Darmstädter Tagblatt 1923


02. September 1923

[  ][ ]

Einzelnummer 120000 Mark

für Ver
Geſchirr
die von

923.
ſter.
ufund
ung.
der wird mit
gen Rück

1
üitter wir
ugeteill.
nen nach
M
in der An
eitiger Ab=
95 bis
teuet=

*ich

Bezugspreis:
Bei wöchentl. 7 maligem Erſcheinen (freibleibend) monat=
ſich
1410000 M und 80000 M. Abtragegebühr. Abholen
1450000, durch die Agenturen 4500 000 M. frei Haus. Be=
ſellungen
nehmen entgegen: die Geſchäftsſtelle Rhein=
ſir
. 23 (Fernſprecher 4, 2390 u. 2394), die Agenturen und
alle Poſfämter. Verantwortlichteit für Aufnahme von
Anzeigen an beſimmten Tagen wird nicht übernom=
men
. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur Kür=
zung
des Bezugspreiſes. Beſtellungen und Abbeftele
lungen durch Fernruf ohne Verbindlichkeit für uns.
Poſſcheckonto: Frankfurt a. M. 4301.

Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landeshauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe Darmſt. Tagbl. geſtattet.
Nummer 242
Sonntag, den 2. September 1923
186. Jahrgang

Anzeigenpreis:
27 mm breite Zeile im Kreiſe Darmſtadt 140000 M.
Finanz=Anzeigen 220000 M, Reklamezeile (92 mm
breit 600000 M. Anzeigen von auswärts 220000 M.,
Finanz=Anzeigen 300000 M., 92 mm breite Reklame=
zeile
800000 M Anzeigennehmen entgegen: Geſchäfts=
ſtelle
Rheinſtraße 223, die Agenturen und Anzeigen=
expeditionen
. Im Falle höherer Gewalt, wie Krieg,
lufruhr, Streik zſw., erliſcht jede Verpflichtung
auf Erfüllung deé Anzeigenaufträge und Leiſtung
von Schadenerſatz. Bei Konkurs oder gerichtlicher
Beitreibung fäüt jeder Rabatt weg. Bankkonto:
Deutſche Bank und Darmſtädter 8 Nationalbank.

Induſirie und Handel für die Goldwährung.
TU. Berlin, 1. Sept. Der Reichsverband der deutſchen
Induſtrie, die Hauptgemeinſchaft des deutſchen Einzelhandels
und der Zentralverband des deutſchen Großhandels richteten
gemeinſam eine Eingabe an das Wirtſchaftsminiſterium, in der
ſie darlegten, daß die Schaffung einer neuen Rech=
nungswährungaufder
Baſis einer einwandfreien aus=
ländiſchen
Goldwährung, nämlich der Dollarwährung,
die einzige Möglichkeit iſt, um einem vollkomme=
nen
Chaos des Wirtſchaftslebens vorzubeugen.
Für alle beteiligten Wirtſchaftsgruppen muß die Goldwark=
rechnung
grundſätzlich durchführbar und zuläſſig geſtaltet werden.
Binnen wenigen Tagen müſſen die notwendi=
gen
Maßnahmen durchführbar ſein, ſoll es
nicht zu einem völligen Zuſammenbruch des
Wirtſchaftslebens kommen. Induſtrie, Großhandel
und Einzelhandel ſind der Auffaſſung, daß das ganze
Steuerſyſtem auf ſchwankender Grundlage ſteht,
ſolange in der geſamten Wirtſchaft nicht einheitlich in feſter Gold=
währung
gerechnet wird und gerechnet werden muß. Eine Sa=
nierung
der Reichsfinanzen und eine Heranziehung unſerer
Steuerpflichtigen zur Steuerzahlung iſt erſt dann wieder mög=
lich
, wenn alle Steuerpflichtigen auf der Goldbaſis ihre Steuern
zu errechnen gezwungen ſind bezw. müſſen. Die underzeichneten
Verbände bitten deshalb das Reichswirtſchaftsminiſterium, un=
verzüglich
mit einigen ihrer Vertreter in Verhandlungen darüber
einzutreten, in welcher Form in den nächſten Tagen der Gold=
kontenverkehr
und der Goldkrediwerkehr eingerichtet werden
kann. Das Syſtem des wertbeſtändigen Lombardkredits der
Reichsbank iſt ein kaufmänniſches Unding und deshalb völlig
unbrauchbar.

Vom Tage.

Im Anſchluß an die Rede des Reichswirtſchaftsminiſters im Reichs=
wirtſchaftsrat
fand eine Beratung des Kabinetts ſtatt, die
ſich mit der Fortführung der Maßnahmen auf finanzpolitiſchem und,
wirtſchaftlichem Gebiete befaßte.
Der Ankauf von Reichsſilbermünzen durch die Reichsbankanſtalten
findet ab 3. September bis auf weiteres zum 800 000fachen Betrage des
Nennwertes ſtatt.
Der Ausſchuß des Vürgerbundes München hat zu den neuen
Reichsſteuern dahin Stellung genommen, daß in kürzeſter Zeit der Zu=
ſammenbruch
der bürgerlichen Geſamtwirtſchaft erfolgen müſſe, wenn
die Erfüllung der neuen Reichsſteuern ohne Rückſicht auf die Leiſtungs=
möglichkeit
erzwungen werde. Die Bürgerſchaft erkenne in dieſer
Steuerpolitik den Verſuch einer rückſichtsloſen Enteignung, der der Bol=
ſchewismus
auf dem Fuße folgen müſſe.
In einer großen Verſammlung der Münchener Angeſtelltengewerk=
ſchaften
aller Richtungen wurde geſtern abend mitgeteilt, daß die Ar=
beitsgemeinſchaft
des bayeriſchen Einzelhandels beſchloſſen habe, ſämt=
lichen
Angeſtellten zu kündigen. Es wurde eine Entſchließung ange=
nommen
, in der die baheriſche Regierung von der Angeſtelltenſchaft zum
ſofortigen Eingreifen aufgefordert wurde, da ſonſt der einzige Ausweg
nur in der Selbſthilfe geſehen werden könnte.
Die Mitteilung des Neu=York Herald aus rheiniſchen Separatiſten=
kreiſen
, daß die Regierung der Bildung einer Rheiniſchen Republik im
Verbandes des Reiches ſympathiſch gegenüberſtehe, iſt frei erfunden.
Der britiſche Handelsvertreter in Moskau hat von ſeiner Regie=
rung
Weiſung erhalten, der Sowjetregierung mitzuteilen, daß die
engliſche Regierung, als Leiter der ruſſiſchen Handelsabord=
nung
in London akkreditiert hat.
Der Petit Pariſien meldet aus Athen, daß über ganz Griechenland
von der Regierung der Belagerungszuſtand verhängt worden ſei.
Der Völkerbundsrat beſchäftigte ſich in ſeinen Sitzungen auch mit
einem Expoſé über die vorbereitenden Maßnahmen zur Sicherung der
im Jahre 1924 im Saarreviere ſtattfindenden Volksabſtimmung. Die
Arbeiten der betrefefnden Stelle, die dieſe Vorbereitungen vorzuneh=
men
hat, ſollen bis Ende Oktober dieſes Jahre beendet ſein.
Ein Radiotelegramm aus San Franzisko meldet, daß Yokohama
durch ein Erdbeben faſt völlig zerſtört worden ſei. Es ſeien zahlreiche
Menſchenopfer zu beklagen.

Das Spiel mit dem Feuer.
Ole italieniſche Invaſion auf Korfu. Griechiſcher Appell an den Völkerbund. Das
griechiſche Volk zum Aeußerſten bereit.

Griechenland ruft den Völkerbund an.
Der Völkerbund fagt Prüfung zu.
Genf, 1. Sept. (Wolff.) Der Führer der griechiſchen Dele=
gation
in der Völkerbundsverſammlung, Politis, begab ſich
heute vormittag zum Generalſekretär des Völkerbundes und über=
reichte
ihm eine Note, in der die griechiſche Regierung auf Grund
der Artikel 12 und 15 des Paktes die Intervention des
Völkerbundsrates im griechiſch=italieniſchen Konflikt
fordert.
Man erklärt in den Kreiſen des Völkerbundsrates, daß der
Rat ſich wahrſcheinlich bereits heute nachmittag mit der Ange=
legenheit
befaſſen wird.
Der italieniſche Vertreter im Rat, Salandra, iſt heute
in Genf eingetroffen.
Genf, 1. Sept. (Wolff.) Der Völkerbundsrat be=
ſchloß
ſoeben, heute nachmittag 4 Uhr zu den von der griechiſchen
Regierung überreichten Dokumenten über den griechiſch=
italieniſchen
Zwiſchenfall Stellung zu nehmen.
Paris, 1. Sept. (Wolff.) Die Agence d’Athenes ver=
öffentlicht
folgende Note:
Auf den Schritt des italieniſchen Geſandten hat der Mini=
ſter
des Aeußern erwidert, daß die Beſetzung des Gebietes
eines unabhängigen Staates nur als ein feindſeliger und
vollkommen ungerechtfertigter Akt betrachtet wer=
den
könnte, der eine offenſichtliche Verletzung der von Italien
unternommenen Verpflichtungen darſtelle, da Griechenland
ſich bereits an den Völkerbund gewandt und ihn gebeten
habe, die Frage einer Prüfung zu unterziehen. Die griechiſche
Regierung habe ihren diplomatiſchen Vertretern den Auftrag
gegeben, bei den Mächten gegen das Vorgehen
Italiens zu proteſtieren. Die griechiſche Regierung
habe nicht die Abſicht, dieſen provokatoriſchen Akt zu beant=
worten
, da ſie davon überzeugt ſei, daß der Völkerbund, an den
ſich Griechenland unter Berufung auf Art. 11 des Völkerbunds=
vertrages
ſchon gewandt habe, das Vorgehen der italieniſchen
Regierung verurteilen werde. Vor allem ſei feſtzuſtellen, daß,
nachdem die italieniſche Geſandtſchaft um 12 Uhr mittags das
Miniſterium des Aeußern benachrichtigt habe, daß ſie um 5 Uhr
eine neue Note überreichen würde, die eine fünfſtündige Friſt
gebe, die italieniſche Flotte ſchon um 4 Uhr nach=
mittags
zur Beſetzung von Korfu geſchritten iſt.
Weiter ſei hervorzuheben, daß die italieniſche Flotte
gegeneineofſene, unverteidigte und außerdem durch
den Vertrag von 1864 unter die Garantie der Mächte geſtellte
Stadt gefeuert habe. Griechenland, obſchon klein, hätte
auf dieſen feindſeligen Akt Italiens, antworten können und
müſſen. Es habe es aber vorgezogen, ſich an den Völker=
bund
zu wenden, an den Areopag, der zur Hütung der Unab=
abhängigkeit
, der Souveränität und der Ehre aller Länder gegen
jeden Zwang eingerichtet worden ſei. Wenn aber die
Intervention des Völkerbundes ſich als ohn=
mächtig
herausſtellen ſollte, dann wäre Grie=
chenland
, durch die Verzweiflung getrieben,
gezwungen, ſich gegen, die italieniſche Inva=
lion
zu verteidigen.

Mobilmachung in Südſlawien.
TU. Wien, 1. Sept. Die im Ausland weilenden ſüd=
ſlawiſchen
Offiziere haben ihren Einberufungsbefehl erhalten.
Auch die rumäniſchen Militärs haben Geſtellungsorder erhalten.
Kriegswolken über dem Mittelmeer.
* London, 1. Sept. (Priv.=Tel.) Der Völkerbundsrat
beriet bereits den Streitfall. Die Beſetzung Korfus durch italie=
niſche
Truppen wird hier als eine ſehr bedenkliche Wendung zum
Schlimmen empfunden. Das Bombardement auf die Stadt ver=
ſuchen
die italieniſchen Behörden mit der Weigerung des grie=
chiſchen
Gouverneurs zu rechtfertigen, die Inſel um 5 Uhr nach=
mittags
den Italienern zu übergeben. Das Bombardement be=
gann
um 4,50 Uhr, und zwar gegen zwei Forts. Die Verluſte
an Menſchenleben ſind deshalb um ſo tragiſcher, weil es ſich in
erſter Linie um in der griechiſchen Polizeiſchule untergebrachte
Waiſenkinder handelt, die dort aus den Mitteln eines vom Lord=
major
in London geſchaffenen Hilfsbundes Erholung genoſſen.
Man zählte 15 Tote. Die Inſel wurde daraufhin von der grie=
chiſchen
Behörde ſofort übergeben.
Die Inſel Korfu wurde im Jahre 1815 in Gemeinſchaft mit
den übrigen Inſeln unter engliſches Protektorat geſtellt. Der
große engliſche Staatsmann Gladſtone war einige Zeit lang auf
dieſer Inſel Oberkommiſſar. Im Jahre 1864 wurde die Inſel
unter dem Londoner Vertrag vom Vorjahr an Griechenland
übertragen. Der Art. 2 dieſes Vertrages ſieht vor, daß Eng=
land
, Frankreich und Rußland mit Zuſtimmung Oeſterreichs und
Preußens Mitgaranten für die Neutralität der Inſel wurden.
Die überſtürzte Maßnahme Italiens macht nach engliſcher Auf=
faſſung
erforderlich, daß der Völkerbund unverzüglich eine Inter=
vention
unternimmt. Griechenland iſt nach engliſcher Anſicht
völlig im Recht, wenn es die Angelegenheit vor den Völkerbund
bringt. Nach hieſiger Anſicht bleibt es ſich gleich, ob der Völker=
bund
oder die Botſchafterkonferenz mit der Schlichtung des
Zwiſtes beauftragt werden. Vor allen Dingen iſt es notwendig,
daß die ganze Angelegenheit ſofort, und zwar ohne Verzug,
einer internätionalen Inſtanz übertragen wird.
Italien hat auch von Frankreich inzwiſchen verſchiedene Vor=
ſtellungen
erhalten, in denen darauf hingewieſen wird, daß
Frankreich in früheren ähnlichen Fällen, in denen ihm gleiches
Unrecht widerfahren ſei, ſich dem Schiedsſpruch eines internatio=
nalen
Gerichtes unterworfen habe. Auch England könne eine
ganze Reihe ſolcher Fälle aufzählen. Was man im Augenblick
wünſche, iſt, mit allen Mitteln einen neuen Krieg zu verhindern.
Die öffentliche Meinung Griechenlands.
Lieber zugrunde gehen, als Demütigungen
hinnehmen.
Paris, 1. Sept. (Wolff.) Nach einer Havas=Meldung
aus Athen iſt die Preſſe einmütig der Anſicht, daß
die Forderungen Italiens weit über alles hin=
ausgehen
, was bisher in ähnlichen Fällen geſchehen ſei. Die
Preſſe billigt die Haltng der Regierung, die mit Recht ver=
ſichere
, daß Griechenland, wenn es auch klein und ge=
ſchwächt
ſei, um den Preis aller Opfer Serbien nachahmen und
lieber zugrunde gehen müſſe, als Demütigungen
anzunehmen, die die Eigenliebe und Unabhängigkeit der
Nation verletzen.

Worin beſteht die deutſche Schuld?
Vom
Senatspräſidenten a. D. Robert Schmölder, Kaſſel.
Deutſchland hat den Krieg nicht geplant, es
hat ihn gefürchtet!
(E. D. Morel in Foreign Affairs,
Auguſtheft 1920.)
Bis in die letzte Zeitz vor dem Kriege war Deutſchland un=
beſtritten
friedliebend. Noch im Jahre 1913 hat der unlängſt ver=
ſtorbene
, bis zu ſeinem Tode allſeitig hochgeehrte Marcel Sem=
bat
in den Vorhaltungen, die er ſeinen Landsleuten unter dem
Titel: Faites un roi, sinon faites la paix gemacht hat,
geſchrieben:
Deutſchland war immer friedliebend. Es
hat eine Reihe von Gelegenheiten, unter günſtigen Bedingun=
gen
Krieg zu führen, vorübergehen laſſen, und wer weiß es
denn nicht, daß Deutſchland ſeit langen Jahren mit allen Kräf=
ten
auf eine enge Annäherung an uns hinarbeitet. Wenn wir
nur bereit wären, darauf einzugehen.
und Guſtav Hervé, der Herausgeber der Pariſer Victoire, in
ſeinem Buch: Alſace=Lorraine‟:
Soeben hat der deutſche Kaiſer durch ſeine fried=
liebende
Rolle in der Balkan=Politik bewie=
ſen
, daß ihm nicht daran liegt, ſeine Regierung mit dem ent=
ehrendſten
aller Kriege zu beflecken und ſeinen Thron aufs
Spiel zu ſetzen, wie es bei uns Napoleon III. getan hat.
Die Worte des radikalen Guſtave Hervé haben neuerdings
Widerhall gefunden bei dem rohaliſtiſch geſinnten Geſchichts=
ſchreiber
Erneſt Renauld. Dieſer ſchreibt, nach der Lanterne‟
vom 8. 10. 1921:
Der Krieg von 1912 war das Ergebnis, der franzöſiſch=
ruſſiſchen
Balkan=Politik. Wenn damals nicht ganz Europa
in den Krieg hineingezogen wurde, ſo iſt das nur der
Friedensliebe Deutſchlands zu verdanken.
Selbſt der Bericht, den die von den alliierten und aſſoziierten
Mächten eingeſetzte Kommiſſion für die Feſtſtellung der Verant=
wortlichkeit
der Urheber des Krieges und die aufzuerlegenden
Strafen unter dem 29. 3. 1919 erſtattet hat, beginnt mit den
Worten:
Viele Monate vor der Kriſis vom Juli 1914 hat der
deutſche Kaiſer aufgehört, als Schutzherr des Frie=
dens
aufzutreten.
Alle belgiſchen Geſandten in Berlin haben in den
Berichten an ihre Regierung immer wieder von Neuem die
Friedensliebe Deutſchlands betont. Baron
Greindl und Baron Beyens bringen dabei auch eine Be=
gründung
, der Erſtere am 30. 5. 1905 mit dem Satz:
Deutſchland iſt mit der politiſchen Gliederung Europas
zufrieden,
der zweite am 12. 6. 1914 mit den Worten:
Deutſchland braucht nicht den Krieg. Es braucht nur die
Wirkung ſeines Geburtenüberſchuſſes abzuwarten.
Der Anlaß zum Ausbruch des Krieges lag auf dem Balkan,
alſo dort, wo die Friedensliebe Deutſchlands, nach Guſtave
Hervé und Erneſt Renauld, erſt eben goldene Früchte getragen
hatte. Er beſtand in der groß=ſerbiſchen Agitation und deren
Ausartung bis zum Fürſtenmord vom 28. Juni 1914 in Sera=
jewo
, alſo in Umſtänden, die Deutſchland ſelbſt gar nicht berühr=
ten
. Der Bundesgenoſſe Oeſterreich=Ungarn war
aber belaſtet nicht nur mit dieſer groß=ſerbiſchen Agitation, ſon=
dern
auch mit einer rumäniſchen und mit einer italieniſchen
Irredenta. Für ihn beſtand demnach die Gefahr des Aus=
einanderfallens
, wenn auch dieſe Tat der Serben un=
gefühnt
blieb. Da haben ſich die Leiter des Deutſchen Reiches
geſagt: Dieſes Mal dürfen wir dem, allein noch zuverläſſigen
Bundesgenoſſen nicht in die Zügel fallen. Wir verlieren ihn
ſonſt, oder aber Er ſieht ſich nach neuen Freunden um und er
findet offene Arme bei den Weſtmächten, (v. Bethmann=
Hollweg). Die Leiter des Deutſchen Reiches haben ſich dann
weiterhin auch geſagt: Wir müſſen Sorge dafür tragen, daß
dieſer auſtro=ſerbiſche Konflikt lokaliſiert bleibt, daß er nicht aus=
wächſt
zu einer Machtfrage zwiſchen den beiden großen Mächte=
gruppen
. Deshalb müſſen wir uns jeder Mitwirkung, auch jeder
Kontrolle bei dem Vorgehen von Oeſterreich=Ungarn enthalten.
Damit erhalten wir uns auch die Aktionsfreiheit für eine evtl.
notwendig werdende Vermittlung (v. Jagow).
Nun war aber in der Wiener Hofburg gepaart Hochmut und
Empfindlichkeit mit Leichtſinn und einer ſeltenen Neigung zum
Schlendrian und zur Schlamperei. Das wußte man in Berlin.
Noch am 26. Juli 1914 (Nr. 326 der Deutſchen Dokumente) hat
der deutſche Geſandte in Wien, von Tſchirsky,
darüber berichtet, mit dem Zuſatz: Oeſterreicher werden
immer Oeſterreicher bleiben.
Einem ſolchen Staatsweſenaber erteilt man,
insbeſondere in einer derartigen gewitterſchwülen Zeit, keine
Blanco=Vollmacht. Daß man ſie erteilt hat,
darin beſteht die unbeſtreitbare Schuld Deutſch=
lands
. Aber dieſe Schuld beruht auf einem Mangel des
Intellekts. Sie iſt diplomatiſch=techniſcher Natur.
Für den böſen Willen Deutſchlands, für den
Uebergang Deutſchlands von der Politik des Friedens zu einer
Politik des Angriffs auf die Ruhe Europas, wie ihn der Bericht
der Schuldfragen=Kommiſſion vom 29. 3. 1919, der Artikel 231 des
Verſgiller Friedensvertrages und das Ultimatum vom 16. 6. 1919
unterſtellt, bezieht man ſich immer wieder von Neuem
auf die angebliche Sitzung des Kronrats in
Potsdam vom 5. 7. 1914. Ueber ſie behauptet der Pariſer
Profeſſor Baſch am zuverläſſigſten unterrichtet zu ſein.
Er erzählt neuerdings in der in Buenos Aires erſcheinenden
Prenſa:
Faſt alle bei bedeutenden Staaten beglaubigten Botſchaf=
ter
waren anweſend, auch die Häupter des Generalſtabs und
der Marine, die Direktoren der Eiſenbahn und die Großindu=
ſtriellen
. Der Kaiſer richtete an alle feierlich die Frage: Seid
ihr zum Kriege bereit?, worauf ſie alle mit ja antworteten
mit Ausnahme der Finanzleute, die zwei Wochen verlangten,
um ihre ausländiſchen Werte einzuziehen und Anleihen auf=
zunehmen
.
Nach den Farbbüchern und den mit ihnen ſich deckenden
Feſtſtellungen des deutſchen Profeſſors Hans Delbrück waren

[ ][  ][ ]

Seite 2.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 2. September 1923.

Rummer 242.

aber am 5. 7. 1914 die Botſchafter in Paris (v. Schön), in Wien
(b. Tſchirsky), in Petersburg (Graf Pourtales), in Rom (v. Flo=
tow
) nicht in Potsdam, ſondern auf ihren auswärtigen Poſten,
war Fürſt Lichnowsky auf der Rückreiſe nach London, war der
Außenminiſter v. Jagow auf der Hochzeitsreiſe am Vierwald=
ſtädter
See, waren die Chefs der Marine von Tirpitz und Pohl
auswärts auf Urlaub, war ſchließlich der Chef des Generalſtabs
v. Moltke als Schwerkranker in Karlsbad. Nach dem 5. 7.
haben weiter die deutſchen Finanzleute ausländiſche
Werte in keinem größeren Umfange eingezogen, als ſonſt. Im
Gegenteil, ſie haben nocham31. Juli Gold nach London
ausgeführt.
Das dürfte genügen, um dieſer Mär ein endgültiges Ende
zu bereiten. Der Gegenbeweis wird aber auch ſchlagend
geführt durch den Umſtand: Bei Ausbruch des Krieges
war Deutſchland diplomatiſch, militäriſch und
wirtſchaftlich unvorbereitet.
In diplomatiſcher Beziehung war nichts geſchehen, um in
Italien und Rumänien die öſterreich=feindliche Stimmung zu
unildern und damit dieſe Bundesgenoſſen bei der Stange zu hal=
ten
. Der deutſche Geſandte in Rom war nicht einmal über die
Bedeutung des hier maßgebenden Artikels 7 des Dreibundver=
trages
unterrichbet.
Ihm lag, wie er in ſeinem Bericht vom 24. 7. 1914 (Nr. 156
D. D.) bekannt, der ganze Dreibundvertrag gar nicht vor. Er
mußte auch noch die Vertretung Oeſterreich=Ungarns in Rom
als krank, unfähig und völlig verſagend bezeichnen (Nr. 156
und 167 D. D.). In Berlin hat man ſich noch am 14. 7. (Nr. 45
D. D.) mit Bedenken gegen einen Anſchluß der Türkei an den
Dreibund beſchäftigt. In Berlin hat man den Anſchluß Bul=
gariens
bis in den Monar Auguſt hinausgeſchoben. In Berlin
hat man es auch unterlaſſen, die Stimmung in England zu be=
einfluſſen
. Man konnte das durch eine Erinnerung an das Jahr
1887 und die Zeit des franzöſiſchen Kriegsminiſters Boulanger.
Damals hatten ſich ein, von Lord Salisbury veranlaßten, Brief
im Standard vom 4. 2. und die Leitartikel im Standard, in
der Pall Mall Gazette von dieſem Tage und in dem Spee=
tator
vom 5. 2. dahin ausgelaſſew: Im Falle eines
deutſch=franzöſiſchen Krieges werden wir
einen Einſpruch gegen den Durchmarſch Deutſch=
lands
durch Belgien nicht erheben.
Für das Unvorbereitetſein Deutſchlands in militäriſcher
Beziehung ſprechen Zahlen. Frankreich hatte mit 40 Millionen
Einwohner eine Friedensſtärke von 910000 Mann, Deutſchland
dagegen mit 67 Millionen Einwohnern eine Friedensſtärke von
nur 761000 Mann. Dabei hatte Deutſchland ſeine zahlloſen
nicht ausgehobenen Wehrpflichtigen nicht einmal zu kurzen
Uebungen einberufen. Deutſchland hatte auch bei Kriegsaus=
bruch
keinerlei erhöhte Pulvervorräte, ſodaß ſchon im erſten
Monat des Krieges ein Mangel an Munition in der empfind=
lichſten
Weiſe eintrat. Es hat noch am 4. Juli von der Forde=
rung
ſeines Refernten für das Munitionsweſen die Summe
von 3½ Millionen abgeſetzt, und es hat noch am 9. Juli 1914
auf den Antrag der Intendantur des 15. A.=K. den Verprovian=
tierungstermin
für die Feſtungen Straßburg und Neubreiſach
hinausgeſchoben.
In wirtſchaftlicher Beziehung fällt ins Gewicht der bereits
hervorgehobene Umſtand, daß Deutſchland ſeine ausländiſchen
Guthaben nicht eingezogen, daß es im Gegenteil noch am 31 Juli
1914 Gold ausgeführt hat. Deutſchland hat aber auch die Ver=
prodiantierung
mit den nur vom Auslande beziehbaren Waren
unterlaſſen. Alle deutſchen Handelsſchiffe waren bei Kriegsaus=
(Schluß folgt.)
bruch unterwegs.

Muſſolini beſieht auf ſeinen Forderungen.

Jialieniſche Proklamation auf Korfu.

Rom, 1. Sept. (Wolff.) Nach der Beſetzung der Jüſel
Korfu richtete der Oberbefehlshaber der Flotte, Admiral Salari,
an die Bewohner eine Proklamation, in der feſtgeſtellt wird, daß
die Beſetzung infolge der Ermordung der italieniſchen Militär=
delegation
auf griechiſchem Boden und die Weigerung der grie=
chiſchen
Regierung, die Forderung Italiens zu erfüllen, erfolgte.
Die Beſetzung ſei keine kriegeriſche Handlung, ſondern ſolle ledig=
lich
die feſte Entſchloſſenheit Italiens bekunden, die ihm geſchul=
deten
Reparationen zu erlangen. Die Beſetzung trage vorüber=
gehenden
friedlichen Charakter, und werde dieſen behalten, ſo=
lange
die Haltung der Bewohner der Inſel die italieniſche Kom=
mandobehörde
nicht nötige, beſondere Maßnahmen zum Schutze
der italieniſchen Truppen zu ergreifen.
Rom, 1. Sept. (Wolff.) Nach einer Meldung des Ober=
befehlshabers
der Flotte in Korfu hat ſich die Landung
ohne Schwierigkeiten vollzogen. Die italieniſche
Flagge wurde auf der alten Feſtung gehißt, während alle Schiffe
unter Hochrufen auf Italien einen Salut von 21 Schuß feuerten.
Die Beſetzung der Stadt und der Inſel ging dann ordnungs=
gemäß
von ſtatten.

Die erſten griechiſchen Opfer.

Athen, 1. Sept. (Wolff.) Nach einer. Meldung aus Korfu
wurden in der dortigen Polizeiſchule, die zur Unterbringung
von Flüchtlingen diente, mehrere Perſonen durch italieniſche Ge=
ſchoſſe
getötet. Das Gebäude wurde eingeäſchert.

TU. Rom, 1. Sept. Geſtern iſt ein Miniſterrat zuſammen=
getreten
, um ſich mit der griechiſchen Antort und den zu er=
greifenden
Maßwahmen zu befaſſen. In offiziellen Kreiſen wird
beſtätigt, daß die italieniſche Regierung keinerlei
Abänderung ihrer Forderungen, die ein Ganzes
bildeten, zulaſſen werde.

Einführung der Zenſur in Italien.

TU. Rom, 1. Sept. Obwohl alle italieniſchen Blätter die
Maßnahmen der italieniſchen Regierung gegenüber Griechenland
gutheißen, ſo iſt doch die Zenſur über die italieniſche Preſſe ver=
hängt
worden. In einem Telegramm an alle italieniſchen aus=
ländiſchen
Vertreter erklärt Muſſolini, die Beſetzung von Zorfu
ſei lediglich eine Maßnahme, die ihm nach gebräuchlichem inter=
nationalem
Recht zuſtände, um die Reparationen zu erzwingen.

Eine Runddepeſche Muſſolinis.

Muſſolini rechtfertigt ſich.

Rom, 1. Sept. (Wolff.) Muſſolini richtete an die ita=
lieniſchen
Auslandsvertretungen folgende Depeſche:
Auf die gerechten Forderungen Italiens infolge der barba=
riſchen
Ermordung der italieniſchen Militärdelegation auf grie=
chiſchem
Gebiet hat die griechiſche Regierung mit den Worten ge=
antwortet
, die tatſächlich einer vollſtändigen Zurückweiſung der
italieniſchen Forderungen gleichkommen. Dieſe ungerechtfertigte
Haltung verſetzt Italien in die Notwendigkeit, in der griechiſchen
Regierung das Gefühl für ihre Verantwortlichkeit
wachzurufen. Infolgedeſſen hat ſie den Befehl erteilt, eine
Abteilung italieniſcher Truppen auf Korfu zu lan=
den
. Durch dieſe Maßnahme, die nur zeitlichen Charakter hat,
beabſichtigt Italien nicht, kriegeriſche Handlungen auszuführen,
ſondern nur ſein Anſehen zu wahren und ſeinen unerſchütter=
lichen
Willen zu bekunden, Wiedergutmachungen zu er=
halten
, die Griechenland ihm nach Herkommen und Völker=
recht
ſchuldet. Die italieniſche Regierung wünſcht, daß Griechen=
land
keine Handlung begehe, die die friedliche Natur dieſer Maß=
nahme
ändern könnte.
Das ſoeben angeführte Vorgehen ſchließt nicht die
Sanktionen aus, die die Botſchafterkonferenz er=
greifen
wird auf Grund der Tatſache, daß die ermordete ita=
lieniſche
Delegation einen Teil der Grenzabſteckungskommiſſion
bildete, und daß ihr Vorſitzender, General Tellini, Beauftrag=
ter
der Botſchafterkonferenz war.

Engliſche Orohung gegen Muſſolini.

Berlin 1. Sept. (Wolff.) Nach einer Meldung aus
London ſoll die Entſendung eines engliſchen Geſchwaders ange=
kündigt
worden ſein. Von unterrichteter Seite wird erklärt,
wenn Muſſolini nicht ſofort vor der Autorität
des Völkerbundes weiche, ſei England ent=
ſchloſſen
, mit allen ſeinen Machtmitteln Ord=
nung
und Frieden aufrecht zu erhalten.

Italien gegen eine Intervention des Völkerbundes.

Paris 1. Sept. (Wolff.) Der Sonderberichterſtatter der
Information in Genf hatte eine Unterredung mit einem Mit=
glied
der italieniſchen Delegation. Dieſer erklärte ihm, Italien
werde jede Intervention des Völkerbundes ablehnen. Es beſtehe
keine Kriegsgefahr. Wir verlangen einfach moraliſche Genug=
tuung
für ein Verbrechen, das auf griechiſchem Boden begangen
wurde und an dem, wie wir bis zum Beweis des Gegenteils
glauben, die griechiſche Regierung mitſchuldig iſt. Wir denken
nicht daran, irgend einen griechiſchen Hafen zu bombardieren.
Paris, 1. Sept. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Athen wird aus Janina berichtet, daß Albanien ſeine Poſten an
der griechiſch=albaniſchen Grenze verſtärkt und den Uebertritt
aus dem einen in das andere Land verboten habe.

Die Streitfrage vertagt.

* Genf, 1. Sept. (Priv.=Tel.) Der Ergebnis der heutgen
Sonderſitzung des Völkerbundsrats, in der das Erſuchen Grie=
chenlands
um Intervention des Völkerbunds in dem griechiſch=
italieniſchen
Streitfall beſprochen wurde, iſt das, daß der Rat
zwar noch keine definitiven Beſchlüſſe über die Löſung dieſer
Frage gefaßt hat, daß er aber verſprochen hat, ſich in wenigen
Tagen zur Unterſuchung und Klärung dieſer Sache zuſammen=
zufinden
.
Die Vertagung erfolgte auf den dringenden Wunſch des ita=
lieniſchen
Delegierten Salandra, der noch keine genügenden In=
ſtruktionen
von ſeiner Regierung erhalten hat. Der Rat ſprach
die Erwartung aus, daß vorher keine der beiden Parteien irgend=
welche
Schritte unternehme, wodurch ſich die Lage noch verſchärfen
würde. Der Delegierte Griechenlands wohnte der Sitzung bei
und legte die Note Griechenlands an den Völkerbund vor, in
der der Völkerbund unter Bezug auf den Völkerbundspakt um
Interventon in dieſer Streitfrage erſucht wird. Die Angelegen=
heit
ſoll ſpäteſtens Dienstag oder Mittwoch der kommenden
Woche wieder verhandelt werden.

Dampferbeſchlagnahnungen.

* Rom, 2. Sept. (Priv.=Tel.) Alle griechiſchen Dampfer,
die im Hafen von Neapel liegen, ſind feſtgehalten worden. Nach
den Abendblättern haben ſich einige italieniſche Torpedoboote
von Korfu aus nach Söiden gewandt um die griechiſchen Inſeln
Kaxes und Antikaxes zu beſetzen.

Beunruhigungen in Belgrad.

* Wien, 2. Sept. (Priv.=Tel.) Aus Belgrad wird ge=
meldet
: Die Nachricht von der Okkupation Korfus durch Italien
wurde in politiſchen Kreiſen mit Beunruhigung aufgenommen.
Man betrachtet das Vorgehen der italieniſchen Regierung als
einen Bruch der Vereinbarungen aller Balkannationen, die die
Loſung herausgegeben haben: Der Balkan den Balkanvölkern!

Paris, 1. Sept. (Wolff.) Wie Havas aus Athen meldet,
iſt das Blatt Beleit Heros Logos der Ueberzeugung, daß Ita=
lien
nach der Erregung der erſten Tage begreifen werde, daß ein
freies, ſich ſelbſt achtendes Land derartige Bedingungen nicht an=
nehmen
könnte, ebenſo wie Serbien nach der Mordtat von Sera=
jewo
die öſterreichiſchen Forderungen nicht angenommen hätte.
Wir ſind, ſo ſchreibt das Platt, der Anſicht, daß nach der Nervo=
ſität
der erſten Tage Italien naejbenken wird und nicht auf ſei=
nen
Forderungen beſteht, die die Würde unſeres Staates ver=
letzen
.

Diefranzöſiſche Preſſezum griechiſch=italieniſchenKonflikt.

Paris 1. Sept. (Wolff.) In ſeinem Leitartikel beſchäftigt
ſich der Temps mit dem griechiſch=italieniſchen Zwiſchenfall
und behauptet, daß das Abkommen von 1864 über die Neutrali=
tät
Korfus nicht mehr in Kraft ſei. Griechenland würde einen
Irrtum begehen, wenn es ſich an die früheren Schutzmächte wen=
den
würde. Griechenland habe übrigens ein Sondervorgehen
gewählt, um eine Intervention herbeizuführen, und ſich an den
Völkerbund gewandt, doch glaubt der Temps nicht, daß es hier
etwas erreichen werde. Es müßte ſuchen, ſich mit Italien zu
verſtändigen, denn ein magerer Vergleich ſei beſſer als ein fetter
Prozeß.
Die Liberté hält einen Eingriff des Völkerbundes für not=
wendig
. Der Konflikt ſei ein rein örtlicher Konflikt und müſſe
lokalifiert werden.
Das Journal des Débats hält es für unbedingt nötig, daß
der Völkerbund interveniert. Wenn er ſich ſeiner Pflicht ent=
ziehen
würde, ſo hätte man nur noch die Tür der unnützen Ein=
richtungen
zu ſchließen.

Die Kabinettskriſe in Spanien.

U. Paris, 1. Sept. Aus Madrid kommen widerſpruchs=
volle
Nachrichten über eine Kabinettskriſe. Während man geſtern
bereits von einem Rücktrittsbeſchluß des Kabinetts wußte, heißt
es heute, einer Havasmeldung aus Madrid zufolge, die Mei=
nungsverſchiedenheiten
im ſpaniſchen Kabinett nähmen einen
ſo ernſten Charakter an, daß man mit der Demiſſion des Ka=
binetts
rechne. Die Chicago Tribune glaubt zu wiſſen, daß
die drei Mitglieder des Kabinetts, die von einer energiſchen
Kriegführung in Marokko nichts wiſſen wollen, bereits ihre De=
miſſion
eingereicht hätten. Der ſpaniſche König ſei geſtern aus
Cantander auf Veranlaſſung der Regierung zurückgekehrt und
habe bereits die Demiſſion der drei Mitglieder auf dem Bahnhof
entgegengenommen. Die ſpaniſche Regierung wird ſofort nach
der Erſatzwahl für die drei ausgeſchiedenen Mitglieder eine
großzügige Offenſibe in Marokko einleiten.

Alarmnachrichten aus Tanger.

UU. Paris, 1. Sept. Die Chicago Tribune (Feſtland=
Ausgabe) meldet aus Madrid, daß kurz nach der Landung der
italieniſchen Karabiniers in Tanger es geſtern zu Zuſammen=
ſtößen
zwiſchen den Karabiniers und Soldaten
der Stadt, ſowie franzöſiſchen und ſpaniſchen
Offizieren gekommen ſei. Die Zahl der Verwundeten iſt
noch nicht bekannt. Verſchiedene Perſonen ſollen ernſthafte Ver=
letzungen
davongetragen haben.

Ein deutſcher Dampfer geſunken.

Amſterdam, 1. Sept. (Wolff.) Der 6000 Tonnen große
deutſche Dampfer Klöpfel von der Reederei Krupp in
Rotterdam, mit einer Ladung Steinkohlen von Hull nach Bremer=
haven
unterwegs, ging am Donnerstag während eines heftigen
Sturmes unter. Nach ſchwerer Habarie ließ der Kapitän Gar=
din
zwei Boote ausſetzen und blieb allein auf ſeinem Schiff
zurück. Beide Boote ſchlugen um und vor ſeinen Augen er=
trank
die geſamte Beſatzung. Als der Dampfer zu ſin=
ken
begann, band ſich der Kapitän an einen Holzblock und wurde
nach ſechs Stunden als einziger Ueberlebender von
dem Dampfer Java unter großen Mühen und Lebensgefahr
gerettet. Er wurde ſchwerverletzt nach Ymuiden gebracht.

Die Uraufführungen des Landestheaters.

Die Spielzeit 1923/24 wird eine Reihe von Uraufführun=
gen
bringen, auf die ſchon um ihrer Autoren willen das allge=
meine
Intereſſe ſich richten muß: von Auguſt Strindberg kommt
das vieraktige Schauſpiel Guſtav III. in der Ueberſetzung
Emil Scherings in der überhaupt erſten Darſtellung, von Knut
Hamſun die drawatiſche Dichtung Munken Vendt, von
Sophokles die Antigone in der Uebertragung Friedrich
Hölderlins, von dem Nach=Shakeſpearianer John Ford die Tra=
gödie
Giovanmi und Annabella in der Uebertragung von Er=
win
Kalſer und ein Luſtſpiel Abenteuer in Moll von Hanns
Braun.
Guſtav III. iſt jener Reihe von Dramen entnommen, die
Strindberg um 1900 ſchrieb und unter dem Titel Dramatiſche
Charakteriſtiken herausgab. Derſelben Reihe gehört die Tra=
gödie
Karl XII. an, die das Landestheater in der letzten Spiel=
zeit
zum erſten Male aufführte.
Strindberg hat dieſe Werkreihe durch novelliſtiſche Studien
begleitet, die in den Sammlungen Schwediſche Miniaturen
und Hiſtoriſche Miniaturen erſchienen ſind. Er ſchrieb außer=
dem
über ſeine Geſchichtsauffaſſung einen Eſſah, der für das Ver=
ſtändnis
dieſer Werke wertvoll iſt: Der bewußte Wille in der
Weltgeſchichte‟
Knut Hamſuns Munken Vendt iſt die dramatiſche Geſtal=
tung
des ſchwediſchen Nationalcharakters. Das Werk gilt in der
Literatur als der ſchwediſche Peer Gynt. Von Hamſun brachte
das Landestheater in der Spielzeit 1920/21 die Uraufführung
Königin Tamara heraus und in der Spielzeit 1921/22 die Erſt=
aufführung
des Dramas Spiel des Lebens. Beide Werke ge=
hören
zu den meiſtgeſpielten des Landestheaters. Das dramatiſche
Gedicht Munken Vendt wurde bisher von keiner Bühne ge=
ſpielt
, weil die ſzeniſchen Schwierigkeiten (es umfaßt 8 Akte und
mehr als 20 Bilder) kaum überwindlich ſchienen. Hamſuns
Geſamtwverk, das in Deutſchland durch die Aufführungen des
Landestheaters mit Darmſtadt verbunden bleiben dürfte, er=
ſcheint
zurzeit im einer 12bändigen Ausgabe bei Albert Langen
in München.
Hölderlins Sophokles=Uebertragungen ſind Neu=
ſchöpfungen
der Werbe in deutſcher Sprache. Die antike Tra=
gödie
fand hier zum erſten Male in unſerer Sprache eine Form,
die der Größe der Originale gleichgeachtet werden kann. Für
die Einarbeitung in dieſe Werke iſt Norbert Hellingsrats Bro=
ſchüre
Hölderlins Pindar=Uebertragungen im Eugen Diedrich=
Verlag zu empfehlen. Das Landestheater brachte im Jahre 1922

den Sophokles=Hölderlinſchen Oedipus zur Uraufführung. Ihn
hatte Wilhelm Michel für die Bühne eingerichtet, der auch
bie Antigone für die ſzeniſche Darſtellung überarbeitet.
Der Dichter John Ford war etwas über 20 Jahre jünger
als Shakeſpeare. Seine Schauſpiele, von denen Giovanni und
Annabella 1622 im Druck erſchien, gehören alſo dem Großen und
Ganzen nach einer dramatiſchen Kunſt, die in der Lebens=
geſchichte
des Geiſtes eine Epoche bedeutet, und ſein großes tra=
giſches
Werk über die Geſchwiſterliebe gehört zu den wenigen
altengliſchen Werken, die in der Geſchichte der Literatur neben
Shakeſpeare immer genannt werden. Erwin Kalſer, Dichter und
Schauſpieler am Staatstheater Berlin, hat die Tragödie in deut=
ſcher
Sprache neu geſtaltet.
Mit dem Luſtſpiel Abenteuer in Moll betritt der Münche=
ner
Kritiker Hanns Braun zum erſten Male als Autor die
Bühne. Das Luſtſpiel bariiert ein Thema von Calderon im mo=
dernen
Gewande.

Zum Steinach=Film.

Wem wären nicht Erinnerungen an das Märchen vom
Jugendbronnen aufgeſtiegen, wenn er in den letzten Jahren von
den aufſehenerregenden Verſuchen des Wiener Forſchers Steinach
über Verjüngung und Lebensverlängerung las. Verſuchen wir,
ohne uns durch ſolche Schlagworte abſchrecken zu laſſen, zu einem
Verſtändnis dieſer hochintereſſanden Experimente zu gelangen
an der Hand der wiſſenſchaftlichen Unterlagen.
Die Dätigkeit der einzelnen Teile des Körpers, ja auch ihre
Ausbildung und Rückbildung ſteht in inniger gegenſeitiger Ver=
knüpfung
. Früher kannte man als Vermittler ſolcher Beziehun=
gen
nur die nervöſen Verbindungen, heute wiſſen wir, daß es
auch Beeinfluſſungen gibt ganz anderer Art, indem ein Opgan
chemiſch wirkſame Stoffe abgibt, die, durch den Blutkreislauf
einem anderen Teil des Körpers zugeführt, dieſen zu vermehrter
Tätigkeit anvegen oder ſeine Arbeit hemmen. Wir kennen jetzt
ſolche Reizſtoffe oder Hormone, die in verſchwindend geringen
Mengen ganz wunderbare Wirkungen an ganz fernliegenden
Körperſtellen auszuüben vermögen. Gewiſſe Opgane des Kör=
pers
ſind in ganz beſonderem Maße, auf die Bildung ſolcher
Reizſtoffe eingeſtellt, etwa die Schilddrüſe, die Nebennieren u. a. m.
und man nennt ſie, weil ſie ihre Produkte durch das Blut in
das Körperinnere abgeben, die Drüſen mit innerer Tätigkeit
(Sekretion), im Gegenſatz zu anderen Drüſen, deren Abſonde=
rungen
nach außen oder in Körperhöhlen gelangen, wie etwa die

der Schweißdrüſen, die Magen= und Darmdrüſen, den Drüſen
mit äußerer Tätigkeit. Es gibt nun auch Drüſen, die in doppel=
ter
Weiſe tätig ſind, ſowohl nach innen wie nach außen; dahin
gehören z. B. die Keimdrüſen, d. h. die Hoden beim männlichen,
die Eierſtöcke beim weiblichen Geſchlecht. Nach außen geben ſie
die Keimzellen ab, aus deren Vereinigung das neue Weſen her=
vorgeht
, ebenſo wunderbar aber iſt die Wirkung ihrer nach innen
in das Blut geſpendeten Reizſtoffe.
Wenn ein menſchliches oder tieriſches Weſen in das Stadium
ſeiner Geſchlechtsreife eintritt, ſo bemerkt man, daß gleichzeitig
mit der Vergrößerung der Keimdrüſen auch im Aeußern die be=
kannten
geſchlechtlichen Underſchiede auftreten, am ausgeſprochen=
ſten
im Hoarkleid, in der Ausbildung der Bruſtdrüſen, des
Stimmorgans, aber auch in der Stärke des Knochengerüſtes und der
Muskelkraft. Man nennt dieſe Verſchiedenheiten die nachträg=
lichen
(ſekundären) Geſchlechtsmerkmale, ebenſo macht ſich auch
an den urſprünglichen Geſchlechtszeichen jetzt die Ausreifung be=
merkbar
. Zu dieſen körperlichen Verſchiedenheiten treten in
dieſer Zeit der Geſchlechtsreife (Pubertät) auch charakteriſtiſche
pſychiſche Unterſchiede bei den Geſchlechtern, beim männlichen
Tier ſehen wir Kampfesluſt und Umwerbung des Weibchens,
beim weiblichen Tier die Hingabe und mütterlichen Regungen
zur Pflege und Behütung der jungen Brut in Erſcheinung treten=
Alle dieſe körperlichen und pſychiſchen Eigenſchaften ſind nun an
eine innere Abſonderungstätigkeit der Keimdrüſen eng geknüpft.
Denn entfernt man die Keimdrüſen, die Hoden bezw. die Eier=
ſtöcke
(Kaſtration) in früher Zeit, ſo bleibt die Ausbildung aller,
Geſchlechtswerkmale aus. Pflanzt man ſolchen kaſtrierten Tieren
ihre Keimdrüſen wieder ein (wie dies Steinach in Fortführung
von Verſuchen früherer Forſcher getan hat), ſo gelangen ſie
wieder in Beſitz ihrer Geſchlechtszeichen. Noch viel überzeugender
ſind die Austauſch=Experimente Steinachs: Verpflanzte er auf
kaſtrierte männliche Meerſchweinchen Eierſtöcke, ſo entwickelten
ſich hier weibliche Geſchlechtszeichen, das ſchlankere Knochen=
gerüſt
, der weichere Pelz; die Bruſtdrüſen fingen an, Milch abzu=
ſondern
. Dieſe feminierten Tiere ſäugten fremde Junge und
wurden von Männchen umworben, während andererſeits kaſt=
rierte
, durch Ueberpflanzung von Hoden vermännlichte Weibchen
den groben Knochenbau, das ſtruppigere Fell, die Kampfesluſt
der natürlichen Männchen bebamen. Gerade dieſe Hodenverpflan=
zungen
, nach denen ja durch Abtrenmung der Samenabfluß=
wege
eine Abſonderung von Samenzellen nicht mehr möglich iſt,
ſind, ein beſonders ſprechender Beweis, daß es die innere
Abſonderung der Keimdrüſen iſt, die die Bildung der nachs
träglichen Geſchlechtsmerkmale bewirkt.

die neue
Erkläru

des Ber=
gan

tung ein
Sut
worden
Beſatz
Reſt wer
werder
deut
entſpreche
F
der
Au
paſ=
imm

[ ][  ][ ]

Nummer 242.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 2. September 1923.

Seite 3.

und mi
nötig,
Pflicht en
ützen Ei

eſtern
wußte, heiß
die Mei
ein
un des Ka=
wiſſen
, dai
energiſchen
s ihre 9
geſtern au
gekehrt un
m Bahnho
ofort nach

imen
atenl
ſchen

Kruxp
Bremer

Von Ruhr und Rhein.
Die Regierung bleibt feſi.
Berlin 1. Sept. (Wolff.) Von Beſprechungen, die vor
einiger Zeit zwiſchen dem Reichskanzler und den Abwehr= Aus=
ſchüſſen
des Ruhrgebiets, die ſich aus den Vertretern der Arbeit=
nehmer
= und Arbeitgeberorganiſationen zuſammenſetzen, ſtatt=
fanden
, erfahren die Blätter in Siegen zu den bisher in der
Preſſe erſchienenen Mitteilungen, daß von einer Aufgabe des
paſſiven Widerſtandes ſeitens der Regierung nicht die Rede ſein
kann. Die Regierung erwäge, ob und inwieweit es möglich
wäre, Werke, deren Produktion, den Franzoſen nicht zugute
kommen, die Möglichkeit der Fortſetzung bezw. der Wiederauf=
nahme
der Arbeit zu ermöglichen durch Zufuhr der notwendigen
Betriebsmittel. Hierbei ſpricht der dringende Wunſch der
Reichsregierung mit, der infolge der langen Feier der Betriebe
wachſenden Demoraliſationsgefahr entgegenzuwirken. Ferner ſei
die Regierung bemüht, die durch den Mangel an Lebensmittel
entſtandenen Leiden der Ruhrbevölkerung zu mildern.
Die Ausgewieſenen gegen die Aufgabe des
paſſiven Widerſitandes.
EU. München, 1. Sept. Wie gemeldet wird, hat der
Hauptausſchuß der Ausgewieſenen in ſeiner letzten Sitzung mit
größtem Befremden Kenntnis genommen von den Mitteilungen
des Arbeiterſekretärs Shaw über die Aufgabe des paſſiven
Widerſtandes. Der Ausſchuß erklärt hierzu, daß ohne Rückſicht
auf ihre Opfer die Ausgewieſenen feſt davon überzeugt ſind, daß
die neue Reichsregierung bei ihrer am 14. Auguſt abgegebenen
Erklärung verbleibt, nach der es kein Kompromiß über Land und
Menſchen des beſetzten Gebiets gibt und eine Aufgabe oder auch
nur eine Abſchwächung des paſſiven Widerſtandes ausgeſchloſſen
bleibt.
Die Kartoffelverſorgung des Induſtriegebietes.
Berlin, 1. Sept. (Wolff.) Im Reichsernährungsmini=
ſterium
fanden Beſprechungen über die Verſorgung des Induſtrie=
gebietes
mit Kartoffeln ſtatt, an denen führende Perſönlichkeiten
des Bergbaues, der Induſtrie und der landwirtſchaftlichen Or=
ganiſationen
teilnahmen. Von landwirtſchaftlicher Seite wurde
erklärt, daß für die menſchliche Ernährung die erforderlichen
Kartoffelmengen unter allen Umſtänden geliefert werden könnten.
und daß die landwirtſchaftlichen Erzeuger wgen der alljährlich
eintretenden Schwierigkeiten in der Wagengeſtellung an einem
frühzeitigen Beginn der Kartoffellieferung beſonderes Intereſſe
hätte.
Raub.
Köln, 1. Sept. (Wolff.) Nach einer iczer Köl=
niſchen
Zeitung aus Trier umſtellten heute die F:oſen das
Rathaus und beſetzten das Arbeitsnachweisamt, wo ſie 15 Mil=
liarden
Arbeitsloſengelder raubten.
Paris 1. Sept. (Wolff.) Nach einer Havasmeldung aus
Düſſeldorf hat General Degoutte an die Stadtverwal=
tung
einen Brief gerichtet, in dem er mitteilt, daß von der
Summe von 1700 Milliarden, die am 29. Auguſt beſchlagnahmt
worden ſei, 1 Milliarde für die Bedürfniſſe der
Beſatzungsarmee entnommen werden würde. Der
Reſt werde der Stadtverwaltung wieder zur Verfügung geſtellt
werden unter der Bedingung, daß alle Woche eine Summe in
deutſcher Mark, die dem Werte von 175 000 franzöſiſchen Franken
entſpreche, gegen Vorlegung eines Requiſitionsſcheines an das
Finanzbureau der Beſatzungsarmee gezahlt werde. Die Hälfte
der Verpflegungsſumme werde in die Stadtkaſſe fließen, mit
Ausnahme des Geldes, das zur Aufrechterhaltung des
paſſiven Widerſtandes beſtimmt ſei und das
immer beſchlagnahmt werden würde.
Die Alliierietz unter ſich.
Eſſen, 1. Sept. (Wolff.) Vor einigen Tagen erſchien auf
der franzöſiſchen Kommandanter in Vohwinkel eine eng=
liſcheKommiſſion
aus Solingen, um ſich von der Unter=
brechung
der Eiſenbehnſsecke nach Solingen durch
die Franzoſen in Vohwinke: zu überzeugen. Die Fran=
zoſen
hatten, wie ſeinerzeit gemeldet, dieſe Verbindungsſtrecke
durch Aufreißen der Schienen undafſierbar gemacht. Auf den
ſcharfen Einſpruch der Engländer begannen die Franzoſen be=
reits
am nichſten Tage, die Strecke wieder herzuſtellen. Da fer=
ner
auf dem Bahnhof Vohwinkel Reiſende mit engliſchen Päſſen
und Geleitſcheinen von den Franzoſen häufig nicht durchgelaſſen
werden, hat die engliſche Beſatzungsbehörde nunmehr angeordnet,
daß in jedem Zuge engliſche Soldaten mitfahren,
um darauf zu achten, daß den mit engliſchen Päſſen und Geleit=
ſcheinen
verſehenen Paſſagieren von den Franzoſen keine Schwie=
rigkeiten
gemacht werden.

Deutſchnationale Oppoſition gegen Streſemann.
TU. Stettin, 1. Sept. Der Reichstagabgeordnete Graf
Weſtarp ſprach in einer Veranſtaltung des Deutſchnationalen
Volksvereins über die politiſche Lage und die neueſten Steuer=
geſetze
. Er ſagte, die Regierung Cuno ſei die Trägerin des
Widerſtandes geweſen, deshalb habe ſich die Deutſchnationale
Volksparte: verpflichtet gefühlt, ſie zu unterſtützen. Die Regie=
rund
Streſemann ſei entſtanden durch die Furcht vor der Straße
und ſie ſtehe nach ſeiner Anſicht unter ſozialdemokratiſchem und
noch weiter links gerichtetem Joche. Die Deutſchnationale Volks=
partei
ſtehe zu ihr in einer ſcharfen und entſchiedenen Oppoſition.
Die Landwirte fordern Stundung der Steuerſchuld.
TU. Berlin, 1. Sept. Am 29. Auguſt empfing der Reichs=
kanzler
in Gegenwart des Reichsfinanzminiſters und des Reichs=
ernährungsminiſters
den Vorſtand des Reichslandbundes und
den Vorſitzenden des Reichsverbandes deutſcher Waldbeſitzer.
Der Vorſitzende des Reichslandbundes, Abg. Dr. Röſicke, ver
kündete eingehend die in allen Teilen der Landwirtſchaft erhobene
Forderung, angeſichts der gegenwärtigen Lage der Landwirt=
ſchaft
auf Antrag und bei nachgewieſener Zahlungsunfähigkeit
Stundung der Steuerſchuld zu gewähren, den zahlungsfähigen
Landwirten aber die Steuerzahlung in Natura zu geſtatten.
Aus dem Reichsrat.
TU. Berlin 1. Sept. Der Reichsrat ſtimmte in ſeiner
heutigen Sitzung unter dem Vorſitz des Vizekanzlers Schmidt
einer Aenderung der Ausführungsbeſtimmungen zum Bierſteuer=
geſetz
ſowie zum Geſetz über Branntweinmonopol zu, desgleichen
der Aenderung der Höchſtſätze in der Erwerbsloſenfürſorge und
einer Verordnung der weiteren Erhöhung der patentamtlichen
Gebühren auf das 50 fache. Mit der Erhöhung des Höchſtbetrages
der Darlehnskaſſenſcheine auf 30 Milliarden war der Reichsrat
einverſtanden, ebenſo mit der Erhöhung der Anteile Württem=
bergs
Bayerns und Badens an der Bierſteuer auf das Vierfache,
ſowie mit dem Entwurf, einer zweiten Verordnung über die
Höchſtſätze für die nach der Menge des ſteuerbaren Getränkes
gemeſſenen Gemeindegetränkeſteuern, die bereits am 25. Auguſt
in Kraft trat. Die Bezüge der Reichsbeamten und Penſionäre
uſw. ſollen zur Entlaſtung der Kaſſen bei der Gehaltszahlung
auf ganze Tauſend abgerundet werden.
Der letzte, Auguſt=Index.
U. Berlin 1. Sept. Mit unverminderter
Stärke haben in der letzten Auguſtwoche die Preis=
ſteigerungen
im Kleinhandel, ihren For tgang
genommen. In der Woche vom 25. bis 31. Auguſt hat ſich
eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung um 64,3 Prozent
vollzogen, die dem Steigerungsgrad der Vorwoche (64,2) an=
nähernd
gleichkommt.
Der Lebenshaltungskoſten=Index der Induſtrie= und
Handelszeitung ſtieg von 722 427 auf 1188267, ſo daß der
General=Index bereits das rund 1,2 Millionenfache ſeines Aus=
gangspunktes
(1913/14 gleich 1) erreicht hat. Die Meßziffer der
Ernährungskoſten ſteg um 50 Prozent. Der Bekleidungskoſten=
Index erhöhte ſich am ſtärkſten, nämlich um 102 Prozent. Die
Heizung und Beleuchtung erfuhren eine Verteuerung von 63,7
Prozent. Die Verkehrskoſten ſteigerten ſich um 50 Prozent. Die
kulturellen Bedürfniſſe weiſen eine Verteuerung um 77,6 Prozent
auf und erreichten damit den 1 166 666 fachen Stand ihrer Vor=
kriegskoſten
.
Die Löhne im Bergbau.
Berlin 1. Sept. (Wolff.) Ein vom Reichsarbeitsmini=
ſterium
eingeſetzter Schlichtungsausſchuß fällte am 30. Auguſt
einen Schiedsſpruch, der eine Regelung der Löhne im Kohlen=
bergbau
für die Lohnwoche vom 27. Auguſt bis 3. September
vorſieht. Danach beträgt der Geſamt=Durchſchnittslohn einſchließ=
lich
des Hausſtands= und Kindergeldes z. B. für den Ruhrberg=
bau
9 Millionen, für den oberſchleſiſchen Steinkohlenbergbau
7,2 Millionen und für das Gebiet des mitteldeutſchen Braun=
kohlenbergbaues
6,840 Millionen Mark für die Schicht. Der
Schlichtungsausſchuß drückte die Hoffnung aus, daß es gelingen
werde, dieſen Schiedsſpruch ohne Kohlenpreiserhöhung durch=
zuführen
.
Gehaltsverhandlungen im Bankgewerbe.
* Berlin, 1. Sept. (Priv.=Tel.) Nachdem die Verhand=
lungen
über die Auguſt=Gehälter, im Bankgewerbe geſcheitert
ſind, haben die Bankleitungen den Angeſtellten die von ihnen
bei den Verhandlungen angebotenen Summen zur Auszahlung
gebracht. Die Bankangeſtellten haben dieſen Betrag unter Pro=
teſt
angenommen, und die beiden großen in Frage kommenden
Bankangeſtellten=Organiſationen haben für kommenden Dienstag
ihre Mitglieder zu großen Proteſtverſammlungen aufgerufen, in
denen das Thema Her mit dem Reallohn! behandelt werden
ſoll. An allen anderen Bankplätzen in Deutſchland werden am
gleichen Tage ähnliche Verſammlungen abgehalten werden

Stadt und Land.
Darmſtadt, 2. September.
Unzulänglichkeiten bei der Poſt!
* Wenn ein Brief aus Mannheim, abgeſandt am 16. Juni,
abgeſtempelt am 30. Juni, in Darmſtadt eintrifft am 10. Auguſt,
ſo iſt das unangenehm, kann aber noch mit der Beſetzung und
ihren Folgen entſchuldigt werden. Wenn aber ein wichtiger Brief
der oberſten Reichsbehörde, in Berlin abgeſandt (lt. Stempel der
Poſt!) am 26. Auguſt, in Darmſtadt ausgehändigt wird am
1. September, ſo findet der Laie dafür kaum einen Ent=
ſchuldigungsgrund
.
Die Poſtämter regeln den Verkehr an und durch ihre Schal=
ter
laut vielfacher Anſchläge ziemlich rigoros, und man ſollte
meinen, daß der Verkehr dann auch wenigſtens verhältnismäßig
glatt abgewickelt werden kann. Das iſt aber nicht ſo. Wenn
Beauftragte oder Angeſtellte, die einen Stundenverdienſt von
1 Million erhalten, bei Auflieferung von Poſtſendungen eine
Stunde und mehr warten müſſen, wenn Telegramm=
auflieferer
, denen It. Anſchlag vorzugsweiſe Abfertigung
zugeſichert wird, eine halbe Stunde am Schalter warten müſſen,
ſo ſind das Unzulänglichkeiten, die dringlichſt der Ab=
ſtellung
bedürfen.
Daß die Poſt der Geldentwertung entſprechend ihre Porti er=
höht
, iſt ihr gutes Recht, das niemand beſtreiten ſollte. Wenn
ſie aber das Briefporto erhöht und zu dieſem Zweck neue Wert=
zeichen
herausgibt, dann hat ſie die ſelbſtverſtändliche Pflicht, da=
für
zu ſorgen, daß dieſe Wertzeichen auch zu haben
ſind. Sonſt führt das zu ſchweren wirtſchaftlichen Schädigun=
gen
. Daß Beauftragte oder Angeſtellte zu Zwecken des Marken=
kaufes
eine Stunde und mehr anſtehen müſſen, und dann etwa
ganze 5 Stück Marken einzelner Werte erhalten, iſt eine Unzu=
länglichkeit
, die dringlichſt der Abſtellung bedarf. Man
kann ſich leicht ausrechnen, wie hoch das Porto für einen Brief
kommt, wenn die Zeitverſäumnis hinzugerechnet wird. Schnel=
lere
Abfertigung muß ſich ermöglichen laſſen durch Schaffung
vermehrter Verkaufsſtellen, vermehrter Schalter oder dergleichen.
Daß die Poſt hochwertige Marken in koſtſpieligen Ausferti=
gungen
herſtellen läßt, iſt gewiß anzuerkennen und wird beſon=
ders
von den Sammlern anerkannt werden. In Zeiten der Not
aber iſt es im Intereſſe der Wirtſchaft wichtiger, einfachſt aus=
geſtattete
Marken in genügenden Mengen herzuſtellen.
Ueber den Unfug übertriebener Sammlerwut wäre überdies noch
manches zu ſagen. Die Poſt ſollte die Intereſſen der Sammler
doch erſt in zweiter Linie berückſichtigen, ſie iſt in erſter Linie
Verkehrsinſtitut.
Auf jeden Fall ſollte man auch in heutiger Zeit, ja gerade
in heutiger Zeit, die Allgemeinheit, ſchädigende Unzulänglich=
keiten
, deren Abſtellung verhältnismäßig leicht möglich iſt,
ſchnellſtens abſtellen.
Forſtperſonalien. Am 23. Auguſt wurden die ſtaatlichen Forſt=
wartsaſpiranten
Peter Becker aus Nieder=Weiſel, Adam Bormuth
zu Weiskirchen, Wilhelm Kalberlah 2. zu Rüddingshauſen, Phil.
Keil aus Ettingshauſen, Auguſt Johann Korb zu Froſchhauſen,
Jakob Lautenbach zu Hochweiſel, Konrad Adolf Merget zu
Zellhauſen, Johann Joſt Stein aus Güttersbach und Gg. Weid=
mann
aus Erbach, ſämtliche vom 1. Auguſt d. Js. an, zu Förſtern
ernannt. Am gleichen Tage wurden die Anwärter für den ſtaatlichen
Forſtdienſt Peter Joſeph Bergmann zu Mainflingen, Michael Ad.
Bodenſohn zu Hainſtadt, Peter Eiſinger 3. zu Seeheim, Lud=
wig
Freund, zu Babenhauſen, Hermann Heinz zu Klein= Krotzen=
burg
, Johann Adam Heiß zu Wald=Michelbach, Adam Hirſch=
mann
zu Lauterbech, Johann Georg Kirſchner 3. zu Roßdorf,
Peter Joſebh Klein zu Seligenſtadt, Karl Kopp zu Bürgel, Joſef
Kreis zu Bieber, Heinrich Nauch zu Heubach, Heinrich Reif=
ſchneider
zu Bindſachſen, Auguſt Schledt zu Münſter, Georg
Stauth zu Heubach, Adam=Trautmann 3. zu Hetzbach, Franz
Trautmann zu Ober=Ramſtadt, Heinrich Vetter, zu Höchſt a. d.
Nidder, Guſtav Weygandt zu Groß=Steinheim und Joh. Zink
zu Unter=Schönmattenmag, ſämtliche vom 1. Auguſt d. J. an, unter
der Amtsbezeichnung Forſtér in den Staatsdienſt übernommen.
Zu beſetzen iſt die Stelle eines Regiſtrators bei dem Ober=
landesgericht
(Beſoldungsgruppe 5 oder 6 nach Maßgabe des Dienſt=
alters
). Bewerber, welche die Regiſtratur= oder Juſtizſekretärprüfung
beſtanden haben, können ſich bis zum 15. September bei dem Juſtiz=
miniſterium
melden. Dabei iſt anzugeben, ob der Bewerber Militär=
anwärter
oder ſonſtiger Verſorgungsanwärter iſt. In erſter Linie wer=
den
ſolche Beamte berückſichtigt, die im Juſtizdienſt und insbeſondere
im Regiſtraturdienſt bereits plaumäßig angeſtellt ſind.
Erledigt iſt die Lehrerſtelle für einen evangeliſchen Lehrer an
der Volksſchule in Rendel (Kreis Friedberg). Dienſtwohnung iſt
vorhanden.
Techniſche Hochſchule. Rektor und Senat der Techniſchen Hoch=
ſchule
haben auf einſtimmigen Antrag der Abteilung für Maſchinenbau
die Würde eines Ehrenſenators verliehen Herrn Maſchinenfabrikanten
Wilhelm Hartmann ſen. in Offenbach a. M. in Anerkennung ſeiner
hervorragenden Verdienſte um die Hochſchule.
Gemälde=Ausſtellung. Im Kunſtſalon Sonnthal ſind ab heute
ſechs Gemälde von Eugen Bracht neu ausgeſtellt; ferner fünf neue
Arbeiten von Carl Küſtner, Motive vom Altrhein, Prunkſaal aus der
Münchener Reſidenz von Schwarz, weibl. Akt von Paede, Stilleben von
Steckle=Maurer, und zwei Architekturſtücke von L. Lipps=München.

So kommen wir auch dem Verſtändnis gewiſſer Zwitter
näher, bei denen mit dem gleichzeitigen Auftreten von Hoden
und Eierſtöcken auch eine Vermiſchung männlicher und weiblicher
Geſchlechtszeichen im Aeußeren auftritt. Steinach hat nun eine
Theorie aufgebaut, wonach im Hoden und auch im Eierſtock die
innere und äußere Tätigkeit räumlich getrennt geſchieht, die
Bildung der Samenzellen in den Samenkanälchen des Hodens,
die Reizſtoffbildung in beſonderem Teil des Hodens, der
Pubertätsdrüſe‟ Allerdings hat dieſer Teil ſeiner
Forſchung mehr Ablehnung als Zuſtimmung erfahren.
Noch umſtrittener iſt die Ausdeutung ſeiner Verjüngungs=
verſuche
: Steinach beobachtete, wenn er den trägen, geſchlechts=
unluſtigen
alternden männlichen Ratten die Samenwege ver=
ſchloß
, wodurch, wie er glaubt, die Pubertätsdrüſe zu neuer
Tätigkeit angefacht wird, ſo daß ſie aufs neue wieder Reizſtoffe
ins Blut abgibt, daß nun die Alterserſcheinungen ſchwinden und
eine geſchlechtliche und körperliche Regſamkeit wieder auftritt. Er
erblickt in dieſem Erfolg eine Verjüngung und vermeint dadurch
weiterhin eine Lebensverlängerung erzielt zu haben. Dagegen
haben ſich berechtigte Einwände erhoben: Erſtreckt ſich dieſer
umſtimmende, verjüngende‟ Einfluß auch über die Geſchlechts=
ſphäre
hinaus auf die anderen doch auch mit gealterten Körper=
teile
, wie lange iſt er dauerhaft, wird damit wirklich eine Ver=
längerung
des Lebens erzielt? Alle dieſe Fragen ſind noch im
Fluſſe und bedürfen weiterer aufklärender Experimente. Und
ſo iſt daher die Uebertragung der Steinachſchen Ergebniſſe auf
den Menſchen nur mit Vorſicht zu beurteilen, es ſind nur taſtende
Verſuche, teils mit, teils ohne Erfolg, bei deren Auswertung
auch noch der ſubjektive Glauben an ein günſtiges Ergebnis mit
hereinſpielt.
Jede Neuerung bringt eben Ueberſchwenglichkeiten mit ſich,
die die kritiſche Arbeit auf das richtige Maß zurückführen muß,
aber immer werden Steinachs Verſuche hochbedeutſame Merk=
ſteine
bleiben in der Erkenntnis lebenswichtiger innerer Zu=
ſammenhänge
, und es wird für jeden Gebildeten wertvoll ſein
Dr. Sch.
ihre Ergebniſſe kennen zu lernen.
Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
Der Jslam in Deutſchland. An deutſchen Hoch=
ſchulen
ſtudieren zurzeit über 1200 Mohammedaner, darunter
400 Türken, 300 Perſer, 250 Aegypter, 150 Inder. In Berlin
wurden zwei große Moſcheen gebaut. Andererſeits iſt faſt die
Hälfte der chriſtlichen Miſſionare in der Türkei durch Tod oder

Ausſcheiden verloren gegangen, zwei Drittel der einheimiſchen
Miſſionare eines gewaltſamen Todes geſtorben. Das große Dorf=
ſchulſyſtem
iſt vollſtändig, von den Kranbewanſtalten die Hälfte
verwüſtet.
Das verbreitetſte Lied. Das Lutherlied Ein
feſte Burg iſt unſer God, das in 139 Sprachen überſetzt iſt, iſt
das verbreitetſte Lied der Welt.
Organiſatoriſcher Zuſammenſchluß des
Weltluthertums. Das nunmehr vorliegende praktiſche
Ergebnis der fünftägigen Verhandlungen des lutheriſchen Welt=
konvents
in Eiſenach iſt die Bildung eines ſtändigen Ausſchuſſes
des Weltkonvents, deſſen Geſchäfte von einem ſechsgliedrigen
Komitee, beſtehend aus zwei Deutſchen, Landesbiſchof D. Ihmels=
Dresden und D. Freiherr von Pechmann=München, zwei Ameri=
kanern
, =Prof. D. Morehard=Newyork und Prof. Lars Boe=
Northfield, zwei Skandinaviern, Prof. D. Jörgenſen= Kopen=
hagen
und Biſchof Rundgreen=Wisby, geführt werden. Dieſer
Ausſchuß hat die nächſte Tagung des Weltkonvents vorzube=
reiten
, die gemeinſamen Intereſſen der lutheriſchen Kirchen auf
dem Gebiet der Liebestätigkeit, die Diaſporapflege und der
Heidenmiſſion wahrzunehmen, in dringenden Fällen im Namen
des geſamten Luthertums ſeine Stimne zu erheben. Das
Luthertum der Welt hat in dieſem ſtändigen Ausſchuß zum erſten
Male in ſeiner Geſchichte einen organiſatoriſchen Zuſammen=
ſchluß
gefunden, deſſen tiefgreifende Bedeutung für die Einheits=
bewegung
des Geſamtproteſtantismus der Gegenwart kaum zu
überſchätzen iſt.
* Ein Reiſebrief.
Auskleinem Lande, 23. Auguſt 1923.
Wir werden uns das Reiſen noch nachgerade abgewöhnen
miüſſen, ſo dachte ich bei mir, als ich letzthin am Bahnhof vom
Feuilletonredakteur Abſchied nahm. Bis Heidelberg ging es noch
paſſabel, von da bis Stuttgart war ein beängſtigendes Gedränge
und von dort erſt war mit Vor= und Nachzug die Paſſage über
die Geislinger Steige ſichergeſtellt. Am ſchwäbiſchen Meer ( deut=
ſcherſeits
) war’s trüb wie die Stimmung , hellte aber bei
Rorſchach auf, nur wurde dort der allerdings ſchon fahrplan=
mäßig
auf Schrauben geſtellte Anſchluß an den Churer
Schnellzug verpaßt, ein Ungemach, das wir mit etlichen Reichs=
deutſchen
teilten, gerne teilten, denn ein kleiner Frühſchoppen in
rotem Maienfelder entſchädigt doch für die Zugverſäumnis. Bald
rollte der Zug in’s Rheintal aufwärts, wir ſind zur Stelle und
ſinden alles in gewohntem Gleiſe, alter Güte, treffen alte deutſche

Biederkeit und Mitgefühl. Mitgefühl mit Deutſchland, deſſen
Schickſalswende man hier täglich, ja ſtündlich verfolgt, und das
immer wieder die bange Frage auslöſt: Wird Deutſchland ſich
herausreißen? Ja, es wird, ſo meint man felſenfeſt, und wie
die Schweizer zumal die im Oſten uns immer helfend zur
Seite ſtanden in ſchwerer Not des Krieges ſo denkt man auch
jetzt in deutſchem Drang, Deutſchland würde und könne nicht
auseinanderfallen. Ich werde gefragt: Wird Streſemann das
von Cuno begonnene Werk gelingen? Was ſoll ich ſagen?
Deutſchland wird nicht untergehen, wenn es ſich auf ſich ſelbſt
5 Minuten vor 12 Uhr beſinnt. Wie man hier denkt, gibt ein
Artikel don Bernouilli=Baſel aus der Neuen Bündener Zeitung
wieder; der iſt wohl ſcharf geſchrieben, aber was drinnen ſteht,
iſt leider richtig. Die geſchätzten Leſer mögen ihn prüfen,
ich erwarte getroſt ihr Urteil. Fremdenverkehr iſt ein jetzt erſt
wieder aufkommendes Fremd’wort. Der Fremdenverkehr, ehe=
dem
vor dem Kriege ein Faktor im wirtſchaftlichen Leben,
ſteckt in den Anfängen; auch in der Schweiz iſt er noch nicht recht
im Zuge. Daran ſind die Paßſchranken nicht zum Wenigſten
ſchuldig. Doch über dies Kapitel ein anderes Mal dann aber
ausführlich. Die Abgeſchloſſenheit der Länder, der valutariſche
Unterſchied, ſie laſſen einen richtigen Verkehr nicht aufkommen.
Paßſchranken, aus Metternichs Zeit unſeligen Angedenkens über=
kommen
, müſſen fallen, dann wird’s beſſer werden. Die Beſucher
ſind überwiegend Schweizer, aber auch nur auf kurze Raſt. Wa=
ren
es geſtern Teilnehmer des Caſino von Glarus, ſind’s heute
Schüler angehende Studenten von Trogen, die friſche San=
gesweiſen
erſchallen laſſen: Die Lore am Tore und Ergo
bibamus wecken alte Erinnerung Aus der Jugendzeit, tönt
ein Sang mir immerdar (Und heimlich wiſche ich eine Träne
ab.) Ungarkinder, beſonders aus Budapeſt und Umgegend,
ſind zu mehrwöchiger Auffütterung und auch notwendigen
Ausſtaffierung hier eingetroffen. Die abgezehrten Kinder
leben raſch auf in der herrlichen Natur des Rheintales und auch
der ſprachliche Verkehr mit ihnen wird dadurch erleichtert, daß
man ihnen aus der maghariſchen Heimat ein kleines Wörderver=
zeichnis
mit auf den Weg gab. Die Kinder werden ſich an ihres=
gleichen
raſch anſchließen und Brücken im Weſten ſchlagen,
Brücken der Verſtändigung ohne diplomatiſches Beiwerk, ohne
Beihilfe auswärtiger Stellen. Die Hitzewelle ſcheint wieder
zuzunehmen, ſtieg doch das Thermometer in 2 Stunden heute
früh von 10 auf 30 Grad Reaumur! Bleibt nur die Flucht in
die Höhe übrig, wenn die Hitze ungemütlich wird, und dann
würde mein weiterer Brief die Ueberſchrift tragen können: Aus
1600 Meter, von der Warte des kleinen Alpenkurhauſes. Bis
dahin Golt befohlen!
L.

[ ][  ][ ]

Seite 4.

Darmſtädter Tagblatt, Sonutag, den 2. ZF

Sommerſpielzeit Bruno Harprecht.
Kleines Haus.
Nachtvorſtellung Freitag, den 31. Auguſt 1923.
Man ſoll nicht heiraten.
Eine verwickelte Ehegeſchitche von Richard Wilde.
Das Berlin von heute. Wilde zeigt es uns auf der Bühne
ſo, wie es iſt. Was heißt für den modernen Menſchen heiraten,
was iſt heutzutage eine Ehe? Dieſes Stimmungsbild iſt humo=
riſtiſch
aufgezogen und mit zeitgemäßen Schlagworten durch=
tränkt
. Wenn es, wie hier, gut gegeben wird, wirkt es auch gut.
Maria Hillburg zeigt ſich als Berliner Pflanze. Nee,
ſoldas! Aber det jibts leider wirklich. Wie die im Lokal rum=
fuhrwerkt
und was die für ine Klappe riskiert, das muß man
geſehen haben. Daneben Käthe Gothe als Mädchen aus
beſſeren Kreiſen Sie weiß, daß es ſo viele ſchöne verbotene
Sachen gibt, aber wie ſie ſchmecken, weiß ſie noch nicht. Denn
mit dem Naſchen iſt es halt doch ſo eine Sache. Ihr zur Seite
Harprecht als moderner Lebemann, der aber doch noch etwas
mehr inneres Empfinden beſitzt, als er zugibt. Meiſterhaft war das
Zuſammenſpielen dieſer beiden Künſtler. Ueber allen modernen
Gepflogenheiten bleiben ſie Menſchen, denen man eine gewiſſe
Sympathie nicht abſprechen kann. Als Vierter im Bunde er=
ſcheint
Hermann Schüler, als Junggeſelle auf dem ab=
ſteigenden
Aſt. Zum Schluß wird er ſogar noch ein bißchen ge=
heiratet
. Dieſe Rolle hat Herr Schüiler recht gut verkörpert. Als
Zwiſchenfigur zeigte ſich Franz Sauer als dienſtbarer Geiſt.
Ein überlegenes Lächeln er kennt den Rummel.
Harprecht weiß ſeine Darmſtädter zu nehmen. Das Haus
war gut beſucht.

Sommerſpielzeit Bruno Harprecht. Der heutige Sonntag bringt
noch zwei Vorſtellungen: um 7½ Uhr Charleys Tante, und als Nacht=
vorſtellung
um 10½ Uhr und zugleich Abſchiedsvorſtellung Harprechts
Der Meiſterboxer. Beidesmal mit Bruno Harprecht in der Titelrolle.
Damit erreicht die diesjährige Sommerſpielzeit, die in ſo ausgiebf=
gem
Maße dem Darmſtädter Publikum Gelegenheit zum Lachen geboten
und ihm über manche graue Stunde des Alltags hinweggeholfen hat,
ihren Abſchluß.
Der Steinachfilm läuft im Kleinen Haus bereits heute in einer
einmaligen Vorſtellung ab 11 Uhr. Der Vorverkauf hierfür beginnt
um halb 10 Uhr. Preiſe 500000, 800 000, 1000 000 Mark.
Gewerbemuſeum. Die Ausſtellung Rudolf Koch wurde
durch einen in Silber getriebenen Kelch, ſowie durch verſchiedene Hand=
ſchriften
, darunter die vier Evangelienbücher, ereitert. Der Kelch
wurde dem Muſeum nur für die Dauer von 8 Tagen überlaſſen und
kann daher nur bis zum 7. September ausgeſtellt werden. Das Mu=
ſeum
iſt an den Wochentagen von 1112.30 Uhr, Sonntags von 111
Uhr unentgeltlich geöffnet.
Gebühren der Schornſteinfeger. An die Stelle der Sätze der
Bekanntmachung vom 20. Auguſt treten mit Wirkung vom 27. Auguft
1923: 1. für die Kehrbezirke der Städte Darmſtadt, Mainz, Offenbach
und Gießen das 300 000fache, 2. für die übrigen Kehrbezirke des Landes
das 330 000fache der Grundgebührenſätze der Bekanntmachung vom 8. 5.
vergangenen Jahres.
Möblierte Zimmer. Am letzten Donnerstag war die von dem
Verband der Vermieter möblierter Zimmer in den Räumen des Haus=
frauenbundes
(frühere Artilleriekaſerne, Heidelberger Straße, Eingang
Wilhelmſtraße) eingerichtete Sprechſtunde wieder ſehr ſtark beſucht.
Mit Rückſicht darauf, daß die Wohnungsmiete für September das 60 der Mieten für Auguſt betragen werden, hat ſich auch die Sachlage
und die Berechnung der Mieten für die möblierten Zimmer völlig ge=
ändert
. Aus dieſem Grunde wurden in der Sprechſtunde dieſes Mal
weniger die einzelnen Fälle erörtert; es wurde vielmehr die neue Sach=
lage
den Erſchienenen in einem eingehenden Vortrag ganz allgemein
auseinandergeſetzt. Die Mieten werden ſich hiernach im September für
ein ganz einfach möbliertes Zimmer auch ſür einen nicht beſonders zah=
lungskräftigen
Mieter ohne Bedienung ſchon auf mehrere Millionen,
für beſſere Zimmer und gutlebende Mieter aber erheblich höher ſtellen.
Dazu kommt die Bedienung, die bei Durchſchnittsverhältniſſen nach der
neueſten Entwickelung der Löhne jetzt monatlich über eine Million aus=
macht
, die Vergütung für das Vorhalten der Putzmittel, für die Zu=
bereitung
des Frühſtücks, für das Stiefelputzen uſw. Wie das alles auf
Grund der jetzigen Verhältniſſe zu berechnen, wie die Gas= und Elek=
trizitätsfrage
, die Küchen= und etwaige Klavierbenützung zu regeln und
finanziell auszudrücken iſt; welche Bedeutung das Vorhandenſein von
wirklich guten Möbeln, von Teppichen uſw. hat; endlich die Frage, wie
ſich die Vermieter bei übermäßiger Abnützung oder gar direkter Be=
ſchädigung
der Einrichtungsgegenſtände durch den Mieter zweckmäßig
verhalten, das alles wurde mit praktiſchen Hinweiſen finanzieller, haus=
wirtſchaftlicher
und rechtlicher Art durch den Geſchäftsführer eingehend
erörtert. Vor der Stellung von Bettwäſche durch den Vermieter wurde
dringend gewarnt. Dabei kamen bei aller Schärfe, mit der das Verfah=
rer
mancher gutlebender Mieter gegenüber ihren bedürftigen Vermie=
terinnen
gegeißelt wurde, doch auch ſoziale Geſichtspunkte zum vollen
Ausdruck, indem auf das in vielen Fällen beſtehende gute Verhältnis
ſowie darauf hingewieſen wurde, daß die in guter Lage befindlichen
Vermieter ihren bedürftigen Mietern entgegenkommen möchten. Aber
die meiſten der zahlreichen Vermieterinnen, die die Sprechſtunde be=
ſuchten
, trugen Not und Sorge auf das Antlitz geſchrieben. Ihnen gilt
die Fürſorge des Verbandes und ſeiner Leiter. Es war eine lange
Sitzung. Die Sprechſtunden werden jetzt wieder regelmäßig Montag
und Donnerstag um 4 Uhr ſtattfinden, und es werden dabei nun auch
die Einzelnen mit ihren beſonderen Anliegen zu ihrem Recht kommen.
Auch Mieter ſind willkommen. Die Auskunft iſt unentgeltlich.
Stenographie. Wie aus dem Anzeigenteil unſeres Blattes er=
ſichtlich
, eröffnet die Kaufmänniſche Stenographen=Geſellſchaft Ga=
belsberger
in ihren Unterrichtsräumen Mathildenplatz Nr. 8 am
Dienstag, den 4., und Freitag, den 7. September, abends 7½
Uhr, neue Kurſe in Stenographie und Maſchinenſchreiben. Ueber den
Nutzen der Stenographie iſt ſchon ſo viel geſchrieben und geſprochen
worden, daß nur noch völlig Unwiſſende daran zweifeln können. Je
früher man die Stenographie erlernt, deſto eher wird man deren Nutzen
in vollſtem Maße ausnutzen können. Die Erlernung iſt keine Schwie=
rigkeit
, ſondern Sache einer regelrechten Uebung.
Promenadekonzert im Herrngarten. Heute ab 11 Uhr findet
wieder ein Großes Frühkonzert im Herrngarten ſtatt. Die Ausführung
iſt Infanteriemuſik mit einem gewählten Programm. Herr Obermuſik=
meiſter
Mickley wird das Konzert mit dem Krönungsmarſch aus
der Oper Die Folkunger von Kretſchmar eröffnen.
Orpheum. Neues Operettentheater Frankfurt a. M. Heute
Sonntag, 2. Sept., letzte Aufführung: Die tolle Lola, Operette
in drei Akten. (Näheres ſiehe Anzeige.)
Deutſcher Oſtbund (Ortsgruppe Darmſtadt). Wahrt die An=
tragsfriſt
! Flüchtlinge, Verdrängte, Ausgewieſene aus den an
Polen abgetretenen deutſchen Oſtgebieten, die eine Endentſchädigung in der
Zeit zwiſchen dem 1. Juli 1922 und dem 30. Juni 1923 erhalten haben,
können eine Nachentſchädigung auf Grund der Novelle zum Verdräng=
ungsſchädengeſetz
vom 30. Juni 1923 beanſpruchen. Sie müſſen aber
einen Antrag einreichen bei der Stelle, die ihnen die Endentſchädigung
zugeſprochen hat. Die Friſt für die Einreichung dieſes Antrags, läuft
mit dem 29. September ds. Js. ab, worauf wir nochmals ganz beſon=
ders
aufmerkſam machen. Darum, liebe Landsleute, wahrt die An=
tragsfriſt
! Unſere nächſte Monatsverſammlung findet am 6. Sept.,
bünktlich abends 8 Uhr im kleinen Saal des Feierabend Ecke der
Stifts= und Landgraf Georg=Straße ſtatt. Alle Landsleute, welche
ſich unſerer Ortsgruppe noch nicht angeſchloſſen haben, ſind herzlichſt
eingeladen.
* Von einem Automobil überfahren. Geſtern abend wurde
in der Neckarſtraße eine Frau mit ihrem Kind von einem Auto=
mobil
überfahren. Die Frau, die einen Leiterwagen zog, wurde
von dem rückſichtsloſen Fahrer erfaßt und ein Stick mitgeſchleift.
Der Leiterwagen wurde total zertrümmert. Die Frau wurde in
ſchwerverletztem Zuſtande durch die Rettungswache nach dem
Städtiſchen Krankenhaus gebracht, während das Kind in die
elterliche Wohnung gebracht werden konnte. Wie wir hören, foll
die Frau ihren Verletzungen erlegen ſein. Der Kraftfahrer, der
ſich um das Opfer ſeiner Raſerei überhaupt nicht kümmerte, ſoll
ntkonnmen ſein.
unerk

Die Verſorgung von Winterkartoffeln
von Hermann Nordmann, Darmſtadt.
* Die Spätkartoffelernte wird nunmehr bald beginnen. Die Haus=
haltungsvorſtände
machen ſich mit Recht ſchwere Sorge, ob es ihnen
möglich ſein wird, wie in früheren Jahren ſich mit dem notwendigen
Quantum Kartoffeln einzudecken. Sehr beunruhigend wirken die Ge=
rüchte
, daß der Ausfall der Ernte 3335 Prozent hinter der vorjährigen
zurückbleiben oll. Es wird zutreffen, daß nicht das letztjährige Ernte=
ergebnis
erzielt wird, da wir 1922 in Kartoffeln eine Rekordernte hatten.
Dazu kommt noch, daß weniger Kartoffeln angebaut ſein ſollen. Weiter
wirkt mit Recht beunruhigend, daß, wie einwandfrei feſtgeſtellt iſt, ein
Teil Landwirte erklären, wir geben in dieſem Jahre die Kartoffeln nur
ſucceſive ab, um uns vor der Geldentwertung zu ſchützen. Dieſen Rat
ſollen ihnen die landwirtſchaftlichen Organiſationen gegeben haben; ob
dies zutrifft, weiß man nicht. Wenn auch offen zugegeben werden muß,
daß es dem Landwirt mit Rückſicht auf die Geldentwertung nicht möglich
iſt, alle Produkte ſofort nach der Ernte zu verkaufen, ſo muß doch bei
Kartoffeln eine Ausnahme gemacht werden. Die Wege zu ſuchen, darf
den in Frage kommenden Intereſſentengruppen nicht ſchwer fallen. Es
wäre in erſter Linie daran zu denken, den Erlös aus der Kartoffelernte
wertbeſtändig durch Zeichnung von Goldanleihe anzulegen; dies könnte
von den Bankinſtituten der landwirtſchaftlichen Organiſationen unter
Ausſchaltung eines größeren Nutzens erledigt werden. In Bayern hat
man dieſen Weg ebenfalls empfohlen. Weiter müßte mindeſtens ver=
ſucht
werden, daß die landwirtſchaftlichen Spiitzenorganiſationen mit dem
Stickſtoff=Syndikat Verhandlungen einleiten, um zu erreichen, daß der
Preis für Stickſtoffdünger in ein Berhältnis zum Kartoffelpreis gebracht
wird, alſo eine Art wertbeſtändige Anleihe ſchaffen, die den Bezug von
Stickſtoffdüngern in der Bedarfszeit durch die vereinnahmten Gelder für
verkaufte Kartoffeln ermöglichte. Es wird noch eine Reibe von Möglich=
keiten
geben, die die Landwirtſchaft erwägen kann, um einen Ausgleich
für entſtandene Geldentwertung zu ſchaffen.
Jeder einſichtige Menſch wird zugeben, daß der dringende Mahnruf
an die Landwirtſchaft gerichtet werden muß: Sucht nach Mitteln
und helft mit, der Lebensmittelnot in den Städten
zu ſteuern, denn nur dadurch, daß Ruhe innerhalb unſeres Vater=
landes
vorhanden iſt, dürfen wir berechtigte Hoffnung haben, daß ſich
die trüben, grauen Wolken, die die Sonne verfinſtern, endlich teilen
werden. Hunger tut weh! Dieſen zu bekämpfen, muß die vornehmſte
Aufgabe eines Jeden ſein, der an verantwortlicher Stelle ſteht und an
derantwortlicher Stelle ſteht in dieſem Fall jeder Landwirt. Verſuchen
wir, die Löhne und Gehälter an die Preiſe der Lebensmittel anzupaſſen,
ſchaffen wir Einkommen, die es ermöglichen, der Landwirtſchaft uſw.
die Selbſtkoſten und einen mäßigen Gewinn für ihre Produkte zu ver=
güten
, dann wird die gewünſchte Ruhe aufrecht erhalten.
Ganz beſonders muß die Landwirtſchaft gewarnt werden, das Ein=
mieten
von Kartoffeln zu unterlaſſen, die im Herbſt unter Brückſichtigung
des eigenen Verbrauchs abgeſetzt werden können. Die Kartoffeln ſind in
den Kellern der Verbraucher beſſer aufgehoben; dieſe haben gelernt, die
Ware pfleglich zu behandeln. Man denke nur daran, wie gefährlich es
werden kann, wenn wir einen langen, ſtrengen Winter bekommen, wo
Mieten nicht geöffnet werden können. Wenn dann die hunrigen Men=
ſchen
hinausgehen und zur Selbſthilfe greifen; an die Folgen zu denken,
iſt ſchrecklich.
Die Organiſation der Verſorgung.
Der Uebereindeckung muß ein Riegel vorgeſchoben werden. Wir
haben leider erlebt, daß dies in früheren Jahren ſehr häufig der Fall
war. Das Reichsernährungsminiſterium muß ein Höchſtquantum pro
Kopf feſtſetzen, über dieſes ſoll der Landwirt ſowohl, wie der Handel
und die Genoſſenſchaften ihre Abnelmer nicht beliefern. Bei Familien,
die ſelbſt Kartoffeln angebaut haben, muß die Selbſternte bei Belieferung
berückſichtigt werden. Verbraucher, die bisher direkt vom Landwirt be=
liefert
wurden, ſollen auch in dieſem Jahr den natürlichſten und kürzeſten
Weg wieder einſchlagen. Da es dem Handel und den Genoſſenſchaften
nicht möglich iſt, das diesjährige Kartoffelgeſchäft zu finanzieren, müſſen
Reich, Staat und Gemeinden in Verbindung mit der Induſtrie für die
notwendigen Gelder ſorgen. Ein Teil der Verbraucher braucht dieſe
Hilfe nicht in Anſpruch zu nehmen, da ſie ohne weiteres in der Lage
ſein werden, ſich ſelbſt zu helfen.
Weiter iſt empfehlenswert, daß die Arbeitgeber mit ihren Beleg=
ſchaften
Abkommen treffen, die geeignet ſind, die Eindeckung von Kar=
toffeln
ohne Schwierigkeiten durchzuführen. Es können, wo es möglich
iſt, vorher wöchentlich Abzüge vom Lohn vorgenommen werden, die
natürlich wertbeſtändig ſein müßten; in mehreren Betrieben iſt dies be=
reits
geſchehen. Für die übrigen Verbraucher müſſen die bereits oben
erwähnten Stellen Gelder zur Verfügung ſtellen. Bei Erteilung von
Handelserlaubnis mit Kartoffeln müſſen die in Frage kommenden Be=
hörden
recht vorſichtig ſein, und nur einwandfreie Händler und Genoſſen=
ſchaften
berückſichtigen. Bei letzteren empfiehlt es ſich, nicht alle ſonſt
notwendigen Formalitäten anzuwenden. Dem Landwirt muß zur Pflicht
gemacht werden, nur an Firmen Kartoffeln abzugeben, die einen be=
hördlichen
Erlaubnisſchein beſitzen. Ausgenommen ſind die Lieferungen
an die einzelnen Konſumenten direkt. Damit wird ein Verſchieben der
koſtbaren Ware nicht ſo leicht eintreten können.
Durch dieſe Maßnahmen treten die Aufkäufer auch nicht, wie dies
leider vor zwei Jahren geſchehen iſt, in Maſſen auf. Wie ſchädigend
dieſe damals gewirkt haben, dürfte noch in Erinnerung ſein. Auch die
Induſtrie ſollte ſich nicht direkt mit dem Aufkauf befaſſen. Man hat
ſehr häufig erlebt, daß von Vertretern der Induſtrie bedeutend höhere
Preiſe geboten wurden. Die Arbeitsämter können ebenfalls durch Stel=
lung
von Arbeitsloſen weſentlich dazu beitragen, die Koſten für die
Ernte, für die Entleerung der Waggons, für Abſacken und Zufuhr zu
verringern. Schließlich muß die Kalkulation der Lieferanten von den
Preisprüfungsſtellen überwacht werden. Es empfiehlt ſich, auch die Ver=
gütungen
für die Vermittlung mit den aufkaufberechtigten Lieferanten
zu vereinbaren. Zweifellos iſt noch manche wichtige Angelegenheit zu
beſprechen und zu klären. Dies könnte geſchehen in eigens dazu einge=
ſetzten
Ausſchüſſen, die paritätiſch zuſammengeſetzt ſein müſſen.
Heute ſollen dieſe Vorſchläge genügen. Hilft ein jeder zu ſeinem Teil
mit, dann dürfen wir erwarten, daß ſich das Einkellern der Kartoffeln,
vorausgeſetzt, daß auch die Reichseiſenbahn alles tut, was in ihren Kräf=
ten
ſteht, reibungslos vollziehen wird. Der Frachtſatz der Kartoffeln iſt
laut Mitteilung auf ein Fünftel des eigentlichen Tarifs herabgeſetzt.
Ruhe und Beſonnenheit auf beiden Seiten iſt notwendig, wollen wir
ſchwere, volkswirtſchaftliche Schäden vermeiden.

Wimpfen, 1. Sept. Die freie Reichsſtadt Wimpfen, ſeit 1802 eine
heſſiſche Exklave, teils von Württemberg, teils von Baden begrenzt, hat
der Nor gehorchend, zur Behebung der Bargeldknappheit Notgeld
ausgegeben und hat auf Wunſch von Sammlerkreiſen dieſes Notgeld
künſtleriſch ausgeſtalten laſſen. Hierzu waren in dem geſchichtlich in=
tereſſanten
Platz viele Motive vorhanden. Seine Kirchen, ſeine baulichen
und anderen Altertümer aus bedeutender Vergangenheit, unter anderen
eine gut erhaltene Arkadenreihe eines Hohenſtaufenpalaſtes, haben es in
Kreiſen der Kunſt, Altertums= und Geſchichtsforſcher ſeit langem bekannt
gemacht. Bekannt iſt auch Wimpfen durch die während des Dreißig=
jährigen
Krieges zwiſchen Tilly und Markgraf G. Friedrich von Baden in
Wimpfen geſchlagenen Entſcheidungsſchlacht. Was jedoch an Wimpfen
für Laien, wie Gelehrte gleich anziehend wirkt, das iſt ſeine ungemein
ſchöne Lage, das anmutende, das Auge nie ermüdende panoramaartige
Bild, welches ſich vom Bergesrand meilenweit darbietet. Wenn deshalb
das Notgeld Wimpfens ſehr geſucht wird, ſo iſt dies nicht zu verwundern.
3 Scheine wurden hergeſtellt im Nennwert von 20, 50 und 100 000 Mark.
Die 20000 Mark=Scheine, in grün auf lilla Hintergrund hergeſtellt,
tragen auf der Vorderſeite eine Teilanſicht des altertümlichen Wimpfens
mit dem Hohenſtaufenfenſter und den alten Burgmauern. Die 50000
Mark=Scheine, in rot auf blauem Hintergrund hergeſtellt, tragen das
alte Stadtbild von Oſten geſehen, mit den vielen Türmen, Mauerwerken
und alten Häuſern. Der ſchönſte Schein wird zweifelsohne der 100 000
Mark=Schein ſein. Er trägt die Stadtſilhouette Wimpfens. General=
feldmarſchall
Moltke hat Wimpfen als einen der herrlichſten Plätze be=
zeichnet
und der Geſchichtsſchreiber Dr. v. Lorenz hat ſein Buch über
Wimpfen mit den Worten geſchloſſen: Den Verfaſſer haben ſeine Wan=
derungen
über einen großen Teil der Erde geführt, nach dem ernſten
Spanien mit ſeinen mauriſchen Erinnerungen, dem hochgeprieſenem
Neapel, dem poetiſchen Sizilien, nach Konſtantinopel, der Perle zwiſchen
Morgen= und Abendland, nach Afrikas Sandwüſten wie nach dem von
den Märchen 1001 Nacht verheerrlichten Orient; doch alle dieſe Er=
innerungen
, ſo großartig ſie auch ſind, vermögen nicht das ſchöne alte
Wimpfen in den Hintergrund zu drängen.
Wimpfen, 1. Sept. (Solbad Wimpfen). Bei guter Wit=
terung
findet am Sonntag, den 2. September, abends bei eintretender
Dunkelheit (zirka 8 Uhr) die Beleuchtung des Mathildenbades und der
Stadtſilhouette Wimpfen ſtatt mit anſchließendem Unterhaltungsabend im

Rummer 242.
.hidenhad. Der Reinertrag wird für Wohltätigkeitszwecke der Stadt
Wimpſen zur Verfügung geſtellt.
Friedberg, 1. Sept. Die Not der Preſſe. Der Lauter=
bacher
Anzeiger und der Büdinger Allgemeine Anzeiger müſſen unter
dem Drucke der Wirtſchaftslage im Zeitungsgewerbe in dieſer Woche die
Mittwochsnummer ausfallen laſſen. Das Schottener Kreisblatt teilt
ſeinen Leſern mit, daß es in anbetracht der Betriebsausgaben, die un=
erſchwinglich
ſind, in dieſer Woche nur noch mit einer Nummer, und zwar
am Samstag, herauskommen kann. Der Verlag des Grünberger An=
zeigers
läßt ſeine Ausgabe nur in halbem Format, alſo zweiſeitig, er=
ſcheinen
.
et. Bad Salzhauſen, 31. Aug. Die Dorfkirchenfreunde
Oberheſſens tagten dieſer Tage hier. In mehreren Referaten, die die
Herren Dr. Frick=Gießen, Lehrer Dollinger=Alsfeld und Kreisſchulrat
Scherer=Offenbach, übernommen hatten, wurden die Beſtrebungen der
Dorfkirchenfreunde und ihre Bedeutung gerade in der heutigen Zeit zu
würdigen verſucht.
Deidesheim, 1. Sept. In Gärten und an den an Häuſern gezogenen
Traubenſtöcken trifft man reife ſchwarze Frühtrauben, ſowie
gefärbte Portugieſer an. An Oeſterreichern (Franken) im Freien laſſen
ſich ſchon in geſchützten, Lagen durchſcheinende Traubenbeeren finden. Die
Qualität wird zwar klein ausfallen, kleiner noch, als man vor einem
Monat angenommen hatte. Das noch Vorhandene entwickelt ſich an=
ſcheinend
recht gut.

Reich und Ausland.
Schmiergelder im Grundſtückshandel.
Das Schöffengericht Berlin=Mitte verhandelte auf Antrag des Ver=
eins
gegen das Beſteih:ggunweſen, Berlin, gegen den Grundſtücksver=
mittler
Erwin Kall in F m Kal. u. Laube und gegen den Kaufmann
Lothar Pilz, früheren Lei; dee Grundſtücks=Options=Abteilung der
Unionbank in Berlin. Die Uinionbank kaufte in der verfloſſenen Hoch=
konjunktur
auf dem Cörundſtücksmarkt zahlreiche Grundſtücke für italie=
niſche
Rechnung. Kall brachte der Unionbank laufend Angebote und
ſchmierte dem Pilz, damit die Angebot: bevorzugt wurden. Dieſe
Schmiergelder kürzte Kaü zum Teil ſeinen Unkervertretern von der Pro=
viſion
. Das Gericht verurteilte Kall und Pilz zu je 500 000 Mark Geld=
ſtrafe
. Der Wert der Schmiergelder wurde mit zweieinhalb Millionen
Mark eingezogen.
Beſtechungsverſuch.
Die Strafkammer zu Halle derurteilte auf Antrag des Vereins gegen
das Beſtechungsunweſen, Berlin, den Schroti=Aufkäufer Fritz Tiſchler in
Halle wegen eines Beſtechungsverſuchs, welchen er an einem Ober=
ingenieur
der Aktiengeſellſchaft Lignoſe unternahm, rechtskräftig zu
30 000 Mark Geldſtrafe.
Bettler als Kapitaliſt.
Ermordet und beraubt aufgefunden wurde in Ickhorſt bei Hannover
ein Mann, in deſſen Kleidertaſchen man einen Zettel mit der Aufſchrift
Paul Plettner, Berlin, Auguſtſtraße 80, bei Mayer, fand. Der Erken=
nungsdienſt
der hieſigen Kriminalpolizei hat jetzt feſtgeſtellt, daß der Er=
mordete
in der Tat ein 40 Jahre alter Schmied Paul Plettner iſt, der
ſeit Jahren in Berlin als Bettler lebte und Stammgaſt und Bewoh=
ner
der Herberge, Auguſtſtraße 80, war. Plettner war ſeit dem 20.
d. M. verſchwunden. Der Verdacht fiel auf Männer, die ebenfalls in
der Herberge verkehrten und ſeit dem 20. Auguſt nicht mehr geſehen,
aber jetzt ermittelt worden waren. Sie wieſen nach, daß ſie ohne Plett=
ner
abgefahren und in der Tſchechoflowakei geweſen ſind. Die hieſige
Kriminalpolizei ſtellte unterdeſſen feſt, daß Plettner nicht ein gewöhn=
licher
Bettler, ſondern ein gewerbsmäßiger Hehler war, der früh mor=
gens
ſtändig mit Einbrechern und Dieben in Verbindung trat und mit
geſtohlenem Gut glänzende Geſchäfte machte. Er verfügte ſtets über
mehrere hundert Millionen, die er immer bei ſich trug. Die Kriminal=
polizei
in Hannover ermittelte, daß Plettner am 22. Auguſt in Ickhorſt
geſehen worden iſt. Der Begleiter Plettners auf der Chauſſee iſt jetzt
feſtgeſtellt als ein 31 Jahre alter, aus Linden bei Hannover gebürtiger
Keſſelſchmied, Friedrich Thiedau, ein Bauernfänger, der ſich ſchon länger
in Berlin aufhielt und in der Herberge ebenfalls mit Plettner bekannt
geworden war. Dieſer Thiedau iſt jetzt verſchwunden und wird geſucht.
Mitteilungen zur Aufklärung des Verbrechens nehmen Kriminalkommiſ=
ſar
Pätz in Hannover und Hermann in Berlin entgegen.
Korruption in einer gemeinnützigen Baugeſellſchaft.
Die Strafkammer Magdeburg verhandelte auf Antrag des Vereins
gegen das Beſtechungsunweſen, Berlin, über eine umfangreiche Korrup=
tion
in der Mitteldeutſchen Heimſtätten=Fürſorgegeſellſchaft m. b. H. in
Magdeburg. Der böſe Geiſt in dieſem Unternehmen war Richard Lipp=
mann
, der Leiter der Abteilung für den Ausbau von Siedlungswohnun=
gen
. Er verführte den Angeſtellten Ernſt Schwitalla zur Verſchiebung
von Lagervorräten und zwang ferner den Tiſchlermeiſter Emil Kurtz
in Magdeburg zur Hergabe bedeutender Beſtechungsgelder. Schwitalla
verband ſich dann mit dem Buchhalter Walter Wenski der Heimſtätten=
geſellſchaft
zu einer müheloſen Geldſchöpfung, indem ſie neue Zah=
lungsanweiſungen
für alte bezahlte Rechnungen wieder in den Geſchäfts=
gang
brachten und kaſſierten. Wenski verführte den Angeklagten Johs.
Richter, den Holzfachmann der Heimſtätten=Geſellſchaft. Beide verſchoben
mit dem Sägereibeſitzer Hermann Wünſchiers große Mengen Bauholz
aus den Beſtänden der Geſellſchaft. Die Angeklagten Richter, Lippmann,
Wünſchiers, Schwitalla und Wenski wurden zu Gefänguisſtrafen von ſechs
Monaten bis eineinhalb Jahren verurteilt. Kurtz kam mit 400 000 Mark
Geldſtrafe davon.
Zur eurobäiſchen Einwanderung in Nordamerika.
DAI. Vom 1.24. Juli 1923 ſind bereits 52988 Einwanderer in
Amerika gelandet, während das für dieſen Monat zugelaſſene Kon=
tingent
71 561 umfaßt. Von den 41 Ländern, über deren Einwande=
rung
Buch geführt wird, hatten an dieſem Tage bereits 19 ihre Quote
für dieſen Monat erſchöpft. Darunter befinden ſich Belgien, Finnland,
Großbritannien, Griechenland, Paläſtina, Portugal, Rußland, Spanien
und die Türkei. Auch Deutſche, die alſo zufällig in einem der bezeich=
neten
Länder geboren ſind, durften nach dem amerikaniſchen Quoten=
geſetz
Ende Juli nicht mehr einwandern. Die monatliche Quote darf
ein Fünftel der geſamten Jahresquote nicht überſchreiten. Meer=
geborene
, d. h. während der Ueberfahrt geborene Babies, gelten nach
einem neuen Entſcheid des Einwanderungskommiſſärs Curran mit Zu=
ſtimmung
des Arbeitsdepartements künftig als Amerikaner, auch wenn
ſie auf einem britiſchen oder deutſchen Dampfer geboren ſind.

Stimmen aus dem Leſerkreiſe.
(Für die Veröffentlſchungen unter dieſer Ueberſchrift übernimmt die Redaktſon kelnerlei Ven=
antwortung
; für ſie bleibt auf Grund des § 21 Abſ. 2 des Preſſegeſetzes in vollem Umfange
der Einſender verantwortlich.) Einſendungen, die nicht verwendet werden, können nicht
zurückgeſandt, die Ablebnung nicht begründet werden.
Zu Ihrem Artikel in Nr. 239 vom 30. Auguſt über Die Not
der Aerzke geſtatten Sie einem alten Familienvater das Wort: Die
anerkannte wirkliche Not der Aerzte wäre nicht ſo groß, wenn ſich
Patient und Arzt miteinander verſtändigten. Die Privatpraxis wurde
ausgeübt bei den in der Vorkriegszeit bemittelten Bürger= und Rentner=
familien
für eine meiſt nicht hoch berechnete Pauſchalſumme. Dieſe
Praxis hat aufgehört, weil der ſtets veröffentlichte Betrag für den Be=
ſuch
der Sprechſtunde als auch für den häuslichen Beſuch gerade von
ſeitheriger Privatkundſchaft des Arztes, nicht geleiſtet werden kann. Die
Aerzte, daran zweifle ich keinen Augenblick, wiſſen, daß der ſeitherige
vorkriegszeitliche reiche Mann, ſelbſt als Millionär, nicht das veröffent=
lichte
Honorar zahlen kann, aber ich vertraue auf die ideale Auf=
faſſung
, wie die Herren Aerzte ihren Beruf betrachten, und glaube
ſicher, daß, wie mein alter Arzt es tut, es auch andere Herren machen
ſollten: Ich war krank, konfultierte meinen alten treuen Hausarzt und
Freund (es müßte ein jeder mit ſeinem Arzt in dieſem Verhältniſſe
ſtehen); er beſuchte mich verſchiedene Male, und da aller Vorausſicht
nach die Krankheit länger andauerte, ſagte ich meinem Arzte: Herr
Doktor, beſuchen Sie mich bitte nicht ſo oft, machen Sie ſich mit mir
nicht ſo viele Mühe, ich bin nämlich nicht imſtande, das Honorar zu
zahlen. Die prompte Antwort lautete: Ich beſuche Sie ſo oft, wie
ich es für zweckmäßig halte; meine Rechnungen konnten Sie bis heute
alle zahlen, und werden ſich über deren Höhe nicht zu beklagen nötig
gehabt haben. Wenn Sie wiederhergeſtellt ſind, bezahlen Sie mich ſo,
wie Ihre Verhältniſſe das geſtatten, ohne daß Sie ſich wehe tun. Ich
leiſte meinem Arzt nach meinen Verhältniſſen; ich bin dankbar, den
Rat des erfahrenen Arztes zu haben, und mein Arzt denkt jedenfalls
Beſſer ein halbes Ei, wie eine leere Schale‟. Dieſe Art der Ver=
ſtändigung
iſt im Intereſſe der Patienten, und insbeſondere im wirt=
ſchaftlichen
Intereſſe der Herren Aerzte ſehr zu empfehlen.
Civis A. S.

[ ][  ][ ]

Rummer 242.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 2. September 1923.

Seite 5.

Aerzte und Krankenkaſſen.
Eine Erwiderung aus Aerztekrei
Jrreführung
der öffentlichen Meinung bedeutet das von Krankenkaſſen=
ſeite
zu der Not der Aerzte in der vorgeſtrigen Nummer Geſchriebene
mit ganz willkürlicher Benutzung ſtatiſtiſcher Zahlen! Das Folgende
zur Richtigſtellung:
Es iſt ganz falſch, daß in normalen Zeiten (d. h. vor 1914) die
Aerzte allgemein nicht ſo ſehr auf die Kaſſenhonorare angewieſen waren
denn in den Städten und den vielen von Arbeitern in der Mehrzahl
bewohnten Landorten hat die Kaſſenpraxis ſeit Ende der 90er Jahre
die Haupteinnahme für die Aerzte in immer ſteigendem Maße aus=
gemacht
. Daher auch der um die Jahrhundertwende einſetzende Kampf
der deutſchen Aerzteſchaft um eine einigermaßen entſprechende Bezah=
lung
und die freie Arztwahl bei den Krankenkaſſen!
Wenn nun der Artikelſchreiber den Verſuch macht, ſtatiſtiſch nach=
weiſen
zu wollen, daß in Heſſen nur 27 Prozent der Bevölkerung in
Kaſſen ſein ſollen, ſo iſt das ein ganz oberflachliches dilettantenhaftes
Verfahren!
Die Krankenkaſſen in Heſſen ſollen 344 000 Mitglieder haben, aber
das ſind nur die Mitglieder der heſſiſchen Kaſſen und nicht die Tau=
ſende
von heſſiſchen Arbeitern von außerheſſiſchen Kaſſen, die man nach
geringſter Schätzung mindeſtens für ganz Heſſen auf 60000 ſchätzen
muß, ganz abgeſehen von den Tauſenden von Mitgliedern der kaufm.
Erſatzkaſſen, die namentlich in den letzten Jahren bedeutend zugenom=
men
haben, wie wir durch unſere Statiſtik der behandelten Krankheits=
fälle
beweiſen können.
Nun haben aber alle Kaſſen mit wenigen Ausnahmen auch die
ärztliche Behandlung der Familienmitglieder eingeführt, und beträgt
die Zahl der Familienmitglieder nach einer genauen Statiſtik von der
Stadt Frankfurt das 1,8fache der Mirglieberzahl, und ſicher in den
meiſten Landorten weſentlich mehr.
Einwand, daß auch Arbeiter der umliegenden Länder in heſſi=
ſchen
8. ſſen ſeien und das ausgleichen, iſt hinfällig, denn wir haben in
Heſſen, abgeſehen von je einer Betriebskrankenkaſſe in Offenbach, Rüſ=
ſelsheim
und Worms keine nennenswerte Großinduſtrie, die außer=
heſſiſche
Arbeiter hat. Dafür aber in den Großinduſtrien von Frauk=
furt
und dem benachbarten Paden viele Tauſende Arbeiter aus heſſi=
ſchen
Orten, die vielfach ſogar der Zahl nach die der einheimiſchen
Ortskrankenkaſſen uſw. in der Randorten überragen und immer mehr,
wie z. B. die Ortskrankenkaſſe Frankfurt, in allen Kreiſen Starkenburgs
und Oberheſſens vorkommen.
Die wirkliche Zahl der Kaſſenmitglieder in Heſſen iſt alſo auf über
400 000 anzunehmen, und dazu 1,8 Mill. Familienmitglieder, ergibt
1 100 000 oder über 80 Prozent der Geſamtbevölkerung Heſſens! Dabei
ſind die noch vielfach beſtehenden ſogen. Sanilätsvereine gar nicht be=
rückſichtigt
!
Und dieſe über 1 Million Verſicherter ſollen von 178 Aerzten ſtatt
den zur Zeit tätigen 600 verſorgt werden! Das bedeutete eine ärzt=
liche
Verſorgung für Heſſen, wie ſie etwa vor 100 Jahren beſtand.
Glaubt der artikelſchreibende Kaſſenvertreter im Ernſt, daß das eine
den Aufgaben der Krankenverſicherung entſprechende ärztliche Verſorg=
ung
ſein könnte und daß ſeine Kaſſenmitglieder ſich das gefallen
ließen?
Wir Aerzte wiſſen ſelbſt, daß in den Städten ſeit dem Kriege mehr
Aerzte ſich niedergelaſſen, wie notwendig, und nicht ihr tolles Auskom=
men
finden können. Aber wir denken auch gar nicht daran, das don
den Krankenkaſſen oder ſonſtwie zu verlangen.
Der Aerzteſtand iſt ein freier Beruf und hat lt. Verfaſſung das
Recht auf Ausübung des Berufs in freiem Mitbewerb! Und dennoch
müſſen wir nach wie vor den Krankenkaſſen das Recht beſtreiten, nach=
dem
ſie durch eine ins Uferloſe gehende Ausdehnung der Krankenver=
ſicherung
den größten Teil der Bevölkerung umfaßt, beliebig Aerzte
von der Ausübung des Berufs auszuſchließen, denn das bedeutete der
Gedanke, wie ihn der Artikel ausführte. Auf ſolchen falſchen Unter=
lagen
kommt dann der Kaſſenvertreter auf die Honorarfrage bei den
Krankenkaſſen, und manövriert dann mit Papiermillionen und Milliar=
den
in derſelben leichtfertigen Weiſe wie vorher mit der Statiſtik.
Demgegenüber ſtellen wir folgendes feſt:
Durch die unglaubliche Gleichgültigkeit der dafür verantwortlichen
Stellen im Reich iſt, wie ſchon wiederholt ausgeführt, die finanzielle
Not der Kaſſen und damit der Aerzte und aller von den Kaſſeneinnahmen
abhängigen Ausgaben ſeit beinahe einem Jahre jetzt zum Unerträg=
lichen
geſtiegen und bis heute noch nicht gehoben.
Die von dem Kaſſenvertreter angeführten 600 000 für ärztliche Be=
ratung
gelten ab 23. Auguſt auf Kredit, den heute kein Menſch ſonſt
mehr kennt! In Wirklichkeit erhält oder hat noch zu erhalten der
Kaſſenarzt für den Monat Auguſt ein Durchſchnittshonorar von
253 000 Mark!
Wie die Nor in Aerztekreiſen ausſieht, dafür folgende Zahlen: Im
Monat Auguſt haben von 230 Kaſſenärzten der Kreiſe Darmſtadt, Die=
burg
, Bensheim, Erbach, Groß=Gerau und Heppenheim an Kaſſen=
honorar
in 4 wöchentlichen Raten erhalten: je 46 Aerzte weniger als
5 Millionen, je 28 unter 10, 68 unter 20, 29 unter 25 21 unter 30,
27 unter 40, 10 zwiſchen 40 und 50 und nur 1 über 50 Millionen! Alſo
142 Aerzte oder mehr wie 60 Prozent unter 20 Millionen im ganzen
Monat Auguſt, oder weniger als ein Erwerbsloſer! Und dieſe Be=
träge
ſind für Leiſtungen aus dem Monat Juli und noch früher, und
nur zu einem kleinen Teil aus Auguſt! Was bedeuten denn die Auguſt=
honorare
mit 253 000 bei einem durchſchnittlichen Teuerungsindex von
nahezu 600 000 noch an Kaufkraft, wenn ſie den Aerzten vielleicht im
Laufe des September werden?
Und damit will nun der Herr Kaſſenvertreter die Beamtengehälter
vergleichen, die alle als Vorzahlung dem Beamtenheer werden, und
damit mehr wie die doppelte Kaufkraft haben.
Wir ſtellen feſt, daß die 230 Kaſſenärzte der genannten ſechs Kreiſe
im Monat Auguſt weniger zum Leben hatten als ein Dutzend Beamte
der Gehaltsgruppe 9, nicht 12, die der Kaſſenvertreter anführt; denn
in den obengenannten Beträgen ſind auch noch einbegriffen die Wege=
gebühren
der vielen Landärzte mit 1025 Prozent, und die gegenüber
der ſonſtigen Tegerung viel weiter geſtiegenen Berufsunkoſten für die
Inſtandhaltung des Inſtrumentariums uſw.
In einem anderen ſüddeutſchen Staat haben einſichtsvollere Kaſſen=
vertreter
ſchon vor Jahresfriſt ſich bereit erklärt, allen Kaſſenärzten
als Mindeſteinnahme das Gehalt der Gruppen 12 oder 13 zu garan=
tieren
. Dies wenigſtens gutgemeinte Anerbieten iſt aber unvereinbar
mit der kaſſenärztlichen Tätigkeit, denn dieſe kann man unmöglich ent=

lohnen nach dem Grundſatz des achtſtündigen Arbeitstages, wobei der
Papierſcheine druckende Staat, Gemeinde uſw. ſeine Gaben ausſtreut für
Fleißige und Faule, Arbeitswillige und andere.
Es iſt eine bedauerliche Verkennung der Verhältniſſe und der ſchrei=
enden
Not, wie der Kaſſenvertreter hier die Lage darzuſtellen verſuchſt
und kein Wunder, wenn die dafür derantwortlichen Stellen der Regie=
rung
verſagen, ſtatt den Krankenkaſſen zu helfen; denn dieſe ganze
ſchiefe Darſtellung der Verhältniſſe war auch im Ganzen die Antwort,
die man im Heſſiſchen Landtag auf eine diesbezügliche Interpellation
gegeben hat.
Die Aerzte ſind es aber endlich müde, ſich noch weiter gegenüber
ſolchen Mißſtänden in ihrer Not mit leeren Nedensarten zu begnügen
und verlangen endlich rechtzeitige Zahlung, wie ſie der Zeit entſpricht,
einer Zeit, in der ein jeder vor Vormittag zum Nachmittag für
ſeine Waren den Dollarkurs verlangt und der Dreikäſehoch von der
Goldmark phantaſiert. Wenn die verantwortlichen Stellen im Reich
und Staat die ärztliche Verſorgung und damit die ſoziale Krankenver=
ſicherung
wollen zuſammenbrechen laſſen, ſo mögen dieſe dafür dem
deutſchen Volke gegenüber die Verantwortung tragen geredet iſt jetzt
genug darüber.
V.

Sport, Spiel und Turnen.
Die Rhönſegelflüge.
Die Darmſtädter Flieger ſieggekrönt.
Von der Waſſerkuppe, 1. Sept. Der Rhönſegelflug=
Wettbewerb iſt nach vierwöchiger Dauer geſtern abend geſchloſſen wor=
den
. Man darf wohl ſagen, daß gegenüber dem Vorjahre hervorragende
Leiſtungen zuſtande gekommen ſind, wenn ſie auch nicht ſo deutlich greif=
bar
in die Erſcheinung treten. Der weſentliche Fortſchritt iſt in der
Züchtung hochwertiger Maſchinen zu erblicken, die bisher im Strolch
und im Darmſtädter Konſul ihre höchſte Vollkommenheit er=
reicht
haben dürften. Flugtechniſch ſcheinen die beiden Maſchinen
gleichwertig. Die Vorzüge des Konſul liegen in der geſchloſſenen
Durchbildung des Geſamtbaues, am Strolch beſtechen techniſche Ein=
zelheiten
. In den Ausſchreibungen war es nicht auf ſogen. Rekord=
haſcherei
abgeſehen, nicht auf Virtuoſenkunſtſtücke. Hier handelte es
ſich um eine Wiſſenſchaft, für die erſt die Bedingungen auf breiter Baſis
geſchaffen werden ſollten. Immerhin iſt ein Streckenflug von 12 Klm.
zuſtandegebracht und damit der Weltrekord überboten. Stark beeinflußt
wurde der Wettbewerb durch die Witterungsverhältniſſe, die Flüge
von größerer Dauer nur an wenigen Tagen zuließen. Es kam hinzu,
daß eine Reihe vortrefflicher Maſchinen, auf die man große Hoffnungen
geſetzt hatte, nicht rechtzeitig fertiggeſtellt werden konnten, um ſich er=
folgreich
beteiligen zu können. Die beſten Maſchinen bleiben auf der
Kuppe ſtationiert. Ihre Führer wollen günſtigere Witterungsverhält=
niſſe
abwarten, und ſich um Preiſe bewerben, die außerhalb des Wett=
bewerbes
ſtehen.
Leider hat der Donnerstag ein Todesopfer gefordert. Wir
haben berichtet, daß die Flüge während eines Sturmes unternommen
wurden, bei dem ſich nicht einmal die hier anweſenden Motorflugzeug=
führer
in die Luft wagten. Der junge Pilot Standfuß der Erfurter
Gruppe wurde ins Tal von Abtsroda abgetrieben, überſchlug ſich bei
der Landung, geriet in einen Sumpf und erlitt eine Gehirnerſchütterung
und innere Verletzungen. Er ſtarb im Krankenhaus zu Tann. Die
Leitung der Rhönſegelflüge widmete dem Toten einen Kranz, in den
die Pilotenhaube eingeflochten iſt. Miniſterialdirektor v. Bredow ſprach
den Kameraden des Verunglückten namens des Reichsverkehrsminiſte=
riums
herzliche Teilnahme aus. Die Leiche wird nach Erfurt über=
geführt
.
Für geſtern war noch ein Zielflug nach einem beſtimmten
Punkt der Eube ausgeſchrieben, um den ſich viele Flieger bewarben.
Im weſentlichen waren aber die zwei letzten Tage mehr eine Konkur=
renz
zwiſchen Martens und Botſch, den Lenkern des Strolch und des
Konſul. Noch am ſpäten Abend unternahm Martens von der Nord=
kuppe
einen Flug, der ihn weit ins Untertal über acht Kilometer von
der Abflugſtelle führte.
wb. Von ber Waſſerkuppe, 1. Sept. In ſpäter Nacht=
ſtunde
wurde geſtern die Preisverteilung für den Rhönſegelflug=
Wettbewerb. vorgenommen.
Der Große Rhönſegelflugpreis iſt noch nicht vergeben
worden. Die Konkurrenz bleibt bis zum 30. September offen. Da=
gegen
wurden folgende Anerkenungspreiſe für Höhenflüge ver=
geben
: 1. Hackmach, 300 Meter über den Standpunkt, 25 Millionen;
2. Stammer, auf Weltenſegler, 180 Meter, 15 Millionen; 3. Tho=
mas
=Darmſtadt, 80 Meter, 10 Millionen Mark.
Den 1. Preis für die größte Flugſtrecke in Höhe von 30
Millionen erzielte Martens. Zweiter wurde Hackmack, dem 20 Millionen
zuteil wurden. Dritter wurde ein jugendlicher Darmſtädter
Flieger, der 10 Millionen Mark erhielt.
Der Zweiſitzerpreis (40 Millionen Mark) wurde der Akademi=
ſchen
Fliegergruppe Darmſtadt unter Führung von
Hoppe zugeſprochen.
Sonderpreiſe erhielten u. a.: Für die größte Flugſtrecke Martens
den Dr. Antzen=Preis von 500 däniſchen Kronen; Hackmack für perſön=
liche
fliegeriſche Leiſtungen die Ehrenmedaille des Deutſchen Luftfahrer=
Verbandes. Martens erhielt ferner für ſeinen geſtern abend ausgeführ=
ten
Achtkilometerflug, 50 Goldmark. Die Preiſe für verſchiedene Ge=
ſchwindigkeiten
erzielten Martens (50 Dollar) und Boſch für die gün=
ſtigſte
Leiſtung der letzten Tage, und der junge Spieß=Darmſtadt,
dem 40 Millionen zugeſprochen wurden.
Zum Schluß ſprach Konſul Dr. Kotzenberg=Frankfurt, der
eifrige Förderer der Rhönſegelflüge, den Piloten für ihre Leiſtungen
und allen Mitarbeitern Dank und Anerkennung aus und munterte zu
neuer Arbeit bei dem neuen Wettbewerb auf.

Fußball.
Sportverein DarmſtadtPhönix=Karlsruhe 2:1.
Karlsruhe hatte ſeine Anziehungskraft bewieſen. Zahlreich waren
die Darmſtädter Fußballanhänger im Stadion erſchienen, um Zeuge
eines feſſelnden Spieles zu ſein. Die Erwartungen wurden jedoch ent=
täuſcht
, aber nicht in ſpieleriſcher Hinſicht. Das Wetter hatte einen
böſen Strich durch die Rechnung gemacht, und deshalb war es jammer=
ſchade
, da die hohen Erwartungen ſicher erfüllt worden wären. Das
Spiel begann mit wirklich guten Leiſtungen, die jedoch beiderſeits zu=
rückgingen
, als ein plötzlich niedereraſſelnder Regen alle Leiſtungen zu=
nichte
machte. Sicher wäre ſenſt von Anfang bis Ende ein Spiel durch=
geführt
worden, an dem man ſeine Freude gehabt hätte. Darmſtadt
war in der meiſten Zeit überlegen und holte durch Müllmerſtadt das
erſte Tor. Karlsruhe ſetzte den heute gut ſpielenden Darmſtädtern
kraftvolle Angriffe entgegen. Die linke Seite von Karlsruhe kam wie=
derholt
gut durch; infolge eines Fehlers der Darmſtädter Verteidigung
gelang es auch bald, durchzuziehen (1:1). Dann mußte das Spiel wegen
des einſetzenden Unwetters nach halbſtündiger Spielzeit abgebrochen
werden. Als der Negen etwas nachließ, traten ſich die beiden Mann=
ſchaften
zur zweiten Halbzeit gegenüber. Infolge des naſſen und durch=
geweichten
Bodens kam ein beſonders glänzendes Spiel nicht mehr zu=
ſtande
. Die Spieler waren völlig durchnäßt und kämpften dem Ende
zu. Darmſtadt iſt in dieſer Zeit wieder überlegen; eine Flanke Frick
bringt dem Torwächter den Ball in die Hände, der Ball, der zu ſcharf
geſchoſſen iſt, entgleitet ihm jedoch und kommt in das Tor. Karlsruhe
will unbedingt das Spiel gewinnen, die Einheimiſchen ſind jedoch auf
der Hut und laſſen zum Schluß ihren Gegner nicht mehr aufkommen.
Ihre beſten Leute waren die ballſicheren Verteidiger und der Links=
außen
. Darmſtadt war auf ſeiner Höhe. An einem Sieg über den
Altmeiſter war nicht zu zweifeln.
Vor dieſem Spiele fand ein Spiel der 1. Jugendmannſchaft des
Sportvereins gegen die der Turngemeinde 1846 ſtatt. Sportverein
konnte dies Spiel mit 3:2 gewinnen.
V. f. R. e. V., Darmſtadt.
Olympia=Lorſch Meiſter des Kreiſes Odenwald in
Klaſſe A 1922/23, heute beim V.f.R. als Gaſt. In letzter Stunde iſt es
dem V.f.R. gelungen, den Gaumeiſter für heute nach Darmſtadt zu
gewinnen. Lorſch iſt bekannt nach der angenehmen Seite. Als Meiſter
des Gaues Bergſtraße errang es ungeſchlagen die Kreismeiſterſchaft.
Das ſagt alles. Das Spiel findet heute nachmittag auf dem Platz des
V. f. R. (Exerzierplatz) ſtatt.
Rad= und Kraftfahren.
Rennbahn=Propaganda=Flieger= und Motorradrennen.
Um den Gerüchten, wonach die Rennbahn=Propaganda=Flieger=
und Motorradrennen der Darmſtädter Rad= und Motorradſportvereine
infolge der weiter vorgeſchobenen Beſetzung verlegt worden ſeien, ent=
gegenzutreten
, ſei kurz mitgeteilt, daß die Rennen heute nachmittag um
2 Uhr in vollem vorgeſehenen Umfange durchgeführt werden, und iſt die
bereits gemeldete Teilnehmerzahl von 70 Fahrern durch weitere Nach=
meldungen
weit überſchritten.
Es ſtehen dem Darmſtädter Sportpublikum heute auf der proviſo=
riſchen
Rennbahn Eſchollbrücker Straße einige wirklich gute, hervor=
ragende
Sportkämpfe bevor, und ſollte kein Sportsmann die Werbe=
veranſtaltung
der hieſigen Radſportler verſäumen.
Sollte die Witterung die Rennen unmöglich machen, ſo finden dieſe
am Sonntag, den 16. September, auf der gleichen Strecke und in genau
demſelben Rahmen ſtatt. Ausführliche Rennprogramme ſind an dem
Reunplatz erhältlich.
Das Beste Rittel
das Haar gesund zu erhalten, die lästige Schuppenbildung zu ver-
hüten
und dadurch das Wachstum der Haare zu fördern, sind regel-
mäßige
und sorgfältige Kopfwaschungen mit dem altbekannten
Schaumpon mit dem schwarzen Kopf! Dieses ärztlich G
empfohlene und millionenfach bewährte Fabrikat ist unter Ver-s
wendung der besten Rohstoffe zusammengesetzt und gibt dem 2
Haar seidigen Glanz und üppige Fülle. Beim Einkauf achte man
stets auf die Schutzmarke Schwarzer Kopf denn nur sie
bietet Gewähr für das echte und gute Fabrikat. Uberall erhältlich.
Tageskalender.
Sommerſpielzeit Bruno Harprecht (Kl. Haus), abends
7½ Uhr: Charleys Tante‟: 101 Uhr: Man ſoll nie heiraten.
Orpheum, 734 Uhr: Die tolle Lola. Herrngarten, um
11 Uhr: Promenadekonzert. Naturheilverein 3 Uhr im
Luftbade am Lichtwieſenweg: Gartenfeſt. Städtiſcher Saal=
bau
: Tanz. Rummelbräu: Konzert und Tanz. Union=,
Reſidenz=, Zentral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele; Kinovorſtellungen.
Verſteigerungskalender Montag, 3. September:
Mobiliarverſteigerung vorm. 10 Uhr im Hauſe Soder=
ſtraße
Nr. 14, 1 Tr.
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik und
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, Stadt und Land,
Reich und Ausland: Max Streeſe; für den Inſeratenteil:
J. V. A.. Fleiſcmann, ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Nummer hat 8 Seiten
und Unterhaltungsblatt.

Unserem Wolfgang hat stch
ein gesundes Schwesterchen
gesellt.
Fritz Schäfer und Frau
Elisabeth Ruth, geb. Hörr.
Darmstadt, im August 1923.
(224012

Dte Verlobung meinee Tochter Marte mit
Herrn cand. chem. Willy Seck aus Höchst a. M.
zeige ich hiermit an
(7203
Karl Hebermehl
Rechnungsdirektos
Darmstadt, im September 1923.
Heinrichstrasse 99.

nes geſunden Jungen zeigen
hocherfreut an

Willy Volke u. Frau Frieda,
Kammermuſiker
geb. Hock.
Darmſtadt, 1. Septem ber 1923.
Schloßgartenſtr. 51
(*24037

Als Verlobte grüßen
Helene Isking
Adolf Hedler

Statt beſonderer Anzeige.
Am Freitag Nachmittag entſchlief ſanft nach
ſchwerem Leiden meine treue, inniggeliebte Gattin,
unſere herzensgute Mutter und Schwägerin

geb. Wenske.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Oskar Matzelt.
Die Beerdigung findet Dienstag, nachmittags=
2 Uhr, von der Kapelle des Darmſtädter Fried=
hofs
, Nieder=Ramſtädterſtraße, aus ſtatt. (7233

Statt Karten.
Die Verlobung unserer Tochter Mar-
garethe
mit Herrn Diplom-Ingenieur Richard
Krueger beehren wir uns bierdurch an-
zuzeigen

(*23623
Rechnungsrat Heinrich Habich
und Frau Berta, geb. Vetter.
Eberstadt b. D., im September 1923.

Thre am Sonntag, den 2. Septbr.,
2 nachm, /2 Uhr in der Stadt-
kapelle
stattfindende Trauung
beehren stch anzuzeigen
Fritz jäger u. Frau Betty
geb. Nassau.
Nieder-Ramstädterstr. 65.
(*23984

Todes=Anzeige.
(Statt Karten.)
Nach längerem, mit großer Ge
duld ertragenem Leiden entſchlief
ſanft heute Nacht mein lieberMann,
unſer treuſorgender Vater, Schwie=
gervater
, Schwager u. Großvater
Herr
Georg Schön
Schloßinſpektor i. R.
Darmſtadt,
Eſſen,
Ludwigshafen a. Rh., 1. Sept. 1923.
Im Ramen d. trauernd. Hinterbliebenen:
Helene Schün, geb. Vogel.
Die Beerdigung findet Montag,
den 3. Sept., nachm. 3 Uhr, auf dem
Friedhof an der Niederramſtädter=
(*24030
ſtraße ſtatt.

Klein, wenig gebr.
Roederherd, zu verk.
Klappacherſtr. 11, I. (

mit Verdeck in großer
Auswahl ſehr billig
abzugeben. (*23983
Kaffenberger
Riedeſelſtraße 39.

doppel. Federg., neu,
umſtändeh. z. verkauf.
Beſier, Roßdörferſtr. 81.
(*24024
2. Stock.
kaufen.
heilgerſtr. 92, I. I.

Todes=Anzeige.
Hiermit allen Verwandten und
Bekannten die traurige Mitteilung,
daß heute Vorm., am 1. Septbr.,
unſer guter Vater, Großvater und
Schwiegervater
Martin Kröh
Wagenwärter i. R.
nach langem ſchweren Leiden im
84., Lebensjahre ſanft entſchlafen iſt.
Im Namen
der trauernden Hinterbliebenen:
Familie Erwin Becker.
Darmſtadt, den 1. Sept. 1923.
Die Beerdigung findet am Diens=
tag
, den 4. Sept., nachm. 2½ Uhr,
vom Friedhofe, Nieder= Ramſtädter=
ſtraße
, aus ſtatt, (7236
Beileidsbeſuche dankend verbeten.

Guterhalt. Herrenrad / Ein gebrauchter weiß=
zu
verkaufen (Marke emaill. Herd zu ver=
Adler). Stiftſtraße83, kaufen. Müller, Ar=
*BMB heilgerſtr. 33, (*23980

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt

2. September 1923 Nr. 242

Wirtſchaſtliche Rundſchau.
* Fünfzigjähriges Beſtehen der Aktiengeſell=
ſchaft
Lignoſe. Am 3. September 1873 wurde von den Herren Graf
Guido Henckel von Donnersmarck, Graf von Tiele=Winckler und General=
direktor
Bergrat Scherbening die Aktiengeſellſchaft für Fabrikation von
Lignoſe gegründet, nachdem vorher in der Nähe von Berlin die Fabri=
kation
des durch Nitrieren von Holzſtoff gewonnenen Sprengſtoffes Lig=
noſe
aufgenommen und von dort nach Kruppamühle O.=S. verlegt
worden war. Dieſer Name lebt in der heutigen Firmenbezeichnung der
Geſellſchaft fort, welche wärhend des Krieges die Bezeichnung Ober=
ſchleſiſche
Sprengſtoff=Aktiengeſellſchaft geführt hat. Im Laufe der
Jahre fand eine bedeutende Erweiterung der Fabrikanlagen an ver=
ſchiedenen
Orten ſtatt. Um durch die Geſellſchaft den Bedarf der an dem
Unternehmen beteiligten Bergwerksbetriebe an Pulver, Sicherheits=
Sprengſtoffen, Dynamit uſw. decken zu können, wurde die Pulverfabrik
Kriewald, ſpäter die Pulverfabrik Pniowitz O.=S. die Dynamitfabrik
Altberum O.=S. und die Zündſchnurfabrik Wennigſen in Hannover er=
worben
. Im Jahre 1913 kam die von der Firma A. u. W. Allendorff
in Schönebeck a. E. betriebene Sprengſtoff= Sprengkapſel= und Trinitro=
toluol
=Fabrik dazu, ſpäter die Fabrik elektriſcher Zünder in Bensberg
bei Köln, ſowie die ſeit 1695 beſtehende Pulverfabrik Reichenſtein in
Schleſien. Die Geſellſchaft iſt ſomit heute in der Lage, alle für den
Bergbau erforderlichen Sprengſtoffe und Zündrequiſiten ſelbſt herzu=
ſtellen
. Während des Krieges im Jahre 1915 wurde der Sitz
der Geſellſchaft nach Berlin verlegt. Der Ausgan des Krieges machte
die Umſtellung für diejenigen Betrieb erforderlich, die während des
Krieges für Armee und Marine tätig waren. Deshalb erweiterte die
Geſellſchaft ihr Fundament dadurch, daß ſie in Schönebeck a. E. die
Munitionswerke, in Suhl in Thüringen eine Fabrik für die Herſtellung
von Jagdwaffen und Piſtolen, ferner in Zerbſt in Anhalt eine Seifen=
fabrik
, ſowie in Barmen eine Glyzerinfabrik erwarb. Zu dem Lignoſe=
Konzern gehören ferner die Weſtlignoſe=Aktiengeſellſchaft mit ihren bei=
den
Fabriken in Büchen (für Dynamit und Sprengſtoffe), die Lignoſe=
film
=G. m. b. H., die eine Fabrik für Nitrozelluloſe und Rohfilm in
derſelben Gegend hat, ferner die Lignoza Spoka Akeyina mit dem
Sitz in Kattowitz. Auch ſind dem Konzern große land= und forſtwirt=
ſchaftliche
Betrieb angeſchloſſen.
h. Schultz=Grünlack A. G., Rüdesheim a. Rh. Die
Sektkellerei=Firma beantragt Kapitalserhöhung um 28 Millionen Mk.
Stammaktien unter Umwandlung der beſtehenden Vorzugsaktien in
Stammaktien, ſowie um 4 Millionen Mk. mehrſtimmigen Vorzugsaktien
auf insgeſamt 58,5 Mill. Mk.
* Mannesmann=Röhrenwerke A.=G. Die Geſellſchaft
kündigt die noch nicht ausgeloſten Teilſchuldverſchreibungen ſämtlicher
Ausgaben, ſowie die auf die Geſellſchaft übergegangenen Obligationen.
Die Geſellſchaft erklärt ſich jedoch bereit, den Obligationsinhabern
Dollarſchatzanweiſungen auszuhändigen, und zwar: 5 8 für je 15 000 Mk.
Teilſchuldverſchreibungen bei Einreichungen bis zum 15. September, 5 8
für je 20 000 Mk. Teilſchuldverſchreibungen bei Einreichungen in der
Zeit vom 16. September bis 15. Oktober, 5 8 für je 25 000 Mk. Teil=
ſchuldverſchreibungen
bei Einreichungen in der Zeit vom 16. Oktober
bis 15. November 1923. Dieſe Vergünſtigung trifft auch diejenigen be=
reits
ausgeloſten Teilſchuldverſchreibungen der Anleihen der Gewerk=
ſchaften
Königin Eliſabeth, die am 1. November 1923, am 1. April bzw.
1. Mai 1924 zur Einlöſung fällig ſind, ſowie die verloſten der Gewerk=
ſchaften
Unſer Fritz, verloſt per 1. Januar 1924. Diejenigen Teilſchuld=
verſchreibungen
, die bis zum 15. November 1923 nicht eingereicht ſind,
werden ſpäter zu den bei Ausgabe der feſtgeſetzten Bedingungen ein=
gelöſt
.
*BerlinerWäſchefabrik A.=G., vorm. Gebr. Ritter,
Berlin. Die Geſellſchaft fordert die Aktionäre auf, das Bezugsrecht
auf Mk. 2,4 Mill. neue ab 1. Januar 1923 dividendenberechtigte Aktien
in der Zeit vom 28. Auguſt bis 12. Sept. auszuüben. Auf nom. Mk.
10 000 alte entfallen nominal Mk. 3000 junge zu 16 000 Proz. zuzüglich
Schlußſcheinſtempel.
* Leux=Werke A.=G. für Schiff= und Bootsbau,
Frankfurt a. M. Die letzte a. o. G.=V. befaßte ſich mit der Er=
mächtigung
der Verwaltung zur Erhöhung des Grundkapitals. Von der
Verwaltung wurde ausgeführt, daß die wirtſchaftlichen Verhältniſſe eine
Erhöhung bis zu Mk. 200 Mill. notwendig machten, während urſprüng=
lich
eine Erhöhung auf Mk. 150 Mill. vorgeſehen war. Neuerdings hät=
ten
, wie ſchon berichtet, die Leux=Werke ein Areal von 45 000 Quadrat=
metern
am Oſthafen zu Werftzwecken von der Stadt erworben. Von die=
ſem
Areal ſei ein Drittel nicht hochwaſſerfrei, während zwei Drittel zur
Aufſtellung von Maſchinen für Werftzwecke beſtimmt ſeien. Zur Füh=
rung
dieſes neuen Betriebes ſei Erhöhung des Grundkapitals erwünſcht.
Die a. v. G.=V. erteilte die Ermächtigung zur Kapitalserhöhung in dem
erwünſchten Umfang. Generaldirektor Dr. Weindig wurde neu in den
Aufſichtsrat berufen.
* Bayriſche Braunkohlen A.=G., Kroßweil b. Kochel.
Die Verwaltung beantragt Erhöhung des Grundkapitals um Mk. 15 auf
Mk. 20 Mill. (A. o. G.=V. am 17. Sept.)
* Beratungen über neue Kalipreiserhöhungen.
Die Sechſer=Kommiſſion des Reichskalirates beriet kürzlich über die Feſt=
ſetzung
der Kalipreiſe. Durch die mit Wirkung vom 27. Auguſt einge=
tretene
Erhöhung der Kohlenpreiſe und der Bergarbeiterlöhne, ſowie die
Materialſteigerung ergibt ſich die Notwendigkeit einer Kalipreiserhöh=
ung
von rund 115 Proz. Mit Rückſicht auf die Ungewißheit der weite=
ren
Geſtaltung der Kohlenpreiſe in den nächſten Tagen, der Frachten und
der Löhne beſchloß die Kommiſion die endgültige Entſcheidung über das
Ausmaß der vorzunehmenden Erhöhung zu vertagen, um eine zwei=
malige
neue Feſtſetzung der Kalipreiſe innerhalb weniger Tage zu ver=
meiden
.
* Phönix A.=G. für Bergbau und Hüttenbetrieb.
Wir berichteten ſeinerzeit ausführlich über das Abkommen des Phönig
git der Holländiſchen Gruppe, demzufolge dem Phönix ein Kredit bis
zum Betrag von 10 Mill. holländiſcher Gulden eröffnet werden ſollte.
Mitteilungen zufolge konnte die im Juli ds. Js. beſchloſſene Verdopppe=
lung
des Aktienkapitals von 300 auf 600 Mill. bisher noch nicht durch=
geführt
werden, da gegen den Beſchluß der G.=V. von der kleinen Opp=
Stionsgruppe Anfechtungsklage beim Landesgericht Düſſeldorf erhoben
gurde, die noch nicht erledigt iſt. Dennoch iſt mit der Niederländiſchen
Bruppe ein Abkommen getroffen, wonach dem Phönix, unabhängig von
den Beſchlüſſen, die nötigen Mittel von der Holländiſchen Gruppe zur
Verfügung geſtellt werden.
* Neue Richtpreiſe für Dachpappe. Der Verband
Deutſcher Dachpappenfabrikanten hat am 29. Auguſt d. J3. die folgen=
den
neuen Richtlinien für Dachpappe feſtgeſetzt:
1. für Dachpappe mit 80er, 100er, 150er und 200er Rohpappeneinlage
0.83, 0,69, 0,48 und 0,38 Goldmark je Quadratmeter;
2. für Iſolierpappe mit 80er, 100er und 125er Rohpappeneinlage
1,51, 1,13 und 0,94 Goldmark je Quadratmeter.
Die Preiſe verſtehen ſich für waggonweiſen Bezug frei Verſandſtation
bei ſofortiger Barzahlung in Pabiermark. Die Umrechnung erfolgt
unter Zugrundelegung des amtlichen Dollargeldkurſes am Tage vor
der Zahlung. Außerdem ſind für Dacharbeiten unter Zugrundelegung
eines Dollarkurſes von 6,3 Millionen Mk. die folgenden Richtpreiſe her=
ausgegeben
worden:
1. für die Herſtellung eines doppellagigen Klebepappdaches aus einer
Lage 100der und einer Lage 150er Dachpappe 4 470 000 Mk.;
2. für die Herſtellung eines doppellagigen Kiespappdaches aus einer
Lage 100er und einer Lage 150er Dachpappe 4830 000 Mk.;
3. für das Ueberkleben eines alten Pappdaches mit einer Lage 100er
Dachpappe 2 950 000 Mk.;
4. für dem Anſtrich eines alten Pappdaches 335 000 Mk.
Dieſe Preiſe gelten für 1 Quadratmeter Dachfläche bei Arbeiten für
wenigſtens 1000 Quadratmeter Geſamtfläche am Platze des Ausführen=
den
unter normalen Verhältniſſen.
h. Vom Hypothekengläubiger=Schutzverband, für
das Deutſche Reich, Sitz Berlin, Geſchäftsſtelle Berlin=Biesdorf, Dorf=
ſtraße
21/22, geht uns die Nachricht zu, daß der Volkstag Danzig am
30. Juni 1923 ein Geſetz zum Schutze der Hypothekengläubiger erlaſſen
hat. Die Hypothekengläubiger im Deutſchen Reiche ſollten daher auch
Grundſchulden und Hypothekenſchulden ohne Aufwertung nicht mehr
löſchen laſſen. Ebenſo ſollte die Einlöſung von Obligationen und
Pfandbriefen ohne Aufwertung verweigert werden.
* Chemiſche Fabrik Grünau, Landshoff u. Meher
A. G. in Grünau bei Berlin. Die Geſellſchaft fordert zum Bezuge
von 2,5 Mill. Mk. neuen, ab 1. Januar 1923 dividendenberechtigten
Stammaktien auf. Auf nom. 4000 Mk. alte entfallen nom. 1000 Mk.
junge zu 1000 Prozent zuzüglich Börſenumſatz= und Bezugsrechtsſteuer.
Das Bezugsrecht iſt bis 10. September einſchließlich auszuüben.

A. G. für Lederfabrikation München. Die a.o. G.=
V. beſchloß Kapitalserhöhung um 130 Millionen Mk. ab 1. Juli 1923
dividendenberechtigter Stammaktien auf insgeſamt 203 Millionen Mk.
Von der in der letzten a.o. G.=V. beſchloſſenen Kapitalserhöhung um
bis zu 58 Millionen Mk. ſind bis 16 Mill. Mk. Stammaktien und 0,5
Mill. Mk. Vorzugsaktien begeben. Von dem Reſt der letzten Emiſſion
und den nunmehr zur Ausgabe gelangenden Aktien übernimmt die
Adler u. Oppenheimer A.G. in Berlin 15 Millionen Mk. Vorzugs=
Prozent. Für die Stammaktien legte die Adler u. Oppenheimer A.G.
Wertpapiere an. Die reſtlichen 10 Mill. Mk. neuer Stammaktien, ſo=
wie
die aus der letzten Emiſſion nicht begebenen 6 Mill. Mk. Stamm=
aktien
übernimmt die Baheriſche Handels= und Wechſelbank mit der
Verpflichtung, ſie im Verhältnis 3:2 zu 400 Prozent den bisherigen
Aktionären anzubieten.
Notverlängerung des Rhein.=Weſtfäliſchen
Kohlenſyndikats um 3 Monate. Die Vertragsperiode des
Syndikats, die bekanntlich am 30. Auguſt abgelaufen wäre, ſoll laut Be=
ſchluß
am 1. September um drei Monate verlängert werden. Es han=
delt
ſich bei dieſer Entſcheidung um eine durch die gegenwärtigen Ver=
hältniſſe
bedingte Notmaßnahme, da eine endgültige Regelung des
Rechtszuſtandes beim Kohlenſyndikat nicht möglich iſt. Die kurze Dauer
der Verlängerung läßt jedoch darauf ſchließen, daß die Reibungen inner=
halb
des Syndikats noch nicht beigelegt ſind.
Phänomenwerke Guſtav Hiller A.=G., Zittau. Die
Verwaltung gibt auf verchiedene Anfragen aus Aktionärskreiſen bekannt,
daß ſämtliche Betriebsabteilungen voll beſchäftigt ſind. Die Aufwendun=
gen
für den ſeit längerer Zeit in Betrieb genommenen Fabrikneubau
konnten aus eigenen Mitteln gedeckt werden, ſo daß hieraus keinerlei
Zahlungsverpflichtungen beſtehen. Im Neubau wurde die Fabrikation der
altbewährten Fahrräder in großem Umfang wieder aufgenommen. Grö=
ßere
Ablieferungen ſind bereits erfolgt. Die Nachfrage, insbeſondere
ſeitens der alten Kundſchaft bleibt ſehr rege, wobei der Geſellſchaft dem
flotten Abſatz entſprechend bedeutende Mittel zufließen. Auch in der
Automobilabteilung iſt die Beſchäftigung auf längere Zeit geſichert durch
reichliche Aufträge ſeitens des Reiches (Reparationslieferungen) und
ſeitens der Reichspoſt auf Phänomobill=Fahrräder. Aus dieſen Abliefe=
rungen
könnten auf längere Zeit mit bedeutenden wöchentlichen Zahlungs=
eingängen
gerechnet werden, ſodaß damit der Geſamtgeldbedarf für
Löhne und Neubeſchaffung der Materialien gedeckt werden kann.
* Weitere Kapitalserhöhung im Rückforthkon=
zern
. Die Raſtenburger Brauerei A.G., Raſtenburg in O.=Pr. und
das Bürgerliche Brauhaus in Inſterburg beantragen Kapitalserhöhung
auf der zum 20. September einberufenen a.o. G.=V. um je 25 Mill. M.
Stammaktien. Die Kamenzer Brauerei in Kamenz ſchlägt Intereſſen=
gemeinſchaft
mit der Brauerei Zum Felſenkeller b. Dresden und Feſt=
ſetzung
der näheren Bedingungen dieſer Gemeinſchaft vor. Für den
Fall der Ablehnung dieſer Intereſſengemeinſchaft iſt Erhöhung des
Grundkapitals um 6 Mill. Mk. Stammaktien mit Dividendenberechti=
gung
ab 1. Oktober 1923 vorgeſehen. (A.v. G.=V. am 14. Sept.)
Die Tilſiter Aktienbrauerei in Tilſit beruft a.o. G.=V. am 20. Sept.,
die über Kapitalserhöhung um 28,9 Mill. Mk. Beſchluß faſſen ſoll.
Der Milliardenſchein. Jetzt wird in der Tat der Mil=
liardenſchein
angekündigt. Der Fünfhundertmillionenſchein iſt in
Arbeit, der Milliardenſchein in Vorbereitung. Die Reichsbank rechnet
alſo mit einer Fortdauer und Verſtärkung der Geldentwertung und
richtet ſich bei Zeiten darauf ein. Vor einem Jahre war im täglichen
Verkehr noch der Hunderter das herrſchende Zahlungsmittel; bei größe=
ren
Geſchäften trat der Tauſender in ſein Recht; aber der damals ge=
rade
aufgekommene Zwanzigtauſendmarkſchein wurde noch wie ein
Wundertier angeſtaunt. Jetzt ſind wir längſt zu den Millionenſcheinen
gekommen, die von dem Milliardenſchein abgelöſt werden ſollen.
* Die Lage des amerikaniſchen Eiſen= und Stahl=
marktes
. Das amerikaniſche Fachblatt Fron Trade Review, Cleve=
land
, Ohio, kabelt über die Lage des amerikaniſchen Eiſen= und Stahl=
marktes
: Die Preis= und Marktlage iſt im allgemeinen unverändert,
nur verurſacht der Wettbewerb in einigen Bezirken ein Nachgeben der
Preiſe für Gießerei=Roheiſen. Gießerei= und Stahl=Roheiſen koſten jetzt
gleichmäßig 25 Dollar. Die Abſatzziffern für Roheiſen jeder Sorte über=
ſtiegen
im Auguſt diejenigen für Juli. Der Fertigſtahlmarkt iſt durch=
weg
feſt. Allein in Profileiſen wurden in der vergangenen Woche
48000 To. beſtellt. Die Oelinduſtrie iſt weiter mit umfangreichen An=
fragen
auf Grobbleche am Markte. Dagegen wurden mehrere Schiff=
bauprojekte
für die Großen Seen zunächſt zurückgeſtellt. Das Schienen=
geſchäft
iſt weiter lebhaft, dagegen gehen die Aufträge auf Lokomotiven
und Eiſenbahnwagen ſcharf zurück. Die Ausfuhrziffer zeigt zwar für
Juli einen Rückgang gegenüber Juni, war aber immer noch doppelt ſo
hoch als im letzten Jahr. Das Ferromangangeſchäft iſt luſtlos bei einem
Preiſe von Dollar 107,50. Die Verkürzung der Arbeitszeit wird vor=
ausſichtlich
eine Befeſtigung des Marktes bewirken. Es liegen umfang=
reiche
Projekte für neue Bauten vor.
* Türkiſche Staatsſchulden. Der Finanzminiſter von An=
gora
gibt die innere und äußere Schuld auf zuſammen X 280 Mill. an.
von 2 42,38 Mill. auf die unifizierte Schuld entfielen.
* Einziehung von 10=Dinarnoten in Jugoſlawien.
Der jugoſlawiſche Finanzminiſter hat die ſofortige Einziehung der vom
Staat ausgegebenen 10=Dinarnoten angeordnet. Der Austauſch muß
innerhalb von 10 Monaten beendet ſein.
Dividendenvorſchläge.
* Iſaria Zählerwerke A.=G., München. Die Geſellſchaft
ſetzte die Dividende auf 400 Prozent feſt. Ueber die Börſeneinführung
der Aktien wurde mitgeteilt, daß bei einer Rundfrage ſich die Mehrheit
der Aktionäre gegen eine Einführung ausgeſprochen habe. Es fehlen
daher der Verwaltung die Stücke zur Einführung.
Banken.
* Getreidekreditbank A.=G., Berlin. Die a. v. G.=V
vom 27. Auguſt beſchloß Erhöhung des Grundkapitals um 2 auf Mk. 3
Milliarden, die an der Dividende für das laufende Geſchäftsjahr teil=
nehmen
. Die neuen Aktien werden von einem Konſortium zu 15 000
Prozent mit der Verpflichtung übernommen, ſie den alten Aktionären
im Verhältnis 1:2 zu 18000 Prozent zum Bezug anzubieten,
Warenmärkte.
h. Mannheimer Wochenberichte. Getreide. Durch
die hohen Steuerbeträge, die die Landwirtſchaft bis zum 1. September
entrichten mußte, kam etwas mehr Material an den Markt, das aber
nur ſchwache Abnahmeneigung fand. Die Deviſenhauſſe hat die Preis=
forderungen
ſo in die Höhe getrieben, daß es niemand wagt, Käufe ab=
zuſchließen
. Die Lage iſt zu unſicher. Alle Anzeichen deuten auf die
ſchon lange angekündigte Wirtſchaftskriſe hin und das Reich wird mit
ſeinen ihm durch die Goldanleihe, die Deviſenabgabe, die Rhein= und
Ruhrabgabe und die hohen Steuern zufließenden Mitteln alles auf=
wenden
, um ſtabilere Verhältniſſe zu ſchaffen. So ſtand die ganze
Börſenwoche unter dem Zeichen der Zurückhaltung, aber trotzdem gingen
die Preiſe wiederum um etwa 100 Prozent in die Höhe, nämlich Weizen
von 2022 auf 3843 Mill. Mk., Roggen von 1516 auf 2729 Mill.
Mk., Braugerſte von 1416 auf 2627 Mill. Mk., Hafer von 1416 auf
2426 Mill. Mk., alles pro hundert Kilo bahnfrei Mannheim. Aus=
ländiſche
Offerten in Weizen wie in Roggen, die zu Beginn der Woche
um zirka 4 bezw. 2 Mill. Mk. höher am Markte lagen, wurden gegen
Ende zurückgezogen, da bei der koloſſalen Deviſenſteigerung die Diffe=
renz
zwiſchen Auslands= und Inlandspreis, obwohl man ſich mit dem
letzteren bemühte, Schritt zu halten, immer größer wurde und bei der
ſtarken Deviſenrepartierung auch keine Ausſicht beſtand, Deviſen für
Auslandskäufe zu erhalten, da nach der eben beendeten Getreideernte die
Notwendigkeit nicht beſteht und dieſe auch nicht preisdrückend wirken
könnten. An neuer Ware kam bis jetzt hauptſächlich nur Sommergerſte
und Wintergerſte heraus, die man mit 30 bezw. 28 Mill. Mk. pro 100
Kilo bewertete.
Mehl. Die Stimmung am Mehlmarkt war die ganze Berichts=
zeit
hindurch feſt. Die Mühlen halten bei den hohen Getreidepreiſen
wie mit dem Einkauf von Getreide ſo auch mit dem Verkauf von Mehr
ſtark zurück und nur die zweite Hand befriedigt die allerdings auch
ſchwache Nachfrage. Der Konſum iſt bei einem Mehlpreis von 350= bis
500 000 Mk. pro Pfund ſtark zurüückgegangen, zumal ſich die Kartoffel=

nor durch ausländiſche Zufuhren etwas behoben hat. Weizenmehl Spezial=
Null verteuerte ſich von 3739 auf 6570 Mill. Mk., ja man nannte
ſogar Preiſe bis zu 80 Mill. Mk., Roggenmehl von 30 auf 50 Mill.
Mk. pro Doppelzentner bahnfrei Mannheim.
Futtermittel. Das Geſchäft hielt ſich bei feſter Tendenz in
ſehr engen Grenzen; das Angebot war auch klein. Für Kleie wurden
16 gegen 89 Mill. Mk., für Biertreber und Malzkleie 15,516 gegen
7,58,5 Mill. Mk., für Rohmelaſſe 1213 gegen 88,5 Mill. Mk. in der
aktien zu 1000 Prozent und 160 Mill. Mk. Stammaktien zu 187 500 Vorwoche pro 100 Kilo gefordert. Auf dem Raufuttermittelmarkt kam
Heu nicht zum Angebot. Das zweite Heu=Erträgnis kommt eben zur Ab=
erntung
. Stroh hat ſich im Preiſe um das Dreifache erhöht, nämlich
Preßſtroh von 1,51,9 auf 5 Mill. Mk., Bundſtroh von 1,41,8 auf 4
bis 4,5 Mill. Mk. pro Doppelzentner waggonfrei Mannheim.
Kolonialwaren. Daß ſich bei dieſen rein ausländiſchen Er=
zeugniſſen
, denen keine inländiſchen Produkte gegenüberſtehen, die neueſte
Deviſenhauſſe am ſtärkſten ausgewirkt hat, iſt leicht erklärlich. Die Hal=
tung
des Marktes iſt andauernd feſt und die Preiſe ſteigen von Tag zu
Tag. Der Abſatz beſchränkt ſich auch weiter nur auf den reinen Bedarf
und iſt deshalb auch klein, weil der Konfum ſich auch hier die äußerſte
i2 Kauftätigkeit
Beſchränkung im Einkauf auferlegt und immie: n=
auf
Kleidungsſtücke richtet.
Tabak. Die Ernte=Ausſichten geſtalten ſich immer günſtiger. Zu
den ausreichenden Niederſchlägen herrſcht immer wieder Sonnenſchein
und die Tabake können ſo zu ihrer vollen Entwicklung kommen. Die
Tabake ſtehen heute trotz der langen ungünſtigen Witterung gegen
frühere Jahre nicht mehr zurück. Nun kommt die Ausreifung der
Tabake und da wäre ein ſchöner Nachſommer ſehr erwünſcht. In 1922er
Bauerntabaken wurden wviederum einige Poſten verkauft, diesmal zu
65 Mill. Mk., was eine Preiserhöhung um 20 Mill. Mk. oder zirka
50 Prozent gegen die Vorjooche ausmacht. Von Handelsgeſchäften in
anderen Tabaken wurde nihts bekannt. Die Nachfrage nach Fabrikaten
in höchſter Preislage hat ſih; abgeſchwächt, dagegen beſteht ſie für bil=
ligere
Zigarren und Rauchtshake fort, obwohl der Konſum ſtark nachge=
laſſen
hat. Der Kleinhande), iſt ſtark ausverkauft, die Beſtände ſind
nahezu geräumt. Eine Auffüllung war bei der pekunjär ſchlechten Lage
des Kleinhandels, der zeitweiligen Verkaufsſperre der Fabrikanten ſo=
wie
bei der ſtändigen Steigerung der Einkaufspreiſe nicht immer recht=
zeitig
möglich. Rippen ſind weiter ſehr ſtark geſucht trotz ſteigender
Preiſe.
Wein. Die weiter eingelaufenen Berichte aus den verſchiedenen
Weinbaugebieten deuten auf einen ſehr ungleichmäßigen Herbſt hin. Aur
oberen Gebirg der Hardt ſind in vielen Weinbergen die auswachſenden
Trauben von grauem Schimmel befallen, der ſich weiter auszubreiten
droht. Die Ausſichten dort ſind nicht mehr ſo roſiig wie vor Wochen.
Dazu tritt noch der Sauerwurm in bedenklicher Art auf. Aus der
Grünſtadter Gegend wird dagegen im allgemeinen nur Günſtiges ge=
meldet
. Der Behang iſt befriedigend und man rechnet auf eine mittel=
mäßige
Ernte. Die Trauben ſind ſchon anſehnlich dick, hängen bereits
und gehen in den Wein, d. h. ſie bekommen Saft und werden durch=
ſichtig
. In der Deidesheimer Gegend trifft man ſchon reife ſchwarze
Frühtrauben und gefärbte Portugieſer an. Die Quantität wird auch
hier klein ausfallen, doch das Vorhandene entwickelt ſich recht gut. Vom
Rhein werden die Ausſichten als recht ungünſtig bezeichnet. Die wochen=
lange
, kalte Regenzeit hat die Geſcheine ſehr verkümmert; die meiſten
fielen ab. Den wenig verbliebenen Träubchen ſteht noch die ſchlimme
Zeit des Sauerwurms und der Peronoſpora bevor. Im Rheingau wird
es alſo wenig Wein geben. Beſſer ſieht es an der Nahe aus. Die
Stöcke ſind dort gut durch die Blüte gekommen. Im Handel war es
bei der allgemeinen Preisſteigerung ſehr ruhig. Die Winzer hielten
beim Verkauf ſehr zurück, da ſie immer glaubten, zu billig zu verkaufen.
Mit dem Heranrücken des Steuertermins wurde es aber anders. Das
Geſchäft belebte ſich, da mancher Weinbeſitzer zur Erfüllung ſeiner
Steuerverpflichtungen Wein verkaufen mußte und die Gelegenheit bei
den hohen Preiſen auch ſehr günſtig war. So kamen anſehnliche Wein=
vorräte
in den Handel, die von dieſem auch zu den höchſten Preiſen
ſchlank abgenommen wurden.
Hopfen. Das Geſchäft kommt wieder mehr in Fluß. Die Produ=
zenten
geben aber nur in kleinen Partien ab: jedenfalls nur ſoviel, als
ſie bare Mittel benötigen. Für württembergiſchen Hopfen wurde letzte
Woche in Tettnang 320350 Mill. Mk. pro Zentner bezahlt.
Obſt. Die großen Zufuhren an Obſt können den noch ſtärkeren
Bedarf nicht decken. Es herrſcht ein wahrer Hunger nach allen Sorten
Obſt. Die geforderten Preiſe werden auch ſchlank bewilligt. Bezahlt
wurden in der Pfalz für Falläpfel 810 000, Kochäpfel 3035 000, Tafel=
äpfel
2050 000, Kochbirnen 3050 000, Tafelbirnen 4050 000, Mira=
bellen
4560 000, Pflaumen 30 000, Reineclauden 4050 000, Zwetſchgen
3035 000, Tomaten 300 000 Mk., alles pro Pfund, Brombeeren 30 bis
40 000 Mk. pro Schoppen.
wb. Berliner Produktenbericht. Am Produktenmarkt
machte ſich ein lebhaftes Intereſſe für Roggen geltend. Die Reichs=
getreideſtelle
kaufte große Poſten. Vormittags wurde zu geſtrigen Prei=
ſen
gehandelt, dagegen zogen mittags die Preiſe wieder an, wozu auch
die Feſtigkeit der Deviſen im Freiverkehr beitrug. Weizen mußte bei
geringem Angebot ebenfalls etwas teurer bezahlt werden, zumal auch
Vor dem Kriege betrug die Türkiſche Staatsſchuld & 462,12. Mill., wo= der Begehr nach Mehl ſich weiter vermehrt hat. Für Gerſte herrſchte
vielſeitige Kaufluſt. Mais hatte ruhiges Geſchäft. Hafer ſtellte ſich
etwas höher im Preiſe trotz ziemlich reichlichen Angebots. Oelſaaten
und Futterſtoffe behaupteten bei ruhigem Geſchäft ihren Preisſtand.
Börſen.
* Frankfurter Börſenbericht vom 27. Aug. bis 1. Sept.
(Mitgeteilt von der Deutſchen Bank, Filiale Darmſtadt.) Wiederum
iſt innerhalb einer Woche der Wert der deutſchen Mark auf etwa die
Hälfte des vorherigen Standes geſunken und der Dollar hat einen Kurs
von über 10 Millionen erreicht. Bemerkenswerterweiſe lagen in den
letzten Tagen die inländiſchen Deviſenkurſe meiſt etwas über der aus=
ländiſchen
Parität, ſo daß man ihre raſche Steigerung wohl in erſter
Linie auf den ſtarken Deviſenbedarf der Rohſtoff=Einfuhr zurückführen
darf. Man verweiſt in dieſem Zuſammenhange beſonders auf den
Kohlenimport aus England, der z. B. allein für die Aufrechterhaltung
des Eiſenbahnverkehrs gewaltige Beträge erfordert. Im übrigen machte
ſich beſonders aus dem Rheinland außerordentlich ſtarke Nachfrage nach
ausländiſchen Zahlungsmitteln bemerkbar, und die Vermutung, daß es
ſich dabei teilweiſe um verſchleierte Markabgaben des Auslandes zu
politiſchen Zwecken handle, iſt nicht ganz von der Hand zu weiſen. Das
furchtbare Anwachſen der Notenflut, das momentan zu einer am Ultimo
beſonders auffallenden Geldflüſſigkeit geführt hat, trug natürlich eben=
falls
zur weiteren Entwertung der Mark mit bei. Dieſe Geldflüſſigkeit
beſtimmte auch in hohem Maße die Haltung der Effektenbörſe, indem
ſie es beſonders dem Publikum ermögölichte, umfangreiche Kaufaufträge
an die Börſe zu geben. In Verbindung mit der immer ſchärfer wer=
denden
Materialknappheit führten dieſe zu einer äußerſt lebhaften
Hauſſebewegung, die an allen drei Börſentagen anhielt und das Kurs=
niveau
auf beinahe allen Gebieten etwa verdoppelte. Am meiſten begehrt
waren wieder die Montanwerte, von denen eine ganze Anzahl den Kurs
von 100 Millionen Prozent erreicht, oder überſchritten haben, und zwar
erſtreckte ſich das Intereſſe nicht nur auf weſtliche Werte, ſondern ebenſo
ſehr auch auf einige oberſchleſiſche Papiere. In ähnlichem Maße waren
die Aktien der großen chemiſchen Induſtrie geſteigert, ſowie die zu dem
Stinneskonzern gehörigen elektriſchen Werte. Auch Schiffahrts= und
Bankaktien hatten durchweg gewaltige Kursſteigerungen aufzuweiſen,
während der Markt der Maſchinenwerte etwas ruhiger lag. Beſonders
lebhaft war das Geſchäft in allen Auslandswerten. Die am Ende der
Vorwoche hier eingetretene Abſchwächung wurde bereits am Montag
völlig ausgeglichen, und weiterhin erfuhren die Kurſe im Einklang mit
der Tendenz des Deviſenmarktes auch hier gewaltige Steigerungen.
Erſt im Verlaufe der Freitagsbörſe kam es hier auf dieſem Gebiete zu
einem Rückſchlag, als Gerüchte über eine veränderte Haltung der
deutſchen Regierung in bezug auf den paſſiven Widerſtand die Deviſen=
kurſe
fühlbar nachgeben ließen. Die Haltung der Induſtrieaktienmärkte
wurde durch dieſen Tendenzwechſel kaum mehr beeinflußt, obgleich die
Spekulation teilweiſe Realiſationen vornahm.
wb. Der Frankfurter Börſendorſtand gibt bekannt:
Im Monat September 1923 findet die Wertpapierbörſe jeweils Montags,
Mittwochs und Freitags ſtatt. An den übrigen Tagen, außer den vor=
gerannten
, iſt jeder Handel in Wertpapieren in den Börſenräumen
ſtreng unterſagt. Es werden nur Debiſen im Deviſenzimmer und die
Noten im Sitzungszimmer des Börſenvorſtandes außer an Samstagen
notiert.
wb. Im Berliner Deviſenfreiverkehr herrſchte vor=
wiegend
eine feſte Stimmung. Gelegentliche Ermäßigungen wurden
immer wieder von einer Beſſerung abgelöſt.

Bankgeschäft
Fernsprecher 1308, 1309

11L2V1U FUr
Aktien / Renten / Devisen / Sorten

Darmstadt
1 Luisenplatz

Ar4

[ ][  ][ ]

Rummer 242.

Darmſtädter Tagblatt, Sonnitag, den 2. September 1923.

Seite 2.

vock
meiſten
8. 9e
I war es
hiel

3)

Die Finanzen des Großherzogs.
Roman von Frank Heller.
Copyright bei Georg Müller Verlag, München.
(Nachdruck verboten.)

Mr. Iſaaes Gaſt verbeugte ſich zuſtimmend.
Kennen Sie ein Sprichwort, Profeſſor, fuhr der Finanz=
mann
fort, das beſagt, am ärgſten iſt die Fawitie? Ich kann
Ihnen ſagen, ich habe allen Grund, daran zu denken. Ah, wie
ich dieſen Menſchen haſſe, Profeſſor!
Sie haſſen alſo ein Familienmitglied, ſagen Sie haben
Sie deshalb nach mir annonciert?
Yes, Profeſſor, eben deshalb. Ich haſſe ihn tödlich.
Um alles in der Welt, ich hoffe, Sie glauben doch nicht, daß
ich eine Meuchelmörderagentur habe!"
Nein, das wohl nicht natürlich nicht. Uebrigens will
ich alle Extreme vermeiden. Ich bin ein gumütiger und fried=
liebender
Mann.
Sowie Mitglied des Parlamentes. Sie wollen alſo den
Menſchen nicht ermorden laſſen. Darf ich fragen, wie er heißt?
Adolf Hornſtein. Er iſt in den Beſitz von etwas gelangt,
was für mich viel wertvoller iſt, nämlich meiner Briefe an Mrs.
Bell. Wie es zugegangen iſt, weiß niemand; ob er ſie von Mré,
Bell oder von der Kammerjungfer bekommen hat. Mrs. Bell be=
hauptet
, die Kammerjungfer habe die Briefe geſtohlen und ſie
an Hornſtein verkauft. Ich vermute, daß es nicht Roſalie war,
ſondern ihre Herrin. Ich ſtehe ja nicht mehr in guten Beziehun=
gen
zu ihr. Roſalie iſt übrigens in Amerika, alſo ganz aus dem
Spiele. Die Hauptperſon iſt jetzt Adolf Hornſtein. Haben Sie
ſchon von ihm gehört, Profeſſor?
Hornſtein, Hornſtein ich weiß nicht. War das nicht
ein Hornſtein, der in dem Scheidungsprozeß zwiſchen Lord und
Lady Birchell eine Rolle geſpielt hat?
Ja, allerdings. Er war es, der Lady Alice die kompromit=
tierenden
Briefe des Lords in die Hand geſpielt hat. Und der=
ſelbe
liebenswürdige Herr droht nun, mich von meinem Wahl=
kreiſe
zu trennen. Sie wiſſen, daß am 22. Februar, alſo in einer
Woche, Neuwahlen für Lloyd Georges Budget ſtattfinden.
Mr. Jſaacs. Ihre Briefe würden ſich alſo micht zur Publi=
kation
im Wahlkreiſe eignen?
Nicht als Wahlaufruf, Profeſſor, darauf können Sie Gift
nehmen. Sie ſind ein bißchen zu ... hm . . . liberal im Stil,

ſogar für einen liberalen Kandidaten. Wenn Sie herauskämen,
wäre ich einfach im Parlament verraten und verkauft. Und auf
jeden Fall kann Hornſtein mein Leben zu einer Hölle machen
ſolange er ſie hat."
Solange er ſie hat, ja. Darum haben Sie alſo nach mir
geſchickt, Mr. Iſaacs?
Ves, Profeſſor, eben darum. Befreien Sie mich von Horn=
ſtein
, dann ..
Sie von Hornſtein befreien? Sie meinen Hornſtein von
den Briefen befreien! Und was dann?
Sie erwerben ſich meine ewige Dankbarkeit. Iſt das nicht
genug?
Es kommt ganz darauf an, welchen Ausdruck Sie ihr geben.
Ich bin ein armer Mann und verdiene mein Brot im Schweiße
meines Angeſichtes, der letzte Herbſt war ſchlimm für meine klei=
nen
Spekulationen. Eine Firma namens Walkley and
Smithers".
Habe das Vergnügen, ſie zu kennen. Ach ſo, Sie waren da
mirbeteiligt, Profeſſor? Das iſt ein Troſt für mich, daß ein ſo
ſchlauer Mann wie Sie ſich von ihnen dupieren ließ. Ich
ſelbſt . . .
Uebertreiben Sie nicht, Mr. Jſages, wie ſollte das Ei klüger
ſein als die Henne. In Geſchäften bin ich gegen Sie ein zullen=
des
Kind.
Mr. Iſages lächelte in ſeinen ſchwarzen Mephiſtobart. Es
war klar, daß das Lob ihn an einer ſchwachen Stelle getroffen
hatte.
Ach, ſagte er, Geſchäfte! Sie ſollten nicht glauben, was
für Geſchäfte einem manche Leute vorſchlagen! Sehen Sie ſich
einmal dieſen Brief an. Heute morgen gekommen.
Er warf dem weißhaarigen Profeſſor einen Brief mit aus=
ländiſcher
Marke zu. Dieſer öffnete ihn und ſah mit müdem
Blick die Unterſchrift an.
Für Seine Fürſtliche Hoheit von Minorca, Eſteban Pa=
queno
, Finanzminiſter, las er laut. Was in aller Welt, Sie
ſtehen in Geſchäftsverbindung mit dem Herzogtum Minorca,
Mr. Jſagcs? Ich glaubte, das wäre unter Ihrer Sphäre?
Ich ſtehe nicht in Geſchäftsverbindung mit ihnen, Profeſſor,
Das Großherzogtum Minorca möchte es nur gerne. Leſen Sie
den Brief, dann werden Sie ſchon ſehen.
Mr. Erneſt Jſaaes, Banquier, 27, Lombard Street, City
of London, England. Dear Sir, obgleich unbekannt mit Ihrer
hochgeſchätzten Firma . .. da ich von den Darlehen gehört habe,
mit denen Sie den ſerbiſchen Staat unterſtützt haben . . . mich
privatm an Sie mit einer Sache zu wenden, die für Sie als.

Finanzmann von Intereſſe ſein dürfte . . . Die derzeitige be=
drückte
Lage auf dem Fondsmarkt kann Ihnen nicht entgangen
ſein, und da in Ihrem Vaterlande infolge von Mr. Lloyds
Georges Budget noch Aergeres zu erwarten ſein dürfte . . . .
die Vorteile mehr und mehr hervortreten . . . . anſtatt von
Induſtriepapieren, die den unberechenbaren Fluktuationen des
Tages ausgeſetzt ſind . .. das Geld in zugleich ſicheren und
rendablen Unternehmungen zu placieren . . . Staatspapiere im
allgemeinen wenig begehrte Anlagepapiere ſind . . . der höchſte
Zins, den ſie tragen, 5 Prozent nicht überſteigt . . . . ſchlage ich
Ihnen im Hinblick darauf und in Ihrem und unſerem eigenen
Intereſſe ein Geſchäft vor, das die Solidität eines Staatspapiers
mit den größeren Erträgniſſen eines Privatunternehmens ver=
bindet
..
By Jove, Mr. Jſaaes, wäſſert Ihnen nicht ber Mund? Wer
auch dieſer Senjor Paqueno ſein mag, er ſchreibt ein verführe=
riſches
Engliſch.
Ja, wenn man nicht gehört hätte! Aber nur weiter,
Profeſſor!
.. aus den beifolgenden Tabellen hervorgeht, werfen
unſere Olivenpflanzungen von Jahr zu Jahr ein immer
reicheres Erträgnis ab. Die Ziffern für 1909 zeigen gegen
1900 eine Zunahme von 35 Prozent . . . . . natürlich über=
zeugt
ſein, daß ſie, als aus dem großherzöglich ſtatiſtiſchen
Bureau ſtammend, abſolut zuverläſſig ſind . . . Hm. wie
Sie ſehen, wird das jährliche Erträgnis derzeit auf 125000
Peſetas veranſchlagt . . . Ihnen im Namen des großherzog=
lichen
Finanzminiſteriums folgenden Vorſchlag zu machen ...
uns ein Darlehen von 600 000 Peſetas zu bewilligen, entweder
direkt von Ihrer Bankfirma zu übernehmen, oder von ihr zu
emittieren .
Eine minorcaniſche Staatsanleihe emittieren, Profeſſor!
Der Gedanke iſt ſchön, was?
.. . auf dreißig Jahre, zu einem Zinsfuß von 8einhalb
Prozent plus darüber hinaus als Verwaltungsſporteln für Sie
ein jährliches Drittel des Steuereinkommens beſagter Oliven=
pflanzungen
, welche Steuer als volle und ganze Sicherheit für
die Erfüllung der Amortiſations= und Zinſenzahlungen gegeben
wird. Nach großherzöglichem Dekrete aus dem Jahre 1885 iſt
eine Steuer von 30 Prozent dem Bruttoertrag aller Olivenpflan=
zungen
in Minorca und den dazugehörigen Inſeln auferlegt,
ein Einkommen, welches, wie wir durch beigelegte Ziffern ſchon
gezeigt haben, in ſtetigem und ſicherem Zunehmen begriffen iſt.."
(Fortſetzung folgt.)

Feupio ſieht nach Jahven noch genau
ſo aus wie im friſchen Zuſtande.
Rernſeifen ſchrumpfen zuſammen
und werden unanſehnlich.

109

Weiblich

Gebild.,
junge Dame
Anf. in Stenogr. u
Maſchinenſchr., ſucht
eign. Beſchäft. für
halbe Tage od. ſtun=
enw
. Angebote u.
A147 Geſchſt. (*20

Nach Holland.
Junges, tücht. Allein=
mädchen
ſucht Stel=
lung
im Haushalt.
Angeb. u. M. 126
Geſchäftsſt. (*24017

Alleinſt. Witwer
ſucht zur Führung
ſeines Haushaltes ein
älteres, tüchtig. Mäd=
Ben oder Fran für
alle häusl. Arbeiten
Leibaldmöglichſt. Ein=
Att.
Gefl. Anerbieten u.
H. 144 Geſch. (*24026
Geb., ſchaffensfreu=
dige
Dame ſucht tags=
über
Stelle in kleinem
fein. Haush. ( frauen=
los
), woſ. ihre Mutter
zeitweiſemitverköſtigt
wird. Ang. u. M. 134
Geſchäftsſt. (*24007

Alleinſt. Frau
vom Land, 30 J., m.
Kind, ſucht Stellung
als Haushälterin bei
einzeln. Herrn. (*:00=
Angebote u. M 130
an die Geſchäftsſt.

Männlich

Tüchtiger Kaufmam
übern. Buchhaltungs
arbeiten all. Art, Neu=
Enrichtg., Beitragen,
Reviſionen, Bilanzen,
Geſuche, Briefwechſ
Beratung in Bank= u.
Börſengefchäft. uſw.,
a. außerhalb, tag= u.
ſtundenweiſe. Angeb.
u. M 145 Geſchſt.

Weiblich

Sekretärin,
bewandert in Steno=
graphie
und Schreib=
maſchine
, geſucht.
Ang. unt. M. 119
Geſchäftsſt. (*23994

Perfekte

welche auch ſicher und
ſchnell im Rechnen iſt,
flotte u. ſchöne Hand=
ſchrift
beſitzt und ſich
zum Bedienen der
Kundſchaft eignet, v.
hieſiger Engrosfirma
per ſofort geſucht.
Angeb. unt. M. 135
Geſchäftsſt. (* 24009

Zeugnis=Abſchriften
Bäumer’s 57232
Maſchinenſchreibſtube,
Rheinſtr. 8. Tel. 1223
Nur Qualitätsarbeit!

Anſt., ehrl. Mädchen
od. Frau geſ v. 8b. n.
d. Spülen. Bismarck=
ſtraße
21, I. (*23989

Mädchen
bei hohem Lohn tags
über geſucht Soder
ſtraße 12. (* 24038

Zuverläſſiges Mäd=
chen
oder junge Frau
zur Mithilfe im Haus=
halk
geſucht. Beſcheid
Geſchäftsſt. (* 24008

Ordentliches
Mädchen
bis zu 18 J. bei gut
Behandlung u. guter
Bezahl. bis nach dem
Spül. geſ. Schweizer,
Wenckſtr. 1, III. (*24015

Ich ſuche per ſofort
vd. 15 September be
hoh. Lohn, gut. Be=
handlg
. u. Verpfleg
ält. tüchtig, ehrliches
Alleinmädchen
in kl. Haushalt und
Kinderfräulein
für nachmitt. aus gut.
Fam.zu1½jähr. Jung.
Vorzuſtellen mittags
von 1-3½ Uhr
Frau Chelius
Landgraf=Philipp=
Anlage 52, I. ( 2400

Frau
od. Mädchen
für tagsüberinHaus=
halt
(2 Perſonen) geſ
Näh. Geſchſt. (*23978

Perf. Bäglerin
ſowie einige
jüng. Mädchen
f. leichte Arbeiten geſ.
H. ront & Co.
Wäſchefabrik
ſtraße 15, (722

Ordentl., ſauberes

(*24040g1
geſucht.
Näh. Holzſtraße 22.

Männlich

Lohnbuch=
halter
(in)
ich. u. flotter Arbeiter.
geſ. Angeb. u. M 100
3931sg

2 Laufjungen
für ſof. geſ. Zu erfr.
bei Heſſ. Automobil=
Geſellſchaft A.=G.
Darmſtadt, Holzhof=
Allee 27.
(*23993

R
Lohn=
buchhalter

für einen größeren
Betrieb ſofort geſucht
Angebote mit Zeug
niſſen und Lebens=
auf
unter M 131 an
die Geſchſt. (7220go

m. ausgeprägt Ver
antwortungsgefühl f.
Vertrauenspoſten ge=
ſucht
. Schriftl. Mel=
dungen
unter M. 118
an die Geſchäftsſt. d.
Darmſt. Tgbl. (*wegi

Wohnungstauſch.
Geſucht wird eine
ſchöne 56 Zimmer=
wohnung
, part. oder
I. Stock, mit elktr
Licht, Bad ete. im
Südoſtviertel. (6196a
Gegeben wird eine
ſchöne gr. 4 Zimmer=
wohnung
mit reichl
Zubeh. im Oſtviertel.
Umzugskoſten und
Extra=Vergüt, nach
Vereinbarung. Ang
unter E 142 an die
Geſchäftsſtelle.

Bohnnngstauſch.
4=Zimmer=Wohnung
o. gr. 3=Z.=Wohnung,
mögl. Oſtviertel, geſ.
geg. hübſche bill. 3=Z.=
Wohn. i. Johannesv.
Umz. w. ev. verg. Ang.
u. M 79 Geſchſt. (*385

Frankfurt
Weſtend
einf. 4 Zimmer=Part.=
Wohnung m. 2 Manſ.
gegen herrſchaftliche
56 Zimmer= Woh=
nung
in Darmſtadt zu
tauſchen geſucht.
Ang. unt. M. 136
Geſchäftsſt.
7223

Moderne
5Zim.-Wohnung
mit Zubehör, 2. St.,
Geſchäftslage, Nähe d.
Hauptpoſt, geg. gleich=
große
od. größ. hier,
evtl. kl. Haus m. Garten,
zu tauſch. geſ. Näh. u.
MT 133 Geſchſt. (*2300

Tauſche 2 Zimmer
gegen 34 Zimmer=
Wohnung. (*23976
Harreus, Kiesſtr. 77,
Hinterh., 2. Stock.
Aüden
Großer, heller
Laden
in beſt. Verkehrslage
m. Nebenräum., Tor=
einfahrt
, Hof, Keller
Lagerraum, für jedes
Geſchäft geeignet.
Telephon, elektr. Licht
vorhanden, eventuell
Beteiligung, ſofort zu
vermieten. (*2398
L. Rothermel
Immobilien
Rheinſtraße 47.

Großer Laden
Zentrum geg. Gebot
ſofort abzutret. Ang.
.N2 Geſchſt. (*24045

HndM
mit vollſt. Verpfleg.
in gut. Hauſe an nur
beſſ. Herrn zu verm.
Sandſtr. 2, (7184sg
EEruddien
Weg. Auswanderung
Hleine Billg
bei Darmſtadt, zum
Alleinbewohnen, ſo=
gleich
beziehbar, für
30 Taufend Goldmark
zu verkauf. Auch kann
Käufer die Möbel auf
Wunſch mit überneh=
men
. Angebote unter
M. 140 a. d. Geſchſt.
erbeten. (7231ge

Soſelte
zum Goldwert
werden im Auf=
trage
ſof. zu kauf.
geſucht. Anmel=
dungen
erbitte an
Büro für Eigen=
heime
, Handſtr. 24, I.,
Darmſtadt, zu richten
Tel. 2853. (7138fg

Kleine Fabrik
Geschäftshaus
od. Wohnhaus
gogen Barzahl
zu kaufenges. (*24025
Diskr. zugesich.
Ang. M 143 Geschst.

mieten geſa

Gut möbl. Zimmer
v. Wohn= u. Schlafz.
ſ. ruhig. Dauermieter.
Genehm. des W.=A.
vorbeh. Angebote u.
M96 Geſchſt. (*2228

Zwei
möbl. Zimmer
mit Küchenbenutz
ſuchen wir f. einen
Beamten unſeres
Verlages z. 1. Ok=
tober
und bitten
um Angebote, (720
Verlagsanſtalt
Alexander Koch.
G. m. b. H.
Sandſtraße 16.

Mehrere meiner Beamten
ſuchen
für ſofort u. Mitte September
einige gut möblierte Zimmer.
Angebote mit Preisangabe erbeten
an ie Perſonal=Abteilung der Firma
(7219
E. Merck, hier.

OI Me
Zimmer
in gutem Hauſe von
ruheliebend., kinderl.
Ehepaar geſucht. Bett=
wäſche
vorh. Zeitgem.
Bezahlung. Angebote
a. Scholz, Riedlinger=
ſtraße
17, p. r. (*23978

Deutſch=Ausländer
ſucht 1 Zimmer f. ſof.
od. 15. Sept. Ev. Ein=
tauſch
m. gr. Zimmers
(Beſſungerviert.) geg.
klein, (Stadt). Ang. an
Dipl. =Ing. Heiman,
Hochſch. (Pförti.)

1od. 2 frdl. möblierte
Aramer
p. ſof. geſucht. (7211
Bahnbedarf
Aktien=Geſellſchaft
Blumenthalſtr. 24

Ver gibt ausgewieſ.
Zeamten, Witw., 42
Jahre, m. 3 Kind.,
in Darmſtadt (*23996
Unterkunft?
Angebote u. M 12
an die Geſchäftsſt.

Rheinſtr. 48, II. G. m. b.

Fernruf 1108

Wir ſuchen gegen ſofortige Barzahlung Etagen=
häuſer
, Geſchäftshäuſer, Villen und Obſtgärten.
Zu verkaufen:
Wohnhaus Martinsviertel
Wohnhaus Beſſungen
Etagenhaus Nähe Rhönring
Etagenhaus Nähe Stadtzentrum
Etagenhaus Nähe Künſtlerkolonie
Großer Obſtgarten Nähe Orpheum
Beteiligungen
Wir wirken mit bei Gründungen und Umwandlungen
von Unternehmen in Aktiengeſellſchaften. (*,zous

Statt Beſchlag=
nahme
!
Beſſ, kinderl. Ehe=
paar
(Beamte) ſuch
per ſofort
*24018
möbl. Schlaſzim
2 leere Zimmer
mit Kochgelegenhei=
in
beſſ. Hauſe gegen
beſte Bezahlung.
König, Kiesſtr. 103, pt.

Kaufe Jagdgewehr
Aullnng
Angebote u. M 139
Geſchäftsſt. (*24027

Me
material
Schienen, Geleiſe,
Weich., Drehſcheib.
ſowie Rollwagen,
w. auch reparatur=
bedürftig
, zu kaufen
geſucht. Ang. erb.
u. M. M. 631 a. Ala=
Haaſenſtein & Vogler,
Mannheim. (II,4815

Schaukelpferd
v. a. and. Spielzeug,
guterh., z. kaufen geſ.
Angeb. u. M 123 a. d.
Geſchäftsſt. (*23987

Gebrauchte
Schreibmaſchine
guterh., mod. Syſtem
privat zu kaufen geſ
Ang m. Preisang. u
a0ls
M 125 Geſchſt.

Gebr.
Herren=Fahrrad
mit od. ohne Bereif,
geſ. Ang. unt.
4o=
M 138 Gſchſt.

Bröß Reiſekoffer
zu kaufen geſucht.
Angeb. unter M. 141
a. d. Geſchäftſt. (*2022

Gbr. Handkoffer
u. Klapp=Kamera
z. kauf. geſucht. Ang.
N 3 Geſchſt. (*24043
Tiermarkt

2 erſtklaſſige
Milchziegen
3-4jährig, zu kauf. geſ.
Reſtaurant Bender
Darmſtadt. (*24004

Ferkel
vier Wochen alt, zu
verkauf. Marienplatz1
*23983
(Kaſerne).
fg. Dackel, 3 Mon alt,
zu verk. Klappacher=
ſtraße
34, I. (*2401
Löwen=Pinſcher, Salz 4.
Pfeffer, z. verk. Karl=/ (Aufheben)
ſtraße 40, Stb., (224011

Schwarzer Spitz
zu verk. Neue Nieder
ſtraße
). (*24044

MI ſ. erm
kann in etw. 15 Woch
geheilt werden.
(Reiztherapie). (E,20
Sprechſtunden in
Frankfurt a. Main,
Neue Mainzerſtr. 8,
2 Tr. ( Untermain=
brücke
), jeden Mitt=
woch
von 81 Uhr
Spezialarzt
früher Dr. Alberts).
2
Magerkeit z
A
Schöne volle Körper
form d unſ. oriental,
Kraftpillen (f. Damen
hervorragend, ſchöne
gold. Medaille und
Ebrendiplomen. In 6-
Zun. Gar, unſchädl
Aerztl. empf. Streng
redl. Viele Dank=
ſchreib
Preis: Packa.
(100 St. )ℳℳ 330000 frbl.
zuz. Porto (Poſtanw.
d. Nachn.) Fabr. D.
Franz Steiner & Co.
W 30/371.
In Darmſtadt zu
haben bei: Medizinal=

Zurückgekehrt /23924
Dr. Kocks

Nach Trennung von den Herren Rechts=
anw
. Heyd & Sandmann befindet ſich mein
Büro jetzt in meiner Wohnung

11.
(Fortsetzung folgt.)
Frau Raffke bei Dr. Unblutig.
Ei, wer tommt denn da? Ja, ja, wenn
Frauen verblühen, dann verduften die
Männer, und wir sollen dann wieder helfen.
Lieber Herr Doktor, ick bin noch janz
konstruiert, mir hat da, als ick aus meinen
neuen Mercedes-Limone stieg, die mich mein
Mann vor 5 Mülljarden jekauft hat, solch
ein Proselyt auf meinen linken Fuß hien
direkt neben der echten Brüfljantkaraffe
jetreten, daß ick jleich denk, ick soll lang
uffin echten mosaischen Fußboden, wissen
Sie, s0 aus lauter so kleine Stickchen bar-
barischen
Marmor, hinschlagen den wir vor
unsere neue Villa vor eireus 20 Mülljarden
haben. lck jloobe, ick habe mich da eene
Dr. med. Ziegelroth heftige Konzeption zujezogen und möchte
Ihnen darum mal insultieren, damit Sie mich
een jutet Medizement verschreiben.
Aber gnädige Frau, alterieren Sie sich
nur nicht so. Sie haben Plattfüße, Schweiß-
füße
und ein großes Hühnerauge, wie es
entsteht, wenn man immer Holzpantoffeln
getragen hat. Aber Hühneraugen klein und
groß, wirst durch Kukirol Du los, sagt ein
Büſte), preisgetr. m. bekanntes Sprichwort. Fahren Sie gleich
mit Ihrer Zitronen-Limonade, Verzeihung,
Mercedes-Limone, bei der nächsten größeren
Wochen b. 30 Pfd. / Apotheke oder Drogerie vor und lassen Sie
sich durch Ihren Herrn Diener eine Schachtel
Kukirol holen. Ihre Schmerzen werden dann
bald vergehen und Ihr Hühnerauge wird
werschwinden wie der Ueberschuß aus einev
Bilanz, die Ihr sehr geehrter Herr Gemahl
dem Finanzamt einreichen soll, also wie
weggezauberb. Kaufen Sie aber auch gleich
einige Packungen Kukirol-Fußbad mit, denn
G. m. b. H., Berlin, Ihre Füße duften jetzt wie die Kartoffeln,
die Ihr Herr Gemahl zum Export nach
Holland aufspeicherte, aber infolge chemi-
scher
Veränderungen in die Havel schütten
Drog. Fr. R. Beckenhaud, mußte. Das Kukirol-Fußbad beseitigt den
Schulſtraße, (E,2319 häßlichen Schweißgeruch, verhatet aber auch
Wundlaufen und Brennen der Füße.
Auch Ihnen, gnädige Frau, empfehle ich,
wie allen meinen Patienten, sich noch heute
die überaus wichtige und interessante Bro-
schure
Die richtige Fußpflege‟ gratis
und portofrei kommen zu lassen von der
Kuklrol-Fabrik Groß-Salze 303 bei Hagdeburg.
Lassen Sie sich niemals etwas anders als
auch sehr gut aufreden, sondern gehen Sie.
wenn ein Geschäft die millionenfach be-
währten
Kukirol-Fabrikate nicht führt. ir
das nächste. Die kleine Mühe lohnt si.
bestimmt.
(V,72

[ ][  ][ ]

Seite 8.

Darmſtädter Tagblatt, Sonntag, den 2. September 1923.

Numier 242.

Palast-Lichtspiele
Weltstadtbanditen
Sens.-Abenteuerfilm in 6 Akten, mit
Fred Stranz
Zimmer 17
Abenteuer in 5 Akten.
(7159fg

Orpheum

Tel.
389.

Sonntag, den 2. Geptember 1923
Städtiſcher Saalbau:
Gesſer sunn.
Anfang 7 Uhr. (23740eg

Tel.
Ludwigshöhe sot.
Heute ab 7 Uhr: (B7218
Unterhaltungsabend
mit Tanz

Reſtr. Rummelbräu
Telephon 2519
Rheinſtr. 101
Erſtkl. u. preisw. Küche!
Mittagstiſch von 122 Uhr!
Uhr
Jeden
Sonntag Konzert (4ut uhr
Eintritt frei! (*23974) Eintritt frei!
Im Feſtſaal Tanz
Ende 1 Uhr
Anfang 4 Uhr!

Sportplatz=Reſtaurant
Tel. 2900 am Böllenfalltor Tel. 2900
Heute Sonntag, den 2. September
Konzert
Anfang 4 Uhr. (7235) Anfang 4 Uhr.

Paöſnder=Artsgrupe Darmſtadt

Lichtbilder Vor
LAg
des Herrn Ludwig Lautz
Von Konſtanz bis
Berchtesgaden
Mittwoch, 5. September 1923
in der Techn. Hochſchule, Hörſaal 137
Eingang Theaterſeite. Eintritt frei. (*24005

Janzinſtitut Sohanna Georg
Ballettmeiſterin Rheinſtr. 41, III.
Zu meinen in dieſem Monat
beginnenden Kurſen
ſind weitere gefl. Anmeldungen
(*24039
höfl. erbeten.
Privatunterriſcht jederzeit.

25. Vereinsjahr!

Neue Kurse
beginnen am
Dlenstag, 4. Sept.
u. Freitag, 7. Sept.
abends ½8 Uhr in unseren
Unterrichtsräumen
Mathildenplatz 8.
Anmeldungen jeden Tag
von 10-12 und von 2-10 Uhr
abends und
am Eröffnungsabend
Kaufm.
Stenographen-Gesellschaft
Hahelsberger K. I.
Mathildenplatz 8
(7204gm
V

Aaustsäter Beänthar
Gemälde, Radierungen
Bronzen, Kunstgewerbe
Wertbeständige Objekte
Antianitäten An- und Verkauf.
A2

für Feſtlichkeiten
und Vorträg
Fate
noch frei
Obergaſſe 12.
(7065a

Dunen A. derten
welche Intereſſen für eine
private

zeigen, werden gebeten, ihre Adreſſ.
unter M 120 in der Geſchäftsſtelle
(*23984
ds. Bl. abzugeben.

Heute Sonntag
zum letzen Male
Die
tolle Lola
Operette in 3 Akßten
D In d. Original=
Beſetzung! (7222

Sonntagskart.: Ber=
kehrsbüro
von 10½
bis 12½, Orph.=Kaſſe
ab 3 Uhr.

Sommerſpielzeit
Brund Harprecht
Abſchieds vorſtellg
abds, 7½ Uhr: (7205
Charleys Tante.
Abends 10½ Uhr:
Meiſterboxer.

Heſſiſches
Landestheater
Kleines Haus
Der
Steinach=Film
vom 2. bis 9. Sept.
täglich um 5 u. 8 Uhr.
Preiſe 500000, 800 000
u. 1000000 . (7210

Bayern=Verein

Herbſtfeſt
heute nachm. 3½ Uhr
Konkordia=Saal
ausgew. Programm
Theater,
Jnss
Tanz
Gäſte willkomm.

Früh
kartoffeln
ausverkauft. (7234
Hagedorn
Gut Kranichſtein.

Rein Fuhrwerk
geht in nächſter Zeit
viederh.
nach Frankfurt,
Beiladung bis25Ztr.,
auch für Rücktransp.,
erwünſcht. (66362
Peter Walter
Alter Arheilgerweg.
Fernſpr. 2222

werden gut und billig
aufgearbeitet. Gefl.
Angeb. unt. M137 an
die Geſchſt. (* 24006

Metallbetten
Stahlmatr., Kinderbett.
dir. an Priv. Katal. 10N.
frei. Eiſenmöbelfabrik
Suhl (Thür.). (11.7076

Bücher, Noten, Zeit=
ſchr
. w. gut u. preisw.
eingebunden. (7160fg:
Horn, Alexanderſt. 4, I.

Suche für meine Ver=
wandte
, 24 J., kath.,
häusl. ,vertr. Charakt.,
m. g. Ausſtatt., Herrn
in ſich. Stellg. zwecks
Heirat.
Angeb. m. Bild,welch.
zurückg, wird, unter
M 124 an d. Geſchſt.
Anonym zwecklos. (*

Beamtenwitwe
30 J., mit 1Kd., eig.
Heim, wlinſcht ſolid.
Herrn zw. ſp. Heirat
kennen zu lernen.
Angebote u. M 127
Geſchäftsſt. (*23990

Bitwe
ſtolze Erſcheinung, m.
eigen. Geſchäftshaus,
wünſcht Heirat mit
älterem Herrn in ſich.
Stellung. (*23997
Angebote u. M 129
an die Geſchäftsſt.

Heirat.
Tücht. Geſchäftsmann
(Junggeſelle), 38 J.,
evang., mittl. Größe,
w. gebild. Fräul. mit
elterl. Wohn. im Alter
von 3036 Jahr. oder
jg. Witwe, welche Luſ=
u
. Liebe f. ein Geſchäft
hat, zw. baldig. Heirat
k. z. lern. Angeb. unt
M. 142 Geſchſt. (B:

Fg. Mann möchte mit
jg. Mädchen, nicht üb.
22 J., bekannt werden
zwecks bald. Heirat.
Angebote u. M 148
Geſchäftsſt. (*24046
Woog, 1. Sept. 1923
Waſſerhöhe . 3,78 m
Luftwärme . 11 C.
Waſſerwärme vorm
730 Uhr 15 C.
Woogs=Pol.=Wache
Gelberkehrd
Beteiligung
geſ. m. ca. 500 Mill.
ſtill od. tätig, v. Kauf=
mann
. Angeb. unter
IN 4 Geſch. (*24047

MOlTANIA
99

Benzol
Benzin
Mineralöl
Techn, Fette

Petroleum
Gas6l.
Firniss
Kerzen

99

Dhönixt

A.-G. für Petrolprodukte
Frankfurt am Main, Rotteckstrasse 6
(1,7074
Telephon: H. 5872 und H. 6186,

Umzugshalber
faſt neuer, kl. Eisſchr.
Küchent., Topfbrett,
Sparherd und Bilder
billig zu verk. Petri
Blumenthalſtr. 113,
(*24028
2. Stock.

Daunendeckbett m. 2
Kiſſen, faſt neu, zu
verkaufen Eichberg=
ſtraße
18. Anzuſehen
v. 1012 Uhr. (*24019

zu ver=
1 Pelz kaufen
Dörr, Eſchollbrücker=
ſtraße
24. ( 24031

Gut
erh. Winterulſter
grünlich, für ſchlanken
Herrn (Gr 170) billig
zu verkaufen (*23992
Frankfurterſtr. 78, I.

Gehrockanzug (beſte
Qualität), 2mal getrag.,
D.=Mantel, ſchw., 3lang
(Schneiderarb., ſchw. Stoff)
Verſch. Sommer=u. Winter=
hüte
, 2 Waffeibettdecken,
faſt neu, zu verk. Drei=
brunnenſtr
. 7, pt. (*23981

Zu verkaufen
dunrkelgrüner getrag.
Sportanzug, faſt neu
(Gr. 49) 45 Millionen
Aliceſtr. 2, II. (*23999

2 Ueberzieher (mittl.
Figur) zu verkaufen
zw. 9u. 12 Uhr (*23977
Neckarſtr. 24, I, rechts.

WTeoet aee!
Die unterzeichneten Firmen geben hierdurch be-
kannt
, daß die diesjährigen Wintermodelle
192324 zur Ansicht aufliegen.
Verbandsmindestpreise

1 Uniformmantel
1 Herr.=Ueberzieher
1 Holzbettſtelle
zu verk. bei Pfarrer,
Gardiſtenſtraße 20
2. Stock. (*23975

Die Frau mit den Millionen I, 6 Akte.
U. 1. Tippelpaule, Lustsp., 3 Akte.
Liebe kann man nicht kaufen.
H., 1, Das Mädehen von Naney.
Gegenschachzug Stütze der Haus-
Ve 4, frau‟, Einl. Atlantide Tu. II. (2asz

ScHNELLDIEMST
FÜR PASSAGIERE UND FRACHT
HAMBURG
CUBA-MERICC
HAVANA, UERA CRUZ, TANPTc0
FÜERTO HERIC0
Abfahrtstage:
D. HOLSATIA 15. Bept.
D. TOLEDO 16. Okt.
Vorzügl. Einrichtungen ersiter Klasoe
(Staatsalmmerflnchf. zweiterklaste
Mittel-Klaese, dritter Kkasse
und Zwischendeck
Nähere Auskunft über Fahrpreise
und alle Einzelheiten erteilt
MAMBURG-AMZRIKA LIMAIB
HAMEURO und deren Vertreter in:
Pfungstadt, Jaleb imbrieh, Aberstädterstr.
Darmstadt, Adolph Rady, Limmerstragge.

Gelée Ludwigsplatz
Kiffel, Lichtenbergstr.
Zotz Nachfl.

Hartmann, Luisenstr.
Schäfer, Schützenstr.
Grafenstraße. ( 20986

MMIIEUIAA LINZ

BEEHEN NHWAORK
anlaufend Southampton.
Dreisshraubendampfer Pittsburgh‟ (neuer Dampfer)
16309 t 14. Sopt. I. Bremen
Doppelschranbendampfer Canople 14267 t 28. Sept.
Dreischranbendampfer Pittsburgh‟ (neuer Dampfer)
15394 t 16. Okt.
Doppslsehranbendampfer Cauople‟ 12261 t 6. Nor.
befördern Passagiere in Kafüte und III. Klasse.
Gunstige Gelegenheit für Reisende nach England.
Dampfer löschen in New Fork City (Manhattan).
Bromen - Halifax (Canada)
Durcheonnossemente, Durchfracht. u. Pareel Receipts
Regelmaßige Verbindung ab Liverpool, bezw.
Southampton nach
New Vork, Boston, Philadelphia u. Canada
vermittelst der modernsten und größten Schnell-
dampfer
der Welt.
Meiestlc 56 551t Olymplc 46 439t
Homerie 34356 t Adriatic 24 541t
Die Einrichtung der I. und II. Klasse übertrifft die
luxuriösesten Hotels; die III. Klasse in Kammern
eingeteilt, mit Speisesaal, Rauchzimmer und Damen-
salon
, entspricht auf diesen Dampfern der Einrich-
tung
der trüheren I. u. II. Klasse der älteren Dampfer.
Die Expedition im Anschluß an die von England
(IV,5664
abfahrenden Dampfer erfolgt
von Hamburg jeden Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend
Bremen jeden Mittwoch und Sonnabend.

Auskunft über Passage:
White Star Line‟
Bremen,Philosophenweg!
Telegr.-Adr.: Olympic‟

Auskunft über Frachtenn
Annahme von Ladung:
Herm. Dauelsberg, Bremen,
Telegr.-Adr. Dauelsburg‟

In Darmstadt für Fracht und Passagei
Frledr. Zaun, Lnisenplatz 1.

Erhebung vorläufiger Grund
und Gewerbeſteuer für 1923.

An obigen Steuern werden z. Zt.
36 Mk. für je 100 Mk. Grundvermögenswert und
24 Mk. für je 100 Mk. Betriebsvermögen
in 2 Zielen, fällig im Auguſt und Oktober Ifd. Js., erhoben.
Inzwiſchen hat die Heſſiſche Regierung, im Hinblick auſ
die fortſchreitende Geldentwertung, die Gemeinden ermächtigt,
die obigen Steuerausſchläge entſprechend zu erhöhen. Nach
Beſchluß der Stadtverordneten=Verſammlung vom Geſtrigen
wird nunmehr das Achtzigfache der obigen Ausſchlags=
ziffern
vorläuſig für 1923 erhoben. Das bedeutet eine
Ausſchlagsziffer von
2880 Mk. (36X80) für je 100 Mk. Grundvermögenswert und
1920 (24X80)
Betriebsvermögen

für jedes der beiden Ziele.
Die auf Grund der obigen erſten Veranlagung bereits
geleiſteten Zahlungen werden aufgerechnet.
Die nunmehr zu zahlenden erhöhten Zielbeträge ſind
das 1. Ziel im September,
fällig:
2. Oktober Ifd. Js.
Für Steuerbeträge, die nicht bis zum Ende des Fällig=
keitsmonats
bei der Stadtkaſſe eingegangen ſind, wird vom
folgenden Monat ab ein Geldentwertungszuſchlag von 10
für jeden Monat der Zahlungsverzögerung erhoben. Außer=
dem
entſtehen den ſäumigen Schuldnern durch die nach dem
Fälligkeitstermin einſetzende Beitreibung nicht unerhebliche
Koſten.
Eine beſondere Zahlungsaufforderung ergeht
nicht mehr.
Die im Heptember und Oktober fälligen Zahlun=
gen
ſind vielmehr unter Vorlage des bereits zuge=
ſtellten
Gemeindeſteuerzettels zu leiſten. (st7212
Darmſtadt, den 31. Auguſt 1923.
Der Oberbürgermeiſter,
J. V.: Daub.

l. Waſchſchrank, Schreib=
tiſch
zu verkauf. Zu er=
frag
. Sandbergſtr. 27,
3. Stock, rechts. (*24021

Reinlein. Wäſchetuch
a. Priv.=Haush. z. vk.
Angebote u. M 146
Geſchäftsſt. (*24034

Frr.+ Macco=Bar/t:/Rx.
Einſatzhemden, Perkgl=
ſemden
, neu, preiswert
abzugeb. Rheinſtr. 41,
3. Stock, I. (*24033

aſt neue Strickfackes. 54
Liebigſtr. 2, III. (esot

Mitt
Klappſtuh!
veißlackiert, wie neu,
reist. abzug. Näh
Geſchäftsſt. (*23988
1 Korb=Kindw,u. 1 Kiapp=
ſport
. m. V. zu verk.
Sch=chmann, Gardiſten=
ſtraße
6, M. (*23987

Gold-, Silher - Hegen-
stände
, Brillanten
kauft in vollster Anpassung
an die Tageskurse
Kurtz-Wulf
Pädagogstrasse 2.
(7227

Sitz= und Liege=
Kinderwagen
zu verkaufen. Wick,
Rheinſtr. 47, II., Ht.,
(224014
Hof I.

Goldene Damen=
Doppeldeckel=Uhr
faſt neu, zu verkauf.
Angebote u. M 132
Geſchäftsſt. (*24002

Bekanntmachung,
die Erhebung eines außerordentlichen
Brandverſicherungsbeitrags für 1922 be=
reffend
.
Durch die weitere Geldentwertung ſind
die Anforderungen an Brandentſchädi=
gungen
an unſere Anſtalt in ungeahnter
Weiſe geſtiegen. Zur Beſchaffung der
nötigen Deckungsmittel hierfür hat das
Miniſterium des Innern mit Verfügung
vom 27. ds. Mts. die ſofortige Erhebung
eines außerordentlichen Nachtragsbeitrags
für 1922 in Höhe des 100 fachen Betrags
des Umlagekapitals genehmigt. Dieſer
außerordentliche Beitrag, welcher das
100 fache des in den Anforderungszetteln
vom April d8. Js. angegebenen Umlage=
kapitals
beträgt, iſt in einem Ziele im
September d8. Js. an die zuſtändige
Erhebeſtelle unaufgefordert bei Mei=
dung
der Mahnung und Zwangsvoll=
ſtreckung
zu entrichten. Beſondere An=
forderungszettel
hierüber werden den
Gebäudeeigentümern nicht zugeſtellt.
Neben dieſem außerordentlichen, im
September d8. Js. fälligen Beitrag ſind
die bereits angeforderten Beiträge für
1922, beſtehend in dem einfachen Betrag
des Umlagekapitals und weiter in dem
20fachen Betrag des Umlagekapitals, in
den in den Anforderungszetteln vom
April ds. Js. angegebenen Zielen zu be=
zahlen
.
Bei Zahlung des außerordentlichen
Nachtragsbeitrags wie auch bei den Ziel=
zahlungen
iſt der Anforderungszettel vom
April d8. Js. mitzubringen.
Darmſtadt, den 29. Aug. 1923. (7226
Heſſ. Brandverſicherungskammer.

Mzortt

Am Montag, den 3. Sept. 1923,
von vorm. 9 Uhr ab, werden im
Rathausſaal zu Groß=Zimmern aus dem
hieſigen Gemeindewald folgende Brenn=
holzſortimente
öffentlich meiſtbietend
verſteigert:
(7215
Scheiter: Kiefern 169, Erle 1 rm;
Knüppel: Kiefern 105, Fichte 8 rm;
Stöcke: Buche 78, Eiche 224, Kiefern
275, Fichte 57 u. Erle 16rm;
Wellen: Buchen 220, Eiche 60, Kiefern
520 Stück.
Die Bezahlung hat bei der Ausgabe
der Abfuhrſcheine in bar zu erfolgen.
Das Holz ſitzt am Eingang des Waldes
und iſt auf chauſſierten Straßen gut ab=
zufahren
. Holzhändler ſind zur Verſteige=
rung
zugelaſſen.
Groß=Zimmern, den 31. Aug. 1923.
Hefſ. Bürgermeiſterei Groß=Zimmern.
Brücher.

mit und
Mittag=u. Abendtiſchoh. Fleiſch
im Avonnem. billig im Hoſpiz und
Vereinsh. Obergaſſe 12. Daſelbſt ſchöne
Fremdenzimmer mit und ohne Penſion !
za mäßigen Preiſen. Tel. 1767. (7072a

Wir übernehmen laufend:
Ungunde Automobil=Kurbelwellen und
8ylinder zum Präziſions=Rachſchleifen.
Neuanfertigung von dazu paſſenden
Kolben, ebenſo von kon.= u. Stirn=
Zahnrädern aller Konſtruktionen, bei
ſchnellſter Lieferung, (7214gg
C. Benz Söhne
Automobilfabrik, Ladenburg.

Ausführung des Reichsmieten=
geſetzes
.
Das Heſſ. Miniſterium für Arbeit u.
Wirtſchaft hat am 10. Auguſt 1923 (ſ.
Darmſtädter Zeitung Nr. 188v. 14. Aug.
1923) verordnet, daß in Abänderung der
vom Kreisamt Darmſtadt für den Monat
Auguſt getroffenen Regelung auf Grund
des § 11 des Reichsmietengeſetzes die
Zuſchläge zu der Grundmiete in der Stadt
Darmſtadt für den Monat Auguſt folgen=
dermaßen
feſtgeſetzt werden:
für Steigerung der Zinſen 260%
b) für die Betriebskoſten .
4740
c) für lauf. Inſtandſetzungs=
arbeiten

... . . 125000 ,
4) für große Inſtandſetzungs=
70000
arbeiten .
zuſammen 200000 %o
Auftragsgemäß gebe ich dieſe Ver=
fügung
des Miniſteriums hiermit bekannt.
Die Frage der Rechtswirkſamkeit dieſer
Feſtſetzung iſt z. Zt. noch in der Schwebe.
Der Oberbürgermeiſter.
J. V.: Buxbaum. (st7228

Kohlenpreiſe der Grube
Prinz von Heſſen.
Von Montag, den 3. ds. Mts. ab be=
trägt
der Preis ab Grube pro Zentner:
Großſtück. Hausbrandkohle Mk. 2000000
Kleinſtückige
1950000
Induſtriekohle .
1200000
Feinkohle".
400000
Für den Preis iſt der Tag der Zah=
lung
maßgebend.
Darmſtadt, den 1. Sept. 1923. (st7224
Verwaltung der ſtädtiſchen Braun=
kohlengrube
Prinz von Heſſen
bei Darmſtadt.

Montag, 3. September, von vor=
mittags
71/, Uhr an, wird das Grum=
metgraserträgnis
der BeſſungerWieſen
öffentlich meiſtbietend verſteigert. Zu=
ſammenkunft
: Alter Nachtweideweg
Erlenpfad.
(st7208
Darmſtadt, den 1. Sept. 1923.
Städt. Güterverwaltung.

Chinchillapelz
Kragen od. Muff, zu kauf. geſucht. Ang
mögl. m. Preis u. Beſchreib. u. F.B.H.
5145 an Rud. Moſſe, Frankfurt a. M. (1,7147

Grummetgrasverſteigerung.
Mittwoch, den 5. Septemb. 1923,
nachmittags 2 Uhr, wird in dem Rat=
hauſe
zu Pfungſtadt (Borngaßſchule) die
Grummetgrasernte von ca. 120 Morger
Wieſen öffentlich verſteigert.
(7202
Pfungſtadt, den 29. Aug. 1923.
Heſſ. Bürgermeiſterei, Schwinn.

[ ][  ][ ]

Darmſtädter Tagblatt

Nummer 35

2. September 1923

* Die Friedhofsfreunde.
Eine Skizze vom deutſchen Sterbem.
Von Gerhard Penkert.
Wenn ich am deutſchen Friedhof vorübergehe, bemerke ich
immer die gleichen Menſchen Menſchen jedes Standes, Alters
und Geſchlechts. Sie kommen und gehen. Sie grüßen ſich
freundlich und kennen einander doch nicht: die Süllen im Lande,
die Friedhofsfreunde.
Zu jeder Tageszeit kann man beobachten, wie einzelne aus
allen Himmelsrichtungen heranpilgern und mit ernſten Mienen
ſchweigend den Friedhof durchſchreiten: Des Morgens, wenn
ein zartes Kind aus dem Volke, kaum zur Knoſpe erwacht, in
den Garten Gottes verpflanzt wird. Des Mittage, da bei
Glockengeläut die Blüte des Lebens, die Tatkraft des Landes,
zu Grabe geht. Des Abends, wo das Alter ſein wüdes Haupt
zur ewigen Ruhe legt.
Die Friedhofsfreunde begleiten ſeit Jahren ſinnend das
große Sterben eines großen Volkes. In Augen und Herzen
derer, die Schnitter Tod ihr Liebſtes unter die eherne Senſe
geben müſſen, die Würgengel Zeitgeiſt im Volke morden ſehen,
ſuchen ſie die Seele Deutſchlands umſonſt. Sie fanden ſie
lange nicht.
Kaum ſind die letzten Worte des Geiſtlichen verſtmmt; noch
tönen die letzten Erdſchollen aus der Tiefe des Grabes ihr
Sargesecho, ſo ſind die echten Gefühle der Trauernden wieder
dahin. Verſunken und vergeſſen noch eh’ erfaßt. Im Lärm
der Alltagsgeſchäftigkeit gehen ſie vollends unter wie ein ſanftes
Lied bei der Sirene Geheul.
Seit jenen düſteren Novembertagen, da die Sonne für uns
ihren Glanz verlor, ſtarb das Du und Dein. Starb ein göttliches
Empfinden, das Aufgehen im Sein des anderen bedeutet.
Und hält, die ratternde, raſende Maſchine des Geſchäfts
endlich einmal inne, trinkt man in durſtigen Zügen die ſeichten
Freuden der modernen Welt. Um friſches, tanzendes Leben aus
dem Sumpf zu ſchöpfen.
Nie war das Ringen um das Beſtehen eines Volkes grau=
ſamer
entfeſſelt. Noch beſtattet man ſeine Entſchlafenen. Allein
der lauten, ja lärmenden Totenklage um die Nächſten in Bluts=
und Stammesgemeinſchaft fehlt jenes Höchſte, Heiligſte: die
Weihe gottſuchenden, leidenden, ſiegenden Menſchentums.
* Für inniges Gedenken der Toten iſt keine Zeit mehr da, wo
die Lebenden einander im Wege ſind. Jeder greift mit bebenden
Händen nach der Fackel jauchzender, rauſchender Sinnenluſt
und erhellt, mit ihrem lodernden Flammenſchein doch nur
todesſchaurige Grabesnacht, an deren Abgrund er daumelnd ſteht.
Mangel an Würde leſen die Friedhofsfreunde im Antlitz
derer, die noch eben wohl ſchluchzend, aber im Grunde faſt
teilnahmslos dem Sarge folgten. Unruhe verraten die Züge.
Das Fieber des Haſtens. Selbſt im Angeſicht des Todes. Wo
ſonſt der Friede der Selbſtbeſinnung, der Innenſchau ergreifend
harmoniſch zu wirken pflegt. Veräußerlichte Menſchen ſind
ſie geworden, die plappern ſtatt beten. Menſchen, die den reichen Die Sonnenfinſternis am 10. September, die in Europa zwar
Segen idealen Verbundenſeins nicht mehr kennen, weil ethiſches
Wollen in ihrem Herzen erſtarb.
Doch trotz allem, was ſie ſehen mußten, mochten die Fried=
hofsfreunde
den Glauben an ihres Volkes Wiedergeburt nicht Mexiko kreuzen, und deshalb ſind nach dieſen Gebieten zahlreiche
aufgeben. Einen Glauben, der inmitten von Not und Tod ihrer
Hoffnung nie erlöſchender Stern blieb.
Einmal aber fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich konnte wahrnehmen, wie die Friedhofsfreunde ſelber
einen aus ihrer ſtillen Gemeinde begruben: einen ſchönen, ſtrah=
lenden
Füngling, den die Ernte mitten aus ſchaffender deutſcher
Arbeit riß. Er war ein Opfer feindlicher Vernichtungswut auf
friedlichem Heimatboden geworden. Keiner kannte den Namen=
loſen
. Und doch beweinten ſie alle ſein Scheiden als das ihres nis, deren totale Phaſe, d. h. vollkommene Verfinſterung der
geiſtigen Führers in aufrichtiger, herzlicher Geſinnung.
Aus den Tiefen quellende Trauer war lebendiger Inhalt
dieſer Menſchenkinder, die zu keiner Stunde müde werden, für
ihres Deutſchtums Seele zu ſorgen, zu kämpfen, zu beten. Im
Geiſte des Verſtorbenen feſtigten ſie noch mehr das Denkmal der
Vaterlandsliebe in ihren Herzen.
Nachdem der teure Tote beſtatter war, legten die Friedhofs=
freunde
den Lorbeer der Unvergänglichkeit auf den ſchlichten
Hügel. Dazu die ſchönſten Blumen, die die Sonne der Heimat

Autodafé.

Novelle aus unſerer Zeit.
Von Richard Rieß.
(Schluß.)
Er . Aber er wurde den Geſchmack des Ekels nicht los,
den er ſchon ſeit Stunden empfand. Er würgte ſeine Mahlzeit
hinunter. Dann erhob er ſich und ging ſchleppenden Schrittes
durch den rieſigen Raum. Er blieb bei den gelichteten Regalen
ſtehen und ſtarrte auf die Bücher.
Aber, während es ſonſt froh in ihm aufleuchtete und der
Briff ſeiner Hand weich und zärtlich wurde, wenn er eines der
Werke betaſtete, ſtand er heut ſtumpf vor ſeinen Freunden. So=
gar
die ſchönen Schweinsleder=Ausgaben der deutſchen Myſtiker
gaben ihm nichts, obwohl er zu ihnen, den getreuen Helfern ſei=
jes
letzten Buches, den liebevollen Genoſſen ſo manchen ver=
räumten
Tages, ſich in den vergangenen Monaten wie zu ge=
liebten
Menſchen hingezogen gefühlt hatte. Was war mit ihm
vorgegangen? Mierenſtudt ſchien in einer Art traumwandleri=
her
Benommenheit befangen. Seine Augen flackerten. In die
Kiſte . .. vermodern . .. ruhelos . . . " Abgebrochene Worte
ind Satzteilchen warf er von ſich, kraftlos, daß ſie ihm vom
Munde fielen wie der unbeherrſchte Speichel unreinlicher Greiſe.
Heine Augen ſtarrten. Schließlich raffte er ſich mit aller Kraft
zuſammen. Was .. . . ſollte . . . denn . . . das bedeuen . . . ?
Was dieſe Fremdheit? Die Dinge, an denen er mit allem Her=
zen
gehangen, konnten ihn nimmer rühren? Sprachen die Bücher
nicht mehr zu ihm? Blitzartig ſtand vor ſeinem Auge, was er
bei Felsner geſehen. Wer beſaß jetzt die Werke, an denen er ſo
tief und innig gehangen? Ganzpergament, Halbpergament und
rotes Leder können Sie für mich ſteigern, hörte er. Lumpen.
Proleten! Er lachte auf und fuhr ſich durchs Haar. Da fiel
ihm ein Vers Goethes ein:
Wär nicht das Auge ſonnenhaft,
Die Sonne könnt es nie erblicken;
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?
In ihnen lag es eben nicht das Göttliche! Mochten ſie
Gelder häufen, ihren Tiſch mit Speiſen, mit koſtbaren Kleidern
ihren Körper überladen das Göttliche wird ſie nie ent=

Wenn wir die Menſchen nur nehmen, wie ſie ſind, ſo
machen wir ſie ſchlechter; wenn wir ſie behandeln, als wären
ſie was ſie ſein ſollten, ſo bringen wir ſie dahin, wohin ſie zu
bringen ſind.
Geothe.

geküßt. Dann blieben ſie noch lange, lange auf dem Acker des
Herrn und ſannen über Leben und tragiſches Ende des edlen
Menſchen, der einer der Beſten ihres Volkes war.
Und ſiehe als wenn ſie aus den Gräbern wüchſen, als wenn
der Schmerz um den Verluſt des jungen Deutſchen mit tauſend
Stimmen riefe , von rechts, von links, von überall ſtrömten ſie
in Scharen herbei zu der Stätte des Friedens: die Ungezählten
des Landes alt und jung, hoch und niedrig , die ſich bisher
nur gezwungen und gelangweilt dorthin verirrten. Die meiſt
nur obligate Tränen weinen konnten, begannen hier die reine
Andacht einer wirklichen Feierſtunde zu empfinden. Und
ſchloſſen ſich nun gern, aus freiem Willen, den Friedhofsfreunden
an. Deren Wahrhaftigkeit und Seelenſtärke ſäten köſtliche Saat
ringsumher. Ihr ſittlicher Adel hatte geſiegt. Zog die Schwachen
empor zu nie geahnter Schöne. Es war keiner unter der Menge,
der nicht wieder an ewige Werte in Volk und Heimat, an das
erlöſende Glück der Einigkeit glaubte. Keiner, der nicht ahnte
die hehre Majeſtät des Sterbens. Denn ſie hatten leben
gelernt.
Als der letzte Choral über dem jungen Grabe verklungen
war, amete Friede allüberall. Zuverſicht und heiliger Ernſt
hielten wieder Einzug in kranke deutſche Herzen durch dieſes
einfache und doch urgewaltige Erlebnis. In verſöhnender Liebe
fühlte ſich jeder als Bruder des andern. Als treues Glied
einer großen Schickſalsgemeinde, der Sklavenketten nicht mehr
viel bedeuten. Die Erkenntnis des Sterbens hatte die abge=
ſtorbene
perſönliche Freiheit wieder geweckt. Der Wille zur
geiſtigen Tat war im Volke innermenſchlich geboren.
Und die Blicke aller ſchweiften vom Garten des Todes froh=
gemut
gen Weſten, wo das Abendrot am Wolkenhimmel Sehn=
ſucht
zum neuen Vaterland in ihre Herzen leuchtete. Was an Ge=
danken
und Gefühlen unausgeſprochen blieb, erfüllte die Sinnen=
den
wie Frühlingsrauſchen die Natur. Inbrünſtiges Gebet. Sie
waren ſich wohl bewußt, daß eine lange, ſtirmiſche Nacht noch
folgt, die diele Opfer fordert. Doch ſie glaubten auch felſenfeſt,
daß ein ſchöner Morgen wahrer Freiheit auferſtehen wird, den
die Heimatglocken jubelnd durch die Lande verkünden. Und dieſer
Morgen heißt Deutſchland.

Wiſſenſchaft und Technik !

he

C.K. Was die kommende Sonnenfinſternis enthüllen ſoll.
nicht ſichtbar iſt, wird aber auf einem großen Teil der Erde be=
obachtet
werden können, wenn die Wetterverhältniſſe günſtig
ſind. Die Linie der totalen Verfinſterung wird Kalifornien und
Expeditionen unterwegs, unter denen ſich ja auch eine deutſche
befindet. Faſt alle großen Obſervatorien der Vereinigten Staa=
ten
werden zur Stelle ſein. Die Aſtronomen des Lick= Obſervato=
riums
haben ſich zu Enſenada ihren Platz ausgeſucht, das Mount
Wilſon=Obſervatorium zu San Diego, das Yerkes=Obſervatorium
auf der Cadalina=Inſel. Nach den Beobachtungen der Wetter=
kundigen
bieten Orte, wie Avalon auf der Catalina=Inſel, San
Diego und Tiajunna in Kalifornien und Cuencame in Mittel=
mexiko
, die beſte Gewähr für klares Wetter während der Finſter=
Sonne durch den Mond, zwiſchen 3 Minuten 36 Sekunden und
2 Minuten 25 Sekunden dauern wird. Bei den Problemen, die
man diesmal aufzuklären hofft, ſteht die Einſteinſche Rela=
tivitätstheorie
, der die letzten Sonnenfinſternisexpeditio=
nen
faſt ausſchließlich galten, nicht mehr an erſter Stelle. Die
Ergebniſſe der engliſchen Expedition bei der Sonnenfinſternis
vom Mai 1919 waren bereits zugunſten der Theorie ausgefallen.
Bei den Beobachtungen während der Finſternis vom 31. Sep=
tember
1922 war zwar die engliſche Expedition durch ſchlechtes
Wetter gehemmt, aber die amerikaniſche Expedition in Auſtralien

war glücklicher daran, und der Leiter, Prof. Campbell vom Lick=
Obſervatorium, der bis dahin der Einſteinſchen Theorie zweifelnd
gegenübergeſtanden hatte, gab ſchließlich bekannt, daß die Stern=
photographien
durchaus den Berechnungen Einſteins entſprachen.
So kann die Theorie im Weſentlichen als geſichert gelten, und
die Aſtronomen werden ſich zum erſtenmal ſeit 1918 wieder mehr
den älteren Sonnenproblemen zuwenden. Darunter ſteht an
erſter Stelle die Frage nach der Natur der Sonnencorona,
der nur bei totalen Sonnenfinſterniſſen ſichtbaren äußeren Um=
hüllung
der Sonne. Bis zur Mite des 19. Jahrhunderts waren
ja Corona und Protuberanzen der Sonne nur bei totalen Son=
nenfinſterniſſen
ſichtbar. Seitdem wurde es möglich, die Protu=
beranzen
mit Hilfe des Spektroſkops zu beobachten. Die Corona
aber hat bisher jedem Verſuch widerſtanden, ſie ohne Sonnen=
finſternis
zu photographieren. Während der Sonnenfinſternis
vom 8. Juni 1918 nahm das Lick=Obſervatorium eine Anzahl von
Photographien auf, die Bogen von Coronalſubſtanz enthüllten,
die die wichtigſten Protuberanzen umgaben; man ſchloß daraus,
daß die Natur der Corona in hohem Maße von den Kräften ab=
hängig
iſt, die die Protuberanzen hervorbringen. Doch iſt das
Problem der Corona noch ungelöſt, und man erwartet eine be=
friedigende
Erklärung ihrer Natur von den neueſten Beobachtun=
gen
. Ein anderes wichtiges Problem iſt das Verhältnis
zwiſchen der Corona und dem Zodiakallicht. Da
der Planet Venus am Tage der Sonnenfinſternis der Sonne ſehr
nahe ſteht, wird es möglich ſein, den Planeten mitzuphotogra=
phieren
. Das Licht von der Venus wird durch die äußere Corona
und das Zodiakallicht gehen, und man hofft, die Spektra beider
genauer beſtimmen zu können. Eine dritte Frage, die beant=
wortet
werden muß, iſt die nach dem Vorhandenſein eines oder
mehrerer Planeten zwiſchen Merkur und Sonne. Um die Mitte
des 19. Jahrhunderts ſprach der große Aſtronom Le Verrier die
Vermutung aus, daß einige unerklärte Unregelmäßigkeiten des
Planeten Merkur von dem Vorhandenſein eines Planeten zwi=
ſchen
Merkur und Sonne herrührten. 1869 glaubte Lescoubanet
dieſen Planeten entdeckt zu haben und nannte ihn Vulkan. Das
erwies ſich aber als ein Irrtum. Man hat nunmehr die Un=
regelmäßigkeiten
des Merkur nach der Einſteinſchen Theorie er=
klärt
; es iſt aber möglich, daß ſich kleine Himmelskörper zwiſchen
Merkur und Sonne befinden.

Der Naturfreund

O. K. Die Heimkehr der narkotiſierten Bienen. Bienen, die
eben geſchwärmt haben und in einen neuen Stock verſetzt worden
ſind, kehren nach jedem Ausflug an dieſen neuen Wohnort zurück.
Heimkehrfähigkeit der Bienen gehört zu den geheimnisvollen
Kräften dieſer klugen Tiere, und die Erklärung dieſer Gabe hat
die Wiſſenſchaft ſeit langem beſchäftigt. Der Bienenforſcher Bethe
wollte dieſe Fähigkeit der Bienen, immer wieder den Heimweg zu
finden, auf eine angeborene unbekannte, Kraft, zurückführen.
Andere Forſcher haben angenommen, daß dieſe Gabe auf indi=
viduellen
Erfahrungen der Bienen beruht, die ſie bei ihren erſtem
orienterenden Ausflügen geſammelt haben. Nunmehr hat Lothar
Tirala neue Verſuche angeſtellt, über deren Ergebnis K. v. Friſch
in den Naturwiſſenſchaften berichtet. Wäre den Bienen wirk=
lich
ein unbekannter Heimatſinn eigen, ſo müßte das Auf=
finden
des neuen Wohnorts von vornherein mit der gleichen
Sicherheit erfolgen wie ſpäter. Beruht dieſe Fähigkeit aber auf
Erfahrungen, die ſie erſt allmählich ſammeln müſſen, ſo werden die
Bienen nach einigen Tagen auf Grund der beſſeren Orientierung
mit größerer Sicherheit heimfinden als im Anfang. Es handelt
ſich alſo darum, feſtzuſtellen, ob die Bienen den Weg nach der
neuen Wohnung am erſten Tag noch nicht mit derſelben Sicher=
heit
finden wie nachher. Dies läßt ſich am beſten erproben, wenn
man die Orientierung zunächſt aufhebt, und das wurde durch
Aethernarkoſe erreicht. Es wurden aus einem neuen Schwarm
einige Dutzend Bienen herausgenommen, die man in tiefe Be=
täubung
verſetzte und nach dem Erwachen etwa 6m vom Heimat=
ſtock
entfernt fliegen ließ. Gleich nach dem Schwärmen ſowie
nach 1 und 2 Tagen fand keines der ſo betäubten Tiere nach
Hauſe; am 3. Tage nach dem Schwärmen fanden bereits 30 Pro=
zent
aller Bienen den Heimweg, am 4. Tage 6070 Prozent, am
8. Tage 80 Prozent. Damit iſt die Anſchauung Bethes von der
unbekannten Kraft widerlegt. Die Bienen lernen durch ihre
individuellen Erfahrungen die Lage ihres Stockes kennen, und
zwar iſt ihre Heimkehrfähigkeit umſo größer, je länger und je
öfter ſie zum Stock zurückkommen.

zücken, des Gottes eigene Kraft fehlt ihnen. Die Weltordnung
iſt gerecht!
Dr. von Mierenſtudt fühlte ſich durch dieſe Erkenntnis er=
leichtert
, befreit faſt. Er ſprang auf und trat an das große
Fenſter. Die Bäume hinter der Wieſe, gegenüber warfen lange
Schatten, mildes Abendſonnenlicht flirrte kühl über dem Raſen.
Aus der Ferne bellte der Vorortzug, der zur Stadt zurückfuhr.
Es war ſchön und ſtill hier draußen. Und nun bald Abſchied?
Wieder hilflos unter Menſchen leben müſſen, unter den Menſchen
dieſer fremden, ihm fremd und feind gewordenen Gegenwart?
Ein, zwei Nächte noch und dann.
Ein, zwei Nächte noch? Was iſt die Zeit? Vergangenes
und Zukünftiges verſchwimmen im Atem, der dem Menſchen
enthaucht. Und dieſer Atem heißt Daſein, heißt Augenblick.
Mierenſtudts Denken wurde wach und wieder fielen ihm Verſe
ein; Worte des cherubimiſchen Wandersmannes:
Du ſelber machſt die Zeit: das Uhrwerk ſind die Sinnen;
Hemmſt du die Unruh nur, ſo iſt die Zeit von hinnen.
O köſtliche Weisheit eines Großen, eines Gläubigen! Der
Gelehrte wandte ſich ſeinem Buchgeſtelle zu, den ganzen, reichen
Born ſpringen zu laſſen, der hier in dem Buche des ſchleſiſchen
Verkünders ſeiner harrte. Er fingerte in den Reihen, aber
nein nein . . . Die Sprüche des Angelus Sileſius waren ja
auf feinſtes Hadernpapier gedruckt und in rotes Maroquin ge=
bunden
; die hatte ja . . . der dicke Kinomann gekauft . . . nicht
die Sprüche . . . . das rote Leder . . . Hemmſt du die Unruh
nur . . ." Mierenſtudt bezwang ſich. Die Unruh hemmen.
vergeſſen. Heut noch Herr im eigenen Hauſe wollte er ſeine
Einſamkeit ganz= genießen. Er entkorkte die Kognakflafche, für
Tage der Krankheit zurückgehalten ... war er nicht krank
Seine Nerven ſchmerzten ſchon ſeit Tagen . . . Er nahm einen
Band Goethe zur Hand, die Gedichte an Suleika, und ſtellte die
Flaſche neben ſich. Das einzige Glas, das er noch beſaß, ein
goldig ſchimmernder Rubinkelch wurde gefüllt und auf einen
Zug geleert. Dann glitt ſeine Hand zärtlich über die Seiten.
Er las. Er koſtete die Verſe wie ſeltene Früchte, Goethes
Worte zerſchmolzen ihm auf der Zunge; ein wenig ausraſtend
ſog er tief ihren Duft ein. Wieder füllte er nun den Pokal und
wieder gönnte er ſich das Behagen, ſeinen ganzen Körper durch=
glühen
zu laſſen von dem Feuerſtrom, den er niedergoß. Er
hatte das Buch aus der Hand gelegt. Wie er es aber aufnahm,
da föhlte er die Glätte des Leders. Dieſes Buch iſt dem Pack

entgangen, dachte er. Was wärſt du Herrn Malzſchieber, dr
lieber Freund? Bogen aus Bütten in Leder gebunden! Ein
Ding nichts anderes, ein fremdes Ding. Eine Sache, die ma
auf den Markt ſtellt und verhökert! Suleika, Goethe, Mafus
..." und ihr, die Sänger ſüßer Minne . . . du, Nibelungen=
ſchatz
, Herre Walther . . . Novalis, mein Führer durch die Un=
endlichkeit
des Gefühls ... was ſeid ihr, die ihr da vor mit
ſteht? Seid ihr noch die Freunde, mit denen ich Zwieſprach
hielt? Ihr ſeid Edelpapier in reichen Einbänden . .. ihr ſeid
Zimmerſchmuck . .. ihr ſeid Faſſade . . . nichtswürdiger Putz
... Ware ſeid ihr . . . verflucht noch einmal! . . . Ding ſeid
ihr geworden .. . ich verachte euch . . . und ich werde hingehen
euch zu verhandeln . . . einen nach dem anderen . . . werde
euch preisgeben . . . einen nach dem anderen. Denn ihr ſeid
feil, ihr Schöngewandeten. Und ich verhandle euch, meinen
Hunger zu ſtillen . . . Meinen . . . Hunger . . . zu .. . ſtil=
len
..." wiederholte er. Und was dann? Wenn auch das
letzte Buch dem reichen Pöbel ausgeliefert iſt? Artikel ſchrei=
ben
für Pfennnige, die anzunehmen ein Schuſterlehrling ſich
ſchämen würd’? Und einſam ſein .. . ohne die Freunde .
Einſam und das Bewußtſein des Judashandels ... .!"
Mierenſtudt griff mit zitternden Händen nach der Flaſche.
Wozu den Becher nehmen . . . wozu Umſtände in dieſer Zeit?
Tier ſein unter Tieren. . . . Her mit der Flaſche.
Er trank den Reſt in einem Zuge. Glut erfüllte ſeinen
Leib, Glut ſtieg ihm zu Kopfe. Nadeln ſtachen in ſein Hirn. Das
trieb ihn auf. Seine Füße hackten auf das Büchergeſtell zu.
Augen, tief aus den Höhlen, ſtarrten.
Leder . . . Ganz=Maroquin . . . Pergament . . . Luxus
. . . Luxus .. . Japanpapiere ..." holzfreie Edeldrucke ...
Holz .. ." Holz . .. Holzwürmer ticken . . . Holz ... würmer
in meiner Lebensuhr . . . pfui Teufel . . . der Geiſt iſt tot . . .
ich beſitze Leder und Pergament . . . zwei, drei Meter lang. Der
Geiſt iſt verraten . . . verſchachert . . . der Geiſt iſt gelähmt. Nur
die Schwere herrſcht in dieſer armen Welt. So werdet auch ihr
verraten werden, Freunde . . . Nicht Freunde . . angeſtrotzte,
lederbekleidete Parvenüs. . . . Ich . . . haſſe euch!"
Er langte nach einem der Bücher und riß es aus dem Ein=
band
. Das Heftleinen knirſchte unter ſeinem Griff, wie zerſägt
brach es dann auseinander. Mit geſchloſſenen Augen packte
Mierenſtudt Bücherballen, ſchleppte ſie auf das Ruhebett und
trennte nun mit ſchnellem Riſſe die Einbände von den Bogen.

[ ][  ]

Nummer 35

Unterhaltungsblatt und Frauenzeitung

Jahrgang 1923

Die Welt der Frau

Gedanken eines Gottſuchers.

Frauenbewegung und Frauenentwicklung.

Selig ſind die Menſchen, die das Göttliche in ſich ſuchen,
denn ſie finden Gott.

Das Leben des Menſchen iſt Bewegung und Entwicklung,
beides iſt in jeder Zeit vorhanden, und doch iſt unſere Zeit in
beſonderem Maße eine Uebergangszeit; überall will etwas
Neues werden. Alle Kämpfe und Leiden ſind Geburtswehen
einer ſich anbahnenden Zukunft. Bringen die Stürme, die uns
uimbrauſen, einen verheißungsvollen Frühling, oder ſind es
Herbſtorkane voll düſterem Verhängnis? So ſtehen auch wir
Frauen vor dem Tor der neuen Zeit und bitten von ganzem
Herzen um Vertrauen, damit wir unſerm Volk dienen dürfen,
und damit unſere Gaben ihm zu Segensgaben werden, zur Ver=
bürgung
einer innerlich glücklichen neuen Zukunft. Wir hatten
bisher eine weſentlich männliche Kultur, und noch gilt der weib=
liche
Einſchlag wenig. Wir können auch heute noch nicht ſagen,
wie ſich der weibliche Einfluß bei den verſchiedenen Kulturfragen
auswirken wird. Damit, daß durch eine äußerliche Gleich=
macherei
die Frau die gleichen Stellen wie der Mann einnehmen
kann, iſt für die innerliche Entwicklung noch wenig geſagt. Die
Hauptfrage iſt, wie kommt der beſondere Wert der Frau zum
rechten Ausdruck, nicht nur, wie bisher, in Haus und Familie,
ſondern auch in der großen Familie des Staates, im völkiſchen
Leben? Wie kann die Weſensart der Frau in geiſtiger und
ſeeliſcher Ergänzung der Weſensart des Mannes unſere Kultur
heben? Die Frau iſt ſubjektiver und konkreter als der Mann,
ſie zergliedert weniger, ſieht die Dinge ſofort mehr als Ganzes.
Sie fühlt ſich leichter und raſcher in alles ein, ein natürlicher und
meiſt richtiger Inſtinkt leitet ſie. Dazu kommt die mütterliche
Fürſorge. Die ſozialen Verhältniſſe ſind ſo ganz anders gewor=
den
. Wir ſind weit über die naiven Anſchauungen früherer
Zeiten hinaus gewachſen. Das läßt ſich nicht mehr aufhalten,
ebenſo wenig läßt ſich der Eintritt der Frau ins öffentliche
Leben rückgängig machen. Jedenfalls muß ſich die Frau allmäh=
lich
in Kulturaufgaben hinein leben, die dem Mann durch jahr=
tauſende
lange Erziehung zu etwas Selbſtverſtändlichem ge=
worden
ſind. Auch die Rechtspflege iſt durch neue pſychologiſche
Erkenntniſſe aufs tiefſte beeinflußt und die richtige Auffaſſung
durch den Richter kommt mehr als früher zu bewußter Geltung.
Die Frau wird vorläufig ihre Aufgabe in der Ergänzung der
männlichen Rechtspflege ſehen, dabei werden Kinderkrankheiten
und Fehler zu überwinden ſein. Nicht alle Frauen werden
ſofort die volle Verantwortung empfinden. Eine ſo gewaltige
Entwicklung bedarf Generationen zur Vollendung, ſie muß nur
richtig geleitet werden; hier muß und wird die Erziehung
wirken. Das Vertrauen des Volkes werden ſich die Frauen bald
erwerben, wie das die Länder beweiſen, in denen ſie ſchon tätig
ſind. Eine nicht aufzuhaltende allgemeine Kulturentwicklung
aber kann nicht gewaltſam zurückgedrängt werden. Viele Ein=
wände
, die mit mehr oder weniger Berechtigung gegen die Be=
teiligung
der Frauen im beruflichen Rechtsleben erhoben werden,
können leicht aus Praxis und Erfahrung heraus entkräftet wer=
den
. Die Frau urteile zu geſchäftsmäßig, zu ſehr als Frau.
Aber auch der Mann läßt ſich ſtark vom Gefühl leiten. Die
Frauen haben ſchon zur Genüge erwieſen, daß ſie ſich über ihr
Geſchlecht erheben können. Der Einwand, daß vor Gericht ſo
viel Häßliches vorkomme, kann nur von dem erhoben werden,
der die Arbeit der Frau im Krieg und Frieden als Schweſter,
als ſoziale Fürſorgerin, als Gemeindehelferin uſw. nicht kennt.
Vor 30 Jahren hielt der männliche Arzt die Aerztin für un=
weiblich
, der Oberlehrer die Oberlehrerin. In zehn Jahren
werden weibliche Rechtsanwälte, Schöffen und Geſchworene
ſelbſtverſtändlich ſein, und die Berufsrichter werden folgen.
M. Müller.

Wer Gott ſucht, ziehe ſeine Schuhe aus, denn das Land
in ihm, das vor ihm liegt, iſt heiliges Land.

Die ſind von Gott, an deren Hand unſere Sehnſucht
weiterſchreiten lernt.
Wer in ſich den Ewigkeitsſpiegel fand, wird ſtreng gegen
ſich und ein gütiger Bruder ſeinen Mitwanderern.

Man hört die Menſchen ſo häufig ſagen: Ich liebe Gott!
und findet ſo wenige, deren Gottliebe ſich am Nächſten betätigt.

Je mehr wir in unſere Innenwelt ſchauen, deſto mehr
ſehen wir in der Außenwelt.

Wer von den Zinnen der Zeit Fernſchau in ſeine Ewig=
keit
zu halten weiß, der lebt.
Selig ſind die Gottſucher, denn ihr Sehnen iſt ein Wandern
der Seelen in Königsgewändern.
Franz Mahlke.

50 Millionen Mark Preiſe für ſchöne Handarbeiten
berteilt der Verlag Otto Beyer, Leipzig, laut ſeines kürzlich
bekannt gewordenen Preisausſchreibens. An dieſem großen
Wettbewerb kann ſich jede deutſche Frau, die mit geſchickter Hand
und gutem Geſchmack Nadel, Faden und Schere zu handhaben
weiß, beteiligen. Ziel des Wettbewerbs iſt die Förderung der
deuiſchen Handarbeitskunſt. Es ſollen muſtergültige Vorbilder
für Kleid und Heim geſchaffen werden. Jede Intereſſentin laſſe
ſich die Bedingungen koſtenlos vom obig genannten Verlag ſen=
den
oder erfrage ſie bei den Buchhandlungen oder Handarbeits=
geſchäften
der Stadt.

Der zeitgemäße Haushalt.

Vielgebrauchte Teppiche im Ausſehen zu er=
neuern
. Der zunächſt durch Klopfen von links und rechts und
nachfolgendes Bürſten von Staub befreite Teppich wird auf
ſauber gewiſchtem Fußboden ausgebreitet, mit einer Löſung von
1 Eßlöffel Quedlin in 1 Liter gut handwarmem Waſſer mit kräf=
tiger
, aber kurzhaariger Bürſte gereinigt. Man verfährt dabei
in der Weiſe, daß man zunächſt einen dreiviertel bis 1 Quadrat=

meter große Fläche in hin= und hergehenden Strichen mit gut
benäßter, aber ausgeſpritzter Bürſte einreibt, darauf zur Ver=
hütung
des Ablaufens etwa nicht echter Farben ſofort mit einer
zweiten Löſung nachbürſtet, die man aus 5 Liter Waſſer und 1
Taſſenkopf voll gutem Eſſig bereitete. Hat man ſo ſtellenweiſe
den ganzen Teppich mit beiden Löſungen bearbeitet, dann be=
ginnt
man wieder von oben her den Teppich ein zweites Mal
zu bearbeiten, und zwar kniet man ſich zum Schutze des Gewebes
auf ein Brett und bürſtet ihn nun mit einer langhaarigen, trocke=
nen
Bürſte, die man mit einem in kaltem Waſſer ſcharf ausge=
drückten
und ausgewundenen ſauberen Leinentuche ſtraff be=
ſpannt
. Dieſes Tuch muß ſo oft erneuert werden, bis es ſämt=
lichen
Staub aufgenommen, alſo ſauber bleibt. Iſt der Teppich
am nächſten Tage vollſtändig trocken und bedarf neuer Appretur,
urn glatt und faltenlos zu liegen, dann weiche man guten Kölner
Leim klein zerſchlagen, knapp mit Waſſer bedeckt ein, löſe ihn
nach 48 Stunden, mit dem Einweichwaſſer in kochendes Waſſer
geſtellt, unter Umrühren auf, verdünne ihn zu einer leichtklebigen
Leimmaſſe und ſtreiche ihn mit einem weichen Pinſel auf die
Rückſeite des Teppichs, der ebenfalls wieder einen Tag zum
Trocknen braucht.
Rationelle Behandlung des Aluminium=
geſchirres
. Solange es in den Schaufenſtern glitzert und
gleißt, bildet es das Entzücken jeder Hausfrau, ſobald es jedoch
in ihren Beſitz iſt, ſchlägt dieſes meiſt raſch in das Gegenteil um,
da es zu vieler Pflege und Putzarbeit bedarf. Dieſes kann je=
doch
erheblich eingeſchränkt werd, und das ſchöne, ſo praktiſche
Geſchirr dauernd ſein tadelloſes, ſüberweißes Ausſehen behalten.
wenn im Gebrauch folgende Winke beachtet werden. So darf es
niemals auf offener Roſtgrude zum Kochen von Speiſen ver=
wendet
werden, da die aufſteigenden Grudegaſe ſeinen ſchönen
Glanz völlig zerſtören, ſodaß ihn auch ſorgſames Putzen nicht
wieder in früherem Maße herſtellt. Weiter darf es auch nicht aus=
nahmsweiſe
einmal mit Sodawaſſer gereinigt werden, das
neben ſeinem guten Ausſehen auch noch ſeine Haltbarkeit ſtark
beeinträchtigt. Ganz beſonders behüte man es vor dem Ein=
breunen
von Speiſen, da man dieſe in ihm nicht durch Soda=
waſſer
löſen darf, ſondern alle Speiſenanſätze abkratzen und ab=
ſcheuern
muß, wodurch ſchadhafte Stellen an den Töpfen ent=
ſtehen
. Braunen Anſatz von verſchiedenen Speiſen entfernt man
am zweckmäßigſten durch Auskochen mit ſcharfem Eſſigwaſſer
oder ſauren Obſtreſten. Das äußere, ſo geſchätzte ſilberweiße
Ausſehen aber erzielt man raſch nach dem Reinigen der Töpfe
durch Abſeifen mit einer wollenen Strumpfſocke, die man mit
Ata (Drogerie) beſtreut. Doch verfahre man dabei derart, daß
man erſt die Hälfte des Topfes mit dem ſo beſtreuten Lappen
abſeift und ſofort mit klarem Waſſer überſpült, darauf die an=
dere
Seite in gleicher Weiſe behandelt, nachſpült, den Topf
gründlich abtrocknet und nochmals mit trockenem wollenen Lap=
pen
und Ata nachpoliert. Nickelartiges Ausſehen der Geſchirre
lohnt dieſe Behandlung.
L. G.

Bienenwachs als Putzmittel. Mit Bienenwachs
laſſen ſich Roſtflecke von feinen Stahlmeſſern leicht entfernen,
wenn man wie folgt verfährt: Man nimmt ein Stück Wachs in
ein Mulläppchen und reibt damit die erwärmte Klinge ab, die
man dann nochmals mit pulveriſiertem Kochſalz nachreibt. h.

Verwüſtet lag ſein Beſitz, Einbandfetzen und Papiere, ge=
häuft
um das Ruhelager. Er aber, überwältigt von dem unge=
wohnten
Alkohol, müde auch von dem Werke der Zerſtörung,
ſtreckte ſich lang, für ein paar Minuten, wie er kurz vor dem
Einſchlummern meinte. Als er erwachte, ſchien Mondlicht durch
das offene Fenſter. Ein kühler Luftzug, der ungehindert Ein=
gang
fand, ernüchterte ihn vollends.
Er ſah, was er getan, und ſchüttelte den Kopf. Seine
Hände griffen in das Chaos. Kraftlos, ließen ſie lederumkleidete
Pappſtücke durch die Finger gleiten. Sein Mund wollte Worte
formen, aber die Lippen folgten ihm nur unwillig. Schwer und
tonlos kam es: Alles zweck-los. . . Alles . . aus!
Mierenſtudt erhob ſich und taumelte. Es warf ihn wieder
über das Ruhebett. Da raffte er ſich zuſammen und betonte die
Schritte, daß der leere Parkettboden knirſchte. Auf dem Tiſche
lagen die Rechnungen und das heute gewonnene Geld. Ver=
ächtlich
glitten ſeine Blicke über die Scheine. Geſindel.
Morgen alſo mußte die Villa geräumt werden. Es war
nicht mehr viel zu räumen‟ Er ging hinaus, blank, leer.
Räumen? Doch! Die Bücher. die auf dem Boden dort
. .. die er geſtraft hatte, weil ſie dem Pöbel etwas galten ..
Er fühlte ein weiches Gefühl der Rührung in ſich keimen, aber
er wollte vor ſich ſelber in Mannheit beſtehen und zwang es nie=
der
. Verſchloſſenheit der Seele iſt ja die Keuſchheit des Mannes.
Eine Zeitlang beſah er ſich die Verwüſtung. Ihres Prunkes
beraubt, hilflos, lagen die Bücher vor ihm. Es war ihm, als
habe er an Kindern einen Mord begangen: ſo hilflos erſchienen
ihm die Papierbündelchen. Riſſe ſchändeten die Vorſatzpapiere;
ein harter Griff mochte wohl die Seitenecken einiger Bogen er=
faßt
und abgeriſſen haben. Flockig waren kleine Fetzen umher=
geſtreut
.
Mierenſtudt beugte ſich nieder und ſtreichelte ſeine Bücher.
Ein Gedanke kam ihm und er ſäumte nicht, ihn Tat werden zu
laſſen. Sommer war ja nahe. Bald würden die Feuer auf den
Bergen lohen. So wollte er auch ſeine Lieblinge durch die
Flammen reinigen. Als Feuermal des Geiſtes ſollten . . .
Mierenſtudt dachte nicht länger, ſondern handelte. Treppab . .
treppauf . . . treppab treppauf Er eilte hinab
huſchte durch die Nacht. Immer wieder. Reiſer breitete er über
den Grasboden des Gartenrondells darüber die Bücher
.. wie die Altvordern geliebte Tote. Es koſtete ihm viel
Mühe, bis der ſonderbare Scheiterhaufen in Flammen ſtand.
Rauchfahnen zogen gen Himmel. Die Rauchwürze des ver=
brennenden
Papiers teilte ſich der Luft mit und erfüllte ſie mit
füßlichem Verweſungsdunſte. Das hinwelkende Leder roch aaſig.
Dr. von Mierenſtudt wandte ſich und ging ins Haus zurück,
Kurze Zeit darauf ſiel drinnen ein Schuß.

Die Nächte.

Von Georg Zimmermann.

Schach

Nummer 16

Aufgabe 31

Friedrich Köhnlein in Nürnberg
(Deutſches Wochenſchach 1913).
d

Weiß zieht und ſetzt in drei Zügen matt.
Prüfſtellung: Weiß: Kel Da2 Tb2 e4 Sd7 (5);
Schwarz: Kd3 Td6 h5 Lc5 Sh1 Bc3c6d4 e6 (9); 2 +:
Köhnlein iſt wie ſo zahlreiche andere deutſche Aufgabendichter, im
Weltkrieg auf dem Felde der Ehre geblieben. Für ſeine glänzende Be=
gabung
legt unſere heutige Aufgabe beredtes Zeugnis ab. Uebrigens
tat er ſich auch in der praktiſchen Partie hervor, er beſaß den Meiſter=
titel
einen umſo ſchmerzlicheren Verluſt bedeutet ſein Tod für die
Schachwelt.
Aufgabe 32
Dr. Emiel Palkoska in Prag
(Turnier des Alfiere di Re 1922)
Weiß: Kf6 Dh4 Tc3 e3 Sd5 g4 (6);
Schwarz: Kd4 Tb5 La8 Sc2 el Bb6 h7 (7);
Matt in zwei Zügen.
Berichtigung. In Aufgabe 30 muß der ſchwarze K aufe4 ſtehen,
Ferner iſt uns ein Irrtum, den wir ſehr bedauern, unterlaufen: Der
Verfaſſer heißt mit Vornamen Franklin, nicht Friedrich, wie wir an=
gaben
. Meiſter Blümich ſtammt aus Leipzig (nicht Dresden).
Löſungen der Aufgaben 1722. 17. Ellermann, G. C. 1921 (Ka7 Dh1
Taß h5 Lf7 18 Sc5 e6 Bb5 f3; Kd5 Df5 Tg8 h4 Le5 Bc4 d6 e3
16 h2; 2). 1. Sc5d7 dr. 2. Sb6X. Prachtvolle Wendungen nach
1. . . . De6:, Df3: und den verſchiedenen Läuferzügen. 18. Roeſe, D.
Schbl. 1923 (Kb7 Tc4 Ld8 Ba6 b3 d6 e3 f7 g3; Kb5 Lf5 Ba7 b4
b6etg4: 3 -)1. 17f8S12. T, S XL3. Tc5 + Zugzwang, einfach,
aber doch ganz nett. 19. Kohtz und Kockelkorn, D. W. 1905 (Kf4 Dc5
Td8 Sc8 Bd6; Ke6 Ta8 h8 Lg8 Ba6 b5 f6h7; 3+). 1.:d6d7
dr. 2. Tf8. 1. .. . . Ta8 Xc8 2. Dc5d5 +!! 3. d7 Xc8 D, S+.
Das Damenopfer kommt wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Wunder=
bar
! Nebenſpiel 1. . . . Kf7 2. Kf5. 20. v. Wardener, D. W. 1923
(Ka3 Dc3 Tb7 Ld5; Ka8 Dh8 Tf6 Lh1 Baßck e7 h4; 2+).1.
Dc3 d4. Reizvolle Verſtellungen 21. Heathcvte, 1. Pr. Turn. d.
Natal Merc. 1920 (Kh4 Dg5 Lc3 15 Sc4 d3 Kd5 Da8 Th7 Lg8
Sf1 Ba3 a7 b5 c6 g7 h5; 3+) 1, Lc3 a1 dr. 2. Dg5 g2+3.
Da2 +. 1. . . .b5b42. Sd3c5l (Hauptſpiel) 1. . . . Kc4: 2. Df4-.
1. .. .bc 2. Lg4+1. .. .Dd8 2. Dd8 -: 1. . . .Sf1 2. Se3 +. Gegen
die Verführung 1. Lc3 c5 hilft nur 1. .. .b5 b4! Schön und
ſchwierig, aber Vorgänger: G. J. Dunka, Budapeſt, 3. Preis im 2.
Problemturnier der Magyar Sakkujſag 1912, Ka4 Db5 Lc5 h1 Sd5
e3; Ke5 Db8 Sc1 Ba5 b7 16 g5 h3 h7, Löſung: 1. Sd5 f4 uſw.,
dem nur die erwähnte Verführung fehlt, 22. Berger, Tdskr. f. Sch.
1917 (Kb8 Dc5 Ta6 Le6 h6 Sg7 Bb7; Kg6 De2 Tal Sh8 Bd4 e5
13 h7; 2 +). 1. Dc5c1 dr. 2. Dg5 +.
Löſerliſte: Prof. Dr. Reutzel (alle); H. F. (1720, 22); Jakob Balß
in Gadernheim (17, 18, 20, 22); G. Peter, Walter Schütze (17, 18, 20);
Ludwig Hornung in Zell i. O. (17); Hans Becker (18, 20, 22); Arnold
Dieſtelmann (20).
Briefkaſten. H. B. Aufgabe 23. An welchem verſchmitzten Gegen=
zug
ſcheitert 1. Tf2f4? Wenn Sie das herausfinden, werden Sie
die Aufgabe löſen. Aufgabe 24. 1. Tb3b2 +? Kc312. Se6-Lc6.
F. P. Stets muß Weiß trotz der beſten Gegenzüge von Schwarz das
Matt erzwingen. Deshalb geht, wie Sie richtig erkennen, in 27 1.
Le5g3 nicht wegen 1. . . . Sa8c7 . In 28 kann ſich Schwarz
gegen 1. Ta5 a6 ſowohl mit 1. . . . Sc8b6 wie auch mit 1....
Kd6 d5 2. Tf815++ (wie Sie angeben) Lh2e5 wehren.
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die Schriftleitung
des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift Schach.

Hinter jungen Birken lauſcht der Mond. Wie leiſes Fragen
einer ſchönen Frau verweht ein Lied aus einem fernen Garten.
Unter Deinem Fenſter gehen langſam zwei vorüber.
Du Lieber! ſagt das Mädchen. Wie zitterndes Sich=
ſchmiegen
iſt das, und in den Zweigen bleibt von Sehnſucht
chwer ein dunkles Klingen hängen.
Du Lieber, flüſtert der Nachtwind in den Blütenbäumen,
am Park der Brunnen ſingt, im Mondenſchein die Laute klingt,
und alle Sterne jauchzen mit: O, Lieber. Du, Du Lieber
In ſchweren warmen Wellen flutet die Nacht ins Zimmer.
In allen Winkeln iſt lautloſes Jubeln.

Ergänzungs=Rätſel.
* Möbelſtück
*
* Baum
* *
alte Krönungsſtadt
Raubtier
* * E + Nahrungsmittel
+ * E + Kleidungsſtück

Vom Turme ſingen dumpf die Stunden in die Nacht.
Stumme Blitze zucken über fernen Wäldern. Und eine junge
Frau am Wege wartet.
Die Luft iſt ſüß von Reifeduft. Am Weihen unten lacht ein
Mädchen.
Schwer hebt die junge Frau die Hand.
Warum auch wartet ſie

Darmſtädter Silbenrätſel.

Fahle Lichter ſpiegeln zitternd ſich in Pfützen. Schneidend
ſtößt der Wind, gellt in den Lüften, trägt abgeriſſene Akkorde
des Geſanges der Großſtadt.
Die Laterne am Brückenpfoſten klirrt im Sturm. Drüben
weißt du dein Weib, dein Kind, deine ſonnige Welt.
Den Kragen ſchlägſt du hoch, empfindeſt körperhaft, wie
unten ſich die Waſſer lautlos drängen. Sterne blinken auf im
Spiegel der ſchwarzen Tiefe. Und deine Seele bebt. Tränen
denkſt du, ſilberglänzende Tränen, die Maria auf ihrem Wege
vergoß.
Fetzen knattern. Du erſchrickſt vor einer Geſtalt, die am
Brückenheiligen lehnt. Aus dem Umſchlagetuch leuchtet es jung
und weiß. Angſtvolle Augen ſehen dir nach.
Drüben wartet dein Weib. Immer iſt es, als ob über dieſe
Brücke dir nicht folgen könne, was häßlich war drüben im Lärm.
War da ein Schrei? Waſſer rauſcht auf. Dein Herzblut
ſtockt. Du ſtürmſt den Weg zurück, ſtehſt vor dem Heiligen: die
Niſche iſt leer.
Gellend jagen Winde ſich bis in den Himmel. Wolkenfetzen
jagen. Stumm ſehen aus der ſchwarzen Flut die Sterne zu
dir auf.
Tränen, ſprichſt du leiſe, leuchtende Tränen, die Maria
vergoß auf dem Weg über die leidvolle Erde.

Auflöfungen.
Silbenrätſel:
1. Wallach, 2. Edfu, 3. Iſis, 4. Neuſtadt, 5. Saale, 6. Cgeſar=
Weinſchuſter
Streichholz=Rätſel.

An Stelle der Sterne ſetze man 1 a, 1 c. 1 d, 1 e, 2 f, 1 h,
2 k, 2 I, 2m, 3 n, 3 p, 2 r, 1 ſ, 2 t, ſodaß die wagerechten Reihen
Wörter von angegebener Bedeutung enthalten. Die auf die fetten
Sternefallenden Buchſtaben nennen dann ein Hauptwort. Carl Deubel,

a, ban, be, bing, bo, des, dou, e, e, el, el, fi, glas, ha, he, lei, li, li.
ma, na, ne, now, tan, than, ur.
Aus vorſtehenden Silben ſind 11 Wörter von folgender Bedeutung
zu bilden: 1. Bezeichnung für Unterwelt. 2. Stadt in Weſtpreußen.
3. Schuldverhältnis des bürgerlichen Rechts. 4. Nebenfluß der Oder.
5. Weibliche Geſtalt in einem Schillerſchen Drama. 6. Nadelholz=
baum
. 7. Berühmtes ſchottiſches Adelsgeſchlecht. 8. Deutſcher Fluß.
9. Titelheld eines Leſſingſchen Dramas. 10. Weiblicher Vorname.
11. Name verſchiedener Päpſte.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben ergeben, beide von oben nach
unten geleſen, einen dringenden Mahnruf an alle Darmſtädter
Bürger und Bürgerinnen in der jetzigen ſchweren Zeit.

Rätſel: 553. Mücke, Mucke, 554. Bleiche, Leiche, bleich, Eiche,
Ei, ich. 555. Ackerwachtelweizen.

daß
brud
rit

Berautwartlich: Mar Etraaie