Darmstädter Tagblatt 1923


19. September 1923

[  ][ ]

Anzeigenſchlüſſel 12000.

Einzelnummer 500000 Mark

dthr.
10 Uhr
freite

ſtraße 3

breach ſchwe
wagen, veriſch
ſederne Pferde=
e
, je 2 waſſet
Wagendecken,
erne Zügc,
freiſtehenden
a. m, ſomit

aſchine,
ſchte Chaiſe=
Schellen=

ze 11.

Wohn

u ver=
en
;

).

Bezugspreis:
Bei wöchentl. 7 maligem Erſcheinen (freibleibend)monate
lich 691000M und 59/0410 M. Abtragegebühr. Abholen
7050000, durch die Agenturen 7 5000 0 M. frei Haus. Be=
ſiellungen
nehmen entgegen: die Geſchäftsſtelle Rhein=
ſir
. 23 Fernſprecher 4, 2390 u. 23941), die Agenturen und
alle Poſtämier. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
Anzeigen an beſimmten Tagen wird nicht übernom=
men
. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur Kür=
zung
des Bezugspreiſes. Beſiellungen und Abbeſtel=
ungen
durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
Poſſcheckonto: Frankfurt a. M. 4301.

Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtattet.
Nummer 259
Mittwoch, den 19. September 1923 186. Jahrgang

Anzeigenpreis:
27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 250 M=
Finanz=Anzeigen 350 M., Reklamezeile (92 mm
breit 1100 M. Anzeigen von auswärts 350 M.,
Finanz An eigen 500 M.. 92 mm breite Reßlame=
zeile
14. 0. Dieſe Preiſe ſind mit der jeweils
gültigen Schlüſſelzahl zu multiplizieren. Im
Faue öherer Gewalt, wie Krieg, Aufruhr, Streik
uſw., erliſcht jede Verpflichtung auf Erfüllung der
Anzeigenaufträge und Leiſtung von Schadenerſatz.
Bei Konkurs oder gerichtlicher Beitreibung fällt
jeder Rabatt wes. Bankkonto: Deutſche Bank und
Darmſtädter 8 Nationalbank.

Beigiens Sonderpläne.
* Brüſſel, 18. Sept. (Priv.=Tel.) In politiſchen Kreiſen
herrſcht trotz der Reden Poincarés eine merkwürdig geheimnis=
volle
Stimmung mit Bezug auf die deutſche Frage.. Man redet
von einer baldigen Zuſammenkunft von Vertretern der Alliierten
mit ſolchen Deutſchlands und behauptet ſogar, daß Streſemann
perſönlich kommen werde. Die als gut bezeichnete Quelle weiß
aber niemand anzugeben. Geſtern hatte der britiſche Botſchafter
eine auffallend lange Unterredung mit Jaſpar. Nach derſelben
wurde erklärt, daß es ſich um Beſprechungen über die Deutſch=
land
gegenüber einzuſchlagende Politik gehandelt hätte.
Die Gewerkſchaftsinternationale an den Völkerbund.
Eine Denkſchrift über die Reparationsfrage.
Genf, 18. Sept. (Wolff.) Im Auftrag des Internatio=
nalen
Gewerkſchaftsbundes in Amſterdam richteten Jouhaux=
Frankreich und Oudegeeſt==Holland an die Völkerbundsver=
ſammlung
eine längere Denkſchrift über die Reparations=
frage
, in der ſie, da eine Löſung durch die Regierungen ſelbſt
ummöglich ſei, eine internationale Regelung der wichtigſten
Probleme vorſchlagen, aus denen ſich die Reparationsfrage zu=
ſammenſetzt
, nämlich Feſtſtellung der Zahlungsfühigkeit Deutſch=
lands
, Organiſation der internationalen Anleihen und die Pfän=
derfrage
. Das einzige internationale Organ, das
die Regelung der Reparationsfrage unter dieſen drei Geſichts=
punkten
in die Hand nehmen könne, ſei der Völkerbund. Die
Reparationsfrage mſſe daher dem Völkerbund unterbreitet
werden.

Vom Tage.
Der Deutſche Buchdruckerverein teilt mit, daß die Schlüſſelzahl für
das Buchdruckgewerbe mit Wirkung vom 19. September ab auf eine
Million feſtgeſetzt wird.
Der bayeriſche Landwirtſchaftsminiſter Wutzelhofer forderte die
Bauern auf, durch Mehrproduktion und raſche Liefe=
rung
der Ackererzeugniſſe für die Minderung der
Notlage der ſchwer gequälten Volksteile beizutragen.
Zu der Meldung von der bevorſtehenden Verabſchiedung
des Generals v. Epp wird von amtlicher bayeriſcher Stelle mit=
geteilt
, daß Epp nach Auskunft des Reichswehrminiſteriums lediglich
deshalb ausſcheidet, weil er die Altersgrenze erreicht hat und nicht
Generalſtäbler iſt.
Stanley Baldwin und Poincaré werden ſich morgen auf
dem Quai d’Orſey begegnen.
Baldwin wird ſofort nach ſeiner Rückkehr nach London einen
Wechſel auf dem Botſchafterpoſten in Waſhington
vornehmen, da Sir Auckland Geddes aus Geſundheitsrückſichten
ſeinen Poſten niederzulegen wünſcht.
Als Vorläufer der neuen Danziger Währung
werden am nächſten Freitag Induſtrieſchecks zur Ausgabe gelangen. Es
ſollen Scheine von 10= 20= und 50=Goldpfennigen und 1, 2, 2,10 (gleich
½ Dollar) und 4,20 Mark (gleich 1 Dollar) ausgegeben werden.
Die großen Morgenblätter von Neu=York ſind geſtern nicht er=
ſchienen
, da die Drucker infolge von Lohnſtreitigkeiten plötzlich in den
Ausſtand getreten waren.

Frankfurter Dollarkurs 129339000

Währungspolitiſche Maßnahmen.

Das Programm des Reichsfinanzminiſters.
TU. Berlin, 18. Sept. Dr. Hilferding gab in einem
kleinen Kreiſe von Preſſevertretern noch Erläuterungen, die ſich
in folgenden Gedankengängen bewegten:
Bei der gegenwärtigen Entwickelung unſerer Wirt=
ſchaftsverhältniſſe
wird es nur möglich ſein, eine wert=
beſtändige
Währung zu ſchaffen, wenn das Defizit
im Reichshaushalt beſeitigt wird. Während im Frie=
den
der Geldumlauf rund 5 Milliarden betrug, ſtellt der heutige
Papiergeldumlauf in Gold umgerechnet etwa 50 bis 100 Gold=
millionen
dar. Daß die deutſche Volkswirtſchaft heute mit dieſem
minimalen Betrag auskommt, iſt wohl darauf zurückzuführen,
daß ſich der Umlauf in einem außerordentlich ſchnellen Tempo
vollzieht und außerdem wohl ein ganz erheblicher Teil von
Deviſen innerhalb der Wirtſchaft vorhanden iſt. Anders dagegen
eine Staatswirtſchaft. Ihre Ausgaben haben ſich ſtändig ver=
mehrt
, die Einnahmen unter der Geldentwertung ſtändig Ein=
buße
erlitten.
Es muß alſo ein Programm geſchaffen werden, in be=
ſtimmter
Zeit zur Deckung des Defizits zu kommen. Bis zu dieſer
Zeit muß die ſchärfſte Einſchränkung der Staatsausgaben er=
folgen
. Unter dieſer Vorausſetzung könne man annehmen, daß
bei einer gewiſſen Stabiliſierung der Wirtſchaft die Ausgaben
in die Einnahmen hineinwachſen und ein Gleichgewicht hergeſtellt
wird. Die Reichsbank ſelbſt wird, wie im Frieden, die Funktion
einer reinen Goldnotenbank ausüben. Für die Uebergangszeit
oder für 2 bis 3 Monate ſoll eine Währungsbank gegründet
werden, die beſti mte Einnahmen aus der Wirtſchaft erlangt
und die dem Reiche die nötigen Noten zur Verfügung ſtellt, die
das Reich zur Deckung ſeiner Ausgaben benötigt.
Fertigſiellung des Goldnotenbank=Entwurfes.
FU. Berlin, 18. Sept. Vom Reichsfinanzminiſterium
wird mitgeteilt, daß die Arbeiten für die Schaffung eines wert=
beſtändigen
Geldes ſoweit gefördert ſind, daß der Entwurf jetzt
vorliege. Die Reichsbank wird von den Staatsfinanzen völlig
losgelöſt und dadurch in den Stand verſetzt werden, die Funk=
tionen
einer Goldnotenbank für das Wirtſchaftsleben in vollem
Umfange zu erfüllen. Reichsſchatzſcheine werden bei der Reichs=
bank
nicht mehr diskontiert, ſodaß eine ungedeckte Vermehrung
des Papiergeldumlaufes nicht mehr ſtattfinden kann. Für eine
Uebergangszeit bis zur Balancierung des Reichshaushaltes gibt
eine neu zu ſchaffende Bank Noten heraus, die durch eine Gold=
verpflichtung
der Privatwirtſchaft (Landwirtſchaft, Induſtrie,
Handel und Banken) auf Grund des Wehrbeitragswertes ſicher=
geſtellt
werden. Dieſe Noten werden geſetzliche Zahlungsmittel.
Die Papiermark wird Scheidemünze der neuen Note, in der ſie
zu einem beſtimmten Kurs einlösbar ſein wird. Gleichzeitig
wird nach einem bereits vorliegenden Finanzprogramm die
ſtärkſte Einſchränkung der Ausgaben im öffentlichen Haushalt
erfolgen. Bei der Wertbeſtändigkeit der Einwahmen wird eine
größere Ergiebigkeit der Steuerquellen und damit eine fortſchrei=
tende
Beſſerung der Ausgaben erzielt werden.
Erhöhung des Einfuhrzolles.
Berlin, 18. Sept. (Wolff.) Wie gemeldet wird, hat das
Reichsminiſterium den Entwurf einer Verordnung feſtgeſtellt,
die ſtarke Zollerhöhungen vorſieht zur Eindämmung
der Einfuhr entbehrlicher und Luxusgegenſtände. Es handelt
ſich um Erhöhungen von 33½½, 50, 100 und bei zwei weiteren
Warengattungen ſogar über 100 Prozent.

Die Erfaffung der ausländiſchen Zahlungsmittel.
Berlin, 18. Sept. (Wolff.) Von maßgebender Seite
wird mitgeteilt: Die Veröffentlichung der Deviſenverordnung
ſteht umnittelbar bevor. Nach der Deviſenmaklerverordnung
iſt die Vermittlung von Geſchäften über ausländiſche Zahlungs=
mittel
außer den Deviſenbanken und den vereinigten Kurs=
maklern
nur noch den auf Grund der Deviſenverordnung zuge=
laſſenen
Deviſenmaklern geſtattet. Die Deviſenmakler dürfen
ſolche Geſchäfte nur zwiſchen den Deviſenmaklern vermitteln,
und ſollen nur an im Ortsbereich ſtaatlich zugelaſſenen Fonds=
börſen
zugelaſſen werden. Die oberſte Landesbehörde beſtimmt
im Einvernehmen mit dem Reichswirtſchaftsminiſter die Höchſt=
zahl
der Deviſenmakler jedes Börſenplatzes. Das Verfahren iſt
ähnlich geregelt, wie das Verfahren auf Erteilung oder Zurück=
nahme
der Erlaubnis zum Betrieb von Wechſelſtuben in der
Verordnung vom 8. September (Reichsgeſetzbl. I, S. 282), doch
bedürfen auch Angeſtellte, die nicht Vertreter ſind, der Erlaub=
nis
, wenn ſie mit der Vornahme der Vermittlung von Geſchäf=
ten
ausländiſcher Zahlungsmittel beauftragt werden ſollen.
Außerdem iſt in der Verordnung das Strafrecht des Kommiſſars
für die Deviſenerfaſſung vorgeſehen. Für die Ausgangszeit iſt
eine Regelung dahin getroffen, daß den Deviſenbanben die Ver=
mittlung
und Ablieferung ihrer Anträge weiterhin geſtattet wird,
wenn ihre Anträge bis zum 30. September beim Bankvorſtand
eingelaufen ſind.
In einer weiteren Ausführungsbeſtimmung zur Verord=
nung
, betreffend das Verbot des Deviſenverkaufs ins Ausland,
vom 9. Auguſt (Reichsgeſetzbl. I, S. 705), werden die im Saar=
gebiet
anſäſſigen Perſonen den im Ausland anſäſſigen Inlän=
dern
gleichgeſtellt. In der Bekanntmachung, betreffend die Aus=
dehnung
der Deviſen und Sorten, wird das Verbot der Um=
wandlung
von ausländiſchen Deviſen in ausländiſche Geldſorten
und die Auszahlung von ausländiſchen Währungskonten in
Geldſorten (Nr. 2 der Ausführungsbeſtimmungen zur Valuta=
ſpekulationsverordnung
vom 24. Auguſt, Reichsgeſetzbl. I.
S. 836) ausgeſprochen. Ferner dürfen ausländiſche Zahlungs=
anweiſungen
, die auf weniger als 100 Goldmark lauten, oder
deren Zahlungsempfänger Ausländer ſind, in ausländiſchen
Geldſorten gezahlt werden.
Verhaftung von Oeviſenſchiebern.
Berlin 18. Sept. (Wolff.) Auf Erſuchen des Kommiſ=
ſars
für die Deviſenerfaſſung unternahm die Wucherpolizei des
Berliner Polizeipräſidiums in Verbindung mit Beamten des
Fremdenamtes der Schutzpolizei, der Finanzverwaltung und
den Beamten des Deviſenkommiſſars in einer Reihe großer
Cafés in der Friedrichſtraße und des Weſtens eine Durch=
ſuchung
nach ausländiſchen Werten, für die Ablieferungspflicht
beſteht. Während die kontrollierenden Polizeibeamten ſich in die
Lokale begaben, ſperrte die Schutzpolizei die Ein= und Aus=
gänge
ab und unterſuchte die Verhafteten auf verlotenen Devi=
ſenbeſitz
. Soweit die Betroffenen den rechtmäßigen Beſitz aus=
ländiſcher
Werte nicht nachweiſen konnten, fand eine Beſchlag=
nahme
gegen Quittung ſtatt. Das ganze Unternehmen, bei dem
der Deviſenkommiſſar, Geheimrat Fellinger, und der Leiter der
Wucherpolizei, Geheimrat Fellinger, perſönlich zugegen waren,
verlief in größter Ruhe unter weiteſtgehender Schonung des
Publikums und des Geſchäftsbetriebs. Die genauen Ergebniſſe
unterliegen noch der Bearbeitung.

Geſcheiterte Kohlenlieferungsverbandlungen.
TU. Koblenz, 18. Sept. In Koblenz haben Verhand=
lungen
zwiſchen der Rheinlandkommiſſion und den Gemeinde=
und Induſtrie=Vertretern über die Wiederaufnahme der nicht
mehr für Frankreich in Betracht kommenden Produktion des be=
ſetzten
Gebietes ſtattgefunden. Dieſe Verhandlungen ſind ge=
ſcheitert
an der Haltung der Franzoſen in der Kohlenfrage, ins=
beſondere
der Zahlung der Kohlenſteuer. Die Franzoſen glauben,
daß ſie es nicht mehr nötig hätten, Konzeſſionen zu machen, da
wir ſie ihnen von ſelbſt freiwillig anböten.

Die Währungsbank.
Von
Moritz Emil, Berlin.
Der Sturz der Mark, der in wenigen Tagen, ja zuletzt in
Stunden Millionenſteigerungen aufwies, ſo daß ſchnell das eng=
liſche
Pfund, alſo ein Gold=Zwanzig=Mark=Stück, auf über eine
Milliarde geſtiegen war, hat die Reichsregierung gezwungen,
früher, als es ihre Abſicht war, mit den Plänen über die Sanie=
rung
unſeres Geldweſens he orzutreten, hat ſie anſcheinend
auch gezwungen, Beſchlüſſe, je am Samstag noch einſtimmig
gefaßt hatte, über die Ei ing von Roggennoten wieder
fallen zu laſſen. Ganz kla, eht man aber die Konſtruktion
unſeres künftigen Goldgeldweſens noch nicht. Der Apparat iſt
ziemlich kompliziert. Das ganze iſt eine Kompromißbildung,
wobei von jedem etwas genommen wurde, aber wobei auch die
Erfahrungen, die man nach der franzöſiſchen Revolution und die
man neuerdings in Rußland gemacht hat, verwertet wurden.
Einzelheiten ſtehen wohl noch nicht feſt. Die amtliche Mitteilung,
die bis jetzt vorliegt, hat wohl mehr den Zweck, einer Panik ent=
gegenzuarbeiten
, Hand in Hand mit der Stützung der Mark an
der Börſe, wodurch der Kurs, der am Dienstag vormittag einen
Stand von 350 Millionen Mark für den Dollar erreicht hatte,
wieder auf 150 Millionen heruntergedrückt wurde.
Wir werden demnächſt, um das torweg zu ſagen, drei Geld=
arten
nebeneinander laufen haben: die Reichsbankgoldnote der
Reichsbank, die Sachwertnote einer Währungsbank und das
bisherige Papiergeld, wobei dieſes Sachwertgeld als alleiniges
geſetzliches Zahlungsmittel gilt, während das Papiergeld zu der
Rolle der Scheidemünze herabſinkt und hoffentlich aus dem Ver=
kehr
verſchwinden wird, weil es Zwangskurs haben und gegen
das Sachwertgeld eingetauſcht werden ſoll. Die Reichsbank
wird von ihrer gegenwärtigen Verpflichtung, Schatzwechſel für
die Zwecke des Reiches zu diskontieren und Noten
auszugeben, vollſtändig befreit. Sie ſoll zurückgeführt
werden zu ihrer urſprünglichen Aufgabe einer reinen
Goldbank und wird zunächſt praktiſch wohl für den großen
Wirtſchaftsverkehr Verwendung finden, deſſen Goldwechſel ſie
disbontiert. Dafür wird die Form gewählt, daß ſie den Gegen=
wert
in Goldnoten auszahlt, die ſie bei der Rückzahlung der
Wechſel zurückerhält. Die Goldnoten werden durch Gold und
Deviſen gedeckt ſein. Wie hoch die Deckung bemeſſen wird, hängt
natürlich ab von dem Bedarf des ganzen Verkehrs in Goldnoten.
Es iſt aber darüber iſt ſich die Reichsregierung erfreulicher=
weiſe
klar erforderlich, daß die Deckung über die bei uns in
Friedenszeiten übliche Eindrittel=Deckung hinausgeht, ja ſehr
wahrſcheinlich die Volldeckung erreichen muß. Denn die Reichs=
bank
muß ſich den Kredit, den ſie früher genoſſen hat, wieder
zurückerobern. Nur das Bewußtſein, daß ihre Noten wirklich
durch Gold gedeckt ſind, alſo keinerlei Schwankungen unterliegen,
wird der Goldnote ihre Aufgabe als vollwertiges Subſtanz=
erhaltungsmittel
Gewähr bieten.
Als Zwiſchenglied wird die Währungsbank eingeſchoben.
Sie iſt erſtanden aus der zwingenden Einſicht, daß eine ſtabile
Währung von der Reichsbank erſt erreicht werden kan, wenn
das Reich das Gleichgewicht zwiſchen den Einnahmen und Aus=
gaben
wieder hergeſtellt hat. Wenn nun das Reich auf das Recht
der Diskontierung ſeiner Wechſel durch die Reichsbank und da=
mit
auf die Fortſetzung der Papiergeldemiſſion verzichtet, dann
ſchneidet es ſich damit gleichzeitig den Lebensfaden ab, falls
nicht irgend eine andere Möglichkeit gegeben iſt, um wenigſtens
für eine beſtimmte Friſt dem Reiche die Geldmittel zuzuführen,
die es zur Befriedigung ſeiner Ausgaben braucht. Dazu ſoll die
Währungsbank dienen. Ihr Kapital erhält ſie aus der Sach=
wertſubſtanz
der geſamten Wirtſchaft, und zwar in Form einer
Vermögensabgabe von Landwirtſchaft, Induſtrie, Handel und
Banken. Dieſe Vermögensabgabe wird zunächſt auf der Grund=
lage
der Kriegsabgabe erhoben, ſoll aber revidiert werden durch
eine am Ende des Jahres veu zu erhebende Vermögensabgabe.
Die ſo entſtehenden Goldverpflichtungen, deren Höhe noch nicht
feſtſteht, werden aber von dem Reiche wieder an die Währungs=
bank
weitergegeben, die dafür Noten herausgibt, mit denen das
Reich ſich bis zu einem beſtimmten Zeitpunkt finanziert. Was
von einer ſolchen fünfprozentigen Belaſtung des Beſitzes zu er=
warden
ſteht, darüber gehen die Auffaſſungen natürlich ausein=
ander
. Es werden aber vermutlich mehrere Goldmilliarden ſein.
Davon will indeſſen die Regierung nur den Betrag, den ſie
braucht, bis zur Sanierung ihres Etats mobiliſieren. Der
Finanzminiſter ſchätzt ihn auf etwa eine Milliarde Goldmark,
muß aber ſelbſt zugeben, daß er greifbare Unterlagen dafür nicht
hat. Die Gefahr liegt ſelbſtverſtändlich nahe, daß die Währungs=
bank
nun ebenſo ausgepreßt wird wie früher die Reichsbank.
Deswegen ſoll das Sachwertgeld der Währungsbank in ſeiner
Menge und auch nach der Zeit beſchränkt werden. Dadurch wird
eine gewiſſe Stabilität auch dieſes neuen Geldes erreicht. Denn es
ſoll gleichzeitig mit ſeiner Ausgabe die Friſt beſtimmt werden,
innerhalb deren das Reich ſeinen Haushalt in Ordnung zu brin=
gen
hat und nach der dann die Währungsbank liquidiert, um ihr
Sachwertgeld in die Goldnoten der Reichsbank umtauſchen zu
laſſen.
Man muß, ehe man zu dem Plan der Regierung Stellung
nehmen kann, abwarten, bis ſich ſeine Einzelheiten überſehen
laſſen. Im Augenblick wäre es jedenfalls notwendia, daß die
Reichsregierung mit ihren Abſichten heraustritt. Wir hoffen,
daß ſie damit eine gewiſſe Beruhigung auch an der Börſe er=
reicht
und, wenn ſie dann die weitere Aktion tunlichſt beſchleu=
nigt
, wenn ſie möglichſt alle Vorbereitungen auf Tage zuſam=
mendrängt
, dann haben wir Ausſicht, aus der furchtbaren Kata=
ſtrophe
zu entkommen, in die wir hineinzugleiten drohen.

Entſtaatlichungen.
Berlin, 18. Sept. (Wolff.) Im Aelteſtenausſchuß des
Preußiſchen Landtags wurden heute Anträge der Deutſchnatio=
nalen
und der Kommuniſten, vor der Vertagung noch eine kurze
politiſche Ausſprache ſtattfinden zu laſſen, wiederum abgelehnt.
Der Preußiſche Landtag vertagte ſich darauf bis zum
16. Oktober, nachdem er zuvor die Geſetzentwürfe betreffs Aus=
beutung
des ſtaatlichen Bergwerksbeſitzes an eine Geſellſchaft
mit beſchränkter Haftung ſowie betreffend Uebertragung ſtaat=
licher
Elektrizitätsanlagen an eine Aktiengeſellſchaft mit großer
Mehrheit angenommen hatte.

[ ][  ][ ]

ſeite 2.

Rummer 259.

Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 19. September 1923.

Der paſſive Widerſtand.
Die Vorausſetzungen für die Aufgabe des
paſſiven Widerſtandes.
Berlin, 18. Sept. (Priv.=Tel.) Die Beamten= und
Arbeiterorganiſationen des Ruhrgebietes haben kürzlich ihre Vor=
ausſetzungen
für die Aufgabe oder die Einſchränkung des paſſiven
Widerſtandes in öffentlichen Erklärungen formuliert. Wie wir
hören, werden über dieſe Fragen zurzeit allgemeine Verhand=
lungen
zwiſchen der Reichsregierung und den Organiſationen
geführt.
Keine Beſetzung der Botſchafterpoſten.
TU. Berlin, 18. Sept. Wie wir erfahren, hat die Reichs=
regierung
bereits vor längerer Zeit beſchloſſen, die Botſchafter=
poſten
in Paris und Brüſſel wieder zu beſetzen, ſobald die Unter=
redungen
zwiſchen Berlin und Paris ſoweit gediehen ſind, daß
ſie als ernſte Verhandlungsbaſis dienen können. Da bis heute
dieſe Situation noch nicht eingetreten iſt, werden die Poſten vor=
läufig
unbeſetzt bleiben.
* Berlin, 18. Sept. (Von unſerer Berliner Redaktion.)
Die Art, wie bei der Durchlöcherung aller Vertraulichkeit im
modernen Deutſchland Politik am öffentlichen Markt getrieben
wird, hat ſehr raſch böſe Früchte getragen. Die Andeutungen
verſchiedener ſozialdemokratiſcher Miniſter über die finan=
ziellen
Auswirkungen des Ruhrkrieges auf die
Reichsfinanzen ſind ſelbſtverſtändlich in der ganzen Welt
als Beginn der deutſchen Kapitulation aufgefaßt
worden, zumal da ſie von einer beſtimmten ſehr links ſtehenden
Gruppe bewußt in der Richtung zugeſpitzt wurden. Wir ſehen
jetzt die nächſten Folgen darin, daß auf franzö=
ſiſcher
Seite bei der Rheinlandkommiſſion
keinerlei Neigung dafür beſteht, den deutſchen Wün=
ſchen
nach Abmilderung der Beſetzungsmethoden irgend=
welches
Entgegenkommen zu zeigen, weil jeder=
mann
an den Fingern zählen zu können glaubt, wann der
Augenblick gekommen ſein wird, wo Deutſchland den paſſiven
Widerſtand aufgibt. Das erſchwert unſere taktiſche Lage bei den
Verhandlungen ganz außerordentlich. Eine angebotene Kon=
zeſſion
, von der die Verhandlungsgegner wiſſen, daß ſie früher
oder ſpäter doch kommen muß, hat nicht den geringſten Wert mehr.
Theoretiſch geſehen, müßte alſo die deutſche Regierung,
wenn ſie nicht die Abſicht hätte, den paſſiven Widerſtand
aufzugeben, in alle Welt hinaus verkünden, daß ſie
feſter als jemals entſchloſſen ſei, ihn aufrecht
zu erhalten.
Alle dieſe Möglichkeiten ſind nun durch die falſch verſtan=
denen
Offenherzigkeiten der Flaumacher verbaut. Die Regie=
rung
hat ſich deshalb veranlaßt geſehen, eine offiziöſe
Notiz herauszugeben, wonach zunächſt einmal betont
wird, daß der paſſive Widerſtand nicht Selbſtzweck
ſei, daß auch von den Beamtenorganiſationen und den Gewerk=
ſchaften
für einen Verzicht auf den paſſiven Widerſtand be=
ſtimmte
Bedingungen geſtellt ſeien und daß jetzt über die Einzel=
heiten
mit allen beteiligten Stellen in Verhandlungen einge=
treten
ſei.
In dem Schluß dieſer offiziöſen Kundgebung vermiſſen wir
leider die erforderliche Klarheit. Zunächſt wird nur von den
Beamtenorganiſationen und den Gewerkſchaften geſprochen, wo=
durch
die Vertreter der Wirtſchaft vollkommen
ausgeſchaltet werden. Das kann ein Zufall ſein, macht aber
doch mißtrauiſch. Und zum anderen iſt es unklar, wer under den
beteiligten Stellen zu verſtehen iſt. Wenn wir richtig leſen, ſoll
damit geſagt ſein, daß auf der einen Seite mit Paris
und Brüſſel Fühlunggeſucht wird und auf der an=
deren
Seite mit den Vertretern des beſetzten
Gebietes, um den Verſuch zu machen, ob auf der Gegenſeite
Geneigtheit beſteht, die Gefangenen freizugeben, die Ausgewieſe=
nen
heimkehren zu laſſen und feſte Zuſagen über die ſtaatlichen
Hoheitsrechte Deutſchlands abzugeben, worauf dann der paſſive
Widerſtand Deutſchlands eingeſtellt werden könnte. Aber das iſt
eine Deutung, für die uns jede Sicherung der Lage fehlt. Jeden=

falls iſt der Kanzler ſelbſt ſich ganz klar darüber, daß er einen
derartigen Schritt nur in engſter Fühlungnahme mit dem beſetz=
ten
Gebiet wachen kann.
Gegen den Widerſtand aus dem beſetzten Ge=
biet
heraus darf die Reichsregierung keinen
Schritt tun, weil ſie ſich ſofort nachſagen laſſen
müßte, daß ſie Rhein und Ruhr verraten hätte.
Wir glauben deshalb auch zu wiſſen, daß der Gedanke, die
Finanzkredite des Reiches für den Ruhrkampf
ganz allgemein zu ſperren, wieder aufgegeben
worden iſt, daß wan vielmehr Möglichkeiten ſucht, die Ausgaben
einzuſchränken und den paſſiven Widerſtand beweg=
licher
zumachen, ſo daß er ſeinen Zweck erfüllt, ohne finan=
zielle
Opfer in dem bisherigen Umfange zu koſten. Ob aber in
den Verhandlungen mit den Franzoſen auf dieſem Gebiet etwas
zu erreichen iſt, daran dürften nun doch nach den letzten Reden
Poincarés berechtigte Zweifel beſtehen. Die Regierung hatte die
Abſicht, unſer Geſandtenpoſten in Paris und Brüſſel neu zu be=
ſetzen
, um damit einen Beweis ihres ernſten Verhandlungswil=
lens
zu geben. Die Beſetzung dieſer Poſten hat aber nur dann
einen Zweck, wenn ſolche Verhandlungen irgendwie ausreichend
erſcheinen. Davon aber iſt im Augenblick weniger als, je die
Rede. Deshalb iſt auch die Frage, ob und wann die deutſchen
Vertreter nach Paris und Brüſſel gehen, gegenwärtig nicht aktuell.
Vor der Pariſer Miniſterzuſammenkunft.
London, 18. Sept. (Wolff.) Die Weſtminſter Ga=
zette
ſchreibt, es könne nicht erwartet werden, daß zwiſchen
Baldwin und Poincaré eine ernſte Erörterung des Ruhr=
problems
ſtattfinde, denn aus den letzten Reden Poincarés gehe
hervor, daß die Ausſicht auf ein Uebereinkommen ſo gering wie
nie ſei. Es ſei anzunehmen, daß Baldwin nach ſeiner Rückkehr
das Kabinett einberufen werde.
Auch der diplomatiſche Berichterſtatter des Daily Tele=
graph
mißt der Pariſer Zuſammenkunft der bei=
den
Miniſterpräſidenten keine große politiſche Bedeu=
tung
bei, da beide jeder politiſchen Erörterung abgeneigt ſeien,
der nicht ein vorheriges, durch diplomatiſchen Meinungsaustauſch
erzieltes Uebereinkommen vorausgegangen ſei. Man halte es
für ſehr wahrſcheinlich, daß das britiſche Kabinett keinen neuen
Schritt beſchließen werde. Die formelle Einſtellung
des deutſchenpaſſiven Widerſtandes würde an ſich
noch nicht die grundlegenden Merkmale der beſtehenden Lage ſofort
einſchneidend ändern. Weit wichtiger als die Frage des paſſiven
Widerſtandes ſei der erneut bekräftigte Entſchluß Poin=
carés
, ſogar nach der Einſtellung des paſſiven
Widerſtandes für einen beſtimmten Zeitraum
im Ruhrgebiet zu bleiben und die jetzt von Frankreich
und Belgien kontrollierten Pfänder zu behalten. Hier
würden die Intereſſen Großbritanniens als
Gläubiger Deutſchlands und als Handelsnation
berührt, und zwar nicht nur indirekt, wie im Falle des paſſi=
ven
Widerſtandes, ſondern direkt, da dieſe Frage in ſehr vitaler
Weiſe die Frage der wirtſchaftlichen Erholung und der künftigen
Zahlungsfähigkeit Deutſchlands berühre. Man ſei der Anſicht,
daß die britiſchen Rechte und Intereſſen in dieſer Hinſicht ſo=
bald
wie möglich autoritativ betont werden müßten; beſonders
deshalb, weil in Abweſenheit der britiſchen Miniſter ſehr ge=
fährliche
Mitteilungen erfolgt ſeien und noch erfolgten, in denen
behauptet würde, Großbritannien würde den Abſchluß eines
Separatabkommens zwiſchen Frankreich und Deutſchland begün=
ſtigen
. Nach ſeinen öffentlichen Aeußerungen zu ſchließen, beab=
ſichtigt
Poincaré ſelbſt kaum, einen ſolchen Weg zu verfolgen,
obgleich ein großer Teil der franzöſiſchen Meinung dazu neige.
Belgien ſtehe ſicher dieſem Gedanken vollkommen ablehnend
gegenüber, denn man erkenne durchaus an, daß es, wenn einer
der Alliierten dieſes Verfahren anwende, jedem anderen Alli=
ierten
es freiſtehen würde, genau ſo zu handeln.
* London, 19. Sept. (Priv.=Tel.) Die Meldung des
Daily Telegraph nach der eine Stellungnahme der engliſchen
Regierung in bezug auf Deutſchland nicht zu erwarten ſei, bevor
ſich das britiſche Kabinett mit der Frage befaßt hat, findet in
hieſigen amtlichen Stellen keine ausdrückliche Beſtätigung. Es
wird jedoch durchaus für möglich gehalten, daß die Dinge in
der Praxis ſich anders entwickeln können. Jedenfalls läßt
die Aeußerung von dieſer Seite keinen Zweifel darüber, daß
eine neue Lage erſt durch die Rückkehr Baldwins geſchaffen wer=
den
kann. London iſt nicht dazu bereit, aus ſeiner gegenwärti=
gen
paſſiven Haltung herauszugehen, gleichgültig, was auch in
Deutſchland geſchehen mag, ſeitdem die engliſche Regierung in
der Note an Frankreich erklärte, daß eine Erklärung nicht länger
aufgeſchoben werden könnte, ohne daß dadurch die ſchwerſten
Folgen vor den Augen der Welt entſtünden.

Die Balkankriſe.
Belgrad und die Einſetzung des Militär=
gouverneurs
in Fiume.
Paris 18. Sept. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Belgrad hat der italieniſche Geſchäftsträger dem Kriegsmini=
ſter
mitgeteilt, daß die Ernennung des Generals Giardino
zum Militärgouverneur von Fiume weder gegen
das derzeitige Statut von Fiume verſtoße, noch die Ausſichten
auf eine italieniſch=ſüdſlawiſche Verſtändigung bedrohe, ſondern
als eine Vorſichtsmaßnahme ſeitens Italiens zu be=
trachten
ſei, die durch die wachſende Tätigkeit gewiſſer extremi=
ſtiſcher
Elemente votwendig geworden ſei. Hier iſt man der
Anſicht, daß es ſich um eine Rückwirkung der italieniſchen Innen=
politik
handelt und Taß die Klugheit Muſſolinis es verhindern
werde, daß ihre etwaigen Folgen die günſtige Wendung der
letzten Verhandlungen gefährdeten.
Belgrad gegen Italiens Fiume=Pläne.
* London, 19. Sept. (Prib.=Tel.) Nach privaten Infor=
mationen
aus Belgrad ſcheint die jugoſlawiſche Regierung nicht
geneigt zu ſein, eine offene Beſitzergreifung des heißumſtrittenen
Fiume als vollendete Tatſache hinzunehmen, und es beſteht trotz
der Ermahnungen von London und Paris, die Verhandlungen
mit Italien über die Fiumefrage zu beſchleunigen, auf der For=
derung
, daß Fiume unter ein unabhängiges Regime geſtellt
werde. Die ſerbiſche Regierung verlangt im Gegenteil von Eng=
land
u. Frankreich einen Druck auf Muſſolini, daß er die Ver=
träge
erfülle, die Jugoſlawien mit unterzeichnet habe.
Paris, 18. Sept. (Wolff.) Nach einer Meldung des
Sonderberichterſtatters der Chicago Tribune aus Suſſak ver=
lautet
gerüchtweiſe, daß nach dem Eintreffen des Generals
Giardino Fiume von zwei Infanterie= und
einem Kavallerie=Regiment =beſetzt werden
ſoll. Aus Südſlawien wird gemeldet, daß die Serben
den geſamten Verkehr zwiſchen Fiume und dem Hinterland ſper=
ren
würden, falls Muſſolini nicht die vorausſichtliche Beſetzung
von Fiume rückgängig machen werde.
Paris, 18. Sept. (Wolff.) Nach einer Meldung der Chi=
cago
Tribune beabſichtigt die bulgariſche Regierung,
ſich an den Völkerbund zu wenden, falls nicht die Alliierten
ſofort Südſlawien von einem Einmarſch in Bulgarien abhalten.
Ein italieniſcher Rückzug.
* Genf, 19. Sept. (Priv.=Tel.) In der geſtrigen Sitzung
des Völkerbundsrats gab Salandra die in Ausſicht geſtellte Er=
klärung
zu dem griechiſch=italieniſchen Konflikt bzw. der Kompe=
tenzfrage
des Völkerbundes ab. Die Erklärungen ſtellten einen
Rückzug gegenüber dem bisher von ihm vertretenen Standpunkt
dar. Er erklärte ſich damit einverſtanden, durch eine juriſtiſche
Autorität, wie z. B. den internationalen Gerichtshof, über die
Frage der Kompetenz des Völkerbundes in ähnlichen Fällen wie
im griechiſch=italieniſchen Konflikt einen Entſcheid herbeizufüh=
ren
. Bezüglich der Beſetzung Korfus hielt Salandra an dem
alten italieniſchen Standpunkt feſt.
Ein zweites Unglück über Japan.
* Paris 18. Sept. (Priv.=Tel.) Die zahlreichen Nach=
richten
über das zweite große Unglück, das Japan betroffen hat,
beſagen, daß ein Wirbelſturm im Nordoſten des Landes furcht=
bar
wütete und große Verwüſtungen angerichtet hat. Drei
Flüſſe traten über ihre Ufer und vernichteten zahlreiche Dörfer.
Beſonders iſt die Gegend von Tittoi heimgeſucht worden. Das
Unwetter wütete 24 Stunden. Amerikaniſche Meldungen aus Kobe
ſprechen von 5000 Toten und vielen Tauſend Obdachloſen. Das
amerikaniſche Rote Kreuz hat 8 Millionen Dollar geſtiftet.
*
London, 18. Sept. (Wolff.) Reuter meldet aus Berkeley
in Kalifornien: Durch den Gebäudebrand ſind 600 Häuſer zer=
ſtört
worden. Der Schaden beläuft ſich auf 100 Millionen Dollar,
2400 Menſchen ſind obdachlos geworden.
Ein Handelsabkommen mit Rußland.
* London 18. Sept. (Priv.=Tel.) Reuter meldet aus
Moskau: Der frühere Reichskanzler Dr. Wirth hat von der
Sowjetregierung außerordentlich umfangreiche Konzeſſionen er=
halten
, darunter die Ausbeute von vier großen Wäldern weſtlich
Rybinsk, Anlegung einer Eiſenbahnlinie nach dem Kaſpiſchen
Meer. Der Vertrag lautet auf 25 Jahre, mit der Möglichkeit
einer Verlängerung von 10 Jahren.

* Schuſe der Weisheit.
II.
Am Dienstag vormittag wurden die Vorträge fortgeſetzt.
Pfarrer Friedrich Hogarten
ſproch über den proteſtantiſchen Menſchen. Die Frage
nach dem proteſtantiſchen Menſchen kann nur beantwortet wer=
den
, wenn wir verzichten auf das Wort proteſtantiſch überhaupt.
Der proteſtantiſche Menſch iſt eben nur Menſch, und wenn wir
nach ſeinem Namen fragen, hat er nur mit dieſem, mit dem
Namen Menſch zu antworten. Das Weſen des proteſtantiſchen
Menſchen iſt ja eben der Proteſt gegen das, was nicht dem Weſen
des rein Menſchlichen entſpricht. Dieſer Proteſt iſt eine innere
Notwendigleit, er iſt an keine Zeit gebunden und iſt auch an
keine Konfeſſion gebunden, die man nach den Reformatoren die
proteſtantiſche Konfeſſion nennt. Ja, es fragt ſich, ob es über=
haupt
eine proteſtantiſche Konfeſſion gibt. Dieſer Proteſt iſt
gegen nicht mehr oder weniger gerichtet, als gegen die Religion
überhaupt. Er wendet ſich gegen jedes Mittel, gegen den Willen,
der das Göttliche realiſieren will. Das Göttliche iſt nicht zu rea=
liſieven
, auch nicht das Göttliche im Menſchen. Zu realiſieren iſt
nur der menſchliche Menſch. Der menſchliche Menſch iſt allerdings
viel mehr als das, wovon der Menſch träumt, wenn er das Gött=
liche
realiſieren will, die göttliche Wirklichkeit. Der Menſch iſt
geſchaffen von Gott, er iſt göttlich geworden durch Gottes Anrede
Du Menſch. Dieſes Du gab dem Menſchen das Ich. Das
menſchliche Ich aber iſt nicht denkbar ohne das Du, ohne das
Geſchaffene, und der Menſch darf nicht ſein Ich hinaus erheben
wollen über das Du Gottes. Unſer Menſchſein iſt aber noch
durch etwas anderes beſtimmt, nicht allein durch Gottes Du‟
Es kommt ein Soll dazu. Wir ſind die allein Geſchaffenen,
unſer Ich iſt das von Gott zum Leben berufene. Vor ihm aber
iſt das erweckende ſchöpferiſche Du. Setzen wir das Ich vor
dem Du, ſo ergibt das eine Verkehrung der Schöpfung, eine
Anmaßung, die der proteſtantiſche Menſch als ſolche erkennt und
bezeichnet. Wenn Gott als der Gebietende geſetzgeberiſch dem
Menſchen gegemübertritt, tritt das Ich von der erſten Stelle
zurück, dann tritt das Soll an ſeine Stelle. Denn das Ich iſt
nicht aus ſich, es iſt vor dem Wort Gottes, das zu ihm geſprochen
wird, Dieſes, Soll ſteht aber nur vorübergehend an der erſten
Stelle. Der Menſch ſtellt ſein Ich wieder voran, entweder in=
dem
er ſein Inneres dem Gebot Gottes verſchließt, oder indem
er verſucht, den Willen Gottes zu erfüllen. Ueber das erſtere iſt
nichts zu ſagen, wohl aber über den Willen, das Gebot Gottes
zu erfüllen. Der Menſch, der ſich ſelbſt zum Schöpfer gemacht

hat, iſt ſchuldig geworden, und in ihm iſt eine Furcht vor Gottes
Gebot. Sein Verhältnis zu Gott iſt ein Schuldverhältnis. In
der Abſicht, in dem Willen des Menſchen, Gottes Gebot zu er=
füllen
, liegt die Abſicht, ſchuldlos, wieder unſchuldig zu werden
vor Gott. Liegt aber nicht darin der Grund zu einem Wieder=
ſchuldichwerden
2 Sein Verhältnis zu Gott zu löſen und wieder
Selbſt zu werden? Entweder wir hören Gottes Du nicht, dann
müſſen wir uns erheben, wüſſen uns ſtrecken in das Unendliche,
Grenzenloſe. Oder aber wir hören ſeine Stime und werden
ſchuldig, indem wir das Schuldverhältnis zu Gott erkennen, wie=
der
mit unſerem Ich in Gottes Du wurzeln. Der Menſch
kann an ſeinen Gott nur denken als ein Schuldiger. Der Ort,
wo der Menſch nur als ein Schuldiger ſtehen kann, iſt der Ort,
wo der proteſtantiſche Menſch ſtehen bleiben und ſeinen Proteſt
erheben will dagegen, dieſen Ort verlaſſen, die Schuld gegen
Gott löſen zu wollen. Fragt man, wie der Proteſt an dieſem
Ort ſtehen kann, ſo lautet die Antwort, weil er Wahrheit will.
Hier iſt der einzige Ort, wo der Menſch nur Menſch iſt, wo ihn
Gott erſchaffen und wo er ſchuldig wurde. Hier iſt der Menſch
wirklich der, der nach ſeinem eigenen Geſetz lebt. Hier erfährt
er mit Furcht und Zittern, wer ihn zu ſeinem Ich erſchuf, hier
hat er das ſchöpferiſche Du Gottes, hier ward er nach Gottes
Schöpferwillen ſchuldig. Nur in der Gebundenheit an Gottes
Du iſt der Menſch das, was er in Wahrheit iſt. Der Menſchen
Ich iſt das Geſchaffene, Gottes Du das Schöpferiſche. Got=
tes
Du iſt ein Gebot: Du ſollſt ſein wie ich. Darin aber
gründet die Schuld. Gelänge es den Menſchen, dieſe Schuld ab=
zutragen
, wäre er wie Gott, wäre er Gott ſelbſt. Hier ſetzt der
Proteſt des proteſtantiſchen Menſchen ein. Der Augenblick, da
Gott ſprach Du ſollſt, iſt der Augenblick der Ewigkeit. Der
Menſch trägt die Schuld nicht, um ſie abzutragen. Er trägt ſie
nac dem Gebot Gottes, deſſen Schöpferwille ihm ſeine Geſtalt
gab durch ſeinen Blick. Hier will der Proteſtant ſtehen bleiben,
weil er hier und ſo in Gottes Gnade lebt. Dieſe Erkenntnis
der Schuld iſt die Erkenntnis Gottes. Der Augenblick des
ewigen Gerichts iſt der Augenblick der ewigen Schöpfung. Gott
iſt in der Schöpfung und nichts iſt ohne ihn. Die Schuld, die
den Menſchen mit Gott verbindet, die ihn Gott erſt ſehen ließ,
iſt nicht die tragiſche Schuld, ſie iſt eine Bekenntnisſchuld. Wir
können als von Gott Geſchaffene nicht vor Gott treten, ohne daß
wir unſer Schuldverhältnis empfinden. Für den proteſtantiſchen
Menſchen iſt alles, was Menſchen tun können, weltliches Ge=
ſchäft
, und alle Stände ſind weltliche Stände. Heilig, recht und
gut und rein iſt alles menſchliche Tun allein durch die Gnad=
Gottes. Weil der Menſch aus ſeinem Proteſt einen konfeſſio=
nellen
Mantel gemacht hat, weil er nicht rein Menſch blieb und

den Ort verlaſſen hat, da allein er ſeine Erkenntnis und ſeinen
Proteſt fand, wird der nicht wahrhaft proteſtantiſche Menſch im
Rädergetriebe der Welt zerdrückt. Der Menſch iſt nicht für den
Sabbat da, der Sabbat iſt für den Menſchen da.
Am Nachmittag ſprach
Dr. Hermann Platz
über das Thema Katholizismus als Aufgabe‟. Er
ſagte: Man kann wohl ſagen, daß der Katholik von oben her,
vom Ganzen her zu denken verſucht Das ergeben ſchon die zwei
Urprinzipien katholiſchen Glaubens: Gott entläßt die Schöpfun=
gen
aus der Fülle ſeines Lebens eine Zeitlang in der Schwebe
und holt ſie dann wieder herein in das Ganze der Menſch
tritt in der Sünde aus dem Ganzen heraus, und wird in der
Erlöſung wieder hineinverſetzt in das Ganze. Die höchſte Wirk=
lichkeit
, das höchſte Sein iſt Gott ſelbſt. Er iſt das Dina von
ſich ſelbſt, das unbedingte, ſchlechthinige Sein. Hieraus folgert
auch die Herrſchaft Gottes als des höchſtens Seins über alle
untergeordneten Stufen des Seins. Für den Katholiken iſt der
Höchſte Du‟=Erlebnis. Es wird verkehrt durch die Schuld. Der
erſte Menſch, Adam, hat die Schuld in die Welt gebracht, Chri=
ſtus
brachte die Erlöſung, brachte den göttlichen Gnadenbeweis,
damit aber die Pflicht, an der Eplöſung der Welt mitzuarbeiten,
wenn er ihrer teilhaft werden will. Gott iſt alles, iſt die Wirk=
lichbeit
, und dieſe Wirklichkeit iſt die Gebundenheit in Gegen=
ſätzen
. Gott eint in ſich alles: Zeit und Ewigkeit, Kraft und
Stoff, Vergangenheit und Zukunft, alles, was Menſchengeiſt
als Gegenſatz fühlt und empfindet. Als Aufgabe des katholiſchen
Menſchen erſcheint mir heute, den Sinn zu behalten für die Ge=
bundenheit
dieſer Gegenſätze in Gott. So allein kann es ge=
ſchehen
, daß Gott in allem wurde.
An zwei Aufgaben möchtze ich katholiſches Denken und Arbei=
ten
beleuchten. Einmal das Verhältnis der ſündigen Menſchen
zum heiligen Gott. Das Schuldbewußtſein darf nicht ſchwinden.
Es war das gefährlichſte Beginnen moderner Menſchen, daß ſie
glauben machen wollten, die Spannung zwiſchen Gut und Böſe
könne gemindert, beſeitigt werden. Unſer tägliches Gebot muß
ſein: Ich bekenne! Der Menſch iſt zwar ſündhaft, ſagt die
katholiſche Lehre, aber es iſt in ihm ein Fünklein Göttliches, ein
Gutes, das zum Licht dringen muß. Die zweite Aufgabe iſt die
Verwandlung ſündigen Lebens in göttliches Leben. Die Kirche
trägt das Myſterium. Das iſt nichts anderes als das Fortleben
des Menſchen in einer Gemeinſchaft. Die katholiſche Kirche hat
das Myſterium übernomen als Handlung. Die Gemeinſchaft
wird gebildet aus den Gläubigen, das Ziel iſt: zu erreichen,
daß wir alle zu Söhnen Gottes werden. Ordnungsgemäß durch

vere
ſict

[ ][  ][ ]

E Et

Bland.

Neiſch.

Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 19. September 1923.

Nummer 259.

Erwerbsloſenunruhen.
Zu den Vorgängen in Groß=Gerau.
unruhen im Kreiſe Groß=Gerau haben verſchiedene Arbeiter niederſchießen! beſchlagnahmt.
Blätter geſtern alarmierende Nachrichten veröffentlicht, die uns
von vornherein ſo unglaubhaft erſchienen, daß wir keine Notiz alliierten Rheinlandkommiſſion auf drei Monate in ſämtlichen alt=
davon
genommen haben. Unſere Erkundigungen an Ort und
Stelle und bei den zuſtändigen Behörden brachten die Beſtäti=
gung
unſerer Annahme, daß die Meldungen zum mindeſten ſehr
ſtark übertrieben ſind. Den ganzen Vorgängen liegen folgende
Tatſachen zugrunde:
Die Erwerbsloſen im Kreiſe Groß=Gevau bereiten den dor=
tigen
Behörden ſeit längevem Schwierigkeiten, weil ſie die Er=
werbsloſenunterſtützung
für zu niedrig halten und von Zeit zu
Zeit dagegen demonſtrieren. Es wird dabei überſehen, daß der
heſſiſche Staat über die vom Reich vorgeſchriebenen Sätze nicht
hinausgehen kann. So hat auch geſtern wiederum eine Demon= Pfund Zucker. Bei anderen Firmen erhalten ſie 110115 Mil=
gefunden
. Kreisdirektor Dr. Wallau iſt zurzeit beurlaubt. Sein
Vertreter weilte bis geſtrn abend in der Angelegenheit der Er=
folge
der vielen Aufregungen durch die Demonſtrationen er= Auf die Angriffe der Demonſtranten auf die Sipo durch das
krankt und befindet ſich in Wiesbaden. Der vierte Beamte endlich Werfen einer Handgranate und die Abgabe von Revolverſchüſſen
iſt von den Franzoſen verhaftet worden, weil er Erwerbsloſen=
gelder
bei ſich führte. So war das Kreisamt eigentlich vorüber=
gehend
verwaiſt. Um Ausſchreitungen der Erwerbsloſen zu ver=
hindern
, hat eine Anzahl beſonnener Elemente die Burequräume
des Kreisamtes beſetzt. Dies führte zu dem falſchen Gerücht, daß
das Kreisamt von Kommuniſten beſetzt ſei, daß ein Zentralrat
die proviſoriſche Regierung an ſich geriſſen habe, ja ſogar, daß
die Ausrufung der Räterepublik bevorſtehe. Behquptungen, die graphenverkehr iſt regelmäßig. In Säckingen verlangten die
ſo unſinnig und lächerlich ſind, daß ſie eigentlich keiner Wider=
legung
bedürfen.
Richtig iſt, daß Syndikaliſten, denen die Kommuniſten in
ihren Forderungen noch nicht radikal genug ſind, die Gelegenheit
der Demonſtrationen benutzten, um in Groß=Gerau den Verſuch
zu machen, eine Bank zu ſtürmen. Der Verſuch wurde ſelbſtver=
ſtändlich
vereitelt. Aus einer großen Geweinde des Kreiſes iſt
dem heſſiſchen Arbeitsminiſterium eine Reſolution zugegangen,
in der erklärt wird, daß die Erwerbsloſen mit dem Vorgehen
des Zentralrates nicht einverſtanden ſind, dieſem das ſchärfſte
Mißtrauen ausſprechen und jede Verbindung mit ihm ablehnen.
Die ganze Situation wäre längſt geklärt und die Ordnung
wiederhergeſtellt, wenn die franzöſiſchen Behörden nicht den Ein=
ſatz
von Schutzpolizei dauernd verhinderten. Die vorhandene handenen Kräften nicht mehr bewältigt werden können. Da
Die Unruhen in Baden.
Energiſches Vorgehen der badiſchen Regierung
gegen die Ruheſtörer.
Verhängung des Ausnahmezuſtandes im vber=
badiſchen
Induſtriebezirk.
TU. Lörrach, 18. Sept. Die Streiklage im vberbadiſchen
Juduſtriebezirk, vor allem in Lörrach, hat ſich in der vergangenen
Nacht und am Dienstag vormittag derart verſchärft, daß die zu erregen. U. a. wird behauptet, die Reichsregierung wolle
badiſche Regicrung ſich genötigt ſah, über die Amts= die monatliche Bezahlung der Beamtenbezüge durch eine wöchent=
bezirke
Lörrach, Schopfheim, Schönau und
Säckingen den Ausnahmezuſtand zu verhängen. In
der Nacht zum Dienstag wurde die Sicherheitspolizei von den
Demonſtranten fortgeſetzt angegriffen. Die Demonſtranten
und ſchoſſen aus Karabinern und Revolvern.
Die Polizei nahm ungefähr 200 Verhaftungen vor.
Weiter haben die Demonſtranten verſchiedene Perſönlichkeiten,
darunter den Gaswerksdirektor, den Vorſitzenden der Deutſch= lichkeit von ſonſtigen Zahlungen ſpäter fortfällt.
nationalen Partei und zwei Fabrikanten als Geiſeln weg=
geſchleppt
. Als am Dienstag vormittag die Angriffe auf die
Polizei in verſtärktem Maße zunahmen, ſäuberte dieſe mit blanker
Waffe die Straßen, während die Demonſtranten aus Keller=
löchern
und aus Fenſtern auf die Polizei ſchoſſen. Unter dem
Druck der Straße haben die Fabrikanten in erneuten Verhand= ſetzt iſt, ſich weigere, de Rivera anzuerkennen und tendenziös
zu zahlen, und zwar die Hälfte ſofort und die andere Hälfte in
Der Grenzverkehr iſt gering.

Prieſter vermittelt, wird aber in den Zeichen angedeutet, daß
die göttliche Gnade nicht von ihm, ſondern von Gott kommt. In
der Reue muß der Sünder an den ewigen Chriſtus angellam=
mert
ſein. Die dritte Aufgabe iſt die, daß die Spannung in die=
ſem
Verhältmis nicht verloren geht. Daß der Abſtand beſtehen
bleibt und das Gefühl dafür, welches Maß von Demut aufge=
bracht
werden muß, um die Kluft zu überbrüchen. Aber auch
dafür, wie hoch und groß die Gnade iſt, die uns durch Gott teil=
haft
wird, das Hochgemute deſſen, dem verziehen, der berufen
wird, mitzuarbeiten an der Erlöſung. Die moderne Welt wollte
ſich dem verſchließen, Fortſchritt und Kultur war Ruf und For=
derung
, aber Zuſammenbruch die Folge. Erlöſung kann nur
bringen der Glaube, der lebendige Glaube, der den Menſchen er=
füllt
und zur Tat treiben muß. Die Welt beſteht, die Kirche glaubt.
Die katholiſche Kirche glaubt an die Wirklichkeit des Ueber=
natrlichen
, an die Wiederauferſtehung und das Leben Chriſti.
Chriſtus betete für Petri, daß er den Glauben nicht verliere. Im
Papſt verkörpert ſich uns dieſer Glaubensfels. Die Kirche iſt
nicht nur Lehrerin und Meiſterin der abendländiſchen Völker,
ſie wird auch einſt Herrſcherin ſein der großen religionsloſen
Völker. Ihre täglichen Opfer gelten dem Heil der ganzen Welt.

* Neues von den Brüdern Grimm.
(Zu Jakob Grimms 60. Todestag, 20. September.)
Scherer hat einmal die Brüder Grimm die beiden Schutz=
patrone
der deutſchen Sprache genannt, und wirklich ſind ſie die
guten Geiſter geweſen, die das alte Kulturgut deutſcher Ver=
gangenheit
mit dem Zauberſtabe ihrer Forſchung zu neuem
Leben erweckten. Deshalb ſind uns dieſe beiden Geſtalten im
Reiche der deutſchen Gelehrtenwelt beſonders ehrwürdig, und
jede neue Kunde iſt willkommen, die unſere Kenntnis von ihrem
Weſen und Wirken vertieft. Eine Fülle ſolches Neuen bringen
uns die Briefe der Brüder Grimm, die, von Hans Gürtler
geſammelt, nach deſſen Tode von Albert Leitzmann im Verlag
der Frommannſchen Buchhandlung zu Jena herausgegeben wer=
den
. Jakob und Wilhelm erſcheinen hier im Briefwechſel mit
den verſchiedenſten Perſönlichkeiten in ihrer menſchlichen Güte
und wiſſenſchaftlichen Bedeutung; wir folgen ihnen durch alle
Phaſen ihrer Laufbahn von den Kaſſeler Anfängen über die Göt=
tinger
Zeit bis in die Berliner Reifejahre; ſtets ſind ſie unzer=
trennlich
, und auch als nach der Vertreibung der Sieben aus
Göttingen ſie ſich nach einem neuen Wirkungskreis umſehen muß=
ten
, war ihre Haupt= und Grundbedingung, daß ſie ſich nicht von
einander trennen wollten. Jgkob iſt ſtets um die ſchwache Ge

Die kommuniſtiſche Arbeiterzeitung beſchlagnahmt.
Mannheim, 18. Sept. (Wolff.) Die heutige Nummer
der Arbeiterzeitung (kommuniſtiſches Organ) wurde von der
Polizeidirektion in Mannheim auf Grund der Notverordnung
Darmſtadt, 18. Sept. Ueber die Erwersloſen= vom 7. Auguſt wegen eines Artikels aus Lörrach: Arbeiter=
mord
in Lörrach! Die badiſche Regierung läßt hungernde
Die gleiche Zeitung wurde nach einer Verfügung der inter=
und neu beſetzten Gebieten verboten.
Kommuniſtiſche Drahtzieher.
* Lörrach, 19. Sept. (Priv.=Tel.) Bei den Vorgängen
im badiſchen Oberland wird immer offenſichtlicher, daß hinter
der anfänglichen Lohnbewegung der Arbeiter kommuniſtiſche
Drahtzieher ſtehen, die die Unzufriedenheit der Arbeiter für ihre
Zwecke auszunützen verſuchen. Nachdem verſchiedene Firmen
zur Gewährung von Wirtſchaftsbeihilfen übergegangen ſind, er=
halten
die Arbeiter zum Teil 15 Schweizer Franken ausgezahlt,
und außerdem in der Schokoladenfabrik von Lörrach noch 10
ſtration der Erwerbsloſen vor dem Kreisamt Groß=Gerau ſtatt= lionen Mark. Trotzdem ſoll die Arbeit nicht eher wieder auf=
genommen
werden, als bis die Sicherheitspolizei abgerückt iſt.
Nach der Verhängung des Belagerungszuſtandes iſt auch ge=
werbsloſenfürſorge
in Darmſtadt. Der dritte Oberbeamte iſt in= ſtern der Sperrbezirk in der Stadt Lörrach erweitert worden.
antwortete die Sipo mit ſcharfen Schüſſen. Zwei Arbeiter wur=
den
verletzt. Einer ſoll bereits ſeinen Verletzungen erlegen ſein.
Ein geſtern früh feſtgenommener deutſchnatiovaler Stadtrat
wurde ſchwer mißhandelt, worauf er ins Krankenhaus gebracht
werden mußte. Der Zugverkehr von Lörrach und im ganzen
Wieſental iſt zum großen Teil eingeſtellt. Der Poſtbetrieb funk=
tioniert
nur noch ſehr mangelhaft. Der Telephon= und Tele=
Demonſtranten von den Zollbehörden die Herausgabe der Waf=
fen
, wurden jedoch durch Polizei und Gendarmerie zerſtreut.
In Zell im Wieſental iſt es ebenfalls unruhig. In Pforzheim
wurden ein Fabrikant und ein Stadtrat als Geiſeln feſtgenom=
men
. In Freiburg i. Br. hielten in kommuniſtiſchen Verſamm=
lungen
Redner wit ſächſiſchem Akzent wüſte Hetzreden. Geſtern
vormittag wurde der Generalſtreik proklamiert.
Neueinſtellungen bei der Reichsbank.
TU. Berlin, 18. Sept. Der Reichsrat ſtimmte in ſei=
ner
heutigen Sitzung der Schaffung von 1297 neuen Stellen bei
der Reichsbank zu. Dieſe Vermehrung iſt nach Anſicht der
Reichsregierung unbedingt notwendig, weil die Arbeiten bei
der Reichsbank und in den Reichsbanknebenſtellen infolge un=
ſerer
Währungsverhältniſſe dauernd ſteigen und mit den vor=
auch
das Reichsfinanzminiſterium dieſe Vermehrung für not=
Gendarmerie reicht nicht aus, um die Ruhe aufrecht zu erhalten, wwendig hält, ſo ſieht der Reichsrat ſeinerſeits von Abſtrichen ab.
Eine Verordnung des Reichsfinanzminiſters, welche es den Län=
dern
und Gemeinden zur Pflicht macht, für den 1. Oktober die
Vorauszahlung eines Monatsgehalts an die Beamten vorzube=
reiten
, findet gleichfalls die Zuſtimmung des Reichsrats.
Zur Beamtenbeſoldungsfrage.
TI. Berlin, 18. Sept. Von maßgebender Stelle geht
uns folgende Notiz zu: Von Zeitungskorreſpondenten ſind in
der letzten Zeit über die Beamtenbeſoldungs=
frage
wiederholt völlig irreführende Nachrichten ver=
breitet
worden, die geeignet ſind, unbegründete Beunruhigung
liche erſetzen. Dies entſpricht keineswegs den Tatſachen. Die
monatliche Bezahlung der Beamtenbezüge bleibt erhalten. Die
im Laufe des Monats wegen des Steigens der Teuerung etwa
erforderliche Erhöhung der Bezüge ſoll zunächſt nur für den
Zeitraum von einem Viertelmonat gezahlt werden. Dieſe Maß=
nahme
iſt zurzeit notwendig, um den für dieſe Zahlung erforder=
gingen
gegen die Sipo mit Handgranaten vor lichen Bedarf an Zahlungsmitteln jeweils möglichſt viedrig zu
halten, und um einer übermäßig ſtoßweiſen Inflation zu ſteuern.
Im übrigen wird durch die Einführung des neuen Zahlungs=
mittels
die Möglichkeit geſchaffen werden, den Beamten die Ge=
hälter
in wertbeſtändiger Form auszuzahlen, ſo daß die Mög=

Die Lage in Spanien.

TU. Berlin, 18. Sept. Während die Daily Mail aus
Tanger erfahren haben will, daß der bisherige ſpaniſche Ober=
kommiſſar
in Marokko Silvala, der von Primo de Rivera abge=
lungen
zugeſagt, die Wirtſchaftsbeihilfe von 50 Schweizer Franes hinzufugt, daß man ſich auf intereſſante Ereigniſſe gefaßt machen
könnte, erhält die Telegraphen=Union direkt aus Madrid die Mel=
dung
, daß in ganz Spanien Ruhe herrſche und General Aizpura,
Naturalien. Die Schweiz hat den Grenzſchutz weiterhin verſtärkt, der unter der alten Regierung Kriegsminiſter war, zum Ober=
kommiſſar
von Marokko ernannt worden iſt.

ſundheit des Bruders unendlich beſorgt. Gott erhalte mir den
lieben Bruder, ſchreibt er einmal an den engliſchen Freund und
Schüler John M. Kemble, nachdem er von Wilhelms Krank=
heitsanfällen
berichtet, der feſt in mein eigenes Daſein und
Weſen verwachſen iſt, ſo daß ich nicht wüßte, was aus mir wer= Erlebnis für die Brüder, und noch 1837 ſagt Jakob über den
den ſollte, wenn ich ihn verlöre. In einem Schreiben an Fried=
rich
Blume ſagt er, Wilhelms Krankheit mußt auch mich, wie
Sie von ſelbſt fühlen, in allen meinen beſten Arbeiten, Plänen
und Gedanken lähmen. Als ſie aus Göttingen vertrieben, nach
Kaſſel zurückgekehrt waren und einer ungewiſſen Zukunft ent=
gegenſahen
, da befeſtigte ſich in ihnen der große Gedanke des
Wörterbuches, dem ſie ſich nun gern ganz gewidmet hätten.
Vielleicht iſt Ihnen von einer großen Sache zu Ohren gekom=
men
, in die wir uns einlaſſen, ſchreibt Jakob an Kemble. Wir
unterfangen uns eines ausführlichen Wörterbuches der deutſchen
Sprache von Luther bis Goethe oder auf heute . . . Für die
Menge der Auszüge ſind bereits über 30 Mitarbeiter geworben,
was freilich ziemliche Koſten macht, doch ließ ſich der Stoff an=
ders
gar nicht bewältigen. Gerät und gedeiht das Werk, ſo wird
ihm ein dauernder Wert beigelegt werden dürfen; es iſt die Grabe des Tutanchamon. Der engliſche Aegyptologe
Frucht unſerer Verbannung, die wir auf dem Altar des Vater= Howard Carter, der mit dem verſtorbenen Lord Carnavon die
landes niederlegen. Beide pflegen einen ausgebreiteten Ver= Schätze im Grabe des Phargo Tutanchamon entdeckte, wird dem=
kehr
mit den Mitarbeitern am Wörterbuch, unter denen auch nächſt die Ausgrabungen im Tal der Königsgräber bei Luxor
Guſtav Freytag tätig iſt.
mancherlei von dieſem gewaltigen Unternehmen ab. Ein freund= den Gang zum Grabe zugeſchüttet hat, um den Inhalt gegen
ſchaftlicher Verkehr mit alten Bekannten, wie Bettine und Sa= Diebe und die Möglichkeit einer Ueberflutung zu ſchützen. An=
vigny
, bringt Abwechſelung. Von Bettine ſagt Jakob: Ihre, fang Oktober hofft Carter zu der letzten Kammer des Grabes
Gedanken und Reden ſind immer geiſtreich und auſregend, aber vordringen zu können, um den Sarkophag zu unterſuchen, in dem
über den Rand des Gefäßes fließend; ſie erfreut, tröſtet, kann, man die Mumie des Pharao zu finden hofft.
aber doch nicht recht helfen. Meine Vorleſung, heißt es an
anderer Stelle, die freilich nicht mehr als einige 30 zahlende
Zuhörer hat, macht wir doch zu ſchaffen, ſchon der Wege halben; der Sprachkenntniſſe unter allen Kindern ihres Alters dürfte
ſameren Wilhelm noch wehr. Im Jahre 1841 war eben noch der das jetzt mit ihren Eltern aus China zurüchgekehrt iſt. Es iſt
nung. Aus demſelben Jahre berichtet Wilhelm: Dieck ſiſchen Poſt, Marie Luiſe Cammiade, die fließend engliſch, fran=
ſchwimmt
hier in einem Meer von Ehre und Glanz. Er ſchlürft zöſiſch, ruſſiſch und chineſiſch ſpricht. Im Chineſiſchen beherrſcht
das alles, wie ſeine Natur iſt, mit Behaglichkeit und feinem Ge=
geſehen
vielleicht erblicke ich ihn heute Abend in Potsdam, wo wurden, mit erſtaunlicher Schnelligkeit und Sicherheit an. Eng=
wir
der Vorſtellung der Antigone beiwohnen wollen. Die Eiſen= liſch lernde ſie von ihrem Vater, Franzöſiſch von ihrer Mutter,
bahn wird heute Nachmittag alle großen Geiſter von Berlin auf= Ruſſiſch von Bekannten, die in Tientſin, wo ihr Vater ſtationiert
Auch in Berlin blieben die beiden der alten Heimat treu, und Chineſiſch, ſowohl in der offiziellen Form wie in den verſchiede=
beſonders
rührend ſind die Schilderungen, die Wilhelm von der

Seite 3.

Stadt und Land.
Darmſtadt, 19. September.
Altweiberſommer das Geſpinſt der Nornen.
* Die flatternden weißen Fäden, die jetzt wieder im milden
Sonnenglanz des Herbſtes an Sträuchern und Zäunen hängen,
über Stoppeln und Wieſen ſchweben und uns mit ihrem leicht
verhüllenden Schleier an die Vergänglichkeit des Sommerglücks
mahnen, heißen Altweiberſommer und knüpfen wit dieſem
Wort an uralte germaniſche Vorſtellungen an, die die meiſten,
die dieſe Bezeichnung ausſprechen, nicht ahnen. Spinnen und
Weben war die ehrwürdigſte Tätigkeit der altgermaniſchen
Frau, und deshalb ſind die Schickſalsgöttinnen in der alten
deutſchen Mythologie wie auch in der Antike am Spinn=
rocken
ſitzend gedacht, wo ſie den Lebensfaden jedes Menſchen
anſpinnen, weiter führen und zuletzt abſchneiden. Die Nornen
begleiten ihre Arbeit mit Spinnliedern, von denen wir in der
Edda hören und an die Wagner im erſten Auftritt der Götter=
dämmerung
erinnert. So ſitzen die Schickſalsfrauen, die Nor=
nen
, am ſauſenden Webſtuhl der Zeit, und ihr Geſpinſt glaubte
man vielfach in der Natur wiederzufinden in den niederhängen=
den
Wolkenmaſſen, in den feinen Tüchern des Nebels, die ſich
über die Erde breiten, vor allem aber in jenen Fäden, die man
im Herbſt durch die Luft ſpielen ſieht und die die Naturforſchung
als Gewebe kleiner Spinnen erkannt hat. Das Volk nannte
dies Geſpinſt auch Metten Mettjes oder Jungfern= Mäd=
chenſommer
. Die Jungfern=Mädchen, wie die alten Weiber, ſind
die Nornen. In Ditmarſchen ſagt man, wenn Büſche und Fel=
der
voll davon hängen: Die Metten haben geſponnen. Mette
iſt die Abmeſſende, d. h. die Norne. Man dachte ſich das Ge=
webe
als Arbeit der kunſtreich ſpinnenden, das Schickſal ab=
meſſenden
Jungfrau, und darum bringt es Glück, wenn ſolche
Fäden an den Kleidern hängen bleiben. Andererſeits werden
die Nornen auch zu den Wolkenfrauen, die das Gewebe der Wol=
ken
ausführen. Die alten Weiber des Altweiberſommers ſind
die als Greiſinnen gedachten Wolkenfrauen, die mit den Schick=
ſalsfrauen
verſchmolzen ſind. Die Bezeichnung fliegender
Sommer, die man auch häufig hört, iſt gleichbedeutend mit
fliehendem Sommer, weil wan beim Erſcheinen der Fäden vom
Sommer Abſchied nimmt. Im Engliſchen heißt das Geſpinſt
Gottes Schleppkleid‟. Es liegt dabei das Bild einer aus der
Ferne geſehenen Wolke zugrunde, die ſich wie ein Schleppkleid
auf die Erde geſenkt hat und hinter der einzelne Fäden her=
ſpielen
.

Butterfly im Großen Haus. Die Ende der vorigen Spielzeik
erfolgreich aufgeführte Oper. Madame Butterfly wird morgen Don=
nerstag
wieder in den Spielplan aufgenommen. Die Partie des Goro
ſingt für den ausgeſchiedenen Herrn Siegfried Eugen Vogt, den Onkel
Bonze Herr Welcker, den Yamadori für den erkrankten Herrn Höfflin
Herr Kuhn. Die Beſetzung der Hauptpartien mit den Damen Albrecht
und Liebel und den Herren Enehjelm und Heuſer iſt die alte geblieben.
Die muſikaliſche Leitung hat Joſeph Roſenſtock.
Milchpreiserhöhung. Nach Verhandlungen des Städte=
bundes
mit den Vertretern der landwirtſchaftlichen Organiſatio=
nen
wurde der Stallpreis für den Liter Vollmilch mit Wirkung
ab 20. September auf 4 Millionen Markerhöht. Dem=
entſprechend
erhöht ſich auch der Verkaufspreis in der Stadt.
Hilfe für Auswanderer. Nach Mitteilungen von zuſtändiger
Stelle befinden ſich unter der ſteigenden Zahl der Auswanderer auf=
fallend
viele Württemberger, darunter großenteils junge Leute, nament=
lich
junge Mädchen. Vielfach werden ſie in den Ueberſee=Häfen die
Beute der Auswandererſchwindler und Mädchenhändler. Auch die
vielerorts in gutem Glauben gegründeten Auswanderervereine ſind
nicht immer zuverläſſig unterrichtet. Deshalb geſchieht den Auswan=
derungsluſtigen
ein wichtiger Dienſt, wenn ſie auf die ſeit 50 Jahren
beſtehende evangeliſche Auswanderermiſſion in Bre=
men
(Georgenſtr. 22), das jetzt wieder der größte deutſche Auswan=
derungshafen
iſt, hingewieſen werden. Dieſe Auswanderrermiſſion iſt
eine Abteilung der Inneren Miſſion und iſt vom Reichswanderungs=
amt
in Berlin als gemeinützige Auskunftsſtelle anerkannt. Sie gibt
auf alle Anfragen über Auswanderung und Anſiedlung zuverläſſige Aus=
kunft
, vermittelt aber keine Stellen. Sie hilft den Auswanderern wäh=
rend
ihrer Anweſenheit in Bremen in jeder Weiſe, holt ſie bei vorheri=
ger
Anmeldung am Zuge ab, beſorgt gute Nachtquartiere und die Schiff=
fahrtskarten
, macht mit den Auswanderern die nötigen Gänge zu den
Geſchäfts= und Amtsſtellen und widmet den alleinreiſenden Frauen und
Mädchen beſondere Fürſorge. Um den Auswanderern in gleicher Weiſe
im Ankunftshafen Rat und Hilfe zuzuwenden, gibt ſie ihnen Ausweis=
karten
mit für die in den Landungshäfen beſtehenden evangeliſchen Be=
ratungsſtellen
für Einwanderer; letztere vermitteln zugleich den An=
ſchluß
an die evangeliſchen deutſchen Gemeinden der neuen Heimat,
Dieſe ganze Fürſorge wird unentgeltlich ausgeübt.
Ein großer Einbruch wurde letzte Nacht in der Villa Morneweg
hier ausgeführt. Hierbei fielen den Dieben Silbergegenſtände von ſehr
hohem Werte in die Hände. Einwohner des Hauſes bemerkten die Täter
bei der Arbeit. Dieſe ſind jedoch, als ſie ſich unſicher fühlten, geflüchtet
und unerkannt in der Dunkelheit entkommen.
Kunſtnotizen.
Ueber Werke, Künffler und künſtleriſche Veranſtaltungen, deren im Nachftehenden Erwähnung
geſchiebt, bebäklt ſich die Redaltion ihr Urteil vor.
Frau Carola B. Kremer, Opernſängerin aus Budapeſt,
gibt am Samstag, den 22. September, 8 Uhr, im Saalbau einen Lie=
der
= und Opern=Abend. Kartenvorverkauf bei Konzert=Arnold,
Wilhelminenſtraße 9.

Reiſe nach der Gegend gibt, in der er ſeine Kindheit und erſte
Jugend zugebracht. Der Zeit der Fremdherrſchaft und der Be=
freiung
erinnert er ſich noch ganz genau. Waren doch dieſe Jahre
des Zuſammenbruchs und der Wiedererhebung das entſcheidende
Franzoſenhaß: Der Generation, zu welcher wir gehören,
wird Mißtrauen und Abneigung gegen die Franzoſen unaus=
löſchlich
eingeprägt bleiben, obgleich wir freilich vieles milder
anſehen, als wir 181315 taten. Dies Gefühl möchte aber
meinethalben ganz übergehen in das geſtärkte und ſichere Be=
wußtſein
unſerer eigenen deutſchen Kraft, ohne alle Feindſelig=
keit
; dann hätten wir nichts zu fürchten. Ein ſolches Bewußt=
ſein
hängt aber ab von politiſcher Einheit, die einmäl wieder
über Deutſchland kommen muß .."

Kunſi, Wiſſenſchaft und Leben.
C.K. Die Wiederaufnahme der Arbeiten im
wieder aufnehmen. Zunächſt werden die großen Maſſen von
Nachdem ſie dann in Berlin heimiſch geworden ſind, lenkt ſie Sand und Steinen fortgeſchafft werden müſſen, mit denen man
C.K. Ein fünfjähriges Sprachgenie. Den Rekord
jeder Gang hin und zurück fordert 20 Minuten, für den lang= nach den Berichten engliſcher Blätter ein kleines Mädchen halten,
Weg von der Lennéſtraße nach den Linden eine weite Entſer= die fünfjährige Tochter eines engliſchen Beamten bei der chine=
ſie
nicht nur die Gelehrtenſprache, ſondern auch mehrere Dialekte.
nuß, als wäre es Champagnerſchaum. Ich habe ihn noch nicht Die Kleine eignete ſich die Sprachen, die um ſie herum geſprochen
laden und hinſchaffen und abends 10 Uhr wieder zurückführen. war und viele ruſſiſche Flüchtlinge ſind, im Hauſe verkehrten.
nen Dialekten, brachten ihr die Dienſtboten bei,

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 19. September 1923.

Rummer 259.

Der Mieterverein
erſucht um Veröffentlichung des Nachſtehenden:
Der Herr Beigeordnete Buxbaum hat in der Preſſe einen länge=
ren
Aufſatz über das Reichsmietengeſetz und ſeine Auslegung ver=
öffentlicht
. Der Inhalt dieſer Veröffentlichung muß aber auf der
Mieterſeite doch auf Widerſpruch ſtoßen. Das R.M.G. hat, wie wir
ſchon des öfteren geſagt haben, keineswegs die Erwartungen erfüllt,
die man daran knüpfte. Vor allem hat man gehofft, daß durch das
R. M. G. ein erträgliches Verhältnis zwiſchen Vermieter und Mieter
dadurch hergeſtellt würde, daß die Miete in angemeſſenen Grenzen blieb,
und daß es jedem Teile möglich wäre, auf dieſer Grundlage mitein=
ander
auszukommen.
Selbſtverſtändlich bezweckt das R.M. G. die Erhaltung des Wohn=
raumes
, und kein Mieter wird beſtreiten, daß bei der zunehmenden
Geldentwertung auch eine Steigerung der Hundertſätze erfolgen muß.
Nur fragt es ſich, ob man dieſe Berechnung einſeitig vom Hausbeſitzer=
Standpunkt aus vornimmt oder ob man auch die Belange der anderen
Seite mit in die Berechnung zieht. Nicht erſt das R.M.G. hat den
Hausbeſitzer verpflichtet, die Erhaltung des Hauſes und der Wohn=
räume
ſeine Sorge ſein zu laſſen, ſondern bereits das B. G.B. ſieht
ausdrücklich dieſe Vermieterverpflichtung vor. Nun war es aber in
der Praxis ſo, daß ſchon in der Friedenszeit, alſo vor dem Kriege, viel=
fach
die einfache Unterhaltungspflicht verſäumt wurde. Einesteils waren
es Hausbeſitzer, die ihr Haus nur unter äußerſt ſtarker Belaſtung er=
worben
hatten, und die dann zugleich den Anſpruch ſtellten, nunmehr
als Hausbeſitzer auch frei zu wohnen. Es blieb dann, wenn die Zinſen
herausgewirtſchaftet werden ſollten, zur Erhaltung des Hauſes nicht
mehr viel übrig. So entſtanden arge Vernachläſſigungen, die, wenn
auch noch zum Teil während der Kriegszeit, durch die Unmöglichkeit,
Ausbeſſerungen vorzunehmen, vergrößert wurden. Auch war ein gro=
ßer
Teil der Häuſer ſo leicht gebaut, daß dieſe Unterlaſſung von Aus=
beſſerungen
ſich bald recht fühlbar machte. Keineswegs kann es nun
im Sinne des R.M.G. liegen, daß alle dieſe alten, zurückliegenden
Ausbeſſerungen lediglich auf Koſten der Mieterſchaft nachgeholt werden
ſollen. Auch hat das R. M.G. in ſeiner Form durchaus nicht den
Grundſatz aufgeſtellt, daß die Hundertſätze nach den tarſächlichen Koſten
berechnet werden müſſen. Auch die notwendigen Ausbeſſerungsſummen
gehören zum Anlagekapital, ſie müſſen verzinſt und getilgt werden, und
zu dieſen Koſten iſt der Nutznießer heranzuziehen. Dann würde man
u. E. zu erträglichen Mietſteigerungen kommen und brauchte die jetzt
von der Mieterſchaft ſo drückend empfundenen Steigerungen auf
15 300 000 Prozent nicht vorzunehmen. Zweifellos wird ein Haus,
welches vollſtändig wiederhergeſtellt wird, in ſeinem Verkaufswert ge=
ſteigert
; dieſe Wertſteigerung geſchieht auf Koſten der Mieter. Der Haus=
beſitzer
, welcher alſo bisher ſeine Pflicht vernachläſſigt hat und keinerlei
Reparaturen vornehmen ließ, erhält jetzt eine Prämie, denn die Be=
hörde
ſchenkt ihm, allerdings auf Koſten der Mieter, die Summe, um
ſein Eigentum wieder in Stand zu ſetzen und im Werte ganz bedeu=
tend
zu heben. Dieſe Ungerechtigkeit wird von der Mieterſchaft aller
Kreiſe ſehr ſtark empfunden, nur weiß nicht jeder ihr Ausdruck zu
geben. Aber es iſt bezeichnend, daß alle Volkskreiſe dieſe Laſten als
ungerecht empfinden. Wir haben in verſchiedenen Eingaben ſchon
immer die Berechnung nach Verzinſung und Tilgung verlangt, und
darauf hingewieſen, daß nur dann Ruhe und Frieden zwiſchen dieſen
Intereſſentengruppen eintreten kann.
Aber die Hausbeſitzervereine wollen nicht anerkennen, oblvohl ſie
es innerlich jedenfalls zugeben, daß ſie gerade verlangen, gleichviel, ob
der andere Volksteil auch in Not iſt, aus dieſer Not herausgehoben zu
werden, und ihre Forderungen in recht einſeitiger Weiſe durchzuſetzen
ſuchen. Der Hausbeſitzer, welcher bisher ſeine Pflicht erfüllt hat, iſt
natürlich gegen den anderen geſchädigt. Wir vermiſſen eine ſcharfe Be=
ſtimmung
in den Ausführungsbeſtimmungen, in welcher geſagt wird,
daß nur der Hausbeſitzer Anſpruch auf die Hundertſätze hat, der nun
auch wirklich etwas machen läßt. Denn wenn umgekehrt der Mieter
zur Zahlung dieſer hohen Zuſchläge verpflichtet iſt und auch daraufhin
verklagt werden kann, ſo vermiſſen wir die Garantie dafür, daß auch
der Mieter bezüglich ſeiner Inſtandſetzungsanſprüche zu ſeinem Rechte
kommt. Da die Hauskonten weggefallen ſind, fehlt auch die geringſte
Sicherheit, zumal wir ſeit Beſtehen des R.M. G. die mehr wie unzu=
längliche
Tätigkeit des Inſtandſetzungsausſchuſſes hinreichend kennen
gelernt haben. Wir hätten erwartet, daß man in dieſen Inſtand=
ſetzungsausſchuß
nicht ausgerechnet den Leiter des Hausbeſitzervereins
hineingewählt hätte, da wir dieſem gar nicht zumuten, daß er gegen
die Intereſſen des von ihm geleiteten Vereins verſtößt, ebenſo wie wir
den Leiter unſeres Vereins gar nicht für dieſen Poſten vorgeſchlagen
haben. Es hätte ſich hier doch jedenfalls aus den Reihen der Haus=
beſitzer
, insbeſondere derjenigen Herren, die ſchon längere Zeit in dem
Mieteinigungsamt ihre objektive Haltung gezeigt habea, gewiß die rich=
ige
Perſönlichkeit gefunden.
Wir möchten noch darauf hinweiſen, daß nach dem R.M. G. und
ſeinem klaren Wortlaut die Betriebskoſten in den Hundertſätzen ent=
halten
ſein müſſen und daß eine Umlage der Betrieskoſten geſetzlich
nzuläſſig iſt. Auch bei dieſen Betriebskoſten iſt man in dem weiteſten
Maße dem Hausbeſitzerintereſſe nachgekommen.
Der Zuſchlag für Räume, die gewerblichen Zwecken dienen, iſt mit
Recht abgelehnt worden, da es nicht angängig iſt, den Hausbeſitzer an
dem Verdienſt ſeines Mieters in irgend einer Weiſe zu beteiligen. Auch
darf hier nicht in irgend einer verſteckten Form ein ſolcher Zuſchlag be=
willigt
werden.
Wir haben wiederholt darauf hingewieſen, daß der Hausbeſitzer
den Mieter und der Mieter den Hausbeſitzer notwendig hat, und die
Zuſtände, die augenblicklich herrſchen, und die gegenſeitigen Verärge=
rungen
und Unfrieden durchaus keinen wünſchenswerten Zuſtand dar=
ſtellen
. Es war wohl möglich, auf dem Boden des recht unzulänglichen
und lückenhaften R. M. G. einen Zuſtand, der beiden Teilen gerecht wer=
den
kann, zu ſchaffen, wenn nur von Hausbeſitzerſeite der wirkliche
Wille zum Frieden da wäre. Vor allem aber möchten wir darauf hin=
weiſen
und es ſtark unterſtreichen, daß die Hausbeſitzer nach dem
R. M. G. nicht nur innerhalb des Rahmens der eingehenden Inſtand=
ſetzungskoſten
=Zuſchläge Reparaturen vornehmen müſſen, ſondern auch
darüber hinaus nach den Beſtimmungen des B.G.B. Zum Schluß
möchten wir alle Mieter auffordern, nunmehr aber auch ſtreng darüber
zu wachen, daß die notwendigen Reparaturen gemacht werden, und auch
dann einmal keine Unannehmlichkeiten zu ſcheuen, wenn es heißt, ſein
Recht durchzuſetzen. Die von uns ſchon ſo oft angeregte Bildung der
Mieterausſchüſſe iſt unbedingt auszuführen, damit darüber gewacht
wird, daß die eingegangenen Gelder auch zweckentſprechend verwendet
werden. Man glaube nicht daß der Mieterverein nicht fortgeſetzt für
die Intereſſen ſeiner Mitglieder arbeitet; es iſt nicht immer nötig, daß
dies in Form von koſtſpieligen Verſammlungen geſchnieht.
Lokale Veranſtaltungen.
Dſe dlerunter erſcheinenden Notizen ſind ausſchließſich als Hinweiſe auf Anzeigen zu betrachten,
in keinem Falle irgendwie als Beſprechung oder Krilik.
Arbeitsgemeinſchaft Darmſtädter Jugend=
verbände
. Heute Mittwoch, den 19. September, findet in der
Städtiſchen Akademie für Tonkunſt, Eliſabethenſtr. 36, abends um
7 Uhr, bzw. nach Geſchäftsſchluß, eine muſikaliſche Uebungsſtunde ſtatt,
zu der alle Bünde mit ihren Inſtrumenten dringend eingeladen werden.
Bund der Kinderreichen zum Schutze der Familie, Orts=
gruppe
Darmſtadt. Auf die am Freitag, den 21. ds. Mts., im Feier=
abendſaal
ſtattfindende Mitgliederverſammlung mit Lichtbildervortrag
eines hieſigen Herrn über Wandertage in den Bayeriſchen=, Stubbaier=,
Oetztaler= und Ortleralpen fei nochmals hingewieſen.

H. Eberſtadt, 18. Sept. Gemeinderatsſitzung. Der Bür=
germeiſter
hatte den Gemeinderat zu einer dringenden Gemeinderats=
ſitzung
eingeladen. Veranlaſſung hierzu gab eine Forderung der Er=
werbsloſen
, welche auf die Lieferung von Naturalien durch die Gemeinde
hinauslief. Es werden verlangt: 35 Pfd. Kartoffeln, 4 Laib Brot,
1 Pfd. Fett, ½ Ltr. Oel, 1 Pfd. Bohnen und 1 Pfd. Erbſen wöchentlich
für einen Verheirateten und je die Hälfte für einen Ledigen oder eine
ſofortige bare Beihilfe von 150 000 000 Mk. bezw. 75 000 000 Mk. Der
Antrag des Gemeinderats Gärtner auf Bildung einer Verhandlungs=
kommiſſion
von je 5 Mitgliedern aus dem Gemeinderat und den Er=
werbsloſen
und 2 Vertretern der örtlichen Organiſation der Landwirte
wurde einſtimmig angenommen und aus dem Gemeinderat gewählt: die
Gemeinderäte Kaltwaſſer, Krug, Gärtner, Heißt und Mahr. Für die
Kartoffelverſorgung der Bevölkerung ſoll auf Grund der kreisamtlichen
Richtlinien ein Kredit für 10 Waggons angefordert werden. Auf Vor=
ſchlag
der Feld= und Waldkommiſſion ſoll für die verpachteten Grund=
ſtücke
der Gemeinde die Pacht mit ſofortiger Wirkung nach den Grund=
lagen
des Roggenpreiſes berechnet werden. Zu dieſem Zwecke wurden
vier Gemarkungsklaſſen gebildet und die Roggenſätze ähnlich wie bei den
Pachtſätzen für fiskaliſche Grundſtücke feſtgeſetzt. Als Deckumlage ſollen
fortan zur Ablieferung kommen: für eine Kuh 40 Pfd. Hafer, für ein
Mutterſchwein 25 Pfd., für eine Ziege 3 Pfd. Der Ankauf von 50 Ztr.
Stroh für den Faſelſtall wird beſchloſſen. Für die Friedhofs= und Wiege=
gebühren
hatte der Finanzausſchuß eine Regelung getroffen, welche dem
jeweiligen Geldſtande Rechnung trägt. Der Gemeinderat ſtimmte den
diesbezüglichen Vorſchlägen zu. So wurde die Gebühr für ein Erb=
begräbnis
auf freiem Gelände auf den 100fachen Betrag des Portos, wie
ſolches für einen Brief von 20 Gr. im Fernverkehr jeweils zu entrichten
iſt, feſtgeſetzt. Die übrigen Gebühren regeln ſich entſprechend. Ebenſo
wurde die Wiegegebühr für je 100 Ka. auf den gleichen Betrag wie vor
feſtgeſetzt, als Mindeſtgebühr ſoll jedoch der Betrag erhoben werden, der
für eine Laſt von 500 Ko. zu erheben wäre. Für ein Stück Kleinvieh

kommt der 30fache, für ein Stück Großvieh der 60fache Betrag des je=
weiligen
Portos für einen 20 Gr.=Brief im Fernverkehr zur Erhebung.
Die Vergütung des Wiegemeiſters beträgt auch fernerhin 30 Prozent der
aufkommenden Wiegegebühren. Es wird ferner beſchloſſen, für den Reſt
des Jahres 1923 eine Hundeſteuer von 1 Million für jeden Hund zu
erheben. Die Kanalbenutzungsgebühren werden auf das einmillionenfache
des Vorkriegsbetrags erhöht. Gemeinderat Pritſch teilte in einem
Schreiben mit, daß er infolge ſeiner Kriegsbeſchädigung und Ueber=
laſtung
mit Arbeiten für die Kriegsbeſchädigtenfürſorge genötigt ſei, ſein
Mandat niederzulegen. Das Geſuch des Jos. Wiemer 7. und Heinrich
Meher 8., betreffend Beſchaffung von Bauholz, wird dem Bauausſchuß
zur Vorberatung überwieſen. Bezüglich der Beſetzung des freigewor=
denen
Poſtens eines Pächters der Gemeindeapotheke wird beſchloſſen,
bei dem zuſtändigen Miniſterium die Forderung zu ſtellen, daß der hier
ſeit 16 Jahren als Gehilfe des verſtorbenen Apothekers Dambmann an=
ſäſſige
Apotheker Auguſt Becker hierzu berufen wird. Aus der Mitte
des Gemeinderats wurde, noch darauf hingewieſen, daß dieſe Forderung
die Forderung der geſamten Bevölkerung Eberſtadts darſtelle, welche
großen Wert darauf lege, daß Herr Becker, welcher ſich hoher Achtung
und Sympathie aller Kreiſe erfreue, der Gemeinde für dieſen Poſten
erhalten bleibe. In geheimer Sitzung: Wohlfahrtsangelegenheiten.
(.) Von der Bergſtraße, 18. Sept. Der mit dem Rade verunglückte
Hauptlehrer Franz Krautheimer aus Weinheim, der auf der Land=
ſtraße
zwiſchen Weinheim und Lützelſachſen von einem Automobil um=
gefahren
wurde, iſt im ſtädtiſchen Krankenhaufe in Weinheim ſeinen
ſchweren Verletzungen erlegen. Der Verſtorbene ſtand in den 30er
Jahren und hinterläßt ſeine Witwe mit einem Kinde. Er war Mitglied
des Bürgerausſchuſſes und erſter Vorſitzender der Mietervereinigung
Weinheim.
h. Von der Bergſtraße, 16. Sept. Der Preis des Marken=
brotes
wurde mit Wirkung vom 17. d. M. auf 2 220000 Mark
erhöht. Die Zwetſchen wurden geſtern und vorgeſtern auf dem
Bwingenberger Großobſtmarkt mit 400 000 bis 420 000 Mark das Pfund
bezahlt. Der Markt war gut befahren und in kürzeſter Zeit ausverkauft.
Die Zwetſchen ſind in dieſem Jahre ausnehmend ſchön und reich an
Süße. Die Pfirſiche erzielten, je nach Ware, bis zu 1 200 000 Mark
das Pfund. Viele Milliarden kamen zur Auszahlung, aber die unge=
heuren
Summen erwecken bei den Landwirten wenig Freude, da die
Teuerung allgemein zu groß und die ſteuerlichen Abgaben fortwährend
ſteigen. Die Kartoffeln koſten 200 000 Mark und darüber das
Pfund. Da der Kartoffelertrag viel zu wünſchen übrig läßt, wer=
den
wohl viele Leute für dieſen Winter wenig oder gar keine Kartoffeln
in den Keller bekommen. Da auch das Brot ſehr teuer iſt, ſehen viele
Leute mit größter Sorge dem kommenden Winter entgegen. Kartoffeln,
Fleiſch und Fett ſollten unbedingt rationiert und alsbald die erſorder=
lichen
Maßnahmen hierzu getroffen werden. Die Millionenſcheine haben
faſt gar keinen Wert mehr, indem man unter einer Million ſelbſt den
geringſten Lebensmittelgegenſtand nicht mehr erhalten kann.
Gernsheim, 18. Sept. Die Herbſtverſammlung der
Imker der Sektion GernsheimGroß=Rohrheim fand hier am
16. September ſtatt. Der Verein zählt 27 Mitglieder, die etwa 300
Bienenvölker halten. Die Honigernte war Ende Juni fehlgeſchlagen,
wurde jedoch in der Juli= und Auguſthitze noch zufriedenſtellend. Es
wurde hauptſächlich Kleehonig geerntet. Der Preis von einem Pfund
Honig wurde dem Verkaufspreis von ¼ Pfund Butter gleichgeſetzt. Es
wurde noch ein neues wiſſenſchaftliches Unterſuchungsergebnis des
Bienenhonigs auf Vitamine mitgeteilt. Danach ſagt Prof. Dr. Rubner
an der Univerſität in Berlin: Der Naturhonig enthält reichlich Vita=
mine
B. Er unterſcheidet ſich dadurch weſentlich vom Kunſthonig, der
keine Vitamine führt. Vitamine B. iſt für das Wahstum bedeutungs=
voll
und gehört zu den weſentlichſten Stoffen der Ernährung. Dieſe
Tatſache beſtätigen die Verſuche der Kinderärztin Dr. med. P. Emrich
in Weeſen (Schweiz) an 200 Fällen bei blutarmen Kindern mit ihren
günſtigen Neſultaten, mitgeteilt durch Dr. med. Zaiß, Heiligkreuz=
ſteinach
.
r. Babenhauſen, 18. Sept. Die Bowehaiſer Kerb iſt glücklich vor=
bei
. Sie hatte Ströme von Kirchweihgäſten aus der Umgegend, beſon=
ders
vom nahen Aſchaffenburg, angelockt. Am erſten Tage waren die
Gaſthäuſer überfüllt, während am zweiten ſich doch ſchon die gähnende
Leere des Geldbeutels deutlich zeigte. Finanziell günſtig kamen noch die
Kinder weg, die für eine Rundfahrt auf der Karuſſell 100000 Mark
zahlten, wenn ſie nicht ihr Kerwegeld in Bonbons, das Stückchen nicht
unter 100 000 Mark, anlegen wollten. Die Jugend huldigte eifrig dem
Tanze und zahlte willig den geforderten Tribut von 1 Mill. Mark für
drei Rundtänze. Trotzdem ſollen die Wirte keine allzu zufriedenen
Mienen gezeigt haben, da ſie bei einer kritiſchen Muſterung ſtatt vieler
Weinflaſchen auf den Tiſchen ganze Batterien von leeren Selters= und
Limonadenfläſchchen vorfanden und ſich deshalb, veranlaßt durch den
teuren, ſtarken Lichtverbrauch, gezwungen fahen, ihre Tanzlokale früher
als vorgeſehen räumen zu laſſen. Ein trauriges, aber anſchauliches
Bild der furchtbaren Geldentwertung zeigten die Kerweburſchen, die Bün=
delchen
von Kleinpapiergeld an ihrem buntgeſchmückten Kerwebaum flat=
ternd
im Winde hängen hatten.
Bad=Nauheim, 16. Sept. Sämtliche ſelbſtändigen Handwerker un=
ſerer
Stadt, hauptſächlich die Bauhandwerker, haben in letzter Zeit
unter dem Drucke der großen Wirtſchaftsſchwierigkeiten Arbeiter=
entlaſſungen
vorgenommen. Verſchiedene Betriebe ſind infolge
Fehlens jeder Arbeitsgelegenheit vollſtändig ſtillgelegt worden. Die
Handwerker wenden ſich jetzt öffentlich an die Stadt, die ſtaatliche Bade=
und Kurverwaltung und die Großbetriebe, wie Meguin A.=G. und Re=
formbund
, mit der Bitte, ihnen Aufträge zuzuweiſen, damit nicht noch
mehr Exiſtenzen in Mitleidenſchaft und in Verelendung gezogen werden.
Es wird darauf hingewieſen, daß z. B. an den zahlreichen Häuſern im
Beſitze der Stadt Reparaturen aller Art dringend nötig ſind, die loh=
nende
Arbeit bieten könnten.
Butzbach, 16. Sept. In feierlicher Weiſe fand die Uebergabe der
neuerbauten Stadtſchule an die Schulleitung ſtatt. Das Gebäude iſt in
ſeinem Innern ſehr zweckmäßig und muſtergültig eingerichtet, in ſeinem
Aeußern iſt es eine Zierde unſerer Stadt geworden.
Nidda, 17. Sept. Ein junger Mann aus Biſſes, der einen Ruckſack
voll reparierter Schuhe fortbringen wollte und dabei durch den Biſſeſer
Wald ging, iſt ſeit ſeinem Fortgang ſpurlos verſchwunden. Bis Mon=
tag
abend waren alle Nachforſchungen erfolglos. In Geiß=Nidda
wurden nachts einem Landwirt ein Pferd und teilweiſe das Pferde=
geſchirr
aus dem Stalle geſtohlen, ſeinem Nachbarn gleichzeitig ein Break
entwendet. Der Verdacht lenkt ſich auf zwei Zigeuner, die den Tag über
mit einer Geige im Dorfe auf= und abgingen und Pferdehändel ab=
ſchließen
wollten.

Reich und Ausland.
Aus der Reichshauptſtadt.
Schon lange war der Wucherabteilung des Polizeipräſidiums ein
geheimnisvoller Betrieb im Hauſe der Kommandantenſtr. 27
aufgefallen. Trotz eifriger Recherchen war es bisher nicht gelungen,
dieſer Vergnügungsſtätte zu Leibe zu rücken. Nunmehr iſt es gelungen,
eine intereſſante Feſtſtellung zu machen. Es konnte nachgewieſen werden,
daß zwei mit Weinflaſchen beladene Regale nur ſcheinbar dieſem harm=
loſen
Zwecke gedient hatten. In Wirklichkeit handelte es ſich um die
geſchickte Verkleidung einer drehbaren Tür. Nach dieſer Feſt=
ſtellung
iſt die Polizei in einen mit raffiniertem Luxus ausgeſtatteten
Naum hinabgeſtiegen, in dem ſich längſt bekannte nächtliche Ver=
gnügungsſzenen
abſpielten.
Veranſtaltungen anläßlich der Frankfurter Herbſtmeſſe.
Wie uns aus Frankfurt mitgeteilt wird, haben faſt ſämtliche Kunſt=
und Vergnügungsſtätten Frankfurts auch zur bevorſtehenden Herbſtmeſſe,
die vom 23. bis 29. September ſtattfindet beſonders gute Darbietungen
vorgeſehen. Unter anderem werden im Opernhauſe am Meſſe=Sonntag
Die Meiſterſinger von Nürnberg am Dienstag Toska, am Donners=
tag
Der fliegende Holländer, im Schauſpielhaus am Sonntag Kyritz=
Pyritz, am Dienstag Die Jungfrau von Orleans aufgeführt. Auf
dem Spielplan des Neuen Operetten=Theaters ſteht Die Bajadere‟
während das Neue Theater ein Luſtſpiel von Hermann Bahr. Wiene=
rinnen
und als Nachtvorſtellung abends um 10 Uhr Anatol, eine
Komödie von A. Schnitzler, bringen wird. Die Konzerte der Frank=
furter
Muſeumsgeſellſchaft beginnen am 21. September. Das zweite
Konzert findet am Meſſe=Sonntag ſtatt. Unter Führung des Schweizer
Tonkünſtlervereins finden am Dienstag und Mittwoch der Meſſewoche
ztvei Konzerte ſtatt, die Kapellmeiſter Herm. Scherchen leiten wird.
Ueber alles Nähere gibt das Meſſeamt bereitwilligſt Auskunft.
Schweres Brandunglück.
Auf dem Gute Neu=Valm bei Neu=Stettin geriet die rieſige Guts=
ſcheune
auf bisher unaufgeklärte Urſache in Brand. Da das Feuer von
den im oberen Teil der Scheune arbeitenden Leuten erſt bemerkt wurde,
als bereits der untere Teil in hellen Flammen ſtand, fanden vier Guts=
arbeiterinnen
den Tod in den Flammen. Zwei Mädchen erlitten lebens=
gefährliche
Verletzungen.
Weinheim, 16. Sept. Raſch gefaßt wurde ein junger Menſch
aus Hammelbach i. O., der am Fahrkartenſchalter dahier eine Brieftaſche
fand, in der ſich noch ein Scheck über dreieinhalb Milliarden Mark auf
die hieſige Filiale der Rheiniſchen Kreditbank befand. Der Hammel=
bacher
zeigte auch ſofort den Scheck auf der Filiale vor, traute aber nicht
ganz und verſchwand plötzlich, ehe das Geld zur Auszahlung kam. In
dieſem Augenblick hatte man den Verluſt feſtgeſtellt und die Sperrung
des Schecks veranlaßt. Durch zwei Banklehrlinge konnte der diebiſche
Finder gefaßt und in Unterſuchung gebracht werden.

* Der große Preis von Europa.
Mailand, am 9.: September.
Schon einige Tage vor dieſem Ereignis konnte man beobachten, daß
Italiens größtem Handelszentrum etwas ganz beſonderes bevorſtand.
Zum erſten Male ſollte hier der grße Preis von Europa auf dem erſt
im vorigen Jahre erbauten, großzügig angelegten Autodrom im könig=
lichen
Park zu Monza, eine halbe Stunde Bahnfahrt von Mailand ent=
fernt
, ausgetragen werden. Und was für uns von großer Bedeutung
iſt: Deutſchland beteiligt ſich wieder an dieſem Friedenskampf, gleich=
berechtigt
mit den anderen Naionen wie Italien, Amerika und Frank=
reich
, vertreten durch drei, ſchon auf der Berliner Bahn bewährte Renn=
wagen
der Benz=Werke, Mannheim.
Stellen wir uns drei Tage vor dieſem Ereignis auf den Domplatz,
dem Mittelpunkt Mailands, und betrachten uns dieſen ungeheuren Ver=
kehr
von Automobilen, Droſchken, Karren, Trams und dazwiſchen die
Fußgänger, ſo muß man ſich über die geringe Zahl von Unglücksfällen
wundern. Vor allem fällt außer den einheimiſchen Milaneſer Autodroſch=
ken
die große Zahl der Schweizer Automobile auf, dann folgt Frank=
reich
, ſogar engliſche und deutſche Wagen ſind zu ſehen. Auch die Eiſen=
bahn
hat eine Menge Leute herangebracht, ſodaß alle Gaſthöfe, Hotels
und Herbergen überfüllt ſind. Im Hotel Milan war der Ehrenſtarter
des Rennens Miniſterpräſident Muſſolini, abgeſtiegen, der eigens, um
den internationalen Charakter zu wahren, das Zeichen zum Abfahren
geben wollte.
Germania war durch drei leuchtend weiß geſtrichene Benz ver=
treten
, die als Neuheit in Italien den 6=Zylinder=Motor hinter dem
Führerſitz hatten, das ſich im Verlauf des Rennens beim Kurvennehmen
glänzend bewährte. Herr Hörner, Ingenieur Walb, zum erſten Male
auf der Rennbahn, ſowie der von Benz verpflichtete italieniſche Fahrer
Minoia, eine ſympathiſche Erſcheinung, waren unſere Piloten. Leider
ereignete ſich ſchon bei den Proben italieniſcherſeits ein Unfall, der einem
Piloten der Fabrik Alfa=Romea das Leben koſtete, worauf ſich dieſe
mit ihren drei Wagen zum Zeichen der Trauer vom Rennen zurückzogen.
Ein anderer Unfall traf eine 8=Zylinder=Maſchine der Fiat=Turin, bei
der wegen Unſtabilität der Konſtruktur eine Radachſe während einer
Probe brach, wobei der mitfahrende Mechaniker ſein Leben verlor. In
den letzten Tagen zog ſich unſere Truppe von den alltäglichen Proben
zurück, um unſere ſeſt gebauten Maſchinen zum letzten Male aus=
einanderzunehmen
, nachzuſehen, zu ölen, zu erneuern, ſodaß ſie friſch
geſtärkt zum Kampf bereit waren. Ein ganzer Stab von Ingenieuren,
Vor= und Facharbeitern, waren aus Mannheim mitgekommen, um ihre
Fahrzeuge wie wertvolle Schätze zu betreuen. Italiens Vorkämpfer
waren alſo nach Abgang der Alfa=Romea, noch drei an der Zahl,
Frankreich 5 (3 Voiſin, 2 Rolland=Pilain), Amerika 3 (Miller). So war
alles bereit zum entſcheidenden Schlag; es konnte losgehen.
Sonntag, 9. September, Anfang programmäßig 10 Uhr vormittags,
doch ſchon um 3 Uhr nachts beginnt das Leben in der Stadt, die erſten
Autos, Radfahrer, Laſtkraftwagen, die an dieſem Tage für den Per=
ſonenverkehr
eingerichtet ſind, beginnen ihre Fahrt nach dem Schauplatz
des Tages. Zwiſchen 5 und 6 Uhr iſt die Landſtraße nach Monza ſchon
verſtopft, in langen Reihen ſtehen die Automobile, nur die elektriſche
Vorortbahn verkehrt noch ungehindert, und befördert Abertauſende von
Menſchen bis vor den königlichen Park. Sehr intereſſant iſt auch eine
Aufſtellung von Lebens= und Genußmitteln, die das Komitee für dieſen
Tag bereitſtellen ließ, und im Corriere delle Sera, dem Hauptblatte
Mailands, veröffentlichen ließ: 300 000 Brötchen, 6000 Hühner, 4000
Nilogr. Schinken und geräucherte Wurſt, 3000 Kilogr. Schokolade, 1000
Kilogr. Biskuits; Getränke: 30000 Flaſchen Bier, 14 000 Fiaſchi Wein,
3000 Flaſchen verſchiedene andere Weine, 4000 Flaſchen Liköre und Eſſen=
zen
, und zuguterletzt 4000 Liter Aranciata. Eine nette Aufſtellung,
die man bei uns wohl heute nirgends mehr finden wird.
Alſo finden wir uns an dem um 6 Uhr des Morgens ſchon dicht ge=
drängten
Trambahn=Abfahrtsplatz bei der Porta Venezia ein, und haben
das Glück, nach einer halben Stunde und nach allerlei Hinderniſſen
erwartungsvoll, wem der Sieg des Tages zufallen würde, Monza ent=
gegenzufahren
. Links und rechts vom Bahngleiſe Auto an Auto; man
hat an den Hauptzugangsſtraßen deren allein 20000 gezählt. Die Strecke
von Monza bis zur Rennbahn iſt bei normalen Zeiten in 20 Minuten
zu bezwingen, doch brauchte man an dieſem Tage auf den dank der vor=
züglichen
Organiſation vollſtändig verſtopften Straßen dreiviertel
Stunde. Staubbedeckt kommen wir draußen an. Die Ordnung iſt von
italieniſchen Lanzenreitern aufrecht erhalten, die mittels ihrer Pferde
die Leute zum Gehorſam zwingen wollen, die heftig über die wenigen
Uebergänge in die Mitte der Bahn drängen. Gegen 8½ Uhr haben
wir unſer Lager unter einigen Bäumen an einer Kurve der Bahn auf=
geſchlagen
, und harren geſpannt der Dinge, die da kommen ſollen.
Die Fahrbahn mißt eine Länge von 10 Kilometer, die von den Teil=
nehmern
80 mal zurückgelegt werden muß. Vor der Ehrentribüne gibt
Punkt 10 Uhr L’on. Benito Muſſolini das Zeichen zum Beginn des
Kampfes. Wenige Minuten ſpäter erfüllt lautes Motorenknattern die
Luft, und als Erſter ſauſt ein roter Teufel vor unſeren Augen vorbei.
Es iſt ein Fiat=Wagen mit Bordino als Lenker, der das Rennen ſpäter
wegen Maſchinendefekt aufgeben muß. Als Zweiter folgt Minoia auf
Benz. Höher ſchlägt das Herz, denn wie das verkörperte Deutſchland
ſauſt dieſes Erzeugnis deutſchen Könnens und deutſchen Fleißes an uns
vorüber und zeigt uns, daß, ſolange die deutſche Technik und Arbeit
immer noch den Konkurrenten den Rang ſtreitig machen, Deutchland
nicht untergeht. Das Rennen nimmt dann ſeinen Lauf und gewinnt
dann erſt an Intereſſe, als es gegen 3 Uhr ums Ende geht. Es ſind
neur noch 6 Wagen in der Bahn, die übrigen haben ſich wegen Maſchinen=
defekte
und anderer Urſachen vom Kampf zurückgezogen; und zwar
1 Fiat, 1 Benz, 1 Miller und ſehr bezeichnend die geſamten 5 fran=
zöſiſchen
Automobile.
Es konnte nicht zweifelhaft ſein, daß Italien in dieſem Rennen den
Sieg davontragen werde, da ſeine Fahrer jeden Zentimeter der Bahn
kennen. So holten ſie ſich denn auch die zwei 1. Preiſe, worauf ein
Amerikaner, dann die 2 Benz=Wagen und als ſechſter der Argentinier
De Alzaga auf Miller folgten. Der erſte Benz=Wagen (Minoia) legte
760 Klm. in 5 Stunden 34 Min. 34 Sek. zurück, und wurde dann nur
durch das Publikum, das unter Hochrufen auf die italienſchen Fahrer
auf die Fahrbahn drängte, am Weiterfahren gehindert, wie es, auch den
drei nächſtfolgenden Fahrern erging. Auf jeden Fall können wir
Deutſche auf dieſes Ergebnis ſtolz ſein, da unſere Benz ihre Ausdauer
bis an das Ende bewieſen haben, und zeigt dies, daß die Automobil=
induſtrie
in Deutſchland auf viel höherer Stufe ſteht, als bei unſeren
weſtlichen Nachbarn.
Unſere Fahrer kehren nun nach Hauſe zurück, und gehen von neuem
an die Arbeit, um das nächſtjährige Rennen vorzubereiten, und ſich noch
größere Lorbeeren zu holen. Auch wollen wir hoffen, daß ſich dann
noch mehr deutſche Firmen, wie Mercedes und Steiger beteiligen
werden, die zwar jetzt auch gemeldet, doch ihre Teilnahme wieder zurück=
gezogen
hatten, da ſie ihre Vorbereitungen nicht beendigen konnten.
Fritz Strack.
Automobilſport.
Semmering=Bergrennen. Im Semering=Bergrennen
über 10 Klm. waren in der Hauptklaſſe der Wagen bis 4,5 Liter Rützler
(Steyr) und Hörner (Benz) die Favoriten. Letzterer war, ſehr gut im
Rennen liegend, gezwungen, nach 5 Km. aufzugeben, konnte alſo ſeinen
vorjährigen Erfolg nicht wiederholen. Rützler fuhr ausgezeichnet und
kam mit einer Zeit von 7:09.1 dem von Salzer (Mercedes) 1919 aufge=
ſtellten
Semmering= Nekord von 7:07 ſehr nahe. Den zweiten Platz be=
ſetzte
Gräf (Gräf u. Stift). In der Klaſſe der Motorräder fuhr der
Wiener Dirtl (Zenith) mit 7:55.3 die ſchnellſte Zeit.

Gottesdienſt der iſraelitiſchen Religionsgemeinde.
Hauptſynagoge (Friedrichſtraße),
Verſöhnungstag.
Mittwoch, den 19. Sept.: Vorabendgottesdienſt 6 Uhr 30 Min Preb.
Donnerstag, den 20. Sept.: Morgengottesdienſt 8 Uhr. Predigt
und Seelengedächtuisfeier 10 Uhr 45 Min. Nilah=Predigt 5 Uhr
15 Min. Bekenntnisgebet und Feſtesſchluß 7 Uhr 10 Min.

Wetterbericht der Gießener Wetterwarte.
Wettervorherſage für Donnerstag, 20. September:
Wechſelnd bewölkt, einzelne Schauer, kühl, öſtliche Winde. Das
Wetter ſteht unter Einfluß eines ſtarken Tiefs mit einem Minimum über
Südſkandinavien.

Tageskalender.
Landestheater, Großes Haus, B 2. b 1: Karl XII. Anfang
7 Uhr, Ende nach 10 Uhr. Kleines Haus, 8 Uhr, Schneeſchuhfilm,
2. Teil: Eine Fuchsjagd durchs Engadin Union=, Reſidenz=
Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender. Donnerstag, 20. September.
Verſteigerung von einem Pferd uſw. vormittags 10 Uhr,
Fuhrmannſtraße 3.

Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land‟
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil;
J. V. A. Flciſcmann ſämtlich in Darmſtadt.

Die heutige Rnmmer hat G. Seiten

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt

Handeisbiat

Die Eiſen= und Stahlwaren=Induſtrie
im Monat Auguſi.
Nach dem Bericht des Eiſen= und Stahlwaren= Indu=
ſtriebunds
in Elberfeld ſtellte ſich die Lage der Eiſen= und
Stahlwareninduſtrie im Monat Auguſt in den einzelnen Bezirken wie
folgt:
Hagener Bezirk.
Im märkiſchen Lande hat ſich die Lage der Eiſen= Fertigwarenindu=
ſtrie
in einer Weiſe verſchlechtert die die gehegten Befürchtungen weit
übertroffen hat. Hunderte von Betrieben haben bereits ſtillgelegt. Die
Ausfuhr iſt infolge des höheren Standes der Inlandspreiſe gegenüber
den Auslandspreiſen auf ein verſchwindend kleines Maß zurückgegangen.
Das Inland beſtellt wenig. Nach Ablöſung der Papiermarkpreiſe durch
die Berechnung auf Deviſengrundlage hat die Geldentwertung den bisher
unter gleichen Verhältniſſen ſich zeigenden Aufſchwung nicht gebracht.
Die Herſtellungskoſten ſind durch die ſtarken Lohnſteigerungen und
durch die Notwendigkeit, das Material an Brennſtoffen und Walzeiſen
zum weitaus größten Teil aus dem Auslande zu beziehen, ins Unge=
meſſene
geſtiegen. Bei der politiſch ſehr ſchwierigen Lage ſind auf wirt=
ſchaftlichem
Boden keine Wege zu finden, die eine Belebung des Ge=
ſchäfts
herbeiführen können. Die Auffaſſung, daß nur eine Ueberführung
der Arbeitsloſigkeit und der unproduktiven Arbeit in produktive Wert=
ſchaffung
eine Beſſerung bringen kann, hat neuerdings auch in Arbeiter=
kreiſen
weiteren Fuß gefaßt. Ferner iſt man überzeugt, daß nur die
Einführung einer ſtabilen Währung wieder etwas Zuverſicht in die Ent=
wicklung
der Lage bringen wird.
Die Fertig=Verarbeitung des Märkiſchen Landes wird ſich mit den Er=
zeugern
zuſammen an die Reichsregierung wenden, um ihr die Unmög=
lichkeit
, unter den heutigen Verhältniſſen die Wirtſchaft aufrecht zu er=
halten
, näher darzulegen. Die Ausſichten für die Lage ſind ſo troſtlos,
wie ſie wohl kaum in einer anderen Epoche jemals beobachtet wurden.
Wenn die Ooffnungen, die man auf das auf weiteſter Baſis ſtehende Ka=
binett
Streſemann geſetzt hat, auf Entwirrung unſerer politiſchen Lage
nicht erfüllt werden, ſo dürfte ein Zuſammenbruch der Wirtſchaft und
damit der Eiſen=Fertigwaren=Fabrikation in kürzeſter Friſt auch änßer=
lich
in zurzeit unüberſehbarer Form in die Erſcheinung treten.
Solinger Bezirk.
Die Lage in der Induſtrie des Solinger Bezirks hat ſich im Monat
Auguſt bedeutend verſchlechtert. Dies iſt ſchon aus der hohen Zahl der
Erderbs.loſen im ganzen zirka 20 000 ohne weiteres zu erſehen.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Die Abſperrung des Solinger
Induſtriebeziuks durch die Franzoſen iſt vollſtändig. Man kann mit ruhi=
gem
Gewiſſen ſagen, es geht kein Stück Ware mehr hinaus. Aber auch
die ſich überſtürzenden Lohnerhöhungen haben dazu beigetragen, daß der
Weltmarktpreis faſt auf der ganzen Linie weit überſchritten iſt. Ferner
hat die Unſicherheit in Bezug auf die Währungsverhältniſſe eine derar=
tige
Entmutigung in allen Kreiſen hervorgerufen, daß eine beſchleunigte
Aenderung dringend am Platze iſt. Es iſt zu hoffen, daß gerade unter
Berückſichtigung der beſetzten Gebiete die Reichsregierung dieſen Verhält=
niſſen
durch geeignete Maßnahmen Rechnung trägt. Schließlich iſt es
dringend erforderlich, daß gerade für das beſetzte Gebiet eine Klärung
in Bezug auf die neuen Steuergeſetze, unter anderem unter Berückſich=
tiugng
der exorbitant hohen Zahl ſtillgelegter oder nur mit ſehr ver=
kürzter
Arbeitszeit arbeitenden Betriebe, erfolgt.
Schmalkaldener Bezirk.
Wie borauszuſehen war, hat ſich auch im hieſigen Bezirk die Lage
in den letzten Wochen durch den wahnſinnig ſchnellen Verfall unſerer
Währung ungemein ſchnell verſchlechtert. Auch Betriebe die noch vor
kurzem voll arbeiten ließen, haben jetzt einſchränken müſſen, zum Teil
auf zwei Tage. Die Preiſe aller Artikel haben ſich demgemäß ganz ge=
waltig
erhöht. Die weitaus meiſten, wenn nicht alle Betriebe, ſind zur
Goldmark=, Schilling= oder Dollar=Berechnung übergegangen. Die bru=
tale
Steuerpolitik des Reiches, die den Werken einen erheblichen Teil
ihrer Betriebsmittel im Zeitraum weniger Tage herauspreßt, trägt
vollends dazu bei, die Betriebe ſchneller zum Erliegen zu bringen. Dazu
kommt noch zunehmende Materialknappheit. Der kommende Monat dürfte
im hieſigen Bezirk manche Kataſtrophe bringen.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
* A.=G. Pharmazeutiſche Bedarfsartikel, borm.
Georg Wenderoth, Kaſſel. Die Geſellſchaft fordert zum Be=
zug
der auf Grund der G.=V.=Beſchlüſſe vom 13. Auguſt zur Ausgabe
gelangenden Stammaktien auf. Auf nominal 1000 Mk. alte kann eine
neue zu nominal 1000 Mk. für 1923/24 dividendenberechtigte Stamm=
aktie
zu 2200 Prozent zuzüglich Schlußſcheinſtempel bezogen werden. Das
Bezugsrecht iſt vom 17. September bis 10. Oktober auszuüben.
* Schleſiſche Textilwerke Methner u. Frahne A.=G.,
Landshut (Schleſien). Die Geſellſchaft beruft zum 12. Oktober G. V.,
die u. a. über Ausgabe von 67 000 Stück auf den Inhaber lautender
Genußſcheine über je 1000 Mk., ſowie über deren Ausſtattung (gleiche
Dividende und Liquidationsrecht wie die Stammaktien, Rückzahlung zu
einem dem Durchſchnittswert entſprechenden Kurſe) Beſchluß faſſen ſoll.

Schuhfabrik Herz A.=G., Frankfurt a. M. Der
Bruttogewinn für das abgelaufene Geſchäftsjahr 22/23 ſtellt ſich auf
3 366 689 000 (i. V. 32 499 970), Unkoſten erforderten 2 903 816 000 (i. V
24 702 508 Mk.). Für Abſchreibungen wurden 82 410 000 Mk. (i. V.
1 780 000 Mk.) verwandt, einem Werkerhaltungskonto wurden 250 Mill.
Mk. (i. V. 1,5 Mill. Mk.) zugeführt. Der Reingewinn ſtellt ſich auf
130 463 000 Mk. (i. V. 4 516 000 Mk.) und ſoll wie folgt verteilt werden:
300 Proz. Dividende auf Stammaktien (i. V. 18 Proz.), 6 Proz. Divi=
dende
auf Vorzugsaktien, Tantiemen inkl. Steuer 16 Mill. Mk. (i. V.
428 000 Mk.), Wohlfahrtseinrichtungen 35 Mill. Mk. und Vortrag auf
neue Rechnung 4 350 000 Mk. In der Bilanz erſcheinen Kaſſe und Bank=
guthaben
mit 878,455 Mill. Mk. (i. V. 1,770 Mill. Mk.), Wechſel mit
199,364 Mill. Mk. (i. V. 377 000 Mk.), Vorräte 2 575 944 000 Mk. (i. V.
29 122 000 Mk.), Debitoren mit 3 636 775 000 Mk. (i. V. 27 782000 Mk.)
Andererſeits hatten Kreditoren 5 144 634 000 Mk. zu fordern (i. V.
33 906 000 Mk.), wozu noch Akzepte in Höhe von 1 580 000 000 Mk. tre=
ten
. Die Geſellſchaft berichtet, daß trotz der anormalen wirtſchaftlichen
Lage die Produktion auf der Höhe des Vorjahres gehalten werden
konnte, obwohl längere Zeit mit Arbeitsverkürzung gearbeitet werden
mußte. Während der überwiegende Teil der Lieferantenrechnung in
Goldmark oder in ausländiſcher Währung ausgeſtellt war, war die Ge=
ſellſchaft
bis zum Ablauf des Berichtsjahres gezwungen, gegen Papier=
mark
zu verkaufen, deren andauernde Entwertung geſicherte Preisſtellung
unmöglich machte. Der Geſchäftsbericht teilt mit, daß die kommandita=
riſche
Beteiligung an der Firma Schuhfabrik Otto Habicht, Mühlheim
am Main in freundſchaftlicher Weiſe gelöſt wurde. Verluſte ſind aus
der Beteiligung nicht entſtanden.
* Zahnräderfabrik Augsburg, vorm. Joh. Renk,
A.=G. Die Geſellſchaft erzielte im abgelaufenen Geſchäftsjahr einen
Reingewinn von 400 Mill. Mk. (i. V. 4,121 Mill. Mk.). Es iſt beabſich=
tigt
der G.=V. zum 19. Oktober, angeſichts der gegenwärtigen Geldent=
wertung
den Vorſchlag zu machen, von der Verteilung einer Dividende
abzuſehen und den Gewinn einem Werkerhaltungskonto zuzuführen. Ur=
ſprünglich
war die Ausſchüttung einer Dividende von 500 Prozent vor=
geſehen
.

Preisänderungen.

Nach Mitteilung des Eiſen= und Stahlwaren=Induſtriebundes hat
der Winden=Verband zu Hagen i. W. mit Wirkung vom 8. d. M.
den Nabattſatz für Goldmarkpreiſe auf 55 Prozent feſtgeſetzt. Für die
Zahlung iſt der Kurs des Zahlungstages maßgebend bezw. der Kurs
des Rechnungstages Mindeſtpreis.
Der Hacken= und der Hämmer=Verband G. m. b. H. zu
Hagen i. W. haben ihre Zahlungsbedingungen dahin geändert, daß end=

Fälle Mindeſtpreis.

Warenmärkte.

* Ferkelmarkt in Gernsheim a. Rh. am 17. Sept. 1923
Der Markt war beſchickt mit 106 Ferkeln; Preis pro Stück 50100 Mill.
Mark. Tendenz und Verkauf gut. Am Montag, den 1. Oktober 1923
wird der nächſte Ferkelmarkt abgehalten.
wb. Amtliche Notierungen der Frankfurker Ge=
treidebörſe
vom 18. September. Getreide, Hülſenfrüchte und
Biertreber ohne Sack; Weizenmehl, Roggenmehl und Kleie mit Sack.
Preis je 100 Kilo. Die Preiſe verſtehen ſich für alsbaldige Lieferung.
Parität Frankfurt a. M. Wetterauer Weizen 525550 Mill. Mk.,
Roggen 475500 Mill. Mk., Sommergerſte 500550 Mill. Mk., inländ.

700900 Mill. Mk., Kleie 280300 Mill. Mk. Tendenz: Schwankend.
h. Mannheimer Produktenbörſe. Die heutige Pro=
duktenbörſe
war weiter von ſehr feſter Tendenz beherrſcht. Obwohl ſehr
ſtarker Beſuch zu verzeichnen war, kam es doch nicht zu weſentlichen
Umſätzen, da bei den neuerdings ſtark erhöhten Preiſen die Mittel zum
Ankauf fehlen. Zu Beginn der Börſe hörte man Forderungen für
Weizen von 450 Roggen von 350, Gerſte von 400430, Hafer von 300
bis 400 Mill. Mk. nominell pro 100 Kilo ab Station Mannheim. Am
Mehlmarkt war die Stimmung ebenfalls ſehr feſt. Die ſüddeutſchen
Mühlen ſetzten ihren Richtpreis für Weizenmehl Spezial Null in aus=
ländiſcher
Währung auf 16½= holl. Gulden feſt, die zweite Hand bietet
den Doppelzentner zu 700800 Mill. Mk. ab ſüddeutſche Mühlenſtationen
an. Von Futtermitteln war wiederum nur Kleie mit 160 Mill. und
Biertreber mit 180 Mill. Mk. pro. 100 Kilo offeriert. An der Kolonial=
warenbörſe
war die Stimmung ſehr feſt und man notierte Kaffee
Santos mit 2,83,1, gewaſchen mit 2,283/46, Tee mittel mit 7,58,4,
gut mit 8,49,4, fein mit 9,410,4, inländ. Kakao mit 2,63, holl.
Kakao mit 2,83,2, Burma=Reis mit 0,42, Grießweizen mit 0,45 und
Hartweizen mit 0,48, alles in Goldmark auf Dollarbaſis pro Kilo ab
Mannheim. Offiziell wurden pro 100 Kilo bahnfrei Mannheim netto
Kaſſe notiert: inländiſcher Weizen 420500 Mill. Mk., inländiſcher
Roggen 350400 Mill. Mk., alte Gerſte 340375 Mill. Mk., neue Gerſte
380425 Mill. Mk., alter Hafer 275300 Mill. Mk., neuer Hafer 300
bis 350 Mill. Mk., Weizenmehl (Baſis Spezial 0) 750950 Mill, Mk.,

19. September 1923 Nr. 259

Roggenmehl 600700 Mill. Mk., Weizenkleie 210 Mill. Mk. Biertreber
200220 Mill. Mk., Rohmelaſſe 150180 Mill. Mk. Preßſtroh 36 bis
40 Mill. Mk., gebundenes Stroh 3238 Mill. Mk. Tendenz: Sehr feſt.
h. Mannheimer Schlachtviehmarkt. Für den Schlacht=
riehmarkt
am Montag betrug der Auftrieb: 107 Ochſen, 94 Bullen,
251 Kühe und Rinder, 155 Kälber, 9 Schafe, 259 Schweine. Bezahlt
wurden pro Pfund Lebendgewicht: für Ochſen 1. Klaſſe 1112, 2. Klaſſe
1112, 3. Klaſſe 910, 4. Klaſſe 810 Mill. Mk.; Bullen 1. Klaſſe
1112, 2. Klaſſe 1011, 3. Klaſſe 910 Mill. Mk.; Kühe und Rinder
1. Klaſſe 1215, 2. Klaſſe 1012, 3. Klaſſe 911, 4. Klaſſe 89, 5. Klaſſe
78 Mill. Mk.; Kälber & 1213, d 1112, e 1011 Mill. Mk.; Schafe
a 89, b 78, C 67 Mill. Mk.; Schweine b 2223, C 2122, d 2021,
1819 Mill. Mk. Tendenz: Mit Großvieh und Schweinen/ mittel=
mäßig
, geräumt; mit Kälbern und Schafen lebhaft, ausverkauft.
h. Mannheimer Pferdemarkt. Für den Pferdemarkt am
Montag waren aufgetrieben: 20 Wagenpferde, 132 Arbeitspferde,
70 Schlachtpferde. Bezahlt wurden pro Stück: für Wagenpferde 1230
Milliarden, Arbeitspferde 1030 Milliarden, Schlachtpferde 38 Mil=
liarden
Mark. Tendenz: In allen drei Gattungen mittelmäßig, nicht
ausverkauft.
wb. Berliner Produktenbericht. Auf die anfänglich
phantaſtiſche Steigerung der Deviſenpreiſe reagierte der Getreidemarkt
in ſeiner Preisbewegung entſprechend. Als ſpäter die Deviſen auf weni=
ger
als die Hälfte ihres Standes hinabgingen, gaben auch die Produk=
tennotiernugen
in gleicher Weiſe nach.

Börſen.

wb. Berliner Börſenbericht. Im heutigen Vormittags=
verkehr
ſtiegen die Deviſenkurſe auf ſtarke Nachfrage, hauptſächlich aus
dem beſetzten Gebiet, in großen Sprüngen zu ganz phantaſtiſcher Höhe.
Der Dollar wurde um etwa 12 Uhr mit 360 Millionen bewertet. Bald
darauf erfolgten durch die Großbanken, hinter denen vermutlich die
Reichsbank ſteht, beträchtliche Abgaben, die einen Sturz der Preiſe auf
weniger als die Hälfte des bisherigen Standes ganz plötzlich bewirkten.
Der Dollar wurde mt 160 Millionen abgegeben. Bei der amtlichen
Feſtſtellung wurden die Notierungen noch etwas mehr geſenkt. Der
amtliche Kurs für Neu=York ſtellte ſich auf 150 Millionen. Gleich nach
der amtlichen Feſtſtellung zeigte ſich zwar wieder Nachfrage, die einen
weſentlich höheren Preis für das engliſche Pfund, nämlich bis zu 900
Millionen, bewilligte. Neuerliche Abgaben der Großbanken drückten den
Kurs aber alsbald wieder auf 680 Millionen herab.
w. Deviſemmarkt. Frankfurt a M., 18. Sept. Telegr. Auszahlungen:

et
Geid V
Brt
Geld Va arat. Antwerpen=Bruſſel 723185. 7268125. 8329000. 8421000. Holland .. 69326250. 69 673750. 8628½750. 86 716250. London". 663 337500. 666 662500. 798 000000 802000000. Paris. 8977500 9022500 10 174500. 10225500. Schweiz. 25 236750 25 363250. 31 171875. 31328125. Spanien". 20 698125. 20801875. 22942500. 23 057500. Italien 6882500. 7017500. 7780500. 7819500. Liſſabon=Opo Dänemark. 29 925000. 36 075000. 31920000. 32080000. Norweger 24937500. 25 062500. 30922500 31 077:00. Schwede 44388740. 44 611250. 55 460000. 56 140000. Helſingfor 4 28950. 4310750. 5236875. 5 2/3125. New=Yo 155 610000. 156 390000. 179550000. 180 450000. Deutſch=O 239400. 240600 309225. 310775. Budapeſ 7481.25 75 18,75 11970 12080. Pra 5 187000. 5 213000. 6 78300. 6 817000. 2 244275. 2255625

w. Deviſenmarkt. Berlin, 18. September Telegr. Auszahlungen für:

. Ge
Geid
Briel Vee
Geid
Brie at. Amſterdam=Rotterdam ... 51870000. 52130000. 58852500. 59147000. Brüſſel=Antwerpen .. .. 16284250. 6315750. 7182000. 7218000. Chriſtiania. . 21147000. 21253000. 23940000. 24060000. Kopenhagen. 23740500. 23859500. 27132000. 27268000. 19 Stockholm". 351120000 35288000. 39750500. 39893500. Helſingfors 355 1000. 3568000. 3990000. 4010000. 56 Italien. 5745500 5814500. 6583500. 6616500. London". 6986000 0 601500000 678300000. 681700000. New=York 131869500. 132520500 149725000. 150375000. Paris:
Schweiz: 23541000. 753 1000. 76 19000.
23659000. 8578500
26341000. 8621500
26456000. Spanien". 17755300. 17844500. 20149500. 20250500. Wien (in Deutſch=Oſterr. ab 187530. 188470. 214462. 215538. 1. Prag 3990000. 4010000 4188750. 4511250. Budapeſt 7182. 7218 7880. 7920. Buenos-Aires 42892500. 43107500. 49276500. 49 :23500. Bulgarien". 1276800. 1233000. 1416450. 1123550 Japan". 64239000. 64560000 71820000. 72180000. Rio de Janeiro;
D 12967500. 13032500. 1 14463750. 1453/ 250. Belgrad. . . . . . . 14164 0. 1423550. 1596000. 1604000. Liſſabonn. . . . . . . . . . . . . . .. . 5236875. 5263125. 6982500. 7017500. Sofia.... . . ... .... ......."

Bankgeschäft
Fernsprecher 1308, 1309

1Der 2 1rN
Aktien / Renten / Deuisen / Sorten

Darfliotder
1 Luisenplatz 1

3478a

Familiennachrichten

Statt Karten.

Unsere Trauung findet am
Samstag, den 22. September,
nachmittags 3½/ Uhr, in der
Martinskirche statt.
Mariechen Stephan
Karl Bischoft
Darmstadt, Lichtenbergstr 28
(*24840

Sohnängsraäfch

3 Zimmer und Küche in Darm=
ſtadt
zum 1. Oktober geſucht.
Angeb. u. P 9 an die Geſchäfts=
ſtelle
d Bl. erbeten. (7501fm
V

Heute früh entſchlief infolge
eines Herzſchlags unſere gute
Mutter und Großmutter
Frau
Minna Bruchfeld
im 72. Lebensjahre.
Darmſtadt, 18. Sept. 1923.
Die in Trauer Hinterbliebenen:
Lina Feuchtwanger, geb. Bruchfeld
Albert Feuchtwanger
Arthur Feuchtwanger
Elſe Feuchtwanger.
Die Beerdigung findet heute Mitt=
woch
nachmittag 3 Uhr vom Portale
des Friedhofs der Iſrael. Religions=
geſellſchaft
aus ſtatt. (*25172
Blumenſpenden dankend verbeten.

PAIENIE
Ausarbeitg., Anmeldung, Finanzierung,
Beratung, Auskunft und Prufung.
Zivil-Ingenieur Krug (B. D. Z.-I.)
Darmstadt, Lagerhausstr. 32, Tel. 1859,
Frankfurt a. M., Liebigstr. 58. ( 24874sm

Mobl. 4 Bohnl=
u
. Schlafzimmer
im Zentr. d. Stadt z.
1. Okt. geſ. (*25179
Dr. M. Ranis
Groß=Zimmern.

Student ſucht für
mehrere Semeſter
helles,
ruhiges Zimmer
gegen hohe Miete.
Angeb. u. P 120
an d. Geſchſt. (*25171

Oohnnaigs Taufw!
Ingenieur=
t
wird per ſofort eine ſchöne große
Geſucht 56 Zim.=Wohnung, mit elektr. / Ehepaar mit erwachſ.
Licht und ſonſtigem Zubehör, Parterre od. Sohn ſucht
1. St., in ſchöner Lage, Südoſtviertel bevorz, / / möbl. Zimmer
wird eine ſchöne große 4Zim.= in beſſ. Hauſe. Prei
Gegeben Wohnung, mit ſchöner, freier/Nebenſache. Geneh=
Ausſicht im 3 Stock. Umzug wird vergütet migung des W.=A.
Extra=Vergütung nach Uebereinkunft. An= vorbehalten. Ange
gebote unter O. 70 an die Geſchäftsſtelle bote unter T 122 an
(7454a die Geſchſt, (*25181
ds, Blattes erbeten.

Gut ſituiert. Herr
ſ. ſof.
möbl. Zimmer
mit Penſ. Angeb.
unter P 118 an die
Geſchäftsſt. (*25169
Geldverkehrß

Ve
mit größ. Kapital
ſucht ält. Kaufmaun
in Induſtrie oder
Großhandel. Gefl,
Angeb. u. P 103 an
die Geſchſt. (*25129im

Kaufmann
fucht tätige Beteilig.
mit größ. Kapital an
nur ſolider Firma.
Ang. unt. P 129 an
die Geſchſt. (*25197

2 Milliarden, wert=
ſtändig
, geg. Sicherh.
u. Gew., kurzfr. geſ.
Ang. unt. P 123 an
die Geſchſt. (*25182

Hochſtr. 15, I., gut
möbl. Zimm. m. Penſ

Geſchäftsräume

Ge
Lokalitäten
evtl. Mietbeteiligung
des Inhabers, als=
bald
zu vermieten.
Ang. unt. P 112 an
die Geſchſt. (*25155

Gebr. Regenm. u.
Bettbarch. z. kf. geſ.
Ang. u. P 130 Gſch. (*
1 Gleichſtrom=
Motor,
220 Volt, 11½ PS.
1 Handwagen, 1 kl.
Dezimalwage, 2 Ar=
beitstiſche
, Regale,
mehrere Zuglampen
zu kaufen geſucht
H. Front & Co.,
Schulſtr. 15. (*25200
Kaſſenſchrank
1 Piano, 1 Eßbeſted
f. 12 Perſ. zu kauf. geſ.
Ang. unt. P 131 an
die Geſchſt. (*25201
Eiſernes
Kinderbett
f. 10jähr. zu kauf. geſ.
Ang. unt. P 116 an
die Geſchſt. (*2516
2 gebrauchte, guterh.
Oefen
für Geſchäftslokal geſ.
Ang. unt. P 115 an
die Geſchſt. (*25159
Queckſilber (auch in
kleinſter Menge) kauft
Dr. Jacob, Karlſtr. 104, II.
46 nachm. (*25036
Brillantring
von Privat zu kaufen
geſucht. Angeb. unt.
P 127 Geſchſt. (*wuo
Herren=
Pelzmantel
(Tuch m. Fütterung)
ſchl. Fig. zu kauf.
geſ. Ang. u. P 119
u. Klav. z. vm. (*25198 an d. Geſchſt. (*25168

Ski
gut erhalt., zu kauf.
geſ. Ang. an Roſt,
Karlſtr. 65½, (*25173
1 Fülfen
(klein) zu kaufen geſ.
Spuck (*25191
Pankratiusſtraße 1.
Gasbade=
Wand=ofen
gebr., zu kf. geſ. An=
geb
. u. P 113 an d.
Geſchäftsſt. (*25157
Schreibmaſchine
Zeiß= od Goerz=Glas
z. hoh. Pr. z. kf. geſ.
Ang. unt. P 124 an
d. Geſchſt. erb. (*25184
Tiermarkt
Suche einige gutgel.
Jagdhunde
und eine (*2518
Jagdflinte.

ſtark,i. Kaſtenu Körbe
verkauft Kehres; Nieder=
ſtraße
7, I. (*25170

5g. Mädchen

aus guter Familie
ſucht in einem guten
Hauſe Unterkommen
als

zwecks Vervollſtänd
ſeiner Kenntniſſe.
Familienanſchluß er=
wünſcht
. Taſchengeld
noch ſonſt. Vergütg
wird nicht beanſpr.
Ang. unter P 92 an
die Geſchſt. (*2509:

Ofene Stellen
Weiblich

Suche zu ſofort oder
zum 1. Okt. älteres
Alleinmädch.
zu 3 Perſ., welches
im Nähen und Zim=
merarbeit
perfekt iſt.
Olf, Griesheim b. D. Kochen nicht Be=
dingung
. Lauffrau u
Waſchfrau vorhand
Wo? ſagt die Ge=
ſchäftsſtelle
, (*2514

Wo kann jg. Dame,
20 J., evgl., in nur
gutem Hauſe dei Fa=
milien
milien=
anſchluß
Aufnahme
finden zwecks Ver=
vollkommnung
in
Haushalt u. geſellſch.
Formen? Angeb. u.
P121 Gſchſt. (*2517
Tücht, ehrl. u. ſolides
Mädchen
ſucht Stellg. in Café
u. Konditorei, wenn=
möglich
Tagescaft
Gefl. Angebote unter
P 126 Geſchſt. (**P

Tücht. Waſch=u. Putzfrau
f. regelmäß. geſ. Näh.
Geſchäftsſt. (*24486
Lücht. Mädchen
f. K. u. H. g. Höchſtl.
Kld. u. Schuhhilfe geſ.
Herdweg 56½ (*25161

Für frauenl. klein
Haushalt (Vater und
Töchterch ) in eigener
Villa bei Eberſtadt z.
1. Okt. eine ſelbſtſtänd.
Haushälterin
geſucht, die gut kochen
kann. Ang m. Anſpr
u. P 114 Gſchſt (300
Jung. Mädchen
für Kinder nachmit=
tags
, evtl. auch den
ganzen Tag, geſucht
Bismarckſtr. 56, I. (*

Jung. Mädchen
z. Kinde f. d. Nach=
mittage
geſ. (*25194
Wilhelmſtr. 24.

Tücht., ehrl. Mäd=
chen
gegen zeitgem.
Lohn u. b. guter Ver=
flegung
in kleinen
Haushalt ſofort oder
ſpäter geſucht. Soder=
ſtr
. 101, III., r. (*25171

Lucht. Putzfrau
gegen Tariflohn ſof.
geſucht. Seeger,
Mühlſtr. 24, II. (ewuzs
Zuverl. Mädch, tägl.
2.-3 Std. vorm. ſof. geſ.
Frankfurterſtr. 16, II.
Beſſ. Mädchen
f. dauernd od. b. n.
d. Spülen b. h. Ge=
halt
geſ. Wilhelm=
ſtraße
24, (*25193

Mannlich

Tüchtiger (*25166
Vertreter
für Neuheit des Pa
pierfachs geſucht.
Laien=Verlag
Traiſa bei Darmſtadt
Darmſtädterſtr. 59.

Von hieſigem Le=
bensmittelgroßhandel

tüchtig. Vuchhalter
oder Buchhalterin
gegen gute Bezahlung
per ſofort od. 1. Ort.
geſucht. Zuſchriften u.
P 117 an die Ge=
ſchäftsſtelle
. (*25167

R
Drogist!
Ein mit höh. Schul=
bildung
verſeh junger
Mann find i m. Med.=
Drogen= u. Chemikalien=
Handlung per 1. Oktbr.
Aufnahme als Lehrling
Fr. Beckenhaub
Schulſtraße, (* 25012msm

AFFRRK
R. Hieſige Fabrik ſucht zum
baldigen Eintritt
Rjüngeren Brunnen X
* odet Beamtin
X, für die Buchhaltung.
*
Gute Kenntnis des Buchhal=
R tungsweſens iſt erforderlich, X
Fertigkeit in Stenographie und
Maſchinenſchreiben erwünſcht.
R Angebote mit Zeugnis=Ab=
X ſchriften unter P 135 an die
Geſchäftsſtelle erbeten. (7594

zum Austragen und
ſonſtigen leichterer
Arbeiten geſucht.
Buchhandlg. Schroth
25196
Rheinſtr. 15.

Sr Fohriſ.
Buchhaltung
junge, gewandte Kraft
geſ. Angebote unt,
P 125 an die
ſchäftsſtelle.

Zu baldig. Eintritt ſucht
hieſige Fabrik
erfahrenen

Ausführliche Bewerbungen
unter P 132 an die Ge=
ſchäftsſtelle
erbeten. (7593

[ ][  ]

Seite G.

Rummer 925.

Darmſtädter Tagblatt, Mittwoch, den 19. September 1923

Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
Nachdrua verboten.
38)
Nein, ich glaube es nicht. Andererſeits, wenn er ein gut=
mütiger
Narr wäre, ein exzentriſcher und freundlicher Narr
es gibt ja auch ſolche . .. hätte er das ja tun können, um die
ganze Staatsſchuld nachzulaſſen.
Und dann wäre Ronald frei?
Ramon? Ja, dann wäre Don Ramon frei. Aber unter
uns geſagt, ſolche Narren ſind äußerſt ſelten. Namentlich an
den Börſen. Nein, der dieſen Coup gemacht hat (Herrn Collins
Stimne zitterte unwillkürlich vor Selbſtzufriedenheit) iſt ein
ſehr ſmarter Buſineßman, nichts anderes. Das iſt meine An=
ſicht
. Ein ſehr ſmarter Buſineßman, der da ein Ei des Colum=
bus
gefunden hat, wo kein anderer es ahnte. Seien Sie ganz
überzeugt, er hat es getan, um bei dem Geſchäft zu verdienen,
und er wird dabei verdienen!
Sie ſtarrte gedankenvoll in ihre Teetaſſe,
Und niemand hat eine Idee, wer es iſt?
Nein, kein Menſch hat eine Ahnung. Es wird allgemein
zugegeben, daß er mit ungewöhnlicher Schlauheit zu Werke ge=
gangen
iſt.
Sie auch nicht? Sie betrachtete ihn mit einer Miene, die
ſo deutlich ſagte, daß ſie ſich damit an die höchſte Inſtanz zu wen=
den
glaubte, daß Philipp in den ſüßeſten Triumphgefühlen
innerlich lächelte.
Nein, Madame, nicht einmal ich.
Sie verſank wieder in Gedanken und ſchien etwas hin und
her zu erwägen.
Sie möchten vielleicht, daß ich verſuche, es für Sie aus=
findig
zu machen?
Sie zögerte einen Moment, die Augen auf ihn geheftet.
Dann kam ein plötzlicher Ausdruck der Entſchloſſenheit in
ihre Züge.
Ja, danke, wenn Sie das tun wollten . . . ich wäre ſehr
dankbar .
Sie brach plötzlich ab und trank ihre Teetaſſe aus, die ohne=
hin
ſchon leer war.
Philipp betrachtete ſie ſtumm mit womöglich noch ſteigender

Verwunderung. Weiß Gott, war das nicht das myſtiſchſte Weſen
des anderen Geſchlechts, das er je getroffen hatte! Weiß Gott.
Dann zuckte er die Achſeln und gelobte ſich ſelbſt, ihr kleines
Geheimnis bald erforſcht zu haben. Es konnte einem alten
Filou wie ihm doch keinerlei Schwierigkeiten bieten, eine ſo un=
erfahrene
junge Dame, wie die vor ihm, zu übenliſten. Aller=
dings
, er mußte zugeben, ſie verſtand es, ihre Geheimniſſe zu
bewahren. Nicht ein einziges Mal hatte ſie ſich verſprochen,
nicht ein einziges Mal hatte ſie ſich ein Wort entſchlüp=
fen
laſſen, das die Löſung des Rätſels geben konnte. Das
eine für Minorca, und das trug nur dazu bei, das Myſterium
zu erhöhen. Und der Mann auf der Gare de Lyon in Paris
behielt ebenſo hartnäckig ſein Inkognito. Wie ſehr er ſich auch
den Kopf zerbrochen hatte, es war Philipp nicht gelungen, den
Namen zu finden, nach dem er ſuchte. Nun ja, die Urſache ihres
Intereſſes für das Herzogtum dürfte leichter zu erforſchen ſein
wenn er nur Zeit fand. Denn übermorgen ging ja das Schiff,
wit dem er nach der Inſel fahren ſollte, die aus verſchiedenen
Gründen ſie, ihn und Mr. Jſaacs, ſo lebhaft intereſſierte
Minorca.
Er ſah auf ſeine Uhr. Es war halb elf. Plötzlich kam ihm
eine Idee.
Madame, ſagte er, mir iſt etwas eingefallen. Sie ſind
ganz ohne Gepäck, und es kann ja noch einige Zeit dauern, bis
Ihr Jacques kommt. Wir müſſen ausgehen und hier in Mar=
ſeille
einkaufen, was Sie für den Augenblick brauchen. Ich hoffe,
Sie gehen gerne Beſorgungen machen, ich kenne nichts Netteres.
Sie ſtrahlte, aber ſchien noch zu zögern.
Meinen Sie wirklich? ſagte ſie. Ich . . . aber Jacques
muß doch morgen hier ſein. Und Sie haben recht, ich brauche
wirklich etwas zum Anziehen . . .", ſie ſah ſich geniert in einem
Spiegel vis=a=vis an. Namentlich ſeit ich ſo alt geworden bin.
All right, alſo gehen wir.
Er ließ das Frühſtück auf ihre Zimmernummer ſchreiben
und ſie gingen in die Frühlingsſonne hinaus.
Aber auf dem Rückwege von den Verkaufsläden an der
Cannebiere traf Herrn Philipp Collin der große Schlag. Er
und ſeine Begleiterin waren in der Filiale eines großen Pariſer
Hauſes geweſen und hatten dort verſchiedene Dinge eingekauft,
die ſie ſeiner Anſicht nach brauchte: einen Frühlingshut, da die
Sonne hier ganz anders brannte als in Paris, Schleier, Par=
füm
, Handſchuhe und ein Paar leichte Promenadenſchuhe.

Vergebens hatte er ſich bemüht, ſie auch zu einem hellen
Promenadenkoſtüm zu bewegen, und ſie dann verlaſſen, während
ſie ſich mit einigen Toileitegegenſtänden verſah, bei deren Ein=
kauf
ſeine Gegenwart als unangebracht erklärt wurde. Den
Kopf zurückgebogen, den Hut auf der Naſe, wartete er auf dem
Trottoir auf ihr Kommen und ließ ſich inzwiſchen von der
heißen Märzſonne braten. Endlich erſchien ſie, und ſie wollte
eben auf Philipps Vorſchlag eine Droſchke beſteigen, als ſie ihn
durch eine Handbewegung zurückhielt. Mit vorgeſtrecktem Kopf
ſtarrte ſie einen Zeitungskiosk gegenüber an, deſſen Schaufenſter
von bunten Proſpekten und Affichen ſtrotzten.
Was ſteht da? ſagte ſie. Können Sie es leſen, Minorca
ſcheint mir . . ."
Schon wieder Minorca, lachte Philipp. Wollen Sie mir
ſagen, was in Minorca paſſiert ſein könnte?"
Und wie als Antwort auf ſein Lachen und ſeine Worte
drang plötzlich durch den Straßenlärm der heiſere Ruf eines
Marſeiller Zeitungsjungen zu ihnen.
Mi=i=i=norca! kreiſchte er. Mi=i=i=norca! Alle Einzel=
heiten
über die Revolution in Mi=i=i=norca! Le petit Marſeil=
lais
! Le petit Mar=ſeil=lais! Der Mord im Bois de Boulogne
und Mino=o=o=orca!
Hätte dieſer Zeitungsjunge ſpäter Zeugnis darüber abzu=
legen
gehabt, was nun zunächſt folgte, es würde ſo gelautet
haben:
Mitten über die Fahrbahn, mit dem Riſiko, jeden Augen=
blick
von Rädern und Hufen zerquetſcht zu werden, ſah er plötzlich
einen ſchwarzen Herrn ſtürzen. Ohne ein Wort zu ſagen, eilte
dieſer auf ihn zu, wies ſtumm auf einen Stoß Zeitungen, die
er in der Hand hielt, und warf ihm ein Fünffrankſtück hin. Er
der Zeitungsjunge fluchte auf gut marſeilleriſch, denn er
gab nicht gerne ſein ganzes Kleingeld her, um eine Zeitung für
5 Ct. zu verkaufen. Immerhin zog er eine ungewöhnlich
ſchmutzige Hand voll Silber= und Kupfermünzen heraus und
ſchickte ſich an, herauszugeben.
Da begann das Wunderliche.
Der ſchwarze Herr ſah die ſchmutzige Hand nicht, ebenſo
wenig das Silber und Kupfer.
Er hatte nur Augen für die Zeitungsnummer, die er gekauft
hatte.
(Fortſetzung folgt.)

Kein Laden! Kein Perſonal!ß
Darum enorm billig!
Stoffe, Anzüge, Hoſen!
Edmund Papp
AGrafenſtraße 31, 1. Stock, Hinterhaus.
Lege gegen Anzahlung zurück. (*25205

Bitte, beachten Sie die Hausnummer!

Gad, Siber Geseitäind Pain
zur eigenen Verarbeitung kaufe
zum Tagespreis (7118a
Haus Willer. Goldſchmiedemeiſter Hölgesſtr.7

Auf Teilzahlung
erhalten Sie
Damen= und Backſiſchmäntel, Mantel=
kleider
, Bluſen, Koſtüm=Röcke
Sporthoſen, Bettücher u. Schlafdecken.
NB.: Nehme auch Kartoffeln i. Zahlung.
Wilh. Didzuhn
Kranichſteinerſtr. 6, I. (*25053im

HARBURK-AHERIRA LIRIE
URITED AHERIGAR LHES
Nach
NORD-, ZENTRAL- UND SOp.
AMAERIKK
AFRlKA,OSTASIENUSW.
Blilige Beförderung über deutsche md
surländlsche Hlfen. Herwrragende
IIl. Klesso mit Speise- und Rauchssal
Eretklaselgo Selon-u. Keiltiendamptar
Etwa wöchentl. Abfahrten von
HAHBURA eet HEWIORK
Auskünfte n. Drucksachen dureh
MAMBURÄ-AMERIKA
LIRIE HAMBURa
und deron Vertoter Inz
Piungstadt
Jakob Zimbrich, Eberstädterstrasre 15.
Darmstadt
Adolph Rady Zimmerstr. 1.

Brillanten
An- und Verkauf
von Edelmetallen
Adolf Aßmus
Schustersasse 15 (lad) Tel 2300

NORDDEUTSCHER LLOTD RRENEN

das größte und schneliste Schiff der deutschen Handelsflotte

BREMEN-NEMTORK

WORDDEUTSCHER LLOYD BREHEN

Auskunft

sämtl. Vertretungen

Costenlose

in Darmstadt: Anton Fischer,
Frankfurterstrasse 12/14
Lloyd-Reisebüro.

in Dieburg: Ernst Reh
Gross-Umstadt: J. Rapp

Michelstadt: Karl Bauer,

Buch-
handlung
.

Ken

Landestheater.
Großes Haus.
Mittwoch, 19. Sept.
B2, b1
Karl XII.
von A. Strindberg.
Preiſe: 330 Mill.
Anf. 7, Ende nach 10 Uhr.
Kleines Haus. (V782
8 Uhr
Schneeſchuhfilm II. Teil
Eine Fuchsjagd
durchs Engadin
Preiſe: 2, 3 u. 4 Mill.

Verſteigerung.
Freitag, den 21. September, vorm. 9uhr,
anfangend, verſteigere ich
Heidelbergerſtraße 18 (Gartenhaus)
wegen Wegzugs auftragsgemäß gegen Bar=
zahlung

Hausmobilien durch alle Rubriken
(Einrichtung einer Vierzimmerwohnung).
Ferner: 2 Zinkbadewannen, eine Stand=
uhr
(Pendule), 1 Nähmaſchine, 1 Fahr=
rad
, 1 Hobelbank mit Werkzeugen, zwei
Zimmertenu je, 1 Ziege, 1 Hühnerſtall
u a. m.
halbe Stunde vorher.
Anzuf
Kapp, Verſteigerer.

Bäumer’s
Maſchinen=
Schreibſtube
liefert nur
Qualitätsarbeit
7104a) Tel. 1223.
8 Rheinſtr. 8.

Suche Holz 00. Kohlen
zu tauſchen
gebe dafür zirka 20 jg.
Hühner ab. Wilhelm
Klein, Eberſtadt
Blumenſtr. 11. (*218

Woog, 18. Sept. 1923.
Waſſerhöhe 3,69 m.
Luftwärme 13½C
Waſſerwärme vorm
8 Uhr 15 C.
Woog8=Pol.=Wache.

K
Rase
Hotel Darmstädter Hof
Bekannt erstklassige Küche. Preiswerte
Weine im Ausschank und in Flaschen.
Bier Liköre Café Mocca
*25176)
Bes.: R. DOLL.

OD teeerernrnnereerrrsersst

Füchrwel
geht in nächſter Zeit
viederh.
nach Frankfurt,
Beiladung bis25Ztr.,
auch für Rücktransp.,
erwünſcht. 6636a
Peter Walter
Alter Arheilgerweg
Fernſpr. 2222

Winterkartoffeln!
Beſtellungen nehmen
entgegen. (*219
Franz Freeſe
Stiftſtr. 101.
Phil. Frank
Woogſtr. 5, Teleph. 215.

N6
Meroedes‟ Schreibmaschinen
Bental‟ Reisoschreibmaschine
Fabrikat Frister & Rossmann
sofort lieferbar.
(6962a
Das Büro‟
Alieipfertrieb. Harl Pauer, Wilhelminenstr. 21
Lieferung sämtlicher Bürobedarfsartikel. Tel. 376.

Raie
26 Jahre, evgl., tadel=
loſe
Vergangenh., aus
guter Familie, vollſt.
Möbel= und Wäſche=
ausſtattg
., mittl. Be=
amten
,evgl., gute Ver=
gangenh
u. Herzens=
bildg
,
zw.ſpät. Heirat.
Nur ernſtgem. Angeb
wenn mögl. m. Bild
u. P 128 Geſchſt. (*210

Aug den Amtsberkündigungen deg Krelsamts
Darmſtadt und den Bekanntmachungen des
Polizeiamts Darmſtadt.
Gefunden: 1 Buch für geodätiſche
Uebungen. 1 brauner Kinderhalbſchuh.
1 großer Schlüſſel und 1 kleiner Schrank=
ſchlüſſel
. 1 braunes Mäppchen mit 500 000
Mark. 1 vergoldetes Kettenarmband. Ein
kleiner ſchwarzer Kinderſchuh. 1 Kohlen=
ſack
. 18 000 Mk. in Briefumſchlag Ein
Peitſchenſtiel. 18000 000 Mk. Zuge=
laufen
: 1 Dobermann. 1 geſcheckter Hof=
hund
. Zugeflogen: 1Lachtaube. 1 Gans.

RA
bt.* Koſtüm
f. 16-19jähr., Herren=
Hut f. 16-19jähr. u.
Trumpf=Säge billig
zu verk. Stiftſtr. 21,
b. Engel, III. (25156

Schreibmaſchine
zu verkaufen. An=
frage
u. O. 118 an
die Geſchſt. (7489a

Schreibmaſchine
Mignon, fabrikneu,
zu verk. Pareusſtr.
Nr. 171 I,I. (*25199
1 eich. Fleiſchſtänder
1 Blumenſtänder
Gehrock
2 Heuleitern

Waſchmaſchine
zu verkf., einzuſehen
von 2 Uhr ab. Walter,
Liebfrauenſtr. 6. (*B1al

gut erh. Vertiko

Ein pol.,
zu verk. Mauerſtr. 21,
(*25158
2. Stock.

Großer Puppenwagen
und Gasherd mit Tiſch
abzugeben. Martin=
ſtraße
42. (*25165

5mmobilien

Obſtbaum=Garten u.
Ackerland baldigſt
geg. Höchſtgebot zu
pachten geſucht. An=
geb
. unt. P 51 an d.
Geſchäftsſt. (*24978

Und Sie

rauchen

Nehmen Sie
Puften

TABLETTEN

und

las

Rauch

vedärf.

nis hört

In Darmstadt erhält-
lich
: Hubertus-
Drogerie Lennartz,
Ballonplatz 5,
Merkur-Drogerie
Zachmann. (iitmso

eölniſch=Waſſer, Ia;
lief. a. Wiederver=
9 käufer. Gawo,
Rummelbr., Allee 61, u.
Bensheim. Vertr. geſ. (*

Suche ein guterhalt,
Herrenfahrrad
tauſcheBettwäſcheda=
geg
. N. Geſchſt. (* ziog

Stühle
werd. geflochten Eliſa=
bethenſtr
.19 II. (sorim

Röhren=
Dampfkeſſel zurück!
ausziehb., lgd., 5 qm
Heizfl.,4Atm., Fabria.
Rodberg, z. vk. (*25180
Ing. C. Böhm
Darmuadt, Wienerſtr. 40 / Sprechſt. jetzt 111;
35. Tel. 1150. (*B1d
Telephon 1032.

Von der Reiſe
Dr. Schuchardt
Nervenarzt.

Einebnung mehrer. Bezirke von
Reihengräbern auf dem Friedhof
an der Nied.=Ramſtädterſtraße.
In nächſter Zeit wird auf dem Fried=
hof
an der Nieder=Ramſtädterſtraße mit
Einebnungsarbeiten von Reihengräber=
feldern
, bei welchen die Ruhezeit bereits
abgelaufen iſt, begonnen.
Ausführliche Bekanntmachung iſt in
den für die ſtädtiſchen Bekanntmachun=
gen
beſtimmten Aushängeſtellen ſowie
an den Aushängeſtellen der hieſigen
Friedhöfe ſowie auf dem Friedhofsamt
(Rathaus) ſelbſt bis einſchließlich 1. Ok=
tober
1923 erſichtlich.
(St,7471
Darmſtadt, den 3. Sept. 1923.
Der Oberbürgermeiſter.

Die Gefahr für den Säugling iſt noch nicht vorüber,
wenn der Sommer zur Neige geht, denn erfahrungsgemäß
treten gerade im Herbſt Brechdurchfälle und Darmkrank=
heiten
noch recht häufig auf. Es wäre alſo ein Irrtum
der Mutter, wenn ſie glauben würde, Kufeke bei
der Ernährung ihres Lieblings jetzt wieder entbehren zu
können. Ein Nahrungswechſel in dieſer Zeit könnte dem
Kinde leicht ſchaden, beſonders wenn der verdauungs=
regelnde
Einfluß des Kufeke plötzlich aufhört. Es iſt
deshalb ratſam, die Milch auch weiter mit Kufeke zu
verſetzen; dies erprobte Nahrungsgemiſch bewahrt das
Kind nach Möglichkeit vor Verdauungsſtörungen, fördert
die geſunde Entwicklung des Körpers und iſt außerdem
billiger als reine Milch ohne Beigabe,
(V,4404