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Zi
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ffreibleibend). Verantwortlichkeit für Aufnahme von
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zung des Bezugspreiſes. Beſtellungen und
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Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 280
Mittwoch, den 10. Oftober 1923 186. Jahrgang
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27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 150 Mark,
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breitl 800 Mark. Anzeigen von auswärts 200 Mk.,
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gültigen Schlüffelzahl zu multiplizieren. — Im
Falle höherer Gewali, wie Krieg, Aufruhr, Sireit
uſtp., erliſcht jede Verpſichtung auf Erfüllung der
Anzeigenaufträge und Teiſtung von Schadenerſatz.
Bei Konkurs oder gerſchtlicher Beſtreibung fällt
ſeder Rabat weg. Banklonto: Deutſche Bank und
Darmſtädter 8 Nationalbank.
Tirards Pläne.
Paris, 9. Okt. (Wolff.) Der franzöſiſche Delegierte in
Koblenz, Dirard, hat einem Sonderberichterſtatter des „
Ex=
celſior” ſeine Gedanken über die Zukunft entwickelt.
Er ſagte, das Ruhrgebiet und das Rheinland ſeien unter dem
paſſiven Widerſtand nicht gleichmäßig beurteilt worden und
würden es auch nicht, angeſichts der Einſtellung des paſſiven
Widerſtands. Das Ruhrgebiet ſei ein neues Pfand,
zum Teil ſichergeſtellt durch alle Alliierten, die im Jahre 1920
Düſſeldorf, Duisburg und Ruhrort beſetzt hätten, und dann
ſichergeſtellt in der Geſamtheit durch Frankreich und Belgien
allein, während das Rheinland ein Pfand ſei, das
der Friedensvertrag ſichere. Dieſe Unterſcheidung
habe Deutſchland nicht gehindert, den paſſiven Widerſtand, der
im Ruhrgebiet entfaltet wurde, auch auf das Rheinland
auszu=
dehnen. Unter dieſen Umſtänden verkenne man im Augenblick
der Liquidierung des Widerſtandes nicht, daß im
Ruhrge=
biet Deutſchland eine Kampfmethode
ange=
wandt habe, im Rheinland dagegen ſich einer
Verfehlung gegen den Friedensvertrag habe
ſchuldig gemacht. Nach dem Berichterſtatter gebraucht
of=
fenbar Tirard dieſes Argument, um eine zu raſche und
allge=
neine Löſung, die die deutſche Regierung wünſcht, abzulehnen.
Tirard ſagte ferner, er habe den Vertreter des Oberpräſidenten,
der mit ihm über die Wiederaufnahme der Arbeit
habe verhandeln wollen, ebenſowenig empfangen, wie den
Ver=
reter der deutſchen Eiſenbahngewerkſchaft. Die
Eiſenbah=
ter müßten einzeln kommen, denn höhere oder
nittlere Beamte gebe es überhaupt nicht mehr.
Sie ſeien gut erſetzt und man gebrauche ſie nicht mehr. Was
die Eiſenbahn anbetreffe, glaube er, daß die Regie auf
ille Fälle Deutſchland nicht mehr übertragen
verden dürfe. Die Regie werde jedenfalls eines Tages in
ine Geſellſchaft umgewandelt mit einer
internatio=
talen Vertretung, deren Kapitalien im Verhältnis zu dem
Re=
ſarationsrecht ſtehen würen. Man dürfe nicht vergeſſen, daß
ſie rheiniſche Eiſenbahn die einzig produktive
Deutſchlands ſei, alſo im Falle eines Verſagens der
deut=
chen Regierung eine wichtige Grundlage für die
Reparations=
ahlungen bilden würde. Nach Einſtellung des paſſiven
Wider=
tands ſpreche man von Kontrolle. Es könne nicht einfach
on Kontrolle die Rede ſein, man müſſe Leitung ſagen. Der
ukünftige Betrieb erfordere keineswegs ein Abkommen mit
eem, Kohlenſyndikat oder mit den großen Konzernen. Der
Er=
olg werde beſſer ſichergeſtellt, wenn man mit den
Betrie=
en ſelbſt verhandele.
Vom Tage.
In parlamentariſchen Kreiſen wird beſtätigt, daß der
Staats=
ſekretär in der Reichskanzlei, Frhr. v. Rheinbaben, ſein
Rück=
trittsgeſuch eingereicht hat. Als Nachfolger wird der
volkspar=
teiliche Abgeordnete Dr. Moſt, Oberbürgermeiſter von Duisburg,
be=
zeichnet.
In Berliner Kreiſen verlautet, daß das Ausſcheiden des
Generaldirektors Minnoux aus dem Stinneskonzern
be=
vorſtehe. Es wird davon geſprochen, daß Minnoux ſich fortan
aus=
ſchließlich der Politik widmen wolle.
Wie aus Dresden gemeldet wird, wird der Kommuniſt
Brand=
ler von der K. P. D.=Zentrale das Finanzminiſterium und
der kommuniſtiſche Landtagsabgeordnete Böttger das
Kultus=
miniſterium übernehmen.
Da das neue Regierungsprogramm infolge des
Ein=
tritts der Kommuniſten in die Regierung nicht rechtzeitig
fertigge=
ſtellt werden konnte, wurde die Eröffnung des ſächſiſchen Landtags vom
8. Oktober auf den 11. Oktober verſchoben.
Der Teuerungszuſchlag für die Beamten, der für
die Zeit vom 24. September bis 8. Oktober 699 900 Prozent betrug, iſt
vom 9. Oktober ab auf 1 399 900 Prozent erhöht worden. Die Bezüge
erfahren ſomit von heute ab eine Verdoppelung.
Wie wir aus der Reichsbank erfahren, werden zurzeit neue
Reichsbanknoten zu 5 und 10 Milliarden gedruckt. Die neuen
Scheine werden mit kleinen Abweichungen in der Art der 100
Millio=
nenſcheine erſcheinen.
Der Apothekerindex für Waren und Gefäße
be=
trägt ab 11. Oktober 2 900 000 für das unbeſetzte und 3 900 000 für
das beſetzte Gebiet.
Der Deutſche Buchdruckerverein teilt mit, daß ſich die
Schlüfſelzahl ab 10. Oktober auf 7 500 000 erhöht.
Die Buchſchlüſſelzahl des. Börſenvereins
deut=
ſcher Buchhändler ab 10. Oktober beträgt 170 Millionen.
Dem Daily=Telegraph zufolge ſind Vertreter von Stinnes
und anderer deutſcher Großinduſtriellen in Newyork eingetroffen,
in der offenbaren Abſicht, amerikaniſche Kapitaliſten für ihre Induſtrie=
Unternehmungen zu intereſſieren.
Die Botſchafterkonferenz ſoll von dem Berliner
Kabinett genauen Aufſchluß über die Vorgänge in Küſtrin erbeten
haben.
Dollarkurs
abends 6!), Uhr:
Berlin .. 1 197000000
Frankfurt 1 596 000 000
Deutſche Demarche in Brüſſel.
Frankreich lehnt Verhandlungen mit Berlin ab. — Poincaré bereit, mit den lokalen Behörden,
Induſtriellen und Arbeitnehmergruppen im Ruhrgebiet zu verhandeln.
Brüſſel, 10. Okt. (Wolff.) Die Agence Belge meldet:
Der deutſche Geſchäftsträger hatte heute vormittag eine
Unter=
redung mit dem Außenminiſter Jaſpar, dem er mitgeteilt
haben ſoll, Deutſchland wünſche bei der Wiederaufnahme
der Arbeit im Ruhrgebiet mitzuarbeiten und wieder auf
Reparationskoſten Kohlen zu liefern. Das Reich wünſche
die Zuſammenkunft von deutſchen, franzöſiſchen und belgiſchen
Delegierten zur Regelung der Fragen. Jaſpar ſoll dem deutſchen
Beſchäftsträger eiklärt haben, er werde ſich mit der franzöſiſchen
Regierung in Verbindung ſetzen, aber das Reich müſſe jedenfalls
den zur Lieferung von Brennſtoff bereiten deutſchen Induſtriellen
verſprechen, daß es ſie bezahlen werde, und ferner den deutſchen
Hiſenbahnern befehlen, daß ſie die Arbeit
wie=
deraaufnehmen.
Paris, 10. Okt. (Wolff.) Die Havas=Agentur verbreitet
olgefide, offenbar halbamtliche Erklärung:
Die deutſche Regierung hat ihre diplomatiſchen Vertreter in
Paris und Brüſſel beauftragt, eine neue Demarche zu
unterneh=
nen, um an den Verhandlungen über die Wiederaufnahme der
Arbeit im Rührgebiet teilzunehmen. Man erinnert ſich, daß ſie
vereits jüngſt den Wunſch ausgeſprochen hat, die Einſtellung des
ſaſſiven Widerſtandes zum Gegenſtand von Verhandlungen
zwi=
chen dem Deutſchen Reich, vertreten durch einen
Reichskommiſ=
ar, und den alliierten Behörden zu machen. Dieſes
Anſin=
ien iſt verweigert worden, ſolange der paſſive
Wider=
tand nicht aufgehört hat. Die deutſchen Behörden wollen die
Viederaufnahme der Arbeit und der Kohlenlieferungen zum
Vorwand neuer Verhandlungen machen. Aber man hat allen
Brund, anzunehmen, daß ihre Heranziehung nach dieſer Richtung
nttäuſchen wird, und daß der Miniſterpräſident Poincaré in der
Interredung, die er morgen mit dem deutſchen Geſchäftsträger,
Botſchaftsrat v. Hoeſch, haben wird, ſich weigern wird, in dieſer
Hinſicht eine befriedigende Antwort zu geben. Die Alliierten
wol=
en tatſächlich dieſe Frage nicht mit der Zentralvegierung
disku=
ieren, das heißt mit den Behörden, die von Berlin aus den
Lide ſtand gegen die Beſetzung bis jetzt organiſiert haben. Aber
ie ſind im Gegenteil ſehr geneigt, direkt mit den lokalen
Behör=
en oder mit den lokalen Unternehmer= oder Arbeitergruppen
ämtlichen notwendigen Arrangements über die
Wiederherſtel=
ung des normalen Wirtſchaftslebens im Ruhrgebiet zu treffen.
Das Abkomen, das geſtern durch die interalliierte
Kontrollkom=
niſſion mit der Gruppe Otto Wolff abgeſchloſſen wurde, beweiſt,
aß ein derartiges Verfahren raſcher durchführbar und praktiſch
ſt. Die Einmiſchung der deutſchen Regierung
bürde nurdie Verhandlungen über die
Wieder=
lufnahme der Arbeit, die übrigens auf ausgezeichnetem
Vege ſind und in wenigen Tagen beendet ſein werden,
ver=
ängern. Die Zulaſſung der Berliner
Dele=
ierten iſt alſo keineswegs erwünſcht noch
nütz=
ich. Im Gegenteil, ſobald die Einſtellung des paſſiven
Wider=
tandes in der Praxis vollkommen ſein wird, ſteht es dem
Reichs=
anzler Streſemann frei, ſich an die
Reparationskom=
niſſion zu wenden, um ihr ſeine Abſichten bekannt zu geben
und um zu verlangen, über die zukünftigen Verhandlungen über
die Reparationen gehört zu werden. In ihr, und nur in ihr
allein, müſſen ſich die diplomatiſchen Verhandlungen
zwiſchen den Alliierten und Deutſchland
voll=
ziehen. Der Reparationskommiſſion iſt übrigens bereits heute
der Text des Abkommens mit der Otto Wolff=Gruppe übermittelt
worden, damit ſie ihn prüft.
Zehn Forderungen der Stinnesgruppe.
Berlin, 9. Okt. Wie verlautet, hat die von Hugo
Stinnes geführte Gruppe der Ruhrinduſtriellen
heute der Reichsregierung zehn Forderungen und
Fra=
gen überreicht. Sie verlangt u. a.: Erſatz der ſeit der
Ruhrbeſetzung weggenommenen Kohlen, Erſatz der ſeit der
Ruhrbeſetzung zwangsweiſe erhobenen Kohlenſteuer.
Beſeiti=
gung der Kohlenſteuer für das Ruhrgebiet, Garantie der
Ver=
fügung über alle künftig zu liefernde Reparationskohle,
bevor=
zugte Belieferung des beſetzten Gebiets mit Rohſtoffen und
Lebensmitteln, Aufhebung des Kohlenkommiſſariats und der
ſtaatlichen Verteilungsorgane für Kohlen im beſetzten Gebiet,
Ermächtigung des Komitees der Induſtriellen,
die Verhandlungen mit den
Beſatzungsbehör=
den weiterzuführen.
Ferner wird an die Reichsregierung die Frage gerichtet, wie
die Induſtriellen ſich zu den Regiebahnen ſtellen ſollen und
wie die Reichsregierung ſich zu der Schaffung einer
Eiſenbahnbetriebsgemeinſchaft, an der das
Rheinland, Frankreich und die Induſtriellen
be=
teiligt ſind, ſtellt. Schließlich wird die Reichsregierung gefragt,
ob ſie bereit iſt, die Induſtriellen bei der Durchführung ihrer
Forderungen nach Verlängerung der Arbeitszeit
auf 8½ Stunden unter Tage und 10 Stunden über Tage, und
nach Aufhebung ſämtlicher
Demobilmachungs=
verordnungen zu unterſtützen. Die Induſtriellen
haben um Antwort bis Dienstag Mittag erſucht.
Wie weiter verlautet, wird die Reichsregierung ſich in einer
Kabinettsſitzung mit den Forderungen der Ruhrinduſtriellen
beſchäftigen.
Die Anordnung des Zechenverbandes
zurückgenommen.
EU. Berlin, 9. Okt. Auf den Beſchluß der
Bergwerks=
verwaltungen über die Einführung der Vorkriegsarbeitszeit
hatte der preußiſche Handelsminiſter Siering die ſtaatlichen
Zechen im beſetzten Gebiet ſofort angewieſen, die Anordnungen
nicht zu befolgen. Daraufhin hat der Zechenverband, im
Hin=
blick auf die behördliche Stellungnahme, die betreffende Anord=
nung zurückgenommen.
Die große Lüge.
Vor acht Tagen demonſtrierten in Däſſeldorf die rheiniſchen
Separatiſten, um ihren franzöſiſchen Auftraggebern neues
Schein=
material für ihre Propaganda im In= und Ausland zu lieſern.
Es iſt über dieſe Hevausforderung der rheiniſchen Bevölkerung
durch die Agenten der franzöſiſchen Rheinlandpolitik viel
ge=
ſchrieben worden, nicht nur in Deutſchland und in Frankreich,
auch im übrigen Ausland. Ueber den Zweck dieſer Veranſtaltung
iſt ſich jeder unparteiiſch Urteilende auch in Frankreich im klaren.
Wenn dieſer Denvonſtration von franzöſiſcher Seite eine
Aus=
begung gegeben wird, die den eigentlichen Charakter der ganzen
ſogenannten rheiniſchen Bewegung verſchiebt, ſo iſt das nach der
jahrelangen Vorarbeit, die hierfür geleiſtet wurde, nicht
verwun=
derlich. Verpunderlich iſt auch nicht, daß der blutige Ausgang
dieſer Demonſtration eben von dieſen Auftraggebern der
Sepa=
ratiſten zum willkommenen Anlaß genommen wird, um mit
neuen Terrormaßnahmen gegen Behörden und Bevölkerung im
Düſſeldorf vorzugehen. Ueber ſolche Erſcheinungen, die nicht
mehr verwunderlich ſind, kann man an ſich ziemlich unbedenklich
hinweggehen, nachdem ſich die Vorgänge in Düſſeldorf in aller
Oeffentlichkeit und zum Glück auch vor den Augen neutraler
Be=
obachter abgeſpielt haben.
In ſeiner bedeutungsvollen Samstagsrede iſt Reichskanzler
Dr. Streſemann ganz kurz auf die Düſſeldorfer Vorgänge und
auf das, was zu ihnen führte, eingegangen. Beſtimmt und
un=
antaſtbar hat er erklärt, „daß die die Welt belogen
haben, die da geſagt haben, daß es im
Rhein=
lande einen deutſchen Stamm gebe, der ſich
freuen würde, zu Frankreich zu kommen. Der
zu=
rückliegende Kampf (der paſſive Widerſtand) und ſeine ſchwerſten
ſeeliſchen Bedrückungen konnte nur von einer Bevölkerung
ge=
führt werden, die in Not und Elend zu ihrem deutſchen
Vater=
lande ſteht. An dieſer Bekundung kann es nichts ändern, wenn
Separatiſten unter dem Schutz franzöſiſcher Bajonette
irgend=
welche Kundgebungen wachen. Danken möchte ich an dieſer Stelle
den Männern der Schutzpolizei, die in Düſſeldorf ihre Pflicht
gegenüber unerhörten Gewalttaten getan haben. Nach dieſer
Richtung wird auch der abgebrochene Kampf, der aufgegebene
paſſive Widerſtand, nichts ändern, daß wir den Beweis vor der
Welt liefern, daß wir denen danken, die alles dies erduldet
haben.”
So ſprach Streſemann aus innerſter Ueberzeugung, geſtützt
auf erwieſene Tatſachen. Und am Sonntag benutzte Poincare
die Gelegenheit, um ebenfalls über die Düſſeldorfer Vorgänge zu
ſprochen. Was er darüber ſagte, muß feſtgehalten werden für
alle Zeiten, da es herangezogen werden muß zur Beurteilung der
Glaubwürdigkeit deſſen, was Poincaré ſpricht, ſchreibt und
er=
klären läßt. Poincaré ſagte zu der Kundgebung der Separatiſten
nach einem Bericht einer dem Quai d’Orfay ſehr nahe ſtehenden
franzöſiſchen Agentur wörtlich folgendes:
„Keiner der Manifeſtanten war bewaffnet,
und es befanden ſich unter ihnen Frauen und Kinder. Plötzlich
kam eine Abteilung deutſcher Polizei aus einer Kaſerne und
eröffnete das Feuer auf eine friedfertige
Menge, ohne vorher irgendwelche Aufforderungen an dieſe
zu richten. Drei Stunden ſpäter füſilierten grüne
Poliziſten ohne irgend einen Grund eine
Gruppe von Rheinländern, die auf die
Eiſenbahn=
züge warteten. Die ſofort herbeigerufenen franzöſiſchen
Trup=
pen mußten eingreifen, um die Ordnung wieder herzuſtellen,
die Beamten der Schutzpolizei nach ihren Kaſernen
zurückzu=
führen und ſie entwaffnen. Die franzöſiſchen Truppen haben
keinen Tropfen Blut vergoſſen und haben das Gemetzel, das
die Deutſchen vollführten, beenden müiſſen.”
Das ſagte Poincaré von einer Stelle aus, von der er wußte
und wünſchte, daß ſeine Ausführungen in der ganzen Welt
be=
kannt würden. Vielleicht hat Herr Poincaré die franzöſiſche und
engliſche Preſſe nicht geleſen, in der auf franzöſiſcher Seite mit
Stolz und Genugtuung verzeichnet ſtand, daß die Demonſtranten
eine militäriſch organiſierte Schutzwehr
aufge=
ſtellt haben, die die mit den Regiezügen eintreffenden
Ver=
ſammlungsteilnehmer esbortierten. Er hat vielleicht nicht
ge=
leſen, daß Angehörige dieſer Schutzwehr ohne jegliche
Veranlaſ=
ſung an der einen Stelle zwei, an der andeken vier blaue
Poli=
ziſten mit ihren Waffen angriffen, ſie niederſchlugen und
ent=
waffneten. Er hat vielleicht auch nicht geleſen, daß die grüne
Polizei erſt alarmiert wurde, nachdem die Gewalttätigkeiten der
ſeparatiſtiſchen Sturmtruppler gegen die kommunalen Poliziſten
ſyſtematiſch betrieben wurden, und daß dieſe grüne Polizei erſt.
von ihrer Schußwaffe Gebrauch machte, nachdem einer der
ihri=
gen durch einen Schuß eines Separatiſten getötet worden war.
Er hat vielleicht nicht den Bericht eines engliſchen Journaliſten
geleſen, der mit eigenen Augen mit anſehen mußte, wie mehrere
von den Franzoſen entwaffnete Poliziſten vor den Augen
der franzöſiſchen Soldaten von den
Separa=
tiſten in entmenſchter Weiſe mißhandelt
wur=
den, er hat wohl auch nicht geleſen, daß Separatiſten in dem
Hof des Düſſeldorfer Polizeipräſidiums von den
franzöſi=
ſchen Soldaten entwaffnete deutſche Poliziſten
vor den Augen der franzöſiſchen Soldaten
nie=
derſchoſſen. Alle dieſe Dinge ſind Herrn Poincaré vielleicht
nicht bekannt — er könnte ſie nachleſen in Daily News, Daily
Telegraph, Times uſw. Vielleicht ſind ſie ihm aber auch bekannt,
jedenfalls müßten ſie ihm bekannt ſein, ſonſt dürfte er über ſie
nicht vor aller Welt reden. In Ligny=en=Barrois jedenfalls
er=
klärte Poincaré; daß die Separatiſten Opfer der Aufwiegelung
durch die Berliner Regierung geworden ſeien. Darf man da nicht
fragen: Wer ſagte die Wahrheit und wer hat gelogen? Die
Welt muß wiſſen, wie wirklich die Dinge in Düſſeldorf ſich
zuge=
tragen haben und wer daran die Schuld trägt. Ob ſie daraus
auch die Folgerung ziehen wird nach dem alten Sprichwort:
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht 2 Poincaré hat ſo
oft — in den letzten Monaten allſonntäglich mindeſtens einmal —
der Welt Dinge erzählt von Deutſchlands geheimen Abſichten,
Revanchevorbereitungen, von ſeinen abſichtlich zerſtörten
Finan=
zen, von ſeinem böſen Willen und noch von ſo manchem anderen.
Deutſchland war es ein Leichtes, dieſen Behauptungen mit
glaub=
würdigem Gegenbeweis entgegenzutreten. Poincaré ſtellte jedoch
ſeine Behauptung mit ſolcher Beſtimmtheit und unter
Heran=
ziehung von unkontrollierbarem Zahlenmaterial auf, daß man
lei=
der in der Welt nur zu oft den Ausführungen Poincarés glaubte.
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 10. Oktober 1923.
Rummer 280.
Was Poincars aber in Lignh=en=Barwis mit dreiſter Stirn
behauptete, ſchlägt den von neutralen Augen beobachteten
Tat=
ſachen ſo hart ins Geſicht, daß heute eigentlich in der Preſſe aller
Länder Artikel erſcheinen müßten unter der Ueberſchrift:
„Poincaré hat gelogen, er hat
unverantwort=
lich ſtark gelogen!“
Nachdem Poinears aber dieſe lügneriſchen Behauptungen in Leber die Wiederaufnahme der Arbeit im Ruhrgebiet.
die Welt geſetzt hat, darf wan ſich nicht wundern, daß die ihm
unterſtellten Behörden im Rheinland ſeinen Wink verſtehen und
mit entſprechenden Maßnahmen gegen die unterdrückte
Bevöl=
kerung und gegen die noch beſtehenden deutſchen Behörden in
dem beſetzten Gebiet vorgehen werden. Anzeichen dafür ſind ſchon
vorhanden; die Ausweiſung der grünen Polizei iſt nicht die
men, daß Poincaré in Ligny lügen mußte, weil er Scheingründe
braucht, da die wirklichen Vorgänge in Düſſeldorf nicht genügen,
um neue Gewaltmaßnahmen in den Rheinlanden zu treffen. Er
mußte lügen, weil er einen Grund brauchte, um ſeine
Stel=
lung zu den Separatiſten erklärlich zu machen. Stellung nehmen. Im übrigen habe der preußiſche Handels=
Und wenn Poincaré die Vorgänge in Düſſeldorf umlügt, beweiſt
er, daß die ganze Separatiſtenbewegung in den Rheinlanden ein ſprechungen mit Degoutte, nachdem er von ihr Kenntnis
erhal=
künſtliches Gebilde franzöſiſcher Politik iſt.
Deshalb mußte er lügen!
Die Oppoſition gegen Poincarés Außenpolitik.
Paris, 9. Okt. (Wolff.) Die links gerichteten Blätter
fah=
ren fort, Tag um Tag dem franzöſiſchen
Miniſterprä=
ſidenten klar zu machen, daß die von ihm eingeſchlagene Taktik,
die Verhandlungen mit Deutſchland
hinauszu=
zögern, nicht den franzöſiſchen Intereſſen entſpricht. — So
ſchreibt heute die „Ere Nouvelle”: Man ſieht nicht recht ein,
welche Beweggründe unſere Regierung veranlaſſen, nicht ſofort
die Verhandlungen aufzunehmen. Wir wiſſen ſehr wohl, daß in
gewiſſen Kreiſen und nicht in den am wenigſten einflußreichen,
man den Gedanken entwickelt hat, man dürfe jetzt nicht mit dem
offiziellen Deutſchland verhandeln und müſſe ſich darauf
beſchrän=
hen, das Ruhrgebiet und die Rheinlande im
Einver=
ſtändnis mit den Großinduſtriellen
auszubeu=
ten. Das Blatt zweifelt daran, daß Poincaré ſich einem ſo
ge=
fährlichen Plan habe anſchließen können. Wenn man
zwi=
ſchen dem Reich und dem beſetzten Gebiet einen
Vorhang aufziehe und ein ungeheures
franzö=
ſiſch=rheiniſches=weſtfäliſches Konſortium
er=
richte, ſo ſei das ein Ausweg, aber das ſei keine
Politik. Das einzige Ergebnis einer derartigen Kombination
würde ſein, daß Deutſchland entweiche und unter dem Anſchein
der Auflöſung ein neues=Leipzig vorbereite. Müſſe man
die deutſche Frage durch Gewalt löſen oder müſſe man ſie
durch eine europäiſche Politik mit England und in zweiter Linie
auch mit Rußland zu löſen verſuchen?. Auf dieſe Frage
gibt das Blatt die Antwort, es ſei für die zweite Methode; denn
mit Deutſchland werde man nur zu Ende
kom=
men, wenn man einen Vertrag abſchließe, der
London, Berlin und Paris binde. Jede andere
Löſung würde nur zu einer engliſch=deutſchen
Allianz gegen Frankreich führen.
Auch Profeſſor Aular verurteilt die
Außenpoli=
tik Poinearés ſcharf. Er vertritt den Standpunkt,
Poin=
caré habe ſogar die Beziehungen zu den kleinen
Staaten durch ſeine Haltung in der
italieni=
ſchen Frage zerſchnitten. Dann ſei die große
Ent=
täuſchung bei alle Völkern gekommen, als Poincaré
mit einer gewiſſen Verachtung die Einſtellung des paſſiven
Wi=
derſtandes aufgenommen habe; eine Geſte, die den deutſchen
Im=
perialismus geſtärkt und die Welt vom wahren Frieden entfernt
habe. Ja ja, ruft der gewiß nicht deutſch=freundliche Profeſſor
aus, Frankreich iſt iſoliert und durch die
Außen=
politik Poincarés und des, nationalen Blocks
diskreditiert. Unſer moraliſches Preſtige in der Welt
nimmt zuſehends ab. In den Augen der Völker ſinkt
Frank=
reich im Preis. Wir hoffen, bei den nächſten allgemeinen
Wah=
len zu zeigen, daß das nur ſcheinbar iſt, und daß unſere endlich
erwachte und zu ihrer großen revolutionären Tradition
zurück=
gekehrte Nation aufhören wird, die Beſchützerin der Reaktion zu
ſein.
Kreditausſichten für Deutſchland.
Berlin, 9. Okt. (Wolff.) Zu den in den letzten Tagen
aufgetauchten Meldungen über die Kreditausſichten für
Deutſch=
land im Auslande erfährt die Zeit”: Wenn auch das offizielle
Amerika aus ſeiner bisherigen Reſerve wohl nicht heraustreten
werde, ſo ſei es doch Tatſache, daß amerikaniſche
Bankengruppen Intereſſe für die deutſche
Währungsbank zeigten und daß große
Ausſich=
ten auf einen befriedigenden Abſchluß der
Verhandlungen über die Beteiligung dieſer Gruppen
be=
ſtehen. Ebenſo ſchweben erfolgverſprechende
Ver=
handlungen mit anderen ausländiſchen
Fi=
nanzkreiſen zu dem Zwecke, Warenkredite für
Deutſchland, ähnlich den ſeinerzeit mit Holland
abgeſchloſ=
ſenen zu erreichen.
Deutſchlands
Verhandlungsbereitſchaft.
Streſemann gegen Stinnes.
* Berlin, 9. Okt. (Priv.=Tel.) Wie wir erfahren, wies
die Reichsregierung die Geſchäftsträger in Paris und
Brüſſel an, an die franzöſiſche und belgiſche
Regie=
rung die Anfrage zu richten, ob ſie bereit ſei, mit der
deutſchen Regierung in Verhandlungen, über
ſchwerſte Maßnahme. Muß man da nicht auf den Gedanken kom= die Wiederaufnahme der Arbeit im Ruhrgebiet
einzutreten. Zu den ihr unterbreiteten Wünſchen der
In=
duſtriellengruppe, die mit Degoutte in Beſprechungen
eingetre=
ten ſind, will die deutſche Regierung erſt nach Eingang der
Ant=
worten aus Brüſſel und Paris auf ihre erwähnte. Anfrage
miniſter die Teilnahme des Oberbergrates Velſen an den
Be=
ten habe, mißbilligt.
Die in der Morgenausgabe der „D. A. 3.” veröffentlichten
Ausführungen von Stinnes finden in den Berliner
Abenblät=
tern allgemeine Beachtung. In Sachen der Darlegungen von
Stinnes zur Frage der Arbeitszeit im Bergbau verlautet:
Stre=
ſemann erfuhr von dem am 30. September in Unna gefaßten
Beſchluß erſt durch die Rede Stinnes in der Fraktionsſitzung
der Deutſchen Volkspartei. Bei dem Beſchluß der Deutſchen
Volkspartei, der die Wiedereinführung der Arbeitszeit vor dem
Kriege ins Auge faßte, habe offenbar ein Mißverſtändnis
mit=
gewirkt. Sowohl Streſemann wie andere Mitglieder der
Par=
tei waren der Anſicht, daß es ſich um eine einſtündige
Ver=
längerung der Arbeitszeit handele, während Stinnes, wie ſich
erſt ſpäter herausſtellte, die Ein= und Ausfahrt in der von ihm
vorgeſchlagenen Arbeitsdauer nicht einrechnen wollte, was dann
auch im Zentrum ſchärfſten Widerſpruch fand. Streſemann
teilte deshalb in der nächſten Fraktionsſitzung der Deutſchen
Volkspartei mit, daß der Vorſchlag von Stinnes auch
innerhalb einer rein bürgerlichen Koalition
vollkommen unannehmbar ſei.
Eſſen, 9. Okt. (Wolff.) Hier wurde die
Aufforde=
rung des Reichsarbeitsminiſteriums, mit einer
Verlängerung der Arbeitszeit zu warten, bis
neue Verhandlungen ſtattgefunden haben, von allen Zechen des
beſetzten Gebiets befolgt.
Die Stellungnahme der Reichsregierung.
TU Berlin, 9. Okt. Zu den Verhandlungen der
Groß=
induſtriellen mit General Degoutte erfahren wir von
maßgeben=
der Stelle noch folgende Einzelheiten:
Die vier Herren haben die Verhandlungen mit General
De=
goutte allein geführt und nachträglich die Reichsregierung
ge=
beten, ſich zu dem Ergebnis der Verhandlungen zu äußern. Das
Material iſt der Reichsregierung im Laufe des Sonntags mit
einem Begleitſchreiben übergeben worden. Der in der Preſſe
teröffentlichte Auszug aus dem Material, der zu den oben
ge=
nannten zehn Forderungen der Induſtriellen zuſammengefaßt iſt,
gibt den tatſächlichen Inhalt der Verhandlungen nicht wieder
und iſt geeignet, das Bild der Verhandlungen zu verzerren. Die
Reichsregierung hat zu dem umfangreichen Material bisher nicht
Stellung genommen. Sie hat weiterhin aber beſchloſſen, die
Schritte abzuwarten, die von dem deutſchen Botſchafter in Paris
und von der deutſchen Geſandtſchaft in Brüſſel unternommen
werden, um im Falle der Bereitwilligkeit der franzöſiſchen und
belgiſchen Regierung in Verhandlungen einzutreten. Die
Reichs=
regierung hat ferner beſchloſſen, den Erfolg dieſer Schritte
abzu=
warten, bevor ſie endgültig zu den Verhandlungen der
Groß=
induſtriellen Stellung nimmt.
Gewerkſchaftliche Forderungen.
Berlin, 9. Okt. (Wolff.) Aus gewerkſchaftlichen Kreiſen
wird uns mitgeteilt: Der wirtſchaftspolitiſche
Aus=
ſchuß des Gewerkſchaftsringes deutſcher
Ar=
beiter=, Angeſtellten= und Beamtenverbände
faßte den einſtimmigen Beſchluß, an den Vorſtand des Rings
das dringende Erſuchen zu richten, aus der zentralen
Arbeitsgemeinſchaft auszuſcheiden. Maßgebend
für dieſen Beſchluß waren die letzten Maßnahmen des
ſchwerinduſtriellen Unternehmertums, die
ge=
gen die Lebensintereſſen der geſamten
deut=
ſchen Nation verſtoßen und ſich willkürlich über Geſetz
und Vertrag hinwegſetzen. Damit ſei die Vorausſetzung für
eine erſprießliche Zuſammenarbeit in der
Zentralarbeitsge=
meinſchaft zerſtört. Wie wir vernehmen, wird der Vorſtand des
Gewerkſchaftsrings dieſen Beſchluß alsbald dem großen
Aus=
ſchuß zur anderweitigen Beſchlußfaſſung vorlegen.
Hefſiſches Landestheater.
Großes Haus. — Dienstag, den 9. Oktober:
Eleftra.
Tragödie von H. v. Hofmannsthal.
Muſik von Richard Strauß.
Die Erkenntnis der Schwächen dieſes Werkes wächſt, je öfter
man es hört. Und dennoch kommt man nicht davon los. Das
Widerwärtige des Dramas, die Aeußerlichkeit der Muſik ſtoßen
ab; trotzdem feſſeln beide mit unheimlichen Reizen. Das
Aus=
nahmsweiſe verwirrt, das Giftig=Krankhafte ekelt an: immer
wie=
der werden Nerven erregt, Augen geblendet, Ohren betört. So iſt
trotz wachſender innerer Ablehnung äußere Gefangennahme
un=
widerſtehlich, keine Erſchüitterung der Seele, aber Schüttelung der
Sinne mächtig, keine künſtleriſche Erhebung, nur Staunen über
beherrſchten Stoff und gleißende Mache maßgebend, kein
befriedi=
gender Genuß, bloß prickelndes Aufnehmen des Verſtandes
vor=
handen. Wahrheit und Innerlichkeit fehlen. Damit iſt geſagt,
daß das Werk im Grunde unkünſtleriſch bleibt, ſoviel äußerer
Erfolg ihm auch noch lange ſicher erſcheint. Gleichwohl ſind
„Elektra” wie „Salome” dem Geſamtwerk Strauß” unentbehrlich
zugehörig.
Aufführung und Inſzenierung ſind auf unſerer Bühne
vor=
bildlich. Das Bühnenbild iſt aus dem Weſen des Dramas
ge=
boren und gibt der Muſik ſtärkſte Reſonanz. Wucht der
Architek=
tur drückt auf die Seele, Halbdunkel, fahle und grelle Farben
und Lichter erregen die Nerven. Die Aufgaben des
Ueber=
einanders von Treppen, des Nebeneinanders von Hof und
Pa=
laſt ſind glänzend gelöſt. Ein geniales, allenthalben als Muſter
geprieſenes Werk von Bühnenarchitekt und Regiſſeur, von der
Zuſammenarbeit der Herren Pilartz und Schlembach.
Frau Orff zählt die Elektra zu ihren beſten Rollen. Auch
heute halte ich ihre Darſtellung für eine ſtarke Leiſtung, gereifter
noch als die im Vorjahre, vielleicht für ihre ſtärkſte. Sie gab ihr
alle feſſelnden Reize ihrer geiſtigen Durchdringung, die große
Linie und viele packende Einzelzüge. Ich bewunderte von neuem
die überlegene Beherrſchung, das vornehme Maßhalten, das
überall Perſönliche.
Die Chryſotemis gab zum erſten Male Pauline Jack. Man
kann ſie zu dieſer trefflichen Leiſtung beglückwünſchen. Sie ging
heute kräftig aus ſich heraus, bewies künſtleriſches Temperament,
große Lebendigkeit im Spiel und Mimk und ſang dank ihrer
ſchönen ausgiebigen Stimme und bemerkenswerten muſikaliſchen
Sicherheit die nicht leichte Partie mit beſtem Gelingen.
Die Klytämneſtra Anna Jacobs' iſt eine aus einem Guß
geformte, in Maske, Spiel und Geſang erſchütternde Leiſtung
dieſer ausgezeichneten Künſtlerin. — Der Oreſt des Herrn
Bi=
ſchoff wirkt zwar nicht jung genug, gibt aber die große Linie
und die melodiſchen Schönheiten der dankbaren Rolle aus dem
großen Können einer ſtarken und indelligenten Perſönlichkeit.” —
Aus der kleinen Rolle des Aegiſth konnte Herr Verheyen
nicht mehr machen, alls bei dieſer widerwärtigen Figur möglich
iſt. Alle anderen Rollen ſind Füllſel der kurzgefaßten Handlung,
ſämtlich ſchwer zu geben und undankbar. Ihre Vertreter
erfüll=
ten mit Erfolg ihre Aufgaben. Aeußerſt beſtechend ſind die
En=
ſembles durchdacht und ausgeführt; ein unheimliches Leben
funkelt darin.
Die an blendenden Effekten reiche, über die Maßen
ſchwie=
rige Partitur des vielſtimmigen Orcheſters meiſterte an der Spitze
unſerer ausgezeichneten Künſtlerſchar Michael Balling mit
überlegener Sicherheit.
v. HI.
Eine Heldin der Arktis.
ck. „Die Arktis hat ſo manchen berühmten Namen der Liſte
der großen Männer hinzugefügt, aber ſie hat bisher noch keine
Frau under ihren hervorragenden Geſtalten zu verzeichnen. Nun
tritt auch eine Frau unter die Helden der Arktis, und zwar iſt
es das Eskimoweib Ada Blackjack, das, obwohl in Nome
aufge=
wachſen und wohlvertraut mit eleltriſchem Licht und den
Errun=
genſchaften modernen Lebens, dennoch ganz allein auf einer
un=
bewohnten arktiſchen Inſel lebte, nachdem ſie einen ſterbenden
Gefährten ſechs Monade hindurch gepflegt hatte.” Mit dieſen
Worten beginnt Harold Noice, der Führer der Hilfsexpedition
nach der Wrangelinſel, einen Aufſatz, in dem er die Geſchichte
dieſer Heldin wiedergibt. Ada hatte mit ihrem Mann die vier
Engländer begleitet, die ſich auf der Wrangelinſel wiederließen
und von deren Tode bereits berichtet wurde. Sie war die
ein=
zige Ueberlebende, die die Hilfsexpedition fand. „Ihre Geſchichte,
wie ſie ſie mir erzählt hat,” ſchreibt Noice, „übertrifft alles, was
ich jewals aus den Polargebieten gehört oder geleſen habe. Die
Nacht, bevor wir ſie retteten, träumte ſie, ſie höre die Pfeife eines
Dampfers, und als ſie dann am Morgen unſere Pfeife wirklich
hörte, glaubte ſie, daß ſie noch träume. Immer wieder ſagte ſie
zu mr: „Ob es nicht vielleicht doch nur ein Traum iſt? Ich
kann es kaum faſſen, daß Ihr gekommen ſeid.” Als die Polar=
Vor einem Konflikt zwiſchen Belegſchaften und Zechen.
* Eſſen, 10. Okt. (Priv.=Tel.) Auf faſt allen Zechen des
Ruhrgebiets haben die Belegſchaften beſchloſſen, der von den
Zechen geforderten Verlängerung der Schichtzeit
nicht nachzukommen. Ob dieſer Beſchluß allgemein
durch=
geführt wird, läßt ſich im Augenblick noch nicht nachprüfen. Wie
es heißt, wollen die Zechen dann dazu übergehen, ihre Betriebe
wieder zu ſchließen und die Arbeiter zu entlaſſen, ſobald ſich dieſe
mit der verlängerten Schichtzeit nicht einverſtanden erklären,
Dieſen Nachrichten zufolge ſcheint der Konflikt zwiſchen
den Zechenverwaltungen und den
Bergarbei=
tern unvermeidlich zu ſein.
Die Verhaftung der Zechenbeſitzer verlangt.
EU Berlin, 9. Okt. Der Werkvereinchriſtlicher
Bergarbeiter hat heute vormittag an die
Reichsregie=
rung den dringenden Antrag geſtellt, die
Verhaf=
tung der Zechenbeſitzer im Ruhrgebiet
anzuord=
nen, da ſie nicht nur einen ſchweren Verſtoß gegen die
Reichsberfaſſung, ſondern auch gegen
reichsgeſetz=
liche Beſtimmungen unternommen haben.
Ein deutſch=franzöſiſches Abkommen.
Paris, 9. Okt. (Wolff.) Havas berichtet aus
Düſſel=
dorf: ,Zwiſchen der interalliierten
Kontrollkom=
miſſion und den Geſellſchaften Phönix und
Rhein=
ſtahlwerke ſei ein Abkommen getroffen worden. Hiernach
nehmen dieſe beiden Konzerne die Kohlenlieferungen
auf Grund des Programms der
Reparations=
kommiſſion wieder auf. Sie zahlen die
Kohlen=
ſteuer und die rückſtändigen Kohlenſteuern ſeit der Beſetzung,
Als Gegenleiſtung werden die beſchlagnahmten Metallwaren
freigegeben, und den Fabriken auf Grund der erlangten
Ausfuhrlizenzen geſtattet, die Ausfuhr ihrer Produkte auf der
Grundlage des Exports von 1922 aufzunehmen.
Der unpolitiſche Regie=Eid.
TU. Paris, 9. Okt. Eine Havasmeldung aus Koblenz
be=
ſagt: Inſolge der interalliierten Konferenzen, die in Bonn
ſtatt=
gefunden haben, iſt die Formel für die individuellen
Anſtellungs=
verträge, die die deutſchen Eiſenbahnarbeiter unterzeichnen
müſ=
ſen, um in den Dienſt der franzöſiſch=belgiſchen Regie
aufgenom=
men zu werden, abgeändert worden. Der urſprüngliche Entwurf
enthielt eine Verpflichtung, nach der der Kandidat auf Grund
eines Eides verſichert, er werde loyal mit Eifer und
Ergeben=
heit den zivilen und militäriſchen Behörden der Eiſenbahnregie
dienen. Dieſe Formel iſt dahin abgeändert worden, daß ſie, wie
die halbamtliche franzöſiſche Meldung behauptet, eine rein
beruf=
liche Verpflichtung enthält. Infolgedeſſen hat der Direktor der
Regie in allen Bahnhöfen, die ſich in der Verwaltung der Regie
befinden, geſtern beſondere Plakate anſchlagen laſſen, in denen
ausgeführt wird, daß der von den Eiſenbahnern verlangte Eid
einen rein beruflichen und keinen politiſchen Charakter hat.
Politiſche Prophezeihungen Lord Grehs.
London, 9. Okt. (Wolff.) Die Times veröffentlichten ein
Schreiben Lord Greys, in dem es heißt, ohne
Inan=
ſpruchnahme des Völkerbundes und ſeine
Un=
terſtützung beſtehe keine Ausſicht auf künftigen
Frieden in Europa. Die zukünftige Freiheit
in Europa ſei abhängig von einer Regelung der
Strei=
tigkeiten unter den Nationen durch Gerechtigkeit und Geſetz,
ſo=
wie von der Erhaltung der Heiligkeit der
Ver=
träge und der dadurch bedingten Sicherung des
Frie=
dens. Dies ſei die Politik, für die der Völkerbund als
Werkzeug geſchaffen wurde. Wenn dieſe Politik nicht
die Oberhand gewinne, dann werde ein
erneu=
ter Wettbewerb in den Rüſtungen eintreten und
die Nationen würden ſich durch koſtſpielige
Vor=
bereitungen auf einen neuen Krieg vollſtändig
zugrunde richten. Das Ergebnis werde ein
Krieg oder weitere Revolutionen, wahrſchein:
lich aber beides ſein.
In ſeiner Rede in Chelmsfort ſagte der vormalige
Arbeits=
miniſter Clynes, es ſei nicht erſtaunlich, daß das britiſche
Volk über das zielloſe Dahinſchreiten, das an die
Stelle der feſten Politik getreten ſei, immer beſorgter
werde.
reiſenden erbannden, daß ſie nicht genug Nahrung haben würden,
um den Wimter zu überdauern, beſchloſſen ſie, einen Verſuch zu
wachen, Sibirien zu erreichen. Ada verfertigte den Männern neue
Kleider und ſuchte ſie mit allem auszurüſten „Knight, der an
Skopbut litt, mußte zurückbleiben, und Ada erbot ſich, ihm als
Pflegerin zur Seite zu ſtehen. Während die anderen ins
Unge=
wiſſe fortzogen, lebten die beiden Zurückgebliebenen auf der
ein=
ſamen Polarinſel weiter, bis es mit Knight immer ſchlechter
wurde und er das Zelt nicht mehr verlaſſen konnte. Da friſches
Fleiſch ihm vielleicht noch hätte Rettung bringen können, ſo
lernte Ada, die früher niemals eine Falle gelegt noch einen Schuß
abgefeuert hatte, das Anbringen von Fuchsfallen. Da ſie aber
den unglücklichen Kranken immer weniger verlaſſen durfte, ſo
konnte ſie nur wenige Füchſe fangen. Langſam verging der
Win=
ter das Eis barſt und der Schnee verließ das Land. Millionen
von Vögeln kehrten aus dem Süden zurück und auch anderes
Wild war in Fülle vorhanden. Aber Knight wurde immer
ſchwächer, er konnte nur noch etwa Suppe zu ſich nehmen und
ſtarb am 22.Juni. Ada blieb allein zurück mit Ausnahme eines
Kätzchens, das ſie von Nome mitgenomen hatte. Ihre geringen
Nahrungsmittelvorräte ſchmolzen imer mehr zuſammen, und ſo
mußte ſie, obgleich im Schießen ganz unerfahren, mit einer
gro=
ßen Flinte auf die Jagd gehen, wobei ſie ſich einer hölzernen
Gabel bediente, um das Gewehr qufzulegen und ruhig zielen zu
können. Eines Tages ſtieß ſie auf zwei Polarbären, wagte aber
nicht, auf ſie zu ſchießen, weil ſie fürchtete, zerriſſen zu werden,
wenn ſie ſie nur verwudete. Sie ſchoß daher nuur im die Luft
und verſcheuchte damit die beiden rieſigen Tiere. Nun verſuchte
ſie Robben zu ſchießen, und das glückte ihr auch einmal, aber da
das getroffene Tier von der Küſte raſch ins Waſſer glitt,
ver=
mochte ſie es nicht herauszuziehen, und bei ihren Bemühungen
ſpürte ſie plötzlich ewwas hinter ſich und ſah einen großen
Eis=
bären, der ſich über ſie beugte. Sie flüchtete in ihr Zelt. Als wir
ſie vetveten, arbeitete ſie an einem ſtarken Netz, mit dem ſie die
Robben zu fangen hoffte. Sie beſaß nur noch 12 Pfund fauliges
Brot, das ſie ſich für den nächſten Winter aufheben wollte. Die
Welt ſieht in den Gskimos eine Raſſe, die beſonders zum
Er=
tragen von Mühſalen und zum Aushalden von Hunger geeignet
ſein ſoll. Aber wachdem ich ſechs Jahre unter ihnen gelebt habe,
muß ich ſagen, daß ſie die Hälte ſo gut fühlen wie wir und auch
den Hunger. Ihr Bedürfnis nach Geſellſchaft iſt ſogar noch größer
als das des Europäers. Darum iſt die Tat dieſer Frau ſo
ein=
zigartig, aber ich fürchte, man wird dieſe Geſchichte von ſtoiſchem
Heldemmtt und einſamer Tapferkeit nicht hoch genug werten, weil
ihre Heldin nur eine arme Eskimofrau iſt.”
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Rummer 280.
Darmſtädter Tagblatt, Mittivoch, den 10. Oktober 1923.
Das Ermächtigungs geſetzvordern Reichsta.
Der Reichstag in Mißkredit. — Abg. Schiffer für eine Reform des Reichstages. — Bahzern
gegen das Ermächtigungsgeſetz. — Die Kommuniſten fordern Beſtrafung der Induſtriellen.
Seite 3.
Stimmungsbild.
(Von unſerer Berliner Redaktion.)
In der Reichstagsſitzung ging es um die Beratung des
Er=
mächtigungsgeſetzes und um die Entſcheidung über dieſe
bedeu=
tungsvolle Vollmacht für die Regierung. Bei der erſten Leſung
über das Ermächtigungsgeſetz trat wiederum klar zutage, daß
die parlamentariſche Behandlung dieſes aus der Not der Zeit
geborenen wichtigen Geſetzes nicht auf der Höhe ſtand, weil die
Abgeordneten glaubten, den Parteikram von geſtern wieder
auf=
wärmen zu müſſen. Lediglich bei dem Vertreter der
Deutſch=
nationalen, die heute Herrn Helfferich vorgeſchickt hatten, fiel
auf, daß dieſer eine viel gemäßigtere und ruhigere Tonart
an=
ſchlug als geſtern Graf Weſtarp. Helfferich beantragte die
Ueber=
weiſung des Geſetzes an einen Ausſchuß, weil ſeine Partei nicht
ohne weitere Aufklärung ſeitens der Regierung über die
Abſich=
ten, die ſie damit verfolgt, zuzuſtimmen in der Lage ſei. Seitens
der Sozialdemokraten wurde verlangt, die Erwerbsloſen aus
dem Rahmen des Ermächtigungsgeſetzes herauszunehmen. Als
beſonders beachtenswert darf angeſehen werden, daß der Abg.
Schiffer eine Reform des Reichstags forderte, weil das Anſehen
des Hauſes im Verlauf der Kriſenzeit ſtark gelitten hätte. Gegen
dieſe Forderung wird ſich in den weiteſten Kreiſen kein
Wider=
ſpruch erheben. Den Sozialdemokraten und Kommuniſten ſind
die Verhandlungen, die die Ruhrinduſtriellen zur Zeit mit Herrn
Degoutte führen, beſonders auf die Nerven gefallen, weshalb ſie
das Einſchreiten des Staatsgerichtshofes fordern zu müſſen
glaubten. Nachdem noch der Inneuminiſter Sollmann den
Par=
teien die Annahme des Geſetzes dringend empfohlen hatte, und
beſonders der bayeriſche Geſandte von Preger den ablehnenden
Standpunkt ſeiner Regierung ausgeſprochen hatte, wurde die
Ausſprache geſchloſſen, und nach Ablehnung des Antrags
Helf=
ferich ging das Haus zur zweiten Leſung über.
Sitzungsbericht.
* Berlin, 9. Okt. (Eigener Bericht.)
Am Regierungstiſch: Innenminiſter Sollmann,
Jüſtiz=
miniſter Dr. Radbruch.
Auf der Tagesordnung ſteht die
1. Leſung des Ermächtigungsgeſetzes.
Danach wird die Reichsregierung ermächtigt, alle dringenden
Maßnahmen auf finanziellem, wirtſchaftlichem und ſozialem
Ge=
biete zu treffen. Dabei kann vom den Grundrechten der
Reichs=
verfaſſung abgewichen werden. Die Ermächtigutng erſtreckt ſich
nicht auf die Regelung der Arbeitszeit und auf die Rentenfrage.
Dei Sozialdemokraten beantragen, die Ermächtigung
auch nicht auf die Erwerbsloſenfrage
auszudeh=
nen. Das Geſetz ſoll mit dem Wechſel der derzeitigen
Reichs=
regierung oder ihrer parteipolitiſchen Zuſammenſetzung,
ſpäte=
ſtens aber am 31. März 1924 außer Kraft treten.
Mit zur Beratung ſteht ein demokratiſcher Antrag,
der an einzelne oder mehrere Perſönlichkeiten dicktatoriſche
Vollmachten geben will zum Abbau der
Reichsver=
waltung und zur Einbringumg eines
Beamtenabbau=
geſetzes, eines Arbeitszeitgeſetzes uſw. Ferner ſoll
das Geſchäftsgebaren des Reichstages vereinfacht werden.
Aehn=
liche Maßnahmen ſollen mit den Ländern vereinbart werden.
Abg. Dr. Helfferich (deutſchntl.) beantragt die
Verwei=
ſung des Ermächtigungsgeſetzes an einen Ausſchuß.
Ueber den Antrag wird am Schluß der erſten Leſung
ent=
ſchieden werden.
Abg. Dr. Schiffer (Dem.) ſtimmt dem
Ermächtigungs=
geſetz zu, und zwar ohne Ausſchußberatung. Die Regierung
müſſe ſchleunigſt zu durchgreifenden Maßmahmen ermächtigt
wer=
den. Es handele ſich um Aufgaben, die im Augenblick gelöſt
wer=
den müſſen, um den Zuſammenbruch zu vermeiden. Die Zeit der
Taktik ſei vorüber, jetzt müßten Entſchlüſſe gefaßt werden. Unſer
Volk verlange nach Taten. Alle Stände haben
Opfer=
bereitſchaft gelobt, jetzt müſſen ſie es zeigen.
Einſchränkungen aller Art ſind notwendig. Was auf unſolider
Grundlage aufgebaut iſt, wurß verſchwinden. Das faule Waſſer
muß dem Wirtſchaftskörper abgezapft werden. Wenn wir nicht
ſelbſt die Kraft haben, dieſe Laſten auf uns zu legen, ſo werden
andere uns dazu zwingen. Aus nationaler Selbſtachtung müſſen
wir die Laſten auf uns nehmen, damit wir, nicht unter die
Peitſche des Bedrückers kommen. Die ungeheuere Laſt unſeres
Behördenapparates muß von der Wirtſchaft genommen werden.
Der Redner fordert eine
Reform des Reichstages,
deſſen Anſehen ſtark geſunken ſei.
Ein deutſcher Meiſtererzähler.
Zum 50. Todestage von Hermann Kurz, 11. Oktober,
C.K. In der klaſſiſchen Zeit der deutſchen Erzählungskunſt
um die Mitte des 19. Jahrhunderts iſt auch ein Meiſter
aufge=
treten, deſſen Größe als Erzähler erſt in unſerer Zeit mehr und
Darſteller des Schwabentums, ſeit deſſen Tode am 11. Oktober Schillers Heimatsjahre”, dieſe wundervolle Galerie ſchwäbiſcher
ein halbes Jahrhundert vergangen iſt. Während bei ſeinen
Leb=
zeiten nur wenige der Beſten die Größe ſeines Talents erkann= Vollendung fand trotz der vielen Schönheiten. Sein anderer
Ro=
ten, ſind ſeine Romane und Erzählungen jetzt in immer weitere
Kreiſe gedrungen, und er beſitzt heute ſeinen wohlverdienten
Platz unter den Klaſſikern der deutſchen Proſa=Epik. Seine Toche; was ihm glückte, aber der Schluß zeigt bereits deutlich die
Spu=
ter, die große Dichterin Jſolde Kurz, hat uns in ihrem ſchönen ren verſagender Kraft. Einige untadelige Meiſterwerke aber ſind
Erinnerungsbuch an den Vater ein ergreifendes Bild dieſer
echten Künſtlerperſönlichkeit geboten. Als der Held einer trau= lonia” in „St. Urbans Krug” oder den entzückenden „beiden
rigen und ſtillen, an inneren Seelenkämpfen und idylliſchen
Zwi=
ſchenſpielen reichen Geſchichte ſchreitet Kurz durch dieſe Blätter.
Es iſt eine ſchwäbiſche Geſchichte aus Alt=Württemberg, ſo ur= Erzähler von Gottes Gnaden, in dem die epiſche Stimmung der
ſchwäbiſch, wie nur er ſie hätte erſinnen mögen; ſie hebt, wie bei Biedermeierzeit ihren reifſten Ausdruck gefunden hat. Aber auch
Ulungen von alten Erinnerungen romantiſcher Vergangenheit, in
friſchem Spiel, unerſättlichem Leſen und glücklichem Leren ver= vollendete Ueberſetzungen von Arioſt, Shakeſpeare, von
Gott=
bracht, ein altväteriſchetrqutes Stilleben, wie es mit
unvergäng=
lichen Farben von ihm ſellbſt in ſeinen „Jugenderinnerungen”, nen zahlreichen kulturgeſchichtlichen Arbeiten verdient gegenwär=
und den wehmütigehumorvollen „Denk= und Glaubwürdigkeiten”, tig beſondere Beachtung das Büchlein „Aus den Tagen der
geſchildert iſt. Dann komntſt das Stift, die „unvermeidliche
Mauſefalle” der ſchwäbiſchen Dichter, und das Theologieſtudium,
das ebenſo „obligat” iſt. Kurz gehört zu den wenigen unter ſei= der Zeit Ludwigs XIV. in den ſchwäbiſchen Kreis geſchildert
nen Landleuten, die früh die engen Mauern des Philiſtertums wird. In ſeinem Vorwort, das von dem ſtolzen Gefühl der
durchbrachen: auts dem Stift ſeiner Unbotmäßigkeit entlaſſen, Siege von 1870 durchweht iſt, betont er, daß Deutſchland dem
Umwelt, läßt ſeim kleines Vermögen draufgehen und herrſcht als
das „blaue Genie” in einem luſtigen Literaten= und
Studenten=
kreis. Mit dieſem Schritt aus dem wohlbehüteten Gehege der
bürgerlichen Ordnung ſtellte er ſich aber in einen Gegenſatz zur
Heimat, der ihm eine Quelle äußerer Not und inneren
Zwie=
ſpalts wurde. Wie viele echte Dichternaturen in allen praktiſchen
Fragen hilſlos, hätte er zur Entfaltung ſeines reichen Talentes
einer geſicherten Lebensſtellung bedurft; aber erſt mit 50 Jahren
erlangte er einen beſcheidenen Unterbibliothekarspoſten — als her die neueſten Extravaganzen der Mode zu erlernen. Wenn
gebrochener, erſchöpfter Mann, zu ſpät! Die Zwiſchenzeit, die er er ſeinen Foxtrott, ſeinen Oneſtep und Walzer beherrſcht, ſo iſt
im harten Lebensbampf als Schriftſteller, Ueberſetzer und Redak= er vollkommen auf der Höhe. Die merkwürdigen Beſonderheiten,
Abg. Frölich (Kom.) ſieht in dem Ermächtigungsgeſetz die
Aufhebung des Parlamentarismus, den Tod der
Demokratie und den Beginn der Diktatur. Der
Red=
ner richtet heftige Angriffe gegen Stinnes, der mit den
Franzo=
ſen verhandele.
Abg. Müller=Franken (Soz.) teilt mit, daß die
Sozial=
demokratie bereit ſei, das Ermächtigungsgeſetz anzunehmen, weil
jetzt der letzte Verſuch gemacht werden müſſe, die raſch zum
Ab=
grund gleitenden Verhältniſſe zu meiſtern. Dazu gehöre auch die
Rettung der Währung, die nur Erfolg haben könne, wenn erſt
das Budget in Ordnung gebracht wäre. Der Redner fragt an, ob
die Zeitungsnachrichten über die Verhandlungen
deut=
ſcher Unternehmer mit den Franzoſen hinſichtlich
des Achtſtundentages richtig ſeien und ob ſie von Degoutte die
beſchämende Andwort erhalten hätten, daß er ſich in innerdeutſche
Angelegenheiten nicht einmiſche. Bei allen
Wirtſchaftsverhand=
lungen müſſe die Reichsregierung führend ſein. Das Vorrecht der
Staatsregierung mütſſe erhalten bleiben. Unter keinen
Um=
ſtänden dürfe zugelaſſen werden, daß einzalne
Intereſſenten unter dem Schutze der
franzöſi=
ſchen Bajonette ihren Vorteil ſuchen. Hier iſt der
Punkt, wo das Reichsjuſtizminiſterium zu prüfen hat, ob nicht
Landesverrat vorliege. (Beifall links.) Es geht nicht an,
daß jetzt die Induſtrie ſich vorſieht und eigene egoiſtiſche
Ziele verfolgt. Die Regierung muß hier auf dem Poſten ſein.
Der OttoWolff=Vertrag mit Degoutte iſt der ſchwerſte
Eingriff in die Reparationsfrage, die ausſchließlich
Sache der Regierung ſei.
Abg. Andre (Zentr.) weiſt darauf hin, daß ſich der
deutſch=
nationale Abgeordnete Graefe=Thüringen für die Diktatur
aus=
geſprochen habe.
Abg. Dr. Hugo (D. Vpt.) ſtimmt dem Geſetz nicht vom
Standpunkt der Partei, ſondern von dem des Vaterlandes zu.
Im Ermächtigungsgeſetz liege die Idee des Zuſammenſchluſſes,
um der Not des Vaterlandes zu begegnen. Es iſt keine Diktatur
im Sinne der ruſſiſchen, ſondern eine Diktatur der
Ver=
ſtändigung. Dem Einzelhandel könne man nicht die
Gold=
ma=krechnung verbieten, wenn ſie überall eingeführt werde. Daher
müſſe die Wuchergeſetzgebung aufgehoben werden.
Die Tabak= und zahlreiche andere Steuern müßten durch eine
geſtaffelte Warenumſatzſteuer gedeckt werden. Zur Hebung der
Kohlenwirtſchaft könne, wie die Kommuniſten glauben, auf die
Hebung der Kohlenproduktion nicht verzichtet werden. Wir haben
auf die Klärung dieſes im Erächtigungsgeſetz wur verzichtet,
weil wir hofften, daß das Parlament ſehr raſch handeln wird.
Abg. Wulle (deutſchvölk.) betont, daß Dr. Streſemann ſich
erſt am 8. Oktober mit aller Schärfe gegen den Gedanken der
Diktatur gewandt habe. Er habe alſo umgelernt. Man verbiete
überall die Zeitungen der Rechten, damit das Volk die Wahrheit
nicht erfahren ſoll. Die heutige Koalition werde
ſchon wegen des Arbeitszeitgeſetzes bald
ver=
ſchwinden. Alles werde hinter verſchloſſenen Türen gemacht
und nun wolle man ſogar dieſes Kaſtrierungsgeſetz
annehmen. Der Redner fragt, ob tatſächlich der Miniſter Albert
mit einem Schieber einen Vertrag geſchloſſen habe und Miniſter
Severing wirklich verfügt habe, daß Geſetze gegen den Willen der
Rheinlandkommiſſion nicht durchgeführt werden ſollen. Er fragt
weiter, ob der ruſſiſche Botzſchaftsrat, der Waffen an die
Kommu=
miſten geliefert hat, immer noch nicht abberufen ſei.
Innenminiſter Sollmann: Auf die Frage, ob deutſche
Geſetze im beſetzten Gebiet durchgeführt werden können, wird die
preußiſche Regierung antworten, wenn ſie es für notwendig hält.
Die Zeit, wo über Waffenkauf geſprochen werden kann, wird die
Regierung beſtimmen müſſen. Mit Herrn Wulle unterhalte ich
mich nicht über deutſche Ehre, weil er meinem Miniſterium ohne
ein Wort des Widerſpruchs ein Telegramm übermittelte, in
wel=
chem ein ganzer Landesteil drohte, ſich unter die Hoheit eines
fremden Staates zu ſtellen. (Bewegung.) Den Antrag Schiffer
bitte ich der Regierung zur Prüfung zu überweiſen. Wegen der
Dringlichkeit bittet der Miniſter, das Geſetz nicht an den
Aus=
ſchuß zu verweiſen. Die Regierung unterliege auch weiterhin
der Kontrolle des Reichstags, und ein Drittel der Abgeordneten
könne ſie zur Verantwortung ziehen. Jede Verordnung
müſſe auf Verlangen des Reichstags außer
Kraft geſetzt werden. Schon ein Drittel der
Mit=
glieder des Reichstages könne die Einberufung
des Parlaments verlangen. Von einer Diktatur im
üblichen Sinne könne nicht die Rede ſein. Gegen jeden
Verſuch einer illegalen Diktatur werde ſich die
Reichsregierung zur Wehr ſetzen. Ueber die
Ver=
handlungen der Induſtriellen mit General Degoutte fällte der
Redner noch kein endgültiges Urteil, weil die Regierung das
umfangreiche von der Induſtrie überreichte Material noch nicht
hat prüfen können und eine Antwort aus Paris und Brüſſel auf
das deutſche Verhandlungserſuchen noch nicht vorliegt. Den
Vorwurf der Kommuniſten, die Induſtriellen hätten Hochverrat
begangen, wies der Redner zurück. Weil das Volk am Abgrund
ſtehe, habe die Regierung den Willen, mit Hilfe dieſes Geſetzes
den Weg über den Abgrund zu ſchreiten. Der Redner ſchließt:
Geben Sie uns den Weg auf das rettende Ufer frei!
Die Abgg. Albers (deutſchntl.), Sohr (Bauernbund) und
Ledebour (ohne Partei) lehnen das Ermächtigungsgeſetz ab.
Bahyeriſcher Geſandter v. Preger: Die baheriſche
Regierung verwag dem vorgeſchlagenen Ermächtigungsgeſetz nicht
zuzuſtimmen. (Beifall rechts.) Sie trägt Bedenken, in die Hände
der Reichsregierung in ihrer gegenwärtigen Zuſammenſetzung ſo
weitgehende Vollmachten zu legen, zumal ſie ſich nicht auf
das=
jenige Gebiet erſtrecken ſollen, auf dem ſie am notwendigſten
wären. (Beifall rechts, großer Lärm links.)
Damit ſchließt die Ausſprache. Der Antrag Helfferich
(deutſchntl.) wird abgelehnt. Das Haus geht zur zweiten
Le=
ſung über.
Von den Kommuniſten wird beantragt, die Reichsregierung
ſolle gegen die Induſtriellen Stinnes, Glöckner, Vögler, Otto
Wolff uſw. und gegen die Bekeiligung induſtrieller Verbände
Anklage wegen Hochverrats, begangen durch
Verſtändigungsver=
ſuche mit Frankreich, beim Staatsgerichtshof erheben.
Abg. Hoch (Soz.) beantragt, die Erwerbsloſenfürſorge aus
der Ermächtigung herauszulaſſen.
Abg. Helfferich (deutfchntl.) ſtellt under Hinweis auf die
geſtrigen Ausführungen des Grafen Weſtarp nochmals feſt, daß
die Deutſchnationalen ſich gegsnüber der Vorlage ablehnend
ver=
halten müſſen. Die Legende, daß die Deutſchnationalen nur der
Regierung Cuno zuliebe die neuen Steuern bewilligt hätten, ſei
längſt widerlegt. Wir ſind heute das ärmſte Volk in ganz Europa.
Wir leben ſeit Jahren von der Subſtanz.
Abg. Andre (Ztr.) lehnt die deutſchnationalen Anträge ab=
Arbeitsminiſter Dr. Brauns verſpricht, keine grundlegende
Aenderungen in der Erwerbsloſenfürſorge vorzunehmen. Abg.
Koch=Weſer (Dem.) bedauert die ſchroffe Form der bayeriſchen
Erklärung. Abg. Merck (B. V.) lehnt das Geſetz ab, weil es
die Rechte der Länder in unerträglicher Weiſe beſchränke. Abg.
Maltzahn (Kom.) verwirft ebenfalls die Vorlage.
Das Erwächtigungsgeſetz wird in ſpäter Nachtſtunde
in zweiter Leſung erledigt. Nächſte Sitzung Mittwoch,
11 Uhr: Dritte Leſung des Ermächtigungsgeſetzes; kleine
Vor=
lagen.
Aus Bayern.
München, 9. Okt. (Wolff.) Die Wochenſchrift „
Heimak=
land”, das Organ des bayeriſchen Kampfbundes, das als
Er=
ſatzblatt für den verbotenen „Völkiſchen Beobachter” im
Straßen=
verkauf angeboten wird, iſt bis 14. Oktober verboten worden.
München, 9. Okt. (Wolff.) Die Polizei
beſchlag=
nahmte in einem Hauſe der Jahnſtraße mehrere Zentner
kommuniſtiſches Agitationsmaterial, das von der
Bepliner Zentrale nach München geſandt worden war.
München, 9. Okt. (Wolff.) Die Vorſtandſchaft und die
Redaktionsmitglieder der Mittelpartei kamen mit
Aus=
nahme von Dr Roths zu der einhelligen Auffaſſung, dem
Generalſtaatskommiſſar v. Kahr vollſtes Vertrauen
ent=
gegenzubringen. Auch in der Fraktionsſitzung der vereinigten
Fraktionen der Mittelpartei und der Deutſchen Volkspartei ergab
ſich hinſichtlich der Berufung Kahrs volle Uebereinſtimmung.
EU. München, 9. Okt. In der Preſſe iſt die Meldung
verbreitet, daß zahlreiche Ausweiſungen von Ausländern aus
Bayern erfolgt ſeien, beſonders aus Bad Kiſſingen. Dieſe
Nach=
richten ſind unzutreffend. Richtig iſt dagegen, daß den in Bad
Kiſſingen weilenden Gäſten aus Sowjetrußland eine
Verlänge=
rung der Aufenthaltsgewährung nicht mehr zugeſtanden
wor=
den iſt.
Neue Maßnahmen Kahrs.
München, 9. Okt. (Wolff.) Der Generalſtaatskommiſſar
von Kahr hat nunmehr auch in die Mißſtände der
Milchverſor=
gung Bayerns eingegriffen. Er hat umfaſſende Anordnungen
erlaſſen, die u. a. den Landwirten jede über den dringenden
Eigenbedarf hinausgehende Verarbeitung und Verfütterung
verbieten, die Wegnahme von Futtermaſchinen vorſehen und
ſäumige Landwirte mit erheblichen Strafen bedrohen. Der
Ver=
ſand von Milcherzeugniſſen innerhalb und außerhalb Bayerns
wird von der Genehmigung der Landesfettſtelle abhängig
ge=
macht. Zurzeit beſchäftigt ſich das Generalſtaatskommiſſariat
mit anderen wirtſchaftspolitiſchen Maßnahmen, die ſich vor
al=
lem gegen das Wucher= und Schiebertum richten.
Grober Anfug.
Berlin, 9. Okt. (Wolff.) Zu den Gerüchten über einen
geplanten Anſchlag auf das Berliner Börſengebäude wird
mit=
geteilt, daß am 2. Oktober eine Reinemachefrau am Eingang zur
Börſe ein Paket fand, das eine offene Konſervenbüchſe, ein paay
Nägel und ein Tütchen mit Schwarzpulver enthielt.
Wahrſchein=
lich iſt das ganze nur ein grober Unfug.
ſtehen. Es iſt ein Zeichen der unverwüſtlichen Friſche ſeiner
Be=
gabung, daß er unter ſo widrigen Umſtänden ſo Sonniges und
Friſches vollbrachte. In dem ſturmloſen Tübinger Lebensabend
konnte er nur noch weniges aus ſeiner reichen Lebensarbeit
ern=
ten; den faſt Sechzigjährigen erlöſte von ſeiner Nervenkrankheit
ein raſcher Tod.
Es war Kurz nicht vergönnt, uns eine ganz ausgereifte
mehr erkannt wird. Es iſt Hermann Kurz, der unübertroffene Frucht ſeines Schaffens zu hintenlaſſen. Sein großer Rowan
Charakterköpfe, iſt ein Jugendwerk, das nicht die künſtleriſche
man, der viel geſchloſſenere, in Charakteriſtik wie
Milieuſchilde=
rung unübertreffliche „Sonnenwirt”, iſt zweifellos das Schönſte,
ihm unter ſeinen Novellen geglückt, wie in der „Blaſſen Apol=
Tubus”, die ſo ganz die „Möriche=Stimmung” des ſchwäbiſchen
Biedermeiers atmen. Kurz war in erſter Linie Erzähler, ein
allen großen Schwaben, mit einer freundlichen Fugend an, um= ſonſt hat er uns viel Schönes geſchenkt, ſchlichte Lieder, die in
den Melodien ſeines Jugendfreundes Silcher fortleben,
form=
frieds „Triſtan und Iſolde”, die er kühn vollendete. Unter ſei=
Schmach, Geſchichtsbilder aus der Melac=Zeit”, in dem mit
dich=
teriſcher Anſchaulichkeit der ruchloſe Einfall der Franzoſen in
kehrt er ſich in überſchäumender Jugendluſt gegen die kleinliche weſtlichen Nachbar eigentlich für alle Vergewaltigungen dankbar
ſein müſſe, denn „die Angriffe von Frankreich her haben
Deutſch=
land weſentlich auf ſeinem Wege zur Einheit gefördert, und die
bittere Arznei, die dem geliebten Kranken auf dieſe Weiſe
ge=
reicht wurde, hat ihn ermutigt und geſtärkt”.
C.K. Das neueſte Program im Ballſaal. Wer in dieſem
Winter zu einem Ball geht, wird es nicht mehr nötig haben,
vor=
teur verbrachte, ließ ſeine beſten und lebensvollſten Werke ent= auf deren Ausführung man eine Zeitlang ſo ſtolz war; ſind jetzt
aus dem Ballſaal verbannt, und der eleganteſte Tanz iſt
der=
jenige, der am ſchlichteſten und am ruhigſten ausgeführt wird.
Foxtrott und Walzer werden die beliebteſten Tänze der neuen
Saiſon ſein. Eine neue Form des Foxtrotts, von der bereits
viel die Rede war, der ſog. „blque”, wird zu einem melodiſchen
und langſamen Rhythms getanzt, der aus den Südſtaaden von
Amerika ſtammt; er iſt feierlicher und weniger akzentiert als der
gewöhnliche Foxtrott. Bei dieſer Gelegenheit hebt ein
amerika=
niſches Blatt hervor, daß man den Foxtrott überhaupt falſch
tanze; er ahme nicht, wie man allgemein annimmt, den Gang
eines Fuchſes nach, ſondern lehne ſich an die beſondere Gangart
des qmerikaniſchen Pferdes an und habe daher etwas Steifes
und Abgehacktes. Dieſe Nuance wird jetzt zugunſten runderer und
ſchmiegſamerer Bewegungen aufgegeben. Der Walzer, wie er
jetzt getanzt wird, iſt von dem Lieblingstanz unſerer Eltern ſehr
verſchieden. Er wird mit mannigfachen Variationen getanzt, die
in den ununterbrochenen Fluß der Bewegung allerlei Pauſen
und Hemmungen einlegen. Der neue Tanz, auf den man
allge=
mein wartet, iſt noch nicht erſchienen; er wird erſt kommen, wenn
ein wirklich neuer Rhythmus dafür gefunden iſt.
C.K. Das muſikaliſche Taſchentuch. Ein Kamm oder ein
Stück Fließpapier iſt zwar ſchon immer von mehr muſikliebenden
als muſikverſtändigen Perſonen zum Erzeugen von Tönen benutzt
worden. Aber was bedeuten dieſe primitiven Muſikinſtrumente
gegen die neueſte Erfindung der Art gegen das muſikaliſche
Taſchentuch? Wie eine engliſche Zeitſchrift mitteilt, kann ein
Taſchentuch oder auch ein Kiſſenüberzug durch einen einfachen
Prozeß in einen Erzeuger des herrlichſten Wohllautes
verwan=
delt werden. Es wird nämlich das Taſchentuch in eine Art
Grammophonplatt verwandelt und dann auf ein Grammophon
aufgelegt, worauf es die ſchönſten Weiſen ſpielt, wie eine richtige
Platte. Bei einer Vorführung dieſes Patentes wurde ein
ſeide=
nes Taſchentuch, auf dem ein bekanntes klaſſiſches Muſikſtück von
dem Grammophon geſpielt worden war, von der Maſchine
ab=
genommen, durch das Zimmer geworfen, wieder aufgehoben und
von neuem in die Maſchine eingeſetzt, worauf es ebenſo zart und
richtig das Stück noch einmal ſpielte. Mit Hilfe einiger leinener
Kiſſenüberzüge wurde ein großartiges Konzert auf dem
Grammo=
phon veranſtaltet. Die neuen Platten, die aus muſikaliſchen
Taſchentüchern beſtehen, ſollen nach der Mitteilung des Blattes
faſt unzerſtörbar ſein und keinen beſonderen Schutz beim
Trans=
port brauchen. Man kann alſo das muſikaliſche Taſchentuch
zu=
ſammengefaltet in die Taſche ſtecken und dann in der Geſellſchaft,
wenn ein Grammophon vorhanden iſt, die
ten muſikaliſchen
Wirkungen hervorrufen.
Seite 4.
Stadt und Land.
Darmſtadt, 10. Oktober.
Beiträge zur Invalidenverſicherung.
In der letzten Zeit ſind durch die Tagespreſſe
Bekannt=
machungen über die Höhe der Beiträge zur
Invalidenverſiche=
wing veröffentlicht worden, die durch neuere Verordnungen des
Reichsarbeitsminiſters überholt ſind. Nach dieſen iſt durch den
Reichsarbeitsminiſter am 29. September 1923 angeordnet
wor=
den, daß mit Wirkung vom 1. Oktober 1923 ab in den Lohnklaſſen
40 bis 50 der Jahresarbeitsverdienſt, die Beiträge und der
Geld=
wert der Beitragsmarken verzehnfacht wird.
Es kommen daher für die Invalidenverſicherung als
Wochen=
beiträge zur Erhebung:
Lohnkl. 40 (J. A. V. D. von 14 400 Mill. bis zu 18 000 Mill.) — 5,7 Mill.
Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 10. Oktober 1923.
n 41 (, n „ „ 18 000 n „ „ 24000 7,4 n 42(, „ 24000 n 36 000 10,6 „ 43 ( 36 900 * „ 48000 „ 14,8 44 ( 48000 n „ 60 000 n 19,0 45 ( 60 000 n „ 84000 25,0 46 ( 84000 „ „120 000 36,0 47 ( „ „ 120 000 n „180000 52,0 48(, „ „ 180 000 n „240000 74,0 49 (, nn „ „ 240000 „ „ „ 300000 n 94,0 n 50 („ N n „üb. 300 000 1116,0 Mit Wirkung vom 1. Oktober 1923 ab gilt für Verſicherte der
Lohnklaſſen 1 bis 39 die 40. Lohnklaſſe mit der Maßgabe, daß
für Verſicherte, deren Jahresarbeitsverdienſt den Betrag von
14 400 Millionen Mark nicht erreicht, Beitragsmarken der
Lohn=
klaſſe 36 zu verwenden ſind. Die Beiträge und der Geldwert der
Beitragsmarken in dieſer Lohnklaſſe werden aber mit Wirkung
vom 1. Oktober 1923 verzehnfacht, ſo daß der Beitrag in
Lohn=
klaſſe 36 — 1400000 Mark wöchentlich beträgt.
Für die freiwillige Weiterverſicherung ſind ab 1. Oktober 1923
mindeſtens Beitragsmarken der Lohnklaſſe 40 zum Preiſe von
5 700 000 Mark zu verwenden.
Auch für Beitragszeiten vor dem 1. Oktober 1923 werden
durch die Poſdamſtalten nur noch Beitragsmarken nach Maßgabe
dieſer Verordnung verkauft, d. h. mit dem zehnfachen Betrage
des Nennwertes der Beitragsmarken.
— Die Volkshochſchule Darmſtadt hat mit dem 1. Oktober ein neues
Geſchäftsjahr begonnen und eröffnet am 22. Oktober einen neuen
Unter=
richtsabſchnitt. Der neue 7. Arbeitsplan enthält Vor= und Nechkurſe,
Vortragsreihen und Arbeitsgemeinſchaften, die auf allen
Wiſſensgebie=
ten unterrichten ſollen. Sie ſtehen jedermann zu den im Plan
an=
gezeigten Bedingungen offen. Mitglieder genießen eine Ermäßigung
der Gebühren von 20 Prozent. Anmeldungen zur Mitgliedſchaft
wer=
den ſchon jetzt, zu den Kurſen ab 10. Oktober in der Geſchäftsſtelle der
Volkshochſchule, Wilhelminenſtraße 3, in der Zeit von 9—1 und 4—7
Uhr entgegengenommen. Wenn auch die Geldnot der heutigen Zeit
Bildungsbeſtrebungen nicht gerade günſtig iſt, ſo iſt doch wohl
jeder=
mann überzeugt von der Notwendigkeit des Erwerbs gediegene=
Kennt=
niſſe und einer möglichſt umfaſſenden Allgemeinbildung. Daher iſt es
Pflicht aller Volkskreiſe, die Erhaltung der Volkshochſchule nach
Kräf=
ten zu ſichern.
— Ausſtellung Mathildenhöhe. Die geſtrige Verlängerung der
Aus=
ſtellungsdauer mußte wieder aufgehoben werden. Die Ausſtellung iſt
heute abgebrochen und geſchloſſen worden, weil die Räume des
Olbrich=
baus für andere wichtige Zwecke, die ſich überraſchend aus einer Notlage
ergeben haben, von der Stadt vergeben werden mußten. Vielleicht wird
es ſich ermöglichen, die Kunſtſchätze der beiden Sammlungen im Frühjahr
v. H.
erneut zu zeigen.
— Die Freie Literariſch=Künſtleriſche Geſellſchaft weiſt nochmals auf
den heute, Mittwoch, 7½ Uhr, im Mathildenhöhſaale ſtattfindenden,
mit Rezitation verbundenen Vortrag von Profeſſor Hans Weichelt=
Marburg über „Nietzſche-Zarathuſtra” hin. Als zweite Veranſtaltung
iſt für nächſten Donnerstag, 18. Oktober, der Tanzabend von Trudi Moos
vorgeſehen.
wb. Erhöhung der Telegramm= und Fernſprechgebühren. Die
Reichs=
poſt= und Telegraphenverwaltung erhöht ab 12. Oktober die
Tele=
gramm= und Fernſprechgebühren erneut. Geſvöhnliche Telegramme im
Fernverkehr koſten 16 Millionen Grundgebühr und 8 Millionen
Wort=
gebühr. Für Ortsgeſpräche werden 10 Millionen berechnet. Die anderen
Gebühren erhöhen ſich entſprechend.
C. Die kürzlich ſtattgehabte Ergänzungswahl zum Kirchenvorſtand
der katholiſchen Pfarrei St. Martin (Beſſungen) fiel auf folgende Herren:
Miniſterialrat Kirnberger als ſtändiges Mitglied anſtelle des
verſtorbe=
nen Fabrikanten C. Meiſenzahl, ferner auf Bankdirektor Loy, Profeſſor
Wurm, Geometer Kremer, Oberbauſekretär Ritter und Dr. H. Küchle.
— Der Vorſtand des Kriegervereins Darmſtadt verſammelte am
Samstag, 6. Oktober, ſeine Mitglieder und Freunde nebſt den Damen
im Grünen Saal bei Chriſt zu einem gemütlichen Beiſammenſein.
Wie=
der hatte er es verſtanden, die zahlreich Erſchienenen durch ein
kwechs=
lungsreiches Programm zu unterhalten. Die Sängerin Frau Orth
zeigte im Vortrag einige Lieder ihr ſchönes Können, von Frl.
Schä=
fer verſtändnisvoll begleitet. Herr Worret, Mitglied der
Lieb=
haberbühne, trug trefflich und temperamentvoll einige zeitgemäße
Ge=
dichte vor, die großen Beifall fanden. Der Hauptſchlager aber war der
Vortrag von Gedichten und Geſchichten unſeres Darmſtädter
Lokal=
dichters Robert Schneider, die durch ihren würzigen Humor auf
einige Stunden die trübe Zeit vergeſſen ließen. Gemeinſame Geſänge
und Muſikvorträge rahmten die einzelnen Nummern ein. Und in
kameradſchaftlicher Unterhaltung wurden alte und neue Erlebniſſe und
Erinnerungen ausgetauſcht. Zu raſch verfloſſen die Stunden in dem
Geiſte, dem ſie geweiht waren: Kameradſchaft! Hell tönte es beim
Ab=
ſchied: Auf Wiederſehen bei der nächſten Veranſtaltung!
— Stiftungsfeier. Das 25jährige Beſtehen feierte, wie bereits
mit=
geteilt, die Kaufmänniſche Stenographen=Geſellſchaft „
Gabelsber=
ger” E. V. Die Jubiläumsfeier wurde eingeleitet durch einen
Feſt=
abend für die Mitglieder, der am Samstag, 6. Oktober, im
Fürſten=
ſaal” ſtattfand und ſich eines außerordentlichen Beſuchs erfreuen durfte.
Hunderte von Beſuchern mußten wegen Ueberfüllung des Saales
um=
kehren. Eine größere Anzahl Mitglieder hatten ſich für dieſen Abend
in den Dienſt der guten Sache geſtellt, um durch Einzelvorträge uſw.
den Abend verſchönern zu helfen. Der erſte Vorſitzende konnte in ſeiner
Begrüßungsanſprache feſtſtellen, daß die Beſtrebungen der Geſellſchaft
innerhalb und außerhalb der Mitglieder Anerkennung und Beifall
gefunden haben, und ſich der Verein beſonders in den letzten Jahren
nicht nur zu einer maßgebenden Körperſchaft Darmſtadts, ſondern weit
darüber hinaus, zu einer der größten ſtenographiſchen Organiſationen
Deutſchlands entwickelt hat. Sowohl der Gründer der Geſellſchaft,
Kammerſtenograph M. Winkler=Heidelberg, als auch die
anweſen=
den Mitgründer: Direktor Wagner=Worms und Ingenieur Kraft=
Darmſtadt, zollten den Fortſchritten anerkennende Worte. Der
der=
zeitige erſte Vorſitzende M. Weber, der das Amt ſeit 15 Jahren
inne hat, wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Der Abend verlief in
ſchönſter Weiſe. — Der Feſtakt am Sonntag, 7. Oktober, vorm. 11 Uhr,
im großen Saal des Städtiſchen Saalbaus, war von Vertretern
ſtaat=
licher und ſtädtiſcher Behörden, von Handel und Induſtrie, Verbänden,
Gewerkſchaften und befreundeten Vereinen und Mitgliedern ſtark.
be=
ſucht. Eingeleitet wurde derſelbe durch den Chor „Das iſt der Tag
des Herrn” von der „Liedertafel” unter Grims Leitung. Fräulein Ellen
Kiesling erfreute die Feſtverſammlung durch mehrere Lieder für
Sopran, die ſtarken Beifall fanden. In der Begrüßungsanſprache wies
der erſte Vorſitzende zunächſt darauf hin, daß die Abhaltung eines
Feſtes in den heutigen ſchwierigen Zeitverhältniſſen unker Umſtänden
verübelt werden könnte; da der Verein aber durch ſeine berufliche
Bil=
dungsarbeit eine Sonderſtellung einnehme, dürfte die Freude an dem
Gelingen auch in ſchwerer Zeit nicht verſagt werden, zumal die
Be=
ſtrebungen der Geſellſchaft darauf hinausgingen, die geiſtigen Waffen
ſeiner Mitglieder zu ſchärfen. Mit den Waffen des Geiſtes habe ſich
Deutſchland den Vorrang in der Welt erobert; dieſe Waffen wieder zu
ſchärfen und ſo am Wiederaufbau des Vaterlandes mitzuhelfen, ſei eine
der vornehmſten Aufgaben der Geſellſchaft. Den Feſtvortrag hielt der
Vorſtand des Stenographiſchen Bureaus der Heſſiſchen Volkskammer,
Herr Regierungsrat E. Schaible. Die vortrefflichen und für jeden
Stenographen außerordentlich lehrreichen Ausführungen „Ueber die
Beziehungen der Gabelsbergerſchen Stenographie zur deutſchen Sprache‟
fanden lebhaften Beifall. Hieran ſchloſſen ſich die Beglückwünſchungen.
Es ſprachen für das Landesamt für Bildungsweſen Herr Regierungsrat
Schaible, für die Handelskammer Darmſtadt Herr Syndikus Dr.
Hu=
man, für die Darmſtädter Induſtriellenvereinigung Herr Direktor May.
für den Gewerkſchaftsbund der Angeſtellten Herr Jayme, für die
Turn=
geſellſchaft Herr Lehmann, für die „Liedertafel” Herr Mitze und für die
Stenographen=Vereinigung Herr Kreutz. Außerdem waren eine große
Anzahl ſchriftliche Glückwünſche und Drahtgrüße von Behörden,
Ver=
bänden, Vereinen, Firmen und auswärtigen Mitgliedern eingetroffen.
Die Verdienſte des erſten Vorſitzenden hoben der Gründer der
Geſell=
ſchaft und Herr Direktor Wagner in außerordentlich anerkennenden
Worten hervor und überreichten Herrn Weber im Namen der Mitglie=
der eine wertvolle Standuhr. Der Gefeierte dankte in bewegten
Wor=
ten. Ein weiterer Chor der „Liedertafel” beſchloß die würdig
ver=
laufene Feier. — Zum 25jährigen Beſtehen hat die Geſellſchaft eine
Vereinsgeſchichte herausgegeben, die den erſten Vorſitzenden
zum Verfaſſer hat. — Ein überaus gut beſuchter Feſtball in ſämtlichen
Räumen des Städtiſchen Saalbaues gab dem Feſte den Abſchluß.
kl. Der Heſſen=Naſſauiſche Stenographen=Verband für das unbeſetzte
Verbandsgebiet hielt am Sonntag in Frankfurt eine
Vertreter=
verſammlung ab. Aus dem Geſchäftsbericht der Verbands=
Ge=
ſchäftsſtelle ging hervor, daß die Gabelsbergerſche Bewegung trotz der
Ungunſt der Zeitverhältniſſe beſonders im Freiſtaat Heſſen gute
Fort=
ſchritte gemacht hat. Vornehmlich wurden die Erfolge im Bezirk
Darm=
ſtadt lobend hervorgehoben. Die ſonſtigen Beratungen betrafen
größ=
tenteils verwaltungstechniſche Fragen.
— Orpheum — Operettengaſtſpiel. Infolge des
außer=
gewöhnlich großen Erfolgs, den die beiden Aufführungen der „
Poſt=
meiſterin” fanden, wird dieſe Operette am nächſten Samstag, 13., und
Sonntag, 14. Oktober, wiederholt.
* Nuhrkinder in Heſſen. Ende Juli brachte ich über 700
Volksſchul=
kinder aus Duisburg in den Odenwald. Sie ſollten ſich hier erholen
und kräftigen. Die Hoffnungen wurden erfüllt. Vor wenigen Tagen
holte ich rotwangige Buben und Mädchen mit gebrannten Geſichtern
ab. Kräftige Bauernkoſt, würzige Odenwaldluft und warme
Heſſen=
ſonne haben das Wunder vollbracht. Mancher Vater und manche
Mut=
ter haben mir bei der Ankunft in der Heimat dankbar die Hand
ge=
drückt. Der Dank gebührt den Pflegeeltern im Odenwald, die den
Kindern Vater und Mutter geweſen ſind; Dank gebührt dem Heſſiſchen
Bauernbund, deſſen Geſchäftsſtelle in Darmſtidt unermüdlich um das
große und ſchöne Werk tätig geweſen iſt. Die ſchönen Tage von Heſſen
ſind nun vorüber. „Im nächſten Jahre gehen wir wieder nach Heſſen”,
ſo lautet der Wunſch aller Kinder. Dieſer Wunſch ſugt am beſten, wie
es den Kindern im Heſſenland gefallen hat. Ich hoffe, daß der Wunſch
in Erfüllung geht. J. Geiſer, Lehrer in Duisburg.
Apfelwein. Nach Mitteilung der Abteilung für polizeiliche
Nah=
rungsmittelkontrolle an der Heſſiſchen Chemiſchen Prüfungsſtation für
die Gewerbe (früher Chemiſches Unterſuchungsamt Darmſtadt) werden
bei Ausführung der Nahrungsmittelkontrolle häufig Apfelweinproben
ermittelt, welche durch Zuſatz von erheblichen Mengen Waſſer bzw.
Treſterauszug geſtreckt ſind. Da es einzelnen Erzeugern vermutlich
nicht bekannt iſt, daß ein übermäßiger Wäſſerzuſatz zum Apfelſvein nach
dem Nahrungsmittelgeſetz vom 14. Mai 1879 als Verfälſchung
anzu=
ſehen iſt, und ein ſolcher Apfelwein daher beanſtandet werden muß, ſo
werden die Apfelweinerzeuger, ſowie auch die Kleinverkäufer darauf
hingewieſen, daß unter Apfelwein nur der aus reifen Aepfeln
ausge=
preßte und vergorene Apfelſaft ohne Zuſatz von Waſſer oder Zucker zu
verſtehen iſt. Es wird jedoch geſtattet, daß die Treſter nach der erſten
Preſſung mit einer geringen Menge Waſſer verſetzt, zum zweiten
Male ausgepreßt und dieſe Preſſung mit der erſten Preſſung vereinigt
wird. Die zugegebene Waſſermenge ſoll jedoch 10 Prozent der
erhal=
tenen erſten Preſſung nicht überſteigen. Im allgemeinen iſt
anzuneh=
men, daß 100 Kilo Aepfel etwa 70 Liter Saft ergeben. Sollte es
not=
wendig erſcheinen, daß die Aepfel vor der Kelterung mit Waſſer
be=
feuchtet werden, ſo iſt es nur ſtatthaft, das Kelterobſt anzuſpritzen, nicht
aber mit einer größeren Menge Waſſer zu übergießen. Bei
Anwen=
dung dieſes Verfahrens iſt beim zweiten Preſſen eine geringere Menge
Waſſer als 10 Prozent zuzuſetzen. Mit Waſſer oder Treſterauszug
ge=
ſtreckte, alſo verfälſchte Apfelweine neigen ſehr leicht zum Eſſigſtich und
ſind daher leicht dem Verderben ausgeſetzt. Das vorſtehende
Herſtel=
lungsverfahren gilt für Apfelwein, welcher feilgehalten und derkauft
wird, nicht aber für ſolche Apfelweine, die ausſchließlich als Haustrunk
Verwendung finden ſollen.
Das Chemiſche Unterſuchungsamt für die Prodinz Starkenburg
hat ſeit dem 1. Juni 1923 aufgehört als ſelbſtändige Anſtalt zu beſtehen.
Es iſt von dieſem Tage an mit der ſtaatlichen Heſſiſchen Chemiſchen
Prüfungsſtation für die Gewerbe vereinigt. Dieſe Anſtalt wurde
in=
folgedeffen in zwei Abteilungen geteilt, von denen die eine als
Abtei=
lung für chemiſch=techniſche Unterſuchungen der Leitung des Herrn Dr.
L. Walter, die andere als Abteilung für die polizeiliche Kontrolle
von Nahrungs= und Genußmitteln der Leitung des geprüften
Nahrungs=
mittelchemikers Herrn Profeſſor Dr. A. Kreutz unterſtellt iſt. Die
Geſamtleitung der vereinigten Anſtalten wird von dem Direktor Herrn
Profeſſor Dr. W. Sonne wahrgenommen.
— Der Verein der Hundefreunde von Darmſtadt und Umgegend
für Raſſezucht=, Polizei=, Schutz= und Gebrauchshundeweſen (E. V.) hält
am Sonntag, den 14. Oktober, nachmittags um halb 2 Uhr, auf dem
Gelände des Pferdemarktes (Holzhofallee) eine interne Polizei=
und Schutzhundvorführung ab. Gezeigt werden
Gehor=
ſamsübungen und Mannarbeit. Die Mitglieder, Freunde und Gönner
der Sache ſind hierzu freundlichſt eingeladen.
Lokale Veranſidltungen.
Die diterunter erſchelnenden Nofizen ſind arsſihüeßiich aßs Sihnmeiſe auf Amsienn m bch
in keinem Falls irgenbwir als Bebrecmg oder RM.
— Stadtmiſſion. Am Freitag abend 8 Uhr findet im großen
Saale der Stadtmiſſion, Mühlſtraße 24, ein deklamatoriſch=muſikaliſcher
Abend für die Ausgewieſenen ſtatt. Diesmal ohne Bewirkung. An
demſelben Abend ſpricht Herr Dr. Avemarie in der Stadtmädchenſchule
in Beſſungen abends halb 9 Uhr. Sonntag abend 8.30 Uhr findet die
Mitgliederverſammlung anſchließend an einen kurzen Vortrag ſtatt.
v. Eberſtadt, 7. Okt. Verſammlungsverbot. Die
Kommu=
niſtiſche Partei, Ortsgruppe Eberſtadt, wollte geſtern abend im „
Schwa=
nenſaale” eine öffentliche Volksverſammlung abhalten. Die Abhaltung
dieſer Verſammlung iſt aber auf Grund der Verordnung über den
Be=
lagerungszuſtand verboten worden.
vEberſtadt, 8. Okt. Bauweſen. An der hieſigen Main=
Neckar=
bahn ſoll, wie bereits berichtet, ein Doppelwohnhaus für
Eiſenbahn=
beamte errichtet werden. Mit den Grundarbeiten iſt heute morgen
be=
gonnen worden.
B. Dieburg, 8. Okt. Die hieſige Ortsgruppe des
Odenwald=
klubs kann jetzt auf vier Jahre ſeit ihrer Neugründung zurückblicken.
Aus dieſem Anlaß fand im „Mainzer Hof” der erſte diesjahrige
Vor=
tragsabend ſtatt, den Herr Oberſtudiendirektor Kiſſinger von
Darm=
ſtadt beſtritt. Der Vorſitzende der Ortsgruppe, Herr Amtsgerichtsrat
Becker, hieß den Gaſt willkommen und ſprach von der Tätigkeit der
Orts=
gruppe auf dem Gebiet der Volksbildung und Jugendpflege, die ſie ſeit
den vier Jahren ihres Beſtehens ausgeübt hat. Dann hielt Herr
Direk=
tor Kiſſinger einen Vortrag über „Jugendwandern und
Ju=
gendherbergen”, der, getragen von einem innigen
Naturempfin=
den und von warmer Liebe für die Jugend, viel wertvolle, ſchöne
An=
regungen brachte. Illuſtriert wurde der Vortrag durch eine große
An=
zahl Lichtbilder, die Szenen von Schülerwanderungen, Naturſtimmungen
und Landſchaftsildern brachten. Dem Beifall der Hörer ließ der
Vor=
ſitzende Worte des Dankes folgen. Umrahmt war der erſte
Vortrags=
abend von muſikaliſchen Darbietungen der Klubkapelle (drei Violinen und
Klavier), die klaſſiſche Muſik, aus Mozarts „Entführung” Beethovens
„Fidelio” und „Egmont” und Mendelsſohns „Sommernachtstraum” unter
lebhaftem Beifall der Hörer vortrug. Die Ortsgruppe Dieburg zeigte
mit dieſem Abend wiederum, mie man praktiſche Volksbildung treibt.
R. Ober=Sensbach, 7. Okt. Die Hofmühle, die dieſer Tage
zwangsweiſe, zur Verſteigerung kam, iſt von der Gemeinde für das
Höchſtgebot von 70,5 Milliarden erworben worden.
0-. Seligenſtadt, 8. Okt. Ein Brand und ſeine Folgen.
In einer der letzten Nächte brannte die Feldſcheune des Landwirts Fecher
ab. Als mutmaßlicher Brandſtifter wurde der Invalide L. bezeichnet.
Er wurde ſchließlich auch von der Polizei verhaftet. Die üble Nachrede
nahm er ſich jedoch, ohne daß eine Unterſuchung ſeine Schuld oder
Nichtſchuld feſtgeſtellt hätte, ſo zu Herzen, daß er ſich in ſeiner Zelle
erhängte.
rh. Worms, 8. Okt. Rieſenſchiebung. Einem größeren
Schie=
bergeſchäft iſt man hier auf die Spur gekommen; es konnte in letzter
Minute noch glücklicherweiſe entdeckt werden. Eine Großfirma in
Zwei=
brücken hatte 30000 Tonnen Stahl im hieſigen Hafen lagern. Als die
Ware dieſer Tage abgeholt werden ſollte, war ſie verſchwunden. Die
Polizei konnte jedoch die Spuren verfolgen und feſtſtellen, daß die Ware
bereits durch mehrere Hände gegangen war. Zirka 20 Perſonen konnten
als an dem Schiebergeſchäft beteiligt feſtgeſtellt werden. Der Stahl
konnte größtenteils wieder beſchafft werden.
th. Nieder=Ingelheim (Rhemheſſen), 8. Okt. Obſtdiebſtahl.
Hier wurde auf einem Acker, der einer armen Wittfrau gehört, ein
Apfelbaum mit ungefähr 4 bis 5 Zentnern Obſt vollſtändig von
unbe=
fugter Hand abgeerntet. Die Beute muß auf einem Wagen abgefahren
worden ſein.
th. Bingen, 8. Okt. Ein Schwindler treibt ſeit längerer Zeit
ſein Unweſen, ohne daß man bis jetzt ſeiner habhaft werden konnte. Er
ſchwindelt den Leuten, beſonders auf den Ortſchaften in der
Nachbar=
ſchaft, vor, alte Zahngebiſſe zu kaufen und entwendet dabei Platinſtifte
und ſonſtige Erſatzſtücke
R. Friebberg, 8. Okt. Geſchäftsjubiläum. Die Firma
Fuendling=Rüſter konnte in dieſen Tagen auf ein 50jähriges Beſtehen
zurückblicken. Bis zum Kriegsausbruch war die Firma die einzige in
Heſſen, die Einrichtungen für Laboratorien und Schulen ſelbſt
her=
ſtellte.
R. Geiß=Nidda, 7. Okt. Die Denkmalsfrage iſt jetzt dahin
entſchieden worden, daß das Denkmal vor die Kirche zu ſtehen kommt.
Die Namen der Gefallenen werden in die Sandſteinquadern auf beiden
Seiten eines Fenſters eingehauen, vor das Fenſter kommt eine
entſpre=
chende Sandſteinarchitektur mit Inſchrift.
Parlamentariſches.
* Dem Landtage ſind eine Anzahl Vorlagen zugegangen.
Eine Regierungsvorlage regelt die Gebühren und Auslagen in
Pacht=
einigungsſachen vom 13. Auguſt 1923; eine Notverordnung betrifft die
Erhebung von Verzugszuſchlägen zu Landes= und Gemeinde=Abgaben.
Ueber die Eingruppierung der Beamten iſt eine Aenderung zur
Be=
ſoldungsordnung erſchienen. Eine Regierungsvorlage ſieht die
Aende=
rung des Heſſiſchen Gerichtskoſtengeſetzes vor, wonach die
Geldentwer=
tung berückſichtigt wird. In der Gruppierung der Juſtizſekretäre iſt
ein Verſehen unterlaufen, deſſen Richtigſtellung in einer
Regierungs=
vorlage vorgeſehen iſt. Aus einer Regierungsantwort zur Anfrage des
Abg. Nuß, betr. die Notlage der Penſionäre, und Anfrage Hattemer,
betr. Auszahlung der Bezüge für Penſionäre und Hinterbliebene, geht
hervor, daß entſprechende Abhilfe getroffen iſt. Eine längere
Regie=
rungsantwort ergeht zur Anfrage Widmann=Kaul über die Verſorgung
der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Der Verſorgung mit Kartoffeln
wird beſondere Aufmerkſamkeit geſchenkt, beſonders aus
Norddeutſch=
land ſollen Winterkartoffeln eingeführt werden. Ueber die Kreditfrage
ſchweben Verhandlungen mit der Kartoffelkreditbank. Der
Wiederein=
führung der Zwangswirtſchaft wird, ſoweit geſetzliche Beſtimmungen
es zulaſſen, nähergetreten. Wenn auch die Brotverſorgung am 15. 10.
aufhört, wird die zu bildende Reichsreſerve Rückhalt bieten, daß
Stok=
kungen vorgebeugt wird. Aus der Antwort auf die Anfrage Lang geht
hervor, daß die knappe Zufuhr von Mehl die Bücker nicht in die Lage
verſetzte, erſt nach 24 Stunden das Markenbrot zu verkaufen. Der
Miß=
ſtand iſt auf den warmen Genuß des Brotes zurückzuführen.
Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Wir berichteten ſeinerzeit über das Auftreten eines angeblichen
Kapitänleutnants und Militärattachees Gerhard von Voß, durch den
eine Reihe von Großinduſtriellen in Pommern und Mecklenburg
heim=
geſucht worden waren. Der Schwindler gab ſich als
Preſſevertre=
ter des Auswärtigen Amtes aus. Jetzt legte er ſich auf einen anderen
Schwindel. So erſchien er bei der Dresdener Kriminalpolizei und
er=
zählte dieſer, daß er mit Perſonen, die an der Flucht des
Kapitänleut=
nants Ehrhardt aus Leipzig beteiligt waren, Fühlung habe, und ſtellte
ſich der Polizeibehörde zuu Verfügung. Er hatte damit gerechnet, große
Vorſchüſſe zu bekommen. Er wurde aber von der Kriminalpolizei, der
er ſich als Hauptmann Wieſe vorſtellte, entlarvt und in Haft
genvm=
men. Der Schwindler wurde jetzt feſtgeſtellt als ein 26 Jahre alter
Hauptmann Weiß, der Sohn achtbarer Eltern.
Eröffnung des Zentralflughafens in Berlin.
Mit einer ſchlichten Einweihungsfeier wurde heute vormittag der
Zentralflughafen auf dem Tempelhofer Feld, dem Luftverkehr
übergeben. In dem Aufenthaltsraum des Verwaltungsgebäudes, wo ſich
Vertreter des Reichsverkehrsminiſteriums, der beiden
Luftfahrtgeſellſchaf=
ten und der Preſſe ſowie Vertreter der engliſchen Botſchaft verſammelt
hatten, begrüßte namens der Stadt Berlin Stadtbaurat Dr. Adler die
Erſchienenen mit einer kurzen Anſprache, in der er auf die Bedeutung
dieſes für Berlin beſonders wichtigen Augenblickes hinwies und nach
einer kurzen Schilderung der Schwierigkeiten, die ſich dem Projekt in den
Weg geſtellt hatten, des Pioniers der deutſchen Luftfahrt, Otto
Lilien=
thal, gedachte. Nach ihm ergriff namens des Aeroklubs von Deutſchland
Major v. Tſchudi das Wort, der an die Schaffung des erſten deutſchen
Flugplatzes in Johannisthal erinnerte und in der Schaffung des neuen
Flughafens die Zentraliſierung des Berliner Luftverkehrs begrüßte.
Im Anſchluß daran erfolgte zum erſtenmale der fahrplanmäßige Start.
Um 10.30 Uhr ſtartete die Junkers=Maſchine D. 43 mit 2 Paſſagieren
nach Nürnberg—München mit Anſchluß nach Genf—Wien-Budapeſt und
von dort nach Konſtantinopel. Zehn Minuten ſpäter ſtartete der
Dor=
nier=Komet D. 248 des Deutſchen Aero=Lloyd mit drei Fluggäſten nach
Danzig und Königsberg mit Anſchluß nach Petersburg und Moskau.
Amerlkanlsche Reglerungsdampfen
MAcH NEU VORK
von Southampton — Cherbourg
LEVIATHAN
*
30. Oktober,
20. November,
15. Dezember
Von Bremen üb. Southampton u. Cherbourg nach New Vork
GEORGE WASHINGTON
24. Oktober
29. Dezember
President Arthur".
19. Oktober 22. Dezember
America .
31. Oktober 1. Dezember
President Roosevelt
7. Novbr. 12. Dezember
President Harding
14. Novbr. 16. Januar
President Fillmore
21. Novbr.
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Der Verlag des Darmſtädter Tagblatt.
Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Donnerstag, den 11. Oktober.
Meiſt wolkig, ſtrichweiſe Regen, kühl.
Tageskalender.
Landestheater Großes Haus, Anfang 7 Uhr, Ende 9½ Uhr
(B 4, b 2): „Viel Lärmen um Nichts”, Kleines Haus:
Geſchloſ=
ſen. — Freie lit.=künſtler. Geſellſchaft, abends 71/. Uhr,
im Mathildenhöhſaal: Prof. H. Weichelt: Nietzſche, Zarathuſtra. —
Union=, Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele:
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Mobiliarverſteigerung, vorm. /210 und nachm. /23 Uhr, im
Lokale Ernſt=Ludwigſtraße 9.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und Land”
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
„ V. A. Flciſcmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 6 Seiten
[ ← ][ ][ → ]Darmſkädter Tagblaft
h. Chemiſche Fabrik Budenheim A. G., Mainz. Die
außerordentliche Generalverſammlung verdoppelte das Aktienkapital
von 30 auf 60 Millionen Mk. Die neuen Aktien werden von einem
Konſortium, beſtehend aus der Diskontogeſellſchaft Mainz, F. A.
Bam=
berger u. Co. (Mainz) und Lismann (Frankfurt a. M.) übernommen.
Dem Aufſichtsrat wurde Herr Heinrich Lismann=Frankfurt a. M.
zu=
gewählt.
h. Dyckerhoff u. Widmann A. G., Biebrich am Rhein.
In der außerordentlichen Generalverſammlung waren von 148 000
Stimmen 114 193 Stimmen vertreten. Hiervon entfielen auf die
Stamm=
aktien 44 193, auf die Vorzugsaktien 70 000 Stimmen. Es wurde
be=
ſchloſſen, das Kapital um 40 Millionen Mk. auf 125 Millionen Mk.
zu erhöhen durch Ausgabe von 37 Millionen Mk. neuen
Stamm=
aktien und 3 Millionen Mk. mehrſtimmigen Vorzugsaktien. Das
geſetz=
liche Bezugsrecht wurde ausgeſchloſſen. Der Vorſtand iſt mit der
Aus=
führung der Kapitalserhöhung und Verwertung der neuen Aktien
be=
auftragt. Den alten Stamm= und Vorzugsaktionären ſoll auf je fünf
alte Aktien eine neue Stammaktie innerhalb einer dreiwöchigen
Aus=
ſchlußfriſt zum Bezuge angeboten werden zum Gegenwert von 50
Dol=
lar=Cents, berechnet zu dem vor dem Tage der erſten
Bezugsrechtsnotie=
rung an der Berliner Börſe zuletzt amtlich notierten Briefkurs für
Kabel Neu=York zuzüglich Bezugsrechtsſteuer und Börſenumſatzſteuer.
Die Beſchlüſſe wurden einſtimmig gefaßt.
* Maſchinenbau=Geſellſchaft Karlsruhe. Die
Ge=
ſamtablieferung der Geſellſchaft für das Geſchäftsjahr 1922/23 ſtellte ſich
ziffernmäßig auf 20 972,68 Millionen Mk. gegen 285,96 Millionen Mk.
im Vorjahre bei einer Arbeiter= und Angeſtelltenzahl von 3409 gegen
3334 i. V. Nach 506,01 Millionen Mk. Abſchreibungen auf Immobilien
und Fabrikationseinrichtungen und Zugängen auf Diskonten wird aus
einem Reingewinn von 6863,22 Millionen Mk. eine Dividende von
1 Goldmark (i. V. 50 Prozent) nach dem Werte vom 30. Juni auf ein
Aktienkapital von 137 Millionen Mk. Stammaktien, und 7 Prozent
Divi=
dende auf die Vorzugsaktien vorgeſchlagen. 720 Millionen Mk. ſollen
Unterſtützungszwecken dienen. In der Bilanz erſcheinen Kreditoren mit
15 743,78 Millionen, Außenſtände mit 7358,58 Millionen,
Materialvor=
räte und in Arbeit befindliche Fabrikate mit 15 400 Millionen. Die
Beteiligungen und Wertpapiere ſtehen mit 35,1 Millionen zu Buche.
Ueber die Beteiligungen ſelbſt werden nähere Angaben nicht gemacht.
Wechſel beziffern ſich auf 25 Millionen Mk., im Bau begriffene
Ein=
richtungen auf 212,07 Millionen Mk., Reſerven auf 214,12 Millionen.
* A.=G. fürchem. Produkte vorm. H. Scheidemandel,
Berlin. Die Geſellſchaft beruft a. v. G.=V. zum 30. Oktober, die u. a.
über Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 75 Mill. neuer
Stamm=
aktien, ſowie über die Feſtſetzung der Modalitäten der Begebung,
ins=
beſondere über Gewährung eines indirekten Bezugsrechts an die
Aktio=
näre und an die Mitglieder der Verwaltung Beſchluß faſſen ſoll.
* Eiſenbahn=Material=Leih=Anſtalt, Berlin. Die
zum 30. 10. einberufene a. v. G.=V. ſoll über Erhöhung des
Grund=
kapitals um bis zu 150 Mill. neuer Stamm=Aktien, ſowie über Begebung
unter Ausſchluß des geſetzlichen Bezugsrechtes der Aktionäre, ſowie über
Feſtſetzung des Mindeſt=Kurſes und Dividendenberechtigung Beſchluß
faſſen.
* Th. Teichgräber Berlin. Durch die Dresdner=Bank und
die Commerz= und Privat=Bank ſollen in den nächſten Tagen 182,5 Mill.
Stamm=Aktien des Unternehmens in den offiziellen Verkehr der
Ber=
liner Börſe eingeführt werden. Die Aktien werden ſeit längerer Zeit im
Berliner Freiverkehr gehandelt.
* Ver. chem. Werke Charlottenburg. Die Geſellſchaft
weiſt für das abgelaufene Geſchäftsjahr nach Abzug der Unkoſten und
Steuerrücklagen in Höhe von 575 Mill. und nach Abſchreibungen einen
Reingewinn von 402 Mill. gegen 5,6 Mill. i. V. aus. In der Bilanz
erſcheinen Grundſtücke, Gebäude uſw. mit je 1 Mark. Brennmaterialien
ſind mit 5,3 Mill., Warenbeſtände mit 4,64 Mill., Debikoren mit 1173
Mill., Bankguthaben mit 135,7 Mill. und Wechſelbeſtände mit 76,3 Mill.
ausgewieſen; andererſeits betrugen Kreditoren 406 Mill. Die G.=V.
be=
ſchloß von einer Ausſchüttung einer Dividende Abſtand zu nehmen, da
die Unkoſten ſo hoch ſeien, daß dem einzelnen Aktionär keine Vorteile
bleiben, zumal das Aktien=Kapital ſehr weit verſtreut ſei. Die
Verwal=
tung erhielt Ermächtigung zur Unterverſicherung der Werke. Die
Not=
wendigkeit einer Kapitalserhöhung iſt, wie der Vorſitzende ausführte,
durch die Verhältniſſe gegeben. Die Geſellſchaft benötigt dringend
Material zur Fortführung und Erweiterung ihres Betriebes. Es
wurde daher einſtimmig beſchloſſen, das Grundkapital um 41 Mill. neue
ab 1. 7. 23 dividendenberechtigte Stamm=Aktien auf insgeſamt 50 Mill.
zu erhöhen, wobei ein Teil der neuen Aktien zu einem günſtigen Kurs
angeboten werden ſoll. Es wurde beſtimmt, daß auf 1 alte Aktie
minde=
ſtens 1 junge Aktie bezogen werden kann. Der Ausgabekurs wird noch
feſtgeſetzt. Aus den Ausführungen des Vorſitzenden war zu ſchließen,
daß ein Preis von etwa 2 Goldmark pro Aktie vorgeſehen iſt. Der
Reſt der neuen Aktien bleibt zur freihändigen Begebung der Verwaltung
überlaſſen. Dieſe will verſuchen, weitere Stützpunkte im valutaſtarken
Ausland zu finden. Es ſollen in dieſer Richtung bereits erfolgreiche
Verhandlungen ſchweben. Die erſten Monate des neuen Geſchäftsjahres
ſollen ſich hinſichtlich des Umſatzes befriedigend entwickelt haben.
* Deutſche Jürgenswerke A. G., Altona=
Bahren=
feld. Die Geſellſchaft beabſichtigt, den Inhabern der 200 Millionen
Mark Vorzugsaktien für die Rückgabe von je 10 000 Mk. Vorzugsaktien
5 Dollar in Dollarſchatzanweiſungen des Deutſchen Reiches zu
gewäh=
ren. Die Vorzugsaktien, die der Geſellſchaft auf Grund dieſer
Ankauf=
offerte nicht innerhalb dieſer feſtzuſetzenden Friſt zurückgegeben werden.
ſollen zu dem Rückkaufpreis von 115 Prozent des Nennwertes gekündigt
werden.
Stahlwerk Oeſe A. G., Oeſe. Laut Mitteilung des
Rhein=
handels=Konzerns gehen 47 Millionen Mk. Stamm= und 3 Millionen
Mtark Vorzugsaktien der Stahlwerk Oeſc=A. G. zum Vorzugskurs von
100 000 Prozent an die Minerva=Handels=A.G., die im lebhaften
Ge=
ſchäftsverkehr mit der Stahlwerk Oeſe=Gefellſchaft ſteht, in Abgeltung
von Vorlagen und für Geldentwertung wegen ſehr bedeutenden
Liefe=
rungen von Schrott und ſonſtigen Rohmaterialien anſtatt
Barvergütun=
gen über. Dieſe Trausaktion ſei für das Stahlwerk, ſowie für die
Aktionäre vorteilhaft. Die übrigen Aktionäre haben bekanntlich den
Gegenwert von 7 Schilling pro Aktie zu zahlen. Ein
Intereſſengemein=
ſchaftsvertrag mit der zur gleichen Gruppe gehörigen Minerva=A. G. ſei
bisher nicht abgeſchlofſen worden, ſondern die G.=V. habe dieſen Punkt
der T.=O. auf eine neue einzuberufende G.=V. geſetzt. Es ſchweben
Fuſionsverhandlungen mit einem Walzwerk und einem Werk der
Mon=
taninduſtrie.
* Ilſe=Bergbau. 130000 Stück Genußſcheine mit
Gewinn=
beteiligung ab 1. Januau 1923 werden den Inhabern der Stammaktien
Nr. 1—130 000 und 25 000 Stück Genußſcheine den im Aktienbuch der
Geſellſchaft eingetragenen Inhabern der Vorzugsaktien Nr. 1—100 000
bis zum 18. Oktober einſchließlich zum Bezug angeboten. Auf eine alte
Stammaktie über nominal 1000 Mk, und auf je vier Vorzugsaktien über
je nominal 500 Mk. entfällt ein Genußſchein zum Kurs von 100 Proz.
zuzüglich Bezugsrechts= und Börſenumfatzſteuer.
* Asbeſt= und Gummiwerke Alfred Calmon
Ham=
burg. Die a. v. G.=V. beſchloß Erhöhung des Aktien=Kapitals um
100 auf 225 Mill. durch Ausgabe von 95 Mill. Stamm= und 5 Mill.
6proz. Vorzugs=Aktien. Die neuen Aktien werden von einem Konſortium
übernommen, mit der Verpflichtung, einen Teilbetrag von 59,375 Mill.
an bisherige Aktionäre im Verhältnis 2:1 zum Gegenwert von 1½ 8
zum Bezuge anzubieten und die reſtlichen Aktien zu verwerten. Die
Vorzugs=Aktien gehen zu pari an ein der Geſellſchaft naheſtehendes
Konſortium über. Die Kapitals=Erhöhung wurde damit begründet,
daß trotz ſchleppenden Geſchäftsganges die Unkoſten bedeutend geſtiegen
ſeien und die Geſellſchaft daher neuer Betriebsmittel bedürfe.
* Gg. A. Jasmatzi=Zigarettenfabrik Dresden.
Die a. v. G.=V. beſchloß Kapitals=Erhöhung um 50 Mill. Vorzugs=
Aktien auf 256 Mill., wovon ein Teilbetrag von 6 Mill, den bisherigen
Aktionären im Verhältnis 1:1 zu 1000 Prozent und Steuern angeboten
werden, während die übrigen 44 Mill. im Intereſſe der Geſellſchaft
Ver=
wertung finden ſollen.
h. Holzwertanleihe der Gemeinde Vöhrenbach
im Schwarzwald. Die Stadtgemeinde ſchreibt die Ausgabe einer
wert=
beſtändigen Holzanleihe im Höchſtbetrage von 5000 Feſtmetern
Nadel=
nutzholz 3. Klaſſe aus. Der Zeichnungskurs für einen Feſtmeter beträgt
25 Goldmark gleich 6,75 Dollar. Der Beginn der Zeichnung iſt auf den
9. Oktober feſtgeſetzt.
Warenmärkte.
wb. Amtliche Notierungen der Frankfurter
Ge=
treidebörſe vom 9. Oktober. Getreide, Hülſenfrüchte und
Bier=
treber ohne Sack. Weizenmehl, Roggenmehl und Kleie mit Sack. Preis
je 100 Kilo. Die Preiſe verſtehen ſich für alsbaldige Lieferung: Weizen
Wetterauer 3500—4000 Millionen, Roggen 3000—3200 Millionen,
Som=
mergerſte 2000—3500 Millionen, Hafer inländ. 2500—3500 Millionen,
Weizenmehl ſüddeutſches Spezial Null 7000—10 0000 Millionen Mark
bei Waggonbezug ab Mühlenſtation. Noggenmehl 5500—6500 Millionen.
Weizen= und Roggenkleie 1500—1550 Millionen. Tendenz, ſteigend.
h. Mannheimer Produktenbörſe. Die Unſicherheit
beſteht trotz der Löſung der Regierungskriſe infolge der
Deviſenſchwan=
kungen an den Produktenbörſen fort und die Abſchlußtätigkeit iſt
da=
durch gelähmt. An Forderungen hörte man für das geringe Angebot
für Weizen 2,6—2,8, Roggen 1,8—20, Gerſte 2,0—2,1, Hafer 1,8—1,9
— alles in Milliarden pro 100 Kilo bahnfrei Mannheim. Am
Mehl=
markt wurde Weizenmehl Spezial Null zu 4,8—5,0 Milliarden Mk. pro
Doppelzentner gehandelt. Von Futtermitteln waren Weizenkleie zu
0,85—1,00, Biertreber und Malzkeime zu 0,90—1,00, Raps zu 5,2
Mil=
liarden pro 100 Kilo angeboten. An der Kolonialwarenbörſe beſteht
unverändert feſte Tendenz. Man notierte in Goldmark auf
Dollar=
baſis: Kaffee Santos roh mit 3,0—3,4, gewaſchen mit 3,7—4,0, Tee
mittel mit 7,9—8,9, gut mit 9,0—9,9, fein mit 10—11, inländiſcher Kakao
mit 3,0—3,5, amerikaniſcher und holländiſcher mit 3,4—3,8, Burmareis
mit 0,44, Weizengrieß mit 0,45 und Hartweizengrieß mit 0,53 pro Kilo
ab Mannheim. Offiziell notierten pro 100 Kilo netto Kaſſe bahnfrei
Mannheim in Milliarden: Weizen 2,6—2,8, Roggen 2,2, Gerſte 2—2,2,
Hafer 1,9—2,1, Rohmelaſſe 0,6—0,65, nom., Preßſtroh 0,38—0,40,
Bund=
ſtroh 0,30—0,37, Weizenmehl 4,8—5,8, Roggenmehl 3,5—4,2, Naps 5,2
bis 5,6. Tendenz ſteigend.
h. Mannheimer Schlachtviehmarkt. Dem
Schlacht=
viehmarkt am Montag waren zugetrieben: 112 Ochſen, 86 Bullen, 257
Kühe und Rinder, 202 Kälber, 86 Schafe und 273 Schweine. Bezahlt
wurden pro Pfund Lebendgewicht für Ochſen 1. Klaſſe 55—58, 2. Kl.
50—54, 3. Kl. 45—50, 4. Kl. 38—42; Bullen 1. Kl. 52—55, 2. Kl. 48—50,
3. Kl. 35—40; Kühe und Rinder 1. Kl. 55—58, 2. Kl. 50—54, 3. Kl.
45—50, 4. Kl. 38—42, 5. Kl. 35—40; Kälber b) 68—72, c) 66—68, d) 64
bis 66, e) 62—64; Schafe a) 33—35, b) 32—34, c) 31—32 — alles in
Millionen Mk. Schtveine wurden nicht notiert. Für norddeutſches
Vieh beſter Beſchaffenheit wurden Preiſe über Notiz bezahlt.
Markt=
verlauf: mit Großvieh lebhaft, ausverkauft; mit Schweinen
mittel=
mäßig, ausverkauft; mit Kälbern langſam, ausverkauft.
wb. Berliner Produktenbevicht. Bei der erneuten
rieſigen Steigerung der Deviſenpreiſe hörte das Angebot zu
Markt=
preiſen an der Produktenbörſe mehr und mehr auf, und was
heraus=
kommt, wird in Goldmark offeriert. Die weiter anhaltenden
Roggen=
käufe der Reichsgetreideſtelle vollziehen ſich in der Hauptſache gegen
10. Oftober 1923 Nr. 280
9
Hingabe von Goldanleihe; ſonſt hielt ſich die Unternehmungsluſt bei
den geſpannten Verhältniſſen in ſehr engen Grenzen. Die Mühlen ſind
mit der Auffüllung ihrer Weizenvorräte ſehr vorſichtig geworden, und
auch die Brauereien haben ihre Käufe bei dem derzeitigen Preisſtand
eingeſtellt. Nur ſeitens der Graupenfabriken und zu Futterzwecken zeigt.
ſich anhaltender Bedarf. Die Preiſe haben ſich in Anpaſſung an den
Währungsverfall weiter anſehnlich erhöht.
r. Vom Holzmarkt. Unſer fachmänniſcher Mitarbeiter ſchreibt
uns: In
den Staatsforſtverwaltungen vor kurzem abgeſchafft worden. Die
wie=
derholten Proteſte gegen die Einräumung von Kreditmöglichkeiten ohne
Aufwertung der Kaufbeträge an Holzinduſtrielle haben zu dieſen
Be=
ſchlüſſen der Staatsregierungen geführt. Es bedarf keines beſonderen
Hinlveiſes, daß Stundungskredite in angemeſſenen Grenzen im Verkehr
mit legalen Holzkäufern dann zuläſſig ſein und eingeführt werden
ſoll=
ten, wenn man den Nohholzeinkauf in den Forſten auf eine
wertbeſtän=
dige Grundlage wird ſtellen können. Die Erzielung von
Inflationsge=
winnen ſoll ganz gewiß nicht der Zweck eines Stundungskredits beim
Rohholzeinkauf ſein, wohl aber die Förderung der gewerblichen
Inter=
eſſen in der Sägemühlen= und Holzbearbeitungsinduſtrie. Neuerdings
wird im Holzgewerbe die Gründung einer beſonderen
Holzwirtſchafts=
bank in Form einer Aktiengeſellſchaft betrieben, die demnächſt ins
Le=
ben gerufen werden dürfte, und in weiteren Kreiſen am deutſchen
Holz=
markt lebhaft gefördert wird. Neuerdings ſind dem Gründungsausſchuß
auch die Vorſitzenden des Zentralverbands von Vereinen Deutſcher
Holz=
intereſſenten und des Vereins oſtdeutſcher Holzhändler und Sägewerke
beigetreten, womit das gemeinſame Intereſſe der ſüd= und weſt= mit
heit zurückgegangen. Bevor nicht die Verhältniſſe im Ruhrgebiet
ge=
klärt ſind, wird ſich eine geregelte Geſchäftstätigkeit am Holzmarkt nicht
ergeben können. Ueber geringe Umſätze kamen Platzholzhandel und
Sägewerkinduſtrie nicht hinaus. Verkäufe von Schnittholz nach
Papier=
mark werden immer ſeltener. Meiſt wird das engliſche Pfund als
Wertmeſſer benutzt.
Börſen.
wb. Berliner Börſenſtimmungsbild. Die Steigerung
der Deviſenpreiſe ſetzte ſich heute in ungewöhnlichem Ausmaße fort.
Nach Gründen dafür braucht man bei der Verworrenheit der Lage, die
durch die Vorgänge im Rheinlande hinſichtlich der Erhöhung der
Ar=
beitszeit noch verſchärft wird, nicht zu ſuchen. Im freien Verkehr
ſetz=
ten London und Neu=York mit 5300 bzw. 1160 Millionen ein und
er=
reichten gegen 12 Uhr den höchſten Stand mit ungefähr 7600 bzw. 1600
Millionen. Dabei handelt es ſich zumeiſt um geſprochene Kurſe, da
nur ſehr wenig Ware herauskommt und die Höhe des Preisſtandes
ſpekulative Umſätze ſo gut wie ganz verbietet. Amtlich erfolgte die
Feſt=
ſetzung bei ungefähr den gleichen Zuteilungen wie geſtern auf der
Grundlage von 5500 bzw. 1200 Millionen. Kurz danach hörte man aber
bereits wieder Kurſe von 7200 bzw. 1550 nennen. Unter dieſen
Ver=
hältniſſen iſt nach Meinung der Börſenkreife für morgen mit einer
Fortſetzung der Anpaſſung des Kursſtandes an die Geldentwertung zu
rechnen. Die Kurſe für Dollarſchatzanleihe bzw. Goldanleihe wurden
heute zum erſten Male am Börſenruhetage mit 1500 bzw. 1200
Mil=
lionen amtlich feſtgeſetzt.
w. Deviſenmarkt. Frankfurt a M., 9. Okt. Telegr. Auszahlungen:
grat.
Deviſenmarkt. Berlin, 9. Oktober Telegr. Auszahlungen für:
ReGeld
Afe Mufe
W60
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.. 3790500000 3809500000 5486250000 55 13750000 New=York. 335905000. 840095000. 11970/0000 1203000000. Paris ... 49875000 — 50125000 — 72817000.— 3182500.— Schweiz.. 14962500. 15 0375000. 215460000. 1216540000. 10 Spanien", r1e7 17500. 113282500. 162592000. 163407500. Wien (in Deutſch=Oſterr. abg. 11770.— 11830.— 17137.— 17243.— Prag .. 24738000.— 24863000. — 36109500.— 36290500.— Budapeſt 44388.— 44612.— 64337.— 60163.— Buenos-Af 775310000. 276690000. 394013500. 395887500. Bulgarien 7980000.— 8020000 — 111770500. — 1824600 — 60 Japan .. 4r 962540. 416037500. 5935 12500. 596487500. Nio de Janeiro ....." 30797500.— 81202500— 1157 10000. 116290000. Belgrad..
„ 9975000.— 100 25000.— 14163750.— 14536250.— Liſſabonn..
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Familiennachrichten
Die Geburt ihres Jungen
Günther Arno
zeigen hocherfreut an
Albert u. Else Stahl
geb. Störger
Berlin W30
Martin-Lutherstr. 88
26322
Todes=Anzeige.
Geſtern abend wurde mein
lieber Mann, unſer treuer Vater,
Schwiegervater, Großvater,
Schwa=
ger und Onkel
Hausmeiſter an der Viktoriaſchule
von ſeinem ſchweren Leiden erlöſt.
Darmſtadt, 9. Oktober 1923.
(*26327
Hochſtraße 44.
In tiefem Schmerz;
Dorothea Kröh, geb. Ebert
und Kinder.
Die Beerdigung finder
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Haush. Ang. u. T 17
. Geſchäftsſt. (*26348
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Seite 6.
Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 10. Oktober 1923.
Nummer 280.
59)
Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)
Im ſelben Augenblick hob dieſer die Hand mit Herrn
Beckers Revolver und feuerte ihn mit einem Knall ab, der in der
kleinen Schloßhalle von einem Kanonenſchuß zu kommen ſchien.
Die drei Verſchwörer zuckten wie vom Blitz getroffen
zuſam=
inen und drehten ſich um: was ſie ſahen, war der Mann, den
ſie für zweimalhunderttauſend Peſetas zu ermorden
übernom=
men hatten, und Herrn Philipp Collin, die ſie beide mit ihren
Bevolbern bedrohten. In der nächſten Sekunde donnerte die
Stimme des Großherzogs:
„Hände hoch, ſofort, oder Ihr ſeid des Todes!”
Für den Bruchteil einer Sekunde ſah es aus, als ob der
Schlvarzbärtige und ſein hohlängiger Freund trotz der auf ſie
gerichteten Revolver zögerten; der Bucklige war dem Befehl des
Großherzogs mit einer Geſchwindigkeit nachgekommen, die
nichts zu wünſchen übrig ließ. Als nun die Finger des
Groß=
herzogs leicht auf den Revolverhahn drückten, flogen auch die
Hände der beiden anderen in die Luft, während ihre Augen
alles ausdrückten, was ſie für Don Ramon empfanden.
Der Großherzog wendete ſich Philipp zu und ſagte:
„Profeſſor, wollen Sie ſo gut ſein, dieſe Herren zu
viſitie=
ren und nachzuſehen, ob ſie Waffen bei ſich haben. Beginnen
Sie mit dem Vater Jguazio in dem pittoresken Mantel. Oder
ziehen Sie vor, daß ich es tue?"
„Getwiß nicht, Hoheit.”
Philipp eilte auf den abgeſetzten Kurtenträger zu und
be=
gann fingerfertig ſeine Taſchen von ihrem Inhalt zu befreien,
er war bunt und erſtreckte ſich von dem für Revolutionäre
un=
entbehrlichen Revolver, den Philipp in ſeine eigene Taſche ſteckte,
uuf ein Paket Banknoten und eine ausgewählte
Reliquienſamm=
lung, die er zurücklegte.
„Gut,” rief der Großherzog, nachdem ſich Philipp noch
ein=
mal vergewiſſert hatte, daß Vater Jgnazio aller Giftzähne
be=
raubt war, „gehen wir zu Sergeant Poſado über.”
Deſſen Taſchen enthielten nur zwei Revolver und etliche
Goldmünzen. Philipp verfuhr mit ihm wie mit dem anderen
und wendete ſich dann dem Buckligen zu, der ihm mit blutunter=
laufenen Augen folgte, während Philipp aus ſeinen Taſchen
einen vierten Revolber und ein reſpektables Meſſer zog. Dann
wendete ſich Philipp an den Großherzog:
„Ich hole Stricke, Hoheit, damit wir dieſe Herren feſſeln
können und der Präſident in ſeiner Einſamkeit Geſellſchaft
bekommt.”
Er brachte die Strickwolle und binnen fünf Minuten war
Vater Jguazio ſo hilflos, als man nur wünſchen konnte, und
Philipp war eben im Begriff, zum Sergeanten überzugehen,
als die Ereigniſſe plötzlich einen anderen Lauf nahmen.
Der bucklige Gaſtwirt am äußeren linken Flügel hatte bald
bemerkt, daß ſeine Mitbrüder den Löwenanteil der
Aufmerkſam=
keit des Großherzogs in Anſpruch nahmen. Leiſe und
unmerk=
lich hatte er ſich von dem Sergeanten fortgeſchoben, an deſſen
Seite er ſtand.
Die Entfernung zwiſchen ihnen war größer und größer
ge=
worden, und der Großherzog ſchien nichts zu merken. Nun
Philipp ſich Vater Jgnazios bemächtigte, und dieſen Mann
achtungsvoll auf den Boden plazierte, um zum Sergeanten
über=
zugehen, fand Senjor Amadeo die Gelegenheit für einen kleinen
Coup günſtig. Raſch und lautlos wie eines der Inſekten, denen
er glich, machte er drei oder vier Sprünge in der Richtung des
Ausgangs; im ſelben Augenblick, in dem der Großherzog ſein
Manöver bemerkte und raſch den Revolver auf ihn richtete, hatte
er auch ſchon die ſchwere Türe geöffnet; im nächſten war er
draußen, und die Kugel aus Don Namons Revolver traf keinen
anderen Widerſtand als die alte Türfüllung.
Was nun folgte, ging noch raſcher. Der ſchwarzbärtige
Sergeant, der die ganze Zeit, die Philipp dazu verwendet hatte,
die Taſchen der Verſchwörer auszuräumen und Vater Jgnazio
zu binden, keuchend wie ein Königstiger und bereit zum
Sprunge dageſtanden hatte, trotz des Revolvers des
Groß=
herzogs, brauchte nicht mehr als Amadeos Flucht, um zur Tat
ülerzugehen. Wie eine große Wildkatze ſtürzte er ſich im ſelben
lugenblick, in dem der Gaſtwirt die Türe erreichte, mit
gefletſch=
ten Zähnen und einem beiſeren Brüllen auf Don Ramon.
Bevor dieſer ſich noch nach dem Schuſſe auf den Gaſtwirt
um=
drehen konnte, hatten ihn die Arme des Sergeanten ſchon
um=
klammert, und ſie rollten miteinander über den Steinboden der
Halle. Der Revolver entfiel der Hand des Großherzogs, und der
Kampf war wur zwiſchen Muskeln und Muskeln. Aber es
bparen Muskeln, die einander würdig waren. Und war der Groß=
herzog etwas ſtärker, ſo wurde dieſes Uebergewicht mehr als
genügend durch die Raſerei des ſchwarzbärtigen Sergeanten
wettgemacht. Er wußte, daß er nicht nur für ſein Leben,
ſon=
dern auch für den Erfolg ſeines und ſeiner Freunde Plan
kämpfte. Siegte der Großherzog jetzt, ſo waren ſie verloren,
denn wenn die Truppen und die Bevölkerung ſich jetzt ohne
Führer ſahen, würde die Revolution gar bald aufhören, und
was dann das Los dieſer Führer ſein würde, war nicht ſchwer
zu erraten. Aber ſiegte der Sergeant, dann war nicht alle
Hoff=
nung verloren.
Und es ſah wirklich aus, als ſollte der Sergeant ſiegen;
Philipp, der das Schauſpiel wie gelähmt betrachtete, wagte
nicht, von ſeinem Revolver Gebrauch zu machen; die
Kämpfen=
den rollten ſo raſch durcheinander, daß er mit ſeinem Schuß
ebenſo gut den letzten Sproſſen des Hauſes Ramiro treffen
konnte wie ſeinen Feind. Außerdem war die Beleuchtung ſo
ſchwach, daß er kaum unterſcheiden konnte, wer es war. Vater
Jgnazio zu ſeinen Füßen ermunterte ſeinen Bundesgenoſſen
mit heiſeren Rufen und ſtimmte eine Art Beſchwörungsgeſang
an, der in der wunderlichen Beleuchtung doppelt unheimlich
klang. Endlich ſtürzte Philipp, deſſen Untätigkeit vielleicht eine
Minute gedauert hatte, auf die Kämpfenden los, um
einzugrei=
fen; aber als er herankam, warf der Großherzog ihm einen
raſchen Blick zu und murmelte heiſer:
„Laſſen Sie das, Profeſſor! Den expediere ich ſchon ſelbſt.”
Für den Augenblick ſchien er die Oberhand zu haben, dann
änderte ſich die Situation wieder, und der Sergeant, deſſen
Augen vor Mordgier halb aus ihren Höhlen getreten waren,
kam zu oberſt. Gerade als Philipp trotz des Verbotes des
Groß=
herzogs eingreifen wollte, gab Don Ramon ſeinem gewaltigen
Körper einen heftigen Ruck; im nächſten Augenblick hatte er
wvieder die Oberhand und preßte, den Sergeanten zu Boden.
Doch in der letzten Sekunde ſchlängelte ſein Gegner ſich halb frei,
und ſein ſchwarzbärtiges Raubtiergeſicht flog Don Ramon an
den Hals, mit gefletſchten Zähnen, bereit, zuzubeißen. Philipp
ſtieß einen Schrei aus, und Don Ramon machte eine raſche
Be=
wegung; die Zähne glitten an dem Ziel, das ſie ſich geſetzt,
vor=
bei und ſchlugen ſich anſtatt deſſen in das rechte Ohr des
Geg=
vers, das ſie halb abriſſen, bis Don Ramon mit ſeiner letzten
Rieſenanſtrengung den Hals des Sergeanten umklammerte und
ſeinen Kopf dreimal hintereinander auf die Steinfließen ſchlug.
(Fortſetzung folgt.)
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neuſten Indexziffer folgende Aenderung. Der ſeitherigen
Stufe 52 mit einem Grundlohn von 200 Millionen und einem
Tagesverdienſt von Mk. 190000 bis 215000, täglicher
Bei=
trag von 17 Millionen, werden angehängt die Stufen
230 Mill. tägl. Verdienſt: tägl. Beitrag
215000—245 000 19550 000 54 260 245 000—275000 22 100000 55 300 275 000 und mehr 25 500000
Ferner werden die Stufen 26—31 mit der Stufe 32 mit
einem Grundlohn von 7 Millionen verſchmolzen. Beitrag
pro Kalendertag Mk. 595 000. Sämtliche Aenderungen treten
mit dem 8. 10. 23 in Kraft. Bezüglich der am 1. 10. 23 in
Kraft getretenen Aenderungen der Beiträge zur Invaliden=
Verſicherung wollen ſich die Arbeitgeber nötigenfalls mit der
Kaſſe ins Benehmen ſetzen.
Die ſäumigen Arbeitgeber, welche noch mit Einreichung
der Liſte und Abführung der Beiträge nach jeder
Lohnzah=
lung im Rückſtand ſind, werden hierdurch aufgefordert, ihren
Verpflichtungen alsbald nachzukommen.
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Darmſtadt, den 9. Oktober 1923.
Der Vorſtand. Knoblauch.
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darmſtadt und den Bekanntmachungen des
Polizeiamts Darmſtadt.
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(Baſtard), 3 Pinſcher. Ein Wolfshund
(Baſtard), rot=grau.
Aufforderung zur
Aus=
übung des Bezugsrechts.
Die a. v. Generalverſammlung vom
20. IX. 1923 hat u. a. eine
Kapitals=
erhöhung um Mk. 500.000.000.—
Inhaberſtammaktien beſchloſſen.
Vorbehältlich der Eintragung der
Kapi=
tals=Erhöhung im Handelsregiſter, forderr
wir die Aktionäre unſerer Geſellſchaft auf,
das Bezugsrecht auf die jungen Aktien
unter folgenden Bedingungen auszuüben:
1. Auf je 10 alte Aktien wird eine junge
zum Kurs von 250.000% gewährt.
2. Die Ausübung des Bezugsrechts und
Einzahlung hat bei Vermeidung des
Verluſtes in der Zeit vom 14. bis
28. Okt. 1923 zu erfolgen, und zwar:
a) bei der Zentralſtelle in Darmſtadt,
b) bei unſerer Münchener Nieder
laſſung, Promenadeſtr. 12.
Bei der Ausübung des Bezugsrechts ſind die
alten Aßtien shne Dividendenbogen einzureichen.
Darmſtadt, den 8. Oktober 1923.
Deutſche Landwirtſchafts=n. Handelsbank
Nothis. Hirſch, (*26323
von Wäſche=
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ſtattungen, ſowie
Herren= u.
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Ausführung (*26295
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geſellſchaft. Sitz Dieburg. Gegenſtand:
ſtr. 4, Seitenbau, I./Betrieb eines Bank= und
Kommiſſions=
geſchäftes in allen ſeinen Zweigen,
ins=
beſondere unter Fortführung und Ausbau
des Betriebes des Dieburger Bankvereins;
e. G. m. b. H., in Dieburg. Die
Geſell=
ſchaft iſt berechtigt, ſich an gleichen oder
lähnlichen Unternehmungen zu beteiligen;
ſolche Unternehmungen zu erwerben; ſie
kann auch Zweigniederlaſſungen, Agenturen
und Kommanditen errichten. Grundkapital:
51 500 000 Mark. Aktiengeſellſchaft. Der
Geſellſchaftsvertrag iſt am 4. September
1923 feſtgeſtellt. Beſteht der Vorſtand aus
mehreren Perſonen, ſo wird die Geſellſchaft
entweder durch zwei Vorſtandsmitglieder
zuſammen oder durch ein Vorſtandsmitglied
in Gemeinſchaft mit einem Prokuriſten
ver=
treten. Stellvertreter von
Vorſtandsmit=
gliedern haben in dieſer Beziehung gleiche
Rechte wie die Vorſtandsmitglieder
ſelbſt. Der Aufſichtsrat oder die
General=
verſammlung iſt ermächtigt, einzelne
Vor=
ſtandsmitglieder zu alleinigen
Vertretungs=
berechtigten zu beſtellen. Zu
Vorſtands=
mitgliedern ſind beſtellt: 1. Bankbeamter
Heinrich Schmitt in Dieburg. 2. Kaufmann
Martin Deuter daſelbſt. 3. Bankbeamter
Carl Berck in Frankfurt a. M. Als nicht
eingetragen wird noch veröffentlicht: Das
Grundkapital zerfällt in 25 751
Namens=
aktien, die nur mit Zuſtimmung des
Lan=
desfinanzamtes Darmſtadt weiter
über=
tragen werden dürfen, und in 25 749
In=
haberaktien über je 10 000 Mark. Von den
Inhaberaktien werden 3000 Aktien zum
Kurſe von 100 % ausgegeben. Die
Aus=
gabe aller übrigen Aktien erfolgt zum
Kurſe von 400 %. — Der Vorſtand der
Geſellſchaft beſteht je nach den
Beſtim=
mungen des Aufſichtsrates aus einer
Per=
ſon oder aus mehreren Mitgliedern. Der
Aufſichtsrat hat das Recht der Ernennung
und Abberufung der Vorſtandsmitglieder,
Die Berufung der Generalverſammlung
erfolgt durch Bekanntmachung im Deutſchen
Reichsanzeiger und in der Starkenburger
Provinzial=Zeitung in Dieburg. Die
Be=
kanntmachungen der Geſellſchaft erfolgen
in den genannten Blättern. Die Gründer,
die alle Aktien übernommen haben, ſind:
1. Fabrikant Wilhelm Ebert, 2. Kaufmann
Martin Deuter, 3. Landwirt Joſeph Fäth II.,
4. Miniſterial=Präſident Philipp Uebel II.,
alle in Dieburg, 5. Fabrikant Paul Beck
in Sprendlingen. Den erſten Aufſichtsrat
bilden: 1. Miniſterial=Präſident Philipp
Uebel II., 2. Landwirt Joſeph Fäth II.,
3. Kaufmann Friedrich Wohlfarth., 4.
Kel=
tereibeſitzer Jean Petermann, 5. Fabrikant
Wilhelm Ebert, alle in Dieburg, 6.
Fabri=
kant Paul Beck in Sprendlingen, 7.
Kauf=
mann Jakob Birkenfeld in Bad=Homburg
v. d. H., 8. Stadtrat Gerhard Heil in
Frank=
furt a. M. Die mit der Anmeldung der
Geſellſchaft eingereichten Schriftſtücke,
ins=
beſondere der Prüfungsbericht des
Vor=
ſtandes und des Aufſichtsrats und der von
der Handelskammer ernannten Reviſoren,
können bei dem Gericht, der Prüfungsbericht
der Reviſoren auch bei der Handelskammer
Offenbach a. M. eingeſehen werden.
Dieburg, 15. September 1923,
Amtsgericht.
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