Darmstädter Tagblatt 1923


23. November 1923

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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
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Nummer 324
186. Jahrgang
Freitag, den 23. Nodember 4923

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Konlurs oder gerſchiſcher Beſteſung fäll jeder
Nabait weg. Banllonto: Deuiſche Bank und Darm=
ſtädter
8 Nationalbank.

Kanzler und Reichstag.

Rede Dr. Streſemanns. Deutliche Worte an Frankreich. Die Sabotage der Verhandlungen. Bahern,
cſen und Thürſngen. Dos Währunge, und Wirtſchaftsprobſen. Ein Bekenntnis des Reichsſinanzminſtes.

Beichsregierung und Parlament.
Von
Dr. Walther Croll=Berlin.
ie vom Dienstag auf Donnerstag verſchobene große poli=
Rede des Reichskanzlers hatte die Abgeordneten faſt voll=
4 in den Plenarſitzungsſaal des Reichstages gelockt und die
nen dicht gefüllt. Ein erheblicher Teil der Nede Streſe=
s
war der Abfertigung von Anrempelungen gewidmet,
ſich die Kommuniſten gegen den Führer der Reichspolitik
et haben. Trotz der widerwärtigen Erfahrungen, die der
kanzler mit den oppoſitionellen Schreiern der Liuken bis=
macht
hat, trat Dr. Streſemann für das parlameutariſche
u ein, welches erſt alle, Kinderkrankheiten durchmachen
und zunächſt kaum ideal funktionieren könne. Nur hätte es
llos in dem breitſchichtigen Nationalempfinden Deutſch=
Verſtändnis gefunden, wenn Dr. Streſeuzann von ſich
em Parlamentarismus eine nützliche Lehre gegeben hätte,
er die Pareien zwang, zur Frage des Kabinettswechſels
Stellung zu nehmen. Der Entſchluß des Kanzlers, am
tag erſt die Vertreter der Oppoſitionsparteien reden zu
und dann erſt mit einer Verteidigung der bisherigen
politik eine Schilderung der gegenwärtigen Lage und der
ftsabſichten zu verbinden, deutete darauf hin, daß dem
tag diesmal eine präziſe Stellungnahme erſpart bleiben
Mancher, welcher dem Kanzler Gelegenheit zur Weiter=
ug
der begonnenen Politik geben möchte, hätte es gern
n, wenn ein unverklauſulierter Vertrauensantrag einge=
worden
wäre. Hätte dann der Reichstag dieſen An=
Aibgelehnt, ſo hätte der Kanzler Gelegenheit gehabt, der
värtig zvenig würdigen und wenig arbeitsfähigen deutſchen
vertretung das Lebenslicht auszulöſchen. Eine Körper=
welhe
die parlamentariſche Geſchichte Däutſchlands zu
Reihe von Kriſen machte, hat im heutigen Deutſchland
Aauernde Berechtigung mehr.
1s dem reichen Moſaik der Streſemannſchen Rede verdie=
nige
Punke hervorgehoben zu werden, die ein neues Licht
innen= und außenpolitiſche Lage zu werfen geeignet ſind.
nanz= und währutngspolitiſche Anſchauung und die Ab=
des
Kabinetts waren bereits in ihren Grundzügen be=
und wurden, als der Kanzler ſeine zweiſtündige Rede be=
hatte
, nunmehr eingehend vom Reichsſinanzminiſter Dr.
entwickelt. Das war die Beſtätigung, daß wirklich eine
kräftige ausländiſche Gruppe durch Vermittlung des
grundbeſitzerverbandes an die Reichsregierung herangetre=
ar
und ihre grundſätzliche Bereitſchaft ausgeſprochen hat,
Reich eine Milliarde Goldmark für die Sanierung der
Aing zu leihen. Allerdings hat Herr Dr. Streſemann die
iefer Gruppe geſtellte Bedingung, daß die Regierung die
zr für ihr Verbleiben im Amte übernehmnen ſollte, nicht
n könen. Würde die Reichsregierung dem Geſchrei der
adikalen folgen und zur Deckung des inländiſchen Ver=
4s die Sachgüter erfaſſen, d. h., praktiſch geſprochen, der=
ern
, ſo würde das finanzielle Jutereſſe des Auslandes
Allos ſchnell erkalten. Dr. Streſemann hat in ſeiner Rede
beſonders unterſtrichen, daß er die Lage gegenwärtig als
s anſehe. Er tat durchaus recht daran.
eber die Haltung der Reichsregierung in der Frage der
gticnen und der beſetzten Gebiete waren bereits in den
Wochen nähere Angaben bekannt geworden. Nachdem
reich und Belgien die Verhandlungen mit der Reichsregie=
über
die Wiederaufnahme der Arbeit abgelehnt hatten,
dem Kabinett Streſemann nichts anderes übrig, als den
iſationen zu Verhandlungen freie Hand zu laſſen. Als
ie Beſatzungsmächte das Anſinnen ſtelltn, daß nach Wie=
nahme
der Kohlen= und Materiallieferungen dieſe nicht
eparationskonto gutgeſchrieben, ſondern zur Deckung der
ungskoſten verwendet werden ſollten, mußte die Neichs=
ung
kategoriſch ihre Zuſtimmung verweigern. Eine andere
Ang wäre gleichbedeutend mit einem Verzicht auf die natio=
Zürde geweſen, hätte aber auch eine Brüskierung der übri=
Zerſailler Vertragspariner und eine ungerechtfertigte Be=
zung
gerade derjenigen alliierten Mächte bedeutet, welche
s Unglück über uns heraufbeſchworen haben.
u den Ausführungen Dr. Streſemanns über die innere
* verdient die Schärfe hervorgehoben zu werden, mit wel=
er
Kauzler die Politik der Deutſchen Allgemeinen Zeitung
er ihr naheſtehenden Gruppe in der Deutſchen Volkspartei
pfte. Eines der wichtigſten Argumente, das der Kanzler
ſeine Widerſacher von rechts anführte, war das, daß ja
abinett des Vertrauens vorhanden ſei, welches die heu=
eyierung
erſetzen könne. Dr. Streſemann gab zum Schluß
Rede die Abſchiedsworte wieder, welche ſein Vorgänger
geäußert hat. Er verlaſſe, ſo ſagte damals Dr.
ichslauzlei gerne. Er habe keine glückliche Stunde
rlebt. Dr. Streiemann ſcheint trotz minkeſtens ebenſo
hmer Erfahrungen ausharren zu wollen. Er hat das
enn er ſtark und rückſichtslos zu ſein entſchloſſen iſt.
Verlauf der politiſchen Ausſprache im Reichstag läßt die
en auf eine parlamentariſche Löſung überaus gering er=
Arithmetiſche Kombinationen ſind ziemlich zwecklos. Mit
glichkeit zu rechnen, daß deutſche Reichstagsabgeorduete
Erwägungen über parteipolitiſche Rückſichten ſtellen
wäre mnehr wvie utopiſch, und damit ſchwindet fo gut wie
de Ausſicht, daß die Politid des Reichskabinetts vor die=
Reichstag eine Mehrheit finden werde. Das Ziel der von
eutſchnationalen und Sozialdemokraten eingebrachten Miß=
tSauträge
, iſt die Beſeitigung des Kabinetts Streſemann.
ber, was dann kommen ſoll, ſchweigt man ſich aus, macht ſich
offenbar wenig Gedanken darüber. Kanzler oder
hStag. das iſt die ſchikſalsſchwere Frage in dieſen
Nach der Reichsverfaſſung kaun nur der Reichspräſi=
Vollmnacht zur Auflöfung des Reichstages erteilen. Wird
ert das erlöſende Wort finden?.

Der Perlauf der Sitzung.
* Berlin, 22. Nov. (Eigener Bericht.)
Die Tribünen ſind überfüllt. Die Bänke der Abgeordneten
weiſen aber große Lücken auf. Am Regierungstiſch;
Reichskanzler Dr. Streſemanu, Junenminiſter Dr. Farres,
Finanzminiſter Dr. Luther, Miniſter für die beſetzten Gebiete
Fuchs, Arbeitsminiſter Brauns, Ernährungsminiſter Graf
Kanitz.
Präſident Loebe eröffnet die Sitzung um 1.30 Uhr und
erklärt zum Fall Remmele: Auf Grund des 8 91 der Geſchäfts=
ordnung
gebe ich Ihnen zur Kenntnis, daß der Abg. Remmele
wegen ſeiner wiederholten Weigerunge den Anordnungen des
Präſideuten zu folgen, auf 20 Sitzuugstage von der Teil=
nahme
an den Plenarſitzungen und den Sitzungen der Ausſchüſſe
ausgeſchloſſen iſt. (Lärm bei den Kommuniſten, Beifall
bei der Mehrheit) Um dieſe meine Maßnahmen zur Durch=
führung
zu bringen, habe ich dem Abg. Remmele für dieſe Zeit
den Zutritt zum Reichstagsgebäude auf Grund des Artikels 28
der Verfaſſung, nach welchem mir das Hausrecht und die Polizei=
gewalt
zuſteht, verboten. Bei dieſer Gelegenheit mache ich darauf
aufmerkſam, daß eine gröbliche Verletzung der Ordnung dieſes
Hauſes feſtgeſtellt wird, wenn eine Behinderung der Amtshand=
lungen
und der Mitteilungen des Präſidenten durch andauern=
des
Schreien erfolgt oder wenn eine Behinderung eines Reduers
durch fortgeſetzte Unterbrechungen vor ſich geht, ferner in der
Weigerung, die Rednertribüne zu verlaſſen und bei Gewalttaten.
ſch werde dann ſofort mit Ordnungsrufen einſchreiten und dieſen
Ordnungsrufen, ſofern ſie ohne Erfolg bleiben, die weiteren
Maßnahmen folgen laſſen. (Lärm bei den Kommuniſten, Beifall
bei den übrigen Parteien.)
Der Präſident erteilt ſodann das Wort dem
Reichskanzler Dr. Streſemann
der von den Kommuniſten mit den Rufen Reichszertrümmerer!
empfangen wird. Reichskanzler Dr. Streſemann: Die Abgg.
Wels und Hergt haben ihr Bedauern darüber ausgeſprochen,
daß der Reichskanzler dieſe Debatte nicht eröffnet habe. Sie
haben daraus gewiſſermaßen die Folgerung gezogen, als ob die
Reichsregierung dadurch, daß ſie nicht eine Regierungserklärung
zu Beginn der Sitzung abgab, ſondern in die politiſche Aus=
ſprache
eintrat, die Abſicht hätte, ſich der Vertrauensfrage
zu entziehen, die für die Fortdauer einer Regierung
notwendig iſt. In Bezug auf das Recht des Parlaments,
Vertrauen oder Mißtrauensvotum zu erteilen, beſteht kein Unter=
ſchied
. Die Reichsregierung weicht dieſer Entſcheidung nicht aus,
ſondern ſie ſucht dieſe Entſcheidung ſobald als möglich herbei=
zuführen
, da das Land, die Regierung und das Parlament vor
klare Verhältniſſe geſtellt werden müſſen.
Der jetzige Träger der franzöſiſchen Politik, Poincaré,
hat es fertig gebracht, in fortgeſetzter Konſequenz die Grund=
lagen
für die geſamte politiſche und ſoziale Zertrümmerung
Deutſchlands zu ſchaffen.
Da iſt es erklärlich, daß die Entwicklung in Deutſchland dem
Extremen zutreibt. Der Kommunismus zieht ſeine beſten Stützen
aus dem Elend des Volkes, der Rechtsradikalismus aus der
Politik der fortgeſetzten nationalen Demütigungen, denen bisher
jede Reichsregierung ausgeſetzt war.
Wenn man glaubt, daß das konſtitutionelle Leben Deutſch=
lands
in der Auflöfung begriffen ſei, ſo iſt das gerade die
Wirkung dieſer Politik.
(Lärmende Zurufe bei den Kommuniſten. Präſident Loebe er=
teilt
dem Abg. Höllein eine Rüge.) Das Parlament hat
es herrlich weit gebracht, wenn ſeine Mitglie=
der
die Achtung vor dem Parlament ſelbſt unter=
graben
. (Erneute ſtürmiſche Unterbrechung durch die Kommu=
niſten
, ſtürmiſches Zuſtimmen bei der Mehrheit und Hände=
klatſchen
auf den Tribünen.) Abg. Hergt hat geſagt, daß die
auswärtige Politik der Regierung ein einziger Mißerfolg ge=
weſen
ſei. Die innere Lage iſt zweifellos hoffnungslos. Auch
ich ſehe keinen Weg, vorläufig dieſe troſtloſe Lage zu beſſern.
Der Redner wendet ſich gegen den Vorwurf, daß die Reichs=
regierung
mit Frankreich Verhandlungen verſucht habe und er=
klärt
, daß Rhein und Ruhr viel zu wertvoll ſeien, als daß nicht
alle Verhandlungsmöglichkeiten erſchöpft werden müſſen, ehe
andere Konſequenzen gezogen wurden. Auch er ſei nicht von
grundloſem Optimismus getragen geweſen und habe dieſen
bei der Aufgabe des paſſiven Widerſtandes Ausdruck gegeben.
Aber aller Widerſtand ſei vergeblich geweſen, weil man der Mei=
nung
war, daß die ideellen und materiellen Kräfte in dieſem
Stadiun zu erſchöpft waren. Der richtige Zeitpunkt für die Auf=
gabe
des vaſſitzen Widerſtandes ſei verſäumt worden. Der
Redner begrüßt erneut den Verſuch, das Reparationsproblem
in einer internationalen Sachverſtändigenkouferenz zu löſen.
Deutſchland iſt die ofſene Wunde am Körper Europas.
Der Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa, von dem
der Abg. Wels ſprach, iſt zu eng gefaßt. Wenn in Europa
vom Rhein bis zum Ural nur kaufarme Völker
leben, ſo muß das auf die geſamte Weltwirt=
ſchaft
eine Rückwirkung ausüben. Die Erhöhung der
Kaufkraft der deutſchen Bevölkerung iſt daher nicht nur eine
deutſche Sache. Wir müſſen verſuchen, aus eigener Kraft zu
ſtabilen Währungsverhältniſſen zu gelangen. Ich halte es für
ein Verdienſt, daß man das deutſche Volk und die Welt nicht
über den Grad des Elends in Deutſchland getäuſcht hat. Die
charitativen Leiſtungen anderer Völker können
das deutſche Elend nicht löſen. Der Redner ſagt
allen herzlichen Dank, die ſich der deutſchen Not augenommen
haben. (Zuruf des Abg. Maltzahn: Schamlofe Geſellſchaft!
Der Zurufer erhält einen Ordnungsruf.) Der Redner erinnert

beſonders an die Worte des Bundeskanzlers Seipel und der
deutſchen Abgeordneten im öſterreichifchen Parlament, die bei
uns, auch wenn wir ſtaatlich getrennt ſind, das Echo finden wer=
den
, das ein Bruder dem anderen ſchuldet. (Stürmiſcher Beifall.)
Uuermüdlich hat die Regierung verſucht, Verhandlungen über
die Wiederherſtellung des Wirtſchaftslebens im beſetzten Ge=
biet
in Gang zu bringen. Selbſtverſtändlich konnte die Auf=
gabe
des Widerſtandes nicht gleichbedeutend ſein mit der
Aufgabe finanzieller Hilfe für die beſetzten Gebiete. Wir
haben den Nachweis erbracht, daß alle Verordnungen zurück=
gezogen
ſind. Aber bis heute ſind wir damit uicht durch=
gefommen
. Das iſt ein Skandal in den Beziehungen der
Völker.
Stürmiſche Zuſtimiminng.) Da mußten wir den Weg gehen, den
Herr Wels ſo vielfach kritiſiert hat. Ich wäre ſehr gern bereit,
die ganzen von Vertretern der Wirtſchaft mit franzöſiſchen Be=
hörden
geführten Verhandlungen mit allen Protokollen dem
Reichstag zur Verfügung zu ſtellen. Die Frage der Arbeitszeit
hat gar keine Rolle geſpielt. Dafür gelten nur die deutſchen
Geſetze. Wenn der erſte Tag der Verhandlungen noch keine
Juſtruktionen der deutſchen Regierung vorſah, ſo lehne ich die
Verantwortung hierfür ab, da das Kabinett ſich damals in der
Demiſſion befand. Die Herren, die Kabinettskriſen zu einer
dauernden Emrichtung machen, müſſen die Folgerungen tragen,
wenn die Regierung nicht verhandlungsfähig iſt.
In unſerem Kabinett haben wir uns bereit erklärt, die
Garantie zu übernehmen für die Kohlen=
lieferungen
der Induſtrie au Frankreich und Belgsen
und für die zu zahlende Kohlenſteuer. Der Tag, an demr
die Hunterttaufende von Bergarbeitern und anderen Arbei=
tetn
wieder zur Arbeit zurückkehren können, würde für jeden,
der ein Herz iſt Leibe hat, ein Tag der Befriediguig ſein.
Aber es war unmöglich, durch eine Unterſchrift der Reichs=
regierung
auch noch den Ruhreinbruch zu legaliſieren, auſier=
dem
würde eine ſolche deutſche Erklärung eine Zlloyali=
tät
gegenüber den auderen Akliierten ſein.
Der Kanzler wendet ſich danu gegen den Vornurf, daß die
Regierung eine grundſätzliche Neueinſtellung zu der Rhein= und
Ruhrfrage eingenomrmen habe und verweiſt auf ſeine früheren
Ausführungen über die Verantwortung Frankreichs
für die drohende Hun erkataſtrophe im Ruhr=
gebiet
. Für die Folgen treffe die Verantwortung diejenigen,
die etwa die geführten Verhandlungen ſabotieren wollten.
Aeußerſt töricht, aufhetzend und demogogiſch ſei es, von einer
Schuld der Sachwertebeſitzer zu reden. (Lebhafte Zuſtimmung
rechts und in der Mitte.) Man will uus dadurch vor der Welt
in Unrecht ſetzen, während wir die Welt aurufen wollen zu
einem gerechten Urteil. (Andauernde Zwiſchenrufe der Kom=
muniſten
. Präſident Loebe erſucht, den Kanzler nicht fortwuäh=
rend
zu unterbrechen.)
Die Politik iſt leider vielfach zu einem Objekt der Währungs=
entwickelung
gemacht worden.
Ohne Balanzierung des Etats läßt ſich keine feſte Währung er=
zielen
. Wenn man Ordnung der Finanzen der=
langt
, kaun man nicht den Beamtenabbau kriti=
ſieren
. (Widerſpruch rechts.) Wir werden ganz entſchieden,
vielfach mit Brutalität, gegenüber dem Einzelnen, vorgehen
müiſſen.
Zu den ſozialdemokraiſchen Vorwürfen über
die Kontrolle der Nentenbank
erklär, der Kanzler, daß ſelbftverſtändlich die Regierung ver=
pflichtet
iſt, gegenüber der Rentenbank ihre Kredite zu begründen.
Da die Reutenbank ihrerſeits vergntwortlich für die von ihr aus=
gegebenen
Briefe ſei, ſei der Wunſch der Herren verſtändlich,
mit dem Reichskanzler über die Wirtſchaftslage zu ſprechen.
Ohne die baldige Löſung der Arbeitszeitfrage ſei
die Geſundung unſerer Wirtſchaft überhaupt indis=
kutabel
. (Unruhe links.)
Der Kanzler kommt dann auf die Vorwürfe zu ſprechen, die
der Regierung wegen der Beſchränkung der Leiſtungen für di=
beſetzten
Gebiete gemacht worden ſind. Gerade die Maßnahmen
in der Frage der Erwerbsloſenunterſtützung zeigten die Ver=
antwortlichkeit
Frankreichs in der ganzen Welt. Die rieſige
Aubeitsloſigkeit im beſetzten Gebiet ſei Loch, ſchließlich
nur eine Folge des Diktats von Paris, das die Wie=
deraufnahme
der Arbeit verhindere.
Von einer Zerreißung des Verſailler Vertrages durch
Deutſchland könne man nicht ſprechen. Er werde von einer
ganz anderen Seite zerriſſen.
Ein Ruhen der Leiſtungen aus dem Vertrag ſei allerdings un=
vermeidlich
, denn es ſei unmöglich, eine Politik zu führen, die
das eigene Volk hungern laſſe. Die Reichsregierung habe bei
allen ihren Maßnahmen die volle Unterſtützung des preußiſchen
Staatsminiſteriums gefunden. (Hört, hört! bei den bürgerlichen
Parteien.) Der Kanzler erklärte, daß er nach wie vor hoffe, daß
im beſetzten Gebiet die politiſch erzwungene Arbeitsloſigkeit nicht
dauernd beſtehen bleive und die Verhandlungen zwiſchen den
Juduſtriellen und den franzöſiſchen Behörden zu einer Einigung
fühken. Rhein und Nuhr ſollten die gleiche Behandlung erfah=
ren
bis un das Ende unſerer Kräfte. Wenn das Ende eintrete,
werde die Zahl derſenigen, die noch Arheit finden, zu gering
ſein, um überhaupt noch die Arbeit aufrecht zu erhalten. ( Lär=
miende
Unterbrechung bei den Kommuniſten.) Wir haben alles
getan, um den Verträgen zur Annahme zu verhelfen. Die Ver=
handlungen
gehen Tag für Tag weiter. (Zurufe links: Stinnes!)
Was geht mich Herr Stinnes an? Ich habe nie auf ihn Rückſicht

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Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 23. Robember 1923.

Rummer 3

genommen und werde es niemals tun. Nicht Herr Stinnes iſt
Führer der Partei, ſondern ich. (Beifall.)
Der Kanzler widerſpricht dann der Auffaſſung, als denke die
Reichsregierung au eine Trennung von Rhein und Nuhr.
Die Negierziug denkt gar nicht daran, den Kampf an Rhein
und Ruhr aufzugeben.
Der Kanzler geht dann zur inneren Politik über und be=
ſpricht
zunächſt
die Vorgänge in München.
Das erſte Erfordernis der Reichsregierung ſei die Autorität
nach innen. Die Maßnahmen der Reichsregierung am Abend
des 8. November ſeien ganz klar und eindeutig geweſen. Die
Reichsregierung hätte alles aufgeboten, um die verfaſſungsmäßi=
gen
Zuſtände wieder herzuſtellen. Bedauerlich ſeien vor allem
die Wirkungen der Münchener Vorgänge insbeſondere im beſetz=
ten
Gebiet geweſen. Wenn man ſich vorſtellt, wie ſolche Ding=
im
Ausland ausgenutzt werden, dann kann man ſich auch vor=
ſtellen
, wie lang= es dauern wird, um Deutſchland wieder ver=
trauenswürdig
zu machen. Ohne den Beſchluß der deutſchen Reichs=
regierung
am Abend des 8. Nob, würden dieſe Vorgänge wahr=
ſcheinlich
nicht auf München beſchräukt geblieben ſein. Der Kanz=
ler
hält es für unerläßlich, daß ſich das Inſtrument der Reichs=
wehr
und die Autorität der Befehlshaber durchſetzen. Die Ver=
handlungen
zwiſchen Bahein und dem Reich bedürften als
Grundlage der Rückkehr zu verfaſſungsmäßigen Zuſtänden und
die Unterſtellung der Neichswehr unter die Heeresleitung. Ueber
die Möglichkeiten einer Aenderung der Verfaſſung iſt innerhalb
der Reichsregierung bereits geſprochen worden. Vorausſetzung
für eine Aenderung der Verfaſſung iſt die Achtung vor der Ver=
faſſung
, die man ändern will.
Zu dem
Einrücken der Reichswehr in Sachſen und Thüringen
erklärt der Reichskanzler, daß alle Teile der Koalition von ihrer
Notwendigkeit überzeugt waren. Es fei eine Folge der kommu=
niſtiſchen
Agitationen geweſen, die eine unerhörte Hetze gegen
das Bürgertum betrieben haben. Der Reichskanzler erklärt wei=
ter
, daß der Reichsausuahmezuſtand aufhören muß, ſobald die
Verhältniſſe es geſtatten. Die Aufhebung kann nur in den Ge=

bieten erfolgen können, in denen Ruh= herrſcht.
Der Kanzler wendet ſich dann zu den wirtſchaftlichen Fragen.
Die Schaffung einer Zwiſchenwährung
ſei notwendig geweſen. Nach der Meinung der Sachverſtändigen
müßten mindeſtens zwei oder drei Monate vergehen, ehe die
erſten Goldnoten in den Verkehr kommen. Das Reichs=
kartellgeſetz
und das Arbeitszeitgeſetz müſſen in
ganz kurzer Zeit verabſchiedet werden. Der Kanzler betonte
dann die Notwendigkeit ausländiſcher Kredite. Was von der
Preſſe von Verhandlungen mit amerikaniſchen Finanziers über
Weizenkredite uſw. geſagt wurde, ſei offiziell an die Regie= Tage haben das Anſehen des Parlaments nicht geſteigert. Für
rung nicht herangetreten. Es handelie ſich um Anzebote von meine Parteifreunde erkläre ich, daß wir die Erklärung der
ausländiſchen Finanzleuten, übermittelt durch den Vorſitzenden
des Reichsgrundbeſitzerverbandes an den Reichskanzler, Uml Volkspartei will, daß das jetzige Kabinett mit Energie ſeine
einen Währungskredit, von einer Milliarde zur
Verhandlungen einzutreten. Der Kanzler bedauerte, daß die
Verhandlungen, die heute ſchon abgeſchloſſen werden ſollten,
deswegen ſo langſame Fortſchritte machten, weil er die von ihm
Regierung geben ſoll, nicht abgeben könnte. Mit derſelben Stelle
beſtünden Verhandlungen über
Kredite für Lebensmittel.
Er ſtehe weiter in Verhandlungen über Kredite für induſtrielle zu den höchſten Stellen und ſelbſt bis zum Reichspräſidenten
Rohſtoffe. Eine Rechtsentwicklung wie in Fialien gegangen ſei.
wäre die am wenigſten wünſchenswerte Grund=
lage
. Selbſtverſtändlich müßten auch im Falle eines Reichskanzler aufgefordert werde, diejenigen Tatſachen vorzu=
Sturzes des Kabinetts von denjenigen Mitgliedern, die bringen, durch die ſein Staatsſtreich in Sachſen gerechtfertigt ſei.
die Beziehungen haben, alles getan werden, um zu veranlaſſen,
daß die Offerten auch einer anderen Regierung gemacht werden, gen auf die Mitteilungen des Miniſterpräſidenten antworten
Andere Verhandlungen irgendwelcher Art kenne er nicht. Leider werde, da ihm der thüringiſche Geſandte ſein Material nicht vor=
ſonders
die ausländiſche, um die Rentenmark in eine ungeſunde Stellen nichts unterlaſſen. v. Loſſow ſei entlaſſen worden.
Bewegung hineinzubringen. Eine ſtarke Fundierung ſei not=
wendig
.
Gedanken der großen Koalition und den Gedan= nahmen der Reichsregierung ihrer verfaſſungsmäßigen Rechte
ken der Volksgemeinſchaft. Die Deutſche Volkspartei beraubt worden. Er habe beim Reichswehrminiſter und beim
würde ihrer Beſtimmung untreu werden, wenn ſie eine Ent= Reichspräſidenten ſeine Beſchwerden vorgebracht, könne aber
und autinationalen Parteien unterſcheide.
Wir brauchen die Zuſammenfaſſung aller Kräfte. Nur durch
Verſühnung der Gegenſätze iſt der Ausgleich möglich.
Der Kanzler bedauerte den Zuſammenbruch der großen Koglition ſeinen Bemierkungen über Sachſen ſchon gezeigt habe, daß die
und ſtellte feſt, daß auch Herr von Kahr, als er bayeriſcher Gründe für die Reichsexekutive ganz unzureichend geweſen ſeien.
Miniſterpräſident wurde, bedauert habe, daß die Sozialdemokratie Die Sozialdemokratie würde ihre Haltung danach einrichten.
nicht zur Mitarbeit heranzuziehen war.
daß die Verſöhnlichkeit immer geringer werde. Die die geſamte Vürgerſchaft und weite Kreiſe der Sozialdemokratie
Parteien als Träger des JIudividualismus ſeien daher beſſer Thüringens hätten das Erſcheinen der Reichswehr begrüßt,
als eine woirtſchaftliche Intereſſenvertretung. Die Fdee der
nationalen Behauptung muß durchgeſetzt wer= wird die Ausſprache abgebrochen. Nächſte Sitzung Freitag,
den. Von der deutſchen Jugend muß Beſſerung erhofft werden. 11 Uhr.
Die Jugend dürfe nicht zwiſchen rechts und links unterſcheiden.
Der Kanzler wendet ſich dann gegen die Kritik des Abg.
Hergt, gegen die Kritik, die, wie Dr. Streſemann ſagte, der
Chef der neuen Regierung an der alten geübt habe. (Heiterkeit,) ſich heute abend nach einer längeren Geſchäftsordnungsdebatte
Abg. Hergt habe keine poſitiven Gedanken vorgebracht. (Zu= auf morgen Freitag, 11 Uhr, zur Fortſetzungderpoli=
ſtimmung
bei der Mehrheit. Unruhe rechts.)
Es ſcheint ſich diesmal weniger um eine Kabinettskriſe als morgen mit der Ausſprache geſtellt werden.
vielmehr um eine Parlamentskriſe zu handeln; denn wenn
ein Kabinett durch ein neues erſetzt werden ſoll, ſo muß doch
ein neues Kabinett des Vertrauens da ſein. Das Reichskabinett
harre nun der Entſcheidung des Reichstags in der Ueberzeugung
und in der Gewißheit, daß es ſeine Pflicht gegenüber dem Lande Neichstagsfraktion trat nach Schluß der geſtrigen Plenarſitzung
getan habe. (Lebhafter Beifall bei der Deutſchen Volkspartei, noch zu einer Fraktionsſitzung zuſammen, die bis 11 Uhr dauerte.
im Zentrum und bei den Demokraten.)
Von der Deutſchnationalen Fraktion iſt folgender Miß=
trauensantrag
eingegaugen: Der Reichstag entzieht der Reichs=
regierung
das Vertrauen, das ſie nach Artikel 54 der Reichsver= zuſtand in Sachſen und Thüringen, ohne daß hierfür ſachliche
faſſung bedarf.
Reichsfinanzminiſter Dr. Luther
ſchildert dann, während die meiſten Abgeordneten den Saal ver= dendes getan. Sie hat daher nicht das Vertrauen des
laſſen, die ungeheure Finanzuot des Reiches, die zur äußerſten Reichstags.
Sparſamkeit zwinge. Die Stillegung der Notenpreſſe iſt nicht
aus freiem Willen, ſondern unter dem Druck der Tatſachen ge=
chehen
, da die Markwährung ihren letzten Lebenshauch herge= Antrag eingebracht: Der Reichstag wolle beſchließen, die Reichs=
gben
habe. Wenn es nicht gelingt, die Ausgaben herabzu= regierung aufzufordern, die Demobilmachungsverord=
ſetzen
und die Einnahmen zu erhöhen, dann gibt es für das uungen über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher
deutſche Volk keine Lebeusmöglichkeit mehr. Die Renten= Arbeiter vom 23. November 1918 nebſt der ergänzenden Anord=
mark
kann nicht ausgeweitet werden. Denn dann nung vom 17. Dezember 1918 und die Verordnung über die
müſſe ſie auch der Juflation verfallen. Wir werden genötigt Regelung der Arbeitszeit der Angeſtellten vom 18. März 1919
ſein, eine neue energiiche Steuerpolitik auf Grund des wieder in Kraft zu ſetzen.
Art. 18 der Reichsverfaſſung durchzuſetzen. Dieſe Steuerforde=
rungen
werden in keiner Weiſe anders ſein als die meines Amts=
vorgängers
Hilferding. Selbſt dieſe Steuern werden zur Dek=
lung
der Reichsausgaben nicht ausreichen. Wir werden bis zum
30. September 1924 zu einer allmählichen Heraufſetzung, der Ga= burg veröffentlicht folgende Kundgebung: Ich beklage tief,
rantien kommen. Nachdem jetzt Anzeichen einer fortſchreitenden
Stabiliſierung unſeres Geldes erkennbar ſind, werden wir mit
äußerſter Energie gegen die Ueberſchreitung der Goldmarkpreiſe. München feindlich gegenübertraten und damit zur Freude un=
vorgehen
. Das deutſche Volk braucht jetzt den Willen zur Ar= ſerer Gegner einen Riß im Volksleben geſchaffen haben. Reicht
beit und zur Armut. (Beifall bei der Deutſchen Volkspartei) Euch, wie wir Alten 1866 auch getan haben, über die Gräber der
Abg. Marx (Ztr.) verlieſt darauf eine Erklärung der Zen=
trumsfraktion
, in welcher mitgeteilt wird, daß das Reich in auf beiden Seiten im feſten Glauben an ihr gutes Recht Gefalle=
dieſem
Augenblick der ſchwerſten Bedrohungen durch unſere nen hinweg zur Verſöhnung die Hand! Unſer armes Paterland
Feinde durch innerpolitiſchen Hader vergiſtet werde. Die Ek= bedarf in der größten Not doppelt der Einigkeit!

Vom Tage

Wie bekannt, iſt der Reichsregierung von einem auswärtigen
Konſortium eine Anleihe in Höhe von 1 Milliarde Gold= Preſſe ſprach heute der Präſident der Rentenbank über die
mark angeboten worden. Der deutſchnationale Abg, Hergt hatte be= niſationsgrundlage der Bank. Das Mitglied des Verwal
ſtritten, daß diefes Angebot ausdrücklich der jetzigen Regierung Streſe=
mann
gemacht wvorden ſei. Die leitenden Perſönlichkeiten des auswär= rats Hilger betonte dann, die Bank ſei ihrem Geldgebe
tigen Konſortiums haben deshalb den Aba, Hergt aufgeſucht und ihm er= deutſchen Wirtſchaft, Rechenſchaft ſchuldig für die dem Re
klärt, falls die Regierung Streſemann zurücktrete, würde das Konſortium währten Kredite. Sie verlange deshalb einen in Goldma
ſich genötigt ſehen, ſein Angebot zurückzuziehen und Berlin augenblicklich
zu verlaſſen.
Zu den Meldungen aus Düſſeldorf, wonach die Großindu= der Eiſenbahnen, wenige, aber einträgliche Steuern.
ſtriellen des Ruhrgebietes, die Beſprechungen mit der 22. November ſind rund 300 Millionen Rentenmarkſcheir
Mieum, wieder aufzunehmen gebenken, wird erklärt, daß die Micum den Druckereien abgeliefert und ſoweit als möglich in der
von ihren Forderungen nicht abgeht und die Nuhrmagnaten entweder ein
Ja oder Nein zu ſagen haben. Raum für eine weitere Ausſprache be=
ſtehe
nicht.
Auf dem zwiſchen Maxau und dem Rheinau=Kanal gelegenen Guts=
hof
des Prinzen Mas von Baden wurde von einer Abteilung franzöſi=
ſcher
Infanterie eine eingehende Waffenſuche veranſtaltet. Es ſcheint rung eine Mark in Nentenpfennig kommen. Bis Mitte De.
eine Denunziation gegen den Gutspächter Vollmer vorzuliegen, der von denkt man, den gauzen Papiergeldbeſtand in Rentenmart 6
den Franzoſen verhaftet und nach Maximiliansau gebracht wurde.
Der ſtändige Ausſchuß des Bayeriſchen Landtags
hat auf den 28. d. M. eine Sitzung einberufen. Auf der Tagesordnung
ſtehen 5 Regierungsvorlagen, dann wirtſchaftliche und ernährungspoli=
tiſche
Anträge. Dagegen iſt vorläufig eine Ausſprache über die politiſche
Lage in Bahern nicht in Ausſicht genommen.
Aus der Pfalz wurden bis zum 15. November von den Franzoſen
ausgewieſen: 6035 Landes= und Reichsbeamte, mit 14971 Angehörigen,
2441 Arbeiter und 213 Privatverſonen nebſt 327 Angehörigen.

Seit dem 17. Oktober haben ſich 126057 deutſche Eiſenbahner bei der auf Veranlaſſung des Unterſuchungsrichters in der Nach
franzöſiſch=belgiſchen Negie zur Wiederaufnahme der Arbeit gemeldet,
Dieſe hat bisher nur 43529 Eiſenbahner eingeſtellt.
Die Außenminiſter der Kleinen Entente werden am
11. Januar 1934 in Belgrad zuſammentreten.

In der morgigen Sitzung der Reparationskommiſſion, in der die
deutſchen Delegierten die angekündigten Erklärungen über die deutſche
Finanz= und Währungslage abgeben werden, wird wahrſcheinlich der
Führeu der deutſchen Delegation, Staatsſekretär Fiſcher, als Erſter ſpre=
chen
und die deutſche Finanzlage darlegen. Eine einzige Sitzung wird,
Habas zufolge, wahrſcheinlich für die Verhandlungen mit den Deutſchen
nicht ausreichen.

der Oolaekurs 4 210 300 000 000

klärung ſchließt mit der Verſicherung der unerſchütterlichen Treue
des Reiches zur Bevölkerung des beſetzten Nhein= und Nuhr=
gebiets
. (Beifall beim Zentrum.)
Abg. Dr. Scholz (Dtſch. Bpt.): Die Vorgäuge der letzten
Reichsregierung für das beſetzte Gebiet vollauf billigen. Bayern
iſt nach unſerer Ueberzeugung durchaus reichstreu. Die Deutſche
Aufgaben erledigt. Die Deutſche Volkspartei wird ſich jedem
Verfügung zu ſtellen und die Aufforderung an uns, darüber in Verſuch, die gegenwärtige Regierung zu beſeitigen, aufs ent=
ſchiedenſte
widerſetzen. (Beifall bei der Deutſchen Volkspartei.)
Nach einer Polemik des Abg. v. Graefe (Deutſchvölk. Frei=
verlangte
Erklärung, daß er die Gewähr für die Stabilität der heitspartei), der die Mißerfolge des Kabinetts als geradezu un=
geheperlich
bezeichnet, ergreift der thüringiſche Miniſterpräſident
Fröhlich das Wort zu einer Schilderung der Lage in Thürin=
gen
und proteſtiert gegen das Verhalten des Generals Rein=
hardt
. Er müſſe dieſe Zuſtände brandmarken, nachdem er bis
Abg. Ledebour beantragt zur Geſchäftsordnung, daß der
Reichswehrminiſter Dr. Geßler teilt mit, daß er erſt mor=
ſei
die Spekulation ſchon wieder am Werk, be= her übermittelt habe. Im Falle Loſſow hätten die militäriſchen
Hierauf bringt der ſächſiſche Miniſterpräſident Felliſch
zahlreiche Beſchwerden über die Verhältniſſe in Sachſen vor und
Der Kanzler gedachte der Verdienſte des verſtorbenen beſchuldigt die Reichswehr, die Bebölkerung Sachſens terrori=
Reichsbaukpräſidenten Havenſtein und beſprach dann den ſiert zu haben. Die ſächſiſche Bevölkerung ſei durch die Maß= tikel verbreitet zu haben, der geeignet ſei, die öffentliche Or
wicklung mitmachen wolle, die grundſätzlich zwiſchen nationalen nicht wochenlang warten, bis endlich die ſächſiſche Negierung antwortlich iſt, wurde freigeſprochen. Die übrigen Angek
wieder in den Beſitz ihrer Rechte gelange.
Der Abg. Dittmann (Soz.) erklärt zum Anttag Ledebour,
er halte dieſen Antrag für überflüſſig, da der Reichskanzler mit
Abg. Brünninghaus (Otſch. Ppt.) wendet ſich gegen
Die Konzeru= und Truſtbildungen führten dazu, die Darſtellungen des Miniſterpräſidenten Fröhlich und erklärt,
Nach einer weiteren Debatte über die Lage in Thüringen
Der Reichsiag vertagt.

* Berlin, 22. Nob. (Priv.=Tel.) Der Reichstag bertagte
tiſchen Ausſprache. Die Mißtrauensanträge ſollen

Der Mißtrauensantrag der Sozialdemokraten.

* Berlin, 23. Nov. (Priv.=Tel.) Die ſozialdemokratiſche
Sie beſchloß, folgenden Mißtrauensantrag einzubringen:
Die Reichsregierung hat den bisherigen Ausnahme=
Gründe vorlagen, in ſcharfer Form augewandt, gegen die ver=
faſſungswidrigen
Zuſtände in Bayern aber nichts Entſchei=
Die ſozialdemokratiſche Reichstagsfraktion hat folgenden

Eine Kundgebung Hindenburgs.
Hannover, 22. Nov. Generalfeldmarſchall v. Hinden=
daß
deutſche, von gleicher Vaterlandsliebe beſeelte Brüder ſich in

Die Rentenmark.
* Berlin, 22. Nov. (Priv.=Tel.) Vor Vertreter
zuſtellenden Etat des Reichs und ſeine Balanzierung, Be
abbau, Erwerbsloſenfürſorge in produktiver Form, Rente
kehr gebracht worden. Es iſt das ein Betrag, der, in Gol
gerechnet, doppelt ſo groß iſt wie der augenblicklich i 1
befindliche Papiermarkbetrag. Täglich werden 40. Mi ſo
Rentenmark fertig. Außerdem ſoll auf den Kopf der B
zu können. Die Poſtanſtalten ſollen die Rentenmark ſchon
nächſten Tagen in den Verkehr bringen. Durch die Einz
der Papiermark werde eine unvermeidliche ſtarke Zah
mittelknappheit eintreten. Auf dieſe Weiſe hofft man, das
ſtern von Rentenmark zu unterbinden.
Zur Verhaftung Dr. Zeigners.
Dresden, 21. Nov. Die Verhaftung Dr. Zeigners
Mittwoch. Er wurde im Kraftwagen nach Leipzig ins
ſuchungsgefängnis übergeführt.
Dezentrakiſation bei der Reichsbahn.
Berlin, 22. Nov. Wie in der Reichsbahnverwaltung
ſo ſollen auch auf dem Gebiet der Privatbahnaufſicht zu
laſtung des Miniſteriums die Geſchäfte mnöglichſt dezentt
werden. Auch für Privatbahnen des allgemeinen Verke
Preußen ſollen deshalb künftig Aufſichtsgeſchäfte noch in
rem Umfange als bisher von Eiſenbahnkommiſſaren ſelb
und endgültig erledigt werden. Dem Reichsverkehrsn
bleiben die Zuſtändigkeiten vorbehalten, die durch Reich
und durch das preußiſche Eiſenbahngeſetz von 1838 oder
Genehmigungsurkunden ausdrücklich dem Miniſter über
ſind. Im übrigen iſt die Beaufſichtigung, insbeſondere
ſamte Ueberwachung der Finanzgebarung, wie des Tariff
der Privatbahnen Sache des Eiſenbahnkommiſſars, der die
gen Anordnungen ſelbſtändig trifft.
Die ſiagtspolitiſche Lage Bahzerns.
München, 22. Nov. In einer Rede in einer Ver
lung des Chriſtlichen Bauernvereins in Dorfen erklärte Al
Schlittenbauer u. a.: Die ſtaatspolitiſche Lage
erns ſei durch die Vorgänge am 8. und 9. November geſe
worden. Die Befreiung des Vaterlandes könne nur erreich
den, wenn die geſamte Nation ſich ohne Unterſchied der
und Berufsſchichten in feſtem nationalem Bewußtſein zuſa
finde. Bis zur Wiederkehr ruhiger Verhältniſſe müſſe der
ralſtaatskommiſſar im Amt bleiben. Redner forderte wei
Schaffung einer ſogenannten Elitekammer neben der Vol f
mer und ein den Staat Bayern repräſentierendes Oberhau
Deutſche Journaliſten vor dem franzöſit
Militärpolizeigericht.
Eſſen 22. Nov. Vor dem franzöſiſchen Mili
polizeigericht wurde heute gegen folgende Foury
ſten des Induſtrie=Gebietes verhandelt: Caſ
Leiter des Wolffbureaus Eſſen, Hankamer, Chefredakte
Eſſener Volkszeitung, Hamacher, Chefredakteur der (
Arbeiterzeitung, Schöpf, Lokalredakteur des Mühlheimer
ralanzeigers, Heuer, politiſcher Redakteur des Mühll
Generalanzeigers, und Bruhn, politiſcher Redakteur der
hauſener Zeitung. Die Angeklagten ſind beſchuldigt, eine
zu ſtören. Es handelt ſich um die Münſterer Meldung üb
angeblichen Bedingungen Degouttes für die Wiederauf
der Arbeit. Redakteur Schöpf, der für dieſen Artiket nick
wurden zu Geldſtrafen verurteilt, und zwar Caſper, Han
Heuer und Bruhn zu je 20 Goldmark, Hamacher, weil
Wolffmeldung noch einen Komentar hinzugefügt hatte,
Goldmark. Juſtizrat Niemeher hatte die Verteidigung übe
men und entledigte ſich ſeiner Aufgabe in glänzender Weiſ
Die deutſchen Sachlieferungen.
TU Paris, 22. Nov. Wie die Morgenblätter melde
die deutſche Kriegslaſtenkommiſſion geſtern der Reparation
miſſion zwei Mitteilungen zugehen laſſen. Die erſte beſag
Echo de Paris zufolge, daß zwiſchen der interallierten Rheil
Kommiſſion in Koblenz und den deutſchen Staatswerk
Rheinland, darunter der Badiſchen Anilinfabrik, am 10. N
ber ein Abkommen über Lieferungen auf Reparationskon
gegangen iſt. Die zweite Mitteilung enthält dem zweiten
zufolge eine Darſtellung der Verhandlungen zwviſchen der 2
und den deutſchen Großinduſtriellen im Ruhrgebiet zwiſcher
5. Oktober und 5. November. Dieſe Mitteilung berichtet üb
Weigerung der franzöſiſchen Regierung gegenüber den der
Induſtriellen, die erreichten Einnahmen dem Reparation=
zuzuſchreiben
. Das Echo de Paris fügt hinzu, daß tatſäch!
franzöſiſche Regierung erklärt habe, ſie werde von dieſen Ei
men zunächſt diejenigen Summen abziehen, die den Beſatz
koſten im Ruhrgebiet entſprechen.
Eine deutſche Note auf die Kontrollnot
Berlin, 22. Nob. Die Reichsregierung hat von den
halt der Noten der Botſchafterkonferenz telegradhiſch Ken
erhalten. Sie beabſichtigt, auf die Militärkontroll=Note
Antwort zu erteilen, in der vorausſichtlich die grundſätzlich
reitſchaft zur Erfüllung der Kontrollparagraphen des Vert
ausgeſprochen, aber nochmals auf die Gefahren mös
Zwiſchenfälle hingewieſen würde.
Die Inſtruktionen an Rollet.
Berlin7 22. Nov. Wie mitgeteilt wird, hat die Botſch
konferenz geſtern noch ein drittes Schriftſtück ausgearbeitet,
Inhalt noch geheim gehalten wird. Es enthält die Juſtrukt
für den Präſidenten der Interallierten Militärkontrollkommi
General Nollet.
Pertinax bemerkt dazu im Echo de Paris, man müſſe
geheimen Inſtruktionen kennen, um volle Klarheit darübe
erlangen, wie ſchwach die Geltung der Allierten geger
Deutſchland ſei.
Kohlenlieferungen an die Neutralen verbe!
Berlin, 22. Nov. Aus dem Ruhrgebiet wird geme
Den für Holland und Italien liefernden Zechen iſt von der
zöſiſchen Ingenieurkommiſſion mitgeteilt worden, daß mit
tiger Wirlung jede Lieferung von Kohlen oder Kohlener,
niſſen für das neutrale Ausland verboten bezw. einzuſtelle!
Jede Förderung von Kohlen für das neutrale Ausland
jeder Verſuch der Lieferung wird mit ſchweren Strafen bed

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nmer 324.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 23. Rovember 1923.

Seite 3.

gebnis der Botſchafter

e

Aenderung der franzöſiſchen Taktik.

Paris, 22. Nov. (Priv.=Tel.) Die Einigung in der
ſterkonferenz wird von der franzöſiſchen öffentlichen Mei=
Is das Zeichen einer Entſpannung zwiſchen Frankreich
gland begrüßt. In ihrem ſachlichen Wert jedoch wird ſie
rſchieden beurteilt. Die Rechtspreſſe erblickt darin ein
das Frankreich den Alliierten gebracht hat, das aber, wie
ertinax heute betont, die franzöſiſche Regierung nicht da=
halten
dürfe, gegebenenfalls auf eigene Fauſt vorzugehen,
bei der Ruhrbeſetzung vorgegangen iſt. Die Proteſte der
ürden in dieſem Falle ebenſo wenig gefährlich werden,
es in früheren Fällen waren. Dem Oeuvre ſchreibt Rob.
denel, daß das Kompromiß der Botſchafter vor allem den
abe, den Ententeregierungen eine gewiſſe Ruhepauſe zur
itung neuer Kompromiſſe in anderen Fragen zu gewäh=
kan
ſieht den Weg zu einer Verſtändigung der Alliierten
Reparationsfrage wohl nicht als geebnet, aber doch als
cer als vorher an. Die Information weiſt darauf hin,
deutſchen Vertreter von der Reparationskommiſſion in
hſten Tagen gehört werden ſollen und daß Deutſchland
ine faſt unerſartete Chance erhält, ſeine Stimme geltend
jen. Es könne alle Chancen ausſpielen, die ihm nützlich
en, nur eine nicht, nämlich die Uneinigkeit der Alliierten,
uus die gegenwärtige Situation entſtanden ſei. In der
79der Abrüſtung der militäriſchen Sicherheit glaubt die In=
mon
, auf eine internationale Verſtändigung unter Mit=
k
des Völkerbunds und eventueller Teilnahme Amerikas
blußlands hoffen zu können. Dieſer Gedanke wird auch
derer Seite ausgeſprochen. Inſofern kann man ſagen,
jetzige Einigung einen günſtigen Erfolg habe. Sie ent=
m
erſten Male ſeit längerer Zeit ein Zugeſtändnis Frank=
Die franzöſiſche Politik, die in der letzten Zeit unleugbar.

bittert war, wird ſich vielleicht an dieſen Gedanken ge=
i
, ihre Vorteile auf dem Weg der Kompromiſſe zu ſuchen.
rgige Kammerſitzung wird nach dieſer Richtung vielleicht
ewiſſe Anzeichen bringen.
amerikaniſche Botſchafter über die Bot=
ſchafterkonferenz
.
ndon, 22. Nob. (Wolff.) Reuter veröffentlicht einen
aus dem Bericht des amerikaniſchen Botſchafters in
über die Zuſammenkunft der Botſchafterkonferenz. Der
beſagt, Lord Creſve habe erklärt, Großbritannien hoffe,
ankreich die ſehr ernſten Folgen einer weiterhin iſolierten
erwägen werde und habe hinzugefügt, wenn die Fran=
ntgegen
den britiſchen Wünſchen eine ſolche Politik durch=
würden
, werde Großbritannien ſich genötigt ſehen, ſeine
er aus den verſchiedenen interalliierten Kommiſſionen
uziehen. Der italieniſche Botſchafter unterſtützte die bri=
haltung
, während der belgiſche mitteilte, daß er ſich der
iſchen Auffaſſung nicht anſchließen werde, ohne zuvor in
angefragt zu haben. Cambon habe hierauf die erſten
amen Konzeſſionen gemacht, indem er erklärte, Frank=
eabſichtige
nicht, territoriale Sanktionen in Anwendung
igen.
Sanktionsgelüſte Frankreichs.
aris 21. Nob. (Wolff.) In einer von Havas ausge=
7 offiziöſen Mitteilung über das geſtrige Ergebnis
otſchafterkonferenz heißt es:
tgegen gewiſſen Londoner Nachrichten würden die Voll=
i
der Interalliierten Militärkontrollkommiſſion in keiner
eingeſchränkt. Die noch heute von der Botſchafterkonferenz
II Nollet zugehenden Inſtruktionen" hielten den bis=
Zuſtand aufrecht. Die Kommiſſion werde den Zeitpunkt
Aufnahme ihrer Arbeiten wählen. Sie werde über ihr
)en in voller Unabhängigkeit entſcheiden und
eſchlüſſe würden weiter auf Grund von Stimmenmehrheit
Anmütig gefaßt, je nach Lage des Falles und vorbehaltlich
lanſpruchnahme der Botſchafterkonferenz, falls ſich Gegen=
rausſtellen
. Aber es müſſe mit Befriedigung unterſtrichen
i, daß in der geſamten Militärkontrollkommiſſion, ob ſie
lin, im Rheinland oder in Verſailles ihren Sitz habe, voll=
ne
Harmonie beſtehe.
ſei zu wünſchen, daß die Verſtändigung der
erten die Deutſchen zum Nachdenken veranlaſſe, und es
hl wahrſcheinlich, daß dieſe Verſtändigung ſie dazu be=
nwerde
, dieſen die Aufnahme der Kontrolle zu erleichtern.
genteiligen Falle hätte man ſich aufs neue über die anzu=
nden
Sanktionen zu verſtändigen. Auf franzöſiſcher
hätte man urſprünglich vorgezogen, dieſe Sanktio=
ür
alle Fälle im vorans zu beſtimmen, aber
inzöſiſche Regierung habe dann, um eine Verſtändigung
eichtern, auf dieſe ergänzende Garantie verzichtet. Da=
habe
die franzöſiſche Delegation dreimal im Laufe der

Verhandlungen und erſt geſtern noch daran erinnert, daß Frank
reich, falls ſeine Sicherheit bedroht würde, bezw. durch einen
bayeriſchen Putſch gegen die Pfalz, ſich vorbehalte, die durch
ſeinen Anſpruch auf legitime Verteidigung gebotenen Maß=
nahmen
, wenn nötig, allein zu treffen. Dies ſei übri=
gens
eine der grundlegenden Prärogativen der nationalen Sou=
veränität
der Staaten, und niemand habe natürlich auch nur
daran gedacht, dies zu beſtreiten. In dieſer Beziehung ſtelle die
Beſetzung des linken Rheinufers eine ſolide Gewähr
dar. Seine Räumung in Etappen von fünf zu fünf Jahren
könne aufgeſchoben werden, wenn nicht ſämtliche Bedingungen
des Friedensvertrages tatſächlich innegehalten ſeien, und Poin=
caré
werde, wie ſeine Vorgänger, demnächſt im Parlament er=
klären
, daß nach franzöſiſcher Auffaſſung die
Räumungsfriſten zurzeit nicht laufen.
Paris, 21. Nov. (Wolff.) Der Kammerausſchuß
für auswärtige Angelegenheiten hat geſtern be=
ſchloſſen
, den Miniſterpräſidenten zu erſuchen, baldigſt Aus=
künfte
über die Lage in Deutſchland und Frank=
reichs
Stellung gegenüber Deutſchland zu erteilen.
Der beſcheidene Pariſer Erfolg.
* Paris 22. Nov. (Priv.=Tel.) Der Text der zwei von
der Botſchafterkonferenz geſtern überreichten Noten und deren
politiſchen Folgen waren heute in der ganzen Preſſe und in allen
politiſchen Kreiſen von Paris lebhaft diskutiert worden. Es
ergibt ſich heute abend in Paris folgende Auffaſſung der durch
den diplomatiſchen Akt geſchaffenen Lage: An offizieller Stelle
zeigt man ſich durch das Reſultat ſehr optimiſtiſch. Man ver=
zeichnet
die Aufrechterhaltung der Einheitsfront als einen Erfolg
des franzöſiſchen Miniſterpräſidenten. Man gewinnt den Ein=
druck
, daß der reelle Wert der diplomatiſchen Schritte hinter den
Intereſſen der Aufrechterhaltung der Allianz zurückſtehe. Be=
züglich
der in der Note angekündigten Sanktionen im Falle, daß
Deutſchland die Bedingungen der Botſchafterkonferenz nicht er=
füllen
würde und der unter dieſen Umſtänden in Ausſicht ge=
nommenen
Sanktionen aller Alliierten zeigt man ſich an offi=
zieller
Stelle ebenfalls ſehr optimiſtiſch.. Die Preſſe fährt zum
Teil fort, das Ergebnis der Konferenz zu kritiſieren und als
einen Scheinerfolg hinzuſtellen. Die Aufrechterhaltung der Ein=
heitsfront
wird beſonders unterſtrichen, jedoch ſpricht die Abend=
preſſe
offen die Befürchtung neuer Komplikationen aus, die ein=
treten
würden, wenn Deutſchland ſeinen Verpflichtungen nicht
nachkommen würde und wenn ſich in dieſer Frage die Alliierten
zu einer neuen Konferenz zur Feſtſtellung gemeinſamer Sank=
tionen
vereinigen müßten. Bezüglich der Uebereinſtimmung der
Alliierten ſchreibt der Temps heute abend: Fünf Jahre nach
dem Kriegsende ſind die Alliierten einig, um den Intrigen der
Hohenzollern gemeinſam entgegenzutreten und ſich über die
Militärkontrolle in Deutſchland zu einigen. Mit einem Schlag
ſind Frankreich und England darüber einig, gemeinſame Maß=
nahmen
zur Aufrechterhaltung des Friedens und zur Durch=
führung
der großen europäiſchen Probleme zuſammenzuarbeiten.
Die Wichtigkeit dieſer Ereigniſſe kann niemand entgehen. Es iſt
nicht oft in der Geſchichte eingetreten, daß die Sieger fünf Jahre
nach dem Krieg noch einig waren.
Die Preſſe kommentiert eingehend die Gründe, die Poincaré
veranlaßt haben, ſeine Einwilligung zu einem Text zu geben,
den Frankreich anfangs in energiſcher Form abgelehnt hat. Der
Hauptgrund iſt nach der Auffaſſung des Regierungsblattes, des
Temps, in dem Umſtand zu ſuchen, daß Poincaré ſeinem eng=
liſchen
Kollegen während der Wahlen jede bruske Entſcheidung
erſparen wollte. Die franzöſiſche Regierung hat Zugeſtändniſſe
gemacht, um die Entente zu erhalten. Wenn man keine Zuge=
ſtändniſſe
gemacht hätte, wäre überhaupt jede Verhandlung un=
möglich
geiveſen. Wir freuen uns darüber in Anbetracht der
Tatſache, daß die verſöhnliche Haltung Frankreichs dem engliſchen
Kabinett während der Wahlperiode Schwierigkeiten erſpart hat.
Das Journal de Debats ſchreibt heute abend: Die Beſchlüſſe
ſind weit davon entfernt, perfekt zu ſein und überhaupt ſtellen
die zwei Texte, die angenommen worden ſind, mehr Nachteile
wie Vorteile dar. Der große Vorteil beſteht darin, den diplo=
matiſchen
Bruch verhindert zu haben und dadurch England in
dem Augenblick, wo der Wahlkampf im Gange iſt, Schwierig=

keiten erſpart zu haben.
Zufriedenheit in London.
* London, 22. Nov. (Priv.=Tel.) Die Befriedigung, die
man in hieſigen diplomatiſchen Kreiſen über die in der Bot=
ſchafterkonferenz
erzielte Einigung empfindet, gründet ſich vor=
nehmlich
auf zwei Gründe: 1. Daß nunmehr wieder eine Eini=
gung
zwiſchen den Alliierten beſteht, und 2., daß die Antwort,
die gemeinſchaftlich an Deutſchland übermittelt wird, ſich auf den
von Anfang an von der engliſchen Regierung für praktiſch und
gerecht gehaltenen Linie bewegt. Der Tätigkeit der interalliierten
Militärkontrollkommiſſion in Deutſchland mißt man nach wie vor

die größte Bedeutung bei. Aus den jedoch ſchon auseinander=
geſetzten
Gründen hält es die engliſche Regierung im Augenblick
für inopportun, Deutſchland mit neuen Strafmaßnahmen zu be=
drohen
. Die Anſicht wurde von Anbeginn an von der italie=
niſchen
Regierung geteilt und ſchließlich hat ſie auch die Zu=
ſtimmung
der franzöſiſchen Regierung erhalten. Die Beſeitigung
dieſer Meinungsverſchiedenheit und die Schaffung der Alliierten=
Einheitsfront dürften für die ganze internationale Lage von
wohltätigſtem Einfluß ſein. Insbeſondere hofft man, daß dieſe
Vorgänge nicht ohne Wirkung auf Deutſchland bleiben werden.
Baldwin und Poincaxé.
* London, 22. Nov. (Prio.=Tel.) Der diplomatiſche Mit=
arbeiter
der Weſtminſter Gazette ſchreibt, daß England trötz der
Abneigung der britiſchen Regierung, jetzt ſchon Deutſchland mit
Sanktionen zu bedrohen, noch unbedingt auf dem Standpunkt
ſtehe, Deutſchland müſſe ſeine Verpflichtungen einhalten. Wenn
die Kommiſſion des Generals Nollet dartun ſollte, daß Deutſch=
land
dieſer Verpflichtungen ſich entziehen wolle, ſo werde Eng=
land
dazu bereit ſein, Zwangsmaßnahmen in Erwägung zu zie=
hen
. Weiterhin ſchreibt das Blatt: Es iſt bemerkenswert, daß
Herr Poincaré Herrn Baldwin jetzt während des Wahlkampfes
keine Schwierigkeiten bereiten will. Wenn jedoch ein ſchwacher
und Frankreich allzuſehr entgegenkommender neuer Miniſterpräſi=
dent
zur Macht kommen ſollte, ſo würde die jetzige Kriſe wieder
ausbrechen. Die Franzoſen würden den erſten und geringſten
Vorwand von ſeiten Deutſchlands dazu ausnutzen, die Eiſen=
bahnen
öſtlich von Frankfurt zu beſetzen.
Preſſeſtimmen.
London, 22. Nov. (Wolff.) Zu den Noten der Bot=
ſchafterkoferenz
an die deutſche Regierung ſchreibt der Pariſer
Berichterſtatter der Times, im allgemeinen könne geſagt werden,
daß die britiſchen Anſichten auf der ganzen Linie Entgegen=
kommen
gefunden hätten.
Der Pariſer Berichterſtatter der Daily News betont, daß
die Noten keinerlei Sanktionen erwähnen. Die britiſche Regie=
rung
habe Einwände gegen das von Frankreich beanſpruchte
Recht erhoben, unabhängig Sanktionen gegen Deutſchland zu
unternehmen, falls Großbritannien ſpäter es ablehnen ſollte,
Sanktionen mit Frankreich zuſammen anzuwenden.
Beneſch über die Ereigniſſe in Deutſchland.
Prag, 22. Nob. (Wolff.) Im Außenausſchuß er=
ſtattete
Dr. Beneſch ein Expoſé über die letzten
Creigniſſe in Deutſchland. Er erklärte im beſonderen
zu der Rückkehr des Kronprinzen nach Deutſchland, die Frage des
Kronprinzen und der Hohenzollern überhaupt ſei keine in=
nere
Angelegenheit Deutſchlands, ſondern eine Internatio=
nale
und zwar, nicht nur gemäß dem Friedensvertrage, ſondern
auch nach der Situation, unter welcher die Hohenzollernfrage in
Deutſchland ſeit dem Abſchluß des Waffenſtillſtandes gelöſt wurde.
Wir ſind außerdem Nachbarn Deutſchlands und es iſt
für uns politiſch ſehr wichtig, zu wiſſen, was in dieſen Dingen im
benachbarten Deutſchland geſchieht. Ein ähnlicher Fall war der
mit der Habsburger Dynaſtie. Durch unſer Eingreifen
bei der Ankunft des Exkaiſers Karl in Ungarn wurde deutlich
konſtatiert, daß auch die Habsburger Frage eine internationale iſt.
Auch die Rückkehr des Kronprinzen iſt, obzwar ſie mit der Rück=
kehr
des Exkaiſers Karl nicht volle Analogie beſitzt, eine inter=
nationale
Frage von hervorragender politiſcher und prinzipieller
Bedeutung. Von dieſem Standpunkt aus betrachten wir die
Rückkehr des Kronprinzen und mußten deshalb auch bei der er=
ſten
Gelegenheit einen beſtimmten Standpunkt einnehmen. Es
handelt ſich für uns darum, daß für die Zukunſt in keiner Form
Zweifel vorhanden ſind, bezüglich unſerer Bemühungen, ſchwere
Konflikte zu verhindern, wenn vielleicht in Deutſchland für ähn=
liche
monarchiſtiſche Verſuche der Hohenzollern günſtigere Zu=
ſtände
eintreten.
Llotzd George gegen Baldwin.
London, 21. Nov. (Wolff.) Lloyd George erklärte in
einer Rede in der Queenshall, worin er nachdrücklich für den
Freihandel eintrat, u. a.: Manche Leute, die Sorgen hätten, er=
gäben
ſich dem Alkohol. Die konſervative Partei ergebe ſich
jedoch, wenn ſie Sorgen habe, ſtets den Tarifen. Die Regierung
befinde ſich in Schwierigkeiten. Die Neuwahlen würden ver=
anſtaltet
, weil Baldwin und ſeine Regierung für die Aufgabe,
für die ſie gewählt ſeien, einen vollkommenen Mißerfolg erlitten
hätten. Sie ſeien gewählt worden, um den Frieden in Europa
wieder herzuſtellen. Dies ſei ihnen nicht nur nicht geglückt, ſon=
dern
ſie gäben auch den Fehlſchlag zu. Baldwin habe es voll=
kommen
klar gemacht, daß die Lage ſchlecht ſei. Vor einem Jahr
habe er geſagt, die Regierung erwarte, daß der Friede raſch wie=
der
hergeſtellt werde. Jetzt erkläre er, die Regierung glaube
nicht, daß der Friede wieder hergeſtellt werde, bevor Jahre ver=
gangen
ſeien. Der Regierung ſei die Aufgabe, die ſie über=
nommen
habe, nicht geglückt. Der Kredit Großbritanniens ſei
geſunken, ſeitdem Baldwin ſeine Aufgabe übernommen habe.
Wäre es nicht beſſer geweſen, die Aufgaben zu erledigen, deren
Erledigung das Land von ihm verlange, den Kredit zu ver=
beſſern
und die Ruhe wieder herzuſtellen, bevor Baldwin be=
ginne
, den ganzen Handel und die Finanzen Englands in Un=
ordnung
zu bringen und die Lage ſchwieriger zu geſtalten als je?

reie Literariſch=Künſtleriſche Geſellſchaft.
Robert KotheLies Engelhardt.
obert Kothe war der gefeiertſte Lautenſänger Deutſchlands
at ſich dieſen Ruf gewahrt auch durch die Jahre der Hoch=
ieſer
Kunſt, da ſie von faſt täglich zunehmenden Berufenen
och mehr Unberufenen ausgeübt wurde. Es war nicht die
Ad dieſer ſympathiſchen Volkskunſt, daß die große Mehr=
er
Künſtler wieder vom Konzertpodium verſchwand,
in eben die derjenigen, die gewogen und zu leicht befunden
n. Denn bei aller Popularität und Volkstümlichkeit bleibt
en Kunſt, das Singen zur Laute, und Kothe als der
Künſtler konnte und durfte ihr treu bleiben, wie auch ihm
rfolg treu blieb. Der geſtrige Abend bewies das. Ein
illtes Haus und rauſchender Beifall, ſtürmiſches da Capo-
Angen gaben die äußere Note, der die künſtleriſche, die
Ait Kothe und ſeine ausgezeichnete Partnerin Lies Engel=
A’t ſchufen, vollauf gleichkam.
lie Aufnahme des Zwiegeſanges in ſein Programm
tet eine um ſo ſympathiſchere Bereicherung, als Kothe in
Engelhardt eine Partnerin fand, die in der Kunſt
autengeſanges und vor allem in der liebenswürdig= ſchlich=
ber
eindringlichen Art des Vortrags ihm vollwertig gleich
Ein glockenklarer Mezzo von weichem Timbre und vollem,
iem Wohlklang, modulationsfähig bis zum dunkelgefärbten
Däßt die Künſtlerin für ernſte Geſänge auch anſpruchsvollen
akters prädeſtiniert erſcheinen, und im Vortrag der heiteren
n entwickelt ſie bei aller Schlichtheit viel Charme und fein
timmte Schelmerei. Robert Kothe ſelbſt iſt in den
ihren, die wir ihn nicht mehr hörten, kaum merklich gealtert.
ngt ſeine Liedle ſo friſch und temperamentvoll wie früher.
Zeit hat ſeiner Kunſt, und der Art, wie er ſie übt, in nichts
uch tun können. Die Lautenbegleitung beherrſcht das
tlerpaar meiſterhaft und räumt ihr den Platz ein, der ihr
yrt und die das Künſtleriſche in den ſchlichten Volksliedern
unterſtreicht und hebt.
Das reichhaltige Programm brachte Spielmannslieder,
Slieder, Spott= und Scherzlieder, Streit= und Soldaten=
und Balladen, meiſt unbekannter Autoren, nach Volks=
eigenen
Weiſen, durchweg aber reizvoll und wirkſam im
rag. Ein Abend, für den man dankbar ſein und den man
de in der Gegenwart öfters wünſchen darf.
Al. St.

Berliner Kunſtbrief.
Franz Radziwill.
Stagnation, das iſt das Merkmal des Kunſtmarktes ſeit
einem Jahre. Die drei großen Herbſtausſtellungen, über die
wir berichtet haben, Akademie, Juryfreie, Sezeſſion, haben an
dem Bilde nichts geändert. Es fehlt an Nachwuchs, an wirk=
lichen
Begabungen, die Ausſicht haben, die Stil=Dämmerung
dieſer unſerer Kataſtrophenjahre zu überdauern und mit klären
zu helſen. Zu Otto Dix, auf den wir oft hingewieſen haben, hat
ſich Franz Radziwill geſellt. Der Salon Alfred
Heller, der ſeit drei Jahren dieſen Mann immer wieder vor=
geführt
hat, veranſtaltet eine große Kollektivausſtellung, die die
Erwartungen, die man hegen durfte, nicht enttäuſcht.
Radziwill iſt in der Nähe Bremens beheimatet. Wie ſein
Name beſagt, ſteckt ſlawiſches Blut in ihm. Oſtfriesland und
Rußland ſchneiden ſich in ihm: zwei dunkle Erdgewalten ringen
in ſeiner Seele, Gewalten, die, noch ungebrochener Naivität voll,
ſich mit der bunten Umwelt jubelnd auseinanberſetzen wollen.
Doch auch hier wächſt das Bewußtſein und frißt die Urſprüng=
lichkeit
. Es geht nicht ohne Magenbeſchwerden ab, bevor die
Form, die Naivität und Wiſſen in reifer Syntheſe vereint, ge=
boren
wird. Man hat verſucht, ihn zwiſchen Chagall und Enſor
anzuſiedeln. Damit ſind nur vorläuſige äußerliche Aehnlichkeiten
angedeutet. Gewiß hat Radziwill von Chagall Anregungen
empfangen, als er ſeine früheren ruſſiſchen Landſchaften ſchuf,
vielleicht iſt ihm etwas von Enſor unterbewußt gegenwärtig ge=
weſen
, als er ſeine erſten Menſchen hinpinſelte. Heute iſt er in
der deutſchen Landſchaft und im deutſchen Menſchen verankert,
wobei der ſlawiſche Beiklang eine Bereicherung bedeutet, die
allerdings nicht immer organiſch in den Stoff eingehen will.
Radziwill kam von der Farbe. Die Farbe iſt ſein Urphäno=
men
. Heute ringt er um die Form. Er will über das ſchöne
bunte Chaos hinaus. Bezeichnend für ſeine formalen Wollungen
ſind ſeine neuen Landſchaften und neuen Stilleben. Auch ein
Akt auf einem Divan wird ſchon mehr von der Form als von
der Farbe beherrſcht, oder vielmehr: hier iſt eine geradezu phäno=
menale
Einheit gefunden. Dieſer Mann hat, Gott ſei Dank, kein
Schema, kein Kliſchee, wie viele der Expreſſioniſten: jeder Vor=
wurf
wird ihm jetzt zu einer neuen formalen und farbigen Auf=
gabe
. Er experimentiert auch, ohne Furcht, ein Bild mit dem
Experiment zu ruinieren. Er kämpft mit Schwarz und Weiß,
den Todfeinden des Malers, und findet Mittel wie im Bild

einer Bauerndiele Sieger zu bleiben. Er kann eben etwas,
und er arbeitet, unermüdlich. Die Belohnung bleibt nicht aus.
Gelingen die großen Bilder noch nicht ſämtlich im Stilleben
iſt er am ſicherſten , ſo iſt er weit genug, das Aquarell ſouverän
zu beherrſchen. Hier auch bricht das Deutſche in ihm am reinſten
durch (während in den größeren Tafeln die Realität oft noch ein
wrnig gewaltſam=phantaſtiſch umgebogen wird): dieſe Aquarelle,
im Stoff das Schlichteſte, was man ſich vorſtellen kann: eine
Kommode mit einem Bild, ein offenes Fenſter mit einem Tiſch
davor, ſind Abſolutheiten, die gänzlich für ſich exiſtieren.
Man darf, glaube ich, dieſen Maler ohne Furcht loben: er
wwird ſich nicht einſchläfern laſſen. Es gilt für ihn, ſeine Linie
durchzuhalten: die große Form zu finden, ohne von der Mannig=
faltigkeit
und der Liebe zum Kleinen etwas zu verlieren, und
die Handſchrift, die noch etwas taſtet, ſicher zu machen, ohne die
große Lockerheit aufzugeben. Und ſchließlich auch, ſeine Stoff=
gebiete
zu erweitern, ohne wahllos zu werden. Dieſer Mann
iſt auf dem Marſche. Er wird große Ziele erreichen, wenn er
abſeits aller Jsmen und Theorien weiterſchafft, um das zu wer=
den
, was allen nottnt: eine maleriſche Perſönlichkeit. Dr. N.

C. K. Der Kapellmeiſter mit dem deutſchen Namen. Friedrich
der Große war beantlich Zeit ſeines Lebens ein leidenſchaftlicher
Freund der italieniſchen Opernmuſik. Als er nun den deutſchen
Komponiſten Reichardt zu ſeinem Kapellmeiſter ernannt hatte,
ivollte er bei der Vorſtellung ſchon das gewöhnliche Zeichen zum
Abſchied geben, indem er den Hut lüftete. Da blieb er noch
ſtehen und fragte: Wie heißt Er doch? Reichardt war
die Antwort. Ja, ſeh er mal, ſagte nun der alte Fritz bedenk=
lich
. Da kann er komponieren, was und wie er will, bei ſeinem
deutſchen Namen wirds doch keiner glauben, das was Rechtes
daran iſt. Wenn Er ſich aber Ricciardetto oder Nicciardini nennt,
dann klingt das gleich ganz anders. Reichardt aber erwiderte
feſt: Ew. Majeſtät, ich bin viel zu ſtolz darauf, ein Deutſcher
und Ihr Untertan zu ſein, als daß ich meinen Namen in einen
italieniſchen verwandeln möchte. Na, na! meinte der König
einlenkend, 8 hat ja auch keine Eile. Und ſo blieb Reichardt
bei ſeinem deutſchen Namen.
L. Die Entſchädigung für die Luſitania‟ Die gemiſchte
deutſch=amerikaniſche Schiedsgerichtskommiſſion hat die Entſche
digung, die Deutſchland zu zahlen hat, auf 22 800 000 Dollar
geſetzt ( 115 Millionen Schweizer Franken).

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 23. Rovember 1923.

Rummer 32

Stadt und Land.

Darmſtadt, 23. November.
dem Amtsgericht Lorſch Johann Kredel zum Juſtizinſpektor bei dem Als Vertreter des Kreisamtes iſt Reg=Aſſ. Bernauer erſchienen, für
Amtsgericht Schotten und der Juſtizinſpektor bei dem Amtsgericht Butz=
bach
Jakob Vierheller zum geſchäftsleitenden Juſtizinſpektor bei
dem Amtsgericht Butzbach; am 7. November 1923 der Amtsrichter bei
dem Amtsgericht Schotten, Amtsgerichtsrat Dr. Robert Bernhard.
zum Oberamtsuichter bei dem Amtsgericht Ortenberg.
Eröffnung der Theaterausſtellung im Landesmuſeum.
Die Vorbereitungen ſind abgeſchloſſen. Die Eröffnung findet
ſtatt Samstag, den 24. November, nachmittags 3 Uhr, und zwar
vom Mittelſaal der Gemäldegalerie aus. Aus Gründen not=
wendiger
Sparſamleit werden beſondere Einladungen nicht ver=
ſchict
. Es darf als ſelbſtverſtändlich gelten, daß anweſend ſein
werden Vertreter der Regierung und der Stadt, die Landtags=
mitglieder
und Stadtverordneten, die Berichterſtatter der hieſigen
und auswärtigen Preſſe, welche zur Premiere des Roſen=
garten
in Darmſtadt jind, die Mitglieder und Ehrenmitglieder
des Landestheaters, die Beamten der Darmſtädter Muſeen ſamt
ihren vorgeſetzten Behörden, die bildenden Künſtler Darmſtadts,
zum meiſten alle diejenigen, welche durch Leihgaben, Auskünfte
und Mitarbeit die Ausſtellung erſt ermöglicht haben. Der erſte
öffentliche Beſuchstag der Ausſtellung iſt der nächſte Sonntag.
Geheimrat Kautzſch in der Vereinigung der Freunde des humani=
ſtiſchen
Gymnaſiums. Der Vortrag (mit Lichtbildern) von Univerſitäts=
profeſſor
Geheimrat Dr. Nudolf Kautzſch über Die mittelalterliche
Plaſtik und die Antike findet heute Freitag; abends 8 Uhr,
im Feſtſaal des Ludwig=Georgs=Gymnaſiums (Karlsſtr. 2) ſtatt. Gäſte,
auch Damen, willkommen.
Künſtlerabend. Wir weiſen nochmals auf den heute Freitag, den
23. November, in den Näumen des Hotels Zur Traube ſtattfindenden
Künſtlerabend hin, deſſen Reinertrag für die notleidenden Altpenſionäre
des Landestheaters beſtimmt iſt. Das Programm, welches von den be=
kannteſten
Mitgliedern des Landestheaters beſtritten wird, umfaßt in
bunter Folge Inſtrumentalvorträge, Lieder, Duette. Quartette, choreo=
graphiſche
Darbietungen und ernſte und humoriſtiſche Rezitationen. Be=
ginn
der Vorträge 9 Uhr. Kein Weinzwang! Kartenverkauf ( Einzel=
karten
an Tiſchen) ab Mittwoch, 21. November, im Hotel Zur Traube‟.
Preis 3 Goldmark.
Das wertbeſtändige Notgeld der Reichsbahn. Gegenüber den
Mitteilungen in Berliner Morgenblättern über Schwierigkeiten bei der
Ausgabe wertbeſtändigen Notgeldes ſtellt der Reichsverkehrsminiſter noch=
mals
ausdrücklich feſt, daß das von der deutſchen Reichsbahn mit Zu=
ſtimmung
des Reichsfinanzminiſters herausgegebene wertbeſtändige Geld
durch Goldanleihe voll gedeckt iſt. Es iſt daher, ein der Goldanleihe
gleichwertiges Zahlungsmittel und wird an allen öffentlichen Kaſſen des
Reiches angenommen. Die Geldſcheine beſtehen aus gelbem Papier und
tragen den Aufdruck Wertbeſtändiger Anteilſchein zu den Schatzanwei=
ſungen
des Deutichen Reiches mit der Unterſchrift des Reichsverkehrs=
miniſters
Oeſer. Auch das auf Papiermark lautende, nicht wertbeſtändige
Notgeld der deutſchen Reichsbahn wird nach wie vor an allen öffent=
lichen
Kaſſen des Reiches zum Nennwert in Zahlung genommen.
* Neue Freimarken. Folgende Freimarken im Muſter der Marke
zu 500 000 Mk. ſind hergeſte llt worden und werden den Abſatzſtellen be=
reits
geliefert oder demnächſt geliefert werden: 100 Millionen Mark
grau, 20 Millionen Mark hellbraun, 500 Millionen Mark oliv, 1 Mil=
liarde
Mark ſchwarzbraun, 2 Milliarden Mark blaßgraulila, 5 Milliar=
den
Mark prange. 10 Milliarden Mark gelbgrün, 20 Milliarden Mark
blaugrün, 50 Milliarden Mark blau. Die Wertzeile iſt auf den Mil=
liardenmarken
in Kurſivſchrift gedruckt. Die früher gemeldeten Ueber=
druckmarken
800 000 Mark auf 100 Mark lila und 2 Millionen Mark
auf 500 Mark ziegelrot ſind nicht hergeſtellt worden.
Goldene Hochzeit. Philipp Alberth und Ehefrau Eliſe, geb.
Werner, Langegaſſe 5, feiern am Sonntag das Feſt der goldenen
Hochzeit.
Odenwaldklub, Ortsgruppe Darmſtadt. Lachender Himmel be=
grüßte
die zur 8. Wanderung angetretenen Klubiſten. Der Himmel
Wanderwetter, ſo daß nach der kurzen Ciſenbahnfahrt bis Zeilhardd von
dort aus frohgemut die Wanderung begonnen wurde. Sie führte dann
über Rohrbach, woſelbſt bei Gaſtwirt Lantelme kurze Frühſtucksraſt ge=
halten
wurde, und Reinheim nach Habitzheim. Kein Wunder, daß die
ſchöne, von den Herren J. Meyer und L. Müller fehr gut geführte und
in allen Teilen gelungene Wanderung am Cndziel Habitzheim bei Gaſt=
wirt
Koop in beſter Klubſtimmung ausklang. Frohe Wanderlieder und
Vorträge würzten noch dieſe Stimmung, ſo daß alle Teilnehmer neu
geſtärkt für den Ernſt der kommenden Tage und hochbefriedigt wieder
der Heimat zuſtrebten.
Zahlreiche Freunde der Miſſion hatten ſich am Sonntag abend
im Heim des Chriſtl. Vereins junger Männer, Inſt.=Kaſerne, verſam=
melt
, um den intereſſanten Ausführungen des Herrn Miſſionars Keller, halten zu ſchöpfen, aus der Perſönlichkeit dieſer einzigartigen Frau und
eines treuen Gotteszeugen und unerſchrockenen Vorkämpfers deutſcher
Kultur im dunklen Erdteil zu lauſchen. Herr Keller entrollte in feſſeln=
der
Weiſe ein Bild von den im Laufe des 19. Jahrhunderts in Afrika
ſtattgefundenen Wanderungen der Baliſtämme ſowie dem Eindringen
des Islams. Anfang dieſes Jahrhunderts fühlte ſich Herr Keller be=
rufen
, dem Balivolk die Botſchaft vom Kreuz zu bringen. Die freund=
liche
Aufnahme, die ihm von den von europäiſcher Kultur bis dahin völ=
um
Sendung von Miſſionaren veranlaßten ihn, im Jahre 1902 die erſte
Miſſionsſtation in dem von der Küſte 14 Tagereiſen entfernten Bali=
lande
zu gründen. Die erfolgreiche Ausbreitung des Evangeliums unter
mit der Heilsbotſchaft Hand in Hand gehende geiſtige und ſittliche För= Beifall. Ebenſo regen Applaus erntete der Vorſitzende der Ortsgruppe,
derung waren die herrliche Frucht deutſcher evgl. Miſſionsarbeit. Wenn
auch alle die unerſchrockenen deutſchen Glaubenshelden, die ihr Leben
einer großen edlen Sache geweiht hatten, das ihnen ſo lieb gewordene
Kulturarbeit als ein undergleichliches Denkmal deutſchen Geiſtes und
unſerer evgl. Kirche in den von uns entriſſenen Kolonien fortbeſtehen.
Volkstheater. Heute Freitag iſt die letzte Aufführung des amü=
ſanten
Luſtſpiels Der Dollaronkel, und iſt der Beſuch allen,
Morgen nachmittgg iſt die erſte Wiederholung des Märchens Hänſel und
Gretel, welches Mittwoch unter ſtürmiſchem Beifall unſerer Kleinen in
Szene ging. (S. Anz.)
n. Schwurgericht. Die am Montag, den 3. Dezember, vormittags
gung wird vorausſichtlich nicht von langer Dauer ſein. Unzutreffend iſt ſchäftigt.
die von einer Korreſpondenz gebrachte Nachricht, daß dabei auch die An=
Dieſe ſteht vielmehr erſt für die Märztagung nächſten Jahres zu erwar= ſundheitsrückſichten niedergelegt. An ſeine Stelle tritt A. Vetter.
ten, da die umfangreiche Vorunterſuchung noch nicht abgeſchloſſen werden
gen in der Pfalz wohnen und die jetzigen Verhältniſſe große Hinderniſſe be=
durch
den Indizienbeweis äußerſt ſpannend geſtalten.
Zur Richtigſtellung. In der Mitteilung des Lebenshaltungsinder
und (,218,5 Milliarden).
Regimentsnachrichten.
abzeichen, möglichſt Zylinder. Erſcheinen Ehrenſache.
des Verbandes der Heſſ. Negts.=Vereine.
gener wird geſchrieben: Die diesjährige Totenfeier findet auf dem
Feier im Landestheater ſtatt.
Der Reichsbund der Kriegsbeſchädigten und Hin=
(bei ſchlecktem Wetter im Landestheater) ſtattfindenden Totenfeier zu
Ehren unſerer Gefallenen ein.
treten der Mitglieder zur Totengedeuffeier, Roßdörfer=, Ecke Nieder=
Ramſtädterſtraße. Abmarſch von da zum gemeinſamen Sammelplatz
W.
11.20
d

Verwaltungsgerichtshof.
Ernannt wurden am 6. November 1923 der Juſtizinſpektor bei ſtadt um Grlaubnis zum Betriebe einer Schankwirtſchaft, Holzſtlaße 22.
die Geſuchſtellerin N=A. Dr. Oppenheimer. Am 2. Juni 123
hat der Provinzialausſchuß die Konz ſion für den Betrieb einer Kaffee=
wirtſchaft
abgelehnt, da der Nachweis eines Bedürfniſſes nicht erbracht
ſei. Geſuchſtellerin war damals Mathilde Trumpfheller, jetzt verehelichte
Kappes. Das Polizeiamt vertrat damals die Anſicht, die Geſuchſtellerin
ſei nur vorgeſchoben, weil Kappes ſeiner Vorſtrafen wegen nicht die
Konzeſſion erhalten könne. Die Geſuchſtellerin, die das Haus Holzſtraße
22 erworben hat, hat dieſes mit erheblichen Mitteln neu hergeſtelt. Als
Zeugen hat Frau Kappes folgende Perſonen unmittelbar geladen: die
Herren Held, Schmitt und Gold, die erſchienen ſind, ſowie als Aus=
kunftsverſon
den früheren Vorſtand des erſten Polizeireviers, Windiſch.
Der Zeuge Held, Beſitzer eines Kaffees in der Bleichſtraße 43, hertritt Frankfurt a. M. einen Ochſen von etwa 17 Zentnern zum Prei
die Anſicht, daß das Eisgeſchäft (das K. betreibt) den Beſitzer allein nicht
ernähren könne, bei den hohen Bierpriſen zudem müſſe Gelegenheit ge= Montag, alſo drei Tage ſpäter, verkaufte die genannte Großſchl
boten werden, in dieſem Geſchäft warmen Kaffe zu erhalten; die ein=
zelnen
Cafétiers könnten ihr Eis heute nicht mehr ſelbſt herſtellen, ſon=
dern
müßten es vom Spezial=Eisgeſchäft beziehen. Zeuge Schmitt, als
Mitglied der Wirtſchaftsdeputation, erblickt ein Bedürfnis in dem Ge=
ſchäft
; es wurde auch häufig in dem K.ſchen Eisgeſchäft Kaffee verlangt.
(Zeuge war, als die Konzeſſion zur Begutachtung ſtand, noch nicht Mit=
glied
der Deputation). Zeuge Gold wohnt dem Geſchäft gegenüber,
kennt deshalb das Lokal genau, es verkehre nur anſtändiges Publikum
dort, unlautere Elemente würden ferngehalten; Gold erblickt ein Be=
dürfnis
für das Lokal, um ein Lokal gleicher Art zu beſuchen, müſſe
man ſchon weiter an den Ernſt=Ludwigsplatz gehen, zahlreiche Leute ſprä=
chen
dor und wvollten Kaffee einnehmen. Im Sommer gab es da nur
Eis. Polizei=Kommiſſar Windiſch erklärt, die Konzeſſion für das Lokal
in der Ernſt=Ludwigſtraße habe Albert Kappes gehabt, auf Grund
Stellvertretungsvertrags führte in der Folge die Mutter des Kappes das
Geſchäft. Ein Bedürfnis für Holzſtraße 22 beſtehe nicht, da ſich un=
mittelbar
am Mauktplatz zwei Cafés befänden. Aus den Akten wird feſt=
geſtellt
, daß zunächſt die Katharina Kappes für Ernſt=Ludwigſtraße 5
Kaffekonzeſſion hatte, die Konzeſſion für Alkoholausſchank wurde ihr
dagegen verſagt. In der Folge hatte Albert Kappes die Vollkonz ſſion
für Ernſt=Ludwigſtraße 5. Zeuge Schmitt betont, die von Polizei= Kom=
miſſar
Windiſch genannten zwei Cafés unmittelbar am Marktplatz ſeien
nach ihrer ganzen Art und Aufmachung mit dem von Frau Kappes ge=
planten
Unternehmen garnicht zu vergleichen. Polizei=Kommiſſar Win=
diſch
weiſt dagegen auf die zwei Cafés in der Pädagog= und Soderſtraße
hin, wogegen von anderer Seite geltend gemacht wird, daß es ſich bei
beiden Geſchäften um Konditoreien mit Kaffeebetrieb handele. Der ge=
ſtellte
und heute begründete Berufungsantrag will nur die Konzeſſion
einer Kaffeewirtſchaft erreichen. Der Vertreter des Staatsintereſſes
will gegen Schlemmerlokale ſtrengſtens vorgegangen haben, auch ein
Lokal, das nur Eis vertreibe, müſſe als eine Art Luxusbetrieb erſchei=
nen
, dieſer Charakter verſchwinde, wenn ein Kaffeeausſchank ſtattfinde.
Würde die Konzeſſion nicht erteilt, ſo bliebe doch der Eisbetrieb be=
ſtehen
, dieſer Zuſtand ſei nicht erwünſcht, zumal das Eisgeſchäft dem
Ladenſchluſſe unterliege. Das Bedürfnis für ein Café ſei größer als für
einen Eisvertrieb. Unter dieſem Geſichtspunkt wolle er ein Bedürfnis
für den Kaffeeausſchank änerkennen. Zu prüfen ſei die perſönliche Seite:
könne der Frau eines ſchwerbeſtraften Mannes der Betrieb andertraut
und die Konzeſſion erteilt werden?. Da die Vorſtrafen Kappes längere
Zeit zurückliegen, (Duldung des Glücksſpiels, Kupbelei), ſo ſtelle er in
das Ermeſſen des Gerichts, ob den Ausführungen des Vertreters der Ge=
ſuchſtellerin
entſprechend unter Berückſichtigung der vorliegenden Ver=
hältniſſe
der Kaffeeausſchank zu konzeſſionieren ſei. Das Notgeſetz vom
Februar 19233 gebe zudem der Exekutive eine genügende Handhabe, den
ungeſetzlichen Wirtſchaftsbetrieb raſch zu unterbinden. Urteil: Die
Konzeſſion für, den Kaffeeausſchank wird erteilt.
2. Klage des ehemaligen Polizeikommiſſars Hechler zuzreit in
Berlin=Schöneberg, auf Schadenerſatz. Hier Antrag auf Wiederaufnahme
des Verfahrens. Erſchienen iſt Kommiſſar Hechler; er überreicht
einen Schriftſatz, in welchem er den Antrag auf Wiederaufnahme des
Verfahrens zurückzieht. Hechler will ſeine Schadenerſatzanſprüche gegen
den früheren Oberbürgermeiſter a. D. Dullo in Offenbach an
hatte ein Einſehen und beſcherte nach den letzten Regentagen prächtiges anderer Stelle erneut geltend machen. Es ergeht Beſchluß auf
Einſtellung des Verfahrens.
Lofale Veranſtaltungen.
Die Hierunter erſcheinenden Notizen ſind ausſchließlich als Hinweiſe auf Anzeigen zu beirachten.
in keinem Fchle irgendwie 9ls Beſprechung oder Krſil.
Vortrag Dr. Schirmacher. Vor den Toren Darmſtadts
ſpielte ſich ab, ſichtbar vor unſeren Augen, was Frau Dr. Schirmacher
am Samstag abend in der Loge in ihrem Vortrage Das geraubte
Deutſchland behandeln wird. Aus dieſem berufenen Munde Aufklärun= halten, werden in den Verkaufsläden die Waren mit Nummern *
gen über unſeren Leidenswea zu erhalten, und ſich Kraft zum Durch=
aus
ihrem kerndeutſchen Weſen, darf kein guter Deutſcher verſäumen.
Der Vortrag appelliert an Verſtand und Gemüt eines Jeden, und eigenes kriegspreiſe dar, für welche eine ſtichhaltige Begründung wohl ke
Intereſſe iſt es, dieſen ſeltenen Abend nicht zu verſäumen.
Traiſa, 22. Nov. Die hieſige Ortsgruppe des Oden=
waldklubs
feierte am letzten Samstag abend im Goldenen Löwen
lig unberührten Eingeborenen zuteil wurde, ſowie ihre dringende Bitte ihr diesjähriges Dekorierungsfeſt. Nach einem Eröffnungsmarſch, den
die eigene Hauskapelle ſchön zum Vortrag brachte, folgte der von dem
hieſigen Geſangverein Sängerluſt unter perſönlicher Leitung ſeines höhung ber Vorkriegspreiſe vor. Dabei iſt aber der amtliche P.
Dirigenten Herrn J. Kehr=Darmſtadt vortrefflich zu Gehör gebrachte
einem Volke, das zum Teil dem Kanibalismus gehuldigt hatte, und die Chor Gott grüße Euch. Auch die weiteren Chöre fanden ſtürmiſchen
Herr Beigeordneter Brehm, mit ſeiner kernigen Begrüßungsanſprache
Die Vertreter des Hauptausſchuſſes und zugleich Ehrenmitglieder der
hieſigen Ortsgruppe verhalfen durch ihre gütige Mitwirkung das Feſt amtlicherſeits einen Höchſtpreis feſtzulegen, der den Geſtehun
Werk brutalen Machthabern überlaſſen mußten, ſo wird doch unſere verſchönern. Auch das Klampforcheſter gab, wie alljährlich, verſchiedene nebſt einem angemeſſenen Gewinn für den Erzeuger entſpricht.
ſehr gut ausgeführte Muſikſtücke zum Vortrag. Verſchiedene Damen und
ein Herr ließen es ſich nicht nehmen, die zahlreiche Zuhörerſchar mit
humoriſtiſchen Vortragsſtücken geſanglicher und deklamatoriſcher Art zu
erfreuen. Es konnten diesmal 24 Mitglieder mit dem Goldenen ge= Milliarden.
die ein paar wirklich frohe Stunden verleben wollen, ſehr zu empfehlen, ſchmückt werden. Der 1 Vorſitzene Herr Brehm und 2. Vorſitzende Herr
Fornoff, beide echte Odenwälder, erhielten von einem Vertreter des lich, daß hier bei einem geradezu unbeſchreiblichen Wucher nic
Hauptausſchuſſes ein Abzeichen mit dem Rudi Wünzer=Turm. Friſch auf
zum fröhlichen Wandern im kommenden Jahr!.
r. Pfungſtadt, 21. Nov. Kriegerdenkmal. Gegenwärtig iſt tigen Dollarſtand von 840 Milliarden etwa 4 Goldmark bedeutet
9½ Uhr, unter Vorſitz des Landgerichtsrats Dr. Fuchs beginnende Ta= man mit der Aufſtellung des Kriegerdenkmals vor dem Nathauſe be=
Wald=Michelbach, 21. Nov. Aus dem Gemeinderat. Ge=
klage
gegen den hieſigen Händler Fritz Hofmann zur Verhandlung komme, meinderat Chriſtian Oehlſchläger (Bauernbund) hat ſein Amt aus Ge=
2 Offenbach, 22. Nov. Es war in der hieſigen Stadtverord=
konnte
. Sie verzögert ſich dadurch daß eine Anzahl zu vernehmenden Zeu= netenverſammlung ſchon immer unruhig, ſeitdem die Kommu=
niſten
in die Verſammlung eintraten. Was der Zuhörerraum, vielfach
reiten. Bekanntlich hat ſich der mit H. ebenfalls in ſchweren Verdacht von halbwüchſigen Jungen beſucht, neulich aber ſich erlaubte, das ſpottet
gemeinſamer Täterſchaft geratene und damals feſtgenommene Ober= jeder Beſchreibung. Zweimal mußte der Oberbürgermeiſter die Sitzung
kriminalpolizeinſpektor Chriſtian Weber von hier durch Selbſtmord der unterbrechen und den Fortgang der Beratung auf einige Zeit ausſetzen, die Preiſe täglich, faſt ſtündlich erhöht, hingegen bei Kursſen
Verantwortung entzogen, und iſt nunmehr H. allein beſchuldigt. Er damit ſich die ungebärdige Menge im Zuhörerraum, wieder beruhigen, dieſe nur ſehr zögernd und in viel zu geringem Ausmaße er
leugnet nach wie vor. Die künſtige Schwurgerichtsverhandlung des ſo konnte. Ordnungsliebenden Leuten unter den Zuhörern wurde es dann
ungeböhnlichen Verbrechens, das im Frühjahr 1921 im Sbeſart bei ſelbſt zu bunt, und ſie forderten die übrigen auf. Nuhe zu halten damit nungen würde dieſem Uebelſtande lückenlos abgeholfen werden.
Nohrbrunn verübt wurde, dürſte ſich nach dem ganzen Sachverhalt und die Sitzung wieder ihren ungeſtörten oder vielmehr geſtörten Verlauf, mäßig würde es ſein, wenn die in Rede ſtehende Verordnung dahit
nehmen konnte. Ein Zuhörer erlaubte ſich ſogar, eine kleine Nede zu ergänzt würde, daß bei Zuwiderhandlungen neben dauernder Ent=
heißt
es nicht das 831fache und (o218,5), ſondern 831milliardenfache halten. Die Wut der Menge richtete ſich gegen die Sozialdemokraten,
die von den Kommuniſten unter den Zuhörern Verräter genannt wur= nis= bezw. Zuchthausſtrafe belegt würden. Die Warenvorräte we
den. Großer Lärm auf den Plätzen der Zuhörer entſtand auch, als der beſchlagnahmen und der Verkauf derſelben zugunſten der Volksern
ſozialdemokratiſche Beigeordnete Eißnert einmal von Standesherren vorzunehmen. Die rückſichtsloſe Durchführung vorſtehender Vo=
ſprach
, die den Erwerbsloſen Holz aus ihren Wäldern abgeben könnten.
Die Vereinigung früherer Leibgardiſten bittet Der Oberbürgermeiſter war gegen die wütende Menge machtlos, er mußte, heit recht bald reformierend wirken. Die Vernichtung einiger
ihre Mitglieder, am kommmenden Sonntag, 25. Nob., zur Totenfeier, den Sturm jedesmal austoben laſſen. Er wird wohl mit den Vorſitzen=
für
unſere Helden, die vom Regt=Verband bereits bekannt gegeben den der Fraktionen verhandeln und beraten müſſen, was zu tun iſt, da= bedeutungslos gegenüber dem der Allgemeinhet erwieſenen Dien
wurde, pünktlich 11 Uhr vorm, an der Ecke Herdwveg=Roquetteweg er= mit die Verſammlung ungeſtört arbeiten kann. Der Kommuniſt Härtle, zugleich als abſchreckendes Beiſpiel unlauteren Kaufleuten gegeni
ſcheinen zu wollen. Anzug: dunkel, Orden, Ehrenzeichen, Vereins= wohl der jüngſte Stadtvater ſuchte ſeinen Worten wieder mehr Nach=
druck
zu verleihen, indem er Entgegnungen des Oberbürgermeiſters Un=
Hiermit werden alle ehem. 6ler aufgefordert, am Sonntag, den verſchämtheiten nannte und dabei mit der Fauſt mehrmals auf
B. Noh, vorm. 11 Uhr, ſich einzufinden zur Totengedenkfeier auf dem den Tiſch ſchlug. Nach Mitteilungen aus Stadtverordnetenkreiſen wer=
alten
Friebhof. Gs iſt Pflicht der Kameraden, zu erſcheinen. Sanmel= den die kommuniſtiſchen Stadtverordneten ſofort zahmer, ſobald in die gür die Bersſſntſchungen mer dieſer ſieberſchift ibernimmt die Redaltion ſeigel
platz am Prünnchen. Alles übrige erſichtlich aus der Bekanntmachung geheime Sitzung eingetreten worden iſt. Dann fehlen eben die Leute, ontworfung; für ſie bleibt auf Gruno des 52t Abf 2 des Preſſegeſetzes in vollem
für die ihre Reden gehalten werden. Die Erwerbsloſen hatten einen der Einſender verantworlich.) Einſendungen, die nicht verwendet werden, iönr
Von der Reichsvereinigung ehem. Kriegsgefau= Dringlichkeitsantrag vorgelegt, worin ſie geſteigerte Fürſorge für ſich,
alten Friedhof, Nieder=Namſtädterſtraße ſtatt. Die Mitglieder treffen ein Verbot für feines Gebäck, eine Erfaſſung und Zuteilung der Lebens=
ſich
vormittags 11t4 Uhr vor dem Hallenſchwimmbad (Meßplatz). Zahl= mittel, unentgeltliche Zuteilung von Brennſtoffen und Gas und eine lungen Von der Wucherpolizei, die nach der ganzen Abfaſſung
reiches Erſcheinen iſt Ehrenpflicht. Bei ſchlechtem Wetter findet die wöchentliche Beihilfe von 10 Billionen für einen verheirateten Erwerbs= ſchließen laſſen, daß ſie auf amtlichen Mitteilungen beruhen.
loſen verlangten. Die Ausſprache darüber dauerte weit über eine ten nicht auch in Darmſtadt, natürlich ohne Namensnennung da
Stunde. Die Anträge gingen ſchließlich an den Ausſchuß. Für die Lin= ja zunächſt um Anzeigen handelt, derartiges von der Poli,
terbliebenen ladet ſeine Mitglieder zu der am Sonntaa, den derung der Not ſtiftete der Fabrikant Wallerſtein die Summe von 90 Preſſe übermittelt werdend
95. November, vormittags 11 Uhr, auf dem Nieder=Namſtadter Friedhof, Billionen. Die Verbrauchsſteuer auf Stein= und Braunkohlen und Torf
wurde bedeutend erhöht. Eine ſehr lange und ſcharfe Erörterung rief. Preſſe auf, daß alle diejenigen, die ſich bei dem Ankauf 1
die Feſtſetzung des Gas= und Waſſerpreiſes hervor. Da er auf Gold= Lebeusbedürfniſſe bewuchert fühlen, ſofortige Mitteilung an die
Kam=Vereinigung ehem, Heſſ Karde=Drag. Nr. mark und Friedensſatz erhöht iſt, koſtete das Gas am 15. No= anwaltſchaft oder die Wucherpolizei machen; dies gilt insbeſonder
23. Nächſten Sonntag, den 25. Nob, zünktlich 11.15 Uhr vorm An= vember 50, heute ſchon 100 Milliarden Mark. Es muß zugegeben wer= wenn Anhaltspunkte dafür gegeben ſind, daß bei Anwendung des
den, daß das Werk ſtillgelegt werden muß, wenn der Preis des Gaſes plikators unveranlaßt die Grundpreiſe in die Höhe geſetzt werden
nicht in der genannten Höhe erhoben wird. Die Erregung iſt auch nur Staatsanwaltſchaft wird mit allen ihr zu Gebote ſtehenden Mite
dadurch hervorgerufen, daß Lohn= und Gehaltsempfänger noch kein

Gold= und Ftiedenseinkommen haben. Schließlich wurde der Antre
Kommuniſten, die Feſtſetzung wieder der Vollverſammlung zu üb
gen, doch abgelehnt. Jür die Zuteilung der Wohnungen an Wohr
I. 1. Geſuch der Jean Kappes’sEhefrau in Daum= loſe wurde dem Oberbürgermeiſter ein Beirat zur Seite geſtell
wohl die Verſammlung 21 Sozialiſten, 20 Bürgerliche und nur 7
muniſten zählt, wurden auf Vorſchlag der Kommuniſten doch 2 So
liſten, 2 Kommuniſten und 1 Demokrat mittels Stimr
gewählt. Der Beirat, der bisher von Mietern und Vern
gleichmäßig ſtark beſetzt war, iſt damit vollſtändig politiſier=
den
. Man will das Bürgertum darin zur Ohnmacht verurteilen.
O) Offenbach, 21. Nov. Verunglückt. Im Heuſenſte
Walde verunglückte ein 40 Jahre alter Arbeiter beim Holzleſen de
daß ihm ein ſtarker Aſt auf den Kopf fiel. Der Verletzte trug
Schädelbruch davon und mußte ins Krankenhaus überführt werd.
Friedberg, 21. Nov. Einen kraſſen Fall von Fleiſchw.
berichtet die Neue Tageszeitung. Das Blatt ſchreibt: Am Freit
acht Tagen verkaufte das Hofgut Wickſtadt der Großſchlächterei
14 Milliarden Mark je Pfund Lebendgewicht. Am darauffol
das Ochſenfleiſch zum Kleinverkaufspreiſe von 100 Milliarden 9
Pfund. Der Beſitzer des genannten Hofgutes mußte zufällig
Abtſchen Laden ſtehend, mit anhören, wie ſich, das Publikum üb
hohen Preis entrüſtete. Aber bezeichnenderweiſe ſagte es Dem
gehört der Hals abgeſchnitten! Wer aber war der Schuldige?
Friebberg, 21. Nob. Winterhilfe. Die Ortsgrut
Bauernbundes im Stadtteil Feuerbach hat der Winterhilfe der
50 Zentner Kartoffeln und 140 Liter Milch unentgeltlich über
Außerdem wurden der Stadt Friedberg von der gleichen Seite u
Zentner Kartoffeln gegen Barzahlung zur Verfügung geſtellt.
O Butzbach, 21. Nob. Die letzte Gemeinderatsf;
fand ein frühzeitiges Ende. Als der Gemeinderat beſchloſſen
Fragen der Ermerbsloſenfürſorge und entſprechende Anträge
nichtöffentlichen Sitzung zu behandeln, verließ die Mehrheit der
den Saal. Da auch das Publikum den Saal nicht räumte, ſah
Vorſitzende veranlaßt, die Sitzung abzubrechen.
Stockheim, 21. Nov. Die Unſicherheit auf dem Lande
täglich mehr überhand. Nachdem bereits vor einiger Zeit im
barten Wippenbach und Eckartsborn diebiſche Geſellen den Schäfe
einen Beſuch abgeſtattet und in Wippenbach ſämtliche Anzüge,
und andere wertvolle Gegenſtände des Schäfers mitgenommen
ſtahlen ſie am vergangenen Donnerstag in der Nacht aus unſerem
ein Schaf, ein zweites mußten ſie, da ſie geſtört wurden, abgeſa
zurücklaſſen; es konnte wenigſtens ſeinem Beſitzer wieder ausge
werden. Für die Gendarmerieſtationen auf dem Lande müßte
dingt Polizeihunde angeſchafft werden.
Parlamentariſches.
Dem Landtag iſt eine Anfrage der Abgg. Dingeldeh,
und Gen, betreffend Beeinfluſſung des freien Vereinigungsrecht
Heſſ. Richterſtandes, zugegangen. Die Abgeordneten fragen an:
die Verhandlungen der außerordentlichen Tagung des Heſſ.
vereins iſt bekannt geworden, daß ein Richter ausgeſprochen
wegen ſeiner Zugehörigkeit zum Vorſtande des Heſſ. Richter
nicht befördert worden iſt, obwohl er wegen ſeiner ausdrücklich b
ten ſachlichen Eignung zur Beförderung vorgeſchlagen, auch die
bereits bei ihm angefragt worden war. Wir fragen an:
1. Iſt die Regierung bereit, eine Darſtellung des Sachverha
geben, wie er ſich auf Grund der verantwortlichen Vernehmung
teiligten Beamten darſtellt?.
2. Welchen Standpunkt nimmt die Regierung zu dem E
halt eind
Ein Antrag Kindt und Gen. will bei einer Verminderu
Beamtenſchaft (Abbau) eine Entlafſung oder Benacht
gung der Kriegsbeſchädigten vermieden wiſſen. 9.
rentnerfürſorge; hier: Gewährung von Beihilfen an lei
ſchwache Gemeinden. Eine Reg.=Vorlage will in den Staatsvorg
1923 nachträglich für dieſe Zwecke 20 Billionen Mark, eingeſtellt
(Bisher waren in Heſſen Mittel für dieſe Zwecke im Budget nicht
ſehen.)
* Die Abgg. Hofmann=Seligenſtadt (Ztr.) und Fraktion fra/
treffend Verpflichtung zur Auszeichnung aller Bedarfsartikel
tägliche Leben in Goldmark an:
Was gedenkt die Regierung zu unternehmen, um die ganz of
liche und allgemeine Uebertretung, der bereits beſtehenden Vero
über die Verpflichtung, die Waren für den täglichen Bedarf in Go
auszuzeichnen, in der ſchärfſten Form zu verhindern?
Begründung: Ohne ſich an die beſtehenden Beſtimmun
net, für welche auf einer ſeparaten Tafel die Preiſe in Pavierme
geführt ſind. Dieſe Preiſe werden ganz ohne Rückſicht auf den
ſtand willkürlich erhöht und ſtellen faſt immer das Vielfache de
bracht werden kann. Durch dieſe Berechnungsart iſt das kaufen
blikum, das im jetzigen Zahlentaumel nicht mehr den Maßſtab
Vorkriegspreiſe zu legen gewohnt iſt, einem geradezu unerhörten
ſchutzlos preisgegeben. Z. B. wird für ein dreipfündiges Brot be
amtlichen Dollarkurſe von 840 Milliarden, der geſtern erſtmalig
wurde. 150 Milliarden 75 Goldpfennige, verlangt, gegenüber 2
Pfennigen im Frieden. Es liegt hier alſo eine Bss bis 3fal
der Berliner Börſe für Weizen um etwa 30 Prozent billiger
Frieden, und für Roggen bewegen ſich die heutigen Preiſe n
einige Prozent unter den billigſten Vorkriegspreiſen. Wie i
Ueberteuerung erklärlich, Es wäre dringend erforderlich, genar
kulationen durch Sachverſtändige aufſtellen zu laſſen, um nötie
die Preisfeſtſetzung unbedingt als willkürlich anmutet, beweiſt f
Gegenüberſtellung. In Berlin koſtete letzter Tage ein Dreipf.
105 Milliarden, in unſerer Gegend aber am gleichen Tage 1
Beim Fleiſch bietet ſich ein noch troſtloſeres Bild. Es iſt u
Bekämpfung desſelben unternommen wird. Der Preis für 1
Rindfleiſch beträgt 800 Milliarden, welcher Preis bei einem gee
Vorkriegspreis von 6070 Pfennigen iſt hier um das 67fach
ſchritten. Aehnliche Beiſpiele laſſen ſich bei weitaus den meiſten 2
artikeln rein deutſcher Herkunft feſtſtellen, bei welchen alſo, die
am Friedenspreis gemeſſen, eine weit höhere iſt, als bei Auslat
dukten.
Die Auszeichnung in Goldmarkpreiſen bietet den Käufern nebe
ter Feſtſtellung der Preiswürdigkeit auch eine Kontrolle über d
behaltung der Grundpreiſe. Hierdurch wird erreicht, daß bei fe
Kurſen eine Uebervorteilung der Käufer ſo gut wie unmöglich
wird. Es iſt doch ſeither ſo gehalten worden, daß bei ſteigenden
wurden. Durch die konſequente Durchführung der Goldmarka
der Handelserlaubnis die Ladeninhaber mit der höchſtzuläſſigen
dürſte auf dem Gebiete der Preisbildung zum Nutzen der All
terer Exiſtenzen, an denen eine exemplariſche Strafe vollzogen u
beabſichtigte Wirkung nicht verfehlen dürfte.

Stimmen aus dem Leſerkreiſe.:
zurückge andt, die Ablehnung nicht begründet werden.
Der Mainzer Anzeiger bringt ſeit kurzem faſt in jeder Nr.
Die Mainzer Staatsanwaltſchaft fordert in
gegen einſchreiten.

[ ][  ][ ]

Rummer 324.

Darmſtädter Dagblatt, Freitag, den 23. Rovember 1923.

Seite 5.



6
Die Deſtemng von dei Biemiogienverſſcherang.

In Nr. 322 haben wir als einen Ausweg, den derzeitigen
erträglichen Beitragsanforderungen der Ortskrankenkaſſen zu
gehen, auf die Möglichkeit, die Befreiungen von der Verſiche=
igspflicht
zu erlangen, hingewieſen, dabei aber nicht verhehlt, daß
Dienſtberechtigte ein ſtarkes Riſiko auf ſich nimmt. Zuſchriften
dem Leſerkreiſe und der Umſtand, daß dieſe Befreiungs=
glichkeit
in weiten Kreiſen nicht bekannt iſt, veranlaſſen uns,
hmals auf die Frage zurückzukommen. Vorweg ſei noch be=
ekt
, daß der gleiche Antrag auch hinſichtlich der in der Land=
rtſchaft
Beſchäftigten zuläſſig iſt, nur iſt hier nach § 418
. 2 Ziff. 3 R. V.O. Vorausſetzung, daß der Arbeitgeber den
trag für ſeine ſämtlichen in der Landwirtſchaft Beſchäftigten
t, ſoweit ſie durch Vertrag zur regelmäßigen Arbeit für min=
ens
zwei Wochen verpflichtet ſind. Im Einzelnen wäre
ſichtlich der Befreiung von der Dienſtbotenverſicherung noch
gendes zu ſagen:
Bei Entſcheidung über Anträge auf Befreiung von der Ver=
erungspflicht
iſt davon auszugehen, daß das Geſetz dem Dienſt=
echtigten
bei Erfüllung der geſetzlichen Vorausſetzungen einen
chtsanſpruch auf Genehmigung des Antrags verleiht,
nicht durch eine mit der Abſicht des Geſetzgebers unver=
ibaren
Auslegung und Handhabung der geſetz=
en
Vorſchriften geſchmälert werden darf.
Die Bewilligung des Antrags ſetzt voraus, daß der Dienſt=
e
bei Erkrankung Rechtsanſpruch an den Dienſtberech=
en
auf Gewährung einer den Leiſtungen der zuſtändigen
inkenkaſſe gleichwertigen Unterſtützung hat. Daß ein
htsanſpruch begründet iſt, muß auf Erfordern vom Antrag=
er
nachgewieſen werden. Es wird aber in der Regel
ügen, wenn der Dienſtbote in irgend einer Form ausdrück=
h
oder ſtillſchweigend die Einräumung des Rechts=
pruchs
anerkennt, z. B., indem er ohne Hinzufügung
es Vorbehalts beſtätigt, von der Erklärung des Antrag=
ſers
über die Gewährung des Rechtsanſpruchs Kenntnis
alten zu haben.
Eines Nachweiſes, welche einzelnen Leiſtungen der
tragſteller übernommen hat, bedarf es im allgemeinen
)t; es erſcheint vielmehr ausreichend, daß er ſich zu einer
Leiſtungen der zuſtändigen Krankenkaſſe gleichwertigen
terſtützung verpflichtet hat. Denn ſoweit der Arbeit=

geber eintretendenfalls nicht eine gleichwertige Unterſtützung gibt,
hat nach § 422 R. V.O. die Kaſſe die ſatzungsmäßigen Leiſtungen
zu gewähren und kann alsdann von dem Dienſtberech=
tigten
die Erſtattung des von ihr Geleiſteten bean=
ſpruchen
. Den an die Leiſtungsfähigkeit des Dienſt=
berechtigten
zu ſtellenden Anforderungen ſind nicht die höch=
ſten
Anſprüche zugrunde zu legen, die an ihn unter äußerſt
ſelten eintretenden Vorausſetzungen erhoben werden können,
ſondern Unterſtützungsfälle, die zwar ſchwererer Art ſind, aber
doch öfter vorzukommen pflegen. Eine allgemeine Norm
dafür, bei welchem Einkommen, die Leiſtungsfähigkeit
des Antrasſtellers genügend geſichert iſt, läßt ſich nicht aufſtellen,
weil dieſe Frage nach Lage des einzelnen Falles beantwortet
werden muß.
Einem Antragſteller, der ſeine Leiſtungsfähigkeit
ſonſt nicht darzulegen vermag, kann Stellung
einer Sicherheit anheimgegeben werden, bei deren Bemeſ=
ſung
aber nicht über den Betrag hinausgegangen werden darf,
der zur Sicherſtellung der Krankenkaſſe unbedingt erfor=
derlich
iſt. Handelt es ſich um eine Mehrzahl zu befreiender
Dienſtboten, ſo iſt der auf jeden von ihnen zu berechnende Sicher=
heitsbetrag
entſprechend der bei zunehmender Anzahl eintreten=
den
Minderung des Riſikos herabzuſetzen.
Die Arbeitgeber werden in dieſen Ausführungen einen
Fingerzeig finden, wie ſie zu verfahren haben, und die Dienſt=
boten
auf der anderen Seite werden unter den heutigen Verhält=
niſſen
Verſtändnis dafür zeigen, wenn der Dienſtberechtigte, ſtatt
Billionenbeiträge an die in Zahlungsſchwierigkeiten befindliche
Kaſſe zu leiſten, einen feſten Rechtsanſpruch ihnen gewährt, der
ihnen die der Kaſſe gleichwertigen Leiſtungen beſſer ſicherzuſtellen
vermag, als ſolche die Kaſſe bei ihren deroutierten Finanzverhält=
niſſen
zu bieten vermag. Wie ſich die Ortskrankenkaſſe zu den
Befreiungsanträgen ſtellen wird, bleibt abzuwarten. Früher
ſtand ſie wohl derlei Geſuchen nicht gerade wohlwollend gegen=
über
, heute, ſollte man meinen, müßte ſie aus ihrer Lage heraus,
die Beſtrebungen, Befreinng von der Verſicherungspflicht zu
erlangen, nur begrüßen. Zum Schluſſe noch die Bemerkung, daß
ja die im Inſtanzenzug vorgeſehenen Rechtsmittel hinreichende
Kautelen für eine ſachgemäße objektive Entſcheidung garantieren
dürften.

Reich und Ausland.
Wuchererbeſtrafung.
Das Frankfurter Wuchergericht verurteilte den Butterhändler
ef Anton wegen Preisüberforderung zu 2 Monaten Gefängnis und
Bill. Mk. Geldſtrafe, ordnete auch die ſofortige dauernde Schließung
Geſchäftsräume an. Von der Anzeige gegen A. bis zur Verurtei=
g
und Schließung der Geſchäftsräume dauerte es nur 6 Stunden.
Leipzigs größte Vergnügungsſtätte als Meßpalaſt.
Das weltbekannte Kryſtallpalaſt=Unternehmen in Leipzig, das, wie
t ſich erzählt, ſchon ſeit langer Zeit durch amerikaniſches Kapital ge=
ten
wird, ſieht ſich gezwungen, ſeine geſamten Räumlichkeiten anderen
ecken zur Verfügung zu ſtellen. Wie aus Leipzig mitgeteilt wird,
der Vertrag bereits unterſchrieben, auf Grund deſſen die rieſenhaften
ume bald umgebaut werden, um zur Meſſe neuen Beſtimmungen zu
ten. Leipzig verliert damit ſein beſtrenommiertes Variété, wohl
chzeitig, das künſtleriſch wie techniſch höchſtſtehende, das Kryſtall=
(aſt=Variété. In dem umfangreichen Gebäudekomplex ſind zurzeit
9 eine große Reſtauration, zwei Theaterſäle und ein Kaffee unter=
racht
, die nun ebenfalls der Meſſe dienen werden. Ob das 3000 Per=
en
faſſende Lichtſpieltheater Alberthalle ſowie das ebenfalls in dem
ſenbau enthaltene intime Kabarett Weinklauſe, eine der neueſten
hübſcheſten Kleinkunſtbühnen Leipzigs, ein Opfer der wirtſchaftlichen
lage werden wird, iſt noch nicht ganz ſicher. Zur nächſten Früh=
Smeſſe hofft man, in den rieſigen Hallen und Sälen, den langgereck=
Wandelgängen und vielen Bureau= und Ausſtellungsräumlichkeiten
Kryſtallpalaſt=A.=G. wieder einige Zweige der etwas auseinander=
iſſenen
Meſſe in einem neuen Zentrum zu vereinigen, um Ein= und
rkäufer die Arbeit leichter zu machen. Für die Meſſe bedeutet dies
m erheblichen Fortſchritt. Die Finanzierung beſorgen ausländiſche
oitalgruppen, wobei Amerikaner in erſter Linie beteiligt ſind.
Hinrichtung.
Bruchſal. Zu der Enthauptung des Raubmörders Geiger von
oßrinderfeld wird dem Mosbacher Volksblatt von einem Augenzeugen
ichtet, daß Geiger, der ſich ſeit einigen Wochen im Bruchfaler Zucht=
3 befand, nicht mehr behauptete, unſchuldig zu ſein und auch den
tlichen Beiſtand nicht mehr ablehnte. Am Samstag wurde Geiger
ch den Staatsanwalt von Mosbach eröffnet, daß das Staatsmini=
ium
ſeine Begnadigung abgelehnt habe und ſeine Hinrichtung nun
Montag ſtattfinden müſſe. Geiger nahm dieſe Nachricht ohne große
egung und gefaßt auf, und der Anſtaltsgeiſtliche blieb vom Sonntag
hmittag ab ſtändig bei ihm. Geiger beichtete und empfing die hl.
nmunion und bereitet ſich auf den letzten Gang vor. Auf die Ver=
iſtigung
einer letzten guten Mahlzeit verzichtete er. Am Montag früh
z vor ſieben Uhr begaben ſich der Staatsanwaltſchaft und die Ver=
er
des Mosbacher Gerichts ſowie die von Bruchſal geladenen Ur=
dsperſonen
zur Richtſtätte im Hof des Zuchthauſes. Dann wurde
iger zum Richtplatz geführt, der Staatsanwalt gab nochmals das
reil bekannt und warf den zerbrochenen Stab dem Mörder vor die
ße. Geiger trat auf den Staatsanwalt zu, reichte ihm die Hand und
M

ſprach: Ich werde Ihnen im Jenſeits kein Ankläger ſein. Hierauf ließ
er ſich willig die Augen verbinden und aufs Schafott führen; dort bat er
nochmals um die Hand des Geiſtlichen, und wenige Sekunden darauf
hatte das Fallbeil ſeine blutige Arbeit getan. Der ganze Vorgang von
der Ankunft des Verurteilten auf dem Richtplatz bis zum Fallen des
Richtbeils dauerte höchſtens 4 Minuten.
Ein Wilderer.
München. Am Samstag hörte ein Förſter im Forſtriedenpark
einen Schuß fallen. Er legte ſich auf die Lauer und überraſchte einen
Mann, der im Ruckſack eine Rehgeis hatte. Der Wilderer, ein Fein=
mechaniker
, wurde verhaftet. In ſeiner Wohnung fand man drei Ge=
wehre
.
Auf der Flucht ertrunken.
Völklingen. Auf dem Bahnhof Wehrden wurden in letzter Zeit
wiederholt Kohlenzüge beſtohlen. Die Diebſtähle wurden in der Weiſe
bewerkſtelligt, daß Männer und junge Burſchen auf die Waggons klet=
terten
und von den rangierenden Zügen Kohlen herabwarfen, während
die Frauen die Kohlen aufrafften. In der Nacht zum Samstag wurde
eine Razzia auf die Diebe veranſtaltet. Etwa 30 Perſonen wurden über=
raſcht
. 5 davon verſuchten zu fliehen und flüchteten durch die Hochwaſſer
führende Roſſel. Während zwei den kleinen Fluß durchſchwimmen konn=
ten
, ertranken drei andere, ein Mann und zwei Frauen.
Elf Selbſtmorde aus Not.
In Wernigerode machten elf Perſonen in voriger Woche
ihrem Leben durch Selbſtmord ein Ende. In jedem Falle handelte es
ſich um Menſchen, die die Verzweiflung infolge der Teuerung zu dieſem
Schritt trieb.
Gefährliche Ballons.
St. Ingbert. Daß auch die kleinen Kerwe=Luftballone nicht un=
gefährlich
ſind, erfuhr zu ſeinem Leidweſen ein Spieſener Ehepaar. Der
Ehemann kam mit der Zigarre einem der Ballone zu nahe, der explo=
dierte
. Dem Manne verbrannte die Stichflamme auf einer Seite den
Paletot, die Frau erhielt Löcher in ihrem Pelzkragen. Zum Glück hat=
ren
beide raſch den Kopf gewandt, ſonſt wären ſie im Geſicht erheblich
verletzt worden.
Dammbruch an der Oſtſeeküſte.
Wie aus Kolberg gemeldet wird, iſt an der hinterpommerſchen
Küſte bei Dakerort bei den letzten Stürmen ein Dammbruch erfolgt.
Die Düne iſt in einer Länge von 150 Metern weggeſchwemmt worden.
Gewaltige Waſſermaſſen haben ſich in den dahinterliegenden Bukoverſee
ergoſſen. Im Dorfe Dakerort iſt das Waſſer bereits in die Häuſer ein=
gedrungen
. In der Nähe des Fiſcherdorfes Neuwaſſer wurden in einem
Walde 250 große Bäume von der Sturmflut entwurzelt.
Ermordung eines Deutſchbalten in Litauen.
Riga. Wie die Rigaſche Rundſchau erfährt, iſt Baron Anatol
Hehkin, Bevollmächtigter des Reppſchen Gutes Juchnaizen im Kreiſe
Schaulen, als er ſich unterwegs nach Juchnaizen auf der durch Wald
führenden Landſtraße befand, von zwei Wegelagerern überfallen und
durch einen Rückenſchuß, der ihm das Herz durchbohrte, ermordet worden.

Teuerung in der Schweiz.
L. Die Indexziffer des Verbandes ſchweizeriſcher Konſumbvereine
erreichte am November den Stand von Fr. 1818,02. Gegenüber dem 1.
Juni 1914 bedeutet dies eine Erhöhung um 70 Prozent. Deuigegenüber
ſrand die Indexziffer am 1. November 1922 um 60 Prozent und am 1.
September 1922 (tiefſter Stand) um 56 Prozent höher, als am 1. Juni
1914. Die Erhöhung gegenüber dem Vormonat beläuft ſich auf Fr.
24/44.
Ein gutes Geſchäft.
Kopenhagen. Aus Norwegen, dem Lande, wo bekanntlich ein
Alhokolverbot in Kraft iſt, berichtet Heimdal von einer Gerichtsver=
handlung
gegen einen Arzt, der die Ausſtellung von Branntweinrezep=
ten
im Großen betrieben hat. Der Arzt hat in den erſten 8 Monaten des
Jahres 1923 nicht weniger als 310000 Kronen lediglich durch das Aus=
ſtellen
von Branntweinrezepten verdient. Bis jetzt ſind alle Aerzte, die
wegen dieſer Sache angeklagt waren, freigeſprochen worden; aber
Branntweinverordnungen in ſolchen Dimenſionen ſind in Norwegen bis
jetzt noch nicht vorgekommen.
Fulda. Wie von der baheriſchen Grenze geſchrieben wird, trug
ſich in dem oberfränkiſchen Orte Niederricht ein ganz eigentümlicher Un=
glücksfall
zu. Das elfjährige Töchterchen der Kriegerwitwe Anna Pickl
trug Gänfe zum Rupfen herbei. Ein kräftiger Gänſerich bekam einen
Flügel frei und ſchlug damit das Mädchen mit ſolcher Wucht oberhalb
des Naſenbeins zwiſchen die Augen, daß es ſofort zuſammenbrach. Das
Kind lief ins Haus, berichtete über den Vorfall, wurde dann aber be=
wußtlos
und ſtarb nach kurzer Zeit.
Briefkaſten.
A. N. D. Leſen Sie Nr. 311 vom Samstag, den 10. November.
E. R. 172, Frage a. Die Friedensmiete hat mit der Berechnung des
Brandverſicherungsbeitrags gar nichts zu tun. Der Brandverſicherungs=
beitrag
wird nach dem im Kataſter eingetragenen Brandkaſſenwert des
Hauſes veranlagt und vom Hausbeſitzer erhoben. Dieſer hat die
einzelnen Beitragsziele auf die Mieter umzulegen, natürlich hat er, wenn
er im Hauſe wohnt, an ſeinem Teil an den Beiträgen mitzutragen; er
hat die Quittung über die von ihm gezahlten Brandverſicherungsbeiträge
den einzelnen Mietern oder wo eine Mietervertretung beſteht, dieſer
vorzulegen und mit ihnen (ihr) die umzuſegenden Beiträge zu berechnen.
Entſteht über die Art der Umlegung, Größe der Quoten, Streit, ſo ent=
ſcheidet
unter Ausſchluß des ordentlichen Gerichts das M. E.A. b) Natür=
lich
muß die Berechnung und Ausſchlagung des Waſſergeldes der be=
fondere
Verbrauch in einem gewerblichen Betriebe entſprechend berück=
ſichtigt
werden. Auch in ſolchem Streitfall iſt M.E.A. anzugehen.
c) Hier wird es darauf ankommen, was in dem Briefe ſteht. Eine Auf=
forderung
kann in den Briefkaſten geworfen werden. Bezüglich der um=
zulegenden
Beträge muß (ſ. oben) der Vermieter bei Ihnen
vorſprechen und an Hand der Belege (Quittung) die umzulegenden Be=
träge
mit Ihnen (oder Mietervertretung) berechnen; vorher ſind Sie
nicht gehalten, zu zahlen und kommen auch nicht in Verzug, mit den
Fokgen, die das Recht an ſolchen knüpft.
C. G., hier. Soweit wir unterrichtet ſind, muß im Schlachthof ge=
ſchlachtet
werden. Im Uebrigen werden ja der Tierarzt und das 5. Pol.=
Revier Auskunft erteilen können.
N., hier. Die letzte uns vorliegende Bekanntmachung betr. Ge=
bühren
der Schornſteinfeger iſt vom 29. Oktober datiert, eine Genehmi=
gung
der Berechnung in Goldmarkpfennigen durch das Miniſterium des
Innern würde auch an der durch Reichsverordnung vom 7. d. M.
ausgeſprochenen Verpflichtung der Meiſter Papiermark anzunehmen,
nichts ändern können. Die weitere Frage iſt nach der Schornſteinfeger=
ordnung
vom 4. März 1921 zu behandeln. Nach 8 26 müſſen alle Schorn=
ſteine
vorausgeſetzt, daß die in ſie mündenden
Feuerungen im Gebrauch ſind alle drei Monate in glei=
chen
Zwiſchenräumen gefegt werden. Schornſteine, in welche nur im
Winter (15. Oktober bis 15. April) im Gebrauch befindliche Feuerungen
münden, müſſen zweimal im Jahr, in der Regel in den Monaten
Dezember und April, gefegt werden; mit der zweiten Fegung iſt das
regelmäßige Ausbrennen zu verbinden. Die obere Aufſicht über die
Geſchäftsführung der Bezirksſchornſteinfeger ſteht dem Kreisamt zu, an
das ſich zu wenden wäre.

Eottesdienſt der iſraelitiſchen Religionsgemeinde.
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße). Kleine Eynagoge.
Freitag, den 23. Nov. Vorabendgottesdtenſt 4 Uhr 30 Min,
Samstag, den 24. Nov. Morgengottesdienſt 8 Uhr 45 Min,
Sabbatausgang 5 Uhr 20 Min.
Gottesdienſt an den Wochentagen: Morgens 7 Uhr 30 Min.
Abends 6 Uhr
Gottesdienſt in der Synagoge der Iſrgel. Religionsgeſellſchaft.
Samstag, den 24. Nov. Vorabend 4 Uhr 10 Min. Morgens
3 Uhr 15 Min. Nachm. 4 Uhr. Sabbatausgang 5 Uhr 20 Min.
Wochengottesdienſt: Morgens 6 Uhr 40 Min. Nachm. 4 Uhr,
Abends 6 Uhr.

Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Samstag, den 24. Novembert
Wolkig, zeitweiſe aufklärend, nachts Froſt, durchwegs trocken.

Sh
Landestheater, Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende gegen 10
Uhr, (D 69): Falſtaff. Kleines Haus: Anfang 711. Uhr, Ende
nach 9 Uhr, (Sondermiete 222): Der Scheiterhaufen. Oupheum:
77½ Uhr: Die Frau im Hermelin. Union=, Reſidenz=, Zentral=
Theater, Palaſt=Lichtſpie
Linovorſtellungen.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Hauptſchriftleitung: Rudolf
Mauve. Verantwortlich für Politik und Wirtſchaft: Rudolf
Mauve, für Feuilleton: Max Streeſe Heſſiſche Nachrichten:
Max Streeſe, Sport: Dr. Eugen Buhlmann, Schluß=
dienſt
: Andreas Bauer; für den Inſeratenteil: Willy
Kuhle, ſämtlich in Darmſtadt.

Die heutige Nummer hat 8 Seiten

Liebe und PNlicht.

Komantiſche Erzählung aus dem ſiebenzehnten Jahrhundert.
Von Ernſt Elias Niebergall.
Nachdruck verboten.)
Nepomuk entſetzte ſich über dieſe unerhörte Kühnheit und
ſterte:
Seid vorſichtig, oder ich bin verloren!
Der andere mochte wohl nur die letzten Worte gehört haben
d rief höhniſch:
Ja wohl, verloren, Du Dieb!" Zugleich riß er mit ver=
gener
Hand das zottige Ungeheuer von Nepomuk weg und rief
taus: Sei froh, Veit, da haben wir auch Deinen Hammel
eder!
Der Pſeudowolf erhob ſeine blökende Stimme, und Nepo=
Aik ſtand mit erleichtertem Herzen auf, um ſich ſofort von einem
iar kräftiger Fäuſte unbarmherzig bearbeitet zu ſühlen. Ehe
ſeinen Atem ſammeln konnte, um Proteſt gegen ein ſo lieb=
es
Verfahren einzulegen, war er ſchon hinausgeriſſen und
Willkür eines Haufens von Bauern preisgegeben, welche
ht glimpflich mit ihm verfuhren; denn ſie hatten eine Streif=
rtie
unternommen, um nach geſtohlenen Hämmeln zu ſuchen,
d ließen jetzt ihre Fäuſte und Prügel gar unſanft auf den ver=
intlichen
Dieb niederfallen.
Nachdem dieſer eine Zeitlang zu tauben Ohren geſchrieen
tte, leuchtete ihm endlich einer ins Gſicht und rief aus:
Teufel, man meint, es wäre der Diener des geſtrengen
rrn!
Ja wohl, der bin ich! ſchrie Nepomuk in völliger Ver=
ſeiflung
.
Schlim, wenn des Freiherrn eigene Knechte die armen
itertanen beſtehlen! Fort mit ihm aufs Schloß!
Nepomuk ſträubte ſich vergebens. Mit Tagesanbruch ſtand
von einer Schar anklagender Bauern umgeben, vor dem Bett
nes geſtrengen Herrn und Richters, welcher jene mit der
erſicherung entließ, daß die verdiente Züchtigung nicht aus=
eiben
werde.
Der Freiherr ſtand eine Stunde früher auf als gewöhnlich,
in trotz aller Eintendungen des angeſchuldigten Teiles mit
m gewohnten Werkzeug ein ſtrenges Beiſpiel ausübender Ge=
chtigkeit
zu ſtatuieren. Nepomuk mochte ſeine Unſchuld be=
utern
, wie er wollte, der Freiherr ließ ſich ein einmal vorgenom=
enes
Vergnügen nicht ſo leicht rauben und meinte, das übrige

könne er auch nach vollzogener Strafe erfahren. So kam es, daß
der unglückſelige Schatzgräber aus dem Regen in die Traufe kam.
Aber das Uebermaß ſeines Mißgeſchickes hatte ihn allgemach
ſtumpf gemacht, und er gab mit ſtoiſcher Verachtung aller Leiden,
die ſo unerſchöpflich auf ihn einſtürmten, keinen Laut von ſich,
als jetzt die Geißel ſchonungslos auf ſeinen gebeugten Rücken
klatſchte. Nur einmal ſtieß er, wie weiland König Kröſus?) auf
dem Scheiterhaufen: Solon! Solon! rief, aus zuſammen=
gebiſſenen
Zähnen und voll Ingrimms die Worte: O Leuthold,
Leurhold! mit einigen Verwünſchungen gepaart, hervor.
Sein Ausruf hatte eine ähnliche Folge wie der des Lyder=
königs
. Der Freiherr, überdies etwas ermüdet, wünſchte zu
wiſſen, warum ſein Untergebener gerade dieſen Namen ausrief.
Jetzt war Nepomuk erſt recht in Not. Mochte er die Wahr=
heit
bekennen, oder hartnäckig verſtummen, in beiden Fällen
drohete die gleiche Strafe. Aber ſein Entſchluß war ſchnell ge=
faßt
, und ehe der peinliche Frager noch friſche Kräfte zu einer
nachdrücklicheren Züchtigung ſammeln konnte, ſprach er mit edelm
Trotz:
Der verlogene Bube hat mich ins Unglück gerannt, und
hätt’ ich ihn, ſo wollt’ ich ihm alle Rippen in Millionen Stücke
zertreten!
Wo iſt er?
Bei dem andern.
Bei wem?
Fragt Ihr noch, geſtrenger Herr? Bei wem ſonſt als bei
ſeinem Gaunergeſellen Hubert?
Es wäre eine ſchwere Aufgabe, ſich einen Begriff von der
unnäßigen Ueberraſchung des Freiherrn zu machen. In einem
Nu ſchwebte die an Hubert verlorene Koſt, der zu Tode gerittene
Nappe und die reiche Gabenvorſpendung ihm vor Augen und
machte ihn faſt vor Wut berſten.
Alles umſonſt!? Du Diebshelfer! ſchrie er und ſtürzte mit
ausgeſtreckten Händen auf Nepomuk zu, als wollte er ihn auf der
Stelle erwürgen, aber der ſprang mit einer hurtigen Wendung
beiſeite, und nun gab es ein ergötzliches Jagen in dem geräu=
migen
Zimmer um den Pfeilertiſch in der Mitte.
Der Freiherr ſchnaubte halb atemlos hinter dem Flüchtling
drein und keuchte: Ich bring‟ Dich um, Diebsgenoß!

37) Dem unermeßlich reichen König von Lydien, Kröſus, hatte der
griechiſche Weiſe Solon erklärt, daß niemand vor ſeinem Tode glücklich
geprieſen werden könne. Als er 546 mit ſeiner Hauptſtadt Sardes in
die Hände, des Perſerkönigs Cyrus fiel und, auf dem Scheiterhaufen
ſtehend, den Namen Solons ausrief, da begnadigte ihn Cyrus, nachdem
er die Bedeutung dieſes Ausrufs erfahren hatte,

Nepomuk, der Gejagte, führte in voller Flucht beſtändig ſeine
aus einer Unzahl von Lügen zuſammengeſetzte Verteidigung.
So dauerte es eine Weile, bis es neun Uhr ſchlug. Der
Freiherr hielt plötzlich mit ſeiner Verfolgung inne; es war die
Stunde, wo er zu beten pflegte. Auch heute, trotz der beſonderen
Umſtände, verſäumte er dieſe Obliegenheit nicht, ſondern faltete
die Hände und ſchaute nach den Fliegen an der Decke.
Als er fertig war und ſich nach dem Diener umſchaute,
wahrſcheinlich, um das Strafgericht erleichterten Mutes fortzu=
ſetzen
, war dieſer verſchwunden.
Wir wiſſen nicht, ob es mit der eben erzählten Szene ſein
Bewenden hatte; vielleicht, daß uns der gute Nepomuk im Laufe
der Begebenheiten noch einmal begegnet.
Zweite Abteilung.
14.
Schon dunkelte der Abend tief in die Schmiedeiverkſtätte,
das Feuer auf der Eſſe freuete ſich rotglühend ſeines Siegs
über die rings herrſchende Dunkelheit, und noch ſtand der wackere
Gefell Leuthold unverdroſſen hinter dem Amboß, und das Eiſen
fprühete unter ſeinem Hammer tauſend Funken in die finſtern
Ecken. Längſt hatten die übrigen Gcſellen das Werkgerät aus
den Händen gelegt und waren davongegangen, ein jeder ſeinemr
Vergnügen nach, denn der Meiſter lag ſchon ſeit Wochen ſiech im
oberen Geſchoß, und wo des Herrn Auge fehlt, da nimmt leicht
Zucht und Ordnung ein Ende.
Jetzt tönten die Abendglocken von dem Dom ihre feierlich=
ernſte
Weiſe, ihr ſchwermütiges und doch ſo trauliches Schlum=
merlied
auf die dunkelnde Stadt, den morgenden Tag des Herrn
verkündigend, da zog der Geſell ehrerbietig ſein ſchwarzes Samt=
käpplein
ab, faltete andächtig die rußigen Hände und ſprach leiſe
den Abendſegen, wie er ihn ſchon als Kind von der frommen
Mutter gelernt hatte.
Nach geendigtem Gebet ordnete er ſorgſam das Handwerks=
geräte
, hing Hammer und Zange an den gewohnten Ort, ver=
riegelte
hinter ſich die Werkſtätte und begab ſich in ſeine Kammer.
In wenigen Minuten wandelte ſich dort der Schmiedegeſelle in
einen feinen Jüngling um; unter einem ſchwarzen Barettlein
drängten ſich krauſe Locken hervor, ein ſchwarzer Mantel, hing
läſſig auf der linken Schulter, und zierliche Stiefel umſchloſſen
ſeine Füße; auch fehlte ein kurzer Degen nicht, welcher in künſt=
lichen
Eiſenketten an ſeiner Hüfte hing.
(Fortſetzung folgt.)

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt
Die Eiſen= und Stahſwareninduſtrie
im Monat Oktober.
Nach Mitteilung des Eiſen= und Stahlwaren=Induſtriebundes in
Elberfeld wird über die Lage der Eiſen= und Stahlwareninduſtrie im
Monat Oktober aus den einzelnen Bezirken wie folgt berichtet:
Hagener Bezirk.
Die Lage der Eiſenfertigwareninduſtrie im Märkiſchen Bezirk iſt nach
wie vor troſtlos. Mit Einſtellung des paſſiven Widerſtandes und damit
der Auszahlung von Lohnſicherungsbeträgen für völlig oder teilweiſe
Erwerbsloſe und die Uebernahme der Fürſorge auf die Erwerbsloſen=
uuterſtützung
iſt von zahlreichen ſtilliegenden Werken der Verſuch auf
Wiederaufnahme der Arbeit gemacht worden. Dieſe Verſuche ſind aber
faſt reſtlo3 fehlgeſchlagen, und zwar hauptſächlich an der Unmöglichkeit,
Kredite zu erhalten. Es iſt ohne weiteres klar, daß eine Firma, die im
Januar und Februar unter dem Einfall der Beſatzungsmächte die Be=
triebe
geſchlöſſen hat, ohne einen Kredit bei jetzigem Geldſtand die Mit=
tel
zur Beſchaffung von Rohſtoffen, zur Lohnzahlung uſw. nicht auf=
bringen
kann. Die Kreditnot iſt die Stelle, an der die Wiederingang=
ſetzung
der Betriebe in erſter Linie ſcheitert. Dazu kommt die Schwie=
rigkeit
, Aufträge zu erhalten. Im Ausland iſt dies ſo gut wie unmög=
lich
, da die Auslandspreiſe niedriger liegen, als die Inlandspreiſe. Wenn
dieſes Verhältnis ſich nicht umkehrt, was aber nur durch Inbetriebnahme
der jetzt ſtilliegenden materialliefernden deutſchen Zechen und Hütten=
werke
und durch vermehrte Intenſität und Arbeitszeit in den Fertigbe=
trieben
möglich werden kann, wird mindeſtens die Hälfte der märkiſchen
Eifenfertigwareninduſtrie zur ſtändigen Arbeitseinſtellung verdammt
ſein.
Im Inland hält der Verbrauch außerordentlich zurück. Die Land=
toirtſchaft
kauft für Papiermark überhaupt nicht. Der Handel, der ſich
ur prünglich zu Goldmark, bei Berechnung über Dollar und Pfund, ein=
gedeckt
hat, tritt überall mit Annullierungen auf, da man die Papier=
maukbeträge
bei dem vollſtändigen Abſchwimmen der Papiermark ein=
fach
nicht zuſammenbringen kann.
Die Induſtrie ſelbſt kommt bei ihrer eigenen ſchlimmen Lage als
Abnehmer nur wenig in Frage. Die kataſtrophale Wertverminderung
der Paxiermark zu einer Zeit, in der noch nicht genügend weribeſtan=
dige
Zahiungsmittel in Umlauf ſind, haben zur Folge, daß weite
Kreiſe der Bevölkerung den notwendigſten Lebensbedarf, tatſächlich nicht
erſtehen können. Wenn es nicht gelingt, in aller Kürze wertbeſtändige
Diittel zu ſchaffen, die an die Stelle der faſt ganz entwerteten Papier=
mark
treten, ſo wird die Gefahr zunehmender Beunruhigung der Ve=
dilkerung
immer größer. Zudem ſteht das Jnduſtrieleben ſtark unter
dem Druck der außer= und innerpolitiſchen Unſicherheit. Die Spannung
in der ſich unter dieſem Druck die Induſtrie befindet, nimmt allmählich
den Grab der Unerträglichkeit an. Wie ſich die Verhältniſſe in der näch=
ſten
Zeit geſtalten werden, erſcheint faſt unabſehbar.
Velberter Bezirk.
Die Lage der Schloßinduſtrie hat ſich im Monat Oktober, gegen=
über
der im Vormonat September, faſt nicht geändert. Die Betriebe
ruhen nach wie vor zum großen Teil oder arbeiten gekürzt. Das gleiche
gilt auch für die Schloßinduſtrie im unbeſetzten Deutſchland.
Solinger Bezirk.
Die Lage in der Solinger Schneidwareninduſtrie hat ſich im Monat
Ottober weiter verſchlechtert, da weder eine Beſeitigung der Verkehrs=
ſchwierigteiten
noch eine Verbilligung der Rohſtoffe und Halbfahrikate
eingetreten iſt. Die Preisbildung iſt immer noch auf derartig unſicheren
Unterlagen aufgebaut, daß ſie auch jetzt noch als annormal bezeichnet
werden muß. Das deutſche Geſchäft in der Solinger Schneidwaren=
induſtrie
ruht vollſtändig und das Exportgeſchäft iſt kaum der Rede
wrt. Die Erwerbsloſenziffern ſind gegenüber dem Vormonat weiter
frark geſtiegen und reichen faſt an die Zahl der Arbeiter im ganzen
eberen Kreis Solingen heran. Es ſcheint, als ob der Höhepuakt de=
ſchwierigen
Lage der Induſtrie im beſetzten Gebiet noch nicht erreicht iſt.
E5 ergeht nach wie vor die dringende Bitte an alle Teile der Wirt=
ſchaft
des unbeſetzten Deutſchlands, der beſonders ſchwierigen Lage im be=
ſetzten
Rheinland und Weſtfalen in jeder Beziehung (auch politiſch) Rech=
muing
zu tragen.
Schmalkalder Bezirk.
Mit Mühe und teilweiſe nicht unbedeutenden Opfern hat ſich im der=
floſſenen
Monat in der Mehrzahl der Betriebe die Beſchäftigungszeit
fo aufrecht erhalten laſſen, wie ſie im September war, d. h. es wurde
größtenteils verkürzt gearbeitet. Es werden zum Teil Auslandsaufträge
gu Preiſen hergeſtellt, die unter den Inlandspreiſen liegen, nur um die
Verriebe im Gang zu halten. Das Rohmaterial, Eiſen, Stahl, Kohle,
muß vielfach aus dem Ausland bezogen werden (Tſchechoſlowakei, Eng=
kano
, Schweden). Die Löhne ſind naturgemäß zu rieſiger Höhe geſtie=
geit
, ſo daß auch die Verkaufspreiſe fortwährend heraufgeſetzt werden
züſſen. Glücklicherweiſe iſt der hieſige Bezirk bisher von Arbeiter=


N D
N
9

23. November 1923 Nr. 3

unruhen verſchont geblieben; der geſunde Sinn ſagt lvohl den Arbei=
ten
, daß ſie mit Gewalttätigkeiten ihre Lage doch nur verſchlimmern
Kürden Inwieweit die Beſchäftigung im bisherigen Maße noch auf=
reeht
zu erhalten iſt, kann nur ſchwer geſagt werden; der wahnſinnige
erfall unſerer Währung in den letzten Tagen läßt Schlimmes be=
fürchten
.
Handel und Wandel in Heſſen.
spd. Eine heſſiſche Anleihe. Die heſſiſche Staatsſchulden=
verwaltung
gibt Schuldverſchreibungen heraus, die jeweils 2 Prozent
unter dem Reichsbankdiskontſatz, mindeſtens aber mit 8 Prozent und
höchſtens mit 16 Prozent zu derzinſen ſind. Die Anleihe wird ab 1.
Mai 1926 mit jährlich 2 Prozent getilgt. Die Anleihe, die zur Frank=
furter
Börſe zugelaſſen iſt, kann ab 1. Mai 1928 teilweiſe oder ganz
gekündigt werden.
spd. Enzinger Werke A.=G., Worms. Die Geſellſchaft er=
klärt
ſich bereit, den Reſtbetrag ihrer zum 1. Auguſt ds. Js. gekündigten
4½/sproz. zu 103 Prozent rückzahlbaren und ihrer ebenfalls zum 1. Aug.
ds. Js. gekündigten 5proz. zu 102 Prozent rückzahlbaren Teilſchuldver=
ſchreibungen
mit 1 Dollar für nom. 1000 Mk. dieſer Anleihen in wert=
beſtändigen
Zahlungsmitteln zu vergüten, wenn die Stücke bis ſpäte=
ſtens
zum 15. Dezember eingelöſt ſind. Dieſes Angebot hat keine Wir=
kung
auf die Reſtanten der bisherigen Ausloſungen.
spd. Lackfabrik Ludwig Marx A.=G., Mainz. Nach
dem Bericht der Geſellſchaft war das Ergebnis des am 31. März 1923
abgelaufenen Geſchäftsjahres zufriedenſtellend. Im letzten Vierteljahr
machten ſich jedoch Verſandſchwierigkeiten bemerkbar, die den Geſchäfts=
gang
ungünſtig beeinflußten. Infolgedeſſen laſſen ſich die Ausſichten
für das laufende Geſchäftsjahr noch nicht endgültig beurteilen. Aus dem
Reingewinn in Höhe von 118,7 Mill. Mk. ſollen 1,35 Mill. an die ge=
ſetzliche
Rücklage, 7 Prozent Dividende auf 1,5 Mill. Vorzugsaktien, 204
Prozent Dividende auf 14 Mill. Stammaktien, 11,67 Mill. an den Auf=
ſichtsrat
und 29,45 Mill. als Sonderzuweiſung an die Rücklage verteilt
werden. 47,5 Mill. werden auf neue Rechnung vorgetragen.
spd. Julius Sichel u. Co., K.=G. a. A., Mainz. Das Unter=
nehmen
beruft zum 15. Dez. ſeine 16. ordentliche Generalverſammlung
nach Mainz mit der Tagesordnung: Bericht der Geſchäftsinhaber und des
Aufſichtsrates über das abgelaufene Geſchäftsjahr 1922/23: Genehmigung
der Bilanz, ſowie der Gewinn= und Verluſtrechnung; Beſchlußfaſſung
über die Verteilung des Reingewinnes und über die Entlaſtung der Ge=
ſchäftsorgane
.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
spd. Farbenfabriken vorm. Friedrich Baher u. Co.,
Leverkuſen bei Köln. Die Geſellſchaft erklärt ſich bereit, auf
die zum 1. Juli 1923 gekündigte 4½/sproz. Anleihe vom Jahre 1909 auch
nach bereits erfolgter Rückzahlung nachträglich für je 1000 Mk. Teil=
ſchuldverſchreibungen
1 Dollar in wertbeſtändiger deutſcher Reichs=
anleihe
zu vergüten.
* Bautzener Tuchfabrik Bautzen. Ein Teilbetrag der
neuen, ab 1. 1. 23 dividendenberechtigten Stammaktien von 24,5 Mill.
wird den alten Aktionären derart zum Bezuge angeboten, daß auf
nom. Mk. 2000 alte Stamm=Aktien Mk. 1000 neue Stamm=Aktien zum
Preiſe von § 1 in wertbeſtändiger Reichsanleihe bezw. des Gegenwertes
in Reichsmark, zuzüglich Börſenumſatz und Bezugsrechtsſteuer entfallen.
Das Bezugsrecht iſt bis einſchließlich 4. 12. auszuüben.
spd. Neue Baumwoll =Spinnerei und =Weberei
Hof in Hof. Auf Antrag der Bayeriſchen Hypotheken= und Wechſel=
bank
ſowie der Bayeriſchen Staatsbank ſind 8 Mill. neue Stammaktien
der Geſellſchaft an der Münchener Börſe zugelaſſen. Die Aktien ent=
ſtammen
der Emiſſion vom 13. Dezember 1922. Am 11. Juni 1923 wurde
das Kapital um weitere 10 Mill. Stammaktien erhöht, ſodaß das Aktien=
kapital
nunmehr 30,5 Mill. Stammaktien beträgt, wozu noch 0,5 Mill.
Vorzugsaktien kommen. 30000 Stimmen der Stammaktionäre ſtehen
6000 Stimmen der Vorzugsaktionäre gegenüber. Nach dem Stande vom
30. Juni 1923 ergeben ſich für die Hauptbilanzpoſten folgende Ziffern:
Vorräte 23 116,37 (325,77) Mill., hiervon Fertigfabrikate 9451,10 (18,4)
Mill., Halbfabrikate 6374,35 (66,70) Mill., Rohſtoffe 14 239,75 (126,49)
Mill., Debitoren 32 734,77 (395,63) Mill., hiervon 2 333,61 (28,40) Mill.
Bankguthaben, Kreditoren 53 444,54 (369,32) Mill., darunter Bankſchul=
den
3965,89 (112,80) Mill., ferner Tratten und Akzepte 1433,05 (234,18)
Mill. Ueber das Ergebnis des Geſchäftsjahres laſſen ſich angeſichts der
gegenwärtigen wirtſchaftlichen Verhältniſſe Vorherſagen nicht machen,
da Ereigniſſe eintreten können, die unter Umſtänden das nicht unbefrie=
digende
Ergebnis des erſten Halbjahres, in Frage ſtellen können.
* Reichel=Bräu A.=G. Von 6 Mill. neuen, ab 1. 7. 23 dividen=
denlerechtigten
Stammaktien wird ein Teilbetrag von 2 Mill. den alten
Aktionären im Verhältnis 3:1 zum Preiſe von § 1 in wertbeſtändiger
Reichs=Anleihe, zuzüglich Börſen=Umſatz= und Bezugsrechtsſteuer zum
Bezuge angeboten. Das Bezugsrecht iſt bis 11. 12. einſchließlich aus=
zuuben
.

* Waggon= und Maſchinenbau A.=G., Görlitz.
Geſellſchaft tberuft zum 13. 12. G.=V. nach Dresden. Auf der Te
ordnung ſteht u. a. ein Antrag auf Erhöhung des Grundkapitals
30 Mill. Stamm= und 30 Mill. Vorzugsaktien ſowie Umwandlung
bisherigen Vorzugsaktien in Stammaktien. Nähere Vorſchläge über
Art der Begebung ſind bisher nicht bekannt geworden.
* Lingner=Werke A.=G., Dresden. Wir berichteten
lich, daß die Geſellſchaft ein Tochter=Unternehmen unter dem No
Odol Chemikal Corp. gegründet hat mit dem Sitz in New=York.
handelt ſich hierbei um eine Geſellſchaft, die die Erzeugniſſe der Lin=
Werke in Amerika herſtellen und vertreiben ſoll. Die Lingner=9
A.=G. haben als Aequivalent für die Einbringung ihrer Lizenzen 2
Shares dieſes Unternehmens unentgeltlich erhalten. Durch dieſe Tr
aktion ſind die Beziehungen der beiden Geſellſchaſten untereinander
verknüpft worden. Das neue amerikaniſche Unternehmen hat die
kation bereits aufgenommen.

Anleihen.

spd. Goldanleihe der Stadt Nürnberg. Die
gemeinde Nürnberg giebt 5proz. Schuldverſchreibungen im Geſ
betrage von 500 000 Goldmark in Stücken zu 50, 100, 200 und 500
mark aus. Verzinſung und Tilgung richten ſich jeweils nach dem C
wert des Dollars am 1. 11. jeden Jahres. (Durchſchnitt aus den
lichen Notierungen für Gold= und Briefkurs an der Berliner Börſe
Kabel Neu=York.)
Warenmärkte.
wb. Berliner Produktenbericht. Im Getreidehe
fehlte es nicht an Angebot von Ware und auch nicht an Nachfrage.
Geſchäft kann aber wegen Mangels an wertbeſtändigen Zahlungsn
nicht in Fluß kommen. Unter dieſen Verhältniſſen verringern ſich
Umſätze immer mehr. In den Preiſen ſind weſentliche Veränderr
nicht eingetreten. Gegen Papiermark iſt verſchiedentlich Kaufluſt
handen, aber Abgeber ſind hierfür nur wenige da.
Börſen.
wb. Berliner Börſenbericht. Der Verſuch, zur Erfü
der noch rückſtändigen Lieferungsverpflichtungen für die auf Reichsn
lautenden feſtverzinslichen deutſchen Papiere heute durch die Makler
Kurſe feſtzuſtellen, ſtieß genau auf die gleichen Schwierigkeiten, die
bisher verhindert hatten, nämlich den vollſtändigen Materialma=
Für die meiſten Papiere konnte, ſoweit dies zu überſehen iſt, wieder
eine ganz geringe Anzahl Kurſe und dies zumeiſt noch unter Bei
der Kommiſſare feſtgeſtellt werden. Es ſcheint daher, daß man letz
Endes um die Normierung von Zwangskurfen nicht wird herum=
men
können. Für Induſtrieobligationen wurden die Kurſe ganz er
lich höher gerechnet. Für Deviſen zeigte ſich, wie gewöhnlich nach F
tagen, etwas mehr Nachfrage, ſo daß dieſe für einige Plätze bei zuu
unveränderter Zuteilung etwas höher als am Dienstag feſtgeſtellt wur
Mehrfach hat es ſich hier auch um eine Angleichung der Kurſe an
Paritäten der führenden Plätze gehandelt. Am Geldmarkt wurden h
vormittag für täglich kündbares Geld 5 Proz. verlangt, ſo daß für E
ten weiter höhere Kurſe zu hören waren. Als am Mittag während
Börſe die Geldſätze auf 8 bis 12 Prozent anzogen, wurden die
Schätzungen nicht mehr überall aufrecht erhalten.
Oeviſenmarkt.
Sämtliche Zahlen verſtehen ſich als 1000 Mk.

Rif W
A Ae
Gelb Amſterdam=Rotterdam 1550240 00. 15679 10000. 159 009000. T 94000000. Brüſſel=Antwerpen. 35 2000. 190475000. 99500000. 200300000. Chriſtiania . . (6084 75000. 611521009 16155000. 619 /45/06. Kopenſagen". 7 18200000 721800 00. 726130000 7298 0000. Stockholm. 1097250000. 1102730000. 1101240000. 1105760000. Helſingfors 111720000. 1122 0000. 107 7300 00. 108270000.- Italien.. 174550000. 180450000. 1835400/0 184460000. London". 12955000000. 18045000000 8354000000. 1844 000000. New=Yorl 7418,510 00. 42 1050 000. *189500000. 42 10500000. Paris .. 223410000 224560000. 231420000. 232380000. Schweiz.. 742190000. 7253 10000. 728 1755000. 73 1823000. Spanien .. 542640000. 545360004 466 10000. 549370000 Wien (i. D.-Oſterr. abg.). 58633. 58947. 53852. 51148. Prag ... 21695000. 1223u5000 121450009. 223500 Budapeſt.. 217455. 21.545. 21/450. 2 055 Buenos=Aires 1276800000. 1283200000 1296750000. 130 250000. Bulgarien .. 339 15000. 31085000 34314009. 34 481000. Japan .. . . .. ....." 1995000000. 2005000000. 199500000. 20050/0000. Rio de Janeiro .. 3511 0000 3.52380000. 359100000 360904000. Belgrad. . . 46234000 4651 3000 1 47181000. 47713000. Liſſabon.
55610000. 1563 0000 155610000. 15 394000.

Am 21. ds. Mts. entſchlief nach langem, ſchweren Leiden
unſer langjähriger, treuer Mitarbeiter und Prokuriſt
Heit Geafg Tieni
im 68. Lebensjahre.
In dem Dahingeſchiedenen, der ſeit dem Jahre 1888 un=
unterbrochen
in unſerem Inſtitut tätig war, verlieren wir einen
pflichttreuen, lieben Mitarbeiter, Freund und Berater. Sein
liebenswürdiges Weſen, ſeine vornehme Geſinnung und die
Lauterkeit ſeines Charakters ſichern ihm bei uns allzeit ein
ehrendes Andenken.
(*27963
Darmſtadt, den 22. November 1923.
Die Direktion und die Angeſtellten
der Deutſchen Vereinsbank.

Am Mittwoch früh verſchied
nach kurzem Krankenlager unſere
liebe Mutter und Großmutter
Frau Marie Arnold
geb. Arnold.
Die trauernden Hinterbliebenen.
Die Einſegnung findet Freitag, den
23. Nov., vorm. ½11 Uhr, in der
Kapelle des alten Friedhofs ſtatt.

Wohnuugseinrichtung
(3 Zim.) v. Auswand.
zu verk. Angeb. unt.
W2 Gſchſt. (2796=
1 noch neuer, bl. Ulſter
1P. Halbſchaften (42)
1 P. H.=Stiefel (41)u.
6 P. Kinderſt, verſch.
Größe zu vk. Rhein=
ſtr
. 47, Hof rechts. (

Allgemeine Ortskrankenkaſſe
Darmſtadt (Stadt).
Für die Berechnung der Beiträge für
die Woche vom 19. bis 25. November 1923
gilt der dreifache Satz
der für die Vorwoche gültigen Grundlöhne,
Für Arbeitgeber, die Lohnliſten einzureichen
haben, gilt dies nicht.
Ferier wird darauf hingewieſen, daß
die Verſicherungsgrenze für Betriebs=
beamte
, Angeſtellte uſw. ab 12. November
1923 auf 15 Billionen den Monat erweitert
wurde. Die Arbeitgeber wollen daher die
wegen Ueberſchreitung der Verſicherungs=
grenze
ausgeſchiedenen Perſonen alsbald
wieder zur Anmeldung bringen.
Darmſtadt, den 22 November 1923.
Der Vorſtand.
Knoblauch, I. Vorſitzender.
16:

Ein BündelSchlüſſe
Samstag abend verl
Saalbau=Riedeſelſt=
Hohe Belohn. Opſaß
Riedeſelſtr. 46, pt.

Prachtvoller
Brillantring
mit großem Saphir,
wertbeſtänd", zu ver
Näh. Gſchſt, (*2796

leberzieher u. Stiefe
f. 16-18jähr. j. Mann
zu verkaufen. Näh.
Geſchäftsſt. (*27981
2 pol. Betten, Woll=
u
. Roßhaarmatr. 11.
Büchergeſt. zu verk.
Kunkel, Wienerſtr. 83
Teleph. 2497. (816

Elektriſche
Hängelampe
modern, Zarmig, aus
Meſſing, zu verkauf
Näh Gſchſt. (*2796

Motorrad
eleg. Sportmaſch fab=
rikn
., 2 /,Ps 900 G.-M
Moosbergſtr. 84, pt. (*

Herren= u. Damen=
adfabrkn
z. vk. (727052
Moosber

Faſt neuer Kinder=
klappwagen
zu ver=
kaufen
oder geg. Pup=
penwagen
zu ver=
tauſchen
. Miſchler,
Mauerſtr. 21, pt. (227097

R
/,Promenadewagen
undKlappſportwagen
preisw. z. vk. Moos=
bergſtr
. 84, pt. (227951
Kae
Eleg. kl. Kinderwag.
ſowie Klappwageu
mit Verd, weit u.
Ladenpreis Riedeſel=
ſtraße
39, Manſ. (43705

Puppenſp rtwagen
(neu) zu verkaufen
Landwehrſtr. 37,
Seitenb., pt. r. (*27360

Für Buchbinder=, Sattler
Schneider=, Schuhfnacher
meiſter. Stark., weiß.
Maſchinengarn
(Gruſchwitz) bikl. z. verk
Schulſtr. 14, II. (227940
AStellengeſuche

u ber
Damenrad kauf.
zpl. 6, Sof ihs
Jagdgewehr
guterh. (Lefaucheux
zu vk. f. 50 Go dmark
Larmſtadt. Beckerſtr. 2
Stock, links, (**

Weiblich
Enche Stellung, wo
ich mein Kind mit=
nehmen
kann. Näh.
in der Geſchſt. (*2797
Beſſeres, ſelbſtänd
Mädchen m.g Zeugn.
ſ. Stellung. z. 1. Dez
Angeb. unt. W 6 an
die Geſchſt. (*27977

Rentenmark=Konten.
Wir erklären uns hiermit bereit, Rentenmarkkonten gegen Ein=
zahlung
von Rentenmark unter folgenden Bedingungen zu eröffnen:
1. Die Konten werden proviſionsfrei geführt und wie folgt verzinſt:
4½, jährlich bei täglicher Kündigung
6½, jährlich bei monatlicher Kündigung oder
auf einen Monat feſt.
2. Die Verfügung über das Guthaben iſt zunächſt nur durch Ab=
hebung
gegen Quittung oder Scheck, ſpäterhin, wenn genügend
Rentenmarkſcheine zur Verfügung ſtehen werden, auch durch
Zahlungs= und Ueberweiſungsauftrag möglich.
3. Die Barzahlungen und Schecks auf die Kaſſen der unterzeich=
neten
Banken und Bankiers, welche bis Mittag 12 Uhr ein=
gehen
, werden Wert gleichen Tag gutgeſchrieben, ſpätere Ein=
gänge
Wert nächſten Werktag.
4. Kontoüberträge zwiſchen zwei bei einer der unterzeichneten
Bankfirmen geführten Konten erfolgen Wert gleichen Tag.
Darmſtadt, Bensheim, Michelftadt, den 22. November 1923. (8170

Darmſtädter und Nationalbank
Kommanditgeſellſchaft auf Aktien
Deutſche Bank Filiale Darmſtadt
Direction derDisconto=Geſellſchaft
Filiale Darmſtadt
Landesgenoſſenſchaftsbank
e. G. m. H.
Darmſtädter und Rationalbank
Kommanditgeſellſchaft auf Aktien
Zweigniederlaffung Bensheim

Darmſtädter Volksbank
e. G. m. b. H.
Deutſche Vereinsbank
Filiale Darmſtadt
Heſſ. Landes=Hypothekenbank a. G.
Nauheim & Co.
Rheiniſche Creditbank
Filiale Bensheim
Darmſtädter und Nationalbank
Kommanditgeſellſchaft auf Aktien
Zweignieberlaſſung Michelſtadt

Männlich

Schneidergeſelle
ſucht zur weit. Aus=
bildung
Beſchäftig. in
nur feinem Maßgeſch
Vergüit. n. Uebereink
Gefl. Ang. unt. V 148
an d. Geſchſt. (*27957

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Mädchens
für Hausarbeit aus
ſolider, achtbarer
Familie für ſofort
und zum 15. Dezbr
geſucht
Frau Hofrat
Alexander Koch
Annaſtraße 23, I.

Ndentl. Mädch.
für den Haushalt ſo=
fort
geſucht. (*2794
Konditorei, Schulſtr

Dienſtmädchen
für tagsüber in klein.
Haush g
27920
Vorzuſtell. Heidel
ergerſtr. 29, part.

Mich
Groß. caritativ. Ver=
band
ſucht Herrn mit
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tiver
Tätigkeit als
Geſchäftsführer.
Meldungen mit Le
benslauf u W 1 ar
die Geſchäftsſt. (8162

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Rheinſt. 12½a, I. ſezuace
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[ ][  ][ ]

23. November 1923

Wehrgedanke und Werkgedanke.
Von
Dr. Dietrich Amende=Bamberg.
Die Deutſchen ſind zweimal in der bitterſten Todesnot ge=
i
, durch den Dreißigjährigen Krieg und durch Napoleon I.
niemals haben ſie das Glück des mannhaften Entſchluſſes
ien: nie haben ſie auf ihr eigenſtes Eigentum zurück=
Offen: Flickwerk folgte auf 1648, Flickwerk auf 1806"
Lagard in düſterer Vorahnung der Unzulänglichkeit auch
Reichsgründung von 1871. Nun, in unſerer dritten
n2 Todesnot, die ſich in ihrer Furchtbarkeit wohl mit
lage der Oſtgoten vor ihrem Untergang vergleichen läßt, hat
*e Jugend mit kerngeſundem Inſtinkt die rettende Wehr=
gung
auf unſer eigenſtes Eigentum: unſere völkiſche Stamm=
aör
begründet. Wir in Bahern fühlen die ganze Begeiſterung
zür elementaren Volksbewegung und erkennen klar die Auf=
die
Kahr in die unvergänglichen Worte gefaßt hat:
rhaben die heilige Pflicht, aus Bayern eine
yburg für das bedrängte Deutſchtum zu
hen. Dazu iſt einerſeits notwendig, allen ſeparatiſtiſchen
Uiegungsverſuchen, wie ſie in ihrer ganzen Lumpenhaftigkeit
die Prozeſſe Leoprechting, Fuchs=Machhaus enthüllt wur=
und auch heute noch von gewiſſenloſen Heinilichtuern nicht
egeben ſind, zielbewußt entgegenzuwirken. Andererſeits
ſich die völkiſche Wehrbewegung ſelbſt aus der lebensnot=
Tigen Bekämpfung alles Undeutſchen, in erſter Linie des
1 nationalen, betrügeriſchen Marxismus, zur viel ſtärkeren
snung ihres poſitiven Inhaltes durchringen: Wiedergeburt
res Volkes aus germaniſch=deutſchem Geiſte, Neuſchöpfung
Deutſchen Staates auf germaniſch=völkiſcher Grundlage. Was
von der oben angeführten Lage der gleichfalls von Fein=
Gumringten, in ſich zerrütteten Oſtgoten unterſcheidet, zugleich
einzige Ausſicht auf Rettung: wir kämpfen den Verzweif=
skampf
nicht in der Fremde, ſondern auf dem eignen, vater=
Eiſchen Heimatboden.
Dieſe Stärke müſſen wir bis zur äußerſten Möglichkeit ge=
chen
durch Erweckung unſeres ungeheuren geiſtigen, künſt=
Ahen, kulturellen Erbes, deſſen unvergleichliche Spann= und
pungkräfte ſeit 100 Jahren, ſeit den Zeiten der Metternich=
Reaktion auf ihren Gebrauch in den Freiheitskriegen, ſo gut
völlig ungenützt ſind; ſagen wir es ruhig: weil in unſerer
ſtiſch=partikulariſtiſchen Bildung für völkiſch=gemeinſame,
ſch=freiheitliche Inhalte kein Platz mehr vorhanden war.
Ich ſchlage vor, mit dem Wehrgedanken, der Vor=
ngung
unſerer Erhaltung als Volk, bewußt den Werk=
anken
zu verbinden , daß wir auf Grund unſerer ger=
iſchen
Stammnatur das Neue Deutſche Reich erſchaffen
den als organiſche Fortſetzung und Erfüllung unſeres tauſend=
Sigen Erbes, ohne Standesvorrechte und Klaſſengegenfätze,
ölkiſcher Freiheit und brüderlicher Einheit. Warum ich dieſes
Werkgedanke nenne?. Weil ein Werkziel den Schöpfer
ſachlichem Inhalt erfüllt, alle perſönlichen Tagesintereſſen
chaltet; den ſteten Maßſtab bereit hält für alles, was dem
* förderlich iſt oder nur aus Nebenabſichten verſtändlich wird.
hen Maßſtab des redlichen Künſtlers, des ehrlichen Hand=
ers
auf das größte Werk der Errettung unſeres Volkes
tragen, hieße unſere zerrüttete, verzweifelt chaotiſche Zeit
Aſer zum ſittlichen Kern der Dinge zurückführen, unſeren Fuß
ſer auf den Felsgrund der ſittlichen Verantwortung ſetzen:
Wenn du ein Deutſcher ſein willſt,
handle ſo. daß die innere Richtſchnur
deines Willens jederzeit zugleich als
Grundſatz einer allgemeinen deut=
ſchen
Geſetzgebung dienen kann.

In Bamberg wollten wir zu Oſtern dieſes Jahres einen
itt vorwärts tun zur Verwirklichung des Deutſchen Werk=
nkens
durch Gründung unſerer Werkgemeinſchaft
Mittelſtande s.
Wir ſagten uns: das größte Intereſſe an der Geſundung
Staates hat der Mittelſtand, da ſein Gedeihen nicht an einen
dervorteil vor den anderen Berufsſtänden gebunden, ſon=
i
mit dem Wohl der Geſamtheit unlösbar verknüpft iſt.
ingt es uns, den geſamten ſelbſtändigen Mittelſtand im
ipf um ſeine Exiſtenz zu vereinen, allmählich wieder zu Ein=
zu
bringen, dann haben wir damit auch Volk und Staat
größten Dienſt geleiſtet. Vorbedingung dazu iſt, die aus=
inder
ſtrebenden Teile des Mittelſtandes ſelbſt unter die
einſame Idee zu vereinen, das in Eigen= und Familien=
ieben
tätige Gewerbe und Handwerk mit dem bodenſtändigen
idel, ſowie den freien und geiſtigen Berufen zuſammenzu=
igen
. Ueberhebung und Verſtändnisloſigkeit beim gelehrten,
zſichtigkeit und Mißtrauen des gewerblichen und kaufmän=
hen
Mittelſtandes laſſen dieſe Aufgabe als eine ganz beſon=
z
ſchwere erſcheinen. Sie muß gelöſt werden, da unſer Rechts=
t
der Zukunft ebenſo wie in der Vergangenheit nur auf der
ren Grundlage eines freien und ſelbſtändigen Mittelſtandes
chtet werden kann. Vermag der heutige, in äußerſter wirt=
ftlicher
Bedrängnis ringende Mittelſtand nicht mehr erhalten
werden, dann ſind die Ausſichten für eine neue Rechtsord=
g
denkbar traurig. Kapitalismus und Antikapitalismus
olutismus und Marxismus, Rechts= und Linksbolſchewis=
5 werden dann ſolange gegeneinander wüten, bis aus dem
kiſch gerichteten Teil der Arbeiter und Angeſtellten ein neuer
itelſtand emporgewachſen ſein wird. Die Zeiten der Welfen=
Ghibellinenkämpfe, die große Glaubensſpaltung mit den
heerungen des Dreißigjährigen Krieges ſollten uns die Augen
ten über die Gefahren einer neuen unüberbrückbaren Spal=
g
unſeres Volkes und über die Notwendigkeit, in unſerer
enwärtigen wirtſchaftlichen und ſtaatlichen Todesgefahr vor
m die Sache des Mittelſtandes zur Angelegenheit des ganzen
lkes zu machen.
Meine Worte wenden ſich an die jungen Akademiker, weil
ſe ſelbſt zum größten Teil aus dem Mittelſtande hervergehen,
eigenen Leibe außer der allgemeinen geiſtigen und politiſchen
t den Verzweiflungskampf des Vaterhauſes verſpüren. Die
iſicht, daß die Rettung nur möglich iſt, wenn der Einzelkampf
erweitert zum Kampf um die Grundlage des Staates, um
Geſundung des Volkes; daß die Linie von der bitteren Not
Einzelnen und ſeiner Familie zur Werkgemeinſchaft der ver=
ndten
Berufe, von dieſer zum Werkgedanfen am Staat führt:
ker Anrufung und Erweckung aller Spann= und Schwung=
fte
, die wir an völkiſcher Eigenart überhaupt beſitzen ſolche
ſicht wird ſich oft jungen Augen früher eröffnen als dem durch
zematismus der Facharbeit und Vorurteile leicht getrübten
ick von uns Aelteren. Unſere Jugend hat uns den
egzum Wehrgedanken gebahnt möge ſie uns
Gaufdem Wege zum Verkgedanken tatkräftig

Troſt.

Herz, laß Dich nicht zerſpalten
Durch Feindes Liſt und Spott!
Gott wird es wohl verwalten;
Er iſi der Freiheit Gott.
Taß nur den Wütrich drohen!
Dort reicht er nicht hinauf.
(Einſt bricht in heilgem Lohen
Doch Oeine Freiheit auf.
Glimmend durch lange Schmerzen
Hat ſie der Tod verklärt
Aus Millionen Herzen
Mit edlem Blut genährt,
Wird ſeinen Thron zermalmen,
Schmelzt Oeine Feſſeln los
Und pflanzt die blühenden Palmen
Auf deutſcher Helden Moos.
Drum laß Dich nicht zerſpalten
Durch Feindes Liſt und Spott!
Gott wird es wohl verwalten;
Er iſt der Freiheit Gott.

* Zum neuen Gemeſter.
Von
Lothar Berger, Halle.
Nachdem ſchon in der erſten Nummer der Hochſchul=
beilage
Herr Prof. Schian=Gießen zu dem gleichen
Thema Stellung genommen hatte, geben wir im Fol=
genden
gern Herrn Lothar Berger, dem verdienten
Begründer und langjährigen Leiter des Hochſchulamts
für Leibesübungen der deutſchen Studentenſchaft, das
Wort, ohne uns in allem hinter ſeine Ausführungen
zu ſtellen, und behalten uns vor, ſpäter noch darauf
zurückzukommen. (Red.)
Von Jahr zu Jahr iſt die Not unſeres deutſchen Volkes
geſtiegen. Schmarotzertum und Vergnügungsluſt, Uneinigkeit
und Faulheit verbrauchen die letzten Kräfte unſeres Volkes.
Anſtatt daß der verlorene Krieg, der Schandfrieden von Ver=
ſailles
, die Knechtung Deutſchlands durch die Entente den Wil=
len
des geſamten deutſchen Volkes wachgerufen hätten, nun
gerade alle Kräfte anzuſtrengen, um ſich das Leben zu erhalten,
folgten dem Kriege eine unſelige Revolution und fünf Jahre
voll Wohlleben und Vergnügungen weiteſter Kreiſe. Weder
politiſch rechts noch links, weder in Kopf= noch in Handarbeiter=
kreiſen
, weder bei den relativ Reichen noch Armen ſetzte ſich die
Erkenntnis durch, daß ein Volk, das wirtſchaftlich wie phyſiſch
ſo viel wertvolle Kräfte verloren hat, nun nur durch eiſernſten
Fleiß und Anſpannung aller Kräfte wieder geſund werden kann.
Eine ſchwere Schuld trifft hier die deutſche Studentenſchaft:
Freiſtudenten wie Verbindungsſtudenten aller Verbände waren
ſich hierin gleich. Immer wieder konnte man die Antwort hören:
Auch wir wollen unſere Jugend genießen, die wenigen Jahre,
die wir noch nicht vom Berufsleben gefangen ſind, der Freude
leben, einige Stunden ausſpannen und einmal das Elend und
die Not unſeres Volkes vergeſſen. Dieſe weichen und ſchlappen
Gedanken waren ſo betörend, daß auch ſtreng national denkende
Menſchen davon befangen waren und für Fanatiker diejenigen
gehalten wurden, die eine andere Anſicht vertraten. Langſam,
erſt in den letzten Monaten, ſetzte ſich die Erkenntnis durch, daß
das deutſche Volk nun endgültig am Rande des Abgrundes iſt,
in den Frankreich es ſtürzen will. Doch das Erkennen dieſer
letzten Not kommt zu ſpät. Langſam verhungert, hat das deut=
ſche
Volk keine Kräfte mehr, um ſich jetzt aufraffen zu können
und durch Einigkeit und Arbeit ſich zu befreien. Die Schlapp=
heit
iſt ſo groß, daß man ſeine Vergnügungsſucht jetzt nicht ein=
mal
mehr mit den früher gebrauchten Phraſen beſchönigt, ſon=
dern
nur noch ſagt, daß die letzten Stunden genoſſen werden
müßten vor dem großen Ende.
Die deutſche Studentenſchaft hat es ſich jahrelang gefallen
laſſen, daß man ihr ſagte, daß ſie einſt zu Führern des Volkes
berufen ſein würde. In den letzten Jahren ſeit der Revolution
hat ſich dieſe Berufung nicht erwieſen. Nun gilt es, in höchſter Not
des Vaterlandes zu beweiſen, ob ſie es heute tut. An die Spitze
der nationalen Bewegung, der aktiv politiſchen Kräfte ſollen
wir uns ſtellen. Alles, was jetzt rein völkiſch, rein national
denkt, muß zuſammengefaßt werden; der Geiſt der alten Front=
kämpfer
muß wieder wach und lebendig werden in allen denen,
die für Deutſchlands Zukunft arbeiten wollen. Es gilt ferner,
unſere Jugend zu erziehen. Dieſe Erziehung unſerer Jugend
iſt das Wichtigſte, was wir heute für unſer Volk zu leiſten
haben. Körperlich vernachläſſigt und zurückgeblieben durch
ſchlechte Ernährung in den vier Kriegsjahren und noch mehr in
den fünf dem Krieg folgenden, frühreif und früh durch die Sor=
gen
des täglichen Lebens in der jugendlich leichten Entwicklung
geſtört, hat dieſe nicht mehr die Kräfte der deutſchen Jugend
vor dem Kriege. Sie zu ſtählen durch Sport und Wandern, iſt
eine Aufgabe, die als die erſte Forderung erhoben werden muß.
Die Aufgaben der Turn= und Sportvereine treten damit in den
Vordergrund des Intereſſes. In dieſen Sportvereinen den
Geiſt Friedrich Ludwig Jahns, den Geiſt der Freiheitsbewegung
aus der Zeit vor über 100 Jahren wieder zu heben, dazu gehören
Kräfte, wie ſie leider haben wir das in den letzten Jahren
vielfach ſehen müſſen nicht vorhanden ſind. Hier ſoll die
Akademikerſchaft einſetzen, und wo die Kräfte der im Beruſ
ſtehenden Akademiker nicht ausreichen, oder wo auch dieſe ſchon
vom paſſiven Zeitgeiſt allzu ſehr veiknöchert ſind, die Jung=
Akademikerſchaft. Jetzt, zu Beginn des neuen Semeſters, ſei es
allen Kommilitonen noch einmal zugerufen: Erkennt die natio=
nale
Not, erkennt damit die Verpflichtung, die uns allen daraus
erwächſt, erkennt, was für unſer deutſches Volk jetzt das Not=
wendige
iſt, tut eure Pflicht, ſtellt euch in den Dienſt der Sache.
Die alten Studentenideale, das ſorgloſe Burſchentum, das
Singen und Zechen ſind uns vergangen. Wo nicht die nationale
Not mit dieſen Ueberbleibſeln einer früheren Studentenzeit auf=
geräumt
hat, hat die wirtſchaftliche Not ihr Einhalt geboten.
Unſere Kommilitonen, die 1914 durch die Maſchinengewehre dor
Langemark in Reihen in den Tod ſanken, haben auch nicht geſagt,
daß ſie einmal ihre Jugend genießen möchten! Sie taten ihre
Pflicht als eine Selbſtverſtändlichkeit. Laßt euch heute nicht ſo

oft mahnen an dieſe Pflicht, ſondern tut ſie freiwillig!

* Studentiſche Korporationen.
Von
Geheimrat Prof. Walbe, Darmſtadt.
Wenn der junge Student die Hochſchule bezieht, was iſt
natürlicher, als daß er Anſchluß ſucht an die, von denen er glaubt,
daß ſie ihm Freunde werden konnen? Freilich, wer nichts als Ge=
ſelligkeit
wünſcht, iſt zu verachten. Der ernſte Student will im
Verkehr mit den Kameraden höher wachſen, will innere Fortbil=
dung
und im Zuſammenſchluß feſten Halt gewinnen für ſeine
Lebensanſchauungen.
So ſind ganz von ſelbſt zunächſt aus Landsmannſchaften
hervorgegangen die ſtudentiſchen Verbindungen und Vereine
entſtanden. Es hat heutigen Tages keinen allzu großen Wert,
auf die verſchiedenen Arten des geſchichtlichen Werdens der Corps,
Burſchenſchaften, Landsmannſchaften, konfeſſionellen Verbindun=
gen
u. dgl., der S.C., D.V.C., L.C., K.C. und wie ſie ſich ſonſt
abkürzen mögen, einzugehen. Jede Gruppe mag aus der eignen
Vergangenheit ſich ſtets das vorhalten, was zur Förderung ihrer
Ziele und zur Stärkung ihrer Lebensauffaſſungen dient. Ge=
ſchichtliches
Denken iſt immer noch förderlicher als als philo=
ſophiſches
Grübeln, und die Ueberlieferung bildet einen guten
Grund, um darin Anker zu werfen in ſtürmiſchen Zeiten.
Aber nicht nach der Vergangenheit, nicht nach dem Alter wol=
len
wir Wert und Unwert der Korporationen abwägen, ſondern
nach ihrem Verhalten in der Gegenwart und nach ihrer Stellung=
nahme
zur Jegenwart.
Der Fernerſtehende ſieht in der Regel nur die Geſelligkeit,
und nur ſo, wie ſie äußerlich zur Erſcheinung kommt. Ein Urteil
über inneren Wert ſollte er ſich daraus nicht bilden. Denn da=
rauf
kommt es an, wie weit die Geſelligkeit Selbſtzweck iſt oder
Mittel zum Zweck. Mittel zum Zweck der gegenſei=
tigen
Erziehung und Bildung das ſei die Geſellig=
keit
in der ſtudentiſchen Korporation. Und es iſt eine alte Erfah=
rung
, daß ſolche Erziehung des Studenten durch den Studenten,
wie ſie bei uns durch die akademiſche Freiheit verbürgt und ge=
boten
iſt, viel nachhaltiger und tiefgreifender iſt, als ſie in den
Jugendjahren, um die es ſich hier handelt, durch Lehrer oder El=
tern
gegeben werden könnte. Ein Erſatz für die Familie iſt ja
die Korporation oft genannt worden. Eine Art Familienleben
iſt es tatſächlich, was in den Studentenhäuſern geführt wird:
Gemeinſames Arbeiten, gemeinſames Eſſen, z. T. auch gemein=
ſames
Wohnen, überhaupt dauerndes Zuſammenſein und da=
durch
umſo wirkfamer gegenſeitiges Erziehen im Ernſt und im
Scherz. Mittel zum Zweck ſollen bei ſchlagenden Verbindungen
auch die Menſuren ſein nicht mehr! Das Für und Wider ſei
hier nicht erörtert. Es wird dieſer Frage in der Oeffentlichkeit
eine größere Bedeutung beigelegt als ihr zukommt.
Wer eine ſolche ſelbſtgewählte Erziehung mit ihren nicht
immer leichten inneren Kämpfen zwiſchen Unterordnung und
Selbſtbehauptung, mit dem Sicheinſetzen für eine gemeinſchaft=
liche
Idee, für ein gemeinſames Ideal, durchgemacht hat, von dem
ſage ich unter Anwendung eines Bismarckſchen Wortes, das zwar
auf andere gemünzt war: Dieſen deutſchen Studenten macht uns
keiner nach.
Erziehung aber wozu? Zu tüchtigen Menſchen, zu charakter=
vollen
Perſönlichkeiten wie man gerne ſagt. Zu guten Staats=
bürgern
! Auch das iſt Pflicht, heiligſte Pflicht. Und wenn wir
ſehen, wie ohne Bedenken die akademiſche Jugend ſich jederzeit
ſofort zur Verfügung ſtellt, ſobald das Vaterland ruft, ſo erken=
nen
wir, daß die Erziehung von Erfolg war. Aber das alles ver=
ſteht
ſich von ſelbſt, wie das Momliſche ſich von ſelbſt verſteht.
Sehen wir zu, was die Korporationen von ſich aus auf ihre Ban=
ner
und Wappenſchilder zu ſchreiben pflegen: Ehre, Freiheit,
Vaterland Gott, Ehre, Vaterland und ähnliches. Hohe, höchſte
Dinge, Dinge aber auch, deren jedes ſehr verſchieden ausgelegt
und jedes im Verhältnis zum anderen verſchieden bewertet wer=
den
kann. Was iſt Ehre? Was Freiheit? Wieviele Arten der
Gottesverehrung gibt es nicht! Wie verſchieden kann der Dienſt
fürs Vaterland aufgefaßt werden vom fanatiſchen Chauvinismus
an bis zur zerſtörenden Kritik! Wer die akademiſche Jugend wirk=
lich
kennt, weiß, daß ſie den Schwierigkeiten dieſer Fragen im
allgemeinen nicht aus dem Weg geht, daß ſie die Wahrheit ſucht.
Ich denke an ein Wort Goethes aus ſeiner Straßburger Zeit im
9. Buch von Dichtung und Wahrheit: Das akademiſche Leben.
gewährt in jeder Art unendliche Vorteile, weil wir ſtets von Men=
ſchen
umgeben ſind, welche die Wahrheit beſitzen und ſuchen, ſo=
daß
wir aus einer ſolchen Atmoſphäre, wenn auch unbewußt,
immer einige Nahrung ziehen. Bis zum heutigen Tage hat ſie
ſich erhalten, dieſe Atmoſphäre des Wahrheitſuchens. Sie ird
dauern, ſo lange es Hochſchulen und auf ihnen akademiſche Frei=
heit
gibt. Und gewiß iſt, daß unſere Studenten auch den großen
Problemen der jetzigen kritiſchen Zeit, insbeſondere dem ſozialen,
nicht aus dem Wege gehen.
Wenn aber die akademiſche Jugend jene hohen Dinge als
Leitſterne ſich vor Augen hält, was iſt damit im allgemeinen
geſagt 2 Es iſt geſagt, daß ſie das Ideale dem Nur=Nützlichen
veranſtellt. Idealismus, kein Ulitiarismus! Noch iſt dieſer
Idealismus der Grundzug unſerer Studenten. Ihn ſollen ſie
ſich erhalten trotz allem! Es gibt nichts Schöneres, Erheben=
deres
, als im Verkehr mit den Studenten dieſen Idealismus,
der ſich ſo rein und unbefangen gibt, kennen zu lernen, an ihm
ſich ſelbſt zu erbauen, wieder jung zu werden. Oft, wenn ich ſah,
wie um einen großen idealen Gedanken ſtürmiſche Begeiſterung
ſich entflammte, habe ich den Einſiedler bedauert, der ſelbſt
gewiß nicht minder ideal geſinnt eines ſolchen gemeinſamen
Erlebens nicht teilhaftig werden konnte.
Und nur auf dem Grunde ſolchen Idealismus konnten ſich
die Freundſchaften entwickeln, die Brüderſchaften, die fürs Leben
blieben, die dauernd zu ſchönſtem Verband die Alten Herren
unter ſich und wieder mit der Jugend vereint halten. Die Alten
Herren bilden den Rüclhalt, ſie unterſtützen nicht nur mit ihrem
Geld, werttoller noch mit ihrem Rat. Sie ſorgen und ermahnen,
daß die guten alten Ueberliefrungen gewahrt bleiben, bringen
aber zugleich aus den Erfahrungen des praktiſchen Lebens neue
Gedanken in die akademiſche Erziehung, damit kein Stillſtand,
keine Erſtarrung in der Entwicklung eintrete.
Vom eigentlichen Studium war noch nicht die Rede. Auch
das verſteht ſich von ſelbſt. Studentſein und Studieren dürfen
ſich nicht ausſchließen. Gute Korporationen ſehen ſtreng darauf,
daß keiner bummelt, daß jeder zur rechten Zeit ſeine Prüfungen
macht. Und mancher, dem die akademiſche Freiheit in dieſer
Hinſicht verhängnisvoll zu werden drohte, iſt durch ſeine Freunde
mit ernſten Worten wieder auf den rechten Weg gebracht worden.
Aber der Student muß mehr lernen, als ſein Fach. Die Verur=
teilung
des Fachſimpels mag ſie auch zwveiſchneidig ſein
hat doch eine gewiſſe Berechtigung aus dem Gefühl heraus, daß
man in freien Stunden ſich über allgemeine Dinge zu unter=
halten
habe. Dazu iſt es denn beſonders förderlich, daß die
Korporationen ſich aus allen Fachrichtungen zuſammenſetzen,
nach allen Richtungen hin ſich gegenſeitig bilden können.
Banauſentum und Strebertum haben von jeher in akademiſchen
Kreiſen als höchſt verächtlich gegolten.

[ ][  ]

ehe
mit Ge‟

Krilminalloman in 5 Akten.

DIHde Dom Mein
AA Bas Mädchen ohne Geuissen. 5 4

U
Polo Mlit Büchse u Lasso‟
III. Teil. Gegen Haß und Neid,
Eine Dem monde Heirat. 5 Akte.

darsteller:Dary klolm, Ermst Rücker.
Sittendrama in 5 Akten nach dem
Roman v. Anni Wothem. Ria Jende.

Landestheater.
Großes Haus.

Zweite Bekanntmachung.
Unſere mit Genehmigung des heſſiſchen

Brauerei=Ausſchank
Zur Krone‟. (27972

Oe

P
düster brennen
Geheimer Sklarenhandel.
Sensations-Abenteuerflm aus Chinas
dunkelsten Gassen in 6spannend, 4kten.
Fatty-Lustspiel. / 279156-

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Freitag, den 23. November 1923.

Rummer 324.

Mache den Raum deiner Hütten weit und breite aus die
Teppiche deiner Wohnung, ſpare ſeiner nicht. Dehne deine Seile
lang und ſtecke deine Nägel feſt. Denn du wirſt ausbrechen zur
Rechten und zur Linken. Das altteſtamentliche Bibelwort las
der Student Goethe am erſten Abend in Straßburg, wo er im
Wirtshaus Zum Geiſt abgeſtiegen war. Und er war wunder=
ſam
bewegt. Jawohl, den Raum der Hütten weit machen
wörtlich genommen, mag es heute wie Ironie klingen, aber bild=
lich
ſei es Pflicht jedes Studenten und die Seile lang dehnen!
Aber auch die Nägel feſt ſtecken! Und ein Kreis gleichgeſinnter
Freunde, zu gemeinſamem Bildungsideal zuſammengeſchloſſen,
iſt ein guter Boden, um die Nägel feſtzuſtecken, wenn man aus=
bricht
zur Rechten und zur Linken.
Am Ausgang des Krieges glaubten viele, die Zeit der Kor=
porationen
ſei vorüber. Gewiß, das Studentſein iſt ein anderes
geworden, als es früher war, vollends ein anderes als das, was
aus der Zeit der Romantik uns älteren noch nachklingt. Es iſt
nicht mehr, auch für den Korporationsſtudenten nicht,
Die überſel ge Zeit,
Wo alle Luſt und Liebe klang
In einem Ton zuſammen.
Aber:
Es lodern noch in heißem Drang
Der Jugend helle Flammen.
Idealismus und Begeiſterungsfähigkeit ſind geblieben. Die
Korporationen verſchwanden nicht. Das Gegenteil trat ein; ſie
nahmen an Mitgliedern gewaltig zu, und manch neue Ver=
bindung
wurde gegründet.
Iſt das nicht ein ſchönes Zeichen, daß ſie, die zur Fröhlich=
keit
geſchafen ſchienen, gerade in der ernſteſten Zeit, ſich be=
währten
? Und noch ein Erfreuliches trat ein. Die Verbände,
die ſich einſt fremd gegemiberſtanden, ja ſich bekämpft hatten,
haben jetzt das Trennende zur Seite geſchoben und zu einheit=
lichen
Studentenſchaften ſich zuſammengeſchloſſen. Sie haben
die Forderung des Tages begriffen. Und dieſe Einigung ob
ſie auch wirtſchaftliche Hilfstätigkeit in ſich ſchließt , ſie geſchah
doch nicht aus Utilitarismus, ſondern aus Idealismus, aus
der Erkenutnis, daß jetzt alle kleinlichen Schranken im deutſchen
Volke, und ſomit auch in der kleineren Welt der Studenten=
ſchaft
zu fallen haben.
O, haltet ſie feſt, dieſe Einigkeit, Ihr deutſchen Studenten!
Haltet feſt das Gefühl von der unbedingten Notzpendigkeit ſol=
cher
Einigkeit im Leben überhaupt, auch über die gkademiſche
Jugend hinaus! Euer Studentenleben, Euer Streiten und

Reden über ſtudentiſche Fragen, über Fragen des Unterrichts,
der Wirtſchaftshilfe und andere, die alle von der Sorge ums
Vaterland ſich nicht trennen laſſen, es iſt ein Abbild des Lebens
und des Streitens, in das Ihr ſpäter hineingezogen werdet.
Uebet Euch, bildet Euch und lernet jetzt, was Ihr ſpäter braucht,
wo es um Größeres geht! Das Größte aber iſt das Wohl des
Vaterlandes, aufgebaut auf der Einigkeit des Volkes.
* Baltiſche Studenten.
Von
Kurt Seeſemann.
Blutige Wunden ſchlug der Weltkrieg den Deutſchen. Wohl
die blutigſten ſchlug er dem baltiſchen Deutſchtum. Es ſei hier
nur kurz erwähnt, daß ſo mancher Balte, durch den Fahneneid
gebunden, dem ruſſiſchen Zaren die Treue hielt, daß jedoch nach
Sturz des ruſſiſchen Kaiſerreichs und Eroberung der Oſtſeepro=
vinzen
ſich etwa 600 baltiſche Studenten, als Kriegsfreiwillige
dem Deutſchen Reich zur Verfügung ſtellten, von denen ſo man=
cher
heute in Frankreichs Erde ruht. Deutſches Leben wollten ſie
dem alten deutſchen Ordenslande, der Heimat, gewinnen. Doch
der 9. November 1918 hatte es anders beſchloſſen. In der Vor=
ausſicht
deſſen, was nach Abzug der deutſchen Truppen aus Kur=,
Liv= und Eſtland kommen mußte, eilten die baltiſchen Studenten
wieder in die Heimat, um dort eigene Kompagnien zu gründen,
die dann auch die erſte rote Flut aus dem Oſten ſo lange aufhiel=
ten
, bis Deutſchland wieder genügend Truppen zum Schutze ſei=
ner
Oſtgrenze ins Baltikum entſandt hatte. Es iſt hier nicht der
Ort, über die Kämpfe gegen Bolſchewiken, Eſten und Engländer
zu berichten. Die neu erſtandenen Staaten Lettland und Eſti,
die nur durch deutſches Blut geworden, wußten uichts von Dank.
Die wirtſchaftliche Vormachtſtellung der Deutſchen mußte ge=
brochen
werden, und dieſes wurde erreicht durch die Enteignung
des Großgrundbeſitzes. Doch die geiſtige Vormachtſtellung der
Deutſchen im Baltikum, ſie konnte nicht gebrochen werden, und
beredtes Zeugnis hierfür legt wohl die große Zahl baltiſcher
Stüdierender ab, die trotz äußerſter wirtſchaftlicher Notlage aus
der Erkenntnis heraus, daß die Balten in ihrer Heimat zur Be=
deutungsloſigkeit
verurteilt würden, wenn ſie vom Kopf= zum
Handarbeiter würden, ihrem Studium obliegen und es zum Ab=
ſchluß
zu bringen ſuchen. Leider ſind etwa nur 60 Prozent aller
baltiſchen Studenten zurzeit un der Lage, zu ſtudieren, und von
dieſen wiederum nur 40 Prozent, die die Möglichkeit haben, eine
einigermaßen normale Lebensweiſe zu führen. Es war zum

Teil die wirtſchaftliche Not, die neben idellen Gründen eine
Zuſammenſchluß ſämtlicher baltiſcher Studenten in Deutſchlan
herbeiführte. Der Hauptverband ſtudierender Balten in Deutſc
land, der etwa 600 Studenten umfaßt und ſeinen Sitz in Jen
hat, arbeitet in enger Fühlungnahme mit der deutſch=baltiſche
Studentenſchaft an den Hochſchulen Dorpat und Riga, von dene
erſtere 250, letztere 220 Mann ſtark iſt. Die Arbeit beſteht in aus
führlicher gegenſeitiger. Information über Studienverhältniſ
an den einzelnen Hochſchulen, regelmäßiger Berichterſtatuy
(Semeſterberichte), Vertretung gemeinſamer Intereſſen und mat
rieller Hilfeleiſtung. Die deutſchen Studentenſchaften in Dorpe
und Riga haben auf Grund des ihnen vom Hauptverbanf /
ſtudierender Balten zugeſandten Materials Auskunftsſtellen übe
Studienverhältniſſe in Deutſchland ins Leben rufen können,
Es dürfte von Intereſſe ſein, daß die Aemter für Grenz=un
Auslanddeutſchtum des Hochſchulringes deutſcher Art in König=
berg
und Karlsruhe die Patenſchaft für die deutſche Studenter
ſchaft Rigas übernommen haben.
Die Baltiſchen Akademiſchen Blätter ſind das Bindeglie
der deutſchbaltiſchen Studentenſchaft in Dorpat, Riga un
Deutſchland.
Das einſt ſo rege baltiſche Burſchenleben hatte durch Krieg
und Nachkriegswehen eine ſtarke Einſchränkung erfahren.
jüngſter Zeit konnte jedoch hierin ein erfreulicher Aufſchwun
verzeichnet werden. Die im Jahre 1808 gegründete Landsman,
ſchaft Curonia Dorpatenſis und Jenenſis beſteht ſeit dieſer
Jahre als Curonia Rigenſis und Curonia Jenenſis. In dieſer
Semeſter iſt in Danzig die Fraternitas Dorpatenſis neu begrün
det worden. Die Fraternitas Academica in Dorpat hat die 9.
gründung einer Tochterkorporation in Berlin beſchloſſen. Dieſe
engere Zuſammenſchluß iſt um ſo mehr zu begrüßen, da dure
ihn ſo mancher Balte dem baltiſchen Deutſchtum erhalten bleib=
und ſo die natürliche Brücke nach demt Oſten, auf die Deutſchlan
mehr denn je angewieſen iſt, eine Stärkung erfährt.
Das baltiſche Deutſchtum, das durch die Kriegs= und Nach
kriegsereigniſſe ſehr ſtark dezimiert iſt, kann heute weniger dem
je auf jeden einzelnen ſeiner Söhne verzichten. Siebenhundert
jährige deutſche Kulturarbeit darf nicht verloren gehen.
Der Balten Söhne, ſie haben bewahrt
Der Väter Erbe, die deutſche Art.
Der Väter Erbe bedarf unſrer Hand,
Gen Oſt will ich reiten ins Heimatland.
Für die Schriftleitung der Hochſchulbeilage verantwortlich.
Alfons Kemper, Darmſtadt

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