizes. (Näheres Anzeige.)
— Ziegenzuchtverein E. V., Darmſtadt. Am
Donners=
tag, 10. Januar, Generalverſammlung in der Karlſtraße 16, 1. (Näheres
ſiehe Anzeige.)
Kunſinotizen.
Ceber Werke, Künſiler und künſfleriſche Veranſtaltungen, deren im Nachſtehenden Erwähnung
geſchiebt. bebält ſich die Redaktion ihr Arteil vor.
In dem Morgenkonzert am Sonntag, den 6. Januar,
vor=
mittags 11 Uhr, im Kleinen Haus des Landestheaters werden
hauptſäch=
lich moderne Komponiſten zu Wort kommen. Frau Alice Orff=
Sol=
ſcher, unſere dramatiſche Sopraniſtin, welche auch ganz beſonders im
Konzertſaal Proben ihrer reifen Geſangskunſt abgelegt hat, wird Lieder
von Max Reger und Rudi Stephan, Herr Veck Klavierwerke von Cyrill
Scott und Paul Hindemith zum Vortrag bringen. Herr Fredy Wiener
rezitiert: Felix Dahn’s Ballade „Die Mette von Marienburg” mit der
begleitenden Muſik von Ferdinand Hummel. Karten bei Konzert=
Aronld, Wilhelminenſtraße 9.
Weihnachtsfeiern.
— Gartenbauverein Darmſtadt. Die Weihnachtsverſammlung am
vergangenen Freitag war überaus zahlreich beſucht. Die dem Verein
gütigſt zur Verfügung geſtellten Räume des „Bürgervereins” konnten die
unter dem ſtrahlenden Weihnachtsbaum verſammelten Mitglieder kaum
faſſen. Nicht der Ausſprache über gartenbautechniſche Fragen oder einem
dieſe behandelnden Vorträge war der Abend gewidmet, ſondern der
ſtil=
len Erholung, der Hingabe an den alten, aber doch ewig neuen
Weih=
nachtszauber und edlen Kunſtgenüſſen. In uneigennütziger Weiſe wußten
Herr Oberreviſor Schmidt durch ſeine mit feinem Kunſtverſtändnis
aus=
geführten Violinvorträge, Herr Otto Bley durch ſeine herrlichen Lieder,
beide unterſtützt durch die taktvolle Klavierbegleitung des Herrn Kark
Scharmann, ſich bald die Gunſt auch der Verwöhnteſten unter den
Zu=
hörein zu erringen, wofür der lebhaft geſpendete Beifall Zeugnis
ab=
legte. Die Ausführungen des erſten Vorſitzenden über den
Weihnachls=
baum und die Entſtehung der Weihnachtsfeier paßten ſich ſtimmungsvoll
den erwähnten Darbietungen an. Da auch die am Schluſſe ſtattgefundene
Pflanzenverloſunz ſehr reichlich ausgeſtattet war, konnte ein jedes
Mit=
glied als Weihnachtsgabe einen kleinen Gewinn mit nach Hauſe nehmen.
Somit hat der Gartenbauverein ſein BS. Vereinsjahr im wahriten Sinne
des Wortes „harmoniſch” abgeſchloſſen und zugleich bei allen Erſchienenen
den Wunſch nach öfterer Wiederholung derartiger „Familienabende”
ent=
sch.
ſtehen laſſen.
Darmſtädter Streichorcheſter. Mit einer gelungenen
Weih=
nachtsfeier im Mathildenhöhſaal trat das Darmſtädter
Streich=
orcheſter zum erſten Mal an die Oeffentlichkeit. Zwar beſteht dieſe
Orcheſtervereinigung von Dilettanten ſchon ſeit einer Reihe von Jahren,
aber man begnügte ſich mit dem gemeinjamen Muſizieren und dachte nicht
an öffentliches Auftreten. Dies wurde anders, ſeitdem Herr
Kammer=
muſiker R. Handke vom Landestheater die Vereinigung übernahm.
Das gab der Sache neues Intereſſe, eine ganze Anzahl von neuen
Mit=
gliedern trat hinzu, auch recht befriedigende Bläſer, und ſo waren die
Darbietungen an dieſem erſten Konzertabend von recht gutem Erfolg
be=
gleitet. Eine größere Weihnachtsfantaſie, Bearbeitungen von
Mozart=
ſchen und Wagnerſchen Melodien, die Ungariſche Luſtſpiel=Ouverture von
Keler=Bela, eine intereſſante Paraphraſe von dem früheren Darmſtädter
Hofkapellmeiſter Nesvadba, die Ouvertüre von „Dichter und Bauer” und
noch andere Stücke wurden mit großer Sicherheit und mit
anerkennens=
werter Tonſchönheit zu Gehör gebracht. Das Orcheſter folgte ſeinem
Leiter recht gut. Bei dem Feſtprolog und den beiden flott geſpielten
Theaterſtücken lernte man auch zahlreiche andere talentierte Mitglieder
aus den Kreiſen des Streichorcheſters kennen. Von Herrn Lauber=
Darm=
ſtadt war das erſte Stück verfaßt: „Getrübte Weihnachten”. Humorvöll
wirkte das andere Stück „Konzertprobe in Klein=Grimmelshauſen‟. Die
guten Leiſtungen des Orcheſters erfreuten vor allem unter dem
Geſichts=
punkt, daß man auch hier ſich gerade in der heutigen Zeit zu ernſter
Ar=
beit und zur Pflege guter Kunſt zuſammenfindet.
— Darmſtädter Konzertverein e. V. Der Daumſtädter
Konzert=
verein beging im feſtlich geſchmückten Fürſtenſaale ſeine Weihnachtsfeier.
Die zum Vortrag gebrachten Ouvertüren von Mozart und Bellini waren
ſehr rhythmiſch und gut geſpielt. Von ſeiten der Mitglieder wurde dem
Di igenten, Hrn. Hch. Diehl, als äußeres Zeichen der Anerkennung ſeiner
Verdienſte ein prächtiges Geſchenk, in Geſtalt eines vollbeladenen Schiffes
überreicht. Reichen Beifall erntete der Humoriſt, Herr Adolf Volz, durch
ſeine ausgezeichneten Vorträge. Der Darmſtädter Konzertverein, erſt
An=
fang 1923 neugegründet, hat im abgelaufenen Jahre, unter der Leitung
ſeines unermüdlichen Dirigenten, Herrn Hch. Diehl, ſchon recht
zufrieden=
ſtellende Fortſchritte erzielt.
Turugemeinde Darmſtadt 1846. Mit der Weihnachtsfeier der
Sing=
mannſchaft haben die diesjährigen Feiern ihren Abſchluß gefunden,
Sämtliche in engerem Rahmen ihrer Abteilung abgehaltenen
Weihnachts=
feiern nabmen einen ſchönen würdigen Verlauf und konnte man bei jeder
da2 Gepräge der Eigenart der Abteilung wahrnehmen. Verſchönt
wur=
ken die Feiern durchweg durch die Mitwirkung der unermüdlichen,
vor=
züglich eingeſpielten Hauskapelle unter Leitung des Turners G, Ploch. —
Die Hauptfeier am 1. Feiertag vereinigte nun die große Gemeinde im
Feſtſaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Nach einer Anſprache
des Veranſtaltungsausſchuß=Vorſitzenden, die darin gipfelte, daß die
deutſche Geſelligkeit weiter gepflegt werden müſſe, eröffnete Herr
Schau=
ſpieler E. Göbel die Feſtfolge mit einem meiſterhaft vorgetragenen
Weih=
nachtsmelodram, das die Herzen aller Anweſenden gefangen nahm. Die
Singmannſchaft ſang den neu einſtudierten Chor „Das Kirchlein” ſowie
Sturmbeſchwörung” Unter Leitung des Chormeiſters, Herrn Kehr,
bewies der Chor ein beachtenswertes Können und Streben nach
Voll=
endung. Ein flott geſpielter Marſch der Hauskapelle, ſowie plaſtiſche
Gruppen, dargeſtellt von Turnerinnen und Turnern bildeten den Schluß
des erſten Teils. Der zweite Teil brachte die Operette „Winzerlieſel”,
die als Ganzes eine recht anerkennenswerte Leiſtung war. Eine
aller=
libſte, ſtimmlich leider etwas ſchwache, Winzerlieſel war Frl. Wagner.
Den richtigen Ton und vornehme Art im Spiel fanden Frl. Dingeldein
als Gräfin und Frl. Schinnerl als deren Nichte. Herzerfriſchend wirkte
Frl. Weber als Kammermädchen Euphroſine Blütenſchnee und deren
Partner, Turner L. Bauer, als Barbier Nevomuk Liebespinſel, die das
reizende Duett wiederholen mußten. Letzterer zeichnete auch für die
Spielleitung und Einſtudierung, die in knapp drei Wochen erfolgte. Der
ſchüchterne Winzermax war durch Turner W. Göbel gut verkörpert. Der
Vater Werner des Turners W. Schwarz fand im zweiten und dritten
Aufzug warme Töne. Eine Kabinettsleiſtung bot wieder Turner
Knör=
zer als Sekretäu Felden. Nicht vergeſſen ſei der jugendfriſche Chor der
Winzerinnen, ſowie das Hausorcheſter unter der ſchneidigen Leitung des
Turners G. Ploch.
Weihnachtsfeier der „Eintracht” Am Sonntag Abend verſammelte
die „Eintracht” ihre Mitglieder und Angehörigen zu ihrer diesjährigen
Weihnachtsfeier im Kneipſaale der „TG.D. 46‟ Nach einem
Eröff=
nungsmarſch des T.GD.=Orcheſters brachte das Eintrachtmitglied P.
Kaiſer einen von ihm verfaßten Prolog zu Gehör, der mir reichem
Bei=
fali belohnt wurde. Nach einer begeiſterten Anſprache des erſten
Vor=
ſitzenden, Herrn Jakobi, und dem gemeinſam geſungenen Liede „O du
fröhliche” überraſchten die Herren Eckſtein und Fiſcher die Anweſenden
mit einigen vorzüglichen Zithervorträgen. Auch der Eintrachttorhüter,
v. Dungen, entpuppte ſich als ein guter Violinſoliſt, indem er einige
Lieder zum Beſten gab Für den Hmuor ſoraten die Herren A.
Hille=
brandt und P. Rauſch durch einige wahre Lachſalven hervorrufende
Vorträge. Großen Anklang fand die Beſcherung durch den Nikolaus.
Noch einige abwechſelnde Vorträge ließen das Programm erſt nach
Mitternacht beenden. Allen Mitwirkenden ſowie dem Vorſitzenden des
Veranügungsausſchuſſes, Herrn L. Weber, füir die flotte Durchführung
des Programmes ſei an dieſer Stelle nochmals herzlichſt gedankt.
Friedrich Hebbels luſtiger Bruder.
Von Emil Herold=München.
(Nachdruck verboten.)
bz. Ueber Friedrich Hebbels Bruder iſt bisher nur wenig
bekannt geworden. Und gerade das Leben Johann Hebbels,
mit dem ſeines großen Bruders verglichen, gäbe reiches Material
zur Beleuchtung der Frage, wie das Milieu den Menſchen
be=
einflußt und ihm die Entwiclung vorſchreibt. Friedrich Hebbels
einziger Bruder Johann, von Natur aus vielleicht das
gleiche Genie wie der Dichter, iſt in kümmerlichen
Verhältniſſen geſtorben, und Johanns einziger Sohn
Konrad, der lange als Seemann gefahren, wurde ſeinerzeit, da
Deutſchland den 100. Geburtstag des Dichters feierte, im übelſten
Viertel Hamburgs als Plakatträger und
Zettel=
verteiler „entdeckt” Er, „jener hübſche, blonde Knabe
mit den hellen, klaren und großen Augen”, der Hebbel bei ſeinem
letzten Beſuch in der Heimat ſo gut gefallen hatte.
Es iſt gewiß nicht die Schuld des Dichters, daß die Familie
ſeines Bruders nicht aus der dumpfen Atmoſphäre
herausge=
kommen iſt, aus der er ſich, allerdings mit verzweifelter Energie,
herausgerungen hat. Er hat, das beweiſen zahlloſe Briefe an
Eliſe Lenſing, ſeinen Bruder mit Zärtlichkeit geliebt und ward
ſtets ängſtlich, wenn er längere Zeit von ihm keinen Brief bekam.
Bitter empfand er, der ſelbſt in mißlichen Verhältniſſen war, daß
er ſeinen Bruder — „wie viel hab ich an ihm gutzumachen!“ —
nicht zu einem beſſeren Beruf führen konnte. Johann, nur zwei
Jahre jünger als Friedrich, hatte genau wie dieſer ſeinem Vater
in der Flickmaurerei helfen müſſen und zu dieſem Wenigen
nichts dazu gelernt als das, was eben ein Taglöhner können
muß. Er nar aber zweifellos außerordentlich begabt und hoffte,
daß er mit Unterſtützung ſeines Bruders oder von Gönnern, die
ihm dieſer verſchaffen ſollte, den gleichen Weg machen könne.
Wohl in dieſer Hoffnung hat er ſich nicht dazu entſchließen
können, ein Handwerk zu lernen. Sein Bruder wußte, daß
Talent in ihm ſteckte, und fühlte darum die Ohnmacht, ſeinem
Bruder helfen zu können, um ſo ſchwerer.
Bis zum Tod der Mutter vertraut Friedrich ſeinem Bruder
völlig, wird aber ſtutig, als er merkt, daß Johann in Geldſachen
ſehr großzügig” iſt. „Er geht nicht offen zu Werk,” ſchreibt er
an Eliſe. Johann, der mütterlichen Stütze beraubt, fängt nun
an, langſam zu ſinken. Er begründet ſeine Ausgaben mit
Krankheit, die ihm der Bruder nicht glaubt. „Ernähren können
wir ihn nicht auf der Bärenhaut; nun muß der Imperativ:
Arbeite oder verhungere! doch kommen.” Als Hebbel einige
Monate ſpäter nach Hamburg zurückkam, ließ er ſich den Bruder
aus Weſſelbeuren kommen und merkte, daß Johann tatſächlich
unaufrichtig war. Johann hatte anſcheinend bei der Aufſtellung
der Beerdigungskoſten geflunkert, und Friedrich bat den
Kirch=
ſpielſchreiber Voß, Johann deswegen ins Gebet zu nehmen.
Die Dinge ſtitzten ſich ſo zu, daß Friedrich jeden Brief Johanns
ungeöffnet zurückgehen ließ. Als Hebbel dann nach Kopenhagen
reiſte, wandte ſich Johann an Eliſe, die er für Hebbels Frau hielt,
um ſie anzupumpen. Er ſchrieb ihr, er leide an — Waſſerſucht. Es
ſcheint aber eher eine Sucht nach „gebranntem Waſſer” geweſen
zu ſein. Ein paar Taler Eliſens haben ihn dann auch ſchnell
kuriert. Schon nach 14 Tagen meldete er, daß ſich die Krankheit
verzogen habe. Hebbel war wütend über dieſen Streich und
ſchrieb an Eliſe: „Ein für allemal, jeder Brief ungeöffnet zurück!
Es wäre Sünde, wenn Du die verfluchten, unverſchämten Briefe
wieder annähmſt.” Aber Johann ließ nicht locker in der
aller=
dings falſchen Annahme, Eliſe lebe von dem Geld ſeines
Bru=
ders. „Johann iſt ein Lump!” ſchrieb Hebbel kurz und bündig.
Im Jahre 1848, während des Dänenkrieges, heiratete Johann
Und die Geſchichte dieſer Heirat iſt recht luſtig. Es war keine
Heirat aus Liebe, ſondern aus Furcht. AusFurcht vordem
Heldentod! Damals wurden nämlich die Verheirateten
be=
der Ausmuſterung fünf Jahre hinter die Ledigen geſtellt, und
ſo kam Johann durch die Heirat aus dem „gefährlichen Alter”
heraus. Seinem Bruder ſchrieb er ganz offen, daß er kein Helt
und Krieger ſei; darum habe er geheiratet. Später erzählte er
ſeinem Bruder, daß er ſeine Frau gewiſſermaßen erſt am Altar
kennen gelernt habe. Er ſei aber zufrieden mit ihr. Ob
ſie’=
mit ihm war, iſt allerdings eine andere Frage. 1853 brannte
Johanns Häuschen ab, dabei wurde auch der kleine Konrad
ver=
letzt. Friedrich wollte nun ſeinen Bruder nach Gmunden haben,
wo er ihm eine gute Stelle hätte verſchaffen können. Er ſandte
ihm ſofort 120 Gulden Reiſegeld. Aber Johann — ſo ſchriel
er wenigſtens — bekam Angſt vor der Reiſe und brauchte das
Reiſereld zu anderen Zwecken. Das hat den Bruder arg
ver=
ſchnupft.
Im Herbſt 1861 beſuchte Hebbel ſeine Heimat und auch ſeinen
Bruder in Oſterrönfeld bei Rendsburg. Ueber dieſen
Be=
ſuch berichtete er an ſeine Frau: „Als ich um die Ecke bog,
er=
blickte ich einen ältlichen Mann, der Holz hackte; ein berwittertes
Geſicht, jedoch noch von ſtarkem Haarwuchs umſäumt, ſah
ver=
wundert zu mir auf, als ich nähertrat, ſelbſt noch zweifelnd, aber
doch bald aus Falten und Runzeln die Jugendzüge
heraus=
klaubend. Ich ſtreclte die Hand aus und ſagte: „Johann!”
Natürlich auf Plattdeutſch. Er ließ ſein Beil fallen, ſchlug ſich
auf die Knie, fuhr ſich durch das Haar, brach in ein
konvul=
ſiviſches Gelächter aus, genug, tat alles, was auch ich in einem
Moment freudig=ſchmerzlicher Ueberraſchung zu tun pflege, und
war nicht wieder ruhig zu machen. Den Kopf ſchüttelnd und
die Hände reibend, führte er mich dann hinein. Ich trat durch
eine kleine Küche in die Stube, die in Räumlichkeit und
Meuble=
ment nicht ſchlechter, vielleicht, wie er ſelbſt wenigſtens meinte,
etwas beſſer war, als die unſerer Eltern.” Johann raſierte ſich
zu Ehren des Tages und führte dann den Bruder zu einem
Gaſt=
wirt nach Rendsburg, der „ihm immer aushalf” Beim Abſchied
bat er dann um ein altes Taſchentuch. „Das werde ich zeigen
und ſagen, das ſei Dein ſchlechteſtes.” So benutzte Johann den
Bruder, deſſen Namen Europa kannte, als kreditförderndes
Moment.
Drei Jahre ſpäter ſtarb Hebbel. Seine Witwe hat ſich
ge=
treulich des Schwagers augenommen und jährlich 400 Mark und
Kleidung und Wäſche geſandt. Auch Verehrer ſeines Bruders
haben ihm manches zukommen laſſen. Not hat er in ſeinen alten
Tagen nicht leiden brauchen. Er trank aber viel, und ein alter
Kirchſpielſchreiber hat mir ihn folgendermaßen geſchildert:
„Johann Hebbel war ſchon ſeinem Aeußeren nach eine echte Suff=
Viſage; eine dicke rotbraune Naſe, wie überhaupt ein Geſicht von
undefinierbarer Farbe kennzeichnete ihn. Wenn auch der
Familien=
typ der Hebbel unverkennbar bei ihm hervortrat, ſo machte ihn
doch dieſes Kolorit zu einem Mann, der nichts Anziehendes hat,
Dabei war er ein undankbarer Mann, der ſich geiſtig über ſeinen
Bruder Friedrich ſtellte. Allerdings, er war poetiſch veranlagt
und las mir oft aus einem ſchmutzigen Buch ſeine Gedichte vor.
Um einen Groſchen für einen Kümmel war er ſtets zugänglich.”
Am 16. November 1888 iſt Johann Hebbel im Alter von
73 Jahren in ſeiner Heimat Weſſelbeuren, in die er wieder
zurück=
gekehrt war, einſam geſtorben,
Nummer 1
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 1. Jauuar 1924,
Seite 5.
Amorganiſation kommungler Betriebe.
Einem von Direktor Heucke im Verein für kommunale Wirtſchaft
und kommunale Politik erſtatteten Bericht entnehmen wir nachſtehende,
gekürzt wiedergegehene Ausführungen:
„Infolge des unglücll chen Krieges und angeſichts der ſchwveren Zeit,
die über uns hereingebrochen iſt, erſcheint es doppelt notwendig, daß
jeder Ein=ne und jedes Unternehmen ſo ſparſam und wirtſchaftlich
wie möglich arbciten; es müſſen daher auch alle Feſſeln abgeſtreift
wer=
den, die in irgend einer Wciſe die Entwickelung der wirtſchaftlichen
Werke hemmen. Dezu kommt, daß heute infolge der gcänd rten
Ver=
hältniſſe noch andere Gründe zu einer ſolch n Forderung drängen.
Als erſten möchte ich die Perſonalfrage nennen. Die Not
der Zeit hat uns dazu gezwungen, Sperrgeſetze und genau zu beachtende
Beſoldungsordnungen auſzuſtellen. Cs iſt ſicher nicht meine Abſicht, dieſe
Maßnahmen in der kommunalen Wirtſchaſt als abwegig und verfehlt
zu bezcichnen. Aber eines iſt ſicher, daß ihre Anwendung auf die
wirt=
ſchaftlichen B=triebe ernſte Bedenken in ſich birgt. Sollen die Werke das
Aeußerſte leiſten, was man von ihnen fordern kann, ſo darf das
Perſo=
nal der Werke lediglich nach den Bedürfniſſen und nach der Leiſtung
ab=
geſtift und beſoldet werden. Der das wirtſchaftli he Leben beherrſchende
Grundſatz eines geſunden Wettbewerbs verlangt
Nuedce eiſt en e Dann Weie die Flchife ein eigte
men zu vermehren, und die Möglichteit geſchaffen wird, hochwertige
Kräfte zu den in der Privatinduſtrie üblichen Bedingungen zu
gewin=
nen, iſt der Weg zahlenmäßiger Verringerung des Perſonals mit
Er=
folg zu beſchreiten. Daß dieſe letztere Maßnahme aber zwingend
not=
wendig iſt, wird jedem klar ſein, der ſich mit den wirtſchaftlichen Werken
urgend einer S.
letzte Entſcheidung bei allen entſchlüſſen. mmer egensr ichl daß die
triebe in der Hand ber Stadtverordneten=Verſammlung lag, ſo iſt
die=
ſer Zuſtand in der heutigen Zeit zweifellos noch weit ungünſtiger
ge=
word n. Cs iſt zu natürlich, daß in einem Parlament, in dem Fragen
der verſchiedenſten Art und auf den allerverſchiedenſten Gebieten auftauchen,
dieſe ihre Erledigung häufig durch Vergleiche finden. Man gibt in
dew einen Punkte nach, um in dem anderen etwas zu erreichen. Die
beutte rein kommunal verwalteten Werke ſind daher ſtundig in der
Ge=
fahr, bei Entſchlüſſen als Handelsobjekt benutzt zu werden und unter
Ciuflüſſe zu kommen, die mit den Werken an ſich überhaupt nichts zu
tun haben. Reſtlos wirtſchaftlich arbeiten können die
Werke aber nur dann, wenn ſie von jedem Einfluß
freigehalten werden, der außerhalb ihres
Arbeits=
gebietes liegt, und wenn ſie geleitet werden von einem Kreiſe,
der nur nach wirtſchaftlichen Geſich.sp unkten urtcilt; er muß von
klein=
lichem Geiſte befreit und getragen ſein von der hohen Auffaſſung eines
Berufes, deſſen vornehmſtes Ziel die Arbeit ſelbſt und die Aufgabe für
die Allgemeinheit ſein ſollen. Aus einer ſolchen Aufaſſung heraus wird
auch ohne weitcres das richtige ſoziale Empfinden dem Angeſtellten und
Arbeiter gegenüber erwachſen, das heute notwendig iſt, um reibungslos
arbeiten zu können. Ein dritter zwingender Geſih=spunkt iſt die Frage
der Finanzwirtſchaft einſchließlich der von den Werken abzuſührenden
Ueberſchüſſe und der Beſchaffung des notwendigen Kapitals. Die
Finans=
not der Städte wird heute die Preispolitik der Wirtſchaftsbetri be
un=
bedingt ſtark beeinfluſſen müſſen. Die ſchwere Not einer
Defizitwirt=
ſchaft muß abgewendet werden (Der Bericht iſt am 8. Dezember 1922
erſtattet. Anm. der Schriftltg.), und was liegt da näher, als zu
ver=
ſuchen, aus den noch ohne Zuſchuß arbeitenden Wirtſchaftsbetrieben
er=
hebliche Summen herauszunehmen? Die Gefahr iſt außerordentlich groß,
daß der Finanzdezernent einer Stadt in ſeiner Not ſeinen Einfluß
dahin durchſetzt, daß die Werke Summen abzuführen haben, die ſie,
ſollen ſie geſund bleiben, nicht vertragen können. Die Gefahr eines
ziberſpannten Tariſs wird klar genug kaum von jemandem erkannt
wer=
den können, der nur geringen Einblick in die Ueberſchuß
möglich=
keiten hat und der letzten Endes von der zwingenden Not der
Geld=
beſchaffung beeinflußt iſt. Ihre Wirkung wird ſich zeigen in einer
Ab=
nahme des Abſatzes und in einer völlig ungenügenden Speiſung der
notwendigen Erneuerungsfonds. Eine richtige Tarifbildung kann bei
wirtſchaſtlichen Betrieben eben nur ein Kreis treffen, der rein
wirtſchnft=
lich denkt, und der unbeeinflußt von außenſtehenden Dingen, die
Ver=
hältniſſe des Wirtſchaftslebens obicktiv überſchaut. Daß in dieſer
Be=
ziehung, ſelbſt beſtes Wollen vorausgeſetzt, ein Parlament, das nach
ganz anderen Geſichtspunkten zuſammengeſetzt iſt, die ideale Löſung
dar=
ſtellt, wird niemand behaupten wollen. Und wie unendlich viel
ſchwie=
riger iſt gerade die Tariffrage, in den letzten Jahren geworden. Sie
bildet ſelbſt für den, der ſich dauernd mit dieſer Frage beſchäftigt bei
den immer undurchſichtiger werdenden Verhältniſſen eine recht ſchwer
zu löſende Aufgabe.
Eine weitere große Sorge iſt zurzeit die Frage: Wird ein
wirt=
ſchaftlicher B=trieb bei der Finanzuot der Städte auch jederzeit das
Ka=
pital von den Städten erhalten können, das notwendig iſt, um den
Be=
trieb weiterzuführen und Betriebserneuerungen zu ſchaffen, damit kein
Stillſtand und damit ein Rückgang eintritt? Leider, und das muß
ein=
mal ausgeſprochen werden, haben in den letzten vier Jahren die
kom=
munal geleiteten Werke in einer ſehr großen Reihe deutſcher Städte
nicht die Rücklagen gemacht, die ein privatwirtſchaftlih geleitetes Werk
unbedingt vorgenommen hätte. Die Folgen zeigen ſich jetzt. Der
abſo=
lut ungenügend ausgeſtattete Erneuerungsfonds reicht nicht mehr aus.
Erneuerungen und Neuanlagen müſſen mit neu aufgenommenem Gelde
gedeckt werden; die Tarife müſſen noch über das ſonſt notwendige Maß
H. Eberſtadt, 30. Dez. Oeffentliche Verſammlung. Auf
Einladung der hieſigen Ortsgruppe der Deutſchen demokratiſchen Partei
ſprach geſtern abend im Saale. Zum Darmſtädter Hof” (Laue) Herr
Reichstagsabegeordneter Pfarrer Korell in einer öffentlichen
Ver=
ſammlung über das Thema: „Unſere politiſche Lage im Reich und am
Rhein”. Nach Begrüßung durch den Vorſitzenden der Ortsgruppe,
Ge=
meinderat Heißt, verbreitete ſich der Vortragende in klarer,
unpole=
miſcher Weiſe über die Entwicklung der geſamten deutſchen Politik nach
dem Kriege, die er als eine zwangsläufige bezeichnete, weil ſie
einge=
engt und beherrſcht ſei von der Machtſtellung des übrigen Europa und
des Verſailler Diktats. Kein Kanzler nach Wirth und keiner, der nach
Marx komme, könne eine andere Politik treiben, als die der Erfüllung.
Eine andere Frage ſei die, von dieſem Diktat loszukommen. Dies
müſſe die beſtändige Sorge jeder Regierung bleiben. In dieſem
Zu=
ſammenhang müſſe der Welt immer wieder von neuem das Unglück
un=
ſeres Volkes als deſſen Folge vor Augen geführt und die Lüge von der
Schuld Deutſchlands am Weltkrieg ausgerottet werden. Redner
be=
dauert lebhaft den Ausgang der Wahlen von 1920, die eine Stärkung
der Linken und halben Rechten gebracht hätten, während — wie ſich in
den letzten Jahren immer wieder von neuem gezeigt habe — eine
Stärkung der Mitte unbedingt nötig geweſen wäre. Er verurteile die
zahlloſen Angriffe, die dem Reichstag, beſonders in den letzten
Mona=
ten, zuteil gewvorden ſeien. Reichspräſident Ebert ſei ebenfalls in
un=
berechtigter Weiſe ſtart beſchimpft worden. Er ſei einer unſerer
poli=
tiſih geſchulteſten Männer, der auf ſeinem Poſten ſeine volle Pflicht
ge=
tan habe und größte Achtung des Volkes verdiene. Ihm und dem
Führer der Sozialdemokratiſchen Partei, Welz, ſei es zu verdanken, daß
eine Politik, wie ſie Liebknecht und Roſa Luxemburg heraufbeſchwören
wellten, berhütet worden ſei. Vornehmſte Pflicht der Regierung ſei,
den Beſtand der Republik zu ſchützen und zu erhalten, und gegen jeden
Terrox, ob er von links od r rechts komme, anzukämpfen, da die innere
Ruhe notwendig ſei zur Geſundung und zum Wiederaufbau unſeres
Staatslebens. In dieſer Beziehung ſei das Vorgehen der
Reichsregie=
rung in Sachſen und Thüringen zu rechtfertigen, obwohl nicht zu
ver=
kennen ſei, daß dort Uebergriffe vorgekommen wären. Ein gleiches
Vorgehen gegen Bayern ſei ohne weiteres berechtigt und nötig, aber
nicht möglich geiveſen. Wohl hätten andere Mittel, dort einzugreifen,
zur Verfügung geſtanden, doch erkenne er die Gründe der Negierung
an, warum ſie dieſe nicht angewandt habe. Eine monarchiſche
Staats=
form oder eine bolſchewiſtiſche Herrſchaft in einem der Länder der
deut=
ſchen Republik könne nicht geduldet werden, weil ſie einfach unmöglich
ſeien und die Einheit des Reiches gefährdeten, die zu erhalten aber das
Ziel jeder Regierung ſein müſſe. Nedner beſprach dann, auf viele
Ein=
zelheiten eingehend, den verlorenen Rhein= und Nuhrkrieg mit den
un=
ſäglichen Leiden, den er für die rheiniſche Bevölterung brachte. Er
ſchilderte ihn als eine Notwendigkeit und weiſt auf einen Aufſatz hin,
den er 1920 in, der „Hilfe” veröffentlicht habe, und in welchem er die
Cntuicklung der franzöſiſchen Rheinpolitik in vier Phaſen vorausgeſagt
habe, von denen drei nunmehr hinter uns lägen. Wenn es gelte, die
Leiden der Bevölterung im beſetzten Gebiet, die auf die Dauer nicht
ertragen werden könnten, zu lindern, ſo dürfe die Frage einer
organi=
ſatoriſchen Umgeſtaltung der rheiniſchen Staatsgebilde unter
Zuſam=
menſchluß von beſetzten mit unbeſetzten Gebietsteilen wohl erörtert
werden. Daß dies nur im engſten Anſchluß an das übrige Deutſchland
und unter Ausſchaltung jeden franzöſiſchen Einfluſſes zu geſchehen
hätte, ſei ſelbſtverſtändlich und bedürfe keiner Diskuſſion. In dieſem
Zuſammenhang wies Redner auch die füngſten Angriffe des
Abgeord=
neten Kindt gegen die heſſiſche Aegierung zurück. Den
Währungsver=
fall unſerer Mark beleuchtete Redner als eine Folge des Ruhrkrieges.
deſſen Ausgaben täglich ins groteske gelaufen ſeien. Auf die Frage,
warum man nicht ſchon früher die Mark ſtabiliſiert habe, könne er nur
antworten, daß es einmal an der nötigen Initiative gefehlt habe,
an=
dererſeits 1 e3 auch erſt nach Beendigung des Nuhrkrieges möglich
ge=
weſen ſei. Daß eine weitere günſtige Entwicklung der Verhältniſſe nur
angeſpannt werden. Heute können die wirtſchaftlichen
Unternehmun=
gen der Stadte kein Objekt für die Kreditfähigkeit der Städte mit ihrem
übergroßen Verwaltungsapparat mehr bilden, ſehp bald wird die Zeit
kommen, wo die Städte durch die für die wirtſchaftlichen Werke
notwen=
digen Mittel in einer unerträglichen Weiſe belaſtet werden.
Kurz zuſammengefaßt möchte ich die Gründe, die heute ernſt
mah=
nend für eine Verſelbſjändigung der Werke ſprechen, zuſammenfaſſen
in der leichteren Beweglichkeit der Verwaltung und
Betriebsleitung, in dem Nachteil des jetzigen Zuſtandes,
beſtehend in der Bindung der Werke an die ſtaatliche
Be=
ſoldungsordnung, in der Freimachung von
Einflüſ=
ſen, die mit der Wirtſchaftlichkeit der Verke nichts
zutun haben, in einer nur von wirtſchaftlichen
Geſichts=
punkten geleiteten Tarifpolitik, in der
Notwendig=
keit neue Wege zu ſuchen, um den geſteigerten
Kapi=
talsanforderungen gerecht werden zu können.”
Heucke nimmt folgende Gruppeneinteilung vor:
Als 1. Gruppe diejenige, die trotz Aenderung der äußeren Form
den eigentlichen Kommunglcmrakter bewahrt ſehen will. Dieſe teilt ſich
wieder in zwei Untergruppen, einmal in die Form, die die
Privatwirt=
ſchaft ngchahmt und die Geſchäftsführung äußerlich dementſprechend
ge=
ſtaltet, ohne an dem reinen kommunalen Beſitzſtand der Werke etwas zu
ändern, alſo in eine Anſtalt öffentlichen Rech.s. Sie ſucht die Beſſerung des
als izulänglich erkannten reinen Kommunalbetriebs vielfach dadurch, daß
ſie durch Ortsſtatut dicſelben Organe ſchafft, die z. B. A.=G. haben, und
dieſen Organen, vornehmlich dem Vorſtand und Aufſich’srat, dieſelben
Be=
fugniſſe zuteilt, wie das in den Geſellſchaften des HGB. üblich iſt.
Die=
andere Untergruppe geht weiter und ändert auch die Beſitzverhältniſſe.
Man wandelt die ſtädtiſchen Betriebe in A=G. oder G. m. b. H. um und
läßt den geſamten Aktien= oder Anteilbeſitz in den Händen der
Grün=
der, alſo in rein kommunaler Hand, doch ſo, daß die Bewirtſchaftung
unter den Beſtimmungen des HGB., alſo privatwirtſchaftlicher
Auf=
machung, erfolgt.
Unter der 2. Hauptgruppe ſind die wirtſchaftlichen Formen
entſtan=
den, zu denen man die Privatunternehmer hinzuzoy. Als
1. Untergruppe iſt hier die gewöhnliche Form der gemiſchten
Wirt=
ſchaft, bei denen öffentliches und privates Kapital in beliebigen
Ver=
hältniſſen beteiligt iſt, zu nennen. Als weitere Untergruppe kommt ein
Pachtvertrag an eine G=ſellſchaft, die ſich aus rein privatem
Kapi=
tal oder auch aus gemiſchtem Kapital zuſammenſetzt, in Frage.
Als 3. Gruppe iſt die Zwillingsgeſellſchaft zu nennen,
die von Oberbaurat Heck entworfen und zum erſten Nale bei der
Gründung der Deutſchen Gasgeſellſchaft in Berlin und der
Gasbetriebs=
geſellſchaft A.=G. ebenda eingeführt wurde. B.i den meiſten Städten
iſt eine völlige Klärung, welcher von den genannten Formen ſie den
Vorzug geben wollen, noch nicht eingetreten. Daß eine
weſent=
lich freiere Geſtaltung der Betriebe notwendig iſt,
wird überall anerkannt; aber bei der Turchführung kommt es leider
zu Kompromiſſen, die, wie alle ſolche den Stempel der Halbheit an ſich
tragen und daher ſelbſtverſtändlich nicht das bringen können, was man
eigentlich von ihnen erwartet.
Wir Leiter glauben nämlich, inferſter Linie zu wiſſen, woran unſere
Werke kranken. Das größte Bedenken bei der 1. Grupe ſieht H. darin,
daß je nach einer Zufallsmehrheit im Stadtparlament ſehr leicht die
beſten Beſchlüſſe wieder rückläufig geſtaltet werden können, bevor der
Erfolg des einmal eingeſchlagenen Weges voll in Erſcheinung getreten
iſt. Es erſcheint auch fraglich, auf die Dauer aus den Kreiſen eines
Parlaments die notwendige Reihe tüchtiger Männer mit genügenden
geſchäftlichen Erfahrungen und Kenntniſſen zu gewinnen, die
ehrenamt=
lich im Aufſichtsrat mitarbeiten, und denen es auf die Dauer gelingt,
alle anderen Einflüſſe von ſich abzuwehren und ihre Entſcheidungen rein
objektiv und ausſchließlich zum Wohle der Werke zu treffen. Bei der
2. Gruppe, die unter Hinzuziehung von Privatunternehmern arbeitet,
fallen eine Reihe der geäußerten Bedenken fort. Die Stetigkeit iſt weit
ſicherer gegeben, und damit auch die Zeit, die notwendig iſt, um die
Er=
folge des eingeſchlagenen Weges erkennen zu können.
Bei dem Zwillingsſyſtem von Heck wird die Betriebsführung von
vornherein abgetrennt und für ſie neben einer zwiſchen der Stadt und
Privatunternehmern gegründeten Kapitalgeſellſchaft, der
Beſitzgeſell=
ſchaft, eine zweite beſondere Geſellſchaft, die Betriebsgeſellſchaft,
ge=
gründet. In letzterer wird dem Privatkapital eine überwiegende B= eingeräumt, dafür erhält die Stadt in der Kapitalgefellſchaft,
die Trägerin des Beſitzcs und der Konzeſſionen bleiot, die Majorität.
Beide Geſellſchaften kann man zueckmäßig durch Perſonalunion möglihſt
eng und innig miteinander verbinden, beide Geſellſchaften bleiben über
ihre Handlungen aufs eingehendſte voneinander unterrichtet. In
die=
ſem Syſtem können alſo alle öffentlichen Intereſſen genügend und aufs
nachdrücklichſte gewahrt werden (die einzelnen Einflußgebiete ſind in
den Gründungsverträgen beſonders feſtzulegen). Die
Zwillingsgefell=
ſchaft hat ihre außerordentlich großen Vorteile und wird vor allem für
Großſtädte in Frage kommen. Ob ſie bei kleinen und mittleren Städten
ohne wveiteres anwendbar iſt oder nicht doch etwas zu kompliziert erſcheint,
will H. dahingeſtellt ſein laſſen. Beim Blick in die Zukunft kann nur
der Kredit helfen, den die Werke durch ihre Leiſtungen ſich
ver=
ſchaffen, denn das beſte Unterpfand wird ein gut geleitetes,
wirtſchaft=
lich ausgegli henes und allen politiſchen Störungen entzogenes
Ge=
ſchäft ſein.. Nicht Feſtkleben an früher Geweſenem, was ſich als falſch
und durch die Verhältniſſe überholt herausgeſtellt hat, ſondern dem
freiheitlichen Aufbau zuſtreben, durch den alte Mängel beſeitigt und das
Maximum der Leiſtung erreicht werden, iſt das Gebot der Stunde.
durch Erhöhung der Reichseinnahmen und Reduzierung der
Reichsaus=
gaben möglich ſei, bedürfe keiner Frage, und jeder Deutſche dürfe ſich
den dahingehenden Erforderniſſen im wohlverſtandenen nationalen
In=
tereſſe nicht widerſetzen. Nedner beſprach dann die bisherige
Steuer=
politik und ihre Mängel und den Beamtenabbau, den er unter
gewiſ=
ſenhaſter Prüfung der ſozialen Verhältniſſe der Betroffenen
durchge=
führt wiſſen wolle. — In der Diskuſſion wurde der Redner
aufgefor=
dert, noch zu der Erwerbsloſenfrage und =Fürſorge, ſowie über die
Ein=
fügung des Frankfurt—Mannheimer Gebietsſtreifens in die
Weſtlohn=
klaſſe und die Arbeitszeitverlängerung Stellung zu nehmen und
Aus=
kunft darüber zu geben, wem der bei Verlängerung der „Arbeitszeit
entſtehende Gewinn zugute kommen ſoll. Redner ging auf dieſe Gebiete
näher ein, ſo beſonders auf das Erwerbsloſenproblem, das das größte
Unglück für unſer Volk ſei, und beſpricht die Möglichkeiten, die
Er=
werbsloſigkeit zu beheben. Er hält eine Verlängerung der Arbeitszeit
zur Geſundung unſerer Wirtſchaft für unumgänglich notwendig,
be=
tont dabei aber, daß zwiſchen ſchwerer und leichter Arbeit,
Dienſtbe=
reitſchaft u. dergl. unterſchieden und andere Momente, ſo die Anreiſe
zur Arbeit berückſichtigt werden müßten. Die Rechte des arbeitenden
Volkes dürften dadurch nicht beeinträchtigt werden, um die Arbeits=
Eadet deit e elſtaune gulle Gelhe eiteie
Der Gewinn, welcher ſich aus einer Arbeitszeitverlängerung erzielen
laſſe, müſſe dem geſamten Volke zugute kommen und nicht etwa einer
Jutereſſentengruppe. Die Regierung habe die Mittel, letzteres zu
ver=
hüten und werde alles tun, das Los der arbeitenden Schichten unſeres
Volkes zu erleichtern. Auf die Frage, ob Nedner durch eine ſtaatliche
Umerganiſation des rheiniſchen Gebietes tatſächlich eine Beſſerung der
Lage der Bebölkerung im beſetzten Gebiet erhoffe, antwortete der
Red=
ner, daß er um die Frage beantworten zu können, das innere Weſen
eines Poincaré erſt bis auf den Grund erforſchen müſſe.
8 Eberſtadt. 31. Dez. Eine häßliche Szene ſpielte ſich dieſer
Tage, gelegentlich einer Beerdigung auf dem hieſigen Friedhofe ab.
Am Grabe ihrer Mutter gerieten zwei Brüder, von denen der eine von
ausnärts herbeigeeilt war, angeblich in der Frage der Begräbnisſtätte
(ob Erbbegräbnis oder nicht) miteinander in derart ernſthafte
Mei=
nungsrerſchiedenheiten, daß es beinahe zu Tätlichkeiten gekommen wäre.
— Die Bürgermeiſterei hat zur Veröffentlichung ihrer
Bekanntmachun=
gen an mehreren Stellen des Ortes Plakattafeln anbringen
laſ=
ſen. Im ganzen ſind 6 Aushängekaſten angebracht worden, darunter
einer in der Villenkolonie.
Griesheim, 31. Dez. Steuerliches. Der Gemeinderat hat
beſchloſſen, vorläufig 1½. Prozent auf 100 Mark Steuerwert für
Be=
triebs= und Anlagekapital zu erheben, ferner 40 Prozent für land= und
forſtwirtſchaftliche Grundſtücke und 4 Prozent auf Gebäulichkeiten.
Bei der Kommunalen Landesbank ſoll eine Anleihe in Höhe von
20 000 Mark aufgenommen werden.
+ Alsbach a. d. B., 31. Dez. Der Gemeinderat hat
be=
ſchloſſen, ſämtliche Einnahmen der Gemeinde ab 1. Januar 1924 nach
Goldwährung zu bereclnen. — Mit der Aufſtellung von Ortsſatzungen
für das Ortsbürgerrecht wurde die Finanzkommiſſion beauftragt.
+ Bensheim, 31. Dez. Der Kreislehrerverein wendet ſich
der Frage der Perſonalabbauverordnung mit einem Aufruf an die
Oeffentlia keit, in dem es am Schluß heißt: „Schulabbau bedeutet
kul=
tureller Rückſcritt. Wer noch an eine Zukunft unſeres Volkes glaubt,
Die Welibahnen in der Luft.
Die Luftſchiffahrt hat aufgehört, ein ausſchließlich militäriſches
Hilfsmittel zu ſein. Sie beginnt im wirtſchaftlichen Leben der Völker
eine ausgedehnte Rolle zu ſpielen. Die Zeit iſt vorbei, wo man aus
reiner Neugierde und um neue Eindrücke zu bekommeg, eine Reiſ im
Luftfahrzeug oder im Lenkballon unternahm. Man bedient ſich täglich
der Luftapparate, um ſich an weit entfernte Plätze zu begeben und
un=
geduldige Geſchäftsleute, denen die Eiſenbahn zu langſam fährt,
be=
dienen ſich des Luftfahrzeugs, denn eine Flugmaſchine fährt zweimal
raſcher als ein Schnellzug. Außerdem brinat die Bahn nicht überall hin,
das Luftfahrzeug überfliegt Meerengen und Ozeane.
In den noch jungfräulichen Gegenden, wo man nicht die Muße
ge=
funden hat, umfaſſende Eiſenbahnnetze herzuſtellen und wo dieſe Netze
mangels genügender Vevölkerung und hinreichenden Verkehrs ſich nicht
bezahlt machen würden, hat eine ganz andere Verkehrsart den Vorrang.
Beſonders ſeit dem verfloſſenen Kriege, im Laufe der letzten 4 Jahre
hat ſich dieſe Benützungsweiſe entwickelt. Betrachten wir die Weltkarte
und verſuchen danach die verſchiedenen jetzt ſchon ins Leben gerufenen
Luſtſchiffahrtsdienſte aufzuzählen. Europa iſt ganz naturgemäß das
Feſtland, wo der Luftverkehr — mit Perſonen und Gütern — die größte
Ausdehnung gewonnen hat. Aber auch Amerika und Nordafrika,
Auſtralien und Aſien haben einige Fortſchritte zu verzeichnen. Gewiß
haben die Luftdienſtfahrten nicht überall die gleiche Häufigkeit und
Regelmäßigkeit, denn man muß den Bedürfniſſen Rechnung tragen und
dieſe hängen mehr oder weniger von der Bevölkerungsdichte ab. Wenn
man Curopa nimmt, ſo tritt der Wettbewerb unter den Geſellſchaften
nur ſehr ſelten in Erſcheinung. Es iſt hinreichend Platz, daß alle
Ini=
tiativen ſich keinen Zwang anzulegen brauchen, ohne ſich gegenſeitig
ihre Kreife zu ſtören. Das Beſtreben geht beſonders dahin, lange
in=
ternationale Linien zu ſchaffen. 3. B. gibt es eine Linie Verlin—
Mos=
kau mit 1800 Klm. und eine ſolche Paris-Konſtantinopel über Prag
Wien, Budapeſt und Bukareſt mit 2500 Klm. England ſeinerſeits iſt
von London mit Prag über Köln verbunden: Frankreich hat ſich nicht
darauf beſchränkt, Luftfahrdienſte zwiſchen Paris und gewiſſen
aus=
ländiſchen Hauptſtädten einzurichten, es hat auch Luftverbindungen mit
ſeinen nordafrikaniſchen Beſitzungen hergeſtellt. In dieſer Hinſicht iſt
die Linie Toulouſe—Caſablanca, die die Pyrenäen, Spanien, die
Meerengen von Gibraltar überquert, hervorzuheben. Ihr Poſtverkehr
ſtieg von 39 000 Briefen in 1919 auf 1 407 000 ſolcher in 1922. Zurzeit
plaut man eine Linie Marſeille—Algier, eine audere Antibes—Tunis
und die Verlängerung der Linie Tonlouſe—Caſablanca gegen Dakar
und Kayes mit Abziveigung nach den kanariſchen Inſeln. Deutſchland
hat mehr oder weniger Rußland als ſeinen Beſitz in dieſer Hinſicht
an=
geſehen. In gleicher Weiſe behandelt es Dänemark, in der Erwartung,
daß dieſes ſich Schwedens bediene. Polen und Eſthland haben jedes 2
Linien, Holland hat ebenſo 2, wie Belgien, die eine nach London, die
andere nach Paris. Spanien hat eine Linie Sevilla-Larache (Afrika)
eingerichſtet, Italien projektiert Brindiſi—Alexandria. In Aſien iſt nur
die Linie Korat—Uboe—Siam im Betrieb.
Die Vereinigten Staaten haben Luftfahrtdienſte über ungefähr 4700
Klm. Land eingerichtet. Argentinien beſitzt eine Linie von Buenos=
Aires nach der Hauptſtadt von Uruguay. Braſilien will Rio mit Porto
Allegre verbinden und Columbia hat ſchon einen Verkehr zwiſchen
Baranquilla und Carthagena, Santa Marta und Girardot eingerichtet.
Canada will einen Luftverkehr mit dem oft ſchwer zugänglichen
Felſen=
gebirge, d. h. den dort gelenenen Lagern einrickten. Auſtralien zählt
2 Dienſte: Den einen in Queensland, den anderen in ſeinem
weſt=
lichen Teil, mit einer Flugſtrecke von zuſammen 2500 Klm., 4 andere
ſind in Ausſicht genommen: Sydney—Adelaide, Sydney—Brisbane,
Melbourne—Haye und Sydneh—Charleville. Endlich werden noch 2
große Projekte ſtudiert: Das eine ſoll Holland mit Oſtindien über
Konſtantinopel, Karatchi, Allahabad, Kalkutta, Rangoon mit dem
End=
punkt Batavia verbinden, das andere Sevilla mit Buenos=Aires. In
kaum viel Jahren wird man wahrſcheinlich in wenigen Tagen nach
In=
dien und Südamerika fliegen.
kan; hierzu ſeine Hand nicht reichen. Wir braucken in der Schule
ſo=
wvohlk da3 erfahrene Geſdick der Aelteren als auch die friſchen Kräfte der
Jugend. Was die Schule verliert, geht dem Kinde verloren, iſt ein
Verluſt fürs Volk. Die Schule ſchafft Schätze für weite Sichſt. Die
Leh=
rerſchaft als Mittäterin kulturellen Lebens erhebt warnend ihre Hand!”
Erbach i. O., 31. Dez. Man ſchreibt uns: Die
Sophien=
höhe in Gefahx. Schon iſt den Landbewerbern in der
Ge=
markung Erbach ein anſehnliches Gelände und herrlicher Wald
zum Opfer gebracht worden; da ſtellen ſie jetzt bei dem Herrn
Landamtmann den Antrag, ihnen auch noch den ſchönen
Buchenwald auf der Sophienhöhe, dem bekannten
Ausſichts= und Ausflugspunkt, weſtlich hoch über der Stadt
ge=
legen, von deſſen Tempel mit ſeinen weißen Säulen man einen
herrlichen Umblick in die Lande hat, als Rodland zur Verſügung
zu ſtellen. Noch liegen unmittelbar daneben, „am
Chauſſeé=
kopf”, Teile des Geländes ungerodet, das man, nach Beſeitigung
eines herrlichen Buchenbeſtandes ſchon vor Jahren hierfür
frei=
gegeben hatte. So ſehr es zu begrüßen iſt, daß den kleinen
Leuten mit der Abgabe von Land geholfen wird, ſo kann die
Sache doch nicht auf eine uferloſe Zerſtörung und Schädigung
der Gegend hinauslaufen, zumal unſere Wälder ſchon ſchwer
durch den Krieg und ſeine Folgen gelitten haben. Hoffentlich
gelingt es, den ſelten ſchönen Punkt, der auch den Darmſtädter
Odenwaldklubgenoſſen lieb und wert iſt, der Allgemeinheit zu
erhalten.
k. Klein=Linden, 30. Dez. Der auf dem Bahnhof Gießen getötete
Reſervelokomotioführer Nudolf Theiß wurde unter ſehr zahlreicher
Beteiligung beerdigt, ſo daß unſer Dorf noch nie einen ſo großen
Leichenzug geſehen hat. Viele Kränze wurden von Berufsvereinen
niedergelegt.
e. Schotten, 31. Dez. Der Schneeſchuhſport blüht ſeit
Weih=
nachten auf den umliegenden Höhen, beſonders an den Abhängen des
Hoherodskopfs. Aus allen Gegenden, ſelbſt aus Darmſtadt und
Frank=
furt treffen dauernd neue Scharen von Skiläufern ein, ſo daß die beiden
Klubhäufer fortgeſetzt ſtark beſetzt ſind.
i. Großen=Buſeck, 31. Dez. Unſer Altbürgermeiſter Schwalb
wurde unter ſehr ſtarker Beteiligung zu Grabe getragen.
* Winterfütterung der beſte Vogelſchutz.
Die hohe, ja entſcheidende Bedeutung einer richtigen Winterfütterung
für Erhaltung und Vermehrung unſerer Vogelwelt hebt der b.kannie
Vorkampfer des Vogelſchutzes Dr. Hans Frhr, von Berlipſch in ſeinem
ſoeben in 10. Auflage bei J. Neumann in Neudamm erſchi nenen
hrund=
legenden 98rr „Der geſamte Vogelſchutz” hervor. Neben der Schaffung
von Niſtgelegenheiten und der Ueverwachung der Vogelf inde iſt die
Winterfutterung die wichtigſte, zugleich aber auch die ſchwierigſte
Auf=
gabe des Vogelſchutzes. Fur Vogelarten, die man nichr an b ſtimmte
Deitlichkeiten gewohnen will, iſt die Fütterung unbedingr nor g nur dann,
wenn der Boden plötzlich durch ſtarren Schneefall, beſond us aber durch
Nauhreif und Glatteis, verdeat iſt und alle Ritzen und Fugen der
Baum=
rinde, die Hauptvorratskamm un der Schützlinge, verſperrt ſind. Wie
furandar dann der 2oo unter unſeren gefi derten Freunden hauſt, dafur
bot Berlepich der Neujahrstag 1901 einen überzeugenden Veleg. Das
Wetter war milde geweſen, bis es in der Silveſt rnacht plötzlich
um=
ſchlug und am Neufahrsmorgen alles mit einer ſtarken Glatteisſchicht
überzogen war. „Mir war die G=fahr ſofort klar”, bericht.t der
Ver=
faſſer, „und ich benutzte den Morgen zu eingehenden Beobachtungen. In
der Gegend der Futterſtelle war alles geſund; im übrigen bemerkte ich
aber ſchon gegen 10 Uhr allenthalben aufgepuſtet: Vögel, hauptſächlich die
verſchiedenen Meiſenarten, Kleiber, Goldhähnchen und Baumläufer, und
bis Mittag hatte ich acht derſelben tot aufgefunden. Die Magen aller
dieſer Vögel erwieſen ſich als völlig leer. Die gefundenen Vögel waren
natürlich nur ein geringer Bruchteil dir im ganzen Umgekommenen. Die
reiche Vogelwelt Kaſſels war danach ſtark verringert, und erſt nach der
nächſten Brutperiode ſchien mir der Verluſt einigermaßen wieder
ausge=
glichen. Gleiche Beobachtungen wurden damals in den verſchiedenſten
Teilen D.utſchlands, beſonders in Schleſien, gemacht‟. Die Meiſen= und
Spechtarten, überhaupt die regelmäßigen Gäſte der Futterſtellen, wür den
zweifellos ſehr viel zahlreicher ſein, wenn nicht im Winter ſo viele
verhungerten, und deshalb iſt die Winterfütterung für dieſe ſo nützlichen
und nötigen Vögel unbedingt notwendig. Erfolgt die Fütterung aber
nicht in ſachgemäßer Weiſe, ſo iſr ſie ſchlimmer, als wenn garnichts
ge=
ſchieht, denn die falſche Fütterung bringt geradezu die Vernichtung
zahl=
reicher Vögel mit ſich; ſchlechte Futterapparate ſind Mordwerkzeuge, vor
denen nicht genug gelalnt werden kann. Das wichtigſte Erfordernis iſt
Wererſicherheit, d. h. die Futterſtelle muß auch bei ſchroffem
Wilterungs=
wechſel unbebingt und in beſter Beſchaffenheit zugänglich bleiben, und
dies wird einzig und allein dadurch erreicht, daß der oberſte Raud der
Futterſtelle auf gl icher Höhe liegt mit dem unterſten Nand der dieſe
Futterſtelle ſchützenden Bedachung. Es gibt zahlreich= Futterapparate, die
allen Anforderungen genügen, ſo z. B. das „heſſiſche Futterhaus”, die
„Futterglocke”, ſchließlich auch der „Futterbaum”, die Nachbildung eines
natürlichen Nadelbaumes, der mit einer ge ianeten Futtermiſchung
be=
goſſen wird. Die Vögel v rweilen bei gutem Wetter bei dem künſtlichen
Fulter nicht länger als bei dem natürlichen in Bäumen und Zwveigen,
durch dieſen kurzen Beſuch, der täglich nur zweimal, früh und
nachmit=
tags, ſtattfindet, darf man ſich aber nicht abhalten laſſen, denn in
kriti=
ſchen Zeiten iſt die künſtliche Fütterung die einzige Nettung. Um gute
Erfolge zu haben, muß man die Vögel bereits im Oktober an die Futterz
ſtelle anlocken
2
Zenitsst
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Unter der Anklage des verſuchten Mordes, der
Frei=
heitsberaubung und des unerlaubten Waffenbeſitzes
hatte ſich der Kaſſenbote Wilhelm Schmidt von der Städtiſchen
Gas=
inſpektion in Lichtenberg vor dem Sondergericht III zu verantworten.
Die unter Anklage ſtehende Tat richtete ſich gegen den Stadtbaumeiſter
Galleg. Beim Betreten des Amtszimmers des Stadtbaumeiſters war
gerade der Werkmeiſter Wergin bei dieſem. Schmidt bat ſeinen
Vor=
geſetzten um eine Unterredung unter vier Augen. Darauf überfiel S.
den Stadtbaumeiſter, zog aber im Laufe des Kampfes den Kürzeren.
Der als Zeuge vernemmene Stadtbaumeiſter Galley bekundete, daß
er Mitte September zur Gasinſpcktion Lichtenberg verſetzt worden ſei;
er habe ſofort die Anſicht gewonnen, daß dort die Verhältniſſe höchſt
un=
befriedigende waren. Mik den 130 Einkaſſierern ſei viel zu viel Perſonal
beſchäftigt geweſen. Sein Beſtreben ſei es geweſen, die Leute zur
Pflicht=
erfühung zu veranlaſſen. Beiſpiclswciſe wurde zu jener Zeit auf die
Abrechnung anderthalb Stunden verbraucht, die ſich jetzt in ſechs
Minu=
ten abwickele. Staatsanwaltſchaftsrat Steiner vertrat die Anſicht, daß
der Angeklagte mit voller Ueberzeugung gehandelt habe und beantragte
eine Geſamtſtrafe von 3 Jahren 6 Aeonaten Zuchthaus. Nechtsanwalt
Dr. Ludwig Schröder hielt nur eine Bedrohung für vorliegend. Nach
längerer Beratung kam das Gericht zu einer Ver cinung der
Ueber=
legung, ſprach den Angeklagten aber ſchuldig des verſuchten Totſchlags
unter Verncinung mildernder Umſtände. Das Vorgehen des
Angeklag=
ten gegen einen Vorgeſetzten, der einwandfrei ſein Amt verwaltet und
nur auf Pflichterfüllung geſehen habe, verdiene ſchwerſte Strafe. Das
Urteil lautete auf 2 Jahr= 6 Monate Zuchthaus wegen verſuchten
Tot=
ſchlags und Freiheitsberaubung, ſowie auf eine Woche Zuchthaus wegen
unbefugten Waffentragens. Die eine Woche wurde auf die Unterſuchung
in Anrechnung gebracht. Außerdem wurden dem Angeklagten die
bür=
gerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre aberkannt.
Die Verhaftung einer Falſchmünzerbande über
die aus Görlitz berichtet wurde, b ſchäftigt auch die hieſige
Kriminal=
polizei. Durch des Geſtändnis der Verhafteten und die weiteren
Er=
mittelungen iſt feſtgeſtellt, daß die Bande das Weihnachtsfeſt benutzt hat,
um ihre falſchen Dollarſchatzanweiſungen zu 21 Mark in größerer Menge
in Berlin abzuſetzen. Die Fälſcher trafen am 17. Dezember in Berlin
ein, wohnten in verſchiedenen Hotels, beſuchten viele Geſchäfte, in denen
ſie einkauften und mit Falſchgeld bezahlten, und reiſten am 23.
Dezem=
ber wieder ab. Auch auf hieſigen Banken wurden eine Anzahl dieſer
Fälſchungen bereits angehalten; ſie ſind ohne Zweifel in beträchtlicher
Menge in den Verkehr gekommen.
Das gefährliche Püppchen. Das vierjährige Söhnchen
des Arbeiters Max Menſchler ſpielte in Abweſenheit mit einer
Zelluloidpuppe und kam dabei dem brennenden Ofen ſo nahe,
daß die Puppe Feuer fing. Das erſchrockene Kind warf die Puppe in
ſein Bettchen, das gleichfalls in Brand geriet.
In der Nähe des Hochbahnbahnhof.s „Gleisdreieck” brach in einer
Baubude Feuer aus. Infolgedeſſen wurde der Verkehr zwiſchen
Pots=
damer Platz und Gleisdreieck auf längere Zeit unterbrochen. Der Brand
iſt vermutlich durch glühende, aus dem Ofen gefallene Kohlenſtücke
her=
vorgerufen worden. Die Bude ſtand in kurzer Zeit völlig in Flammen.
Es kam noch hinzu, daß es infolge der eingefrorenen Hydranten an
Waſſer fehlte, um das Feuer ſchnell löſchen zu können. Die hohen
Flammen beſchädigten die Stromzuführungskabel, die die Strecke ſpeiſten,
ſo daß der Strom unterbrochen war und der Verkehr eingeſtellt werden
mußte.
GESCHAFTSBUCHER
Gſenbskzuiglück.
Im Bahnhof Burghaun (bei Fulda) fuhr am Samstag abend
gegen 10 Uhr der D=Zug 282 (Holland—Münſter—Frankfurt) auf einen
im Ueberholungsgleis haltenden Güterzug auf, wodurch der
Schluß=
bremſer des Güterzuges getötet, vier Reiſende des D=Zuges ſchwer
ver=
letzt und der Lokomotivſührer des D=Zuges ſchwer verletzt wurden. Als
Urſache des Unglücks wird Ueberfahren des Einfahrtsſignals
angenom=
men. Eine Unterſuchung iſt im Gange.
Neue Tricks der Falſchmünzer.
Die Feſtigung der Mark hat die Banknotenfälſcher wieder aufleben
laſſen. Ihr lichtſcheucs Gewerbe lag lange Zeit ſtill, weil bis vor
kur=
zem die Falſchſ heine ſo ſchnell entwerteten, daß der endgültige Erlös die
Geſchäftsunkoſten kaum deckte. Die Fälſcher machen es ſich jetzt zunutze,
daß man bei einigen der zu Beginn der Markſtabiliſierung
ausge=
gebenen Geldſcheinen ihren Nennwert nur in Zahlen und nicht auch in
Buchſtaben aufgedruckt hat. Bei den auf 0,42 Goldmark oder 1 Zehntel
Dollar lautenden Reichsſchatzanweiſungen entfernen ſie die erſten Ziffern
und ändern ſie in Stücke von 42 Goldmark bziv. 10 Dollars um. Ebenſo
wird es bei den auf 0,42 Goldmark lautenden preußiſchen wertbeſtändigen
Geldſcheinen gemacht. Dieſe Fälſchung iſt ſo beliebt geworden, daß dem
Berliner Polizeipräſidium faſt täglich mehrere Perſonen
eingelie=
fert werden, die ſolche Stücke in Zahlung gegeben haben. Da zu ihr
keine beſonderen Kenntniſſe gehören, iſt der Perſonenkreis in dem die
Fälſcher zu ſuchen ſind, nahezu unbegrenzt. Für die Polizei iſt es ſehr
ſchwer, dieſe Falſchſcheinquellen aufzufinden. Das Publikum, beſonders
die Geſchäſtswelt, wird deshalb gut tun, ſich zu merken, daß es auf
42 Goldmark bzw. 10 Dollar lautende Stücke, die das gleiche Format und
dasſelbe Ausſehen hätten wie die Geldſcheine zu 0,42 Goldmark, nicht
gibt.
Das dreimal verkaufte Hans.
Das Grundſtück Schützenſtraße 48 in Berlin gehört einem
Kauf=
mann Calmſohn in Hamburg. Vor einigen Wochen erſchien nun bei
einigen Grundſrücksmaklern ein Mann, der einen gut bürgerlichen
Ein=
druck machte und ſich als Sohn des Hauseigentümers vorſtellte. Er zeigte
auch einen entſprechenden Ausweis und legte Papiere vor, nach denen er
von ſeinem Varer bevollmächtigt und beauftragt war, das Hausgrundſtück
zu verkaufen. Ein Makler nach dem anderen bemühte ſich um Käufe=
und fand ſie auch. Die Bewerber wurden jedesmal nach einem Hotel
in der Nähe des Potsdamer und Anhalter Bahnhofes beſtellt, in dem
der angebliche Calmſohn wohnte. Weil der Preis nicht hoch war, iſt
man bald handelseinig geworden, ging zum Notar und ſchloß den
Kauf=
vertrag ab. Erſt als Herr Calmſohn in Hamburg zur Auflaſſung
ge=
laden wurde, erfuhren die Käufer, daß er weder einen Sohn hat, noch
ſonſt jemanden mit dem Verkauf beauftragt hat, weil er das Grundſtück
gar nicht veräußern will. Der Schwindler hatte durch drei verſchiedene
Makler bei drei verſchiedenen Notaren das Haus, von dem ihm kein
Stein gehört, verkauft, und einmal den ganzen Kaufpreis in Dollars
und zweimal eine höhere Anzahlung erhalten. Alle ſeine Schriftſtücke
waren gefälſcht. Seine Wohnung hatte er jedesmal in ein anderes Hotel
verlegt.
Der Verluſt der Dixmuide.
Paris, 31. Dez. (Wolff.) Das Marineminiſterium veröffentlicht
eine Mitteilung, in der erklärt wird, der Verluſt des lenkharen
Luft=
ſchiffes „Dixmuide” müſſe nunmehr als ſicher angenommen werden. Unter
dem Vorſitz des Vizeadmirals Filou ſei eine Unterſuchungskommiſſion
gebildet worden, um über die Urſachen des Unterganges des Luftſchiff.s
Erhebungen anzuſtellen. Irgendwelche weiteren Nachrichten über die
Mannſchaft des Luftſchiffes ſind nicht eingegangen. Die Nachforſchungen
ſind durch das andauernde Unwetter ſehr erſchwert.
Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(Für die Veröffentlichungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaltion keinerlei
Ver=
antwortung; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in volſem Amfange
der Einſender verantwortlich.) — Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht
zurückge andt. die Ablebnung nicht begründet werden.
Straßen=Namen.
In der Sitzung der Stadtverordneten am 13. Dezember wurden eine
Anzahl Straßen neu benannt, andere umbenannt. Bei dieſer
Ge=
legenheit ſoll die Stadtverwaltung an eine Pflicht erinnert werden, die
ſie ſchon längſt hätte erfüllen müſſen. Erinnert wurde ſie vor Jahren
ſchon einmal durch einen hieſigen Turnverein. Es handelt ſich um die
Ehrung von Männern, die in der Geſchichte vor 100 Jahren Großes
ge=
leiſtet haben und nicht in Vergeffenheit geraten ſollen. Dieſe Männer
ſind die Freiheitskämpfer und Jugendvorbilder: Jahn, Körner, Frieſen
nud Arndt. Auf irgend eine Aut müßten dieſe Männer geehrt werden.
Auch unſere großen deutſchen Tonſetzer Richard Wagner uſw. ſollen hier
nicht unerwähnt bleiben. Es gibt in hieſiger Stadt eine Menge größerer
Straßen und Plätze mit gleichgültigen Namen, die man durch
vorge=
nannte erſetzen könnte. Auch Schulen kann man nach dieſen Mänuern
benennen; jedenfalls iſt es neben, der idealen Seite auch praktifcher, eine
Schule nach einem führenden Geiſt zu benennen, als die hier übliche
Be=
zeichnung Schule 1, 2, 3 oder 4. Die Umbenennung einer Slxaßze
ver=
urſacht nach Anſicht von Fachleuten keine Schwierigkeiten. Die alten
Ge=
wann=Namen wieder aufleben zu laſſen, wird anerkannt, darf aber, wie
auch nur „Architekturgrößen” zu ehren, nicht zur Einſeitigkeit führen.
H. üi.
An dieſer Stelle verweiſen wir noch ganz beſonders auf den der
heutigen Ausgabe beiliegenden Proſpekt der Verſicheranys=Abteilung
der Fa. M. H. Feis, Darmſtadt, Eliſabethenſtr. 51. — Dixektion für
(35
Heſſn der Intag=Phöbus Verſicherungs= A.=G. Berlin.
Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, Anfang 6 Uhr (Sondermiete 17‟
und 18‟) „Der Roſenkavalier”. — Kleines Haus, nachmittags 2½ Uhr:
„Firlcfanz”, abends 7 Uhr (Zuſatzmicte VIl12): „Schluck und Jau”. —
Orpheum, ſi¾ Uhr: „Venus im Grünen” — Geſangverein.
Liederkranz, nachm. 3½ Uhr, Turnhalle: Weihnachtsfeier und
Tanz. — Turngemeinde Beſſungen, 5 Uhr ab: Tanz.
Hotel Schmitz: Konzert. — Hotel Darmſtädter Hof:
Konzert. — Hotel Zur Poſt: Konzert. — Bayernperein,
nachm. 3 Uhr, im Konkordiaſaal: Weihnachtsfeier. — Café „Fürſt
Bismarck”: Konzert und Tanz. — Reſtaurant
Chauſſec=
haus: Konzert. — Volkstheater, nachm.: „Aſchenbrödel”,
abds.: „Die Welt ohne Männer”. — Reſtaurant Sportkaffee
(am Hallenſchwimmbad): von 11—1 und ab 4 Uhr: Konzert.
Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
Kinovor=
ſtellungen.
Hauptſchriftleitung: Rudolf Mauve
Verantwortl 5 für Politik und Wirtſchaft: Rudolf Mauve
Verantwortlich für Feuill ton und Heſſiſche Nachrchten: Max Streeſe
Verantwortlich für Sport: Dr. Eugen Buhlmann
Verantwortlich für Sclußd inr: Andreas Bauer
Verantw rilich für den nſ xatente l: Willy Kuhle
Truck und Verlag: 2. C. Wittich — ſämtlich in Da mſtadt.
Die heutige Nummer hat 14 Zeiten
Unsere kleine Liselotte ist
angekommen.
Dr. A. Herbert u. Frau
Anneliese, geb. Schreiber
Darmstadt, 29. Dez. 1923
Pallaswiesenstr. 14
(57
Lina Häusler
Otto Diehl
VERLOBTE
Heidelbergeistr. 72 Weinbergstr. 46
Neujahr 1924
(*30728
Statt Karten.
Marie Pabst
Hermann Burkard
VERLOBTE
Darmstadt Seligenstadt
Nesjahr 1924
Emmy Scriba
Hans Laubner
VERLOBTE
Nieder-Ramstadt Darmstadt
Neujahr 1924
(227
Lina Krug
Georg Trumpfheller
VERLOBTE
Nd.-Ramstadt Darmstadt
mit Goldmarkkolonnen, Inventurbücher, Spezialität
amerikanische Journale und Sonderanfertigung nach
jedem Scheina schnellstens gefertigt.
(8783 fgi
(*40
Marie Hartmann
Karl Heß
VERLOBTE
Silvester 1923
(*30760
Ihre Verlobung beehren
sich anzuzeigen
Philippine Killinger
Fritz Kluge
Höchst i, O., 1. Jan. 1924
(*30629
Stait Karten!
ELFRIEDE LIMPER
RUDOLF HOFMANN
VERLOBTE
NEUJAHR 1924
WÜLFRATH/RHLD. DARMSTADT
KlESSTRASSE 133
(”53
Frieda Bär
Heinz Eurich
VERLOBTE
Neujahr 1924
Weite städterstr. 33 Bessungerstr. 125
(258
Die Verlobung unsrer Tochter
— Anna mit Mister John Münich,
Ingenieur in Buffalo (H. Vork)
be-
ehren sich anzuzeigen
Robert Eberle und Frau
Therese, geb. Grösch
Heidelbergerstraße 46, I
Weihnachten 1923
(*57
Todes=Anzeige.
Heute nacht entſchlief nach
kurzem, ſchwerem Leiden meine
liebe, treue Frau, un ere gute
Schweſter und Schwägerin
geb Meiſel
im 30. Lebensjahre.
Im Namen der trauernd. Hinterbllebenen:
Philipp Klier, Poſtſchaffner
Wilhelm Veifei
Ludwig Emig.
Darmſtadt, 31. Dezember 1923.
(*7
Karlſtr. 21.
Die Beerdigung findet Mittwoch,
2. Januar, nachm. 2 Uhr, auf dem
allen Friedhof, Nieder=
Ramſtädter=
ſtraße, ſtatt,
Am 30. Dezember, abends 6”, Uhr, entſchlief
ſanft unſere inniggeliebte, treuſorgende, gute Mutter
und Großmutier
Frau
Auguſte v. Wachter
geb. Hill
im Alter von 68 Jahren.
In großer Dankbarkeit und Llebe
Karl von Wachter, Major a. D.
Tone von Wachter
Georg Albrecht von Wachter, Major a. D.
Liſelotte von Wachter, geb. Freiin v. Gayl
Marie von Wachter, geb. Beber
und 5 Enkelkinder.
Darmſtadt, den 31. Dezember 1923.
Trauerfeier am 2. Januar 1924, 1/,4 Uhr, in der
Friedhofskapelle, Nieder=Ramſtädterſtr. (75
Paplerhandlung
Oeschäftsbücher-Fabrlk LAUTZn
Siadtreiſender OM1 Mohlaum
halts ing. u. B76 an Weißſticken und Nähen
geübte Kräfte geſucht.
Weibli v
—Probearbeit mitbringen.
(44
Wäſchefabrikation, Viktoriaffraße 28, II.
Kaſſiererin
Todes=Anzeige.
Heute entſchlief ſanft nach
langer, ſchwerer Krankheit meine
innigſtgeliebte Frau, unſre gute,
treubeſorgte Mutter, Schweſter,
Schwägerin und Tante
Frau
geb. Kapp
im 47. Lebensjahr.
Darmſtadt, den 31. Dez. 1923.
Die trauernden Hinterbliebenen:
Leopold Katzmann
und Kinder.
Die Beerdigung findet Mittwoch,
den 2. Januar, nach n. 2/, Uhr,
vom Portale des iſrael.
Fried=
hofs aus ſtatt. (54
Fl. Stenotypiſtin
Stellung f. 1. 2. 24,
evtl. ſpät. Angeb 1
B 87 Geſchſt. (*71
ASfene Stellen
Männlich
Am 25. Dezember iſt meine
liebe, gute Tante
Frl. Caroline Stumpf
* nach langem, ſchweren Leiden ſanft
entſchlafen Auf Wunſch der
Ver=
ſtorbenen erfolgte die Beiſetzung in
aller Stille vor d. Bekanntmachung.
In ſtiller Trauer
M.rie Deumer.
für Buchhaltung und
Korreſp. (Maſchinen
ſchreiber) z. ſofort
Eintritt geſ. Ausf.
Bewerb=Schrb. mit
lückenloſ. Lebenslau
u. B 12 Geſchſt. (6‟
Sichere Exiſtenz!
Für dringend nötigen
ürtikel der
Landwirt=
ſchaft errichten wir
Zweign ederlaſſung
(Alleinverkauf) rühr
Firmen und Herren
Behördlich
begut=
achtet u. empfohlen!
lIa Referz. (UMnwas
Hoher Verdienſt!
Keine Lizenz!
Ver=
treterlager erfordert
je nach Bezirksgröße
Barkapital v. 300 bis
1000 Goldmark. Off.
unter „Bimäga” an
Invalidendank.
An=
nonc Exp Augsburg.
20 Pf. Rückp. beileg.
Gäriner=Le rling kaur
eintreten Nd.=
Ram=
ſtädterſtraße 75.
MBureaubedarf
branchekundiger
geſ. Angeb. m.
Ge=
bie Geſchäftsſt. (*19
flott im Rechnen und
Geldzählen, ſow.
ver=
traut mit ame ikan.
Re iſtrierkaſſe, 17 bis
20 J. alt, für hieſiges
größ. Detail=Geſchäft
geſucht Angebote u.
B8landie
Geſchäfts=
ſtelle d. Bl. (51im
Junges Mädchen
(Anfängerin) für das
Büro einer hieſigen
Großhandlung zum
ſof. Eintritt geſucht.
Angeb. unt. B 83 an
die Geſchäftsſt.
49
für Hausarbeit
fEAA von 8—2 Uhr
täglich geſ.
Friedrich=
ſtraße 18, I.
Zuverläſſ., ſaubere
Lauffrau
ober Mädchen für
morgens 1½ Stunde
u. mittags 1 Stunde
geſucht (8868goi
Martinſtr. 52, 1. St
Maſchinenſtricker (innen)
gejucht.
Nur perfekte, auf 7er, 8er, 10er
Maſchinen gut eingearbeitete
Kräfte werden eingeſtellt.
Heſſ. Bollrarenfabrik A. 8.
Alexanderſtraße 2. (*9
od. Frau! Akten
Mädchen F.3 Std.
vormittags geſucht
Martinſtr. 34. (*70
6 Wochen alter
rein=
raſſiger Schäferhund
zu verkaufen (*1
Mühlſtraße 16, I.
(624
Geſchäftsbücher
Geſchäftsbriefe
Bücher
Zeitungen
Zeitſchriften
Altpapier
kauft zu höchſt Preiſen
A.=G. f.d Papierfach,
Rheinſtr. 20.
Telephon 113 u. 423.
Aelt., zuserläſſ. (32
b. zeitgem. Lohn bald
geſ Nied
Ramſtädter=
ſtr. 152, Ecke Kekuléſtr.
1—2
junge Mädchen
f. leihte Kandarbeiten
zum ſofortigen
Ein=
tritt geſucht. Leichte
Heimarbeit zu
ver=
geben. Liebigſir 25,
Hths., I. (*30699gi
Tüchtige, zuverläſſige
Kindergärtnerin
zu 3 Kindern im Alter
von 8, 6 u. 2 Jahren
geſ. Waldſtr. 48, II (*20
Tücht. Hausmädchen
bei höchſt. Lohn ſof.
weg Erkrankung des
Herdweg 56½.
Ordentſ. Mädch.
welch. ſelbſt. arbeiten
etw kochen u. nähen
kann, f. kl. Haush geſ.
Angeb. erb. (*50im
Frau Ing. Kahl
BadRauheim, Beneke..11
Beiblich
Mädchen ucht Lauf
ſtelle Hoffmann, r.
I. Stb.
(23
Schneizerin
ſucht Kundſchaft a. d
Hauſe, au h z. Um
ändein. Angeb. und
B 78 a. b. Geſlſt. (*14
Reiſender
mit Ia kaufm Zeugn in dauernde Stellung
von Molkereiprodukten=Großhandlung per
ſofort geſucht.
(20
In Frage kommt nur erſte Kraft mit
nach=
weisdar kaufm. Lehrzeit. Angebote mit
ſelbſtgeſch iebenem Leben3 auf und
abſchriften unter B 77 an die Geſhäfts
InD., Uahlutigs Sprechstunde
12.
(Aufheben!)
(Forisctzung folgt!)
Na, wissen Sie, auf dieses Hühnerauge
jetzigen geſucht (6l lhätten Sie sicht schon vor einigen Jahren
von Ihrer Bank eine IIypothek geben
las-
sen sollen. Das ist ja wirklich was ganz
Solides und in bester Lage. Dem in vielen
Millionen Fällen bewährten Kukirol
wider-
steht es allerdings nicht, denn „
Hühner-
augen klein und groß, wirst durch Kukirol
Du los”. Aber nicht nur Hühneraugen,
sondern auch Schwielen, Hornhaut und
Warzen beseitigt das Kukirol schnell, sicher
und schmerzlos. Gegen Fußschweiß,
WVund-
laufen und Brennen der Füße empfehle ich
Ihnen das Kukirol-Fußbad. Es stärkt Nervert
und Sehnen und ist für Jeden, der viel seht
und steht, eine wahre Wohltat. Sic
erhal-
ten beide Fabrikate in jeder größeren
Apo-
theke und Drogerie. Lassen Sie sich abe
nichts anderes als „ebenso gut” oder „Zuc:
sehr schön” in die Hand drücken. Achten
Sie auf die Schutzmarke „Hahn mit Fuß
und weisen Sie andere Präparate zurdck-
Und wenn Sie die lehrreiche und überaus
wichtige Broschüre „Die richtige
Euß-
pflege” gratis und portofrei haben wollen
dann schreiben Sie noch heute eine
Post-
karte an die
(V.8575
Kutirol-Fabrik G. oß Satze 303bei Hasdeburs
Von
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*Neujahr 1924
Von Generalſuperintendent D. Klingemann in Koblenz.
Mit ſorgenbeſchwertem Herzen treten wir über die Schwelle
des neuen Jahres. Unſagbar traurig muß uns der Rückblick
in die zu Ende gehende Zeitſpanne ſtimmen. Was wir zu
An=
fang des ſchwindenden Jahres zu hoffen wagten, iſt zuſchanden
geivorden. Und es will uns dünken, als hätten die zu Grabe
ge=
tragenen Hoffnungen wieder ein Stück von unſeres Volkes
ſitt=
licher Kraſt mit ſich in den Abgrund geriſſen. Hartes haben wir
erduldet, und es mag uns Bewohnern des deutſchen Weſtens
verziehen werden, wenn wir manchmal nicht ohne Bitterkeit das
Verſtändnis für unſere Not bei unſeren Brüdern im Reich
ver=
miſſen. Manches ſieht ſich aus geſicherter Ferne anders und
leichter an, als es in täglicher harter Wirklichkeit empfunden
wird. Dabei kommt doch alles darauf an, daß wir als
Volks=
gemeinſchaft zuſammenſtehen und einer des anderen Laſten trage.
Was uns in allen Nöten des vergangenen Jahres beſonders
bedrückte, war die von Tag zu Tag ſich ſteigernde Ungewißheit.
Und auch heute liegen die kommenden Dinge im Schleier dieſer
Ungewißheit, dunkel wie der Rückblick iſt der Ausblick in die
neue Zeit. Ueber die Schwelle des neuen Jahres geht mit uns
die furchtbare Not. Es mag mit dem Begriff der
Erwerbs=
koſigkeit mancher Mißbrauch getrieben werden, und gut gemeinte
Hilfe iſt oft an Trägheit und Arbeitsſcheu verſchwendet worden.
Aber Arbeits= und Erwerbsloſigkeit ſind, doch harte
Wirklich=
keiten, die uns vor kommender Verſchärfung der gegenwärtigen
Not erzittern laſſen. Die wirtſchaftliche Not laſtet mit gleicher
Schwere auf allen Schichten unſeres Volkes, die etwa
ausgenom=
men, die ohne Empfinden und Verantwortlichkeit
augenblick=
lichen Vorteil wahrzunehmen und in ſinnlich,en Genuß
umzu=
ſetzen verſtehen. Das Kinderelend ſpottet jeder Beſchreibung
und verſagt ſich allen Verſuchen der Abhilfe. Faſt noch
furcht=
barer erſcheint die Gefahr geiſtiger Verkümmerung. Aus dem
Brunnquell geiſtiger Regſamkeit und Tüchtigkeit hofften wir
Kräfte der Erneuerung für unſeres Volkes Gedeihen zu ſchöpfen.
Noch zehrt das geiſtige Leben unſeres Volkes vom alten
Be=
ſtande, aber was ſoll werden, wenn die alten Vorräte an
geiſti=
gen Errungenſchaften und Bildungskräften aufgezehrt ſind? —
Was muß nicht alles aufgegeben werden! Unſere
Bildungsanſtal=
ten leiden Not, Studium und Berufswahl werden durch bittere
Armut eingeengt. Auch unſere Kirche muß verhängnisvollen
Abbau treiben und ein Liebeswerk nach dem anderen aufgeben.
Was ſoll werden, wenn die Führer im geiſtigen Kampfe nicht
mehr erzogen werden können? Und unſer Volk ſelbſt! Wie bitter
ſchwer der Gedanke, daß es von ſeiner geiſtigen Führerſtelle
ab=
treten müßte!
Freilich fehlt es nicht an Zeichen, daß wir nicht leichthin auf
das Ningen um geiſtigen Beſitz und Vorrang, um innerliches
Gut verzichten wollen. Wir dürfen die Opferwilligkeit rühmen,
die namentlich auf kirchlichem Gebiet ſich geltend macht.
Not=
ppfer zur Erhaltung der gemeinſamen Liebeswerke, zur Rettung
unſerer bedrängten Kirchengemeinden werden in erfreulichem
Maße dargebracht. Es geht durch unſere Zeit erneute
Erkennt=
nis von der Unentbehrlichkeit der Kräfte, davon die Seele lebt.
Es iſt neuer Hunger nach Gottes Wort, nach gottesdienſtlicher
Gemeinſchaft erwacht. Und wir haben es nicht nur mit
erzwun=
genen Entbehrungen zu tun, ſondern es regt ſich der Entſchluß
freiwilliger Rückkehr zur Einfachheit. Das iſt fürwahr ein
Zei=
chen der Geſundung, wenn gerade unſere gebildete Jugend dieſe
Rückkehr zur Einfachheit ſich ſelbſt und anderen predigt. Daß
auf dem Wege der Zucht unſer Volk zur Treue und Ehrlichkeit
ſich zurückfände, daß unſeres Volkes Gewiſſen wieder ſcharf
würde gegen den ſittlichen Verfall, das muß gemeinſames
An=
liegen aller Stände und Schichten ſein.
Je ſchwerer die Ungewißheit aller Zuſtände uns bedrückt,
um ſo wichtiger müſſen uns die unverrückbaren Grundlagen ſein,
von deren Sicherung inneres und äußeres Gedeihen abhängt.
Wenn aller verſchwommene Glaube in dieſer Zeit zuſchanden
geworden iſt, wenn alle behaglich=vertrauliche Stellung zu Gott
vor der furchtbaren Not der Zeit in ihrer Unkraft und
Unzu=
länglichkeit ſich erwieſen hat, ſo gewinnt die alte Lutherfrage
nach dem gnädigen Gott einen neuen Sinn. Und ſie kann ihre
Löſung nur in dem einen finden, der Weg, Wahrheit und Leben
iſt. Nach Heilsverkündigung, nach lebenskräftigem Zeugnis von
Chriſtus verlangt unſere Zeit, nach dem Glauben, der Wahrhei=
und Tat iſt.
Nur wenn wir alſo zu dem lebendigen Gott uns finden, nur
wenn im Glauben an Chriſtus die perſönliche Stellung zu Gott
und damit das vertiefte Vertrauen zu ſeiner waltenden Führung
uns gewonnen wird, vermögen wir auch an unſer Volk, an
ſei=
nen Wert und Daſeinszweck, an ſeine Zukunft zu glauben. Zur
Arbeit ruft die wirtſchaftliche Not, und alle Dinge um uns her
zeugen von der Notwendigkeit vermehrter, ernſter Arbeit.
Sitt=
liche Kraft iſt Arbeit nur dann, wenn ſie von überzeugten P=
r=
ſönlichkeiten geleiſtet wird, die in der Arbeit ihren Beruf
er=
kennen, weil ſie von Gott ihnen gewieſen iſt. Mit dem heiligen
Jahreswende
Von Bruno Krafft.
Ehern endet das Silveſier
Deutſchlands düſiertrübſtes Jahr.
Heimatbruder, Heimatſchweſter,
Nimm die große Stunde wahr!
Wenn die Glocken heut ſich heben,
Wirf nicht alles Alte fort!
Aus dem ſchwer gelebten Leben
Nimm dir Ballaſt mit an Bord!
Hat der Mut auch oft gemeutert,
War das Herz auch Knecht der Not:
Furchtgefeilt und leidgeläutert
Fährſi du nun ins Morgenrot.
Tauſch dem dunklen Glockenbitten
Ueberm weiten Nachtaltar!
„Taß, o Herr, was wir gelitten,
Fruchtbar werden dieſes Jahr!
Wandle uns zu wahrer Freude,
Dornenkranz zu Erntekranz!
Taß aus Trümmern das Gebäude
Neuerſtehn des Vaterlands!”
Horch! Es dröhnt mit tiefem Beben
Glockenerz zu Glockenerz.
Und es atmet neues Leben
Frühlingshaft der Heimat Herz.
Entſchluß der Arbeit an uns ſelbſt ſollten und wollen wir ins
neue Jahr gehen.; Führer unſeres Volkes zu neuem Aufſchwung
ſind in allen Ständen und Schichten die Menſchen, die es mit der
von Gott gewieſenen Pflicht ernſt nehmen. Nur langſam kann
dieſer Aufſchwung ſich vollziehen. Aber wir verzagen nicht an
unſerem Volk, weil wir an uns ſelbſt, an unſeren Aufgaben nicht
verzagen, weil wir an der Liebe Gottes nicht verzagen, die auch
die gegenwärtige Not uns um unſerer Läuterung willen
ver=
ordnet hat. Ihm ſei die neue Zeit mit dem alten Kernſpruch
befohlen:
Sprich ja zu meinen Taten,
Hilf ſelbſt das Beſte raten;
Den Anfang, Mitt und Ende,
Ach Herr, zum Beſten wende.
* Aufwärts die Herzen!
Eine Betrachtung zum Jahreswechſel
von Artur Brauſawetter.
Ein alter Prophet hat vor Tanſenden von Jahren
geſchrie=
ben, das Wort von dem Volke, das im Finſteren wandelt und
ein großes Licht ſieht. „Und über die da wandeln im finſteren
Lande, ſcheinet es helle.”
Und dies Wort laßt Einen nicht mehr los . .. gerade heute
nicht. Denn es iſt ſo jung und ſo wahr, als wäre es für unſere
Tage geſchrieben. und es liegt lichte Verheißung in ihm, die
wir ſo notwendig brauchen, insbeſondere beim Uebergang von
einem alten in ein neues Jahr.
„Das Volk, das im Finſteren wandelt”. Lange ſchöne Jahre
hindurch ſind wir durch Licht und Sonne gewandelt — und haben
es nicht gewußt, haben gemurrt und getlagt und uns und anderen
das Leben bitter und ſchwer gemacht. Nun hat ſich die Sonne
verhüllt, und es iſt Nacht geworden. Beſiegt, botmaßig fremden
Völkern, beſetzt und bedrängt im eigenen Lande, enttaffnet und
jeder Willrür untertan — du leuchtender Morgenſtern, wie tief
biſt du geſunken!
„Das Volt, das im Finſteren wandelt.” Nicht von außen
nur kommt die Finſternis verworrener, halb verſtandener, ganz
mißverſtandener Begriffe, eine ins Leere und Verſchwommene
taſtende Weltanſchauung, die die alten Gebote zertrümmert, ohne
die Fähigkeit zu beſitzen, neue an ihre Stelle zu ſetzen. Und
niemandem droht dieſe Finſternis ſo ſchwere Gefahr wie unſerer
aufwachſenden Jugend, auf die wir unſere ganze, unſere letzte
Hoffnung ſetzen, und die wir in eine Zeit heißer Kämpfe und
hoch ſich türmender Schwierigkeiten hineinſenden. Und wiſſen,
daß nur das reine und zugleich feſte Herz in ihr beſtehen kann.
„Das Volk, ſo im Finſteren wandelt‟. Ein dunlles Weſen
hat Goethe einmal den Menſchen genannt. Er weiß nicht,
wo=
her er kommt, noch wohin er geht; er weiß wenig von der Welt
und am wenigſten von ſich ſelbſt. Wir verſtehen das, wenn wir
rückwärts blicken. Wie viel Unbegreifliches und Unfaßbares hat
auf dem Wege gelegen, den wir in den vergangenen Jahren
haben durchwandern müſſen. Wie manches, mit dem wir uns
bis zum heutigen Tage nicht haben abſinden können. Und
wenn wir vorwärts blicken — wohin wird der Weg führen?
„Das menſchliche Herz”, ſchreibt einmal Luther, „iſt wie ein
Schiff auf wildem Meere, welches die Sturmwinde von vier
Oertern der Welt treiben. Hier ſtößt her Furcht und Sorge vor
künftigem Unheil, dort fährt Grämen her und Traurig eit von
gegenwärtigem Uebel — ſolche Sturunpinde aber lehren mit Eraſt
reden und das Herz öffnen und den Grund herausſchütten.”
Wenn ein Jahr wiederum vorübergerauſcht iſt, ernſt und
geheimnisvoll ein neues ſich öffnet, dann ſteht der Fuß
unwill=
kürlich ſtille, und das Herz wägt und ſinnt.
Selbſtbeſinnung iſt das erſte, loas uns beim Jahreswechſel
not tut.
Selbſtbeſinnung aber iſt nicht Grübeln und müßiges Fragen.
Selbſtbeſinnung iſt Wollen und Handeln.
Das war das große und das rettenve Ergebnis des
unglück=
lichen Krieges von 1807: Das Volk beſann ſich auf ſich ſelbſt,
auf die Wurzeln ſeiner Kraft und ſeiner Beſtimmung. Indem
es den harten Fügungen ſeines Gottes nachdachte, ſich nicht wider
ſie auflehnte, ſondern in ihnen die ſtrafende Hand Gottes
er=
kannte, lam es zur Cinkehr. Uind dieſe Einkehr hatte zur Folge,
daß es zu der Religion ſeiner Väter zurückkehrte.
Ein irreligiöſes Volk wird niemals Deutſchland wieder neu
aufbauen. Auf eine Jugend, die ſich von Gott und Gottesfurcht
losſagt, brauchen wir unſere Hoffnung nicht zu ſetzen. Weder
die Politik noch die Wirtſchaftslehre werden im Stande ſein,
ohne Beihilfe religiöſer und ſittlicher Mächte die Menſchheit
Glück und Rettung bringenden Zielen entgegen zu führen. Wie
es überhaupt keine menſchliche Tätigkeit von wahrhaft geiſtiger
Bedeutung gibt, die nicht in einer mehr oder minder bewußten
Beziehung zu Gott und göttlichen Dingen ihren Urſprung hat,
deren politiſches Leben nicht von religiöſen Zielen ängeregt und
erhoben würde, urteilt Leopold Nanke in ſeiner „Deutſchen
Ge=
ſchichte im Zeitalter der Reformation”. Und Goethe: „Alle
Epochen, in denen der Glaube herrſcht, unter welcher Geſtalt er
auch wolle, ſind glänzend, herzerhebend und fruchtbar für
Mit=
welt und Nachwelt. Alle Cpochen hingegen, in denen der
Un=
glaube, in welcher Form es auch ſei, einen kümmerlichen Sieg
behauptet, verſchwinden vor der Nachwelt, weil ſich niemand gern
mit der Erlenntnis des Unfruchtbaren plagen mag”,
Sind das nicht Worte, die zu denken geben? Wird unſere
Zzeit vielleicht auch einmal vor dem Tribunale des Völkergerichts
zu den Epochen gehören, die vor der Nachwelt verſchwinden
*Silveſter=Proklamationen
Von Peter Dörfler.
Den in ſeine „Höhle” verſchanzten Eberhard überfielen um
die Dämmerſtunde ſeine Freunde. Es könne doch unmöglich ſein
Ernſt ſein, den heiligen Silveſterabend verſtreben zu wollen! Das
räre Unnatur, ja Sabbatſchändung, über die Schwelle einer
neuen Zeit im Arbeitsſchurz, im Frondienſt — wenn auch der
Wiſſenſchaft — und auf dem Nacken das Joch hinwegzuſchreiten.
Das ganze Zimmer des jungen Hiſtorilers, Diwan, Seſſel,
Tiſch, ja ſogar der Fußboden war mit aufgeſchlagenen Folianten
bededkt. „Das ſieht ja aus wie auf einer Bleiche!” riefen die
auf=
geräumten Freunde, „was, Bleiche beim Mondſchein!” Und
klapp, klapp, ſchlugen die Bücher zu und ſchichteten ſich zu einem
Turm, der faſt das Lampenlicht verhielt.
Eberhard war grimmig geweſen, ehe ſie eintraten, aber jetzt,
da ſie ihm ſo gewalttätig in ſeine Kreiſe tappten, wurde er
wütend. „Ich pſeiſe auf dieſe Schwelle und dieſe neue Zeit!”
ſchimpſte er, „ich habe Euch doch ſchon geſagt, daß ich einen
Saſpelumlauf in unſerer Maſchine gar nicht als ein
erwähnens=
wertes Creignis anerkennen kann!“
Er bemerkte, während er ſie zornig anfunkelte, mit einmmal,
wie ihre Ueberröcke vom Regen feucht, ihre Schuhe vom
Straßen=
kot beſchmutzt waren. Da brach er in ein ſchadenfrohes Lachen
aus. „Tas freut mich, ſeht, es iſt mir eine Genugtuung, daß es
heute regnet und nicht ſchneit. Gerade wie an Weihnachten. Auf
allen Bildern der „Kunſtmaler”, in allen Geſchichten der Dichter
und in den Feuilletons ſchneit es, liegt rührend eine tiefe
Schnee=
decke. Aber Jupiter Pluvius läßt regnen, die wahre Wirklichkeit
überzieht allen Kunſtmalern und Kunſtdichtern zum Trotz die
Straßen mit Kot! Der Genius der Wirklichkeit ſchert ſich den
Teufel um Euer neues Jahr. Die Natur hat auch den
Arbeits=
ſchurz an!”
„Ja, die blinde Natur! ... wir korrigieren im Geiſte ..
wir ſchauen . .. wie mit dem anderen Geſicht!” ſchrien ſie
durch=
einander,
„Und kurz und gut. Ich erkläre wiederholt, daß ich heute
mein neues Jahr nicht feiere!”
„Wann dann? . . . Im Sommer?”
„Vielleicht im Sommer, vielleicht nach weiteren zehn
Haſpel=
wenden, vielleicht gar nie!"
„Vielleicht als Mummelgreis!“
Eberhard paate den, der gerufen „als Mummelgreis” am
Umſchlag des Rockes und ſchüttelte ihn: „Neujahr feiert man
immer als Kind, immer als ein Neugeborener!“
Brauſendes Gelächter war die Antwort. „Er orakelt, hört,
er gießt Blei aus einem pythiſchen Mund!”
Aber Eberhard ſetzte ſich wieder an den Schreibtiſch.
Vergeb=
lich drangen die Freunde mit ernſthaften Zureden in ihn,
ver=
geblich drohten ſie mit „Brachialgewalt”, Keine Beſchwörung
half. Da ſetzten ſie Cigenſinn gegen Eigenſinn und beſchloſſen
feierlich, den Strom der Feſtfreude in dieſen „Bücheraugiasſtall”
hereinzuleiten. Und in kurzem war Wein und aller Zubehör
her=
beigeſchleppt. Wie biwalierende Landsknechte kauerten, lehnten
und ſtrecten ſich die Freunde in der qualmenden Stube.
Eber=
hard machte den ſtummen Opponenten. Er ſaß als völlig
Unbe=
teiligter über dem Buch, die Ellenbogen aufgeſtützt, die Finger in
Haar und Ohren. Als ſie ihm auch dieſes letzte Buch wegerobert
hatten, blieb er gleichwohl in ſeiner Stellung. Aber gerade dieſe
ſtumme Oppoſition entfachte den Drang zum Wortſtreit. Der
An=
blick des troßig gewölbten Rückens reizte zum Kampf.
Vergeb=
lich verſuchte ein Liedermund, die heiteren Kräfte des Weins zu
löſen. Die Streitluſt war nun einmal in Hitze und jene
Orakel=
worte hatten die Tore der Weltanſchauung aufgeriſſen. Jeder
glaubte, er und nur er habe die Hebelſtütze gefunden, um die
Welt endlich weiterzubewegen. Die vaterländiſche Ciche, endlich
wieder aus aufgeſvühlter, blutgetränkter Heimaterde
aufwach=
ſend — ſie ſei das Zeichen der neuen Zeit, ſie müſſe man pflegen.
lehrte der erſte gegen den dunklen Rücken. Ein zweiter ließ aus
dem Wirrwarr der Tage den „Kaiſer” auftauchen. Er war
be=
rauſcht von dem Wort „Kaiſer”, dem er einen kosmopolitiſchen
Sinn gab. Dieſer „Kaiſer” band Okzident und Orient. Ihm
war Curopa eine kleine Provinz. Er baute Brücken über Meere
und Nationen. Ein dritter konnte kein Heil von politiſchen und
wirtſchaſtlichen Sch pſungen erwarten. Er hatte ein theokratiſches
Geſicht. Das Heil komme von einer Ueberwindung des kultur=
loſen Anarchismus in der geiſtigen Welt. Sie müſſe in einer
neuen Einheit gebunden und organiſiert werden. Jede Anſicht
kam wie eine breite, hochgeſchwellte Meereswoge, eine Front
un=
widerſtehlicher Kraft daher. Aber ſie zerſtäubten, verſpritzten eine
nach der anderen an den Widerſtänden. Erſt in brauſendem,
ſchönem Geſchäum, dann in jedem Wortgezänk. Sie fuhren ſich
gereizt an und hatten doch ſchon das verdroſſene Gefühl, um
keinen „Kaiſer” mehr, ſondern nur noch um des Kaiſers Bart
zu ſtreiten. In dieſer Lage waren ſie dankbar, daß nun jener
Liedermund wieder vordrang; ſie fielen ihm zu, begannen zu
ſingen, und luſtige Reden flochten ſich zu einem übermütigen
Reigen. Sie wären wohl bald in eine richtige Silveſtertollheit
hineingeraten, wenn ihre Laune nicht von dem klotzigen Rücken,
dieſem unbeweglichen Fels im flüchtigen Spiel, dieſem ſtummen
Opponenten geſtört worden wäre. Aufs neue fühlten ſie ſich
ge=
reizt, ihn zu überwinden. Und auf einmal war mit Zwinkern
und Raunen ein letzter Angriff vereinbart. Sie verſtummten
plötzlich und ſaßen wie bronzene Buddhas. Nach einer Weile
löſchte einer ſogar das Licht. Wer hätte nun ahnen können, daß
in dieſer Stube ſo viele ſtürmiſche Jünglingsherzen pochten und
von einem großen neuen Jahr der Menſchheit träumten. Sie
ſammelten die im Widerſtreit verwirrten Ideen, und in der
fruchtbaren Stille gewannen ſie neue Schönheit und große
Ge=
walt. Da ſie aber der Kraft ihres Ueberfalls bereits zu
miß=
trauen begannen, ſchoß auf einmal Eberhards dunkle Geſtalt ſteil
und ſchlank vom Stuhle auf. Er drehte ſich ihnen zu und begann
langſam und leiſe:
„Ihr ſeid es wert, daß ich Euch von meinem neuen Jahr
er=
zähle. Ich ſah es, ſchaute es auch erſt an dieſem Abend. Ehe Ihr
eintratet, führte mich Klio eben zu einem berühmten Jüngling
der Weltgeſchichte. Es iſt keine mythiſche Geſtalt, ich weiß ſeinen
Namen, Ihr kennt ſein Werk. Aber ich nenne Euch ſeinen Namen
nicht, weil Ihr ſonſt ſogleich gegen ſeinen Wert und ſein Werk
Sturm laufen würdet. Aber ich verteidige nicht ſein. Werk, ich
will nur ſagen, daß ich an ſeiner Geſchichte erkannt habe, wie
neue Jahre der Menſchheit werden. Dieſer Jüngling nun verließ
die Stadt und die Lehrer und die Bücher und die Menſchen und
alles Menſchliche, verließ ſogar die Kirchen, obwohl mönchiſch
geſinnt, verließ die Jahreszeiten und die geſamte Natur, ſoweit
ſie ein Meuſchenleib verlaſſen kaun. Und all das geſchah mit ihm,
Nummer 51
Unterh kangsblätt ind Frauenzeitung
weil ſich niemand gern mit der Erkenntnis des Unſruchtbaren
plagen mag?
Um es zu verhindern, muß zu der Selbſtbeſinnung ein
Zweites treten: Selbſtgewinnung. Wir müſſen uns nicht nur
auf die Wurzeln unſerer Kraſt beſinnen, wir müſſen ſie mutig
neu zu gewinnen ſuchen.
Aus dem Rüawarts muß ein Vorwärts werden. Wir haben
uns in dieſen unſeligen Zeiten, in dieſer ſteten Demütigung und
Erniedrigung ſelbſt verloren. Das war unſer größtes Ungluck.
Wir haben den Glauben an uns, unſer Vaterland, unſere
Sen=
dung in der Geſchichte verloren. Wir ſind trank geworden, krank
an der Seele, krant in Zagen und Zweifeln. Wir müſſen nicht
nur den Glauben an Gott, ſondern auch den an uns ſelbſt, an
das Gute und Große unſerer Sache wiedergewinnen. Denn ohne
ihn können wir nichts ausrichten. Tapſer ſein iſt alles. Tapfer
ſein iſt auch Religion.
Freilich, mit der Selbſtbeſinnung und Selbſtgewinnung muß
dann ein Drittes ſich einen: Selbſtüberwindung.
Inmitten der fiebernden Arbeit, die uns der Kampf um
un=
ſere Exiſtenz aufgezwungen, gibt es eine Arbeit, die weſentlicher
und wichtiger iſt als jede andere: die Arbeit an uns ſelber. Denn
in ihr iſt enthalten die unerläßliche Bedingung allen Menſchſeins:
unentwegte Weiterentwicklung.
Eine Entwicklung, die vornehmlich darin beſteht, daß wir
das Schwere, das uns verordnet iſt, nicht nur auf uns nehmen,
ſondern es uns zur Förderung unſeres inneren Menſchen dienen
laſſen. Daß wir ſittlich und ſeeliſch beſſer und ſtärker aus der
Prüfung harter Tage hervorgehen, fertiger und bereiter,
kom=
mende Heimſuchungen auf uns zu nehmen.
Damit wird das Vorwärts zum Aufwärts. „Sursum
corda!‟ Das iſt Neujahrsloſung.
Sonderbar, je älter wir werden, um ſo ſchattenhafter wird
uns das ſogenannte Wirkliche. Um ſo deutlicher erkennen wir,
daß das, was wir als wirklich wähnten, etwas Unwirkliches und
Unweſentliches iſt und das, was uns jenſeits des Raumes und
der Zeit zu liegen ſchien, das allein Wirlliche und Weſentliche.
Bis wir zur letzten und tiefſten Erkenntnis des ganzen Lebens
kommen: daß es nur eine Wirklichkeit gibt. Und die heißt Gott.
„Wie Gott will, es iſt doch alles nur eine Zeitfrage, Völker
und Menſchen, Torheit und Weisheit, Krieg und Frieden, ſie
kommen und gehen wie Waſſerwogen, und das Meer bleibt”. So
ſieht auch Bismarck das Vergängliche als Gleichnis.
Solche Weltanſchauung allein kann uns die innere Kraft
geben, die wir für das kommende Jahr brauchen. Die Kraft, ſich
in all dem Unklaren und Unverſtändlichen, das uns umgibt,
zu=
recht zu finden, die Kraft, einſam und allein in der Menge zu
ſtehen und dennoch treu bis in den Tod ſeiner Ueberzeugung zu
leben, die Kraft, wo es ſein muß, auch Verantwortung auf ſich
zu nehmen, die Kraft, mit Trübſal und Verzagtheit, mit tauſend
Enttäuſchungen und Widerſtänden zu kämpfen bis aufs Blut
und dennoch lebensſtark und lebensfroh zu bleiben, die Kraft
ſchließlich, täglich ſterben zu ſehen, was wir lieben, und an
Grä=
bern noch die Hoffnung des Lebens aufzupflanzen.
Den Kopf hoch, das Herz tapfer, rein und klar. Vorwärts
und aufwärts zugleich. Das iſt die Loſung für das ernſte neue
Jahr.
* Ende und Beginn
Von Willi Dünwald.
Durch Brauch iſt uns die Uebung geläufig, in jenem
Augen=
blick, in dem aus der 12. Stunde des letzten Jahres die erſte des
neuen wird, einzuhalten in unſerem geſchäftlichen Tun und
ebenſo rück= wie vorwärts zu ſchauen. Mit ungewollter
Gedanken=
ſchnelle wird der Minute, deren das Leben nur ſiebzig, und wenn
es hoch kommt achtzig hat, Inhalt gegeben: das vergangene Jahr
gewertet und das neue mit Wünſchen befrachtet. Und
irgend=
zwie, in den verſchiedenen Vorſtellungsformen, beſinnen wir uns
dabei auf ein an uns tätigem Schickſal, rechten mit ihm und
erbitten zugleich ſeine neue Gunſt. Auch wer den Göttern
da=
vongelaufen meint und nur an ſich ſelbſt noch glaubt, ſpürt in
der Atempauſe der ſchnellaufenden Zeit eine Unterſtelltheit unter
Gewalten, die das eigene Ich, möge es ſich noch ſo kräftig und
mächtig fühlen, nicht umfängt und in ſein begrenztes Begreifen
zwingt. Dieſes Erlebnis in Demut, ſo ſchnell es auch wieder
verdämmern mag, iſt für viele die einzige Jahreseinkehr ins Ich.
Darum iſt dieſer Augenblick, auch wenn er ſich über dem
Punſch=
glas begibt und ſchnell fortgeſpült wird, von hohem, nicht zu
hoch zu bezifferndem Wert. Und doch ſollte die Unbegreifbarkeit
des Schickſals, das ein Jahr weiter an uns hämmerte und
mög=
licherweiſe uns auch zerhämmerte, nicht allzu bequem jenſeits
unſerer Hautgrenze geſucht werden. Iſt der Sinn des Lebens
heranreifen geweſen, ſo werden ja auch bereits die
Schickſals=
ſterne in der eigenen Bruſt gefunden ſein. Wer aber dieſes weiß:
daß ſeine Tage ſo wurden, wie die Möglichkeit dazu in ſeinem
Ich vorhanden war, der wird, ohne das Schickſal minder groß
ſund unerklärbar zu finden als derjenige, der außer oder über ſich
ein beſtimmtes Verwalten über ſein „eben glaubt, den Ablauf.
wie er geſchah, als in ſich gerechtfertig erkennen und nur dann
hoch hadern, ſo er in ſelbſtquäleriſcher Luſt gegen ſich ſelber
eifern möchte. Dem alſo Gereiften, der ſein Leben und das, was
Glück und Unglück genannt iſt, in ſeiner körperlichen und
ſeeli=
ſchen Veranlagung erklärt findet, wird ſich überdies die
Gerech=
tigkeit beigeſellen, denn wiſſen muß er nun auch, daß die Men=
ſchenwege, zumal wo ſie ſich überqueren, nur ſchickſalsauslöſend
und nicht ſchickſalsbringend ſind, darum die Einklagung eines
anderen Menſchen für dieſe oder jene Schmerzverurſc hung ſich
kaum noch rechtfertigen läßt. Freilich hebt ſich in ſolcher
Betrach=
tungsweiſe auch jede Eigenſchuld auf. Aber wenn dem auch ſo
wäre, und es iſt wohl ſo, das Fundament der menſchlichen
Ge=
ſellſchaft braucht darum nicht ins Grundige zu verſacken. Höchſte
Selbſterkenntnis iſt ja letzthin geleitet von dem unſagbar
ſchmerz=
lichen Wiſſen, daß alles Leben ſich an anderem Leben nährt und
ein Schuldigwerden nach dem Begriff der Moral auch da
ſtatt=
findet, wo ſie befolgt wird in ihrem vielfach widernatürlichen
Geſetz.
Es iſt nicht unſchwer, ſondern es müßte bei einer rechten
Erziehung zur Gemeinſchaft ſelbſtverſtändlich ſein, dem hier
Ge=
ſagten Bedeutung zu geben über das Einzelmenſchliche hinaus.
Ein Ziel, aufs innigſte zu wünſchen, daß der Einzelne ſich als
Ganzes wüßte und ſeiner Zunge das Wort: „Der Staat bin ich”
durchaus geläufig wäre. Dazu bedarf es freilich noch erſt der
Er=
ziehung, die anſtelle billiger Verführung zur untergeordneten
und geleithammelten Maſſe das hohe Vernunftideal einer Recht=
und Pflichtgemeinſchaft als das ſtaatennotwendige Ziel erkennt
und erſtrebt. Kein Vaterland iſt heilig, ſage man ein
Menſchen=
alter hindurch der Jugend, in dem nicht der Geringſte auch das
Staatsbewußtſein in dieſem Sinne hat, und man wird eine
Ge=
meinſchaft erzogen haben, die nie irrezuführen iſt, weil ſie ſich
Zum Jahreswechſel
Von Karl Rosner.
Ein müder Läufer, der zum Ziele keuchte —
Ein Glied zur Ewigkeit geſpannter Kette —
Reicht, niederbrechend, die erhobene Leuchte
Der neuen, tatendurſtigen Stafette.
Und hoch im Arm die windgefegten Brände
Strafft ſie im Lauf die jugendſtarken Sehnen,
Trägt Licht in dunkel ruhende Gelände,
Die ſich vor ihr — vor uns — in Weiten dehnen
Ein ſterbend Jahr hat ſeinen Lauf geendei,
Durch Not und Qual hat es ſein Licht geiragen,
Es ſah den Feind vom alten Haß verblendet,
Es ſah den Bruder ſeinen Bruder ſchlagen.
Vorbei — vorbei —! Wir wollen vormärts ſchauen —
Es fiammt ein Leuchten — und erhellt die Weiten:
Wir wollen gläubig ſeinem Weg vertrauen
Und ſtari und hoffend in die Zukun t ſchreiten!
Kar6
nicht in die Irre führen läßt. Denen, die den Begriff Staat ſo
in der allernatürlichſten Weiſe verwirklichten, ihn nur erneuerten
in ſeinen Uranfängen, würde das Einzelmenſchliche in der
obi=
gen Ausführung ohne weiteres von Gemeinſchaftsbedeutung
ſein. Auch ein Volk als das Reſultat geographiſcher und
klima=
tiſcher Bedingung, muß man den heutigen, noch unſtaatlichen
Menſchen ſagen, trägt ſein Schickſal in ſich, in ſeiner Artung und
in ſeiner ganzen, zwangsläufigen Exiſtenz. Wer
Schickſalsab=
läufe überſchaut, darf ſich dieſem Naturgeſetz nicht verſchließen,
auch wenn das Ergebnis ein ſchmerzliches ſein muß und die
Ur=
ſächlichkeit für etwa zu verzeichnendes Unglück bei dem
betrof=
fenen Volke ſelbſt geſucht werden muß. Muß ich noch ſagen, daß
ich mit dieſem Hinweis Deutſchland meine, das Land, das auch
als es angeblich blühte und gedeihte, von ſeinen beſten Söhnen
zur Beſinnung gerufen wurde?
Vielleicht iſt nur der in der bedeutungsvollſten 12. Stunde
im Ring des Jahres mit der Summe ſeines letzten
Lebensab=
ſchnittes nicht einverſtanden, der abwegig wurde und gegen ſich
ſelber lebte. Sich unerfüllt aber läßt, wer dem Ruf nicht folgt,
der durch Naturbedingung an ihn erging. Mag jeder ſich
erkun=
den, von welchem Inhalt der übertönte Ruf war, und mag auch
jeder ſich eingeſtehen, warum und weshalb er abſtrebte von ſich
ſelbſt und damit von ſeinem wirklichen Glück, das eben nur in
der Erfüllung des eigenen Ichs zu finden iſt. Sinnlos iſt darum,
das neue Jahr mit anderen Wünſchen zu befrachten als dem
einen: Reif zu werden gemäß der eigenen Artung. Wer aber
ſpricht als rechtſchaffener Deuter den Völkern von ihrer, von
Erde und Sonne, Luft und Wind bedingter Artung, und wer
wünſcht ihnen die Weisheit, die in der Begrenzung liegt, ſo wie
ſie der Dornbuſch hat, dem es kaum nach Datteln= und
Feigen=
früchten gelüſten wird, weil ſich ohnedies Gott auch in ihm
offen=
bart. Wer endlich ſchlägt die Verführer aufs Maul und zerbläſt
ihre gedankenloſen Reden, die götzendieneriſch der Macht und
dem Golde gelten, mit ſturmſtarker Stimme menſchlicher
Ver=
nunft? Mit dieſem einzigen, in ſich ſelbſt gerechtfertiaten Wunſch
für die Völker der Erde und das Volk, das ich insbeſondere
meine, befrachte ich das neue Jahr, denn nur ſo, glaube ich, kann
der Jahrtauſendbaum der Menſchheit weiter wachſen und immer
beſſere Frucht reifen laſſen.
*Wie Goethe Silveſter feierte
Goethe hat des Jahres letzter Stunde ſtets beſondere
Be=
deutung zugemcſſen und ſie gern in fröhlichem Kreiſe verbracht;
als Jüngling mit den Kameraden oder mit dem Herzog wild
durch die Nacht ſchwärmend, als Mann mit Schiller beim
Cham=
pagner auf dem Hofball. In ſeiner ſpäteren Zeit verlebte er
eine Zeitlang den Silveſterabend bei Johanna
Schopen=
hauer, der Mutter des Philoſophen, die ſelbſt eine geiſtreiche
Schriftſtellerin war und den erſten bürgerlichen Salon in
Wei=
mar eröffnete. Ihre „Abendgeſellſchaften” wurden berühmt, weil
ſich hier die geiſtigen Heroen Ilm=Athens gern verſammelten
und eine literariſche „Nebenregierung” entſtand. Die ganze
Be=
dentung, die die kluge und welterfahrene Hofrätin Schopenhauer
für die Weimarer Geſellſchaft in den erſten Jahrzehuten des
19. Jahrhunderts beſaß, geht aus einem Buch hervor, das ſoeben
Profeſſor N. R. Houben unter dem Titel „Damals in
Wei=
mar! Erinnerungen und Briefe von und an Johanna
Schopen=
hauer” bei Klinkhardt u. Biermann in Leipzig herausgegeben
hat. Houben hat uns hier den zweiten Teil ihrer Erinnerungen
geſchenkt, den ſie ſelbſt nicht mehr ſchreiben konnte, und der
koſt=
barer geworden ſoäre als ihr „Jugendleben und Wanderbilder”
da ſie in dieſer Epoche in enger Gemeinſchaft mit Goethe und
ſeinem Freundeskreis gelebt hat. Aus den Briefen der
redſeli=
gen Frau, aus den Zeugniſſen der Teilnehmenden baut ſich nun
die eigenartige Stimmung ihrer Abendgeſellſchaften vor uns
auf, in denen des alternden Olympiers geſellige Genialität ſich
noch einmal ganz entfaltete. Frau Schopenhauer gewann Goethe
ſofort dadurch für ſich, daß ſie Chriſtiane, der von der Geſellſchaft
Verfehmten, die damals eben ſeine Frau geworden war, mit
offenen Armen bei ſich aufnahm. „Goethe hat ſich Sonntag mit
ſeiner alten geliebten Vulpius, der Mutter ſeines Sohnes,
trauen laſſen”, ſchreibt ſie am 24. Oktober 1806 an ihren Sohn
Arthur. „Den Tag darauf ſchickte er Dr. Riemer, den Hofmeiſter
ſeines Sohnes, zu mir, um zu hören, wie es mir ginge;
den=
ſelben Abend ließ er ſich bei mir melden und ſtellte mir ſeine
Frau vor. Ich empfing ſie, als ob ich nicht wüßte, wer ſie
vor=
her geweſen wäre: ich denke, wenn Goethe ihr ſeinen Namen
gibt, können wir ihr wohl eine Taſſe Tce geben. Ich ſah
deut=
lich, wie ſehr mein Benehmen ihn freute. Goethe blieb faſt zwei
Stunden und war ſo geſprächig und freundlich, wie man ihn ſeit
Jahren nicht geſehen hat.‟ Damit war ein häufiger Verkehr
eingeleitet. Der Dichter wurde der Mittelpunkt des angeregten
Kreiſes, dem er bald Hebelſche Gedichte, bald Calderon vorlas,
Geſpenſtergeſchichten erzählte oder mit dem er ſeine Witze machte
und Geſellſchaftsſpiele veranſtaltete. „Goethe fühlt ſich wohl bei
mir und kommt recht oft,” erzählt Johanna dem Sohn. „Ich
habe einen eigenen Tiſch mit Zeichenmaterialien für ihn in die
Ecke geſtellt. Wenn er dann Luſt hat, ſo ſetzt er ſich hin und
tuſcht aus dem Kopfe kleine Landſchaften. Welch ein Weſen iſt
dieſer Goethe! Wie groß und wie gut! Da ich nie weiß, ob er
kommt, ſo erſchrecke ich jedesmal, wenn er ins Zimmer tritt; es
iſt, als ob er eine höhere Natur als alle Uebrigen wäre; denn
ich ſehe deutlich, daß er denſelben Eindruck auf alle Uebrigen
macht, die ihn jedoch weit länger kennen und ihm zum Teil weit
näher ſtehen als ich.”
Beſonders feierlich und manchmal recht ausgelaſſen
ver=
liefen nun die Silveſterfeiern, die Goethe in den Jahren 1806,
1807 und 1808, gelegentlich auch ſpäter, leitete. „Am
Silveſter=
abend, wo Frau Schopenhauer einen engeren Kreis
geſchmack=
voll bewirtete” berichtet Stephan Schütze unterm 31. Dezember
1806, „war Goethe überaus heiter. Unter anderem erzählte er
von dem Erfolg des großen Rätſels, das er in die Welt
aus=
geſandt (es war das Jahr, in dem der „Fauſt” erſchien). Briefe
über Briefe kamen mit Auflöſungen. Es koſtete viel Porto und
der Bediente geriet außer ſich. „Laſſen wir das noch eine Weile,”
ſagte er. „Es ging vorzüglich nach dem Harz zu, und endlich
brach es ſich am Brocken.‟ Dann neckte er die Bardua, die mich
mit einem Einfalle malen ſollte. Den folgenden Tag, als er
wiederkam, ſaß ſie unter dem Tiſch, weil ſie ſeinen Befehl nicht
vollzogen hatte. Wie ſie aber jetzt hervorrauſchte, erſchreckte ſie
ein ſehr ernſtes Geſicht — der Scherz war vorüber.” Auch ſonſt
konnte Goethe mitten in der größten Heiterkeit plötzlich ernſt
werden. Zu Silveſter 1807 hatte Johanna Sänger und
Sänge=
rinnen des Theaters eingeladen, um dem Abend eine muſikaliſche
Weihe zu geben. Goethe kam von der Lektüre italieniſcher
Schäferidyllen”, erzählt Schütze, „und befand ſich in einer ſanften
lyriſchen Stimmung, in welcher er ſich mit großer Anmut über
das Geleſene ausſprach. Nachdem herrliche Lieder, beſonders von
Zelter, waren geſungen worden, während Goethe in den
Zim=
mern auf und ab ging, ſetzte ſich die Geſellſchaft an verſchiedene
Tiſche. Ich bekam einen Platz unter den Künſtlern und gab
mich hier um ſo lieber luſtigen Einfällen hin, als in dieſem
Kreife ſich eine Lachtaube befand, die für Scherze ſehr
empfäng=
lich war. Aber plötzlich — mitten in der Fröhlichkeit — klopfte
Gocthe auf den Tiſch, augenblicklich Stille und Geſang gebietend.
Da hätte man ſehen ſollen, wie das halb ausgeſprochene Wort
auf den Lippen erſtarb, wie die Mienen zuckten und ein
Wetter=
leuchten über die Geſichter fuhr. Zum Glück haben Schauſpieler
ſich mehr in ihrer Gewalt als andere Menſchen. Sie blieben
nun auf ihrer Hut, und wie Goethe einmal aufgeſtanden war,
ſchlich einer nach und kam mit der Nachricht zurück: er lacht!
was dann die vorige Luſt wieder zurückführte.”
weil er in einem heiligen Augenblick empfangen und wie jede
Empfängnis in eine Höhle hineingeſchlungen wurde. Er lebte
alſo Jahr um Jahr in einer unzugänglichen, mütterlichen Höhle.
Draußen feierten ſie Sonnenwend um Sonnenwend, unter ihm
fang der Anio ſeine brauſenden Weiſen, ſangen die Nachtigallen
des Aniotales, da brachen Blüten auf, klopften Früchte auf die
Erde, er aber war blind für die Haſpel der Natur. Draußen
ſangen ſie: „Chriſt iſt geboren, Chriſt iſt erſtanden” ſie feierten
das Brauſen des Gottesgeiſtes — er war blind für Weihnachten,
Oſtern, Pfingften, blind für Sonn= wie Werktag. Die
Volks=
genoſſen und fremden Völker rangen weiter in Parteiungen
drängten ſich um Bacchus und Venus, um Plutos und
Poly=
hymnia. Er aber lebte in der Höhle wie ein Ausgeſtoßener, ja
wie ein Toter — und keiner war doch in ſolcher Gemeinſchaft
mit allem Kreislauf der Schöpfung, keiner ſo lebendig, ſo voller
Wachstum und Kraft. Sie hatten die reiche Bruſt der Alma
mater, die Worte der Dichter, die Schätze der Vorzeit, die
Offen=
barungen und das heilige Mahl des göttlichen Brotes. Er aber
genoß nur Tau des Himmels und das tägliche Brot des Raben.
Und eines Tages war er reif und wurde geboren. Hirten,
die ein verirrtes Bergſchaf in den Schluchten des Aniohanges
ſuchten, ſahen durch das Geſtrüpp ein rauhes, braunes Fell
leuch=
ten, glaubten ein wildes Tier zu ſehen und fanden Benedikt von
Nurſia, der ſeine Höhle verlaſſen hatte, und ſchauten ihm in die
Augen und merkten, daß ſie ein ſolches Licht noch nicht geſehen
hatten. Ein Tag war der Menſchheit geboren.
Jeder Menſchenleib tritt aus dunkler Umſchloſſenheit an das
Licht. Und jeder große Gedanke muß ſeine Zeit ausgetragen
wer=
den in der mütterlichen Höhle. Es iſt mir Glaube geworden, daß
unſer ganzes Volk in dieſen dunklen Tagen der Not empfangen
wurde . . . Wann wird es neu geboren heraustreten aus der
nächtlichen Höhle? Dann wäre es Zeit, ein neues Jahr zu feiern.
Aber die neuen Jahre der Menſchen können wir nicht an den
Sternen ableſen. Erſt rückblickend und die Geſchichte ſchreibend
vermögen wir ſie zu künden. Die neuen Jahre der Menſchheit
können wir nicht „wollen”; aber man kann und muß ſie erſehnen.
Bis zur Selbſtverzehrung muß Sehnſucht brüten und glühen.
Die ſelbſtzufrieden über jeder Idee Gackernden zerſchlagen das
Ei, ehe es reif iſt! Viele werden empfangen, wenige geboren!“
Eben ſchlug die Uhr Mitternacht. Die Glocken ſangen, Schüſſe
riſſen in die Nacht, Muſik ſchlang rote Narrenlampen durch die
ernſte Schönheit. Eberhard lachte grimmig. „Was iſt geſchehen?
Drunten iſt der Markt aufgetan. Holt Euch die neue Zeit. Der
billige Jgkob bietet ſie feil. Jeder kann ſie kaufen!“
Eine rheiniſche Neujahrsnacht
Von F. Ernſt.
Das würdige, alte Fräulein Lammerz ſaß in unſerem
ver=
halten=fröhlichen Kreiſe, als ob ſie dazu gehöre; ihr
ſchwarzſeide=
nes Kleid, die knotenartig verſchlungene Goldbroſche und die
Haarringe an ihren zartwelken Händen, wieſen auf eine längſt
vergangene Zeit, ihr noch immer ſchön geſchwungener Mund
lächelte, an der Unterhaltung teilnehmend. Wer aber ihre Augen
beobachtete, der nahm wahr, daß ſie in die Ferne ſchauten, und
wir alle wußten, was das zu bedeuten habe. Dieſe Augen einer
Vertriebenen ſahen eine verlorene Heimat, ſahen das Glitzern der
Nachmittagsſonne auf dem Rhein, wenn die Wellen der Dampfer
die Weiden am Ufer mitſchwingen laſſen, ſahen dahinter die
hel=
len Landhäuſer im Obſtbaumkranz, die ſteilen Linien der Berge,
den Drachenfels die Löwenburg, den finſtern Düſtemich im hohen
Weſterwald. Wir alle vermieden es, den heiligen Strom zu
nennen und an die Wunde zu rühren. Freund Arnold erzählte
unermüdlich ſeine Schnurren, und wir wärmten gerade,
gegen=
ſeitig unſere Erinnerung anfriſchend, jenes unvergängliche
Sil=
beſterfeſt in ſeiner Malerklauſe auf, mit all ſeinem luſtigen Fug
und Unfug bis früh um ſechs Uhr.
Da ſagte Fräulein Lammerz mit ihrem leicht ſingenden,
rhei=
niſchen Tonfall: „Meine letzte Neujahrsnacht am Rhein hatte
auch ihr Verdrehtes, wenn ſie auch für mich ſelbſt ſehr betrübt
war und meine Haare nun ganz weiß gemacht hat.”
Und während die hübſche Frau Arnold die welke Rechte in
ihre beiden blühenden Hände nahm und ſtreichelte, erzählte das
Fräulein weiter: „Sie wiſſen ja, daß wir drüben mit
unlieb=
ſamen Einwohnern beglückt werden. Ich hatte bisher die Frau
eines Offiziers in meinem beſten Zimmer wohnen, über die ich
nicht klagen konnte. Er kam nach Syrien, ſie folgte. Den
Dreißig=
ſten zog eine neue Franzöſin ein, Mademoiſelle Angeline, ganz
nett, das läßt ſich nicht leugnen, ſchlank, braun von Augen, Haut
und Haar, mit jähen Bewegungen. Da ich bisher immer ältere
Damen hatte, war ich ein wenig in Sorge, ſuchte mein Franzöſiſch
zuſammen und machte der Kleinen klar, daß um 9 Uhr das Haus
abgeſchloſſen würde, weil die Einbrechergefahr doch ſo groß und
ich allein ſei. Sie lachte dazu, als ob ich ein Krätzchen erzählt
hätte, ſetzte ſich aufs Sofa und lachte immer mehr. Dann fing
ſie an auszupacken, bald roch das ganze Haus wie ein Duftladen,
das Zimmer war eine orientaliſch=indiſche Ausſtellung, überall
türmten ſich Seidenkiſſen, Decken, Photos, Salben, Pomaden und
lauter ſolcher Krimskrams. Abends ging ſie aus, ins
Gottes=
haus, wie ſie ſagte, und kam um zehn Uhr zurück, überluſtig,
wollte mir um den Hals fallen, roch nach einem ſtarken Likör und
erklärte, heute ſei ſie etwas zu ſpät gekommen, morgen bleibe ſie
dafür zu Hauſe.
Den Silveſtertag über fiel mir auf, daß Angeline mit mir
redete, wie man mit einem ſchwachbegabten srinde ſpricht, obwohl
meine lühle Höflichkeit ihr dazu keinen Anlaß bot. Abenos dachte
ich bei mir: „Mein Gott, das junge Ding ſitzt, wie es ſcheint, die
Silveſternacht ſtill zu Hauſe!”, und überlogte ſchon, ob ich einen
kleinen Punſch brauen ſollte. Da, um acht Uhr, reißt es an der
Klingel, Angeline huſcht vor mir nach an der Tür, ein junger
Franzoſe ſteht da, ſie klatſcht in die Hände, lacht und ſtellt ihn
vor „Mon ami!” Ich denke, ſo ſpät noch, ſage aber nichts und
gehe in die Küche. Nun Lachen in Angelines Zimmer, Johlen,
ein Getümmel, als ob alles drunter und drüber ginge, nach einer
knappen Stunde verſchwindet der junge Mann mit Lärmen. Ich
freue mich ſchon, es iſt noch nicht neun Uhr, das geht ja noch an.
Punkt neun Uhr neues Klingeln, Mademoifelle vor mir an der
Tür. „Ah,” ſtellt ſie mir vor, „mon compatriote, mein
Lands=
mann!‟ Der Mitpatriote bringt einen Korb voll Eſſen mit,
wei=
ßes Franzbrot, Sardinenbüchſen und Kognalflaſchen lugen
her=
vor. Händetlatſchend verzieht ſich Angeline mit ihm ins Zimmer.
Wieder Lachen, Johlen, Stampfen, als ob jemand Schuhplattler
tanze, Gläſerklingen. So geht es laut und leiſe eine Stunde
lang. Ich weine vor Aufregung, was ſollen die Nachbarn
den=
ken. Kurz vor zehn Uhr ſpringt die Tür auf und der Compatriote
verſchwindet. Als es wieder ſtill iſt, gehe ich zum Haustor und
riegele zu. Kaum habe ich die Kette vor, ſehe ich durch die
Ober=
lichter den grellen Schein einer Radfahrlaterne. Schon klingelt
es, ich öffne und ſage: „Fräulein empfängt nicht mehr!” Aber der
Mann, ein unterſetzter, flackeräugiger Franzoſe, ſchiebt mich mit
dem Vorderrad beiſeite, ſtellt ſeine Maſchine in den Gang, ſchließt
die Tür, begrüßt Angeline, die unterdeſſen herbei am, beide
ſpre=
chen ſehr ſchnell und laut Franzöſiſch miteinander, ſodaß ich nicht
folgen kann, Angeline ſagt zu mir „Mon Compagnon!” und rennt
mit dieſem neuen Compagnon in ihr Zimmer. Was ſoll ich tun?
Während ich mich gifte und an meine Eltern denke, die dies
Haus in Frieden bewohnt hatten, hebt im Zimmer wieder der
Radau an, laut und leiſe wird gelacht, ge ichert, gequitſcht und
albernes Geräuſch gemacht. Dreiviertel elf Uhr hat der
Compag=
non ausgelacht und fährt wieder fort, nachdem er durch ſeine
kleingedrehte Laterne das ganze Haus mit Knoblauchdünſten
er=
füllt hatte. Ich gehe mit müdem Schritt nach der Tür, um jetzt
Jahrgang 1923
Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung
Nummer 51
* Gedanken zum neuen Jahr
Von Reinhold Braun.
„Es iſt ein altes feſtes Schickſalswort, daß eine neue
Seligkeit dem Herzen aufgeht, wenn es aushält
und die Mitternacht des Grams durchduldet.”
Friedrich Hölderlin.
Guſtav Frenſſen ſagt in einem ſeiner Bücher: Weihnachten
iſt Herzensſache, und wem es nicht Herzensſache iſt, der ſage
nicht, daß er Weihnachten feiere. Dasſelbe gilt auch von dem
Feiern des Silveſterabends und des neuen Jahres. Auch ſie
beide ſind Herzensſache, und an leinem Abende wird wohl die
Gegenſätzlichkeit in einem Volle und überhaupt der Menſchheit
ſo offenbart, als in der Feier der Silveſterſtunden und der Nacht
ins neue Jahr und des erſten Morgens. Man tann wohl ſagen,
daß dieſe Stunden das Offenbarwerden einer Weltanſchauung
ſind. Es tut ſich wie eine Kluft auf zwiſchen den Menſchen.
Auf der einen Seite die heilig Aermſten und Innerlichen und
auf der anderen Seite die Taumelnden und Aeußerlichen.
Jahrwende, das heißt Einkehr, reines Leuchten des
Seeli=
ſchen und ein Daheimſein im Ewigen, gerade in dieſen Stunden,
da uns die Vergänglichkeit und Zeitlichkeit hart anfaßt und da
nur der Gedanke eben an das Ewige Brücken ſchlagen lann und
uns tiefſten Troſt gibt. Je höher ein Volk in ſeiner Kultur ſteht,
deſto gedämpfter wird es von einem Jahr ins andere gehen.
Wo die Ueberziviliſation und die Aeußerlichkeit wuchert, werden
Lauheit und Narretei triumphieren. Je lauter, je ſinnloſer das
Treiben um die Jahreswende iſt, je mehr tritt der Zerfall eines
Volkes in Erſcheinung. Wollen wir doch an dieſe Wahrheiten
denken, als Einzelner und als Volk, wenn wir die Jahrwende
feiern. Uns ziemt beſonders in unſerer furchtbaren Lage die
Gedämpftheit um die Stunden des Uebergangs. Wir müſſen
uns geradezu ſchämen, laut und taumelnd zu ſein im Angeſuht
der Gefahr und unſeres ganzen Dafeins. Silveſter und Neujahr
muß ein Erlebnis voll heiligen Ernſtes und tiefſter Einkehr ſein.
Die große Beſinnung muß anheben in dieſen Stunden und wie
ein heiliger Strom voll Licht und Erquickung und Hoffnung
durch die kommenden Tage fließen. Wenn das neue Jahr die
Wende in unſer Schickſal bringen ſoll, dann müſſen wir uns
gleichſam ſelbſt mit unſerem beſten Willen in dieſe Wende
hin=
einſtellen und alle Kraft daranſetzen, daß wir gleichſam die
Schatten von uns bannen. Wohl wiſſen wir, daß wir allein
unſer Schickſal nicht wenden können, aber eines muß unſere
Er=
kenntnis ſein, daß wir ſie zum größten Teil ſelbſt in der Hand
haben. Wir müſſen eben, wie ein großer Deutſcher ſagt, jetzt
das Genie der Geduld und der Kraft haben und, ura es noch
einmal zu ſagen, der großen, heiligen Befinnung; aus dieſer
Dreiheit wird dann wie eine neue Großmacht unſere Liebe
blü=
hen, alles umſpannend und wieder einend und emporführen in
einen Morgen, da die Sonne der Erlöſung über ein
wiedergebo=
renes, glückſeliges Land ſtrahlen wird. Hölderlins Wort wollen
wir als ein Denkmal der Hoffnung unter uns aufrichten, und als
ſolche wollen wir in das neue Jahr ſchreiten, die da wiſſen, daß
uns eine neue Seligkeit aufgehen muß, wenn wir treu und
liebend und deutſch ſind!
* Das neue Jahr und wir
Ganz im Gegenſatz zu den Vorbereitungen des
Weihnachts=
feſtes, rüſten die meiſ en von uns Frauen zur Feier des Altjahres=
Abſchiedes und Neujahr=Anfanges. Dort war es Freude,
Er=
wartung, hier iſt es zumeiſt Wehmut, ſtille Trauer, Reſignation
oder gar tiefſte Mutloſigkeit, die ſie erfüllt.
Das alte Jahr. Sollen ſeine letzten Stunden noch einmal
in gleich feſtlicher Stimmung, wie ſeine erſten verlebt werden,
nachdem es ſo viel unabläſſige Sorgen, drückende Nöte, bittere
Enttäuſchungen und ſo manches Leid mit ſich brachte? Nur
ſel=
ten gilt ihm, dem vergangenen Jahre, dabei ein freundliches
Gedenken oder gar eine ſtille dankbare Erinnerung. Faſt immer
wird jeder Sonnenblick, jeder lichte, helle Tag, den ſie in ihm
verleben durſten, durch das ſchwarze Gewölk, durch den tiefen
Schatten verdunkelt, die über den zahlreichen anderen
ſorgen=
bollen Tagen geſchwebt. Dann aber hebt ſchließlich doch die
Hoff=
nung, die nie völlig zu erſticende, immer irgendwo in einem
Winkel unſeres Herzens ſtill und abwartend verharrende, wieder
ihre Schwingen, breitete ſie weit vor ihnen aus und zeigte ihnen,
wie raſch ſie die ihr ſich dieberlaſſenden in lichtere, freudenreichere
Fernen zu tragen vermag, wenn ſie ſich ihr nur willig überlaſſen.
Und beſeelt von ihren anfeuernden Ermahnungen, richtet ſich
ſchließlich dann doch der alte Lebensmut, der alte, oft völlig
kraftlos zuſammengeſunkene Lebenswille wieder auf und mit
feſtgeballten Händen geloben ſie ſich vielleicht an der ſo
bedeu=
tungsvollen Zeitwende, von nun an mit anderen Augen um ſich
zu bliden und die Gegenwart weder durch Neid und
trauer=
volles Zurückblicken auſ Vergangenes, noch durch Furcht vor der
Zukunſt zu beſchweren.
Freilich, nur zu leicht laſſen ſich dieſe Mitſchweſtern, die ſich
nach ſchweren inneren Kämpſen am Altjahres=Ende und Neu=
N Dr d
u
jahrs=Anfang zu einem freudigen Optimismus aufſchwangen,
doch auch bald wieder von neuem vom alten Sorgennetz
um=
ſpinnen. Vergeſſen ſind lald wieder ale guten Vorſätze,
ver=
fladert das endlich wieder angefachte Feuer früherer Tatlraft,
wenn ſich neue Sorgen, neue Hinderniſſe ihnen entgegenſtellen.
Bei ihnen vermockte die ſo bedeutungevoue Ze temdente, der
erſte Schritt in das völlige Neuland des kommenden Jahres,
nicht jenen tieſen Eindruck zu hinterlaſſen, der ſie von neuem
ſtarlt, wenn ſie in den gefanten Enttuſſen wenteno we: en
wollen. Es war vielleicht kein ſchlechter Brauch, den vielfach
unſere Groß= und Urgroßeltern übten, in der mitternächtigen
Stunde, beim Glockenläuten, jedes für ſich ſelbſt, ſtill Geſangbuch
oder Vibel aufzuſchlagen und ſich einen Leit=, einen Troſtſpruch
für das kommende Jahr darin zu wählen, zur ſtändigen
Mah=
nung herauszuſchreiben und immer bei ſich zu tragen. Wir
Frauen von heute bedürfen aber eines ſinnfällig wirkenden
Leitmiotives gar nicht, wenn wir es in uns ſelbſt feſt verantern,
in unſer Herz ſo feſt eingraben, daß wir es nie wieder vergeſſen.
Wenn wir bei der ſtillen Abrechnung mit uns ſelbſt am
Alt=
jahres=Ende feſtſtellen konnten, daß wir uns wahrend der Dauer
viel zu viel geſorat und durch unſere Sorgen gelähmt unſere
ſeeliſchen und körperlichen Kräfte vielfach gänzlich falſch
ein=
geſetzt, dann ſollten wir auch in das neue Jahr den feſten
Vor=
ſatz mitnehmen, nunmehr umgekehrt zu verfahren: weniger
zu ſorgen und zielbewußter zu handeln. Unſer
ſeeliſches und körperliches Vermögen zweclentſprechender,
tat=
kräftiger und mit weiſeſtem Vorbe acht auszunützen. Dann
werden wir beim Antritt des neuen Jahres dem mitternächtigen
Gcläut der Glocken weit unſer Herz öffnen, von ihren
hoff=
nungsfreudigen Klängen uns tief durchoringen laſſen im ſtillen,
beglückenden Bewußtſein, uns ſelbſt wieder gefunden
zu haben.
Erika Menzel.
* Der erſte und der letzte Schnee
Den erſien Schnee, ich wollt ihn jauchzend küſſen;
Die Händchen ſtreckt’ ich fiehend nach ihm aus.
Die Flöckchen wollten doch von mir nichts wiſſen,
Sie jagten wild ums Seidenhärchen kraus.
Nun ſind gebleicht die einſtens gold’nen Locken —
Der Körper ſchwach, von Stürmen kalt durchweht.
Ich fühl’s, es ſind die letzten weißen Flocken —
Gebt mir den Kuß, den ich als Kind erfieht!
Eiſe Marlott Seitz.
* Anfang und Ende
Von Emmy Bekker.
Nachdruck verboten.
Still und ruhig brannte die Lampe auf dem Tiſch, und er
ſaß davor und blätterte in einem Büchlein. Sein Haar war
weiß und ſchneeweiß ſein Bart. Nur Stizzen, nur Worte,
flüch=
tig leicht dahingeworfen, und doch ein Menſchenleben. Er
blät=
terte und er ſuchte, ſein Auge glühte, ſein Mund lächelte, zieh‟
vorbei, Vergängenheit, Vergeſſenes ſteig’ empor! Seht, wie ihr
lebt, heißer Lebensdrang, goldene Freude, ſeliges Glück.
Er blätterte und er ſuchte und ſein Mund lächelte, und dann
das Blatt, das ihm die Scham zum Herzen trieb, hinauf das
feine Not zum weißen Haar. Doch auch das, mußte es nicht
ſein? War es nicht ein Glied, ein Glied der Kette, die ſein Leben
band? Dunkel iſt der Weg, der Weg zum Licht, den wir uns
taſten.
Krachend ſchlug das Tor der Freiheit zu. Dunkel, dunkle
Nacht, wohin er ſah. „Wo bin ich?! Gebt mich frei! Laßt mich
los!” ſchrie er. Furchtbar klang es zurück: „Du mußt! Gib
Deine Ideen, wir geben Geld! Leuchtendes rotes Geld!‟ Die
Wucht ſchlug ihn nieder. Ihn lähmte der Bann. Leuchtendes
rotes Geld, wie groß iſt deine Macht!
Noch einmal ſtand es offen das Tor der goldenen Freiheit.
Geh’ hinaus, du biſt frei! Dir lacht noch einmal das Glück!
Und er ſchritt hindurch leuchtenden Auges. Vergangenes
war vergeſſen. Hinter ihm lag verborgen dunkle Nacht,
ausge=
löſcht, tot.
Und der Stern der Freiheit leuchtete, ſtrahlte, und er ging
weiter, weiter, und der Stern, der ſtrahlte, der grüßte und
winkte, und er ging weiter, weiter, über ihm der Stern, und er
blätterte weiter, weiter und er ſuchte und ſuchte, und er ging
weiter, weiter, über ihm der Stern — — und das Büchlein war
zu Ende, über ihm der Stern, und er ſah hinaus, über ihm der
Stern, der grüßte und winkte immer noch.
endlich abzuſchließen. Da klingelt es, diesmal war Angeline da
und öffnete, ehe ich es verhindern konnte. „Ah, mon dentiſte!”
ſagt ſie. „Mein Dentiſt!” zu mir gewendet, und läßt einen
ſchmächtigen Bengel hinein, der mir grinſend die Zähne zeigt.
Was ſoll ich das alles wiederholen, der Dentiſt bleibt, das übliche
Rumoren, Toſen und Wirtſchaften im Zimmer nahm zu und ab.
Als ſich die Mitternacht nahte und ich zitternd vor Erregung,
ge=
bückt auf die Lehne meines Sorgenſtuhles, dalag, verließ der
Den=
tiſt die Wohnung, aber Angeline ging gar nicht mehr in ihr
Zim=
mer zurück, ſondern blieb. bei der Tür, und als die erſten Schüſſe
und Proſt=Neujahrrufe laut wurden, öffnete ſie; ich ſpringe, ſo
ſchnell ich es auf meinen alten Tagen noch vermag, hinaus, und da
iſt es wieder ein Mann, die Beiden küſſen ſich im Gange, als
wenn das ſo ſein müßte, und Angeline ſagt: „Ah, ceſt mon petit
mosquitto”, überſetzt es auch gleich: „Das iſt mein kleiner
Mos=
kitto!” damit ich es nur ja verſtehen ſollte. Ich will’s verbieten,
der Mos itto fuchtelt mit den Armen und ſchreit, und ſchließlich
führen die Beiden mich mit Gewalt in meine Küche, während
Angeline immer lacht. — Ich habe in meinem Leben nicht ſo vor
Wut geweint, wie in dieſer Nacht, hilflos geweint.
Am anderen Morgen, als Angeline in der Kirche war, das
verſäumen ſie ja nicht, beſah ich den Schaden. An einem alten
Maha oniſtuhl war das Tein eingelnickt; auf den Bezug des
So=
fas war Kognak gegoſſen, anſcheinend direkt aus der Flaſche, drei
Gläſer waren entzwei, meine ſechs Höchſter Porzellanfiguren, ein
Erbteil meiner Großmutter väterlicherſeits hatten ſie,
wahrſchein=
lich der Mos irto, zum Vallſpielen benutzt und dabei Köpfe, Füße
und Sträuße abgeſchlagen, die konnte ich auf dem Teppich
zuſam=
v=enſuchen.
Ars. z: eiten Januar ging ich zum Kommando und beſchwerte
mich. Cin Kaupkmann Neuard der dort zu ſagen hatte, ließ ſich
alles genau ſchildern, beſah mich mit ſeinen lauernden und
über=
tegenden Blicken und ſchrieb ſich die Wohnung genau auf. Sechs
Tage ſpäter bekam ich den Beſcheid, daß meine Darſtellung
un=
wahr ſei, weil Mademoiſelle Angeline überhaupt nicht zu Hauſe
geweſen ſei, ſondern im Kreiſe mehrerer Damen und Herren in
der Stadt einem patriotiſchen Feſte beigewohnt habe.
Am zehnten Januar, als ſich bei uns die Franzoſen, ſchon
ganz auf ten Ruhreinſall vorbereiteten, bekam ich die
Auswei=
ſung, wegen Verſchwörungen gegen Frankreich. Angeline blieb
in meinem lieben Hauſe, wie mir aber eine alte Freundin ſchreibt,
iſt es verhältnismäßig ſtill dort. Hauptmann Renard iſt alles in
einer Perſon geworden, Compatriote, Ami, Compagnon, Dentiſt
und kleiner Moslitto.
Der Schleier
Studie von Anna Kappſtein.
* Niemand wußte, wie ihr der Name Elvira angeflogen war.
Der Vater als nüchterner, beſcheidener und unbeleſener kleiner
Gemeindebeamter hatte ihn vermutlich ſein Lebtag nicht gehört,
als die Mutter darauf verſiel, die erſtgeborene Tochter Elvira zu
taufen. Die junge Frau vermochte teine Gründe für dieſen von
beiden Großelternpaaren und ſämtlichen Tanten berämpften
Cin=
fall aufzubringen; aber ſie hielt daran feſt. Vermutlich ſpielte
irgend eine Romanerinnerung aus ihrer Mädchenzeit, da ſie
noch Zeit zum Bücherleſen hatte, hinein. (Denn Kinos und
Kinoſtars mit hochtrabenden Reklamenamen gab es zu der Zeit,
als Elvira geboren wurde, noch nicht.) Jedenfalls war das Kind
durch den ungewöhnlichen Namen von vornherein beſtimmt,
etwas Feines zu werden. In der Tat hielt es ſich ſchon beim
Spielen mit den Nachbarkindern abgeſondert und ſtill, —
viel=
leicht weil es um ſeines Namens willen manchmal gehöhnt und
dadurch ſcheu und ſchüchtern wurde.
Das blieb auch in der Schule ſo. Die kleine Elvira fiel auf,
weil ihr Name ſo prinzeſſinnenhaft tönte, und man ließ ſich nicht
ſo unbefangen mit ihr ein wie mit einer Grete oder Trude.
Was das Mädchen erſt verängſtigte, fing an ſie zu
ſchmei=
heln, als ſie älter wurde. Nun wollte ſie etwas Beſonderes
ſein und hielt und trug ſich danach. Die Mutter, die für ein
Putzgeſchäft arbeitete, war glücklich, eine ſo feine Tochter
auf=
wachſen zu ſehen, und ſorgte, daß ſie bei ihrer Beſchäftigung
Bänder und Spitzen erübrigte, um das Kind über den Stand
hinaus zu putzen. So herausſtafſiert, bildete Elvira ſich zwiſchen
ihresgleichen wirklich ein, eine Art heimlicher Prinzeſſin zu ſein.
Dann kam der große Tag, an dem törichte Träume und
romantiſche Backfiſchahnungen faſt ſo etſuas wie eine Beſtätigung
erfuhren. Aus einer erloſchenen Seitenlinie der mütterlichen
Vermandtſchaſt traf eine Erbſchaft in Geſtalt einer mächtigen
alt=
frän iſchen Ciſentruhe ein, die jahrzehntelang in einer
Boden=
kammer verſtaubt ſein mochte und die eine Menge verſchlieſſenen
Seidenkrams enthielt. Deſſen Beſitzerin mußte eine äußerſt
ge=
fallſüchtige, vermutlich aber auch eine hübſche und reiche Frau
geweſen ſein. Ohne Zweifel beſtand zwiſchen ihr und Elvira
ein geheimnisvoller Zuſammenhang. Durch umſtändliche
Nach=
forſchungen ſtellte ſich heraus, daß die Ahne die natürliche
Toch=
ter eines Herzogs geweſen, der ſie gut verheiratet und mit Koſt=
* Zur Geſchichte der Neujahrskarte
Von Ernſt Edgar Reimérdes.
bz. Wenn auch die Zahl der Neujahrsglückwunſchkarten ihres
hohen Preiſes und vor allem des teueren Portos wegen erheblich
abgenommen hat, ſo werden doch alljährlich immer noch
unend=
lich viele gedrudte Wünſche in die Welt hinausgeſchidt. Obwohl
man ſich in Deutſchland bereits vor Erfindung der
Buchdrucker=
kunſt manchmal hanogemalte Neujahrslarten mit geſchriebenen
Wünſchen ins Haus zu ſchiden vflegte, ſo bürgerte ſich dieſe Sitte
doch erſt ſeit Erfindung der Buchdrudkerkunſt mehr und mehr ein.
Die älteſte auf uns gekommene gedruclte Neujahrskarte ſtammt
aus dem Jahre 1466, es iſt ein Kupferſtich eines unbekannten
Meiſters, mit dem Monogramm E. S. verſehen, und zeigt auf
einer phantaſtiſch geformten, vollerblühten Plume, dem Symbol
des neuen Jahres, das Criſtuslind mit einem Spruchband in der
Hand, auf dem die Worte ſtehen: „Cin guet ſelig jar.‟ Dieſer
Wunſch wurde in ſeiner Form vorbildlich, wir finden ihn ſeitdem
häufig auf Neujahrskarten und Wandkalendern.
Zu den älteſten deutſchen Neujahrskarten gehört die ſehr
ſeltene von Iſrael von Medenem (geb. 1503), einem weſtfäliſchen
Kupferſtecher und Goldſchmied, hergeſtellte. — Cine große Anzahl
gereimter Neujahrswünſche des Mittelalters findet ſich in dem
Liederbuche der Klara Hätzlerin aus Augsburg, von denen einige
die Nürnberger Meiſterſinger Hans Folz und Hans Noſenblüt
zu Verfaſſern haben. — Das Germaniſche Muſeum zu Nürnberg
beſitzt eine Neujahrskarte aus dem Jahre 1564, auf der das
Jeſuskind mit einer Erdkugel dargeſtellt iſt; darunter ſtehen die
Worte: „Schöne Troſtſprüche von dem Kindlein Jeſu Chrifti den
lieben Chriſt=Kindlein zum Neuen Jahr zuſammengezogen.” —
Während das Format der erſten Glückwunſchkarten ziemlich klein
war, wurde es im Laufe der Zeit immer größer und der Tert
umfangreicher. Die Buchdruckerkunſt, die nun in Blüte ſtand,
wollte zeigen, was ſie konnte. Viele der alten Neujahrskarten ſind
mit der Hand koloriert, ſie zeigen ein feines künſtleriſches
Emp=
ſinden. Im 17. Jahrhundert waren ſie ſo groß, daß man ſie an
die Zimmerwände oder an die Türen hing. Nunmehr verſchwand
der religiöſe Zug aus den Neujahrswünſchen mehr und mehr,
an ſeine Stelle trat das Perſönliche, das in überſchwenglichen
Worten der Liebe, Freundſchaft und Dankbarkeit, des
Wohlwol=
lens und der Devotion Ausdruck fand. Viele der alten
Glück=
wünſche beginnen mit den Worten: „Klopf’ an!” womit man den
perſönlichen Neujahrsbeſuch nachahmen wollte, bei dem man vor
dem Cintritt ins Haus entweder mit dem Finger oder dem
Klopfer Einlaß begehrte. Cin Reujahrswunſch von Hans Folz,
dem Meiſterſinger und Barbier, fing folgendermaßen an
„Klopf' an, klopf’ an! Ein ſelig Jahr naht dir heran.
Klopf' an, klopf' an; der Himmel hat ſich aufgetan,
Drauß Heil und Seligkeit gefloſſen,
Damit werdeſt du begoſſen!
Der Frau, den Kindern und dem Mann
Wünſch’ ich, was Gott nur geben kann:
Geſundheit des Leibes und friſchen Mut
Und was ſonſt not dem Herzen tut” uſw.
Im Zeitalter der Nomantiker nahmen die Neujahrskarten
wieder ein kleines Format an, was wahrſcheinlich mit der
Ein=
führung der Viſitenkarte in Zuſammenhang ſteht, die aus China
nach Curopa kam. Jene gefühlvolle Zeit mit ihrer Nachahmung
der Schäferpoeſie liebte feine Seidenkarten mit zierlichen
Amo=
retten, Blumengewinden, Freundſchaftsſymbolen, Altären der
Grazien und Muſen uſw. Die Verſe waren ſüßlich und
über=
ſchwenglich, wie zum Beiſpiel der folgende:
„Nimm dieſes Blatt und mit ihm meinen Segen
Und meine beſten Wünſche hin.
Es möge dir auf deinen edlen Wegen
Die würdigſte Belohnung blüh’n!
Für deine Ruh’, dein Wohlergehen
Will ich einſt noch im Tode flehen.
Mein Geiſt noch liſple Himmelsruh
Dir, gute ſchöne Seele, zu!”
Während der Befreiungskriege und in den folgenden
Jah=
ren ſchenkte man ſich in wohlhabenden Kreiſen zu Neujahr
viel=
ſach aus Eiſen angefertigte, ſchwarz gefärbte dünne Täfelchen
mit bildlichem Schmuck und entſprechenden Inſchriften. — Zur
Biedermeierzeit verwendete man viel Sorgfalt auf die
Herſtel=
lung geſchmadvoller Neujahrskarten in Stich und Druck. — Am
Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jarhunderts wurde die
„Neujahrskarte, die alle Wandlungen des Geſchmacks und der
Kunſt mitmachte, meiſt auf Seide gedruckt, dann trat an deren
Stelle ſteifes Kartonpapier, das für den Druck beſſer geeignet
war. — Zu jeder Zeit haben ſich Künſtler in den Dienſt der
Neujahrskarte geſtellt, ihre Namen ſind jedoch meiſt unbekannt
geblieben. — Ihre Blütezeit erlebte die Neujahrskarte bei uns
in dem Jahrzehnt vor dem Weltkriege, ſeitdem iſt die Herſtellung
erheblich zurückgegangen.
barleiten ausgeſtattet hatte. Alſo doch — wenn auch nur von
einem Seitenwege her — einen Tropfen fürſtlichen Blutes in
den Adern! Seit dieſer Nachricht trugen Mutter und Tochter
den Kopf um eine Naſenlänge höher.
Aus den ſeidenen Geweben wurden Ballkleider für Elvira
angefertigt. Schon mit 16 Jahren war ſie eine begehrte Tänzerin.
Freilich hielten die altersmürben Sachen nicht mehr viel aus,
und wenn ſie abgetragen ſein würden, war für Neuanſchaffungen
wenig Ausſicht. Denn der Vater ſtarb und die Witwenpenſion
reichte für Wohnen und Eſſen, aber nicht für Vergnügungen und
Putz.
Aber natürlich würde Elvira beizeiten heiraten. Ein ſo
um=
ſchwärmtes und bewundertes Mädchen. Der Brautſchleier lag
ſchon bereit; er war das einzige, noch ganz unſchadhafte Stück
aus der Truhe. Ein breiter, vornehm angegilbter Schleier aus
weißem Seidentüll, in den wundervolle Roſen= und
Myrten=
muſter eingewirkt waren.
Einem niederen Beamten, wie der Vater einer geweſen,
konnte Elvira allerdings nicht die Hand reichen, wenn ſie in
die=
ſem Schleier vor den Traualtar ſchreiten wollte.
Einſtweilen machte ſie ſich darum keine Sorgen. Sie glaubte
an Vorherbeſtimmung. Dieſelbe Macht, die den Schleier aus der
herzöglichen Tante Beſitz ihr zugeführt, würde wiſſen, warum ſie
das getan hatte. Die Gabe bedeutete natürlich einen
Schickſals=
wink: warte auf den Rechten.
Sie wartete voll Zuverſicht, doch ſie wartete ein wenig lange,
Ihre erſte Friſche weltte darüber hin. Redliche Männer, die ſich
um ſie bewarben, holten ſich einen Korb.
Aber mit ihrer zarten Geſtalt, ihren gepflegten ruhevollen
Bewegungen, ihrer entſchieden gehobenen Art, ſich zu geben, die
von der der anderen Kleinbürgerstöchter angenehm abſtach, blieb.
Elvira auch dann noch begehrenswert, als ihre Blüte vorüber
war. Sie gab die Hoffnung auf eine berauſchende Erfüllung
ihrer Träume nicht auf.
Dieſe Hoffnung ſchützte ſie vor Abwegen. Altersgenoſſinnen,
die nicht zu einer befriedigenden Ehe gelangten und dennoch ihren
Anteil am Lebensgenuß begehrten, abenteuerten mit fremden
Männern. Elvira ſparte ſich auf. Sie wollte den Spitzenſchleier
mit Chren tragen.
In der kleinen Stadt. in der ſie aufgetachſen, ſchienen die
Heiratsmöglichkeiten erſchöpft. Ihr Glaube an ein Wunder fing
mit den Jahren doch zu ſchwanken an.
Als auch die Mutter geſtorben war, entſchloß ſich das
Mäd=
chen, in eine Großſtadt überzuſiedeln und durch Geſchicklichleit,
Nummer 51
Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung
Das Neueſte von der Mode
Neue Kleiderformen. Neuerdings erregen einige
Nachmittagskleider, zumeiſt aus Wollſtoffen angefertigt,
berech=
tigtes Aufſehen bei der Frauenwelt. Wohl iſt die Geſamtlinie
noch ohne jede Betonung der Figur gehalten, abgeſehen von
einigen Querſäumchen unteihalb der natürlichen Taillenlinie
oder einigen Reihungen über Schnureinlagen an dieſer Stelle.
Aber gleich unterhalb der Hüſte erſcheint die Silhouette
weſent=
lich verändert. Glockenvolants von 10—30 Zentimeter Breite
ſind an dieſer Stelle entweder einer langen Kaſſakbluſe angeſetzt
oder garnieren verſtürzt aufgenäht den noch immer ziemlich
engen Rock und wirken ſo in beiden Fällen überkleiderartig. So
fahen wir ein ſchwarzes mattglänzendes Tuchkleid in dieſer
neuen Kleidform, das mit einer ſchmalen Paſpolierung von
pur=
purroter Seide am Volan; am Halsausſchnitt und an der
ſchma=
len Manſchette oben und unten des mäßig weiten Bluſenärmels
beſetzt war, während ein links ſeitlich zur Schleife geknüpſter,
nur etwa 6 Zentimeter breiter Gürtel auf der Rückſeite ebenfalls
rotes Seidenſutter aufwies. Obgleich der 30 Zentimeter breite
Glockenvolant dem Rocke des kittelartig geſchnittenen Kleides
tatſächlich nur verſtürzt aufgeſetzt war, verriet aber die
außer=
ordentlich exakte Arbeit in keiner Weiſe, daß es ſich tatſächlich
nur um einen Rodbeſatz und nicht um eine lange Kaffakbluſe
handelte, als welche dieſes Ueberkleid in der Hüfte nur wenig
über bleiſtiſtſtarken Schnuren eingereiht und etwas kraus
gehal=
ten erſchien. An einem anderen dunlelblauen Gabardine=
Nach=
mittagskleid öffnete ſich vorn der verſtürzt angeſetzte Volant
über einer reichen bunten Woll= und Seidenſtickerei in
orien=
taliſchem Geſchmack, die den Rock bis zur verlängerten
Taillen=
linie ſchmücte und rechts und links auf den Schultern in zwei
zungenartigen Carniturteilen wiederkehrte, ebenſo die
Man=
ſchette ſchmückte. Der Garniturvolant in Glockenform umrandete
an dieſem Kleide eine ſcheinbar an den Seiten verlängerte, in
ſpitzer Zacke ausfallende Kaſſabluſe, und zwar an dieſen
ſeit=
kichen Eaen noch mit einer vollen, dunkelblauen Seidenquaſte
geſchmückt, deren Knoten netzartig mit einem bunten
Durch=
einander der zur Sticerei verwendeten Stoff= und Seidenfäden
überzogen war. Cine etwa 5 Zentimeter lange, ſelbſtgeknüpfte
Franſe von den gleichen Fäden ſchloß ſowohl die Manſchette
nach hinten am Aermelverſchluß ab, wie auch die zwei langen
Doppelenden, die nur zu einer Schlupfe gebunden, linis ſeitlich
bis etwa über die Verlängerung ves Volants hinabſielen. Den
HalZabſchluß bildeten drei Reihen Schlingen, je 3—5 Zentimeter
breik abwechſelnd aus den verſchiedenen Fäden der Woll= und
Seidenfäden handgearbeitet. Bemerkenswert war an dieſem
Kleide noch der Rücenverſchluß mit Knopflöchern und Knöpfen,
ar denen dunkelblaue ſtoffbezogene Knöpfe in zwei Reihen ſich
gegenüberſtanden. Alſo ſcheinbar rechts und links einem
unter=
geſetzten Streiſen mit farbig aufgenühten Knopflöchern
aufge=
knöpft waren. Dieſer Knopfverſchluß endete erſt dicht über dem
im Rücen erſt unter der Knietehle beginnenden Glockenvolant,
der auch hier zur beſonderen Betonung des geſonderten
Ueber=
kleides oder der Kaſſakbluſe geſchlitzt gehalten war, obgleich er in
Wirklichkeit nur geſondert dem Kleide aufgearbeitet wurde.
S. St.
Der zeitgemäße Haushalt
Wie Federbetten im Winter nicht behandelt
werden dürfen. „Ich friere ſo ſehr, daß ich kaum noch in
den Betten warm werde”, ſo hört man nicht ſelten von nervöſen,
blutarmen oder äuch geiſtig überanſtrengten Menſchen ſprechen.
Die Urſache der Nichterwärmung im Bett liegt aber vielfach in
der Beſchaffenheit derſelben allein. In den meiſt nicht geheizten
Schlafräumen trodnen die während des Schlaſens erwärmten
und durch Ausdünſtung der Haut oft ganz erheblich ſeucht
gewor=
benen Betten nicht aus. Die Folge iſt für den Schläfer ein
immerwährendes Fröſteln im Bett. Da der Körper bekanntlich
im Schlaf in geſteigertem Maße Wärme abgibt, entſteht im
kal=
ten Bett eine geſviſſe Feuchtigkeit, die ſich dem Schläfer mehr oder
weniger bemerkbar macht und ſeinen Schlaf ebenſo wie ſeine
gründliche Durchwärmung beeinträchtigt, ja oft ſogar behindert.
Es iſt deshalb unbedingt notwendig, die Betten morgens nach
dem Aufſtehen unbedingt weit zurückgeſchlagen auslüften zu
laſ=
ſen, nach dem Ordnen aber auch ſvährend des Winters
leines=
wegs im ungeheizten Raume noch mit ſchweren Bettdecken zu
ver=
hüllen, wodurch zurückgebliebene Feuchtigkeit am Verdunſten
verhindert würde. Dann aben ſollten in regelmäßigen Abſtänden
die Federbetten aus ungeheizten Schlafzimmern gründlich in
warmen Räumen ausgetrocknet werden. Auf dem erhöht
auf=
gelegten Bügelbrett oder zwei in der Nähe des Ofens mit den
Lehnen gegeneinander aufgeſtellten Stühlen kann das am
leich=
teſten geſchehen, um der Zimmerwärme Gelegenheit zum
Aus=
trocknen und damit auch gleichzeitig zum Auflockern feuchter und
dadurch klumpig und ſchwer gewordener Betten zu geben. H.
Angeheizte, glaſierte Kachelöfen ſollte man
nie mit naſſen Tüchern reinigen. Die Glaſur erhält
dadurch Sprünge, die namentlich das Ausſehen dunkler Oefen in
ſehr unangenehmer Weiſe beeinträchtigen, da ſich in ihnen der
Staub feſtſetzt.
Die Taſche im Unterrock. Sie iſt nur ſelten im
Ge=
brauch, die an einer Nahtſtelle untergeſteppte, nicht eingeſetzte
Kleidertaſche. Wählt man ſie breit genug und ſteppt ſie
unter=
halb des Taſchenſchlitzes, alſo der, Naht folgend, feſt, dann wird
ſie zweiteilig bei nur einem Schlitz, und man kann auf der einen
Seite Schlüſſelbund und Taſchentuch, auf der anderen Seite
Geldſcheintaſche und Notizuch unterbringen und iſt ſo bei
Be=
ſorgungsgängen einmal von der Handtaſche befreit, zum anderen
aber auch vor Diebſtahl geſichert. Ganz beſonders wichtige
Dienſte aber vermag eine Unterrodktaſche auf der Reiſe oder in
der Sommerfriſche zu leiſten, wenn man größere Geldbeträge als
Reſerve, ebenſo Paß oder Poſtausweis, Reſervetaſchentücher
u. ä. m. ſtets zur Hand haben will, ohne doch die Handtaſche
neh=
men zu müſſen. Bei Ausflügen iſt in ihr ſehr leicht flach gepädter
Proviant, ein kleines Fläſchchen mit belebendem Tee oder
ähn=
lichem Erfriſchungsgetränk zu bergen, immer ohne unter dem
Kleide ſichtbar zu werden, vorausgeſetzt, daß dieſes nicht zu den
modernen Futteraltleidern gehört, unter denen ſich faſt jede
H.
Muskel markiert.
Ein vorzüglicher Teepunſch für die
Feſt=
tage wird wie folgt bereitet:: 2 Taſſen Waſſer, 2 Taſſen
Flieder=
ſaft werden mit 1 Stück Zimt und 1 Nelke zum Kochen
aufge=
ſetzt, nach 20 Minuten durchgeſeiht, mit 2 Taſſen durchgeſeihtem
Hagebuttenkernen=Tce vermiſcht und mit genügend Zucker oder
Süßſtoff geſüßt.
Speiſezettel.
Sonntag: Gulaſch in Reisrand.
Montag: Grünkohl mit Bratlartoffeln.
Dienstag (Neujahr): Rehblatt mit Weinkraut.
Mittwoch: Weiße Bohnen.
Donnerstag: Linſen.
Freitag: Sellerielartoffeln.
Samstag: Möhrengemüſe.
Aphorismen
Die geiſtreiche Frau analyſiert, wo ein einfach Herz den
Himmel wähnt.
Was gegen die Natur verſtößt, iſt Unſinn, und Unſinn iſt,
die Frau zum Manne machen zu wollen.
Ein echtes Weib iſt der größten Liebe fähig — nur ſchade,
daß der Gegenſtand derſelben ihrer meiſt unwürdig iſt.
Weibliches Können reicht nur bis zu einer gewiſſen Grenze,
wenn ſcheinbar auch ebenbürtig, es bezahlt dieſe Leiſtung ſchwer!
Es gibt Frauen, wo die Liebe kein Ende; ſie iſt, ſo
viel=
geſtaltig, daß ſie keine Zeit übrig läßt, Gedanken zu ſchöpfen.
A. Sch.
Schach
Nummer 32
Jahrgang 1923
Für Aufgabe 63, die zmeite unſeres Ausſchreibens, ſagen wir dem
Verfaſſer Dank. Es iſt wiederum eine Bedingungsaufgabe. Sie
geht nämlich von der Grundlage aus, daß die Stellung par iemöglich
ſei, alſo aus der Partieanfingsſtellun; müſſe hervorgegangen ſein
können. Aufgaben dieſer Art enthalten in der Regel irgend velche
Beſonderheiten, die der Löſer durch „rückläufige Unterſuchung”
auf=
zudecken hat. Bei ſolchen Aufgaben wrd übrigens als Vorausſetzung
angenommen, daß, wenn K und T auf ihrem urſprünglichen
Stand=
feld ſtehen, die Nochade noch zuläſſig iſt, es ſei denn, daß das
Eegen=
teil — alſo daß K oder TI ſchon gezogen haben müſſen — aus er
Stellung nachgewieſen werden kann. Wir glauben für die Löſung
nicht allzuviel zu verraten, wenn wir bemerken, daß gerade in
Auf=
gabe 63 dieſe Vorausſetzung, die Möglichkeit der beiderſeit gen Ro hade,
bzw. der Nachweis ihrer Unmöglichkeit, eine wichtige Rolle ſpielt.
Löſungspreisausſchreiben.
Für die richtige und vollſtändige Löſung der Aufgaben 61 und 63
ſetzen wir drei Preiſe aus:
1. ein wertvolles Buch,
2. ein Viertsljahrsabonnement auf das Darmſtädter Tagblatt,
3. en Monats bonnement auf das Darmſtädter Tagblatt.
Der Löſung von Aufgabe 61 kann eine lurze Beurteilung beigegeben
werden, während bei Aufgabe 63, neben der Löſung eine erſchöpfende
Unterſuchung gefordert wird
Bei gleicher Güte der Bearbeitung erhalten ſplche Bewerber den
Vorzug, die bereits im Lauf des Jahres ſich durh Einſendung von
Löſungen hervorgetan haben, im übrigen entſcheidet das Los,
Die Einſendungen ſind mit der Aufſhrift „Schach.
Löſungswett=
bewerb” an die Schriftleitung des Darmſtäd er Tagblatts zu richten,
Se müſſen ſpiteſtens am 25. Januar 924 eingegangen oder doch am
24. Januar (Datum des Poſtſtempels!) abgeſchickt ſein. Die
Ent=
ſcheidung des Ausſchreibens wird Anfang Februar bekanntgegeben,
Aufgabe 64
Miroslav Havel in Prag
(Prager Preſſe 1921).
Weiß: Kh6 Da3 Sd8 13 (4);
Schwarz: Kf6 Ta7 Lh8 Ba4 b6 c7 d5 e7 (8),
Matt in drei Bügen.
Alain C. White, Horaz und Mäzen zugleich, legt alljährlich zu
Weihnachten ſeinen Freunden und der Schachwelt ein köſtliches
Auf=
gabenſammelwerk auf den Gabentiſch. Heuer ſind es „Böhmiſche
Granatſteine” (Bohemian Garnets), 500 geſammelte Aufgaben von M.
Havel, herausgegeben von G. Hume. Havel iſt einer der Größten der
„böhmiſchen Schule‟. Als Beiſpiel für den böhiniſchen Aufgabenſtil,
der bislang in unſerer Schachecke ganz im Hintergrund geſtanden hat,
und als erſte Probe aus dem Buch bringen wir die feine. Aufgabe 64,
Briefkaſten: H. M. Aufgabe 49 wollen Sie mit 1. Df4—g3 löſen,
aber die D ſteht ja bereits auf g3. In 5ler ibt 1. Dc8 weder nach 1...."
Ke7 2. Dd7+Kf6! noch nach 1.... g4 2. Lh6+Ke7 ein Matt.
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die
Schrift=
leitung des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift „Schach”=
Aufgabe 63
Hans Klüver in Hamburg,
(Urdruck.)
f
b d e
Weiß zieht und ſetzt in zwei Zügen matt.
Prüfſtellung: Weiß: Kei De6 Thi Lht Sa8 Ba4 b3c2 d3 d4
e2 g2 (12);
Schwarz: Ke8 Th8 Sf7 Bb6 b7 d5 d6 d7 g7 h6 (10); 2+
mit denen die Mutter manches blanke Markſtück erworben,
Ver=
dienſt zu ſuchen. Denn ihre Mittel waren tlein.
Leider zeigte ſich, daß Fertigkeiten, die in der Provinz zu
an=
genehmem Gelderwerb ausgereicht hatten, in dem verwöhnten
Mittelpunlt der Modeinduſtrie gering geſchätzt wurden. Aller
Luxus in Schaufenftern und Warenhäuſern verwirrte Elvira.
Selbſt die Ernnerungen an die ererbten Atlasiteider, die ſie
beim Tanzen vertragen, verblaßte daneben.
Nur der Schleier, der Schleier behielt ſeinen Wert. Sie
zeigte ihn einer Spitzenwäſcherin. Die nannte ihr eine hohe
Geldſumme, die man für ein gleichartiges Stück anlegen müſſe.
„Es wäre eine mühſame aber reizvolle Arbeit, ihn nachzuſchaffen.
Warum haben Sie es übrigens noch nicht ſelbſt verſucht mit
Ihren feinen und zierlichen Händen?”
Ja warum nicht? Sie wußte keine Antwort darauf und
dachte zum erſtenmal darüber nach, warum ſie noch nie in ihrem
Leben etwas Rechtes gearbeitet habe. Doch wohl weil man
Prin=
zeſſinnenfinger nicht mit der Nadel zerſticht. Doch wohl weil,
wenn man auf den großen Unbekannten wartet, man ſich nicht
mit dem jämmerlichen zleinbetrieb des Geldverdienens befaßt,
War noch etwas nachzuholen?
Hinter verſchloſſener Tür verſuchte ſie an einem alten Stück
Baumwolltüll mit der adel die Blumenranten nachzuziehen.
Nicht nur, daß es überhaupt mißlang, weil die Schulung fehlte,
ſie mertte auch, daß ſie eine unermeßliche Menge von Zeit
ver=
brauchen mußte, um auch nur einige Zentimeter der
verſchlunge=
nen Borte herzuſteillen. Nur von Jugen) an geübten Fingern
ging ſolche Arbeit fliegend vonſtatten. Jahrzehnte würde ſie
über der Sticerei verbringen müſſen, um einen Schleier wie
die=
ſen zu vollenden. Jahrzehnte, in denen ſie ſich die Augen blind
ſtidte.
Schon jetzt waren ihre Augen nicht mehr die jüngſten. Nie
zuvor hatte ſie dieſem Gedan’en Cinlaß geſchenkt.
Sie trat vor den Spiegel. Fa’ten um den Mund und
er=
grauende Saarfäden in den blonden Kaarwellen eingeſprenkelt.
Ein Märchenprinz, ſelöſt wenn er eine Gänſehirtin erwählt,
nimmt eine junge und ſchöne Frau.
Elvira begann ihre Hoffnungen einzuſargen, und darüber
erſt wurde ſie ganz alt.
Und bitter.
Denn ſie hiel; ſich für eine Betrogene. Das machte ihr die
Menſchen und die Welt verhaßt.
Fortan zog ſie ſich vom Leben zurück, fing an ſich zu
vernach=
läſſigen und gab mit ihrer Jugend ſich ſelber auf.
Und dachte dennoch unabläſſig in wahrer Selbſtbefangenheit
dem eigenen Loſe nach.
Dann tam die Zeit des Darbens für das ganze Volk. Das
alte Fräulein, mager und runzelig, empfand eine Art von B
friedigung, daß jetzt nicht nur ſie in Dürftigkeit lebte.
Sie wohnte in einem Hinterhaus vier Treppen hoch und ſah
auf einen öden Hof, in dem drei Dutzend Kinder lärmten.
Tags=
über ging ſie in den Vorderhäuſern ausbeſſern, um ſich die Koſt
und etwas Taſchengeld zu erwerben. Mehr konnte ſie für ihre
Leiſtung nicht beanſpruchen, die immer hinter der der gelernten
Näherin zurückblieb. Um Licht zu ſparen, kroch ſie des Abends
um acht ins Bett.
Allmählich hörte auch die Näharbeit auf. Die Beköſtigung
lief doch zu hoch ins Geld und die Damen beſorgten ſich ihre
Flickereien ſelbſt.
Elvira hungerte.
Vermutlich wären ihr gleich anderen Notleidenden
Unter=
ſtützungen zugewendet worden, doch ſie bewarb ſich nicht darum.
Sie ſchmollte wie eine entthronte Prinzeſſin.
Almoſen? — nimmermehr
Was entbehrlich war an Gerät aus beſſeren Tagen, war
längſt zum Trödler gewandert, Taſſen, ſilberne Löffel,
Möbel=
ſtücke. Nur den Schleier hatte niemand kaufen wollen. Die
Althändler meinten, bei ihnen ſuche man dergleichen nicht, und
die eleganten Modegeſchäfte wieſen das Angebot als
unerlaub=
ten Kettenhandel zurück. Unter den ehemaligen
Arbeitgeberin=
nen aber war keine, die in den Notjahren für ein ſo feſtliches
Stück Verwendung gehabt hätte.
Dennoch war es für Elvira ein Hochgefühl, den Schleier auch
nur anzubieten. Ueberall erntete ſie einen erſtaunten Blick. —
ſie, das verblühte und armſelige Geſchöpf, die Beſitzerin eines
ſolchen Wertes.
Wenn auch das zarte Geſpinſt allmählich zu zerfallen drohte.
Beinahe wie in ihrer Jugend, da ſie auf den Freier wartete, kam
ſie ſich wieder vor, — eine Ausgeſonderte, zu ungewöhnlichem
Erleben Beſtimmte.
Das Leben zwar hatte ihr gelogen. Ob der Tod wohl
zu=
verläſſiger war?
Sie fing an. mit Todesgedanken zu ſpielen. Wenn ſie ſich
mit leerem Magen zu Bett legte, lag ſie lange zwiſchen Schla
und Machen und ihre Einbildungskraft erſchuf ihr fie
der Dann ſah ſie ſich wieder jung und ſchön, umhüllt vom
bräutlichen Schleier fürſtlicher Her unft und ſi dachte: ſo m d
ich wie Schnee ittchen im gläſernen Sarge liegen, daß ſie alle,
die nur ein verhitzeltes dürftiges altes Fräulein in mir kennen.
kommen und mich anſchauen . Mit dieſer Norſtellung vertrieb
ſie Hunger und Durſt. Sie ſpuchs ihr zum Wahngedanken.
Als der letzte (eld’chein ausgegehen, der letzte Biſſen Brot
aufge elſen mar löſte ſie ver dem Spiegel ihre dünnen araue
Soare hüllte ſich in den langen meiten ſpinn ebfeinen Schleier
mit den Myrten — und Raſ an”en u d legte ſich auf ihr
Laser, nachdem ſie zu or den Casbahn aufgehreht.
Im Tode tar jie eine Braut uud eine Rrin= in 17nd
die bochmiti en Talten u den herb geſchloßenen Mun”
rieten, da ihr l ter Gedanke den Leuten galt, die kommen
würden, ſie anzuſchauen.
14
5.
16.
17.
Darmſtädter Silbenrätſel
be, chen, de, der, du, eb, eg, erz, flit, ge, ig, in, lau, le, li, mar,
mas, nar, olb, räu, rich, ſchall, ſes, ta, ter, vol, wo.
Aus vorſtehenden Silben ſind 12 Wörter von folgender
Be=
deutung zu bilden: 1. Hofamt im alten deutſchen Reich. 2.
Weib=
licher Vorname. 3. Oſtrömiſcher Feldherr unter Kaiſer Juſtinian.
4. Bezeichnung für die erſte Zeit im Eheſtand. 5. Hauikrankheit
der Hausſäugetiere. 6. Stadt in Mähren. 7. Naturetſcheinung an
Meeresküſten. 8. Berühmter franzöſiſcher Roman= und
Theater=
dichter. 9. Bedeutender ſchweizer Geograph. 10. Hervorragender
italieniſcher Phyſiker. 11. Namhafter Darmſtädter Architekt. 12.
Bezeichnuug für gegerbte und beaib itete Tierhaut.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben ergeben, beide von oben nach
unten geleſen, einen Wunſch, der zum Jahreswechſel allen Leſerinnen
und Leſern gilt. (Bei der Löſung gilt i —j.)
Th—z.
Figuren=Räiſel
a, be, bel, ca, cal, che, chen, de, frank
ga, ge, ger, gi, he, i, kart, la, la, lin
ma, me, mo, ne, ne, o, or, ra, res, reu,
ron, ſa, ſchleu, ſe, ſe, ſis, ſprot, tau, te
ter, ti, un, veil, zart, ze.
Vorſtehende Silben verwende man
zur Bildung von 18 Wörtern von
folgen=
der Bedeutung: 1. Ein ſpaniſcher Dichter,
2. Ein 1ömiſcher Ph loſoph. 3 Ein
Kriegsgott. 4. Ein Cewichtsmaß. 5. Ein
griechiſcher Buchſtabe. 6. Ein Raubtier,
7. Ein Vogel. 8. Ein Opernkomponiſt.
9. Ein Fiſch. 10. Eine Blume. 11. Eine
der Drei Parzen. 12. Ein weiblicher
Vorname. 13. Ein amerikaniſcher
Phyſiker. 14. Ein Waſſerbau. 15. Ein
berüymter Maler. 16. Eine griechiſche
Göttin. 17. Ein Dialektdichter. 18. Eine
Blume.
Hat man dieſe Wörter in wägerechter
Richtung in die Quadrate der Figur
eingetragen, ſo nennt die punktierte
Zickzackreihe, von oben nach unten geleſen, die deutſche Ueberſetzung
des Titels eines im Beſitze des Dichters Zichokke befindlich geweienen
Bildes, das dieſem zu einer Novelle, ſeine beiden Freunde Ludwig
Wieland und Heinrich von Kleiſt, aber erſteren zu einer Saiyre,
letzteren zu einem Luſtſpiele gleichen Namens angeregt hat.
Carl Deubel.
Stern=Räiſel
An Stelle der Sterne ſetze man 4 a, 1b,
1d, 8e. 1f. 2g. 1h. 3i, 4r, 3f, 1t,
2u, 1y. ſodaß 8 Wörter entſtehen, die
je 5 Buchſtaben zuhlen und alle
den=
ſelben—bereis eingetrag nen — Endbuch=
++4
stttntttrt ſtabenn beſitzen. 1 Bogel. 2.
Natur=
erſcheinung. 3. Metall. 4. Norwegiſch r
Dichter. 5. Wiener Komponiſt. 6.
Männername. 7 Etwas Menſchliches.
8. Nebenfluß der Donau. — Die
An=
fangsbuchſtaben nennen ein koſtbares
Gut.
Carl Deubel.
Umleg=Aufgabe
Aus den Teilen des Wortes Efeu ſoll die dauebenſiehende
Figur gebildet werden.
C. D.
Rätſel
576 Faſt jeden Tag ſieht man, das erſte Silbenpaar. — Die dritte
Silbe iſt nie angenehn fürwahr — Das Banze, ein
Natur=
gewaltſtück ſch immſter Art, — Trifft Land und Leut, wo’s
aus den erſten fällt, ſehr hart.
577. ie erſte Silbe ſpürt man manchmal hart, — Die andere
fehlt oft, wo ſie vorher w ren. — Das Ganze iſt ein ziveites
neuſter Art — Und erſt bekannt ſeit etwa vierzig Jahr.
Auflöfungen.
Weihnachtsſilbenrätſel.
Dahalge, 2. Izelsbach, 3. Ekkehart, 4. Walnuß, 5. Eigentum,
6. Idce,7. Herms. 8. Npp.s, 9. *graffe. „Die Weihnachlsmeſſe‟.
II
1. Fahrnis, 2. Relief, 3. Obve, 4. Hades, 5. Ebert. „ Frohes Feſt!”
Ruutmer 1.
Darmſtädter Tagblatt, Diensjag, dent 1. Jaltuar 1924.
Seite 11.
Wir wünſchen allen Menſchen, daß es ihnen im neuen Jahr ſo gut gehen
möge, daß ſie alle in voller Geſundheit recht viele Kleider zerreißen und
auch für Herren und Knaben mindeſtens ebenſoviele Kleider wieder
aufen können zu den ſo niedrigen Preiſen im Bekleidungshaus
Brafenſtr. 23
Daaasaaaaaanasgangannne
Meiner werten Kundſchaft,
Freunden und Bekannten
die herzl. Glückwünſche
zum neuen Zahre!
Peter Krämer u. Familie
Speiſefett= und Feinkoſthandlung
Karlſtraße 53/.. (39
anvevloss-
venaana:
GaDSSNRTHARSBMAESG
Meiner werten Kundschaft
die besten Wünsche
zum
Jahreswechsel!“
Pelz-Spezial-Haus
Alfred Zimmermann 8
Rheinstrasse 23. (31
2asu. InIh. szer an saansa 3soe
Geſchäfisfreunden und Bekannten
zum Jahreswechſel.
herzlichſte
P. Hörr
Grafenſtr. 23
Glückwünſche!
Luiſenſtraße 36.
OON
R3
Einem verehrl. Publikum von
Darmſtadt und Umgegend, ſowie
all, Freunden, Bekannten wünſchen 7
ein herzliches
ahr
Die Direktion
(42
derPalaſt=Lichtſpiele
R
aaaaaslanaaianatlanngagt
Unseren weiten Gästea,
Freenden und Bekannten (*13
zum Jahreswechsel
die herzlichsten
Glückwünsche!
Jugenheim a. d. Bergstr.
numanwi
un
oetttlileeeeerecetes
Allen Freunden und Bekannten,
ſowie unſeren lieben Stammgäſten
Karl Scheerer
Gaſthaus zur Krone (Traiſa)
*1
AedeeSeeseiieeesesesss4!
Meiner verehrten Kundſchaft
ein glückliches
Neues Jahr!
Oskar BrachatNachf.,Rheinſtr. 20
Meiner werten Kundschaft,
Freunden und Bekannten
ein glückliches
neues Jahr!
wünscht
A. J. Bock
Sauerkraut-Fabrik und Gurkeneinlegerei
Luisenstr. 32-36 Telephon 1575.
Allen Gästen und Bekannten
ein herzliches
Prasft Heujänk!
Eafé Fürzt Bismarek
(*30625
O Mndee
Vereinen und Bekaunten (3o867
die herzlichsten
Glück- u. Segenswünsche
zum Jahreswechsel!
Karl Heidenreich u. Frau
Restaurant „Bummelbräns.
Herzlichen Glückwunſch
zum Jahreswechſel
Wilh. Deuſter und Fritz Brunner
Inhaber der Firma Wilhelm Deuſter
K
Konfektionshaus
Marktplatz 11. (21
Die herzlichsten
Glückwünsche
zumJahreswechsel!
Brauerei
Friedrich Schönberger
Unseren verehrten Gästen,
Freunden und Gönnern (3
zum Jahreswechsel
recht herzlichen
Glückwunsch!
H. Reichert u. Frau
Weinhaus Maxim
2‟
R0
Ein gückliches
RNeues Jahr
wünſcht
KAdolf Aßmus u. Frau
4 Schuſtergaſſe 15. 16, Telephon 2320. X
F
Unſerer werten Kundſchaft,
Freunden und Bekannten (12
die herzl. Glückwünſche
zum neuen Jahre!
Hans Latz
Kolonialwaren
Heldelbergerſtr. 46 — Grafenſtr. 16
Unſern werten Gäſſen, verehrl.
Kundſchaft, ſowie Verwandten und
Freunden
die herzlichſten
Glückwünſche
zum neuen Jahre!”
Wilhelm Nagel
und Familie
Obſtweinkelterei u. Kelterei=Ausſchank
Meiner werten Kundſchaft
die beſten Wünſche
zum Jahreswechſel!
Hubert Bringer Nachf.
Inh.: M. Steinbach
Wilhelminenſtr. 35.
aenau
Meinen werten Gäſten,
Freun=
den und Bekannten wünſche (2
Die beſten Glückwünſche
zum neuen zahr!
Jakob Schüler
Nieder=Ramſtädterſtr. 13
Grafenſtraße 10
Beſſungerſtraße 41
A anane
Unsererwerten Kundschaft
zum Jahreswechsel
die besten
Glückwünsche!
Albin Schurig
und Frau
Spezial-Reparatur-Anstalt
für Autobereifung
Ellsabethenstraße 62
Meinen werten Kunden,
Freunden und Bekannten
Herzlichen Gläckwanſch
zum neuen Jahr
unſerer werten Kundſchaft
ſowie Freunden u. Bekannten
Anton Fiſcher
Frankfurterſtraße 12/4
Heinrich Schulte
Nr 5 5r50c
Unſerer werten Kundſchaft,
Nachbarſchaft, Freunden
und Bekannten ein herzlich
Proſt Neujahr!
Sebaſtian Lang u. Frau
pferdemetzgerei / Liebſrauenſtr. 49
(40
K
Meiner werten Kundſchaft,
Freun=
den und Bekannten wünſche
ein frohes Neujahr
Herm. Zabel
Herren= und Damenſchneiderei
Roßdörfer=Str. 17 czo6s4
die herzlichſten
Glückwünſche
zum neuen Jahr!
Hans Kappel
31 Kahlertſiraße 31
Unſern Gäſien, Freunden
und Gönnern.
(3
ein glückliches
neues Jahr!
Familie M. Kaſt
„Landſiurmeck”.
Stttttsttstttssste
Meinen werten Kunden,
Bekann-
ten und Freunden ein kräftiges
Prosit Neujahr!
Meiner werten Kundſchaft,
Freunden u. Gönnern ein
glückliches
neues Jahr
und Familie
Bier= u. Mineralwaſſer=Depot
Fuhrunternermung / Spedition
Darmſtadt (13
N.=Ramſtädterſtr. 20 / Tel. 1782
K
Lebensmittelbedarf und
Gewürzhandlung
Karl Kappel
Rheinstraße 47.
Lettttssststsssssssstese
ſche Gli
Meinen werten Gäſten, ſowie s
zum neuen Jahre
allen Gäſten
Bekannten und Gönnern
Weinhaus „Mascotte‟
Familie Geil
Holzſtraße 5.
(29
KH 5
verehrlicher Kundſchaft
die herzlichſten
zum
neuent zahre!
Barth’sWeinſtubeu.
Weinhandlung.
Ein gutes
neues Jahr
wünscht die
Darmstüdter Verachuags-
Gesellschaft
Debewag, Heinrichstraße 62.
Telephon 764. (32
Allen unſeren werten Kunden u.
Gön=
nern wünſchen wir auf dieſem Wege
ein glückliches
Neues Jahr!
Fritz Kaißling und Frau
Metzgerei
(18
Karlſtraße 119. * Telephon 3225.
ein glückliches
Neues Jahr!
Jacob Herrmann
Sport=Café
Am Hallenſchwimmbad.
ersrtrrellssstterttt
O
Meiner werten Kundſchaft die
beſten Wünſche
zum Jahreswechſel!
Bäckerei Dröll (19
Nieder=Ramſtädterſiraße 31.
Kargaaannang
RRRRRRKRXXXA
X Meiner werten Kundſchaft un
& allen Bekannten
die herzlichſten
Neujahrs=Glückwünſche
Wilhelm Dreßler
R. Metzgermeiſter, u. Frau
Fuhrmannſtr. 1.
FFFFFFFRRT
OM
Unſerer werten Kundſchaft,
Freunden und Bekannten
dieherzlichſtengläckwünſche
zum Jahreswechſel.
Meiner werien Kundſchaft,
Freun=
den und Bekannten ein
glückliches neues Jahr!
Pelzwaxenhaus Jacob Epting
Ecke Hügel= und Wilhelminenſtraße.
Meinen werten Gäſten, Freunden
und Bekannten
ein glückliches
neues Jahr!
Heinrich Boßler
Brauerei=Ausſchank „Zur Krone‟
Schuſtergaſſe 18. 45
Allen unſeren Abonnenten zu
Weiterſiadt und Braunshardt
ein glückliches und frohes
Neujahr!
Fam. Karl Böhm. Beiterſtadt
Unſerer verehrien Kundſchaff,
Freunden und Gönnern ein
ProſitNeujahr!
Richard Ludwig u. Frau
Zigarren=Spezial=Geſchäft
Karſſtraße 7.
(*7
Kühler Grund
im herrlichen Mühlthal
von Eberstadt 2s MInuten
Unseren weiten Gästen
ein ggsundes nengs Jahr
August Illig und Frah,
Heinrich Schwarz und Frau
Butter=Spezialgeſchäft
Graſenſtraße 27.
(30
O
Carl Mion & Co.
Zementbaugeſchäft, Darmſtadt
Büro und Lager:
Lauteſchlägerſtr. 12 Tel. 2614
Wünſchen unſerer werten Kundſchaft
ein
Zugleich empfehlen wir uns zur
Ausführung von Terrazzoarbeiten,
Asphal=
tterungen u. Gipseſrichdöden für
Linoleum=
unterlagen. Fertige Waſſeriteine u.
Treppen=
ſtufen in Terrazo und Zement haben wir
teis vorrätig. Reelle preiſe!
Hochachtend
Carl Mion & Co.
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 1. Jauuar 192Z.
Rummer 1.
Eine Geſchichte von Ufer zu Ufer
von Johanna Wolff.
(Nachbruck verboten.)
6)
Merete wollte den Kopf ſchütteln, konnte aber nicht. Da
war etwas an Frau Monikas Art, dem ſie ſtill halten mußte.
„Was iſt denn ſonſt dabei zu tun?” fragte ſie hilflos.
„Ein wenig Geduld haben, liebe Seele. Auch das iſt
Weis=
heit. Solange unſere deutſchen Menſchen vom Lande
wegdrän=
gen in die großen Städte hinein, iſt für uns hier draußen wenig
zu machen. Die Leute kommen einfach nicht, wenn ſie geplagt
werden. Und je öfter Sie Ihre Angeſtellten wechſeln, deſto
minderwertiger wird der Zuzug.”
Merete ging ſtill hinaus. Nein, ſie verſtand nicht. Dieſe
Weiſe lag ihr nicht. Lieber wäre ſie dreingefahren, hätte eine
gründliche Unterſuchung geführt und die Schuldigen entlaſſen.
Ueberhaupt dieſe Art der Frau Schack, die nicht im Kleinen zu
ſparen ſuchte, ſondern nur im Großen zuſammenhielt! Dieſe
wiſſende Vornehmheit wirkte geradezu befremdend auf Merete.
Herr von Storck hatte auf den Groſchen geſehen, er war ſehr
ungehalten geweſen, wenn ſeine Kohlköpfe einmal fünf Heller
billiger vergeben worden; aus den Arbeitern verſtand er das
Aeußerſte herauszuziehen; ebenſo aus ſeinem alten Inſpektor,
und daß Merete ihrem Vater ausgiebig Beiſtand tat, ſah er als
ſo ſelbſtverſtändlich an, daß er nie ein Wort darüber verlor.
Wie anders hier, wo das „Wirtſchaftsfräulein” von einem
Pfleg= und Schonſamen umfangen wurde: „Ruhen Sie ſich ein
wenig”, ſagte Frau Schack, wenn ſie die Eifrige erhitzt, mit
per=
lenden Schweißtropfen auf der Stirn irgendwie zu Geſicht
be=
kam, oder: „Ich habe Ihnen ein Buch auf Ihr Zimmer gelegt,
gönnen Sie ſich ein Stündchen, darin zu leſen.” Merete hatte
ſozuſagen Klein=Leut=Geſicht und Klein=Leut=Geruch mit ſich
nach Moorwiſche gebracht; hier kam etwas an ſie heran, was
daran rührte; aber noch empfand ſie dieſe freiere Menſchlichkeit
peinlich, viel eher bedrückend als erhebend war ihr die Weiſe
der Frau Schack. Ja, wenn ſie ſich ſo mit Sicherheit ohne Scheu
und Zwang hätte geben können! Noch empfand ſie auzu ſcharf
den Akſtand zwiſchen ſich und ihrer Dame; im Gegenteil, je
freundlicher Frau Monika ſich mühte, ihr nahe zu kommen, deſto
beſcheidener zog ſich das Hausfraulein in die Grenzen zurück.
die ſie als ihrem Stande zukömmlich betrachtete. Eine Vertrau=
lichkeit zu wagen, wäre Merete nie in den Sinn gekommen. Zum
Helfen und Zufaſſen war ſie da, und das tat ſie.
Sie dachte an Hans Peter. Wie mochte der fertig werden
mit ſeinen Vorgeſetzten und mit den vielen, die ihm untergeben
waren? Lachte ihm nicht der Schalk aus den Augen? Der
ver=
ſtand Schwierigkeiten anders zu nehmen. Ein klarer Blick, ein
kurzes Wort, und er brach einer böſen Sache die Spitze ab. Ja,
klug war er und ſtark, der geliebte Menſch! Stümperei am
Leben war ſeine Sache nicht
Nachdenklich lehnte Merete am Eingang zum
Gemüſegar=
ten; da bemerkte ſie das Gartenweib, das Froh zum Jäten und
Hacken angenommen hatte; es war eine auffallend große,
grob=
knochige Perſon mit kurz geſchorenem Haar. Stine Pauk ging
in Hoſen umher und war ſo ſtark, daß ſie einen Sack von zwei
Zentnern zu werfen vermochte; aber das Unkraut hackte ſie nur
oben ab.
Dieſes plumpe Frauenzimmer ſchien den Gärtner ganz und
garl in der Hand zu haben, er wagte ihr wegen der ſchlechten
Arbeit nichts zu ſagen und vermied es gradezu, der Stine
hin=
dernd in den Weg zu kommen.
Beim Kartoffellegen hatte Merete einen vollen Sack der
beſten Saatkartoffeln in der Tannenſchonung verſteckt
aufgefun=
den; leider war ſie nicht geſcheit genug geweſen, abzuwarten,
wer dieſen Sack holen würde. Sie hatte gleich gerufen, aber
Froh ſtand ſo ehrlich erſtaunt, daß er als Täter nicht in Betracht
kommen konnte. Stine Pauk, das Hoſenweib, knurrte — knurrte
etwas von überflüſſigen Leuten, die nicht Fleiſch und nicht Fiſch
wären, nicht Herrſchaſt und nicht Dienſtbote und die doch ihre
Naſe in alles ſtedten.
Es war am Samstag vor Pfingſten, und der liebſte Menſch
hatte ſo lange nicht geſchrieben. Das Feſt fiel dieſes Jahr in den
Anfang Juni hinein. In letzter Nacht hatte es leicht gewittert,
ein ſachter Regen war geſallen und hatte die Natur wunderbar
erfriſcht. Was welk, hatte ſich aufgerichtet, alles Knoſpende war
im Aufbrechen und reate ſich dem Licht entgegen, die Sonne, die
ſtrahlend aus den Wolken ſtieg.
Die jungen Birken duſteten. Selbſt die ſpäten Hainbuchen
ſchoben den Reſt ihrer roſigen Hütchen ab und ſchimmerten in
haarigem Eilberflaum.
Primeln und Tulpen, bunte Narziſſen und Pfingſtroſen,
alles, was der kalte trockene Wind zuruckgehalten, beeilte ſich,
das Verſäumte nachzuholen und ſtand mit einemmal in Farben
da. Und der Flieder! Blau und weiß und dunkelrot blühte er
Rooteu
Soooeoeeooee
Unſerer werfen Kundſchaft,
Freun=
den und Bekannten wünſchen wir
Die herzl. Glückwünſche
ein glückliches
zum Jahreswechſel
Neues Jahr!
MehzercStern
Darmſiadt — Saalbauſiraße 2—6.
Filiale: Zwingenberg a. B.,
Am Marlt 8.
R
O
Unſerer werfen Kundſchaft und
Nachbarſchaft ſowie Verwandten
und Bekannten
ein glückliches
neues Jahr!”
Familie Schellhaas, Karlſtr. 50
Lebensmittelhaus. (*18
A
Meinen werten Kunden, ſowie
Freunden und Bekannten wünſcht
Georg Hein, Manufakturwaren
Ernſt=Ludwigſtiraße 20. (44
bringt ſeinen Geſchäfts=
und Privatkunden
Wurſt= u. Fleiſchwaren=Fabrik
Willy Fuchs
Blumenthalſtraße 111. (26
Deceeceleebeleeeeee
Unseren Kunden, Freunden
und Bekaunten
die herzlichsten
Segenswünsche
zumneuenJahre!
G. m.
Philipp Hess b. 4.
Schillerplatz 5 (25
Unſerer verehrl. Kundſchaft
und Geſchäftsfreunden
die herzlichſten
Glückwünſche
zum neuen Jahr!
Brauerei Karl Fah
G. m. b. H.
reich und ſchwer, überall eingeſchoben zwiſchen Schneeball und
Goldregen, dort und hier und hier und dort.
Merete meinte, ſo ſchön hätte ſie das Lenzen noch niemals
erlebt. Dieſe Pracht gab auch dem Menſchen ein Gefühl des
Reichtums, als wäre er am Herauskommen all der Herrlichkeit
beteiligt. Sie vergaß ihre Sorgen, vergaß auch Stine Pauk, das
Hoſenweib.
Froh hatte die Waldpfade geſäubert, den Waf zum
Herr=
ſchaftshaus mit Kalmus und Tannengrün beſtreut und war
eben dabei, zwei ſchlanke Birken zu ſeiten der großen Haustür
anzubringen.
Merete, noch warm vom Pſingſtkuchenbacken, lief in den
Garten, um eilends ein Beet Stauoebohnen in die warme und
feuchte Erde zu legen. Tief gebückt ſtand die ſchlanke Geſtalt
und ganz hingegeben an ihre Beſchäftigung. Da hörte ſie ſich bei
Namen gerufen; als ſie ſich aufrichtete, ſprang eine ſtattliche
Männergeſtalt mit weitausholenden Sätzen über den kleinen
Grabenſteg, und ehe ſie wußte, wie’s geſchah, lag ſie ſchon in
Hans Peters ſtarken Armen, von ihm umſaßt, geherzt — gerüßt.
O Schönheit o Leben! Alles, alles floß ihr zuſammen in ſeinem
lieben Geſicht, ſie ſah nur Augen, helle, wohlbelannte Augen, die
voller Zärtlichkeit ſich in die ihren ſenkten.
„Nun haſt Du mir die Bohnen verſchüttet,” ſagte ſie
glück=
ſelig. Es klang ähnlich wie damals: „Wiſch mich doch ab, großer
Junge.”
Er ſammelte das Verſtreute auf, und ſie legten die Bohnen
zu Ende, er hüben, ſie drüben; jedesmal, wenn ihre Hände ſich
in der lieben Muttererde trafen, ſchauerten ſie zuſammen vor
Entzücken und Daſeinsfreude.
„Müſſen die aber ſchmecken!” rief Hans Peter, den Arm um
ber Liebſten Schulter legend, „ich wollt, ich könnt ſie mit dir
eſſen, Schatz. Nun komm aber, ich habe etwas auf dem Herzen,
das ich ſo bald wie möglich der Herrin auf Moorwiſche
aus=
ſprechen möchte.”
Merete ſtand mit dem Körbchen in der Hand und ſchaute
ihn an. Wie hübſch er ausſah, der junge Ingenieur, da er ſo
mit ſeinem friſchen Geſicht und den klugen Augen auf ſie
nieder=
blidte. Hatte er immer ſolche hohe Stirne gehabt? Und den
kleinen blonden Bart über dem feinen Munde? Das Mädchen
errötete. War er nicht der ſchönſte und beſte aller Männer?
Uind er gehörte ihr, der Liebe, Stattliche!
(Fortſetzung folgt.)
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Pfandbriefe (
Vor=
krieg ) gegen Gebot
zu verkau en.
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gebote unt. B 79 an
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Blattes.
Geſucht zwecks
Ge=
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glückliches Neujahr
Friedrich Eissenhauer
Inh. der Firma Adam Karn Nachf.
Telephon 381 Bleichstr. 51
Meiner hochgeehrten Kundſchaft,
Verwandten und Bekannten die
herzlichſten Glückwünſche
zum Jahreswechſel!"
Theodor Luttermann u. Famnilie
Schneidermeiſter, Alexanderſtraße 11
Kinterrichtgg
Anfänger= u.
Wieder=
holungsk rſe in
Stenographie und
Maſchinenſchreiben
beginnen, 7. Januar
Gründl. und raſche
Ausbildung. (ewvsgi
Aumeld. vorm. erbei
M. Naumann,
Ernſt=Ludwigſtr. 23.
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abzugeben (11) Donnerstag, den 3. und Freitag,
Mayer & Cie., den 4. Januar 1924 vormittags 9 /,
Eiſenhandlg, Darm= Uhr anfangend werden im Spachbrücker
Gemeindewald Diſtrikt Mark verſteigert
— Telephon 263. — Stämme Lärche 11 St. V. Kl. 2,08 tm.
Stämme Fichten 3 St. Va Kl. 1,50 im,
Stämme Fichten 273 St. Ib Kl. 48 tm.
Derbſtangen Fichten 653 St. 48 tm.
Derbſtangen Lärchen 8 St. 0,72 im.
Am Donnerstag, den 3. Januar
kommen die Stämme zum Ausgebot.
Nähere Asku fr erleilt Förſter May
Markhaus Meſſel.
(8825si
Zuſammenkunft bei Gaſtwirtdeberer,
Station Meſſel.
Spachbrücken, den 27. Dezember 1923.
Bürgermeiſterei Spachbrücken.
J V.: Poth.
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halten, abzug.
Fried=
ruhſtr. 18, I. (43
1. Lenkrodel, 2ſitzer,
zu verkau en (*47
Alexandraweg 31.
Darmſtädter Tagblaft
U
Die amerikaniſche Automobllausfuhr nach den Unternehmen den Sitz hat, die Friſt, innerhalb deren nach Geſetz oder
eurepäiſchen Stagen.
Von
D. P. Auſtin.
Aller eigenen Automobilinduſtrie zum Troß ſetzt ſich das amerika= landesgeſetzlichen Vorſchriften über Beitreibung öffentlicher Abgaben
be=
niſche Automobil immer mehr in den europäiſchen Ländern duich. Die handelt werden, trägt die Antragſtellerin.
Zahl der im Kalenderjahr 1923 nach dort ausgeführten amerikaniſchen
Automobile wird ſich, wie ſchon jetzt zu ſehen iſt, auf mehr als das Dop= gruppe in Perſien. Das amerikaniſche Staatsparlament teilt
offi=
velte von 1922 und auf das Zehnfache von 1921 belaufen. Vollſtändiges ziell mit, daß die Sinelair=Oil=Company in Perſien die ausſchließliche
ſtatiſtiſches Material liegt über die Automobilausfuhr für das Jahr 1923 Ausbeutung der vier Nordprovinzen erlangt habe, weil das verſiſche
uaturgemäß noch nicht vor; umgerechnet jedoch nach der Einfuhr in den Parlament von dieſen Gegenden die engliſchen Induſtriellen ausſchließen
neun Monaten Jauuar bis September dürfte ſie ſich auf rund 45000 wolle. Die Sinclair=Oil=Gruppe verpflichtete ſich ihrerſeits, für Rech=
Wagen belaufen, gegen 22000 im Jahre 1922 und 4500 im Jahre 1921. nung des verſiſchen Kabinetts eine Anleihe in der Höhe von 10 Mil=
Aber auch dieſe Zahlen ergeben noch kein vollſtänd ges Bild, weil der lionen Dollars aufzubringen. Die Sinelair=Konzeſſionen werden
be=
mnonatliche Bericht des Handelsdepartements nur die Ausfuhr nach neun kanntlich eine Dauer von 50 Jahren haben.
zuropäiſchen Staaten nachweiſt, auf die zuſammen genommen 85 Prozent
der geſamten Ausfuhr nach dieſem Kontinent entſallen, ſo daß die Zahl
von 45 000 Wagen vielleicht noch um 15 Prozent zu niedrig gegriffen iſt.
Ein Ueberblick über die einzelnen Beſtimmungsländer fördert allerlei
Intereſſantes zutage über die Abnehmer von amerikaniſchen Automobi= Die unter Vorſitz von Herrn Geheimen Kommerzienrat Zuckſchwert
ab=
len. Schweden z. B. erhielt in den neun Monaten bis einſchlißl. Sep= gehaltene G.=V., in der 6 Aktionäre Mk. 8 194 000 Aktienkapital und
5t in dem gleichen Zeitraum der Jahre 1922 und 1931; an Perſonen= nung für das verfloſſene Geſchäftsjahr. Die Geſellſchaft bringt in dieſem
wagen nahm Schweden gleichzeitig 6209 Fahrzeuge ab gegen 2632 bzw. Jahre keine Dividende zur Verteilung. Die Verwaltung teilte mit, daß
A3 in den entſprechenden Zeiträumen der Jahre 1922 und 1921. Der das Werk in den erſten Monaten gut gearbeitet hat, daß ſich aber
Ausfuhrpert der Laſtkraftwagen belief ſich für die diesjährige Berichts= wegen der ungeheuren Steuerlaſten nichts Beſtimmtes vorausſagen laſſe.
zeit auf 573 00 Doll., das wären etwa 335 Doll. pro Wagen, gegen
115 000 Doll. im gleichen Zeitraum des letzten Jahres; der Ausführwert
der Perſonenwagen auf 3 654 000 Doll., alſo rund 590 Doll. pro Wagen,
gegen 1 473 000 Doll. im gleichen Zeitraum des Jahres 1922. Ein nicht
ganz ſo ſtarker Abnehmer, für amerikaniſche Automobilfahrzeuge iſt
Norwegen, das in der Berichtszeit dieſes Jahres 579 Laſtkraftwagen,
gegen 227 in der gleichen Zeit des Vorjahres, und 2983 Perſonenwagen
erhielt, gegen 1130 in der gleichen Zeit des Vorjahres. Dänemark wies
eine noch ſtärkere Zunahme der Automobileinfuhr auf als ſeine
Nachbar=
ſtsgten; ſie ſteigerte ſich von 390 Perſonenfahrzeugen in der Zeit von
Januar bis September 1922 auf 1628 in der gleichen Zeit des
letztver=
gangenen Jahres.
Auffällig geringer iſt die Einfuhr amerikaniſcher Laſtkraftwagen von
ſeiten der Niederlande, die ſich in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Sep=
1923 auf nur 29 Wagen belief gegen 85 in der gleichen Zeit von 1922;
an Perſonenautos wurden jedoch gleichzeitig erheblich mehr Wagen nach
den Niederlanden exportiert, nämlich 1284 Fahrzeuge gegen 585
Fahr=
zeuge in der gleichen Zeit des vergangenen Jahres. Ein ſtarker
Ab=
nehmer iſt Spanien, das in der Berichtszeit 1023 Laſtkraftwagen (134
in der gleichen Zeit des Vorjahres) und 3400 (i. V. 1412)
Perſonenauto=
mobile imoortierte. Die Schweiz führte gleichzeitig 372 amerikaniſche
Perſonerfahrzeuge ein gegen Ali in den entſprechenden Monaten des
Verjahres; Belgien 3063 (i. V. 1821) Laſtkraftwagen und 4352 (i. V.
3323) Perſonenwagen. England führte, trotzdem es ſtarker
Eigenprodu=
gent iſt, in der Zeit von Januar bis September 1923 686 (i. V. 266)
amerikaniſche Laſtkraft= und 6602 (i. V. 3645) Perſonenwagen ein.
Frank=
reich iſt mit Ausnahme der Kriegszeit nie ein ſtarker Abnehmer für
amerikaniſche Automobile geweſen (erhielt es doch im Vorkriegsjahre
1918 nur 818 amerikaniſche Perſonenautomohile, während England
da=
mals 3783 Fahrzeuge erhielt) und hat ſich noch mehr als früher auf ſeine
eigene Automobilinduſtrie zurückgezogen; aus den Vereinigten Staaten
hat es in der Berichtszeit nur 262 Perſonenautomobile bezogen gegen
noch 336 in der entſprechenden Zeit des Vorjahres, während die Einfuhr
von Laſtkraſtwagen überhaupt keinen neunenswerten Umfang erreicht
hat. Deutſchland, das im Jahre 1913 845 amerikaniſche
Perſonenauto=
mobile einführte, iſt als Abnehmer nahezu ganz in Wegfall gekommen.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
* Der deutſche Zahlungsmittelumlauf. In einer
Unterredung mit dem Berliner Vortreter der 9.3. teilte der Reichs= 1. Februar 1924 und Erneuerungsſch inen eine Stammaktie der
Geſell=
finanzminiſter Dr. Luther über unſeren gegenwärtigen Zahlungsmittel= ſchaft, Ausgabe 19B3 im Nominalbetrage von 1000 Mk. mit
Gewinn=
umlauf mit, daß er, auf Golomark kzurückgeführt, wie folgt zu ſchätzen anteilſcheinen 1923/24, gewährt. Außerdem macht ſie unter Bezugnahme
ſei: Rentenbaniſcheins 1200 Millionen Goldmark., Reichsbanknoten 400 auf die Bekanntmachung vom März 1923, mit welchr ſie die noch im
Millionen Goldmark. kleinere Goldanleiheſtücke 300 Millionen Gold= Umlauf befindlichen Teilſchuldo rſchreibungen aus Anleihen vom Jahre
mark, verſchiedenes Notgeld 500 Millionen Goldmark, zuſammen 24.0 1898, 1901, 1302, 1906, 198, 1913 und 1220 auf den 1. Juli 1923 bezw.
Millionen Goldmark. Demgegenüber machte der geſamte deutſche Zah= 1. Oktober 1923 geckündigt hat, mit Nückſicht nuf die ſeither eingetretene
lungsmittelumlauf im Jahre 1913 5,65 Milliarden Mk. aus. Es iſt nach Geldentwertung nachttäglich folgendes Angebot: Sie erklären ſich bereit,
dieſem Vergleich keineswegs von einer Ueberſättigung des Verkehrs mit 10 000 Mk. Teilſchuldverſchreibungen der Anleihen aus dem Jahre 1898,
Zahlungsmitteln zu ſprechen.
*Neue holländiſche Beteiligung an der Phönix= fallener Zinsſchrine und Erneuerungsſcheine eine Stammaktie, Ausgabe
gruppe. Der Petit Pariſien erklärt, daß zur Zeit im Haag ein hol= 1923, von 1010 Mk. und für je 25 000 Mk. Teilſchuldverſchreibungen der
ländiſcher Truſt gegründet würde, in der Abſicht, der Phönrgruppe nach Anleih= aus dem Jahre 1920 mit Zinsſchein vom 1. Oktober 1933 eine
Einſtellung des paſſiven Widerſtandes bedeutſame Kredite zur Verſigung Stammaktie, Ausgabe 1933, von 1000 Mk. mit Gewinnanteilſcheinen
zu ſtellen. Die holländiſche Gruppe, aus der ſich der gegenwärtige Truſt 1923/24 auszufolgen. An das Umtauſchangebot hält ſich die Geſellſchaft
zuſammenſetze, wäre bereils vergangenen Juli mit 60 Prozent der Aktien / bis zum 2. Januar 1924 einſchließlich gebunden.
der Phönirwerke an dem Otto Wolffſchen Unternehmen beteiligt geweſen.
Der neue Truſt, der die angeſehenſten Finanzinſtitute Hollands umfaſſen meldet, ſtellt die Geſellſchaft ihr Kapital auf Goldmark um. Der ao.
ſolle, wird künftig mit mehr als 300 Millionen Goldmark an den Phönix= G.=V. am 15. Januar 1924 werden folgeude Anträge unterbreitet: 1.
Um=
werken beteiligt ſ in.
Verlängerung von Bilanzfriſten. Laßt ſich bei mark ausgedrückte Grundkapital von 512 500 000 Mk. Stamm= und
Vor=
einer AG. Komm=Geſ. auf Aktien, oder G.mb.H., deren Vermögen zugsaktien auf ein Kapital von 2562 00 Goldmart, durch
Zuſammen=
ſich zum erheblichen Teile im beſetzten Gebiete befindet, nach legung der bisherigen Altſen im Verhältnis von 200=1 herabgeſetzt wird,
Lage des Falles der Stand des Vermögens und der Schulden, auch mit und neue Aktien in Gemäßheit am Tage der Generalverſammlung gel=
Hilfe von Schätzungen, nicht darſtellen, ſo kann im Falle dringenden tunden G=ſetzes inbezug auf die Höhe des Nennwertes der Aktien heraus=
Bedürfniſſes auf Antrag der Geſellſchaft die oberſte Landes= gegeben werden.
Darnſtädter und Nationalbank, Konmandit=Geſelſchaft auf Abtien.
behörde (alſo in Heſſen das Geſamtminiſterium), in deren Bezirk das
Statut, Bilanz, Gewiun= und Verluſtrechnun= und Geſchäftsbericht
auf=
zuſtellen, ſowie dem Aufſichtsrat, der G.=V. (Geſellſchafterverſammlung)
borzulegen ſind, verlängern. Dieſelbe Behörde kann auf Antrag
auch fir Abhaltung der ordentlichen G.V. Geſellſchaſtverſammlung)
Friſtverlängerung gewähren. Die Koſten, die nach den
* Die Petroleumkonze ſſignen der Sinelair=
Erwerbsgeſeliſchaften.
* Magdeburger Mühlenwerke A.=G. in Magdeburg.
tember 1923 nicht weniger als 1721 Laſtkraftwagen gegen nur 371 bzwv. 2000 Vorzucsaktien vertraten, genehmigte die Gewinn= und Verluſtrech=
in jeder gewünschten Ausführung
druckt unter Beachtung der
größt-
rnöglichen Sorgfalt und unbedingter
Einhaltung kürzester L eferfristen die
L. C. Wittich’sche Druckerel
* Elektrizitäts=A.=G., vorm. W. Lahmaher u. Co.,
Frankfurt a. M. Die Geſellſchaft kündigt ihre 5proz
Tcilſchuldver=
ſchreibungen vom Januar 1922 in ihrer Geſamtheit zur Rückzahlung zum
Kurſe von 102 Prozent auf den 1. November 1925. Sie erbictet ſich
je=
doch ſchon jetzt zum Umtauſch dieſer Teilſchuldverſchreibungen in der
Weiſe, daß ſie für je 50 000 Mk. dieſer Anleihe mit Zinsſcheinen vom
1901, 1902, 1206, 1948 und 1913 einſchließlich ſämtlicher noch nicht ver=
* Martinsu. Bloch A.=G., Hamburg. Wie bereits lurz
ge=
ſtellung des Geſellſchaftskapitals auf Gold dergeſtalt, daß das in Pavier=
1. Januar 1924 Nr. 1
* Grube Leopolb A.=G. in Köthen=B. Wittkop A.=G.
für Tiefbau in Berlin. Die Verwaltung der Grube Leopold
hat zur Sicherſtellung und Vereinheitlichung ihrer Abraumbetriebe
be=
ſchloſſen, den Aktionäven der B. Wittkop A.=G. ein Angebot derart zu
machen, daß im Umtauſch für je eine Wittkop=Aktie eine Leopold=Aktie
mit Dividendenberechtigung ab 1. 1. 23 gewährt wird, vorausgeſetzt,
daß die Mehrheit der Aktionäre bis zum 14. 1. 24 von dieſem Angebot
Gebrauch macht. In den Aufſichtsrat beider Geſellſchaften werden
wechſelſeitig Vertreter entſandt. Die Verwaltung der Wittkop A.=G.
hält die Annahme des Angebots für empfehlenswert, da durch die
In=
tereſſengemeinſchaft mit der Grube Leopold die Beſchäftigung ihrer
hauptſächlichſten Betriebe geſichert wird. Eine zum 14. Januar
ein=
berufene G.=V., ſoll dieſen Inter ſſengemeinſchaftsvertrag genehmigen.
* L. A. Riedinger, Maſchinen= und
Broncewaren=
fabrik A=G. Augsburg. Die ordentliche Generalverſammlung
genehmigte die Bilanz, wonach der von uns bekannt gegebene Reingewinn
vorgetragen wird. Die Ausſichten werden als ungünſtig beurteilt.
Warenmärkie.
wb. Berliner Produktenbericht. Die Geſchäftslage am
Produktenmarkt hat ſich gegen den Schluß der Vorwoche kaum geändert.
Die Nachfrage nach Noggen konnte nicht voll befriedigt werden, da
be=
ſonders ſächſiſche Mühlen ſich kaufluſtig zeigten, während vom Inland
das Angebot geringfügig blieb. Die Preiſe erfuhren aber nur vereinzelt
Aenderungen. In Weizen beſteht ruhiges Geſchäft bei einiger Nachfrage
für inländiſche Mühlen. Für Gerſte und Hafer zeigte ſich kein beſonderes
Intereſſe. Mehl war feſt auf Begehr für den Konſum und zum Ver,
ſand, ſonſt war der Verkehr ruhig.
Vom Holzmarkt. Unſer fachmänniſcher Mitarbeiter ſchreibt
uns: Am Jahresſchluß ſind die Läger des Holzhandels nicht ſo angefüllt
wie ſonſt. Die Unmöglichkeit, Deviſen zu beſchaffen, verbot vielfach die
ſonſtige Holzeinjuhr aus dem Auslande. Faſt überall ſieht man
gäh=
nende Lücken, die übrigens zugleich Kapitalverluſte illuſtrieren. Noch
ſchlimmer ſieht es bei den Möbelfabriken und im Tiſchlereigewerbe aus.
Hier gehen die meiſten Betriebe mit ganz erheblich verringerten
Be=
ſtänden ins neue Jagr hinein. Etwas beſſer ſteht es um die
Klavierbau=
induſtrie, die 1923 mit einem ganz lebhaften Export rechnete, Deviſen
anſammeln und die Holzbeſtände einigermaßen auf der ſonſtigen Höhe
halten konnte. Der Abſatz hat ſich im Dezember nur wenig gehobeu.
Kaufluſt beſteht nur vereinzelt. Aber es waren nur einzelne Betriebe
in der Lage, ſich Rentenmarkonten und einen Fond zum Ankauf von
Schnittholz zu bilden. Die Steuern kamen für das Holzgewerbe in zu
raſcher Aufeinanderfolge, und es war in kurzen Intervallen erforderlich,
Ware zur Deckung dieſer Ausgaben zu verkaufen. Polen bemüht ſich
ſtark um Verkäufe von Roh= und Schnittholz nach dem Auslande. Die=
Eer Denden ctandid Kud de Wurgchie dun ſerce ut
Ware, die zu ermäßigten Preiſen wegen der neuen Nohholzankäufe
ab=
gegeben werden ſollte. Abnehmer ſind jedoch nur vereinzelt vorhanden.
Der Abſatz nach dem Ruhrgebiet iſt noch immer unterbunden. Das
Gru=
benholzgeſchäft iſt ſtockend; es beſteht keine Neigung zu neuen
Ver=
trägen. Lubholz liegt ſchwach. Eiche iſt angeboten, insbeſondere
Par=
kettholz. Fourniere wurden etwas vom Ausland verlangt.
Waggon=
bohlen liegen völlig ſchwach. Man begegnet erſtaunlichen
Schleuder=
angeboten zu 60—65 Mk. für Böden.
Börſen.
vb. Berliner Börſenbericht. Der Verkehr am letzten
Börſentage des Jahres war ſehr ſtill. Es machten ſich keine beſonderen
Einflüſſe geltend, um die ſchon am Schluß der vergangenen Woche
ein=
getretene Luſtloſigkeit zu beſeitigen. Die Kursbewegung u r
gering=
fügig, aber vorwiegend nach unten gerichtet. Nur einige Werte konnten
ihren Kusſtand etwas beſſern, ſo Hoeſch, Oberſchleſiſcher Koks,
Scheide=
mantel. Bemerkenswert war die Feſtigkeit der deutſchen Anleihen,. Zproz=
Reichsauleihe beſſerte ſich von 950 auf 1200 Milliarden. Im ſpäteren
Verlauf erwies ſich der Verk hr eher widerſtandsfähig, doch blieb das
Geſchäft luſtlos. Geld war leicht und zu etwa einem halben Prozent
ziem=
lich ſtark angeboten.
Oeviſenmarkt.
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich als 1000 Mk.
Geln. Prier Me
Ar
ged Amſterdam=Notterdam 11536000 00 170400000 N1r 96000000 N N70300000 Brüſſel=Antwerpen .= 38 3800.— 1 9t 2000.— 18 52 000 —I1 190477 00 — Chriſti nig ........... 12 34 000 — 5 353 00— 8:50 00 — 62,50 M— Koven agen .. K1 1 500 — .515 5000 —f 471 800 — 75087 060 — Stockholm . 1215000 1115.B0ug II 17 15000 111 78. 000 belüingiors . 1027 2000 03 8009 11027 2000.— 10 25. 000. — Italien.... 11:410000. — 184 460000 — 18353000 —1 13/4630070 London 132 42 0000 12½45750000 323,210000. 184 770000 New=Norl.: 18,5 0 00 4 42 059 000, 1. :15370000 4210700000. Paris ... 21540000 — 2 21654 000 — 13 5.000.— 1 7.3000.— Schweif. 7 77153000 — 3 718 700 — 38 51000 —3 741851000 — Spanien ..... 64330000 — 3.9370009 - 4.6300.—5 530 72000 — Piien (i. D.=Oſterr. abg.) 59 31- 59770.— 59111— 59, 9.- Prag.
...." 231400 30.— 2,074 600 — 12.4 030 — 123060000 — Budapeſtl. ......... 21 975— 220055 — 219750— 2207 0. Buenos=Nires ........ 132667,000 13 3:25000 13270. 5000 t77332 000. Dulggrien „auaa..= 9.2 000. — 2,8500- 29 5.0)— 30/7 00.— jovan . 194312 000 1751 73000 137,0 0000. 11 193 937000. Bio de Jaueiro ........ 9410000 — 33 397000 92010000 — 83 39000 - Belarao. ....a7.: f7f7 44 1000— 777 9000 — 4743000 — 77 19010— Liſahon. 9 76000 — 17033000 — 13152000.— 1 39338/00.—
Frankfurter Kursbericht vom 31. dezember 1923.
Die Notierungen ſind für deutſche Fenten in Milliarden prozent ausgedrückt. — Für ausländiſche Renten und ſämtliche Aßtien ſind die Kurſe in Billionen prozent ausgedrückt.
Europäiſche Staatspaviere.
Deutſche
5%6 Reichsanleihe. . ....
%
„...
½2
Lollar=Eoldanleihe .........
Tollar=Schotzanweiſungen .
½% I. und 1 Schuhanweiſ
1.% VI.—1k.
Alfd 2
Sparprämienanleihe ........
Zwangsanteihe ...........
1% Preuß. Konſols .........
z½% ......
......
25 Bad. An unl. 1935. .....
v. 1907......
3½7
2 Bäyern Anleihe . .......
„......
7 Heſſen unil. 1924 ........
. ................
½%
..........mff
7 Würtiemberger ........
b) Ausländuche.
Bosnten L.E. B. v. 1914
2.=Juveſt. Anl v. 1914
4% r b. 1004 z........4
Aulgar. Tabal 1902 .....
3% Griech. Monovol. ...
% Leſt. Staatsrente v. 1918
ab 1918 ."
a70 Ceſt. Schatzanwueiſ,, ſifr
....
b. 1914
% Leſt. Goldrente .....
% — einheitl. Nente
am. Neute v 03
6% M
4½% Goldrente v. 13
am. . lonp.
.. b. 05
*
Admin.) v 1903
GBagdab) Ser. 1
11.
v 1911. Zollunl.
Staats:. v. 14..
12
Goldrente.
Staatsr. v. 10..
Kronenrente. .„
Kußereuropälſche.
320 Merii anort, innere
ſonſ. äuß. v. 09
6%
Gold v. 04 ſiſr.
48
ſonſ, innere
38
Drrigationsantleihe
52 Tauautlivgs. Serie!
Cblig. u. Transvorianſt.
425 Lliſabeilbaln ſiſt.
Oſo Gal Cail Ludiw Bahn
528 Ceſt. Süldb. (Lomb.) uft
82 Alte Leſtr. Eldb (Lomb.)
2,6%Neue
22 Ceſt. Siaatsb. v. 1983
47 Leſt. Staatsb. 1, b. 8. Em
70
200
900
4200
4.00
195
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359
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Sblig. v. Transportanſt. (3tſ.
z Eeſt. Stuatsb. 9
320 Teſt. Sigaisb v. 1883
325 Teſit, Staatsb. b. Erg. Netz
425 Nupolfb. (Salzkammerg.)
1 ½,2 Angtolier 1.
32 Salon Conſt. Jolcion.
2. Sglonigue Monaſir .
522 Tehuantepee . ...!"
.......
½%o
Pfandbrieſe.
Frankſ. Gyp.=Banl 1920.
a Franki 6. Krd.=Ver, 1921
22 Mein Hyp.=Bani 1922
20 Pfäl. 1938
425 ühein. „ 1923
veri
12 Südd. Boden=Cred.=Bank
München 19068
2a beii. Ldhlp.=Bant. Pfdbr
3½z% Heil Ldhyp =Bl, Pfoor
12, Geſſ. Ldhnp Nom Cbl.
Teutſche 2tädte
420 Tarmſt. v. 1919 bis 1923.
20 Tarmſt. v. 1308 z...
429 Frenffurt v. 1913
„ v. 1993
3½0
Rolnz. p. 1919 bis 1926
NachSachwertvz. Schuloverſchr.
9 beuwek. N. (ner. A.‟
82abeſſ. Brgunk=Rogg Anlv 23
52o Preuß. Aaliwert=Anleihe
Roogenwert=Anl.
2e Sſdd, Fſtivertol.
Wo Säaſ.Pt aunr. Anl. Ser.1 1.1
Fanl=Kikiem.
Ban”. ſr Praunduſtrie ....!
Varmer Yanſverein.
Verliner Lanpelsgeiellſchaft.
Lommerz= und Prſogtban”
Darmſtädter u. Nattonalban”=
Teurſche Pani
Teutſcheeffelten= u. Wechſelban
Teutſche Vereinsoank.
Disconto=Geſeliſchaft . ...
dresdener Panl .
Frankfurt r Yanl..
Metallbanr.
Mitteideutſche Eredltbant.
Teſterreichiſche Creditanſtalt .
Reichebauk=Ant.
Nhein. Credſtbau”.
Südzdeutſche Disconto=Geſeliſch
Weſtban!
Wieuer Bankuerein.
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Rochuimer Verol.
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2i. Zurein
ſchweller Verzuerfs=
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Cberſchie, Ciſen Caro) ..=
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Tellus Bergb.= u. Hütten-Akt.
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„ittien induſtr. Unternehmung.
Brauereien.
Henninger Lempf=Stern ......
Löwenbräu München ......
Schöfferhof (Binding .......
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Verger
Dmagn. —
Adler 4 Lppenheimer z.. n=
Adlerwerie ſp. Kleyer)......
N. E. G Stamm. ..mm. 71"
Anglo=Continental=Guano ....
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1
13
3
4,5
21
70
6
109
32
25
38.
8.5
31.0
6,5
3.2
5,5
39
45
3
710
1023
3.
1
55
42,5
16.
23,5
29
42
75
25
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22.5
2,6
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6
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63.)
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10
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33.
3.3
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10.
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10
45
3.
7,6
2,75
i.
40
10
11.3
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13
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45
5,5
1230
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20
095
3,4
15
3.
115
13
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Naſtatter „aggon
Text.=Jud (Baruten (Tiag)
Ufg Fillf znne77777777704
2,5
Seite 14..
Darmſtädter Tagblatt, Dienstag, den 1. Januar 1924
Nummer 1.
ſind überall
eingeführt
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Neujahrstag
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im Grünen.
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Lachen ohne
Ende!
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Orph.=Kaſſe ab
(64
3 Uhr
verbunden mi Theater und Tanz
im Hoſpiz, Obergaſſe 12.
Anfang 4 Uhr. (*2t) Der Vorſtand.
Verein heſſ. Finanzbeamten.
Am Donnerstag, den 3. Januar 1924
abends 8 Uhr, hält
Herr Koulege Henkel einen
Vori cag
über ſeine koloniale Erinnerungen im Hlein.
Saal des Hoſpizes da ier, Obergaſſe 12.
Die Koliegen mit ihren Damen werden
herzlichſt eingeladen. Der Vorſtand.
G. D. A.
Gewerkſchaftsbund derAngeſtellten
Die Monatsverſammlung findet weger
den Feiertagen am Mittwoch, 9. Januar,
ſtatt Ende des Monats findet ein Kurſus
über Goldbilanzen ſtatt. Mitte des onats
Januar findet ein Künſtlerabend unter
Leitung des Herrn Kuhn und Mitwirkung
von Frau Kuhn=Liebel, Frl. Werle, Herin
KonzertmeiſtrDrumm, HerrnEneljelm und
Herrn Kapellmeiſter Roſenſtock, ſämtl vom
Heſſ. Landestheater Darmſtadt, ſtatt.
Alles Nähere wird, n den nachfolgen
den Anzeigen und im Mitteilungsblatt des
Geweriſchafssbundes bekunnt gegeben. (73
Eisbahn eröffnet.
Lanzestheater.
Großes Haus.
Dienstag, 1. Jan.
Sondermiete 17* u. 18*
Der Roſenkavalier
von Rich Strauß.
Anfang 6 Uhr.
Fleines Haus. (V?
Nachmittags 2½ Uhr
Firlefagz
von F. P. Buch.
Abends 7 Uhr.
Zuſatzmiete VIII‟.
Schluck u. Jau
2. Gerh. Hauptmann
Volkstheater
Dienstag, 1. Januar,
8 Uhr
Erſtaufführung des
Senſations=
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Die fremde Frau.
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Nachmittags
Aſchenb. odel.
Preiſe 250—500 weilliard:
Mittwoch
Die fremde Frau.
Geſchäftsübernahme
und =Empfehlung.
Der verehrten Kundſchaft und
Nach=
barſchaft zur gefi. Mitteilung, daß ich
(*51
das von Herrn
Gg. Mich. Fiſcher
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betriebeneLebensmittelgeſchäftmit dem
heutigen Tage übernommen habe.
Meia Beſtreben wird ſein, dus
ver=
ehrte Publikum in jeder Hinſicht
zu=
frieden zu ſtellen, und halte ich mich
bei Bedarf beſtens mpfohlen.
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1924, 8 Uhr,
Karlſtraße 16, I.
General=
verſamenlung.
Jahresbericht.
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Der Vorſtand.
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„Im Mamen des Gesetzes‟
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