Die Mode von heute.
Die Mode in Rot. Je weiter die Jahreszeit
fortſchrei=
tet, deſto mehr tritt ihre außerordentliche Farbenfreudigkeit in
Erſcheinung. Wenn die Göttin der Mode auch ihre beſonderen
Lieblinge unter der ungeheuer farbenreichen Skala beſitzt, ſo
ſcheint ſie heuer doch keine einzige Nuance übergehen zu wollen.
Jede Schattierung, jede Verbindung der verſchiedenſten Farben
iſt vertreten, namentlich auf jenen großgemuſterten, äußerſt
far=
benreichen, leichten Frühjahrsſtoffen, die entweder in
natura=
liſtiſcher Manier oder mit Rieſenblüten in vorwiegend
expreſſio=
niſtiſchem Geſchmack äußerſt auffallend bedeckt oder
girlanden=
artig im Biedermeiergeſchmack gehalten ſind.
Stoffe in Rot, ſowohl in Frotté einfarbig und
verſchie=
den breit geſtreift, wie in Crepe, Crepe=Georgette, Twiſt=
Fou=
lard, Schleierſtoff, Woll= und Baumwollmuſſeline, Voll= oder
Halb=
voile ſind vorhanden. Vom zarten Lachsfarbig und Roſa, über
Fraiſe, Feuer= und Purpurrot, bis in ein leuchtendes Kirſch=,
Türkiſch= und Kupferrot, ſchwelgt die Mode geradezu in all. dieſen
roten Tönen und verwendet ſie zu Kleidern, zu Schirmen, zu
ganzen Hüten, zu Schärpen, Schleifengarnituren, ſelbſt zu
Strümpfen und in dunkelſten Tönen auch zu Schuhen. Ja, wir
jähen ein Gewand: ein hochapartes Promenadekoſtüm aus einem
wundervoll leuchtenden Kupferrot, das in ſchlichtem
Kittelſchnitt gehalten, als ſeitlich eingeſetzte Rockbahn, wie auf
dem dreiviertellangen weiten Glockenärmel und rund um die
Formborte des Leibchens exakt aufgeſetzten Treſſenbefatz aufwies,
der in gleichmäßigen Abſtänden von 5 Zentimetern Breite ſich
bis auf Strohhalmbreite verſchmälerte. Auch das mit ſtrohgelber
Seide unterfütterte Rückencape, nach vorn nur knapp bis über
die Achſeln das Vorderteil deckend und ſich mit kreuzenden,
brei=
ten Bändern wie Schürzenträger bis zu einem Gürtel
verlän=
gernd, der nur im Rücken mit dieſem Cape verbunden, unter
die=
ſem um die Taille gelegt wurde, auf dem die Capeträger rechts
und links mit großen Kohinoors aufgedrückt wurden, zeigte die
gleiche, etwa 25 Zentimeter breite, ſich allmählich abſtufende
Treſ=
ſenverzierung am äußerſt faltenreichen Rande. Zu einem ganz
entzückenden Jungmädchenkleid in feuerrotem
Schleier=
ſtoff, am Leibchen, Aermel=, Borten= und Rockrande in 10
Zen=
timeter große, ſchuppenartige Bogen ausgearbeitet, die durch
ſchwarzen Seideneinfaß belebt waren, gehörte dagegen ein
ſchwarzes, faltenreiches Tüllpelerinchen mit ſchmiegſamem
Sei=
denfutter, das am Halſe mit einer neuartigen, ſehr üppigen
Tollfaltenrüſche abſchloß, auf deren äußerſtem Rande als
außer=
ordentlich wirkſame Belebung und Schmuck winzig kleine
Koral=
lenperlen von der Kleidfarbe geradezu wie hingehaucht erſchienen.
Dazu ein feuerroter Seidenfutterſchirm mit nach außen
geboge=
nen Stäben, üppig gereihten, lachsfarbigem Chiffonunterfutter,
ein weißer Strohhut in Glockenform mit zwei keck vorn über dem
Kopfe aufgerichteten Rieſenphantaſieblüten in Roſenform: rechts
lachsrot, links ſchwarz. Auffallend und pikant das Ganze, aber
äußerſt reizvoll und keinesfalls irgendwie herausfordernd oder
wohl gar theatraliſch wirkend. Schwarze Lackſchuchen und
lachs=
farbige, zum Schirmfutter paſſende Strümpfe vollendeten den
einzigartigen Rahmen, der ſeiner brünetten ſchönen Trägerin zu
wirkſamer Folie diente.
S. St.
Die neueſten Tennis=Moden. Die ideale
Sport=
toilette der Frau muß Bequemlichkeit mit Eleganz vereinigen.
Die Verbindung gelingt den neueſten Tennis=Koſtümen, die die
Jumperbluſe, das Koſtüm aus Wolltrikot oder den Mantel locker
und doch ſchmiegſam, mit ſparſamer, aber pikanter Verzierung
geſtalten. Weiß iſt die beſte Farbe für das Sportkoſtüm. Auf dem
Wege zum Tennisplatz hüllt, man ſich in einen weichen, loſe
fallenden Mantel, der mit großen Manſchetten geſchmückt iſt und
einen lockeren Schalkragen mit ſpitzem Ausſchnitt hat. Die
Ten=
niskoſtüme ſind in Kunſtſeide weitmaſchig gearbeitet, damit die
Luft gut durchzieht; die Jumper wirken als Bluſe und ſind in
der Taille durch einen ſchmalen Gürtel zuſammengehalten. B.
Moderne Morgenröcke. Aus Neſſel oder Rips, aus
Waſchkrepp oder Muſſelin, wenn ſie für den Sommer beſtimmt
ſind, aus Flanell, Gabardine, Wollkrepp und Waſchſamt, wenn
ſie in der kalten Jahreszeit getragen werden ſollen, gefertigt, ſind
die modernen Morgenröcke neuerdings außerordentlich viel mit
Sattelpaſſen und weiten Flügelärmeln gearbeitet, die ſich vom
Ellbogen an in der vorderen Mitte reſp. Naht teilen. Halbärmel
ſind, die bevorzugteſte Form, wenn auch für jene Morgenröcke,
die gleichzeitig als Hauskleid dienen müſſen, der lange
Bluſen=
ärmel mit knöpfbarer, handbreiter Manſchette immer am
prak=
tiſchſten iſt. Einfarbige Vorſtöße, Schalkragen und Manſchetten,
zopfartig geflochtene Schnuren, als Gürtel aus einfarbigem und
dem buntgemuſterten Stoff des Morgenkleides, dienen an allen
dieſen modernen Morgenröcken als zurzeit beliebteſte Garnitur,
ganz beſonders gefällig ſind an einigen von ihnen ſeitlich ſchräg
eingeſetzte Taſchen mit einfarbigem Vorſtoß oder Pattenbeſatz
und Knöpfen in Kugelform auf einer markierten Naht inmitten
des Oberarmes, als Fortſetzung der Achſelnaht bis zum
Hals=
ausſchnitt. Ganz neu iſt am eleganten Morgenrock die kleine,
ſpitz oder viereckig ſtolaartig ausfallende Schleppe und der ſehr
weite Talarärmel mit nach hinten ſtark verlängerter Mitte. Seide
in orientaliſcher oder expreſſioniſtiſcher Manier iſt das dazu
be=
liebteſte Material. Einige große Kohinoors ſchließen faſt alle
Modelle unſichtbar bei vorwiegend links ſeitlicher Reversgarnitur,
an die ſich nicht ſelten ein waſſerfallartiges Garniturteil unter
großer Roſette oder ſchnallenbeſetzter, flotter Schleife anſchließt.
* Moderne Brautwäſche. So leicht ein junges
Mäd=
chen zum Verlieben und Verloben kommt, ſo ſchwer kommt es
heute zum Heiraten, obwohl — und das ſcheint ein Widerſpruch
zu ſein — noch immer ſo außerordentlich viele Ehen geſchloſſen
werden. Diejenigen, die noch immer in ſo großer Zahl dem
Ehe=
hafen zuſtreben, haben aber wohl ſchon lange vorher, wenigſtens
ſchon lange vor der letzten enormen Teuerung, die „
Hamſter=
käſten” bis zum Rand mit all der köſtlichen Wäſche, die auch heute
noch den ganzen Stolz einer echten und rechten Hausfrau
aus=
macht, gefüllt, haben Strümpfe und Schuhe und Kleider für die
nächſten Jahre tadellos inſtand geſetzt oder erhalten und können
nun daran gehen, das eigentliche Neſt, das ja leider in ſeinem
heutigen Ausmaße ſo ſehr beſchränkt iſt, nach eigenem Wunſche
und den vorhandenen Mitteln auszuſtatten. Die anderen aber,
über die Gott Amor plötzlich Macht gewann, und es jenen
Glück=
lichen gern gleichtun möchten, ſehen ſich heute vor Schwierigkeiten
bei der Wäſchebeſchaffung geſtellt, von denen man nicht genau
ſagen kann, wo ſie eigentlich anfangen, wo ſie aufhören, da dieſe,
genau genommen, nur eine einzige große und drückende Sorge iſt.
Zum Troſte ſei es denen, die unſer heutiges Thema
beſon=
ders intereſſiert, geſagt, daß die moderne Brautausſtattung
außer=
ordentlich beſcheiden geworden iſt. Man kann auch an ihrer
Aus=
ſtattung ſparen, da die Mode „Einfachheit” und „Schlichtheit” an
ihr in ganz beſonders hohem Maße bevorzugt. Sie ſchaffte bei
den Bettbezügen das zweite Kopfkiſſen ab, ſie verengte Tag= und
Nachthemden bis auf ein Mindeſtmaß, vertiefte an den
Prinzeß=
röcken den Ausſchnitt ebenſo wie an den Trägerhemden, vereinigte
Rock= und Unterteile oder Beinkleid und Leibchen oder
Buſen=
halter zu gefälligem Ganzen, verkleinerte die Servietten erheblich
und ſchaffte alle Parade= und Ueberhandtücher, alle überflüſſigen
Läufer und Deckchen ab, die früher unbedingt zu einer
Brautaus=
ſtattung gehörten.— Der Wäſcheſchrank ſelbſt wird nicht mehr mit
feinem Wäſchetuch und breiten Spitzen oder Stickereien in ſeinen
einzelnen Fächern ausgelegt, ſondern farbig im Innern gebeizt,
matt lackiert und am ſchmalen Rande der einzelnen Bretter mit
ſchwarzen Perlſtäbchen verziert, die ſowohl auf hellgelb wie
mahagonirot und ganz beſonders gut natürlich auch auf
heliotrop Schrankbrettern wirken. Andere Zeiten — andere
Sitten. Die neueſten durch Teuerung und Not geboren. Bald
kommt vielleicht die Zeit, in der alle jene ſchön geſtickten,
bogig umrandeten, ſelbſtgefertigten Schrankſtreifen mit ihren viel
verwendeten Sprüchen von „Sommerwinden und grüner Au”
ebenſolche Raritäten ſein werden, wie alle kunſtvoll geſtickten
Bettaſchen, Uhrenpantöffelchen, Bettwandſchoner u. ä. m., mit
denen früher unbedingt die Schlafzimmer ausgeſtattet ſein
muß=
ten, wenn ſie Anſpruch auf Vollſtändigkeit erheben wollten.
Der zeiigemäße Haushalt.
Die Getränkefrage auf Wanderungen und
Ausflügen. So ſelbſterſtändlich bei männlichen Wanderern
und Ausflüglern die Feld= und Bruſtflaſche mit einem
erquicken=
den Getränk iſt, ſo oft fehlt ſie dagegen bei den Frauen. Wohl
verſorgen ſich Mütter ſeit dem Aufkommen der Thermosflaſchen
mit warmen Getränken für ihre Kleinen: mit Milch,
Milch=
kaffee oder Kakao, aber an ſich ſelbſt denken ſie zumeiſt nicht und
verlaſſen ſich darauf, am Ziele angekommen etwas Trinkbares
für ſich beſchaffen zu können. Dieſes Jahr wird aber auch die
gleichgültigſte unter ihnen zum Umlernen in dieſer Hinſicht
ge=
zwungen und bemüht ſich um Getränke, die ſie nötigenfalls als
Labetrunk verwenden kann. Am beſten wird ſie immer tun,
wenn ſie einen kräftigen, ſtarkgebrauten Obſtſaft, Teeabſud oder
Kaffeeauszug zum Vermiſchen mit kaltem oder warmem Waſſer
zur Bereitung von kalten oder heißen Getränken mit ſich führt.
Das letztere wird ſie ohne Schwierigkeiten ſelbſt in entlegenſten
Wirtſchaften erhalten. Freilich müſſen dieſe Extrakte gut geſüßt
ſein, um in ihrer Verdünnung nicht nur zu munden, ſondern
auch zu erquicken. Da aber dieſe Extrakte ſchon an ſich anregend
und belebend wirken, ſo iſt der teuere Zucker zu dieſem Zwecke
entbehrlich und an ſeiner Stelle die Süßſtofftablettchen zu
emp=
fehlen, die ſich nach dem Ernährungstheoretiker von Nordens
ganz vorzüglich zum Würzen von Limowaden und Getränken
eignen und ſehr raſch auflöſen laſſen. Friſches Trinkwaſſer
un=
bekannter Beſchaffenheit wird unter Zuſatz von irgendeinem
Extrakt oder Süßſtoff raſch zum einwandfreien Labetrunk, der
nichts als die Bereitung an Ort und Stelle koſtet.
Seefifchgenuß in der warmen Jahreszeit. Die
Erfahrung lehrt, daß in Deutſchland, wo man mit dem Weſen
der Fiſchkoſt noch nicht allgemein vertraut iſt, mit der Charwoche
auch die Freunde des Seefiſches eine Pauſe in ſeiner
Verwen=
dung eintreten laſſen. Man glaubt, zumal in Ländern mit einer
Bevölkerung überwiegend katholiſchen Bekenntniſſes, nach der
langen, Oſtern beendeten Faſtenzeit wieder vorzugsweiſe
Fleiſch=
gerichten zuſprechen zu ſollen, denkt aber nicht daran, daß ſich
Kotelett und Filet oder Frikandellen ebenſogut aus Kabeljau
und Scelachs wie aus Rind= oder Kalbfleiſch herſtellen laſſen.
Dabei kann man ſich am Fiſch niemals „über” eſſen, wenn man
ihn zweckmäßig behandelt, nämlich mit Gemüſe, Kartoffeln oder
geweichtem Brot. So erſt ergibt auch gerade der jetzt durch
ſeinen im Verhältnis zum Fleiſch niedrigen Preis auffallende
Sceefiſch ein kräftiges Eſſen, für das man, um geſättigt zu
wer=
den, ſelbſt beim Mittagsmahl keinen zweiten Gang auf den Tiſch
zu bringen nötig hat. In den Städten, in denen z. B. vor und
nach dem Kriege Seefiſchkochkurſe veranſtaltet wurden, weiß man
bereits den Wert der Seefiſchnahrung in der mit Oſtern
begin=
nenden wärmeren Jahreszeit gebührend, zu ſchätzen. Allgemein
ſollte man ſich aber jetzt dem Fiſch mehr denn je zuwenden; denn
jetzt iſt ſein Fleiſch am beſten, dem menſchlichen Organismus am
zuträglichſten, auch von Kindern, ſchwächlichen und kränklichen
Perſonen am leichteſten verdaulich, dabei ganz bedeutend billiger
als irgend ein anderes Fleiſch. Mit dem alten, auf irrigen
Vorausſetzungen beruhenden Vorurteil, als ob Seefiſche nach
Oſiern nicht mehr ein vollwertiges Eſſen bildeten, ſollte allgemein
gebrochen werden. Wer ſich näher über die Art unterrichten will,
vie auch im Sommer ſelbſt die billigſten Fiſche in mannigfaltiger
und ſchmackhafter Weiſe zubereitet werden können, findet nähere
Anleitung in einem Kochbüchlein, das der Wirtſchaftliche
Ver=
band der deutſchen Hochſeefiſchereien (E. V.) Geeſtemünde=
Fiſchereihafen auf ſchriftliches Erſuchen koſtenfrei an jeden
Verbraucher abgibt.
Speiſezettel:
Sonntag: Johannisbeerkaltſchale. Ragout von Rind Ger
Grießklößchen.
Montag: Hefeklöße mit gut geſchmorten Heidelbeeren.
Dienstag: Pilzkoteletten mit neuen Kartoffeln und Zwiel ſſoße
Mittwoch: Karotten und grüne Erbſen.
Donnerstag: Mangoldgemüſe mit Bratkartoffeln.
Freitag: Gebackener Fiſch mit Dillſoße und Schalkartoff 1.
Samstag: Peterſilienkartoffeln.
Nummer 12
Aufgabe 23
Walther Freiherr von Holzhauſen in Magdeburg
(Deutſches Wochenſchach 1905).
b
d
Weiß zieht und ſetzt in drei Zügen matt.
Prüfſtellung: Weiß: Kcl Da8 Tf2 Ld1 Ba2 b7 (6);
Schwarz: Ka1 Tb8 (2);3-+.
Aufgabe 24
Sam Loyd
(3. Preis im Pariſer Turnier 1878),
Weiß: Kau Dc7 Tb3 b5 Lc1 Sc5 f2 (7);
Schwarz: Kc2 Dh3 Ta7 g3 Lh1 Sel h8 Ba2 b7 15 (10),
Matt in zwei Zügen.
In der nächſten Nummer kommen die Löſungen der Aufgaben 1 16,
Anfragen, Beiträge, Löſungen u. dgl. nur an die Schriftl ng
des Darmſtädter Tagblatts mit der Aufſchrift „Schach”.
Spiel und Rätſel
Darmſtädter Silbenrätſel.
a, bel, bert, ca, can, de, e, fah, gen, hal, heit, le, Ii, li, mes, o,
na, na, nas, nal, ner, ren, rin, ro, rü, ſel, thü, tung, ü,
Aus vorſtehenden Silben ſind 12 Wörter von folgender
dentung zu bilden:
1. Franzöſiſcher General unter Napoleon III. 2. Tier. 3
kannter Winterkurort in Italien. 4. Deutſches Land. 5. Be
nung für die Geſamtheit der Schutzwaffen der Ritter und Soli
im Mittelalter. 6. Edle Frucht. 7. Ehemalige befeſtigte Gren;
der Römer in Deutſchland. 8. Berühmter Phyſiker. 9. Kühle
Getränk. 10. Heſſiſcher Politiker. 11. Bezeichnung für künſtlick
gelegte Waſſerſtraße. 12. Deutſche Univerſitätsſtadt.
Die Anfangs= und Endbuchſtaben ergeben, beide von oben
unten geleſen, eine ſegensreich wirkende Behörde in Darmſtadt
in letzter Zeit leider allzuhäufig in Anſpruch genommen we
muß.
Aug. Thom
Rätſel.
544. Weiblich wie männlich bedeutet es Schirm und Schutz
Männlich wird’s oft vom Weib überladen mit Putz.
545. Sächlich iſt es ein kleines Haus; — Männlich gibt es nur ſch
was heraus.
546. Die erſte ne Pflanze, die letzten ine Pflanze. — Im Frühher
macht man das dreiſilbige Ganze — zum Winterbedarfe in Gl
ſich ein, — Willkommene Beilag” zum Fleiſch wird es ſein
Auflöſungen.
Streichholz=Rätſel:
Rätſel: 540. Brocken. 541. Wachstube, Wachſtube. 542. Waſſe
not, Waſſernot. 543. Schütze.
Verantwortlich: Mar Streeſe.
Grabwacht.
Einſt ozg Wotan wandernd durch das Land, kenntlich den
Guten, verborgen den Böſen. Er trug einen ſchwarzen,
wehen=
den Mantel und einen breiten Hut, der ſein Geſicht weit
über=
ſchattete. Seine Hand führte friedlich den alten Ger als
Wan=
derſtab, und Segen breitete ſich um ihn, wo er ging und ſtand.
Heute wandert Wotan nicht mehr über das Land, keinem
hell=
äugigen Knaben legt er ſegnend die Hand aufs Haar, keiner Flur
gibt ſein ſchweifend Auge Gedeihen. Im Herzen Wotans iſt’s
einſam geworden, wie in den alten Heidengemäuern mit ihren
er=
loſchenen Feuerſtätten. Nur das Feuer im Herzen des Gottes
kann nicht erlöſchen — es brennt und lodert in tiefroter Glut,
genährt von gewaltigem Willen und gewaltigem Schmerz: du
Volk, ich warte.
Viel Hundert Kreuze ſtehen in den Vogeſenwäldern, viele
zu=
ſammen zu zweien und dreien, viele verſtreut — am Wege, im
zerklüfteten, moosbedeckten Geſtein — viele zerfallen und müde
an einen ragenden Stamm gelehnt, verdeckt von dunklem
Tan=
nengrün und hohen Farren. Jetzt ſucht wohl das Mondlicht
einen Weg durch die dichten Zweige, huſcht über den mooſigen
Boden und ruht auf den alten Kreuzen — und drüber rauſchen
die Bäume, brauſen die Winde, — drüber ſingt die Nacht ihr
ewiges Lied von Sternengefunkel und tiefſtem Vergeſſen.
Auf dem Gipfel des Berges ſtehen vier ſteinerne Säulen.
Vier ſteinerne Säulen ſind geblieben aus der Zeit, die vor zwei
Jahrtauſenden lebendig war — es war ein ſtolzer, kraftvoller
Glaube, der für zwei Jahrtauſende baute. Wenn des Abends
die Schatten aus den Tälern ſteigen, verweilen die
Sonnenſtrab=
len am längſten auf den ſteinernen Säulen. Der Stein ſtrahlt
dann das roſige Licht des Abendhimmels zurück, er wacht auf
aus ſeinem Schlaf und öffnet ſein Innerſtes, der ſcheidenden
Sonne — er grüßt ſie wie ein Menſch, grüßt mit aufgehobenen
Armen.
Langſam iſt die Sonne hinter den Bergrücken verſunken —
raſch weicht dieſe Dämmerung der Nacht auf den Höhen — und
die Schatten zwiſchen den Säulen werden dunkler. Da löſt ſich
aus ihnen eine hohe Geſtalt — weit flattert der ſchwarze Mantel
im auffahrenden Wind — und ſchreitet langſam über den
fel=
ſigen Grund zum Wald hinunter. Ein Brauſen iſt in den
Lüf=
ten, ein Tönen von ſtampfenden Roſſehufen und klirrenden
Waf=
fen — der Schreitende achtet es nicht. Dunkel ſchwebt es heran,
blitzende Brünnen und helle Gewande leuchten hervor, allen
voran hält dort ein mächtiger Hengſt mit ſchlohweißem Fell —
der Schreitende ſieht es nicht. Stumm grüßt die erhobene Hand
mit dem Speerſchaft hinüber — und der wehende Mantel
ent=
ſchwindet den Blicken des harrenden Heeres in die Schatten der
Nacht.
Kein Laut ſtört die atemlos lauſchende Stille — ein Gott
ging vorüber, ein Großes, gegen das alle Wünſche und
Sehn=
ſüchte ſind — wie ein Glühwürmchenſchein zum allmächtigen
Son=
nenlicht.
Einſam ragen die ſteinernen Säulen auf der leeren, düſteren
Höhe, verſchwunden iſt das wilde Heer, nur der Donner grollt
leife aus den dräuenden Wolken, und in der Ferne zuckt
Ge=
witterſchein.
Wotan, der Wanderer, kennt ſeinen Weg. Allnächtlich zur
ſelben Stunde geht er ihn, oft hält er ſtill und verweilt an einem
der kleinen zerfallenen Kreuze. Dann hellt ſich der Grund, ein
Schimmer ſchwebt über dem Ort, und das gütige Auge des
gro=
ßen Wanderers führt leiſe Zwieſprache mit einem Träumenden,
der unter dem Kreuze ſchläft,
Weit iſt der Weg. — — Wenn die Sterne verblaſſen, tI
Wotan zu Häupten des letzten Grabes am Hang, dort, von
man ins Rot des aufſteigenden Tages und auf die Berge
Heimat ſchaut. Hier ruht ſichs gut im Angeſicht der Heimal
aber ſterben hier, wo die Blicke ſich nicht losreißen können be.
Land dort drüben — ſterben hier war ſchwer. Der Wandel
weiß es. Ernſt und mild neigt er ſein Haupt, wie ſo oft ich!
in dieſer Nacht: bald, Getreuer, bald . Derſelbe Troſt 1.
derſelbe Traum.
So viele Gräber liegen in den Vogeſen, und aus allen träu!
die gleiche Sehnſucht zum Licht, die gleiche Liebe zur Brude
hand, die das Opfer verworfen hat. „Iſt das Opfer zu klein 8
weſen, Gebieter? Iſt der Haß und der Kleinmut in den Hek3‟
der Brüder größer als unſer Dienen, als unſer glühender
Wi=
zum Leben, dem wir entſagten? Oder ſind ihre Herzen tor,!
ſie geſtorben am Ich, wie unſer junger Leib ſtarb am fühlloſe
Stahl? — — — Schön iſt das Leben . Es iſt wie ein Pote.
lied, wie ein Windhauch über wogendem Korn, wie eine ou
ſchwere Nacht voll heißem Verlangens — haben Lied und 2"
und Wind einen tieferen Sinn als Liebe? hat das Leben eile
tieferen Glauben als Treue? — — — Warum muß unſe"
Treue hier liegen, einſam, unter der fremden Erde, und darſ Ne
weben im Wonnelied und Erntewind — nicht weiterleben"
zeugender Glut? — — — Warum hörſt du unſere Sehnſuchlt. !.
mein Vater, — warum rufſt du uns nicht —?
Vom Kreuze hebt Wotan den Blick nach Oſten: das Werk de
Nacht iſt vollendet. — Ueber den Tod hinaus ſtark iſt Menſche‟”
hoffen — bei Gott iſt das Wiſſen. Treue der Lebenden au‟”
kann die Treue der Toten erlöſen, und nur der Glaube rüll..
Götter und das Glück. Ein Wiſſender verließ Wotan Walhaug.
ſein Volk und ſein fröhlich Gejaid, Grabwacht zu halten be.D"
Albert Jäger.
ſchlafenden Treue.
Einzelnummer 4000 Mark
Bezugspreis:
Bei wichentl. 7 maligem Erſcheinen monatlich asooo m.
und 3000 M. Wbtragegebühr, Abholen 8r000, durch
die Agenturen 90000 M. frei Haus. Beſiellungen
nehmen entgegen: die Geſchäftsſielle Rheinfiraße 25
(Fernſprecher 4, 2390 und 2394), die Agenturen und
alle Poſtämter. Verantwortlichkeit für Aufnahme von
Anzeigen an befimmten Tagen wird nicht
übernom=
men. Nichterſcheinen einzelner Nummern infolge
höherer Gewalt berechtigt den Bezieher nicht zur
Kür=
zung des Bezugspreiſes. Beſtellungen und
Abbeſiel=
lungen durch Fernruf ohne Verbindlichteit für uns.
Poſiſcheckonto: Frankfurt a. M. 1304.
Heſſiſche Neueſte Nachrichten
Morgenzeitung der Landesbauptſtadt
Nachdruck ſämtlicher mit X verſehenen Original=Aufſätze und eigenen Nachrichten nur mit Quellenangabe „Darmſt. Tagbl.” geſtattet.
Nummer 215
Montag, den 6. Auguſt 1923
186. Jahrgang
27 mm breite 3
Finanz=Anzeig”
breit 85000 M
Finanz=Anzeig
zeile5o00o M.
ſtelle Rheinſtr
erxpeditionen.
Aufruhr, Stre.
auf Erfüllung
von Schadenerſa (C
Beitreibung fällt
Deutſche Bank und
Paris in Erwartung der engliſchen
Vorſchläge.
* Paris, 6. Aug. (Priv.=Tel.) In ſeiner Samstag=Ausgabe
ſchreibt der Temps, das franzöſiſche Publikum müßte kaltblütig
die engliſche Erklärung abwarten, die für kommende Woche in
Ausſicht geſtellt ſei. Denn weder das Londoner Kabinett noch
ein engliſcher Miniſter dürfte den Eindruck gewinnen, daß
Frank=
reich um ihre Unterſtützung flehte oder ihre Entſcheidung fürchte.
Im übrigen ließe ſich darüber ſtreiten, ob die engliſche
Regie=
rung ſich zu einer Aenderung ihrer bisherigen Politik verſtehe.
In einem Punkte werde die britiſche Note von Intereſſe ſein:
Wie gedenkt England das Problem ſeiner Forderungen an
Deutſchland und anderer its an die Alliierten zu regeln? Eine
klare und beſtimmte Antwort auf dieſe Frage ſei zur Löſung des
Reparationsproblems durchaus geboten, weil die Löſung in der
Hauptſache nur auf Feſtſetzung der Zahlungsarten und Größe
beſtehen, ſowie in Beſtimmungen über die Dauer dieſer
Zahlun=
gen. Frankreich habe nicht die Abſicht, von England
Verzicht=
leiſtungen in dem einen oder anderen Sinne zu fordern. Auf
dieſe Feftſtellung legt der Temps beſondern Wert und führt aus:
Die Leiſtungsfähigkeit Deutſchlands hängt weniger von den ihm
auferlegten Zahlungen ab, als vielmehr von den Beziehungen,
die zwiſchen den einzelnen Gläubigerſtaaten beſtehen. Wenn die
Gläubiger eiwig ſind, dann wird Deutſchland nichts weiter übrig
bleiben, als ſeine Schulden zu bezahlen. Wenn aber England
weiter Oppoſitionspolitik treibt, dann würden die Reichen
Deutſchlands dieſen Umſtand benutzen, ihr Geld vor den Steuern
in Sicherheit zu bringen. Aus dieſem Grunde kann man von
England nicht verlangen, ſeine Schuldenforderungen aufzugeben,
doch habe man das Recht, um genaue Angaben zu bitten:
Wie=
ſiel wünſcht England von Deutſchland zu bekommen, und wieviel
rwartet es von ſeinen Alliierten, die ſich ihrerſeits durch die
Einziehung dieſer Forderungen in Deutſchland bezahlt machen
verden? Die engliſche Ragierung würde, ſo ſchreibt der Temps,
Henn ſie jetzt wieder das Wort ergreift, zu allererſt ihre
An=
prüche nennen müſſen.
Was Belgien aus Deutſchland
heraus=
preſſen wilſ.
* Brüfſel, 6. Aug. (Priv.=Tel.) Das belgiſche Kabinett
fird demnächſt ein Graubuch veröffentlichen, in dem, wie bereits
emeldet, auch die Studie enthalten ſind, die in den alliierten
auptſtädten als Grundlage einer Beſprechung der Reparationen
ngeſtellt worden ſind. Nach Mitteilungen aus gut unterrichteten
reiſen erfährt man den weſenuliche Inhalt dieſer Studien. Dieſe
rfallen in drei Einzelſtudien. Die erſte beſchäftigt ſich mit einer
eihe deutſcher Einnahmequellen, die für die Sicherung einer
utſchen Jahresleiſtung benutzt werden könne. Es werden
fol=
nde Fragen aufgeworfen: Welches Erträgnis kann man nach
ner wie langen Periode zum Ausgleich der Währung und des
ahreshaushalts erwarten, 1. von der ſachlichen Verwertung der
utſchen Einnahmen, 2. von der Ausnutzung gewiſſer
Ver=
auchsmonopole, 3. von den Kohlenlieferungen? Die zweite
kudie ſchlägt vor, zugunſten der Wiederherſtellung Anteilſcheine
die deutſchen induſtriellen Unternehmungen auszugeben,
nn 25 Prozent des Reingewinnes, den dieſe Unternehmungen
zielen, einzuziehen, unter Vorausſicht einer Stabiliſierung der
ark und einer verhältnismäßigen Wiederherſtellung des
deut=
en Wirtſchaftslebens, die man als eine natürliche Folge der
gelung der Reparationsfrage anſieht. Man nimmt an, daß
ſe Teilnahme der Alliierten an den Aktiengeſellſchaften allein
) Millionen Goldmark ergeben würden. Die dritte Studie
cechnet zunächſt, welches die Geſamteinnahmen und Ausgaben
15 Deutſchen Reiches in den Monaten April, Mai und Juni
22 waren, und kommt zu dem Schluß, daß bei einer
nor=
ilen Finanzlage die obengenannten Einnahmen ohne
Unzu=
glichkeiten dem deutſchen Staatshaushalt entzogen werden
inen.
eparationsvorſchläge der franzöſiſchen Preſſe.
* Paris 5. Aug. (Privat=Telegramm.) Soweit nach den
liegenden Preſſeſtimmen geurteilt werden kann, findet die
lgiſche Antwortnote hier geteilte Aufnahme.
3 Journal des Debats, das in derartigen Angelegenheiten
a den belgiſchen Ausarbeitungen günſtig gegenüberſtand,
er=
t, die gegenwärtige Ruhepauſe in den franzöſiſch=belgiſchen
prechungen gäbe dem Pariſer Kabinett eine vortreffliche
Ge=
nheit zu handeln. Die engliſche Parlamentsrede hätte klar
ieſen, daß Baldwin und Curzon keinen beſtimmten Plan
be=
en und durchaus unentſchloſſen wären. Weiter ſchreibt das
tt: Wenn wir imſtande ſind, ein Programm aufzuſtellen und
anzugeben, was nach Aufhören des paſſiven Widerſtandes
praktiſchen Löſung des Ruhrproblems geſchehen kann, ſo
en wir die direkten beſten Ausſichten, uns Gehör zu verſchaf=
und gleichzeitig die Entente zu retten. Das Blatt meint wei=
Man kann hierbei von den belgiſchen Studien ausgehen,
aber auch eventuell der Arbeiten des Profeſſors Le Seure
be=
en, der den Vorſchlag macht, daß die Rückſtände ſämtlicher
jetzt ab in Frankreich zu Wiederaufbauzwecken ausgegebenen
eihen, von Deutſchland übernommen werden ſollen. Der
Ge=
ke des franzöſiſchen Profeſſors hat die Zuſtimmung
verſchie=
er vorzüglicher Sachverſtändigen in Frankreich gefunden.
In der Information wird gleichfalls die Erwartung
ausge=
chen, daß bis zum kommenden Mittwoch eine Löſung
gefun=
werden müſſe, um der engliſchen Regierung aus der Lage
uszuhelfen, in die ſie durch eigenes Verſchulden geraten ſei.
belgiſchen Studien könnten den Beſprechungen in wertvoller
ſe zugrunde gelegt werden, um ſo mehr, da, wenn ſie
verwirk=
werden würden, in ungefähr 10 Jahren der von Frankreich
Belgien geforderte Mindeſtbetrag an Reparationen (31
Mil=
en, 250 Millionen Goldmark) — die Streichung der
interalli=
n Schulden vorausgeſetzt — gezahlt wäre. Allerdings hänge
Verwirklichung des belgiſchen Planes vor allem von dem gu=
—Willen Deutſchlands ab.
Dieſen Willen ſtellt die Liberté ganz und gar in Abrede. Es
zumal im Hinblick auf die Verpfändung der Eiſenbahnen,
Pachtgeſellſchaft nicht gelingen, die achtſtündige Arbeitszeit
verlangen. Zur wirkſamen Bekämpfung der deutſchen
erenzen ſei dieſe Maßnahme aber unerläßlich.
Vom Tage.
Wie Reuter aus Tokio meldet, hat die fapaniſche Regierung den
Ba=
ron Hehachi beauftragt, mündlich auf die britiſche Note zu antworten
und die Hoffnung auszuſprechen, daß eine friedliche Verſtändigung
zwi=
ſchen der engliſchen und der franzöſiſch=belgiſchen Anſicht herbeigführt
werden möchte.
In einer ſozialiſtiſchen Verſammlung forderte Reichstagspräſident
Löbe eine Verſtändigung mit Frankreich im Verhandlungsweg.
Vor=
ausſetzung ſeien die deutſchen Zahlungen, die durch erhöhte Steuern
auf=
gebracht werden müßten, wie Erfaſſung eines Drittels des
Unterneh=
mungsgewinnes, Verdreifachung aller Beſitzſteuern, Erfaſſung eines
Drittel aller Sachwerte zu Gunſten des Reichs und eine Notſteuer in
derſelben Höhe wie die von den Angeſtellten und Arbeitern zu leiſtenden
Lohn= und Gehaltsabzüge.
Das Reichsgericht hat die Reviſion gegen das Urteil der
Heidel=
berger Strafka: mer im Fall Mierendorff verworfen.
In der heutigen Seimſitzung in Warſchau wurde der
Geſetzent=
wurf betr. die Vermögensſteuer in dritter Leſung angenommen.
Das Syndikat der Bankangeſtellten beſchloß, daß ſämtliche
im Syndikat vereinigten Bankbeamten Spaniens in den Streik
treten ſollen.
Die verhafteten Mitglieder des Budapeſter Zehner=Vollzugsausſchuſſes
der Lokomotivführer wurden heute abend nach einem Verhör wieder auf
freien Fuß geſetzt. Das Verfahren gegen ſie wird jedoch fortgeſetzt.
Die Sowjetregierung hat in der Tee=Maſchinenfabrik in Tula eine
Teemaſchine anfertigen laſſen, die als Geſchenk für die kommuniſtiſche
Partei Deutſchlands beſtimmt iſt. Die Teemaſchine trägt in künſtleriſcher
Gravierung die Bildniſſe von Karl Liebknecht und Roſa Luxemburg.
Mittwoch Kabinettsrat in London.
* Paris, 6. Aug. (Priv.=Tel.) Engliſchen Blättern zufolge
rechnet man mit einem Zuſammentritt des engliſchen Kabinetts
für Mittwoch. Der Evening Standard glaubt zu wiſſen, daß an
Frankreich eine neue Note gerichtet wird, als Antwort auf
die franzöſiſche Note vom 30. Juli. Dieſe Antwort ſoll am
Don=
nerstag fertig ſein. Demgegenüber glaubt Evening News, daß
es noch nicht feſtſteht, ob England auf die Note antworten wird.
Erſt der Kabinettsrat wird darüber eine Entſcheidung treffen.
Gewiſſe Miniſter des Kabinetts Baldwin erklärten, daß
Eng=
land zunächſt über gewiſſe Punkte von Frankreich Aufklärung
berlangen würde, ehe eine Antwort erteilt werden ſoll. In
Re=
gierungskreiſen iſt keine Rede mehr davon, daß Deutſchland eine
Separatnote erhalten ſoll.
Die franzöſiſche Preßpropaganda in England.
In der Stampa, dem großen Turiner Blatt Giolittis war
vor kurzem eine Nachricht enthalten, die einen wertvollen Einblick
in die Art und Weiſe geſtattet, wie der franzöſiſche
Nachrichten=
dienſt in London arbeitet. Es heißt darin:
„Der Würfel ſei gefallen, ſagt das Telegramm der Stampa,
der Text des Entwurfs der Antwortnote an Deutſchland ſei
fer=
tig und gehe ſchon am 20. den Verbündeten und Amerika zu. Die
Tragweite dieſes Schrittes ſei unberechenbar. Eine
Wir=
kung ſei aber jetzt ſchon eingetreten. Die Nebelgebilde
wer=
den jetzt zum Glück auseinandergetrieben, die vor allem von der
franzöſiſchen Preſſepropaganda in den letzten Tagen erzeugt
wvor=
den ſeien. Dieſe Propaganda ſei tätig und auffällig, wie
ein=
ſtens die des Kaiſerlichen Deutſchland (wo war die?), nur viel
tauſendmal feiner und geſchickter als dieſe (!!). Sie arbeitete bis
vor etlichen Tagen in London mittels verſchiedener
Preſſeagen=
turen, die ſie ſich geangelt (heißt wohl: gekauft!) hatte.
Außer=
dem brachte eine Anzahl von ſcheinbar harmloſen
Berichterſtat=
tern die immer wiederholte Behauptung als Erſtlingsnachricht
unter die Leute: Der engliſche Antwortentwurf werde die
ent=
ſchiedene Forderung enthalten, daß Deutſchland den paſſiven
Widerſtand im Ruhrgebiet einſtellen laſſe, mit anderen Worten:
einen Akt moraliſcher und politiſcher Kapitulation der engliſchen
Regierung. Letztere ſah ſich gezwungen, durch Reuter erklären
zu laſſen, daß die in die Oeffentlichkeit geworfenen Vermutungen
über den Inhalt der engliſchen Antwort größtenteils bloße
Phan=
taſiegebilde ſeien. Am ſelben Tag ſchrieben die Times, um dieſen
ganzen trüben Machenſchaften ein Ende zu bereiten, den Satz:
Die Lage iſt nicht im mindeſten verändert, ſondern genau noch
die gleiche wie vor acht Tagen, als Lord Baldwin ſeine
Erklä=
rungen abgab."
Die Vielſeitigkeit und Gewandtheit der Franzoſen in ihrem
Kampf gegen England um Deutſchlands Vernichtung iſt
er=
ſtaunlich.
Einen Tag darauf veröffentlichte Stampa eine nicht aus
franzöſiſcher Quelle ſtammende Information aus London: Wie
heute ein angeſehener Induſtrieller erklärt, wünſcht England
durchaus nicht, daß der paſſive Widerſtand im Ruhrgebiet
er=
lahme. Lord Curzon könnte keine ſchlimmere Nachricht erhalten,
als die vom Fall des Kabinetts Cuno und von der Kapitulation
Deutſchlands im Ruhrkampf.”
Englands Politik im fernen Oſten.
Paris, 4. Aug. (Wolff.) In durchſichtiger Weiſe
beſchäf=
tigt ſich heute der Temps in ſeinem Leitartikel mit dem, was er
die engliſche Politik von Singapore nennt. Der Zweck des
Flot=
tenſtützpunktes in Singapore iſt nach dem Temps weniger der
des Indiſchen Ozeans oder des Perſiſchen Golfs erſchiene. Vom
fernen Oſten aber nach dem Indiſchen Ozean gehe der Weg vor
Singapore vorbei. Durch die Befeſtigung von Singapore gedenke
England ihn zu beherrſchen. Um aber ſeine Flotte nach
Singa=
pore ſchicken zu können, bedürfe England auch der völligen
Be=
herrſchung des Mittelmeeres. Das vereinfache weder die
Tanger=
frage, noch auch vielleicht die Zukunft von Rhodos. In ihrer
erſten Phaſe hätten die engliſchen Herrſchaftspläne ſich auf die
Türkei konzentriert, ſeien aber an ihr zuſchanden geworden und
brächten jetzt das übrige Aſien zur Empörung. In der zweiten
Phaſe wünſche England ſich gegen das Erwachen Aſien zu decken,
und das könne ihm nur gelingen, wenn es die Mittelmeervölker
beherrſche.
Politik und Wirtſchaft.
Von
(
Fabrikant Dr. Georg Büchner, M. d. L., Darmſtadt.
Als Dr. Cuno das Reichskanzleramt übernahm, ging doch
ſo etwas wie ein Aufatmen durch alle Kreiſe des deutſchen
Wirt=
ſchaftslebens. Denn in allen denkenden Köpfen hat ſich immer
mehr die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß an die leitenden
Stellen nicht nur der „deutſchen” Regierung, ſondern auch der
Regierungen aller großen Staaten der Welt in erſter Linie
Männer gehören, welche die weltwirtſchaftlichen
Zuſammen=
hänge kennen — alſo weitblickende Wirtſchaftspolitiker. Ja, ich
gehe ſo weit, zu behaupten, daß der Weltkrieg mit allen ſeinen
furchtbaren Folgen niemals ausgebrochen wäre, wenn damals
ſchon ſolche Männer an der Spitze der führenden Staaten der
Welt geſtanden hätten. Das törichte Wort, daß jeder
Eng=
länder reicher ſein werde, wenn Deutſchland vernichtet würde,
hätte dann wohl niemals Geltung gefunden.
Unſer politiſches Denken iſt noch viel zu ſehr beeinflußt von
der geſchichtlichen Tradition; es kann den Gedanken noch nicht
er=
faſſen, daß eine wirtſchaftliche Einheit unbedingt eine politiſche
Einheit zur Folge haben muß. Ohne den Zollverein wäre die
politiſche Einheit Deutſchlands nie erreicht worden. Wie aber
die wirtſchaftliche Einheit die Vorbedingung jeder politiſchen
Ein=
heit iſt, muß auch umgekehrt die politiſche Einheit erhalten
werden, wenn die in natürlicher Entwicklung erreichte
wirtſchaft=
liche Einheit Beſtand haben ſoll.
Nun iſt aber in unſerem Zeitalter der Technik durch die
Länder und Meere verbindenden Kräfte des Dampfes und der
Elektrizität die Welt eine große wirtſchaftliche Einheit geworden,
ein Organismus, der jede Störung in ſeinen einzelnen Organen
auf das ſchwerſte empfinden muß. Das lehrt uns die Zeit, in der
wir jetzt leben, mit grauſamer Härte. Von Aſien über Europa
bis in die entfernteſten Winkel Amerikas werden die Wellen der
gewaltigen Erſchütterung der Weltwirtſchaft durch den
verhee=
rendſten aller jemals erlebten Kriege verſpürt. Noch der Krieg
der 70er Jahre hat nur ein leiſes Erzittern verurſacht, und ſeine
Folgen waren nach wenigen Jahren verwiſcht. Damals noch
waren Länder und Völker nicht in ſo hohem Maße voneinander
abhängig und aufeinander angewieſen. Aber gerade in den
letzten 50 Jahren hat die weltwirtſchaftliche Verknüpfung ſ9
ge=
waltige und vorher kaum geahnte Fortſchritte gemacht, daß ein
Vergleich mit jenen Zeiten gar nicht mehr möglich iſt. Hier liegt
der große Fehler, den alle diejenigen gemacht haben, die leichten
Herzens in den Krieg hineingetaumelt ſind, ohne die Folgen zu
bedenken, die eine Zerreißung all der tauſenden zwiſchen den
Völkern geſponnenen Fäden haben mußte! Heute aber ſollte doch
die Erkenntnis allmählich ſich Bahn gebrochen haben, daß ſolche
Störungen der weltwirtſchaftlichen Entwicklung Selbſtmord
be=
deuten und ſich ſchwer rächen müſſen an allen denen, die mit
plumper Hand in dieſen ſo unendlich komplizierten Organismus
hineingreifen.
Amerika, das jüngſte große Staatengebilde, ohne
Jahr=
hunderte alte geſchichtliche Ueberlieferung, läßt ſich in ſeiner
Außenpolitik in erſter Linie von wirtſchaftlichen Erwägungen
leiten. Und doch hat es den verhängnisvollen Fehler begangen,
in den Krieg einzugreifen, weil es trotz ſeiner praktiſch=
wirtſchaft=
lichen Einſtellung an ſeiner Spitze ſeltſamerweiſe einen
welt=
abgewandten Phantaſten und keinen großen Wirtſchaftspolitiker
hatte. Heute wendet es ſich von dem politiſchen Chaos in Europa,
das es mit hat ſchaffen helfen, bewußt ab, und es wird erſt dann
zur Hilfe bereit ſein, wenn der politiſche Wahnſinn abgelöſt
worden iſt von wirtſchaftlicher Erkenntnis und Einſicht.
Leider ſind wir aber von dieſem Ziele noch weiter denn je
entfernt. Das, was jetzt in Europa geſchieht, was Frankreich
vollführt und was die übrigen Länder geſchehen laſſen, wird
diktiert von einem Grad von wirtſchaftlicher Verblendung, der
an Wahnſinn grenzt. Anſtatt, daß man überall produktive Werte
erzeugt, deren die durch den Krieg verarmte Welt dringend
be=
darf, zerſtört man ſinnlos Werte in einem Maße, wie es der
Krieg ſelbſt kaum fertiggebracht hat. Ja, man zerreißt ſogar den
engen wirtſchaftlichen Zuſammenhang eines politiſch geeinten
Landes wie Deutſchland in dem törichten Wahne, ſich dadurch
für alle Zukunft gegen die Rache des Beſiegten zu ſchützen. Die
wirtſchaftliche Entwicklung jedoch, die ſich nach ehernen Geſetzen
vollzieht, wird über all dieſe Verſuche, ſich ihr entgegenzuſtellen,
hinweggehen; wer nicht mit dem Strom ſchwimmt, wird von
ihm begraben werden. Der Verfall der franzöſiſchen Währung,
der für ein Siegerland wie Frankreich doppelt erheblich erſcheint,
kann als Sturmzeichen gewertet werden. Aber auch die ſtetig
wachſende Erkenntnis bei allen übrigen Völkern der Welt, daß
es ſo in Europa nicht weitergehen kann, ſollte den Pariſer
Wahn=
ſinnspolitikern zu denken geben.
Wir aber, die wir die deutſche Wirtſchaft vertreten, müſſen
daraus für uns den Schluß ziehen, daß wir uns auch in unſerem
Lande nicht einſeitig wirtſchaftlich einſtellen dürfen. Wir müſſen
uns darüber klar ſein, daß die Intereſſen unſerer Wirtſchaft nur
gewahrt werden können, wenn auch der Staat erhalten bleibt,
daß wir unauflöslich mit dieſem verbunden ſind.
Jeder, der ſeine wirtſchaftlichen Intereſſen über die des
Staates ſtellt, der den jetzt leider ſo häufig vertretenen
Stand=
punkt einnimmt: Die Wirtſchaft muß erhalten bleiben, mag auch
der Staat zugrunde gehen — muß als Verräter an den
Lebens=
intereſſen unſeres Volkes betrachtet werden. Ohne den inneren
politiſchen Zuſammenhang würde unſere Wirtſchaft unrettbar
ein Spielball internationaler wirtſchaftlicher Kräfte werden, und
Deutſchland wäre als politiſcher Machtfaktor aus der
Welt=
geſchichte vorläufig geſtrichen.
Ein Vorwurf, wie ihn Havenſtein den deutſchen
Wirtſchafts=
kreiſen vor dem Unterſuchungsausſchuß gemacht hat, ſollte nie
wieder erhoben werden können. Jeder einzelne muß ſich dieſen
Vorwurf in ſein Schuldkonto ſchreiben und keine Gelegenheit
un=
genutzt vorübergehen laſſen, dieſe Schuld zu tilgen.
In dieſer Zeit der allgemeinen Not muß man auch in den
Kreiſen der Induſtrie und des Handels, ſchon um des Beiſpiels
willen, auf allen Lebensluxus verzichten lernen und ſtatt deſſen
* Wir entnehmen dieſen bemerkenswerten Aufſatz dem „Arbeitgeber”,
Zeitſchrift der Vereinigung der Deutſchen Arbeitgeberverbände, Nr. 15
vom 1. Auguſt 1923.
Unſe
ithält den Sport des Sonntags
Seite 2.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den G. Anguſt 1923.
Nummer 21
alles, was man über das zum Leben Notwendige erwirbt, in den
Dienſt der Allgemeinheit ſtellen. Das wird auch dem inneren
Frieden dienen. Bekommt man doch bei allen ſchwierigen
Lohn=
verhandlungen ſtets den Vorwurf zu hören, daß in den Kreiſen
der großverdienenden Induſtrie und des noch größer
verdienen=
den Handels unerhörter Luxus, der ſich auf allen Gaſſen breit
macht, getrieben wird; ein Vorwurf, den man leider nicht durch
viele Beweiſe des Gegenteils entkräften kann. Deshalb an dieſer
Stelle die erneute Mahnung: Verſchwendet nicht, wo euer Volk
darbt, und gebt dem Staate, was des Staates iſt.
Von Rhein und Ruhr.
Prozeß Graff.
Aachen, 5. Aug. (Wolff.) Gegen ½4 Uhr nachmittags
ver=
kündete geſtern der Gerichtshof im Prozeß Graff folgende
Urteile: Leutnant Rheinhardt und die Schutzpobizeibeamten
Riebke und Klein wurden zum Tode verurteilt.
Gra=
bert, der in erſter Inſtanz zum Tode verurteilt worden war,
wurde zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Termuehlen
wurdne zu 5 Jahren Zwangsarbeit, Klaus und Nowak zu je
3 Jahren Gefängnis verurteilt. Frau Heckmann, die flüchtig
war, erhielt wiederum 5 Jahre Zuchthaus. Der Vorſitzende
emp=
fahl den zum Tode Verurteilten, ein Gnadengeſuch an den König
der Belgier einzureichen.
Berlin, 5. Aug. (Wolff.) Der Ausgang der
Berufungs=
verhandlung vor dem belgiſchen Oberkriegsgericht in Aachen in
der Mordſache Graff muß aufs höchſte überraſchen.
Bekannt=
lich hatten, nachdem die Angeklagten auf Grund des damals
ſchon widerrufenen Geſtändniſſes in erſter Inſtanz verurteilt
waren, die ſogleich nach der Tat ins unbeſetzte Gebiet
geflüch=
teten Polizeiwachtmeiſter Kaws, Engeler und Schwirrat vor
der Staatsanwaltſchaft in Stettin die Tat ihrerſeits freiwillig
eingeſtanden. Sie haben dieſes Geſtändnis auch als Zeugen
vor dem belgiſchen Gericht, dem ſie nach Zuſicherung freien
Ge=
leits vorgeführt waren, aufrecht erhalten, wenngleich Engeler
dabei unter dem Eindruck ſeiner Ueberführung ins beſetzte
Ge=
biet für kurze Zeit ſchwankend geworden war. Eine Reihe von
Zeugen haben ferner eidlich bekundet, daß Kaws, Engeler und
Schwirrat ihre Tat noch in der Nacht ihrer Begehung
eingeſtan=
den. Die belgiſchen Sachverſtändigen haben vor dem belgiſchen
Oberkriegsgericht beſtätigt, daß die von den Stettiner
Ver=
hafteten nach ihrer Angabe benutzten und von der
deut=
ſchen Regierung dem belgiſchen Gericht zur Verfügung geſtellten
Piſtolen den am Tatort und in der Leiche gefundenen
Ge=
ſchoſſen und Hülſen genau entſprechen und danach jeder
Zwei=
fel an der Bewutzung dieſer Piſtolen ausgeſchloſſen war.
Dem=
gegenüber muß die Beweiskraft der von den Aachener
Verur=
teilten und ſpäter widerrufenen Geſtändniſſe zum mindeſten
bezweifelt werden, zumal die Geſtändniſſe nach Ausſagen der
deutſchen Zeugen, die den Vernehmungen beigewohnt haben,
unter Umſtänden abgegeben ſind, die ihre Glaubwürdigkeit von
vornherein ſtark beeinträchtigen. Die nähere Begründung des
jetzt ergangenen Urteils iſt noch nicht bekannt. Aus ihr wird
man erſt erfahren, wie das belgiſche Gericht ſich mit den
Aus=
ſagen der belgiſchen Sachverſtändigen und der deutſchen
Ent=
laſtungszeugen abgefunden hat. Die Reichsregierung wird
nichts unverſucht laſſen, um eine nochmalige Nachprüfung der
Schuldfrage herbeizuführen.
Internationales Geſindel.
Eſſen, 5. Aug. (Wolff.) Das Werdener
Kriegs=
gericht verhandelte geſtern gegen den Arbeiter
Regen=
bogen, den Friſeur Görlitz und den Kaufmann
Spielen=
berg aus Mühlheim wegen der Verbreitung und des
An=
ſchlags von Plakaten. Alle drei Angeklagte waren denunziert
tvorden. Die Denunzianten waren aber als Zeugen nicht
er=
ſchienen. Regenbogen erhielt zwei Jahre Gefängnis,
Spielen=
berg ein Jahr Gefängnis; Görlitz wurde freigeſprochen. Weiter
hatten ſich zwei in franzöſiſchen Dienſten ſtehende
Deutſche namens Weber und Ziegler zu verantworten.
Sie beka inten, daß ſie ſeit Monaten in franzöſiſchen
Dienſten ſtehen, Deutſche verhaftet, deutſche
Wohnungen durchſucht und die Paßkontrolle
aus=
geitbt haben und ihre Stellen zu Diebſtählen in deutſchen
Häuſern benutzt haben. Weber hatte Ziegler ſeine franzöſiſchen
Answeispapiere übergeben, um bei der Witwe Henricks eine
Sausſuchung vorzunehmen. Die Gelegenheit benutzte Ziegler,
bei der Witwe unter Erbrechung der Tür eine goldene Uhr, eine
Schmuckkette und 150 000 Mark bares Geld mitzunehmen. Ziegler
wurde wegen Einbruchsdiebſtahl zu zehn Jahren Zwangsarbeit
verurteilt. Weber wegen Beihilfe zu zwei Jahren Gefängnis.
Weber bat zum Schluß um eine milde Beſtrafung, da er alsbald
nach ſeiner Entlaſſung in franzöſiſche Dienſte wieder einzutreten
beabſichtige.
Keine Begnadigungen.
Paris, 5. Aug. (Wolff.) Die Ere Nouvelle verbeitet
heute Vormittag die Nachricht, die von dem franzöſiſchen
Kriegsgericht zum Tode verurteilten und vom
Reichs=
agsabgeordneten Erkelenz in ſeinem Brief an den
Abgeord=
neten Herriot angeführten Deutſchen ſeien zu lebenslänglicher
Zwangsarbeit begnadigt worden. Der Agentur Havas iſt
von einer derartigen Begnadigung nichts bekannt. Tatſache
ſei nur die Begnadigung des Landwirtſchaftslehrers Görges.
Handgranatenexploſion in Düſſeldorf.
* Düſſeldorf, 6. Aug. (Priv.=Tel.) Nach Düſſeldorfer
Meldungen wurden dort am Samstag nachmittag vier Soldaten
und drei Ziviliſten durch Exploſion einer Handgranate
verwun=
det. Ueber Düſſeldorf wurde der verſchärfte Belagerungszuſtand
verhängt und weitere Sanktionen in Ausſicht geſtellt, weil die
Franzoſen glauben, daß ein Deutſcher die Handgranate
gewor=
fen hat. Nähere Einzelheiten liegen noch nicht vor.
6 Milliarden geraubt.
* Gelſenkirchen 6. Aug. (Priv.=Tel.) Die Franzoſen
halten die Reichsbank, in die ſie am Samstag eingedrungen ſind,
noch beſetzt. Wie wir hören, haben ſie 6 Milliarden Mark
beſchlagnahmt. Das ſind die Gelder, die für den Verkehr
der Tageskaſſe dienten. Den Treſor fanden die Franzoſen
ver=
ſchloſſen. Während die weiblichen Angeſtellten und die Abholer
von Lohngeldern wieder freigelaſſen wurden, konnten die
männ=
lichen Angeſtellten das Gebäude erſt abends verlaſſen. Direktor
Juli und zwei Kaſſierer ſind verhaftet worden und allem
Anſchein nach in der Richtung auf Recklinghauſen abtransportiert
worden.
Lebensmittelkrawalle in Potsdam.
FU. Potsdam, 5. Aug. Hier kam es geſtern morgen zu
neuerlichen Lebensmittelausſchreitungen. Gegen 4 Uhr früh
hatte ſich eine lange Butterpolonaiſe gebildet, denn das
Ge=
rücht war im Umlauf, daß die Bauernwagen mit Butter nahten.
Es kam jedoch zu einer regelrechten Butterſchlacht. Die
Schutzpoliziſten krochen in die mit Zelten überſpannten Wagen
hinein, um die Belieferer vor den Hausfrauen zu ſchützen. Die
Frauen klammerten ſich an die Ledergurte, riſſen an den
um=
geſchnallten Waffen der Sipo und ſtürmten wie ſinnlos auf die
Bauernwagen ein. Erſt gegen 7 Uhr morgens konnte die Schupo
der Menge Herr werden.
Zuſammenſtöße in Dresden.
Dresden, 5. Aug. (Wolff.) Nachdem die Polizei
geſtern am ſpäten Nachmittag den vom Aktionsausſchuß der
revolutionären und radikalen Erwerbsloſen in der inneren
Stadt veranſtalteten Demonſtrationszug aufgelöſt hatte, kam es
in den Abendſtunden zu Zuſammenſtößen mit einem Trupp
junger Burſchen, der in eine Schankwirtſchaft einzudringen
ver=
ſuchte, und mit einem anderen, der in drei Cafés eine größere
Zahl Fenſterſcheiben eingeworfen hatte. Gegen ½11 Uhr war die
Ruhe wieder hergeſtellt. Zwei Polizeibeamte wurden durch
Steinwürfe und Stockſchläge verwundet, acht Demonſtranten
verhaftet.
U. Dresden, 5. Aug. Die bereits ſeit einigen Tagen
andauernde Kriſenſtimmung innerhalb der erwerbsloſen
Be=
völkerungsſchichten hau geſtern eine, wenn auch nur leichte
Ent=
ſpannung erfahren. An verſchiedenen Stellen der Stadt kam es
in den Nachmittagsſtunden zu Zuſammenſtößen zwiſchen
De=
monſtranten und der Polizei. Die Demonſtranten gingen mit
Steinwürfen und Knüppeln gegen die Beamten vor. Ein Pferd
der berittenen Polizei brach unter den Steinwürfen und
Schlä=
gen zuſammen. Die Beamten mußten teilweiſe mit der blanken
Waffe vorgehen, hauptſächlich trat jedoch der Gummiknüppel in
Tätigkeit. Es ſteht feſt, daß auch dieſe Ausſchreitungen auf den
Einfluß des vor einigen Tagen aus der Haft entlaſſenen
Füh=
rers der Erwerbsloſen zurückzuführen ſind.
* Dresden, 6. Aug. (Priv.=Tel.) Nach den
Erwerbsloſen=
ausſchreitungen am Samstag verlief der geſtwige Sonntag im
allgemeinen ruhig. Erſt abends kam es an den verkehrsreichen
Punkten der Stadt zu Anſammlungen, die aber von den
Polizei=
mannſchaften ohne Waffengebrauch geſprengt werden konnten.
Am Samstag abend wurden ſämtliche Fenſterſcheiben im
Kaffee=
haus „Königsdiele” durch Steinwürfe zertrümmert. Der von
der Stadt zu tragende Schaden beläuft ſich auf über 1 Milliarde.
Bei dem Zuſammenſtoß auf dem Poſtplatz ſind durch Steinwürfe
ſämtliche Fenſterſcheiben des erſten Stockwerks des
Telegraphen=
amtes zertrümmert worden.
Der Reichspräſident an die Rheiniſche Zentrurnspa ſei.
Keine Sonderbündeleien.
Berlin, 5. Aug. (Wolff.) Der Reichspräſident hat ſem
Generalſekretär der rheiniſchen Zentrumspartei auf die hm
übermittelte Kundgebung der Rheinkonferenz in Heidelberg / gen
die Abtrennungsbeſtrebungen, gegen den völkerrechtswid gen
Einbruch in das Ruhrgebiet und gegen die Gewalttaten der
Be=
ſatzung folgende Antwort zugehen laſſen:
Dem Generalſekretariat der rheiniſchen Zentrumst rtei
danke ich herzlichſt für die Uebermitdelung der Kundgebun, der
Rheinkonferenz der Zentrumspartei, von deren Ausführu gen
ich mit lebhafter Teilnahme und Bewegung Kenntnis genon ien
habe. Die Kundgebung iſt ein eindringliches und bedeutſ nes
Bekenntnis der Bevölkerung am Rhein und an der Ruhr um
Reich und zum deutſchen Volke und eine deutliche
Ablih=
nung aller durch fremde Mächte in deutſches Land hi
in=
getragenen Sonderbeſtrebungen. Möge Ihr P teſt
gegen die Gewalvherrſchaft über die friedliebende und au
eit=
ſame Bevölkerung in der Welt nicht ungehört verhallen! Nit
Ihnen bin auch ich der Auffaſſung, daß geſteigerte
Opfr=
kraft und ſtärkerer Leiſtungswille des ganzen
ut=
ſchen Volkes unerläßlich ſind, um den Schwierigkeiten der St ide
Herr zu werden und den Kampf um unſer Recht erfolgreie zu
Ende zu führen. Ich habe Ihre Kundgebung dem Reichska ler
übermittelt, damit ſie bei den über dieſe Frage zurzeit im Gige
befindlichen Beratungen als Willensausdruck der hart du
m=
den Bevölkerung im beſetzten Gebiet die notwendige Beach ng
findet.
Ebert, Reichspräſide
Vor einem Streik in der Berliner Metallinduſtri
Berlin, 5. Aug. (Wolff.) Nachdem die an der Geh
bewegung in der Berliner Meuallinduſtrie beteiligten Angeſtel
gewerkſchaften die Streikſanktion für alle dem Verl
der Berliner Metallinduſtrie angeſchloſſenen Betriebe ei
haben, wurde der Beginn des Ausſtandes für Die
tag früh angeſetzt. Wie wir erfahren, wird der Rei
arbeitsminiſter der am Samstag nachmittaa mit
tretern des Arbeitgeberverbandes eine unverbindliche Bei
chung hatte, am Montag beide Parteien zu einer Rückſpy
bitten über die Frage der vom Verband Berliner Metalli:
ſtrieller angebotenen Abſchlagszahlungen im Auguſt.
Günſtige Ernährungsausſichten.
Berlin 5. Aug. Der Reichsernährungsminiſter erkl
zur Ernährungslage, auf dem Gebiete der Fettv
ſorgung ſei das Reichsernährungsminiſterium energiſch
müht geweſen, im Einvernehmen mit der Reichsbank die er
derlichen Deviſen zur Bezahlung der Einfuhr bereitzuſteller
daß eine baldige Entſpannung der Lage zu erwarten ſei.
ſichtlich der Fleiſchverſorgung bemerkte er, ein erhel
größeres Angebot von Schlachtvieh ſei erſt nach Beendigung
Weidezeit zu erwarten. Nach den vorliegenden Nachrichten
eine ſehr gute Brotgetreideernte bevor, und da
Kartoffelernte, weiter günſtige Witterung vorausgeſetzt, im
ßen ganzen befriedigend werden dürfte, ſo beſtünden auch für
Kartoffelverſorgung im komenden Winter keine ernſten Befü
tungen.
e
o
t=
h
*
Die Feiertage.
Berlin, 5. Aug. (Wolff.) Das Präſidium des
De=
ſchen republikaniſchen Reichsbundes erſuchte
Reichspräſidenten, den Reichsminiſter des Innern, den Rei
tagspräſidenten und die Verfaſſungsparteien des
Reichsta=
die vorzeitige Einberufung des Reichstages auch zur Erledig
des Feiertagsgeſetzes zu benutzen. Sei eine Einigung
Parteien über das Rahmengeſetz in der kurzen Zeit nicht zu
zielen, dann müſſe alles daran geſetzt werden, folgenden Ge
entwurf durchzubringen: Der 11. Auguſt, der Tag der Verki
dung der Reichsverfaſſung, iſt Nationalfeiertag.
3. Internat. demokratiſcher Friedenskongre
Freiburg i. Br., 5. Aug. (Wolff.) Geſtern abend wu
durch den Reichstagsabgeordneten Joos in Anweſenheit ze
reicher Teilnehmer aus dem In= und Auslande, der Spitzen
ſtaatlichen und ſtädtiſchen Behörden und Vertretern des
In=
nationalen Arbeitsamtes der dritte internationg
demokratiſche Friedenskongreß eröffnet.
Ueberführung von Hardings Leiche.
TU. Paris, 5. Aug. Nach einer Havasmeldung aus S
Franzisko iſt die Leiche des Präſidenten Harding am
Frei=
abend nach einer einfachen Trauerfreier in dem Hotel, in d
er verſtarb, zum Bahnhof übergeführt worden. Die Lei
kommt am Dienstag in Waſhington an. Sie wird zunächſt
Weißen Haus und dann am Mittwoch vormittag im
Kapi=
aufgebahrt.
Darmſtädter Erinnerungen.
Von Dr. jur. et phil. Karl Eſſelborn.
XIK.
Das Leben eines Feſtungsgefangenen in der
Rundeturmſtraße und die damalige Einrichtung dieſer
Strafan=
ftalt beſchreibt mit epiſcher Breite der ſchon erwähnte Mainzer
Schriftſteller Philipp Waſſerburg, der vom 25. Mai bis
25. Juli 1884 eine Feſtungsſtrafe verbüßte in dem Büchlein
„Zwei Monate auf der Feſtung Darmſtadt”. Auch
der Kaninchenzucht des Gefangenenwärters gedenkt er, um daran
die Bemerkung zu knüpfen, daß die Zucht der Tiere auf dem
rech=
ten Rheinufer eine Errungenſchaft ſei, die der Krieg mit
Frank=
reich gebracht habe.
Von neuern ſelbſtbiographiſchen Aufzeichnungen, die von
ehemaligen Leitern oder Mitgliedern der Darmſtädter Bühne
herrühren, ſind zu nennen die humoriſtiſchen
Erinnerun=
gen an Darmſtadt” des von 1866 bis 1876 als
Ballett=
meiſter hier wirkenden Auguſt Siems in Hermann Kniſpels
Bunten Bildern aus dem Theaterleben” (Darmſtadt 1900,
S. 144—161), die Erinnerungen und Erfahrungen
eines alten Hoftheaterintendanten” (Stuttgart
1911, S. 98—125) von Julius von Werther (1838—1910),
der von Weihnachten 1872 bis Sommer 1874 dem Darmſtädter
Theater vorſtand, und das anſprechende Buch „Vierzig
Jahre im Dienſte der Kunſt” (Darmſtadt 1913, S. 34—
148) der von 1873 bis 1899 als Hofſchauſpielerin wirkenden
Anna Ethel, die außerdem darin die Entſtehung und das
Wirken der freien literariſch=künſtleriſchen Geſellſchaft ſchildert
(S. 148—164).
Der Kriminalkommiſſar Hans von Tresckow deſſen
Vater vom Februar 1879 bis Juli 1882 das
Leibgardeinfanterie=
regiment Nr. 115 kommandierte, beſuchte von Oſtern 1879
an das damals von Andreas Weidner geleitete
Darm=
ſtädter Gymnaſium, das er im Herbſt 1883 mit dem Zeugnis
der Reife verließ. In ſeinen Erinnerungen „Von Fürſten und
anderen Sterblichen” (Berlin 1922, S. 23—30) behandelt er auch
ſeine Darmſtädter Jugendjahre. Von ſeinen Lehrern ſetzt er
darin ſeinem erſten Ordinarius, Dr. Fritz Curſchmann (1848—
1889), der von warmer Begeiſterung für ſeinen Lehrerberuf
er=
füllt war und auch den Faulſten im Unterricht mit ſich fortriß,
ein ehrendes Denkmal. Ferner berichtet er darin über den
Großherzog Ludwig IV., den Großfürſten Sergius, der am
15. Juni 1884 die Prinzeſſin Eliſabeth von Heſſen heimführte,
üiber die Gemahlin des ruſſiſchen Botſchaftsſekretärs von
Kole=
mine, die in der Wilhelmſtraße 4 neben ſeiner väterlichen
Woh=
nung wohnte und am 30. April 1884 mit dem Großherzog
Lud=
wig II. morganatiſch vermählt wurde, ſo über den Fürſten
Alexander von Bulgarien, der einmal mit bulgariſchen Offizieren
einer Uebung des Leibgarderegiments beiwohnte.
Eine ins einzelne gehende Schilderung von Darmſtadt zur
Zeit des Großherzogs Ludwig IV liefert ein namenloſer
Ver=
faſſer, vermutlich iſt es Heinrich Lee (Landsberger, geb. 1862,
geſt. 1919) — in dem 26. der kritiſchen Reiſebriefe für das
Ber=
liner Tageblatt (19. Jahrg., Nr. 566 vom 7. November 1890,
Abendausg.) Von Darmſtadt im allgemeinen entwirft er etwa
folgendes Geſamtbild: „Der Durchſchnittsreiſende, der
ge=
ſchäftlich oder zum Vergnügen die heſſiſche Hauptſtadt im Fluge
mitnimmt, iſt mit ſeinem Urteil raſch fertig. In den breiten
Straßenzügen verkrümmelt ſich das bißchen Volk, im Schloßhof
wächſt immer noch Gras, die Abende ſind durch laute
groß=
ſtädtiſche Vergnügungen ausgefüllt, ergo iſt Darmſtadt
langwei=
lig. Gemach! Darmſtadt iſt ein zwar langſam, aber ſicher und
zielbewußt aufſtrebendes Gemeinweſen mit viel geiſtiger
Rührig=
keit, aber ohne ſtarke Anſprüche an das materielle Leben. Im
Privatleben und in rein materiellen Genüſſen iſt der Darmſtädter
von ſpießbürgerlicher Einfachheit und ängſtlicher Sparſamkeit:
aber ſeine öffentlichen Gebäude und Repräſentationsbauten ſind
prächtig; ſeine Schulen und Bildungsanſtalten ganz vorzüglich,
ſeine Kunſtſammlungen haben wohlverdienten Ruf, und ſeine
ſtädtiſchen Einrichtungen und Neuſchöpfungen zeugen von
wei=
tem Blick und glücklicher Hand. Das iſt ein Urteil, und ſicher
ein begründeteres als das raſch hingeworfene „langweilig”.
Luſtig und leichtlebig ſind kleine und mittlere Reſidenzen eben
ſelten; der Einfluß des Hofes und der Hofgeſellſchaft iſt doch zu
merklich. Wenn man will, kann man dieſen Einfluß einen
ſitti=
genden nennen. Selbſt in dem heute über 55 000 Einwohner
zählenden Darmſtadt iſt der Reſidenzcharakter der
ausſchlag=
gebende.
„Der Hof tritt nicht eben ſtark hervor; das geſellſchaftliche
Ferment der Hofhaltung, die Landesmutter, fehlt. Der
Groß=
herzog, ſeit Jahren Witwer, iſt ziemlich ſchlicht in ſeinen
Nei=
gungen und Lebensgewohnheiten. Der Erbgroßherzog iſt noch
Student und bereitet ſich in Leipzig auf ſeinen dereinſtigen
Herr=
ſcherberuf vor. Die übrigen Prinzen des heſſiſchen Fürſtenhauſes
ſind alle ein bißchen morganatiſch veranlagt, ſodaß auch bei ihnen
die Repräſentation nicht ins Gewicht fällt.
Die Säulen der Darmſtädter Geſellſchaftsordnung bilden
die Hofgeſellſchaft, das Beamtentum und die Profeſſoren= und
Lehrerſchaft. Vornehm und billig iſt die Deviſe. Es wird mehr
auf Titulatur und ſonſtige gute Behandlung als auf hohen Lohn
geſehen.
Rangordnung und Zeremoniell ſind hier Heiligtümer, an
denen man nicht rütteln darf, und die Inzucht im
erbeingeſeſſe=
nen Beamtentum iſt derartig verbreitet, daß z. B. ein Proſſeſſor
(Alexander Brill), der die Tochter eines Exminiſters (
Schleier=
macher) zum Altar führte, ſich plötzlich mit der halben Stadt
ver=
ſchwägert und vervettert ſah.
Das zeremonielle Weſen ſtammt noch aus den guten alt
Zeiten; von höchſter Stelle wird demſelben heute nicht eb
Vorſchub geleiſtet. Im Gegenteil, man empfindet es dankb
daß der Großherzog gewiſſe allzu dicke Zöpfe, ſo namentlich
obligatoriſche Uniform der Zivilbeamten, abgeſchnitten h
Mußte doch früher hier die Lehrerſchaft bis hinauf zu den Akal
wikern im hechtgrauen Frack und den Degen an der Seite a.
dem Katheder ſtehen!
Auch die Klagen über den zu ſtarken Einfluß des engliſch
Elements, die aus der nahen Verwandtſchaft des heſſiſchen u.
des engliſchen Hofes Nahrung zogen, verſtummen allmählich. 2
früher ziemlich ſtarke engliſche Kolonie iſt ſo gut wie verſchwu
den; gewiſſe Bevorrechtungen — im ſogenannten „Herrengarte.
einem Teile des Hofgartens, durften z. B. außer dem Hofad
nur die Mitglieder der engliſchen Kolonie ſich ergehen — habe
aufgehört, und die Bedürfniſſe des Hofes werden jetzt vielfa
in Darmſtadt eingekauft . ."
Und nun etwas Städtiſches. Hier iſt faſt durchweg
erfre=
liches zu melden. Bei dem Mangel bedeutender Induſtrie wac
das Gemeinweſen nicht rapid, aber doch merklich. Das Blumel
thalviertel im Nordweſten entwickelt ſich zu einer anſehnliche
Villenkolonie, und durch die kürzliche Inkorporation von Be
ſungen wurden etwa 2000 Einwohner gewonnen, und zwar 1a.
ter ſteuerkräftige; denn Neubeſſungen ſtellt eigentlich die prag
tigſte Villenſtraße Darmſtadts. Die Pflaſterung, teilwei
Aſphalt, iſt muſtergültig, beinahe großſtädtiſch; die Kanaliſ”
tion bereits in den meiſten Straßen durchgeführt. Die höhe
Reingewinn abwerfende Gasanſtalt hat die Stadt im Selbſtoe
triebe, ebenſo das Waſſer= und das Elektrizitätswerk, welch leßte
bislang freilich nur ſehr ſpärlich rentiert Für Pflege de
Schmuckplätze und ſchönen öffentlichen Gärten geſchieht ſehr Me.
Die Reſultate dieſer ſtädtiſchen Kulturarbeit treten denn aug
ſehr erfreulicher Weiſe zu Tage. Darmſtadt iſt eine ſehr geſünd
Stadi."
Von ihrem Aufenthalt in Darmſtadt im Winter 1902/130 Muſikabenden bei dem Freiherrn Max von Heyl, von ihle”
Verkehr mit intereſſanten Menſchen und Künſtlern wie der Fr."
Lily Wolfskehl, geb. Schulz, der Goetheforſcherin Eliſaber=
Mentzel aus Frankfurt, der Literatin Dr. Ella Menſch, dem Pi‟
niſten Willi Hutter erzählt Fürſtin Marie zu Erbach=Schönde.
im dritten Bande ihrer Erinnerungen „Erklungenes und de
klungenes” (S. 82—85), ferner von der Hochzeit des Prinde”
Andreas von Griechenland mit ihrer Nichte Alice, der Tocte
des Prinzen Ludwig von Battenberg, im Herbſt 1903 (ehd. T
85—87), endlich von ihrem letzten längern Darmſtädter Aule.
thalt von Ende Oktober 1907 bis Ende April 1908 ſowie von De‟
während dieſer Zeit am 29. Januar 1908 erfolgten Ables””
ihres Gemahls, des Fürſten Guſtav von Erbach=Schönbers /
S. 147—156).
Rummer 215
Dermfadt, 6. Augfſt.
Wo ſiecken die Lebensmittel?
ermahnt, die Erträgniſſe des Landes möglichſt raſch zum Verkauf
zu ſtellen. Aus allen Teilen Deutſchlands liegen ſichere Nachrich=
kauf von Butter, Kartoffeln, Ciern uſw. ſeitens der Landwirte
raſch zu verwerten, da ſie gerade jetzt zu Lohnzahlungen für Bankhaus macht einen großſtädtiſch=vornehmen Eindruck.
hiy Erntearbeiter, zum Ankauf von Düngemitteln uſw. große Sum=
21 men flüſſigen Geldes benötigen. Die Behauptung, daß die Land= Mts, in Kraſt getreten.
warten, kann nur von Leuten erhoben werden, die mit den tat= ſetzes vom 8. April 1922 iſt ab 1. Auguſt auf 83 900 v.H. feſtgeſetzt.
Ofächlichen Verhältniſſen nicht vertraut ſind. Ernſte Aufmerkſamkeit I. Wochenmarktverkehr. Ab 15. Auguſt kann durch die
Marktord=
ien 9 ſollte man aber der Frage zuwenden, wo denn eigentlich die
Le=
greich worden ſind. Hier bilden die zahlreichen Klagen über das üppig
hskan wuchernde Aufkäuferweſen einen wertvollen Fingerzeig. Ganze
m 64 Schwärme von Händlern und Spekulanten durchreiſen
Deutſch=
duf land — zum Teil mit Laſtautos — um alle nur irgendwie
ver=
eacht fügbaren landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe an ſich zu bringen, und
ſitit das Licht der Welt bei einem viel höheren Dollarſtande wieder zu
erblicken. Das deutſche Volk ſteht in hartem Abwehrkampfe. Die
Ernährungslage iſt nicht weniger kritiſch als in den letzten
Kriegsjahren. Trotzdem läßt man aber der Hamſterei dem
Spe=
ulanten= und Schiebertum völlig freien Lauf. Ja ſelbſt diejeni= ſchied von Mitglied Ldw. Walter, der nach Braſilien auswandert, zu
gen Organiſationen, die berufen ſind die Intereſſen der
Konſu=
nenten zu wahren, tragen durch ihr rückſichtsloſes Vorgehen ganz
Leſ enden ihre Agenten ebenfalls hinaus in die Provinz, um ohne gewieſen.
bi Ktückſicht auf die Intereſſen der übrigen Bevölkerung alles
zuſam=
in nenzukaufen, was erreichbar iſt. Es werden auf dieſe Weiſe
wich=
ige Waren auf Monate hinaus dem Markte entzogen, die gerade große Laib koſtet jetzt 13000 Mark, ein Brötchen aus gemiſchtem
m jetzigen Moment unendlich viel zur Erleichterung der
Le=
ensmittelverſorgung beitragen könnten. Zur Schaffung von
Zeptember und Oktober ſchreiten, aber nicht in einer Zeit, wo die
Forräte der alten Ernte aufgebraucht ſind und die Erträgniſſe
er neuen Ernte infolge der ungünſtigen Witterung um einige
Lochen verſpätet an den Markt kommen. Die Kopf= und Plan= Dienſten ſtehende Arbeiter Vonderſchmidt das Leben ein, und es waren
zſigkeit, mit der von Händler= und Konſumorganiſationen
vor=
egangen wird, trägt einen großen Teil der Schuld an den
ge=
enwärtigen Stockungen der Lebensmittelverſorgung. Außerdem
on Ausländern überſchwemmten Kurorten etwas ſchärfer
zobachten. Auch auf dieſem Gebiete betätigt ſich ein Teil der
ebensmittelhändler in einer für die Geſamtbevölkerung
außer=
dentlich nachteiligen Weiſe.
— Sommerſpielzeit Bruno Harprecht. Die Montagsmieter
erhal=
n heute als ſechſte Mietvorſtellung die „Hamburger Filiale”.
as Neal, der bei ſeiner Erſtaufführung am Samstag und Sonntag
rartige Lachſtürme und Heiterkeitsausbrüche veranlaßte, daß das
leine Haus eher einem Lachkabinett als einem Theater glich.
1. Ausführung des Notgeſetzes vom 24. Februar 1923. Am 15. b8.
eten neue Beſtimmungen in Kraft bezüglich: 1.
Preistreibereiverord=
rngz 2. Verordnung gegen verbotene Ausfuhr lebenswichtiger
Gegen=
inde, 3. Verordnung über Handelsbeſchränkungen; 4. Verordnung
ſer den Verkehr mit Vieh und Fleiſch; 5. Verordnung über
Notſtands=
rſorgung; 6. Verordnung über Preisprüfungsſtellen; 7. Verordnung
er Auskunftspflicht; 8. Wuchergerichtsverordnung.
eichs und die Mitglieder der Neichsanwaltſchaft hat ſich nach „Dtſch.
triſtenzeitung” in einer an den Reichsrat gerichteten Eingabe vom
Juli der Richterverein am Reichsgericht ausgeſprochen.
wird u. a. darin ausgeführt, daß irrig unterſtellt werde, daß mit
reichung eines Alters von 65—68 Jahren die richterliche
Leiſtungs=
igkeit durchſchnittlich abnähme. Die Erfahrung lehre für das
Reichs=
icht jedenfalls das Gegenteil. Von den 12 Präſidenten ſind jetzt ſieben
er 65, einige 69, 70 und 71 Jahre alt; von den 90 Räten zählen 18
er 65, einige 67, 68, 70, 71 und 72 Jahre; keinem könne man
ver=
ng ſei hier beſonders vom Uebel und zeige von
Un=
ntnis der eigenartigen höchſtrichterlichen Tätigkeit. Die hierfür nötige
geklärtheit. Reife des Charakters und Urteils, der Schatz von wiſſen=
Iftlichen Kenntniſſen und praktiſchen Erfahrungen im Rechts=.
Wirt=
afts= und Geſellſchaftsleben werde erſt durch langjährige richterliche
tigkeit erworben und wachſe, nicht mindere ſie ſich mit jedem neuen Jahe,
n der Befugnis zur Zwangspenſionierung ſei nie Gebrauch gemacht
rden. (8 131 G. V. G. ſieht vor, daß bei Vorliegen der
Penſionierungs=
ausſetzungen der Präſident des R.G. die Auforderung erläßt, binnen
immter Friſt den Antrag auf Penſionierung zu ſtellen. Wird dieſer
fforderung nicht Folge geleiſtet, ſo ſpricht das Plenum des
Reichs=
ichts Verſetzung in den Ruheſtand aus.)
Darmſtädt:r Ta blatt, Moutag, Seit 6. Buzuft 1923.
— Geſchäftsverlegung der Deutſchen Landwirtſchafts= und
Handels=
bank. Mit dem heutigen Tag bezieht die Deutſche Landwirtſchafts= und
Hondelsbank neue Geſchäftsräume. Im letztvergangenen Jahre wieder
eröffnet, befand ſie ſich ſeither infolge der Wohnungsnot Rheinſtraße 1,
neben den Bureauräumen des Darmſtädter Hausbeſitzervereins. Troßz
Der Reichsausſchuß der deutſchen Landwirtſchaft hat in ſei= Fiebig, und nicht zuletzt infolge äußerſt regen Zuſpruchs eine ſehr kommen. Das Dienſtmädchen hatte aus Verſehen das zwei Fahre alte
nem Aufruf „An die deutſchen Landwirte” nachdrücklich auf die günſtige Entwicklung zu verzeichnen. Ihr Aktienkabital beträgt zurzeit. Kind mit heißer Miſch verbrannt, ſo daß es am Leih Brandwunden da=
Lebensmittelnot in den Städten hingewieſen und die Landwirte 506 Millonen Mk. Die Reſerven beziffern ſich auf zirka 600 Millionen, vontrug, die ärztliche Behandlung notwendig machten. Die Muter des
Sie beſitzt bereits eine Niederlaſſung in München und eine Zahlſtelle
ten darüber vor, daß auch ſchon vor dieſer Kundgebung der Ver= anderen Plätzen ſchweben ausſichtsreiche Verhandlungen. Die neuen
Geſchäftsräume ſind neuzeitlich eingerichtet und befinden ſich im
Darm=
ſich in den normalen Bahnen bewegt hat. Die Landwirte haben ſtädter Llotzdhaus, Rheiuſtr. 17 (Ecke Rhein= und Grafenſtraße), gegen= verordnete auf die Brandwunden Umſchläge mit denatuiertem Sbiritus.
ſelbſt ein großes Intereſſe daran, die Erzeugniſſe ihrer Wirtſchaft über dem Opelhaus von Hags u. Bernhard. Das neue Darmſtädter Einige Stunden ſpäter erſchien dann Dr. M. ſelbſt, der das Kind
I. Das Geſetz über die Aufhebung der Stanbesvorrechte iſt am 2. 58.
A wirtſchaft ihre Erzeugniſſe abſichtlich zurückhält um höhere abzu= I. Kraftfahrzeugſteuer. Der Zuſchlag zu den Steuerſätzen des Ge= umſchlägen weiter behandelt, ſtarb aber noch am Abend desſelben Tages.
Sü bensmittel bleiben, nachdem ſie von den Landwirten verkauft Marktplatz beſchränkt und der Handel mit Gegenſtänden des Wochen= ſtändlich, daß Dr. M., der einige Stunden ſpäter das Kind geſehen
halb des Marktplatzes während des ganzen Marites oder für beſtimmte
Tagesſtunden verboten werden.
und Donnerstag, den 2. Aug, abends gegen 8 Uhr, ſtatt, anläßlich der
eſden dieſe von ihren normalen Abſatzgebieten wegzulenken. Ein um 8 Uhr in der Stadtkirche ſtattfindenden Vorträge des Herrn Prof, gattin, ſofern ſie nicht ſelbſt wiſſenſchaftlich approbiert. iſt, geſtattet ſein
großer Teil dieſer Vorräte wandert in Kühlräume und Keller, um G. J. Haberl=Wien. Am Mittwoch abend ſpielte der Poſaunenchor der kann, die Behandlung von Kranken zu übernehmen und ſo unker
Um=
verein, Dieburger Straße 26.
werden die Mitglieder des WV.D. nach dem Heim gebeten, um
Ab=
nehmen. Am Dienstag abend liegt im Heim eine Einzeichnungsliſte
für wiſſenſchaftliche Film=Vorträge zu ermäßigtem Preis auf; es
empfiehlt ſich, von dieſer Vergünſtigung ausgiebigen Gebrauch zu
veſentlich dazu bei, die Situation zu verſchlimmern. Konſumge= machen. Auf die am gleichen Abend ſtattfindende Bibelſprechſtunde, theaters in Wiesbaden ſchreiten, entgegen anderslautenden Meldungen,
roſſenſchaften und Betriebsräte großinduſtrieller Unternehmungen zu der auch ſtets Gäſte eingeführt werden können, ſei noch nochmals hin= rüſtig vorwärts. Die Dachkonſtruktion iſt nahezu fertig und auch im
Brotmehl 550 Mark. (Siehe Anzeige.)
n. Ferienſtrafkammer. In dem Berufungsfall des hieſigen Land=
Linterreſerven ſollte man, wie es ſchon früher üblich war, im wirts und Fuhrunternehmers Georg Hofmann, ſowie ſeines Sohnes
Johann Hofmann handelt es ſich um eiuen ſchweren Unfall, der ſich
der Eberſtädter Landſtraße ereignet hat. Es büßte dabei der in H.s
nunmehr beide H.3 wegen fahrläſſiger Tötung ſchöffengerichtlich zu je
drei Monaten Gefängnis verurteilt, was ſie zwecks Freiſpruchs oder lars und 62 Gulden, insgeſamt 168 Millionen Mk., geſtohlen.
Strafmilderung anfochten. H. Vater betreibt ſeit etwa 18 Jahren neben
Ulte man auch die Verſchiebung von Butter, Eiern uſw. nach den ſeinem eigentlichen Gewerbe die erwähnte Sandgewinnung, und in
ſei=
ſchläzigen Berufegenoſſenſchaft war der Betrieb von jeher nicht ang”, nicht wieder wählbar erklärt worden, weil er eine „antinationale
Tatig=
eingehende Unfallverhütungsvorſchriften gelten. H. hätte als
Unter=
nehmer mit dieſen Beſtimmungen vertaut ſein und ſie beobachten bzw.
darin enthalten, daß derartiges Material ſtufenmäßig abzutragen iſt, einen, ſehr geringen Teil der „lokalen Bevölkerung” unbeliebt, nämlich
n neueſten Schwank der beiden bekannten Autoren Kurt Kraatz und damit plötzlicher, gefährlicher Einſturz der Erdmaſſen vermieden werde, bei den Italienern. Zudem aber hatte Herr Holzknecht auf erhobenen
Wie der Ortsbefund nach dem fraglichen Unglück ergab, war der wichtige
derwand von H. Sohn und Vater gegraben worden. H. Vater hatte ſich ſage des Rebiſors gefunden worden. Mit Golzknecht folgt dem in Virok.
vorher nicht um den bedrohlichen Zuſtand gekümmert (welche Pflicht
erforderliche Achtſamkeit. Man ſtand auf der Sohle und ſchöpfte von
da weg, als unverſehens das Erdreich abſtürzte und beide Männer ver= denken werden.
ſchüttete. H. war zwar der rutſchenden Wand am nächſten, blieb aber
aufrecht und vermochte ſich aus dem ihm bis zur Bruſt reichenden Sand
I. Gegen ein Reichsaltersgrenzengeſetz, für die Richter des Reichs= ſelbſt unbeſchädigt herauszuſchaffen. Vonderſchmidt dagegen fiel um, bürgermeiſter mit, daß ſich ſeit der letzten Aufſtellung vor drei Wochen
wurde unter dem Sand begraben und dadurch getötet. Die bisher un= ein neuer Fehlbetrag von 672 Milliarden Mk. im ſtädtiſchen Haushalt
beſtraften Angeklagten beſtreiten jedes Verſchulden und führen den
Ein=
ſturz auf irgend eine, nicht vorausſehbare, ungeklärte Urſache zurückz Milliarden Mk. gedeckt werden durch Erhöhung der Grund=
Gewerbe=
von der anſcheinenden Sicherheit der Böſchung überzeugt haben. Er ren für Waſſer, Gas und Elektrizität.
entging ja auch dem Schickſal Vonderſchmidts nur ſehr knapp. Zwei
gutachtlich in der Beweisaufnahme gehörte techniſche Sachverſtändige
bejahen die Vernachläſſigung der gebotenen Sorgfalt in der Vornahme
jener Arbeit, und das Berufungsgericht erachtete gleich der Vorinſtanz
nderte Leiſtungsfähigkeit vorwerfen. Jede Verallgemeine= die Angeklagten für verantwortilch im Sinne der Beſchuldigung. Es
wurde lediglich eine außerdem wegen Uebertretung der
Betriebsvor=
ſchriften noch gegen H. Sohn vom Schöffengericht ausgeſprochene
Geld=
ſtrafe aufgehoben, weil Tateinheit mit dem Vergehen der fahrläſſigen
Tötung gegeben iſt. Im übrigen beſtätigte man die eingangs genannte
dreimonatige Gefängnisſtrafe bezüglich Beider.
Regimentsnachrichten.
heute Montag, den 6. Aug. d. J., abends 8½ Uhr, in der Brauerei
„Zum Anker”, Große Ochſengaſſe, ſtattfindende Monatsverſammlung
wird beſonders hingewieſen.
1
Seite 3.
Wie die alten Deutſchen ſich kleideten.
* Obwohl wir Deutſchen das einzigartige Glück beſitzen,
er die ferne Vorzeit unſeres Volkes durch ein ſchriftſtelleriſches
iſterwerk, durch die „Germania” des Tacitus unterrichtet zu
7, ſo liegt doch ſehr Vieles von dem, was wir über das
All=
sleben unſerer Vorfahren wiſſen möchten, im Dunkeln. Der
mer verfaßte ſein Buch als Tendenzſchrift, um die
Verfall=
heinungen ſeiner Gegenwart durch das Bild einer geſunden
türlichkeit zu bekämpfen. Er hat daher hauptſächlich
geſchil=
t, was in dieſen Zuſammenhang paßte. Erſt die
Ausgrabun=
haben uns ein objektiveres Bild der germaniſchen Urzeit
oten, und durch die Gunſt des Bodens ſind dabei ſogar auch
ade zutage getrten, wie ſie ſonſt kaum gemacht werden, indem
den norddeutſchen Mooren ſogar Leichen mit ihrer Kleidung
orgen werden konnten. Dieſe Moore ſind es, die uns die
ſten aller deutſchen Trachten geſchenkt haben. Auf ihre hohe
deutung hat nachdrücklich der Altmeiſter der deutſchen
Trach=
zunde, Friedrich Hottenroth, in ſeinem Werk „Deutſche
Volks=
hten vom 16. bis 19. Jahrhundert” hingewieſen, der
grund=
nden Arbeit über alle Fragen der deutſchen Kleidung, die
in einer zweiten handlichen Ausgabe bei Heinrich Keller in
nkfurt a. M. neu erſchienen iſt. „Beim Anblick dieſer
Moor=
de fühlt man einen Pulsſchlag mehr als ſonſt,” ſagt Hotten=
, „denn ſie ſind mit einem Alter gepaart, das Ehrfurcht
er=
fen muß. Die Funde, die auf frieſiſchem Boden und in
ande=
niederdeutſchen Seemooren gemacht wurden, geben uns die
glichkeit, die koſtümlichen Traditionen ſeiner Bewohner bis
die geſchichtliche Frühzeit zurück zu verfolgen. Hier wird der
F nicht mehr durch den dicken Nebel der Vergangenheit
ver=
tert; die alten Zeugniſſe treten unmittelbar vor ihn hin, und
ind ihrer ſo viele, daß es kaum einer großen Phantaſie be=
, um ſie zu verbinden und ſich ein Bild davon zu machen,
die Leute einhergingen zur Zeit, als die Römer noch nicht
Land gekommen waren, wie ſie in den dunſtigen Marſchen,
ſchen den erlenbewachſenen Moorbrüchen und auf den
ſee=
randeten Dünen ſich bewegten.‟ Die völlige Kleidung eines
nnes iſt in einem Torflager bei Friedburg in Oſtfriesland
inden worden. Die Kleidung ſetzte ſich aus Rock, Hoſen und
uhen zuſammen. Der Rock beſtand aus grobem, gewalktem,
* gewebtem Zeug, hatte weder Naht noch Knöpfe und war nur
Oeffnungen für Hals und Arme verſehen. Die Hoſen waren
gleichem Stoff und oben mit einem Zugriemen umgürtet,
ſie über den Hüften feſthielt. Dadurch wird die früher viel
terte Frage beantwortet, ob die alten Deutſchen Hoſen tru=
Das Klima machte ſie für die Einheit des Koſtüms zu
m natürlichen Bebürfnis. Bei den Hoſen, die bei dem Damen=
dorfer Fund in Schleswig zutage traten, waren die Beine
zun=
genartig geſchnitten, ſo daß man annehmen muß, ſie ſeien mit
den Zungen unter der Fußſohle herumgenommen und mit der
Zungenſpitze dann feſtgeſteckt worden. Solch eine Einrichtung
hielt nicht nur die Hoſen ſtraff an den Beinen, ſondern erſparte
auch die Strümpfe. An anderen altgermaniſchen Beinkleidern
waren Strümpfe aus feinerem Stoff angenäht. Unter den Hoſen
pflegte man Beinbinden zu tragen, die von unten herauf
um=
gewickelt wurden.
Das Prachtſtück der Kleidung war urſprünglich der Mantel;
er beſtand aus feiner Wolle, oder die hervorſtehenden Enden der
Fäden bildeten auf der Innenſeite eine Art Plüſch; häufig war
er mit Verzierungen verſehen, ſo zum Beiſpiel mit einem
fein=
gewebten Rautenmuſter. Die Schuhe der Moorfunde beſtehen
meiſt aus einem einzigen Stück behaarter und mit der Rauhſeite
nach innen gewendeter Rindshaut; ſie wurden mit Niemen
ge=
bunden, die durch geſchlitzte Laſchen gezogen wurden. Von
weib=
licher Kleidung hat uns ein Moor bei Korſelitze auf der Inſel
Falſter einige Zeugniſſe geſchenkt. Eine dort gefundene Leiche
war in einen länglich=viereckigen Wollmantel eingehüllt, der mit
einer wollenen Schnur und mit geflochtenen Bändern um den
Körper befeſtigt war. Der Moorfund von Vandrup auf Jütland
hat uns auch über die männlichen Kopfbedeckungen der alten
Germanen unterrichtet. Den Schädel der Leiche bedeckte eine
halbkugelige Mütze; in einer Schachtel aus Baumrinde, die dabei
ſtand, fand ſich eine weitere, etwa 7 Zoll hohe Mütze mit flachem
Boden. Zweifellos iſt dieſe Mütze das Urbild der
Seemanns=
mützen, die uns auf den Köpfen aller Matroſen aus ſpäteren
Jahrhunderten entgegentreten. Dieſe Funde werden durch die
Angaben der römiſchen Schriftſteller ergänzt. So ſagt
Pom=
peius Mela: „Die Männer bedecken ſich mit einem wollenen
viereckigen Schulterumhange, dem Sagum.” Auch Tacitus ſpricht
von dieſem viereckigen Umhang, der durch eine Fibel oder einen
Dorn feſtgehalten wird. Die Vermögenden haben außerdem
einen Rock, der eng anliegt; auch tragen ſie Pelze” fügt er hinzu.
„Die Tracht der Frauen unterſcheidet ſich von der der Männer
nur darin, daß ihr Gewand häufiger von Leinewand iſt, die ſie
mit roten Streifen beſetzen, und daß ihr Nock keine Aermel hat.
Es herrſchte alſo eine gewiſſe Gleichheit der wännlichen und
weiblichen Kleidung, die man überhaupt bei den primitiven
Völ=
kern des Nordens beobachten kann. Auch das ſchönere Geſchlecht
ſchmückte ſich alſo mit den Hoſen, die ſeitdem das Vorrecht des
Mannes geworden ſind. Stellt man ſämtliche bei den
germa=
niſchen Moorfunden ans Licht gekommenen Kleider zuſammen,
ſo ergibt ſich, daß der Anzug der alten Deutſchen aus Hoſen,
einem Kittel ohne Aermel, einem Mantel von länglich viereckiger
Form, aus Kapuze und kurzein Pelzmantel ſowie aus Ledergurt,
Fußhinden und Lederſchuhen beſtand.
Aus der Reichshauptſtadt.
Mit einem ungewöhnlichen Fall hat ſich gegenwärtig
der kurzen Zeit ihres Beſtehens hat die Deutſche Landwirtſchafts= und die Staatsanwaltſchaft zu beſchäftigen. In der Familie des in Schlach=
Handelsbank dank ihrer Oberleitung unter Direktor Nothis und tenſee wohnenden Zahntechnikers Monige war ein Unglücksfall vorge=
Kindes rief einen in Schlachtenſee wohnenden Arzt, Dr. Martin, an
in Reichelsheim i. Odw. Ueber Errichtung weiterer Niederlaſſungen an und bat um ſeinen Beſuch. An Stelle des Arztes, der nicht zu Hauſe
war, erſchien deſſen Frau, die weder Aerztin iſt, noch ſonſt das Recht
Kranke ſelbſtändig zu behandeln, hat. Sie unterſuchte das Kind und
unterſuchte und die Behandlungsweiſe guthieß. Der Vater des Kindes
äußerte als Laie Bedenken gegen eine Behandlung von Brandwunden
mit Spiritus, erhielt jedoch die Antwort, daß es ſich hier um eine neue
amerikaniſche Heilmethode handele. Das Kind wurde mit Spiritus=
Ein anderer hinzugerufener Arzt ſtellte, feſt, daß die von der Frau des
erſten Arztes angeordnete Behandlungsweiſe vom wiſſenſchaftlichen
nung der Handel mit Gegenſtänden des Wochenmarktverkehrs auf den Standpunkt aus auf das ſchärfſte zu verurteilen ſei. Es ſei
unver=
marktverkehrs, die von außerhalb zum Marktort gebracht werden, außer= habe, den verhängnisvollen Irrtum ſeiner Frau nicht ſofort durch
ent=
gegengeſetzte Behandlung berichtigt und das Kind zu retten verſucht
habe. Gegen den Arzt und ſeine Frau iſt bei der zuſtändigen Staats=
— Turmblaſen vom Stabtkirchturm fand am Mittwoch, den 1. Aug,, anwaltſchaft Anzeige erſtattet worden, und bei dieſer Gelegenheit dürſte
das Gericht ſich mit der Frage zu beſchäftigen haben, ob es einer Arzt=
Stadtmiſſion, Mühlſtraße 24 am Donnerstag abend der Chriſtl. Jugend= ſtänden die Geſundheit und das Leben eines Kranken auf das höchſte zu
gefährden. Wie feſtgeſtellt worden iſt, iſt das Kind an der Behandlung
mit denaturiertem Spiritus, in welchem ſich bekanntlich auch Menthyl=
— Wartburg=Verein Darmſtadt. Heute Montag, abends 6 Uhr, alkohol befindet, geſtorben, da das Gift durch die friſchen Wunden in
den Körper eingedrungen iſt.
Der Wiederaufbau des Staatstheaters in Wiesbaden.
I. Wiesbaden. Von der Intendanz des Staatstheaters in
Wiesbaden erfahren wir: Die Arbeiten am Wiederaufbau des Staats=
Innern wird an allen Teilen der Bühne durchaus den Lieferungs=
D Der Brotpreis mußte wegen der weiteren Steigerung der terminen gemäß fleißig gearbeitet. So iſt der neue eiſerne Vorhang
Löhne, des Brennmaterials uſw. abermals erhöht werden. Der ſchon ſeit Wochen wieder fertig eingebaut. Wenn nicht beſonders
hem=
mende Umſtände eintreten, hofft man, die Bühne Ende November
betriebsfähig zu haben, ſo daß die regelmäßigen Vorſtellungen
voraus=
ſichtlich noch im laufenden Kalenderjahr wieder beginnen können.
Vorſicht auf der Eiſenbahn.
Mannheim. In letzter Zeit mehren ſich die Diebſtähle auf der
Anfangs dieſes Jahres in der dem Erſteren gehörigen Sandgrube nahe Eiſenbahn in erſchreckender Weiſe. Der Polizeibericht meldet wieder
ein ganzes Regiſter von Diebſtählen in Zügen. So wurde kürzlich einer
Spielwarenhändlerin aus Mainz im D=Zuge Mannheim-Würzburn im
Gebränge eine Taſche mit 2280 Franken, 25 Schweizer Franken, 2 Dol=
Italieniſche Willkür in Südtirol.
DAI. Der Faſzismus hat in Südtirol einen neuen Erfolg errungen:
nem Auftrage ſollten an jenem verhängnisvollen Tag der mitange= Der Bürgermeiſter von Neumarkt, Alfons Holzknecht, iſt am
klagte Sohn und Vonderſchmidt eine Wagenladung holen. Bei der ein= 13. Juli durch ein königliches Dekret für abgeſetzt und auf drei Jahre
meldet und deshab auch nicht in Kontrolle, obwohl für ſolche Vetriebe keit gegenüber den Behörden entfaltet habe, verbunden mit
Kundgebun=
gen, die den lebhaften Unwillen bei der lokalen Bevölkerung erregten”.
Natürlich erfreut ſich der Bürgermeiſter der einſtimmigen Unterſtützung
für ihre Einhaltung bedacht ſein müſſen. Es iſt u. a. als Rictſchnur und großer Beliebtheit, bei der deutſchen Bebölkerung und iſt nur bei
Vorwurf hin eine amtliche Rebiſion ſeiner Tätigkeit beantragt, und es
Punkt vernachläſſigt und an der ſteilen, etwa 4—5 Meter hohen Vor= waren keinerlei Handhaben zu einem Einſchreiten gegen ihn nach
Aus=
ihm als Unternehmer des Betriebs oblag), und der ihn bei der ſpeziel= unbergeßlichen Herrn Perathoner ein weiterer aufrechter und
pflicht=
getreuer Beamter in unfreiwillige Tätigkeit, deſſen deutſcher Tätigkeit
len Beſchäftigung des Vaters vertretende Sohn verſäumte ebenſo die die heutigen und die künſtigen Deutſchen Südtirols in Dankbarkeit ge=
Milljardenfehlbetrag im Haushalt der Stadt Köln.
Köln. In der letzten Stadtverordnetenſitzung teilte der
Ober=
ergeben habe. Davon ſollen nach den Vorſchlägen der Verwaltung 480
auch will ſich H. Sohn noch unmittelbar vorher am oberen Grubenrand und Gebäudeſteuer. Dazu tritt eine abermalige Steigerung der Gebüh=
Ein netter Stadtrat.
Freilaſſing. Der langjährige fozialdemokratiſche
Gemeinde=
rat und Obmann des Wehlfahrtsausſchuſſes Joſeph Moriz in Salzburg
iſt als langgeſuchter Bahndieb verhaftet worden. Er hat, nachdem bei
ihm ein rieſiges Warenlager vorgefunden wurde, ein umfaſſendes
Ge=
ſtändnis abgelegt. Auch ſeine Frau wurde feſtgenommen.
Frankfurt a. M. Für die Frankfurter Meſſe vom 23. bis
29. September wird im Rahmen der Frankfurter Meſſeſtadt wieder eine
Reihe von Ergänzungsbauten aufgeführt. In unmittelbarem Anſchluß
an das Haus „Schuh und Leder” entſteht eine geräumige Halle, dazu
beſtimmt, Firmen der Schuhmaſchineninduſtrie aufzunehmen. Als Be=
—Regimentsvereinigung ehem 116er. Auf die ſtandteil der großen Frankfurter Txetilmeſſe wird auf der Herbſtmeſſe
zum erſtenmal eine geſchloſſene Gruppe „Herrenmode” auftreten. Für
ſie werden alle Auskünfte durch das Meßamt Frankfurt und deſſen
Ver=
tretungen im In= und Ausland bereitwillig erteilt.
Kunſt, Wiſſenſchaft und Leben.
— Erſte Deutſche Fachmeſſe „Die
Herren=
mode‟. Seit einigen Jahren iſt die deutſche
Herrenausſtat=
tungsinduſtrie bemüht, ſich mehr und mehr von ausländiſchen
Einflüſſen freizumachen. Es gilt beſonders mit dem Vorurtei,
aufzuräumen, als ſeien nur fremde Erzeugniſſe gut und modern.
Aus dieſen Beweggründen, aber auch um den deutſchen
Ab=
nehmern zum erſtenmal eine umfaſſende Ueberſicht über die
Leiſtungsfähigkeit der Herrenartikelbekleidungsinduſtrie zu geben,
hat ſich der Reichsverband Deutſcher Herrenausſtattungs=
Spezial=
geſchäfte E. V., Berlin, entſchloſſen, vom 9. bis 11. Auguſt in
Berlin (Kaiſerdamm) eine Fachmeſſe zu veranſtalten, die nur
für Einkäufer, Fachleute und Wiederverkäufer beſtimmt iſt.
Meh=
rere hundert allererſte deutſche Fabrikanten, Wiederverkäufer und
Großhändler des Fachs werden dieſe Meſſe beſchicken. Ein
Be=
ſuch dürfte deshalb für alle Intereſſenten von größtem
Vor=
teil ſein.
SCH. Die Kopernikus=Briefmarke. Neue
pol=
niſche Briefmarken ſind in den letzten Tagen ausgegeben worden.
Unter ihnen dürfte die Sammler beſonders die Kopernikus=
Briefmarke intereſſieren, die bezeichnenderweiſe an den Schaltern
der Kopernikus=Stadt Thorn noch nicht zu haben iſt. Vielmehr
wurden ſie zuerſt nur in Warſchau an den dortigen Schaltern
ausgegeben und dürften ſomit ihren Weg in die Sammlerkreiſe
erſt langſam machen. Die Marken, von denen es nur einen Wert
zu 1000 Mark gibt, entſprechen in Ausführung und Größe genau
den jetzt gültigen Werten zu 300 und 500 Mark. Sie ſind
ein=
farbig in Dunkelblau gehalten und zeigen in der Mitte zwiſchen
zwei Säulen das mit einem Lorbeerkranz umgebene Bruſtbildnis
des großen Thorner Sohnes Nikolaus Kopernikus. Unter einem
weißen Bande mit der Inſchrift „Lovernik” befindet ſich ein
Wappen mit dem polniſchen weißen Adler. Rechts und links
da=
von befindet ſich in dunkelblauen Elipſen die Wertangabe 1000
mit einem kleineren M. darunter in weißer Farbe. Die
Kopf=
leiſte über den Säulen trägt die Inſchrift „Poezta Polska” in
Verſalien. — Bekanntlich hatte das Thorner Komitee zur Feier
des 450. Geburtstages des großen Aſtronomen an das
Poſt=
miniſterium die Bitte gerichtet, Kopernikus=Marken
herauszu=
geben und dieſelben am Geburtstage (19. Februar) nur in Thorn
zu verkaufen und ſtempeln zu laſſen. Da der Antrag jedoch zu
ſpät eingereicht worden war, konnte er nicht mehr berückſichtigt
werden. Nun werden womöglich alle anderen Poſtämter die
Marken erhalten und Thorn als Geburtsſtadt des Kovernikus
leer ausgehen.
Darmſfädter Tagblatt
MMdesdort
6. Auguſt 1923 Nr. /43
Man ſchreibt uns:
Bis vor einiger Zeit brachte fallender Markkurs eine
Bele=
bung der gewerblichen Konjunktur. Der hohe Stand der
Devi=
ſen wirkte auf den Auslandsabſatz anregend ein, da der
Auslän=
der billig kaufen konnte; im Inland regte eine Verſchlechterung
der Mark ebenfalls zu Käufen an, mit deren Hilfe man die
Ge=
fahren der weiteren Markentwertung vermeiden wollte. Seit
einiger Zeit iſt jedoch fallende Mark gleichbedeutend mit
rück=
gehender Konjunktur. Die Berichte des Reichsarbeitsblattes
bringen darüber intereſſantes Material. So waren z. B. im Juni
1922 in gut beſchäftigten Betrieben tätig 5 Prozent der
Arbeiter=
ſchaft, in befriedigend beſchäftigten Betrieben 32 Prozent und in
ſchlecht beſchäftigten 10 Prozent. Für den Juni 1923 dagegen
lauten die Ziffern 18 Prozent, 39 Prozent, 43 Prozent; ſie zeigen,
daß im Verlauf eines einzigen Jahres die Konjunktur geradezu
in ihr Gegenteil ſich verkehrt hat.
Wenn man nach den Gründen fragt, ſo ergibt ſich als
Haupt=
urſache die Feſtſtellung, daß die Inflation nichts mehr einbringt.
Sie hat im Gegenteil die deutſche Volkswirtſchaft derart
ausge=
ſaugt, daß mit ihrer baldigen Erſchöpfung zu rechnen iſt.
Wäh=
rend die Geldentwertung früher für einen Teil der Bevölkerung
gute Seiten hatte Goldmarkſchulden konnten in Papiermark
zurückgezahlt werden — weiſt ſie jetzt für alle nur Nachteile auf.
Die Betriebskapitalien auch der größten deutſchen Werke haben
ſich ſo verkleinert, daß mit ihnen ein rationelles Arbeiten und die
Ausnutzung aller geſchäftlicher Möglichkeiten nicht mehr möglich
iſt. Weder können in Zeiten niedrigen Preisſtandes auf längere
Sicht größere Vorräte eingekauft werden, noch ſind die Werke in
der Lage, ihren Abnehmern längere Kredite zu gewähren und
ſich dadurch nene Aufträge zu verſchaffen. Verſchärft wurde die
kapitalverzehrende Wirkung der Geldentwertung noch durch eine
außerordentlich ſtarke Beſteuerung, die das deutſche Gewerbe um
ein Erhebliches gegenüber dem ausländiſchen Wettbewerb
vorbe=
laſtete, zumal Erzeugung und Umſatz auf durchſchnittlich 60 Proz.
der Friedenshöhe zurückgegangen ſind, ſo daß ſich die Steigerung
der Unkoſten doppelt auswirkte. Zurzeit liegen die Verhältniſſe
für faſt alle Unternehmungen ſo, daß die Ausgaben die
Einnah=
men bei weitem überſteigen; zur Beſchaffung der notwendigen
Betriebskapitalien ſehen viele Unternehmen ſich vor die
Notwen=
digkeit geſtellt, entweder Veräußerungen der Subſtanz in Geſtalt
des Verkaufs von Deviſen, Rohmatetialien uſw. vorzunehmen,
oder zu Betriebseinſchränkungen überzugehen. Alle dieſe Dinge
äußern ſich vornehmlich in einer weitgehenden Zurückhaltung in
der Erteilung neuer Beſtellungen; dieſe wird um ſo größer, je
ſchärfer die Mark ſinkt, je ſchwieriger alſo die Beſchaffung von
Betriebskapitalien wird. Ein Ausgleich für den Rückgang der
Beſtellungen des Inlandes wird durch vermehrte
Auslandsbe=
ſtellungen nicht gegeben. Das rührt daher, weil der Markſturz
auch das Ausland zu Käufen früheren Umfanges nicht anreizen
kann, da das Ausland die jetzige wahnſinnige Markentwertung
als Vorboten politiſcher und ſozialer Unruhen auffaßt, die ihm
die Ausführung ſeiner Aufträge unſicher erſcheinen laſſen;
außer=
dem paßt ſich die innere Markentwertung der äußeren ſehr ſchnell
an, ſo daß die Spanne zwiſchen Inlands= und Auslandspreiſen
nur immer ganz kurze Zeit beſteht; es zeigt ſich ſogar die
Ten=
denz, daß die deutſchen Preiſe über die Weltmarktpreiſe
hinaus=
gehen, ein Umſtand, der die deutſche Ware natürlich völlig
ab=
ſatzunfähig macht.
Die Wirtſchaft leidet unter den Folgen der Markentwertung
größeren Schaden, als ſie aus den vorübergehenden Wirkungen
einer Scheinkonjunktur Gewinne ziehen kann.
Wirtſchaftliche Rundſchau.
Pharmachemie A. G. von 10 auf 25 Millionen Mart, Marograph
A. G. von 15 auf 50 Millionen Mark, Maroverlag A. G. von 20 auf 50
Millionen Mark, Reſtaſo Hoch= und Tiefbau A.G. von 25 auf 50
Mil=
lionen Mark, Pyropharma AG. von 2 auf 10 Millionen Mark, Handel
und Induſtrie A.G. von 5 auf 50 Millionen Mark.
Das gefetzliche Bezugsrecht der Aktionäre wurde ausgeſchloſſen.
Die Durchführung der Kapitalserhöhung übernimmt die Niederdeutſche
Konzernbank A.G. — In den Aufſichtsrat der Maroverlag A. G. wurde
gewählt der Großkaufmann Ernſt Peterſſen, Geeſtemünde, in den der
Marograph A. G. Dr. Wilh. Arning, Hannover.
* Der Zinsfuß, der Darlehnskaſſen. Der Zinsſatz
beträgt vom 2. 8. ab bis auf weiteres allgemein für Vorzugsdarlehen
30½ Prozent, für Darlehen gegen Verpfändung feſtverzinslicher Wert=
Papiere einſchließlich der unverzinslichen Schatzanweiſungen 31 Prozent,
und für Darlehen gegen Verpfändung von Aktien und dergl., ſowie von
Waren, 32 Proz.
* Winterſche Papierfabrik A.=G., Hamburg. Der
G.=V. zum 27. 9. wird die Verteilung einer Dividende von 1000 Prozent
zum Vorſchlag gebracht werden. Gleichzeitig wird beantragt, die zur
Rückzahlung gekündigte Obligations=Anleihe am Fälligkeitstage zum
Kurſe von 10 000 Prozent einzulöſen.
* Die Zahlungsbedingungen in der
Wäſchekon=
fektion. Die Wäſchekonfektion hat ihre Zahlungsbedingungen
feſt=
geſetzt. Während der Verband Deutſcher Damenwäſchefabrikanten die
Umrechnungskondition der Weber (Umrechnung zum amtlichen Berliner
Dollar=Briefkurs am Tage nach Zahlungseingang) ſich zu eigen
ge=
macht hat — wie die „Textilwoche” erfährt —, der Verband Deutſcher
Herrenwäſchefabrikanten den Verſuch gemacht, zwiſchen den
beiderſeiti=
gen Intereſſen zu vermitteln. Er verlangt eine telegraphiſche oder
Eil=
botenbenachrichtigung zwei Tage nach Abſendung des Geldes und hält
in dieſem Falle an dem Briefkurs des Vortages der Zahlung feſt. Erſt
wenn keine Benachrichtigung erfolgt, gilt der Briefkurs am Tage nach
Eingang des Geldes. Vorauszahlungen in bar wie durch Akzept
wer=
den nach dem amtlichen Dollarbriefkurs des Zahlungstages umgerechnet.
Die Damenwäſchekonfektion hat ihre wahlweiſe Papierkonvention neben
der Fremdwährungskonvention weiter beibehalten.
Die Lage der deutſchen Stickereiinduſtrie.
(Jan. bis Juli 1923.) Der Beginn des Jahres brachte für die
Stickerei=
induſtrie durch den erſten Markſtabiliſierungsverſuch eine ſchwere
Kri=
ſenzeit, da die Inlandskundſchaft kaufunluſtig wurde, unſere
Export=
fähigkeit ſtark gelitten hatte und am Lohn= und Arbeitsmarkt die nötige
Preisſenkung nicht zu merken war. Dieſe Zeit des Stillſtandes, während
man wieder nach längerer Zeit zum erſtenmal gezwungen war,
Feier=
ſchichten einzulegen, dauerte bis Mitte März an, und hat die
Früh=
jahrsmeſſen ebenfalls lahmgelegt. Anfang April war die Nachfrage
wieder normal geworden und hat in den darauffolgenden Wochen
ge=
radezu fieberhafte Formen angenommen. Im Juni kam die geſamte
Textilinduſtrie zu der Auffaſſung, daß der Verkauf und die
Fakturie=
rung in Papiermark im Inlande bei einer vehementen Geldentwertung
nicht mehr möglich ſei und zu ſchweren Schädigungen des Fabrikanten
geführt hat. So wurde die Berechnung in Goldmark, Zahlung in
Papiermark, eingeführt; doch iſt ſelbſt dieſ Berechnungsart anſcheinend
nicht mehr ausreichend, zu einer feſten Warenaustauſchbaſis zu gelangen,
da es durch die neuen Deviſenverordnungen und
Reichsbankmaßnah=
men der Induſtrie völlig unmöglich gemacht wird, mit den
Papiermark=
eingängen für die Auslandsrohwaren ſtabile Deckung zu beſchaffen.
Die Ernte in der Ukraine. Nach Angaben der Statiſtiſchen
Zentralverwaltung ſoll ſich die Anbaufläche in der Ukraine gegen das
Vorjahr um 13 Prozent oder um 1 921 000 Deßjatinen vergrößert haben.
Der Geſamternteertrag wird in dieſem Jahre auf 787 Millionen Pud
geſchätzt. Nach Bezahlung der Steuern und Deckung des Eigenbedarfs
ſoll angeblich ein freier Ueberſchuß von 100 Mill. Pud verbleiben.
Zur ruſſiſchen Getreideausfuhr. Aus Helſingfors
wird uns geſchrieben: Nach Angaben der Ekonomitſcheskaja Shiſn
wer=
den im Laufe der Zeit vom 1. September bis 1. Januar 1924 über den
Petersburger Handelshafen 35 Millionen Pud Getreide ausgeführt
wer=
den, und auf dem Schienenwege nach Eſtland und Finnland im ſelben
Zeitraum 16 Millionen Pud. Die Getreidepreiſe auf dem inneren
rufſi=
ſchen Markt ſind in letzter Zeit geſtiegen. Am 20. Juli betrug der Preis
für ein Pud Roggen in Petersburg 110 Millionen Rubel, in Odeſſa
dagegen nur 38 Millionen Rubel. Der Weizenpreis in der Provinz
ſchwankte an dieſem Tage zwiſchen 150 und 70 Mill. Rubel pro Pud.
Beſtes Weizenmehl in Moskau koſtete über 300 Mill. Rubel pro Pud.
Meſſen.
* Die Beteiligung der öſterreichiſchen
Bu=
länder an der Wiener Herbſtmeſſe. Neben der
ordentlich ſtarken Beteiligung ſeitens reichsdeutſcher
ſteller, die nahezu 5 Prozent der Geſamtbeteiligung beträgt, ur
Erſcheinen einer Gruppe engliſcher Ausſteller, iſt das hervorre
Moment der Beſchickung der Herbſtmeſſe die ſtarke
Anreilnah=
üſterreichiſchen Provinz. Aus ſämtlichen Bundesländern Oeſu
ſind zahlreiche Ausſteller erſchienen. So bringt Niederöſterreich
Wien) unter anderem Oele, Seifen, Fette, Pinſel, Chriſtbaum,
ferner Erzeugniſſe der Kleineiſeninduſtrie, Bleiwaren, Metallegie=
Stahl= und Metallwaren, ſowie Grauguß, elektriſche Apparate,
techniſche Bedarfsartikel zur Ausſtellung.
ußet
Au
de
ndit
ſeis
mß
nuc,
nge
ktro
Noch zahlreicher ſind die Ausſteller aus Oberöſterreich. Aus ſeſe
Lande kommen u. a. Holzwaren, Puppen= und Spielwaren, Parfi ſer;
artikel, kunſtgewerbliche Artikel, Erzeugniſſe der Rahmenfabrikati d
ferneren Ofenbau und Tonwaren, Kraftſtrominſtallationsartikel, kot
ren, Werkzeugmaſchinen, Senſen uſw. Die oberöſterreichiſchen C Äff=
werften ſind wieder erſchienen. Von Nahrungs= und Genuß tteln
fendet das Land Oberkſterreich Obſtkonſerven, Obſtweine, Delik eiſe
uſw. Bemerkenswert iſt das Erſcheinen einer Firma für pyrote üſch
Artikel aus Oberöſterreich.
wb. Hannover. Niederdeutſche Konzernbank, Aktiengeſellſchaft,
Als weiteres Vorſtandsmitglied iſt der Bankdirektor A. Mangeot,
Han=
nober, berufen worden.
wb. Hannover. Kapitalserhöhungen im Dr. Wilh. Schäfer=
Konzern, Hannover. In den geſtern abgehaltenen außerordentlichen
Generalverſammlungen wurden folgende Kapitalserhöhungen beſchloſſen:
Banken.
* Weſtbank A.=G., Frankfurt a. M. Eine am 24. 8.
ſtatt=
findende a. v. G.=V. ſoll über Erhöhung des Aktien=Kapitals um 300
Mill. auf 800 Mill. Beſchluß faſſen. Einzelheiten der Transaktion
wer=
den nicht mitgeteilt.
Aus Steiermark ſind Müllerei= und Getreidemaſchinen, Prä
werkzeuge, Motoren, ferner auch Lederwaren angemeldet. Hier
Graz die meiſten Ausſteller.
Salzburg bringt u. a. Holzbearbeitungsmaſchinen. Spielware
zeugniſſe der Kunſtkeramit und Galanteriewaren. Sehr bedeute
die Teilnahme Tirols. Der kleine Ort Kramſach bringt eine Reil
Induſtrien zur Ausſtellung; u. a. Edelglas, Goiſerer Bergſchuhe
niſche Neuheiten alpinen Charakters und Moltereiprodukte.
Aus Fulpmes kommen die berühmten Eispickel und Kleineiſenn
Innsbruck ſendet Loden, Bergſchuhe, Erzeugniſſe des Kunſtgen
wie Elfenbeinſchnitzereiwaren, Papierwaren, künſtleriſche Schloſſer
ten, Maſchinen; aus Kufſtein kommen Eiſenwaren und Werkzeuge
Schwaz landwirtſchaftliche Geräte.
Kärnten beteiligt ſich mit Holzgeſchirren und Silberwaren (K
furt), Vorarlberg bringt elektrotechniſche und heizungstechniſche 2
zur Ausſtellung (Bregenz und Dornbirn), ferner Stickereien.
Auch das jüngſte Bundesland, das Burgenland, beteiligt ſich
rege. Gips und Tonwaren, Pfeifenrohre, Kreide, Erzeugniſſe der
pentinſteindreherei und verſchiedene Neuheiten in landwirtſchaft
Geräten ſind angemeldet.
Alles in allem läßt ſich ſagen, daß die Beteiligung der öſterreidl
Provinz ſowohl als Einkäufer wie auch als Ausſteller von Meſ
Meſſe in ſtarkem Zunehmen iſt.
tei
Verſicherungsweſen.
*h. Südweſtdeutſche Feuerverſicherungs=A. C
Stuttgart. Mit einem Aktienkapital von einer Milliarde Mk.
zahlbar mit 25 Proz. und einem Agio für den Organiſationsfonds
50 Proz., wurde dieſe Geſellſchaft gegründet.
*h. Karlsruher Lebensverſicherungs=A. G.,
ruhe. Die Generalverſammlung genehmigte die Regularien, nach
von 5,07 Mill. Mk. 3,51 Mill. Mk. dem Reſervefonds überwieſen d
1,57 Mill. Mk. neu vorgetragen werden. Ferner beſchloß ſie
Kap=
erhöhung um 10 auf 30 Mill. Mk. Den alten Aktionären werder
je 10000 Mk. Aktien zwei junge Aktien zu je 10 000 Mk. angeboten
der Bilanz ſtehen 81,62 Mill. Mk. Verpflichtungen 37,36 Mill. Mk.
haben und 19,69 Mill. Mk. Bankguthaben gegenüber. Im
neuen=
ſchäftsjahr hat der Zugang in den erſten ſieben Monaten 100 Millia
Verſicherungsſumme überſchritten.
Tageskalender.
Sommerſpielzeit Bruno Harprecht (Kl. Haus), abe
7½ Uhr: „Hamburger Filialé”. — Union=, Refidenz=,
C=
tral=Theater, Palaſt=Lichtſpiele: Kinvvorſtellungen
Druck und Verlag: L. C. Wittich. Verantwortlich für Politik
Wirtſchaft: Rudolf Mauve; für Feuilleton, „Stadt und La
„Reich und Ausland”: Max Streeſe; für den Inſeratenteil: i.
Ad. Fleiſchmann, — ſämtlich in Darmſtadt.
Die heutige Rummer hat 6 Seiten.
Bankgeschaft
Fernsprecher 1308, 1309
1L21er —Ber
Aktien / Renten / Devisen / Sorten
DartllStder
1 Luisenplatz 1
Wfßo
Familiennachrichten
Nach kurzem Leiden entſchlief
heute Abend 4. Auguſt meine treue
Frau, unſere Mutter
Anna Marie Zimmer
geb. Piwanziki
im Alter von 39 Jahren.
Im Namen der trauernd Hinterbliebenen:
Karl Zimmer und Kinder,
Die Beerdigung findet Dienstag,
7. Aug., nachm. ½3 Uhr, auf dem
Waldfriedhof ſtatt. (6601
Mehl= und Brotpreiſe.
Wegen der weiteren Steigerung der
Inkoſten wurden die Preiſe für Mehl und
Brot durch die Beſchlüſſe der
zuſtändi=
en Ausſchüſſe vom 6. ds. Mts. ab wie
olgt feſtgeſetzt:
A. Mehlpreis.
Abgabepreis der Mehlverteilungsſtelle.
Einheitspreis für ſämtliche
Mehlarten für den
Doppel=
zentner ohne Sackpfand. . Mk. 622400
B. Brotpreis.
1600 g Brot . . . . . Mk. 13000.—
800 g Brot . . . . . Mk. 6500
—
Brötchen aus gemiſchtem
Brotmehl im Gewicht von
50 g.... . . . . Mk. 550.—
Darmſtadt, den 3. Aug. 1923.
Lebensmittelamt. (st6590
0-Drcheſtrion
90X58 cm groß
rk. Wv? ſagt die
läftsſt. (*21828ds
—
Gardinenwagen,
Mö=
belrolle. Möbelwagen
wird tageweis verliehen.
Hügelſtr. 15, Laden (242a
Balast-Lichrsplele
Original amerikanischer
Sen-
sations- und Abenteuerfilm in
6 Teilen, 36 Akten. (KDfsge
Elmo, der Furchtlose
3. Teil: Das Haus des Grauens.
4. Teil: Der Chinesentempel.
12 Akte! In der Hauptrolle:
Elmo Lineolm
Letzte Vorstellung 8½ Uhr.
Sommerſpielzeit
Brund Harprecht
Tägl. 7½ Uhr: (6552
Hamburger
Filiale.
Pünktl. 10½ Uhr:
Galante Nacht.
Habe meine
Tätig=
keit wieder aufgen
prakt. Zahnarzt
Darmſtadt (*2 2082on
Zimmerſtr. 31a, Fernr. 218
Wohnungs=
Tauſch!
Für ein Wohn=, evtl.
Geſchäftsh. in Darmſt.
in guter Lage mit 4. 5Zimm.=Wohnung
und Zubeh. biet, wir
im Tauſch ein
neuer=
ſaut, villenart.
Wohn=
haus m. 2 freien Woh
nungen in gleicher
Größe ſowie großem
Obſt= und Gemüſe
garten in ſchönem
Städtchen an der
Bergſtraße.
Angebote erbeten
unter G 48 an die
Geſchäftsſt. (6468d0
Bankbeamter
26 J., ſtrebſam, z. Zt.
Abteilungsleiter in
Effekt.=Abtlg. erſter
Privatbank Frankf.,
in ungek geſich. Stell.,
inDarmſtadt wohnh.,
würde ſich aus
nicht=
berufl. Gründen in
n. gleiche ausſichtsr.
Poſit. b. übertarifl.
Bezügenn. Darmſtadt
(*22ios
verändern.
Referenzen zur
Ver=
fügung. Gefl.
Zu=
ſchriften erb. u. H 10
Geſchäftsſtelle ds. Bl.
Weiblich
Sauberes ſchulentl
Mä d c hen
zu einem Kinde und
zur Mithilfe im
Haus=
halt tagsüber geſucht.
v. Muralt, Frankfurter=
(*22084
ſtraße 59.
oder
Laufmädch. Frau
tägl. 2 Stund. od. auch
3mal wöchentl. geſ.
*22135)Liebigſtr. 28,II.
An- und Verkauf
OrNe, Veer von Edelmetallen
Adolf Assmus
Schustergasse 15 (Laden) (5938a) Telephon 2320 u. 426
Bruchleiden
Brüche ſind heilbar ohne Operation, ohne ſchmerzhafte
Einſpritzung, vollſtändig ohne Berufsſtörung. In Behandlung
ommen: Leiſten=, Schenkel=, Hoden=, Nabel= und Bauchbrüche.
Sprechſtunde in Darmſtadt: Mittwoch, 8. Auguſt, 9—12 Uhr
„Hotel Prinz Heinrich”.
prakt. Arzt, Hamburg
Dr. med. H. L. Meyer, Schauenburgerſtr. 4.
Ich litt an einem Wallnußgroßen Leiſtenbruch, durch die
Methode des Herrn Dr. Meher iſt derſelbe völlig ausgeheilt.
Ich habe keine Beſchwerden mehr. Ich war früher operiert,
die Operation hatte nicht gehalten.
Ich ſage Herrn Dr. Meyer meinen beſten Dank.
Jgelsbach i, Odenwald, 9. Mai 1922.
(652780
Nikolaus Bauer.
Sbrfmalt und Sorfſtren
in Ballen gepreßt, ſofort ab Lager lieferbar
J. & A. Schmid, Darmſtadt
Weiterſtädterſtraße 35
(*22139)
Telephon 734
1—2 helle, nicht zu
große Räume, für
Goldſchmiede=Werk
ſtätte und Büro
ge=
eignet, gegen gute
Bezahlung zut mieten
geſucht. Angeb. u.
G 104 Gſchſt. (*2m410
Bücherabſchluß
Neueinrichtung
(mögl.
NäheFeldberg=
u. Bismarckſtr. ) ſucht
für ſof. Darmſtädter
Karoſſerie=Werk
Georg Autenrieth
Feldbergſtr. 72. (6588gc
durch verſ.
Buchhal=
ter. Diskr. zugeſich.
Adr. der Reflektant.
unt. D 49 an die
Ge=
ſchäftsſt. erbet. (6244a
Sommerſproſſen!
Ein einfach.
wunder=
baresMittel teile gern
jed. koſtenl. mit (Lys=o
Frau M. Poloni,
Han=
noverO.92, Schließf. 106
Schreibmaschinen
und sämtliche Büromaschinen
werden rasch und fachmännisch
repariert bei
A. Lächter, Bürobedarf
Darmstadt
Karlstrasse 1
Telephon 1489. (2341a
Beamten=Verein ehem. Militär=Muffk
— Ortsgruppe Darmſtadt, gegr. 1922.
„Saalbau=Garten”
Dienstag, 7. Auguſt 1923, abends 8 u!
Großes Ertra=Konzer
Leitung: Herr Aug. Rühlemann.
Eintritt: 10000 M. mit Steuer u. Prog
Karten ſind ab 7 Uhr abends an der Kaſ)
zu haben.
Vorſchriften
für den Betrieb der
Bautererent
in Stadt und Land
ſind in unſerer Geſchäftsſtelle,
Rheinſtraße 23, zu haben.
Darmſtädter Tagblatt.
(1488dsi
Darmffädter Tagblatt
Deoolden Somſägt
I.Auguf 1923 Nr. 215
Zwei neue deutſche Leichtathletikrekorde. — Süddeutſchland gegen Norddeutſchland 3:3. — Radfahr= und
Schwerathletik=
meiſterſchaften. — Lorbas gewinnt das große Berliner Jagdrennen (230 Millionen).
Leichtathletik.
Internationales Meeting des Sportklubs Charlottenburg.
2 neue beutſche Rekorde.
Lüdecke=Berlin verbeſſert feinen Rekord im beidarmigen
Speer=
zerfen, indem er die Leiſtung von 96,77 Meter auf 97,35 Meter
fatig mporſchraubt. Den 5000Meter=Lauf gewann Dieckmann=Hannover in
tel, er Rekordzeit von 15:24,1 Min., und übertraf damit Bedarffs Rekord
2 on 15:25,3 Min.
100=Meter=Lauf: 1. Carr=Auſtralien 10,8 Sek.; 2.
Krüger=
roteh harlottenburg (2 Mtr. zurück). 200=Meter=Lauf: 1.
Carr=
uſtralien 22,2 Sek.; 2. Thumm=Berlin. 400=Meter=Lauf: 1.
ennel=Berlin 51,3 Sek.; 2. Weinhold=Dresden. 800 Meter=Lauf:
Langkutſch=Zehlendorf 1:59,3 Min.: 2. Oſterhoff=Hamburg. 1500=Lauf: 1. Köppke=Zehlendorf 4:092 Min.; 2. Otto=
Magde=
tra. 5000=Meter=Lauf: 1. Dieckmann=Hannover 15:94.1 Min.
Thummoszeit=Berlin. 48100=Meter=Staffel; 1. Sportklub
erlin 43 2 Sek.; 2. Gutsmuts=Dresden. 381000=Meter=Staf=
1: 1. Sportklub Charlottenburg 8:16,8 Min.; 2. Sportklub Berlin
00 Meter zurück). Weitſprung: 1 Weinhold=Dresden 6,30 Meter,
ochſprung: 1. Skortzinski 1,5 Meter. Stabhochſprung:
Lehninger=Charlottenburg 3,70 Meter. Kugelſtoßen: 1. Jpvo=
Eud rag 12,82 Meter. Diskuswerfen: 1. Hähnchen=Berlin 39,32
ſein eter. Speerwerfen: 1. Lüdiecke=Berlin 56,50 Meter.
— Der Sportverein Darmſtadt 98 konnte am Samstag beim
Sport=
rein Offenbach bei den leichtathletiſchen Wettkämpfen gute Erfolge
chen: Rolf Küch wurde im 100 Meter=Lauf für Jugend 05/06 zweiter
eger in 123 Sek. hinter Diſterbehn (Sp=Gl. Frankfurt 1880) in 122
k. Karl Bauer belegte im Jugend=Hochſpringen ebenfalls den zweiten
atz mit 1,57 Meter vor ſeinem Konkurrenten Kohs, vom Sp=Cl. 1880
ankfurt, welcher 1,62 überſprang.
Fußball.
Internationales Fußballtournier Bad=Homburg.
Es beteiligten ſich Homburger Fußballverein, Boruſſia=Frankfurt,
rnverein 1860 Fürth und Sportklub Simmering (Wien). Das Los
ichte als erſten Gegner Boruſſias=Frankfurt mit
Sim=
ring=Wien zuſammen. Boruſſias Mannſchaft zeigte an dieſem
ge nicht das von ihkr ſonſt gewohnte flüſſige Spiel. Die Elf machte
en ſehr müden Eindruck, hielt aber trotzdem bis zur Pauſe das Spiel
ſtändig offen bei einem Spielſtand von 2i1 für Wien. Die zweite
(fte war Wien etwas überlegen und ſiegte ſchließlich mit 6:1, ein dem
ielverlauf unverdient hohes Ergebnis. Von Wienern ſchoß der
Mit=
türmer Horpath vier Tore, zwei konnte der Halbrechte ſeinem Verein
bringen.
Als zweite Gegner betraten Fürth und Homburg den Platz.
eth war ſeinem Gegner in jeder Beziehung über, man kann ruhig
einem Klaſſenunterſchied ſprechen, und gewann mit 10:0 (3:0).
Der Haupttag brachte als erſtes Spiel Boruſſia=Frankfurt
Homburger Fußballverein zuſammen. Boruſſia war
en den Vortag nicht mehr zu erkennen. Mit 9:0 verließ ſie als
Sie=
den Platz.
1 Zum Entſcheidungsſpiel kamen Fürth und Wien auf den Platz,
aft begrüßt von der vieltauſendköpfigen Zuſchauermenge. Das
ffen war äußerſt ſpannend, manchmal etwas zu hart, und endete mit
knappen, aber verdienten Sieg der Fürther Elf von 3:2 nach
Ver=
erung von zweimal 15 Minuten. Die Wiener Mannſchaft
hinter=
durch ihre ungerechtfertigten Reklamationen und durch unſportliche
ufe einen ſehr ſchlechten Eindruck.
Reihenfolge der Sieger: 1. Fußballabteilung des Turnvereins 1860
ch: 2. Simmering Spkl. Wien; 3. Boruſſig=Frankfurt a. M.; 4.
tburger Fußballverein.
Eintracht=Frankfurt gegen Fußballverein Würzburg 1:5.
Sonntag=Vormittagſpiel am Biederwald. Eintracht ſpielte mit
ann Erſatz, ein gewagtes Experiment gegen einen ſo guten Gegner.
rächte ſich auch, denn die Philippmannſchaft ſiegte verdient mit
Bei Eintracht fiel die überaus laute Spielweiſe von Pfeiffer
unan=
hm auf.
Fußballſportverein Frankfurt gegen München 1860 3:1.
Die Bornheimer hatten zum Rückſpiel die 60 aus München zu Gaſt
rebanchierten ſich nach glänzendem, ſpannendem Spiel für die im
piel erlittene Niederlage durch den einwandfreien Sieg von 3:1.
Helvetia=Bockenheim gegen Sportklub Bürgel 1:0.
In Bockenheim hatte die Fußballabteilung Helvetia den Spprtklub
jel verpflichtet. Es gab einen ſehr harten, jedoch fairen Kampf, den
3Bürgeler knapp mit 1:0 für ſich entſcheiden konnten.
Frankfurt=Main (Süb): Jubiläumsturnier des V. f. L.
Sachſen=
n. Spiele am Samstag: Union=Niederrad gegen Sportvereinigung
Q3heim 4:3. V. f. R. 01 Frankfurt gegen Germania=Bieber 1:1. Nach
Singerung wegen eines Unfalls abgebrochen.
Um Sonntag: V. f. R. 01 gegen Sportvereinigung Griesheim 6:1.
Salbverein Germania=Bieber gegen UnionNiederrad Zil. Nach 18
tten Spielzeit. Die Reihenfolge der Sieger: 1. Germania=Bieber:
—nion=Niederrad; 3. Verein für Raſenſpiele; 4. Sportvereinigung
Osheim.
Eigener Drahtberichk.
Hamburg. Norbdeutſchland gegen Süddeutſchland 3:3. Nach
zwei=
jer Verlängerung abgebrochen. Am Vortag in Hannover gewann
E Züddeutſche Mannſchaft gegen Hannober mit 8:1,
München. Bayern=München ſchlug im Geſellſchaftsſpiel den F.C.
11 Hanau mit 5i1.
Würzburg. Fußballabteilung Schwaben des Turnvereins Augs=
E gewinnt gegen F.C. Hanau 1893 mit 6:0,
Ddas in Leipzig zum Austrag gekommene Städteſpiel gegen München
Te von Leipzig mit 4:0 gewonnen.
ußballkampf Berlin-Zürich. Fußball=Städtekampf der repräſenta=
15 Mannſchaften von Berlin und Zürich am Samstag auf dem Platz
d ſerliner Sportvereins in Schmargendorf vor etwa 8000 Zuſchauern.
En beherrſchte die Situation von Anfang an und dokumentierte ſeine
legenheit durch einen glatten Sieg von 3:1, (3:1).
Radfahren.
Die Leipziger Radſportwoche
olgende Entſcheidungen:
5traßenmeiſterſchaft für Amateure, 239,6 Km.:
2afuß=Berlin 8:16:29,1; 2. Bux=Berlin 8:19:32,2; 3. Rodies=Leipzig
.: 4. Steingaß=Köln 8:12:55,1. — Für Berufsfahrer: 1.
S=Berlin 8:14:42,1; 2. Aberger (Handbreite zurüch); 3. Paul Kohl;
4irenberg (dicht auf.
Fahnmeiſterſchaften für Amateure, 1 Km.: 1.
Osz=
m9.=Köln; 2. Graue 19 L.; 3. Oskar Rück (1 Länge); 4. Noßbach=Köln.
5 Km.=Meiſterſchaft: 1. Nietzel=Breslau 40:21,4; 2. Ehrt=
St. 3. Einſiedel=Altenburg; 4. Roßbach=Köln.
„Ferufsfahrer, 1 Km.: 1. W. Rück; 2. Gottfried (Handbreit)”
Aymücker (a L.); 4. Henry Meier (1 L.).
Schwerathletik.
Die ſchwerathletiſchen Meiſterſchaften in Erfurt.
Gewichtheben. Bantamgewicht: Arein 630 Pfd. Federgewicht:
Widmann=Stuttgart 775 Pfd. Leichtgewicht: H. BaumannMünchen
860 Pfd. Mittelgewicht, Kl. 4: Mang=Hamburg 830 Pfd., Kl. B: Lang
930 Pfd. Schwergewicht: StraßburgerMünchen 980 Pfd.
Schwimmen.
Darmſtadts Schwimmen bei Nikar=Heidelberg.
Die Jugendwettkämpfe von Nikar fanden geſtern in Leimen ſtatt.
Organiſation und Schwimmbahn ſpotteten jeder Beſchreibung, und hat
ſich der Verein für Jahre hinaus bei ſeinem Publikum und den
Ver=
bandsvereinen unmöglich gemacht. Die Reſultate entbehren an und für
ſich größeren Intereſſes, da die Bahn ſchief war und dadurch manche
Schwimmer längere Strecken ſchwimmen mußten.
Nachſtehend einige, uns Darmſtädter beſonders intereſſierende
Re=
ſultate:
Jugendfreiſtilſtaffel 4 mal 50 Meter. 1. Jung=Deutſchland,
Darm=
ſtadt: 2. 18. 2 (Sack, Ihrig, Bach, Orlemann), 2. Nikar=Heidelberg.
Jugend bel. 100 Meter: 1. K. Ihrig, J.D.
Damenjug. jun. Bruſtſtaffel 3 mal 50: 1. Jung=Deutſchland (Made,
Bero, Nagel).
Damenjug. jun. bel. 50 Meter: 1. E. Nagel, J.=D. 38/s; 3. A.
Mül=
ler, J.D. 44s.
Jug. Seite 50 Meter: 1. Fuchs, Offenbach; 2. Petry, T.=G. D. 46;
3. Ihrig, J.9.
Jug. Lagenſtaffel 4 mal 50: 1. Nikar=Heidelberg; 2. Jung=
Deutſch=
land.
Jug. jun. 50 Meter bel.: 1. Würtele, Karlsruhe; 2. Sack, J.=D.
Waſſerball: Nikar— E. F. S. C. 3:1 (Schiedsrichter: Orlenwald,
Frankfurt; Ludwigsburg-Karlsruhe 4:3 Schiedsrichter: Orlenwald,
Frankfurt; T.=V. 60 Frankfurt-Ludwigsburg 4:0 (Schiedsrichter:
Schneider, Darmſtadt); T.V. 60 Frankfurt=Nikar 3:1 (Schiedsrichter:
Beher, Offenbach).
Pferdeſporf.
Berlin=Karlshorſt.
* Lorbaß gewinnt das mit 230 Mill. Mk. dotierte große Berliner
Jagdrennen.
Goldberg=Jagdrennen: 4000 Mk., 300 Meter: 1. Liſſaus
Narr (Maté), 2. Blindgänger, 3. Schnucki. Tot. 41:10; Platz 19,
17:10. Ferner liefen: Poet, Algebra, Mirakel. 6 L., 4 L.
Verſuchs=Jagdrennen; 4000 Mk. 300 Meter: 1.
Charlot=
tenhofs Entſchluß (Stillau), 2. Schäm dich, 3. Gigerl. Tot, 48:10;
Platz 19, 27. 33:10. Ferner: Maifritzdorf, Erdroſe, Schloſſer, Saul,
Freiweg, Jakor, Ellan. 1 L., 2 2.
Tuja=Jagdrennen; 5500 Mk., 3700 Meter: 1. Heinz Stahls
Ritter Blaubart (Borke), 2. Wettſcheide, 3. Helmtraude. Tot,
13310; Platz 11, 12:10. Ferner: Tradition, 4 9., 3 9.
Diamant=Hürdenrennen; 7000 Mark, 2800 Meter:
1. Stall Halmas Halma (Bär), 2. Rekord, 3. Hiltrud. Tot. 69:10;
Platz 24, 22, 23:10. Ferner: Cicero 2, Fauſta, Ehrentraud,
Donnerwet=
ter, Roma, Heldin, Merius, Felling. 34 L., 4 L.
Großes Berliner Jagdrennen; 50 000 Mk., 5000 Meter:
1. Hartmannſche Erben Lorbaß (Thalnike), 2. Giroflé, 3.
Immel=
mann, Tot. 40:10; Platz 18, 23, 66:10. Ferner: Magelone, Berzog,
Moral, Rautendelein, Minor, Tippel, Cid, Herero. 34 L., 119 L.
Rubin=Hürdenrennen; 7000 Mk., 3000 Meter: 1.
Fürſten=
bergs Kontrapunkt (Lüder), 2. Rinaldo, 3. Larma. Tot, 24:10;
Platz 15, 17:10. Ferner: Orkan, Abenteurer, Elörve 2. 114 L., 5 L.
Karlshorſter Ausgleich; 7000 Mk., 2500 Meter: 1.
Ehren=
frieds Flaggenſen (Huquenie), 2. Sanquiniker, 3. Miguon, Tot,
54:10; Platz 16, 14, 20:10. Ferner: Denar, Kasbeck, Otavi, Cea,
Stern=
berg.
Das große Berliner Jagdrennen im Werte von 250 Millionen Mark
über den ſchweren 5000 Meter=Kurs der Hauptbahn geleitet, wurde von
Lorbaß mit dreiviertel Längen gewonnen. Der Hengſt wurde während
des Hauptteils der Reiſe im Hintertreffen gehalten. Im letzten Drittel
brach er vor bis zu der führenden Giroflé, die er im Schlußſprung ſicher
erreichte und die ihm dann in der Flachbahn nicht mehr beikommen
konnte. Magelone und Moral ſtürzten, Minor wurde lahm.
Hannover.
* Preis vom Tiergarten: 4300 Mk., 1000 Meter: 1. Beits
Nogung GBrovn), 2. Holm, 3. Brigant. Tot. 12:10; Platz 11,
13:10. Ferner: Kompanie, Eicken. 5 L., 1 9.
Großer Preis: 20000 Mk., 2400 Meter: 1. Friedheims
Car=
dinal (Ludwig), 2. Eigilbert, 3. Bajuvare. Tot, 63:10; Platz 18,
13:10. Ferner: Meilenſtein, Sabotage. 1 L., 3 L.
Breslau.
Fürſt Hohenlohe=Oehringen=Rennen; 5500 Mark,
2000 Meter: 1. Levins Staffelſtab (Olmick), 2. Kondor, 3.
Moha=
med. Tot. 10:10; Platz 11, 12:10. Ferner: Hagewald. 2 L., Kopf.
München.
Münchener Induſtrie= und Handelspreis; 11000
Mark, 2400 Meter: 1. b. Opels Fateider (Fentſch), 2. Halloh, 3.
Jahn. Tot. 15:10; Platz 10. 10, 13:10. Ferner: Sternfeld, Fels,
In=
klan, Kirchbach, Struma. 1 L., 1 2.
Preis von Nürnberg; 10000 Mk. 1400 Meter: 1. Nauth3
Landsknecht Staudinger), 2. Jngeborg 2, 3. Donner. Tot, 18:10z
Platz 12, 12:10. Ferner: Strypa 2. 1 L., 1 2.
Regatten.
Würzburger Herbſtregatta.
Von unſerem Sonderberichterſtatter.
* Bei günſtigſtem, wenn auch etwas heißem Wetter kam heute die
Würzburger Herbſtregatta, das ruderſportliche Ereignis des Obermains,
zum Austrag. Leider waren nicht alle gemeldeten Vereine erſchienen;
es fehlten Stuttgarter Rudergeſellſchaft und Regensburger
Ruderver=
ein. Gefahren wurde auf einer Strecke von 1850 Metern. Beſonders
ſpannend waren die Vorrennen, aber auch in den Hauptrennen wurde
mancher harte Kampf gekämpft, wie im Preis von der Burg und im
Inſelpreis. — Die Ergebniſſe ſind folgende:
1. Fränkiſcher Verbands=Achter: Ehrenwanderpreis:
1. Würzburger Ruderverein 6:11, 2. Würzburger Rudergeſellſchaft
6:13,4, 3. Würzburger Ruderklub Bayern 6:25,4. Mit zwei Längen
gewonnen. Bahern weitere zwei Längen hinter Ruderverein.
2. Jungmann=Vierer (Ehrenpreis): 1. Offenbacher
Ruder=
verein 6:58, 2. Donau=Ruderklub Ingolſtadt 7:02,2, 3. Kitzinger
Nu=
derverein 7:04,6. Ingolſtadt durch ſcharfe Vorrennen ſtark geſchwächt,
wird mit zwei Längen Zweiter, Kitzingen mit Luſtkaſtenlänge Dritter.
3. Franziska Ritz=Gedächtnisrennen (Zweier ohne
Steuermann. Herausforderungspreis): 1. Mannheimer
Nudergeſell=
ſchaft 7:46,8 Alleingang)
4. Preis vom Stein (Vierer. Herausforderungspreis):
1 Kitzinger Ruderverein 6:34,8, 2. Ruderſportverein Teutonia=
Frank=
furt 8:39,2. Kitzingen ſiegt mit halber Länge.
5. Jungmann=Einer (Herausforderungspreis): 1
Offen=
bacher Ruderverein (Schuabel) 7:26,2, 2. Frankfurter Ruderklub Elektra
(Schäfer) 7:37,8. Von Schnabel gegen den ſchlecht ſteuernden Schäfer
überlegen gewonnen.
6. Preis vom Main (Jungmann=Vierer.
Herausforderungs=
preis); 1. Offenbacher Ruderverein 6:43, 2. Limburger Ruderklub
6:484. Offenbach geht in guter Form mit 1½ Längen durchs Ziel.
7. Fränkiſcher Verbands=Jungmann=Vierer,
Erſter Start: Bei 1000 Meter Kolliſion zwiſchen Bamberg und
Würz=
burger Rudergeſellſchaft. Neuer Start, Anfang nach Schluß der
Rennen: 1. Ruderverein Bamberg 6:502, 2. Kitzinger Ruderverein
6:52,6. Dem Proteſt der Würzburger Rudergeſellſchaft wird nicht
ſtatt=
gegeben.
8. Fränkiſcher Main=Preis (Einer. Wanderpreis):
Bamberger Ruderverein GBeckſtein) 8:582. Alleingang.
9. Preis von Würzburg (Achter. Ehrenpreis):
Mann=
heimer Rudergeſellſchaft 6121,8 (Alleingang). Von ſechs gemeldeten,
Vereinen geht Mannheim allein über die Bahn.
10. Preis von der Burg (Vierer. Herausforderungspreis):
1. Limburger Ruderklub 6:38,4, 2. Kitzinger Nuderverein 6:412, 3.
Akademiſcher Nuderklub Würzburg 6:51,3. In ſcharfem Rennen gewinnt
Würzburg mit einer halben Länge.
11. Regattavereins=Preis (Vierer „Ehrenpreis): 1.
Würzburger Rudergeſellſchaft, 2. Nuderſportverein Teutonia Frankfurt
(ausgeſchloſſen). Scharfer Kampf über die ganze Strecke unter Führung
von Würzburg. 100 Meter vor dem Ziel Kolliſion mit Teutonia, die
ausgeſchloſſen wird.
12. Inſelpreis (Einer. Ehrenpreis): 1. Ruderklub Bamberg
(Chring) 7:23,2, 2. Offenbacher Ruderverein (Schnabel) 7:24,3, 3.
Vam=
berger Ruderverein (Beckſtein), aufgegeben. Scharfer Kampf über die
ganze Strecke unter Führung von Schnabel. Eyring holt im Endſpurt
auf und geht mit 1 Meter Vorſprung durchs Ziel.
13. Preis von der Mainmühle (Vierer. Ehrenpreis):
1. Ruderſportverein Teutonia=Frankfurt, 2. Offenbacher Ruderverein.
Mit knapper Länge gewonnen.
14. Preis von Rheinhartsbronn (Achter.
Herausforde=
rungspreis); 1. Würzburger Ruderverein 5:59,4, 2. Limburger
Ruder=
klub 6:012. Mit anderthalb Längen gewonnen.
Mannheimer Regatta.
(Eigene Drahtmeldung.)
* Bei günſtigem Sommerwetter hielt heute der Mannheimer
Re=
gattaverein auf dem Neckar ſeine Sommerregatta ab. Um 3.30 Uhr
be=
gann ein Stilrudern, dem ſich vier Mannſchaften zur Verfügung ſtellten.
Darauf folgte das übrige Regattenprogramm, deſſen Ergebniſſe folgende
ſind:
I. Vierer: 1. Mannheimer Rudergeſellſchaft: 2. Mannheimer
Ruderklub. Schärfſtes Rennen des Tages, Kampf über die ganze Strecke.
Nur mit wenigen Handbreit Abſtand gewonnen.
II. Vierer: 1. Rheinklub Alemannia=Karlsruhe; 2.
Rudergeſell=
ſchaft Eberbach. Nach flottem Spurt mit 2 Längen gewonnen.
III. Gaſtvierer: 1. Rudergeſellſchaft Worms; 2. Rheinkluß
Alemannia=Karlsruhe. Worms ſiegt nach Belieben über die vom letzten
Rennen ermüdete Karlsruher Mannſchaft mit 3—4 Längen.
IV. Anfängervierer: 1. Rudergeſellſchaft Worms; 2.
Worm=
ſer Ruderverein. Nach anfänglich hartem Kampf mit U/= Längen
ge=
wonnen.
V Anfängerbierer: 1. Mannheimer Ruderklub; 2.
Ruder=
geſellſchaft=Offenbach. Nach flottem Start von Mannheim mit langem
Schlag und 3 Längen ſicher gewonnen.
VI. Schülerachter: 1. Mannheimer Ruderklub. Einzelgang. Die
Nennungen waren ſchwach, die Mannſchaften zeigten alle durchweg gute
Leiſtungen.
Frankfurter Stadtachter.
* Vor einer großen Zuſchauermenge und unter lebhafter
Beteili=
gung der Bevölkerung wurde heute der Frankfurter Stadtachter, das
große ruderſportliche Lokalereignis, gefahren. Es ſiegte
Ruderge=
ſellſchaft Germania vor dem Frankfurter Ruderklub, drittes
Boot wurde Ruderverein, Frankfurt. Sehr intereſſantes ſchnelles
Rennen, das die beſſer trainierte Germania=Mannſchaft ſicher gewann.
Offenbach—Hanau.
* Auf der Offenbacher Stadtachterſtrecke kämpfte Rudergeſellſchaft
undine=Offenbach gegen die Hanauer
Nudergeſell=
ſchaft im Städtekampf Offenbach-Hanau und ſiegte mit 4 Längen.
Flugſport.
Bremen. (WB.) Hier hat anläßlich eins Ueberlandfluges Rotterdam
—Bremen-Kopenhagen—Gothenburg ein Flugtag ſtattgefunden, der ohne
Zwiſchenfall verlaufen iſt. Seit 9 Uhr morgens trafen die zwiſchen 7
und 8 Uhr in Rotterdam geſtarteten Flugzeuge auf dem Bremer
Flug=
hafengelände ein, wo ſie eine Zwangslandung vornehmen mußten. Als
erſter traf ein 80 PS. Schwede ein, ihm folgten in kurzen
Zwiſchenräu=
men ein Deutſcher auf einem ſechsſitzigen Junckers, vier Engländer und
ein Schwede, ſowie ein Holländer. Die Bremer
Flughafenbetriebsgeſell=
ſchaft hatte mit Flugzeugen des Aero=Lloyd Rundflüge über Bremen
veranſtaltet.
Kopenhagen. (Wolff.) Als zwei deutſcher Flieger nachmittags
auf dem Wege nach Gothenburg die Inſel Moen paſſierten, mußte eine
Maſchine wegen Motorſchadens niedergehen. Der Pilot des Flugzeuges
rief durch Lichtbomben einen Kollegen zur Hilfe herbei. Das Flugzeug,
das zur Hilfeleiſtung niederging, ſetzte zu hart auf dem Waſſer auf,
kenterte und wurde vollkommen zertrümmert. Der Pilot Schultz, der
nicht ſchwimmen konnte, ertrank, ſein Paſſagier wurde nach einer
Vier=
telſtunde von dem zuerſt niedergegangenen Flugzeug gerettet. Schultz
ſtammt, wie auch der andere Pilot, aus Stralſund.
Beinahe 11 000 Meter Flughöhe. Eine Flughöhe von 10 900 Metern
erreichte der Flieger Sadi Lecointe, mit ſeinem Nieuport=Flugzeug, das
mit einem 375=PS=Hiſpano=Suiza=Motor ausgeſtattet iſt. Den bisherigen
Weltrekord hielt der Amerikaner Me. Regdy mit 10 518 Metern.
— Am kommenden Mittwoch, abends 6 Uhr, finden auf dem
Sport=
bereinsplatz am Böllenfalltor Prüfungen für das Sportabzeichen ſtatt.
Die Turn= und Sportvereine von Darmſtadt und Umgebung wollen ihre
Prüfungsteilnehmer darauf aufmerkſam machen. Gleichzeitig bitte ich
die von dem Ausſchuß für Leibesübungen beſtimmten
Prüfungsteilneh=
mer pünktlich zu erſcheinen. Nichtlinien: „Wie erwerbe ich das Deutſche
Sportabzeichen” ſind bei Herrn Skurnik, Ecke Marſtall= und Grafenſtraße,
erhältlich. Urkundenheſte bei dem Unterzeichneten. Nähere Auskunft
erteilt Joſt, Aliceſtraße 35.
Kche
* Hans Breitenſträter: Meine Kämpfe. Mit 30 Bildern. (Berlin,
Dr. Cysler u. Co, A.G.) Grundpreis 2,40 Mk. Durch ſeinen Kampf
um die deutſche Schwergewichtsmeiſterſchaft mit Hans Wagener ſteht
Breitenſträter im Vordergrund ſportlichen Intereſſes. Darum wird
den Freunden des Boxſports dieſes Büchlein manches Schöne bieten.
Aus einem reich bewegten Leben ſchildert er hier mit trockenem Humor
ſeine Crlebniſſe in der Südſee und in Wildweſt und dann hinter den
Drahtgittern der Inſel Man; überall hat das Boxen eine Nolle in
ſeinem Leben geſpielt, wenn es auch beinahe einmal verſchuldet, daß ihn
ein Haifiſch gefreſſen hätte — wenn einer in der Nähe geweſen wäre.
Die Hauptſache iſt ihm das Training. „Ich glaube, viele
Volkskrank=
heiten, die von Trink= und Rauchunſitten noch gefördert werden, fänden
donn nicht mehr ein Tauſendſtel des Bodens. Der deutſche Boxſport
wird hoffentlich ein harter und geſunder Volksſport ſein, nicht nur ein
Manegeſtick für die, welche bei unſeren Matches vielleicht etwas anderes
ſuchen.”
Seite 6.
Darmſtädter Tagblatt, Montag, den 6. Auguſt 1923.
Rummer 2
5.
Landwirtſchaft, Sartenbau, Kleintierzucht und Siedlungsweſiſt
Neue Erdbeerbeete.
* Wohl wenig Gartenpflanzen lohnen in ſo reichem Maße
die ihnen gewidmete Mühe und Pflege wie die Erdbeere. Selbſt
in magerem Sandboden blüht und fruchtet ſie, wenn man ihr nur
etwas Dünger bei der Pflanzung auf den Weg gibt und ſpäter mit
gelegentlichen Jauchegüſſen nachhilft, unermüdlich und faſt nur
aus Sonnenſchein und Regenwaſſer, bildet ſie ihre köſtlichen
Früchte. Sie gehört zu jenen Pflanzen, die aller gärtneriſchen
Weisheit eine lange Naſe drehen und dem armen Anfänger, der
ſich zaghaft, weil er ihnen ja kaum ein Viertel von all dem bieten
kann, was ſie nach den Lehrbüchern brauchen, mit ihnen befaßt,
ſeine Liebe tauſendfach vergelten. Mit wahrer Andacht habe ich
ſelbſt ſchon vor einem Erdbeerbeet geſtanden, das einmal einen
ganzen Sommer lang ohne jede Fürſorge gelaſſen werden mußte
und weder gegoſſen, noch gehackt, noch gejätet, noch gedüngt
wor=
den war, und dennoch von roten Früchten leuchtete. Natürlich
ſpielt dabei eine glückliche Eignung der Sokte für dieſe
kümmer=
lichen Bedingungen eine Rolle, die Achtung vor dem, was
Erd=
beeren zu leiſten vermögen, wird dadurch nicht vermindert.
Die beſte Pflanzzeit für Erdbeeren beginnt jetzt wieder, und
wer über ein Stück ſonniges, geſchützt gelegenes Land verfügt,
der verſäume die Gelegenheit nicht, ein paar Beete mit ihnen zu
bepflanzen. In feuchtem Boden gedeiht ſie immer, mag er mehr
ſandig oder mehr lehmig ſein. In trockenem Boden fordert ſie
reichliche Bewäſſerung im Sommer. Leichter Schatten von weit
gepflanzten Bäumen ſchadet nicht. Die Ernte zieht ſich da ſogar
etwas länger hin. Manche Gärtner meinen, je eher, alſo
wo=
möglich ſchon im Juli, die Erdbeerbeete angelegt würden, deſto
beſſer entwickelten ſich die Pflauzen zu tragbaren, froſtharten
Stauden. Die Arbeit des Beſprengens der jungen Pflanzung bei
trockenem, heißem Wetter wiegt aber der Vorteil nicht auf, der
vielleicht in feuchten Sommern manchmal gewonnen wird. Im
Gegenteil, man braucht ſich gar nicht zu grämen, wenn man die
Pflanzung im Auguſt noch nicht ausführen kann. Manche
Prak=
tiker pflanzen mit Bedacht nicht vor Anfang September, weil ſie
dann den Vorteil haben, daß die Tage nicht mehr ſo warm und
trocken ſind, und in den ſchon längeren Nächten die Pflänzlinge
ſich beſſer erholen und freudiger anwachſen. Unter den im Herbſt
gewöhnlich reichlich fallenden Niederſchlägen bildet ſich bis zum
Eintritt der Winterkälte ein ſchöner kräftiger Pflanzenſtand mit
üppigem Laub. Ein anderer Vorteil der ſpäten Pflanzung iſt
der, daß man keine verſchulten Pflanzen braucht, die zeitraubende
Verſchularbeit alſo ſpart, ohne den Wert der Anlage zu
beein=
trächtigen. Gegen Ende Auguſt, ſind die Rankenpflanzen am
Mutterſtock nämlich meiſt ſo ſtark bewurzelt, daß ſie abgetrennt
ohne weiteres bepflanzt werden können. Sie gedeihen oft ſchneller
als verſchulte Pflanzen, weil ſie noch keine Stockung im
Wachs=
tum erlitten haben. Man fördert die Rankenpflanzen zweckmäßig
in ihrem Wurzelvermögen, indem man die Mutterbeete vor der
Pflanzung öfter reichlich überbrauſt. Das tut den alten Stöcken
gleichzeitig gut.
Im Großbetrieb gibt man den Erdbeerreihen achtzig
Zenti=
meter Abſtand und den Pflanzen in den Reihen 25 Zentimeter.
Im Hausgarten pflanzt man am vorteilhafteſten je zwei Reihen
in fünfunddreißig Zentimeter Entfernung mit
Pflanzenzwiſchen=
räumen von ſechzig Zentimeter. Die Beete werden dabei achtzig
Zentimeter breit. Ein fußbreiter Weg trennt ſie. Dieſe
Pflanz=
weiſe bewährt ſich beſſer als die Pflanzung mit drei Reihen auf
einem Beet. Man rankt nur nach den Wegen hin ab, den
Zwi=
ſchenraum zwiſchen den Reihen läßt man im erſten Jahre durch
Ausläufer ſich füllen, ſodaß ein fünfunddreißig bis vierzig
Zenti=
meter breites Land entſteht. Dieſe Anordnung erleichtert die
Pflege und Ernte und nutzt den Boden beſſer aus als eine andere.
Beim Pflanzen iſt zu beachten, daß die Erdbeere feſtſtehen will,
d. h. man muß ſie nicht nur andrücken, ſondern ſcharf antreten.
Zur Probe, ob ſie feſt genug ſtehen, ziehe man an einem Blatt.
Es muß eher zerreißen, als daß die Pflanze aus dem Boden
ge=
hoben wird. Die Wurzeln kürzt man auf eine Länge von etwa
fünf Zentimetern. Es hat keinen Zweck, der Pflanze die langen
Wurzeln zu laſſen, wenn dieſe nicht ſenkrecht in das Pflanzloch
gebracht werden können. Nach oben umgelegte Wurzeln
ſchim=
meln und faulen und hemmen die Bildung neuer Wurzeln. Es
empfiehlt ſich ſchließlich, dem Setzling die ausgewachſenen Blätter
zu nehmen und ihm nur die halb= bis dreiviertel entwickelten zu
laſſen. Er wächſt dann leichter an, weil er nicht ſo ſchnell unter
Es.
Waſſermangel leidet.
Wieſammle
ich Pilze?
Sharesufheich
Bi Bet
Essbafé Bilze
Den Pilzſammlern
ſeien folgende „Regeln”
ins Stammbuch
ge=
ſchrieben: 1. Sammle
nur Pilze, die du kennſt.
2. Stoße nicht jeden der
unbekannten Pilze um!
Laß ihn ſtehen für den
Sammler, der ihn kennt
und ſchätzt. 3. Schneide
nie einen Pilz ab! Dreh
ihn vorſichtig aus der
Erde und bedecke das
Loch wieder. 4. Nimm
keine madigen Pilze!
Während des
Heim=
ganges kriechen die
Tier=
chen auch in die anderen
guten. 5. Nimm zum
Pilzeſuchen einen Korb
mit! Pilze ſollen
unter=
wegs nicht gedrückt, alſo
nicht „matſchig” werden.
6. Säubere die
gefun=
denen Pilze ſogleich an
Ort und Stelle! Entferne
aber niemals das
Unter=
futter, alſo die Blätter
oder Röhren. In denen
ſitzt nämlich, was leider
die allerwenigſten
wiſ=
ſen, der Hauptnährſtoff
der Pilze. 7. Nauche und
ſchreie nicht im Walde!
Sei kein Baumfrevler
und geh den Leuten
nicht über die Saat und
Wieſen.
den, ſo vermeidet man ſolche Düngung im Frühjahr und gebe im
Herbſt verrotteten Dung. Zeigen welkende Pflanzen das
Auftre=
ten der Schädlinge an, ſo müſſen ſie ausgeriſſen und verbrannt
werden. Auf kleinen Flächen kann man die Pflanzen auch
er=
halten, indem man die Erde von den Wurzeln muldenförmig
ent=
fernt und eine Löſung von Uraniagrün in der Stärke 1:1000
da=
rauf gießt.: Die geſchwächten Pflanzen müſſen fleißig begoſſen
werden, dann erholen ſie ſich bald. Beim Umgraben von Beeten,
auf denen Madenfraß bemerkt wurde, laſſe man die Hühner nach
den Larven ſuchen. Ueberhaupt bietet die Anſiedlung
inſekten=
freſſender Vögel, in erſter Linie von Staren, die beſte Maßnahme
gegen dieſe Schädlinge. Gegen die Haarmücken kann man bei
Maſſenflügen auch mit brennenden Strohwiſchen ankämpfen.
H.Hg.
Sommerpflege der Himbeerſträucher.
Maden an Kohlpflanzen.
Von Juli an, beſonders im Auguſt und noch mehr im
Früh=
jahr, treten in lockeren, humoſen Böden, namentlich Moorböden,
walzenförmige graue Maden auf, die an den Wurzeln der
Kohl=
gewächſe, der Kartoffeln, Erbſen, Bohnen, des Salats und
an=
derer Gemüſepflanzen mitunter ſehr viel Schaden auf dieſe Weiſe
anrichten. Es ſind dies die Larven der Kohlſchnaken (
Tipulac=
leraoca), die aus den ſchwarzglänzenden Eiern kriechen, die die im
Juni und Julioft in großen Mengen über Wieſen= und
Getreide=
felder ſchwärmenden Weibchen in die Erde legen. In ähnlicher
Weiſe wirken ſchädlich die ſchmutzgrauen Larven der
Gartenhaar=
mücke (Bibio hortulanus), die von April ab fliegt. Männchen
und Weibchen ſind bei dieſer Art ſehr verſchieden gefärbt: das
Männchen ganz ſchwarz, das Weibchen rotgelb an Bruſt und
Hin=
terleib.
Da dieſe Schädlinge ihre Eier hauptſächlich auf Beete
ab=
legen, die mit friſchem Stallmiſt oder mit Jauche gedüngt wur=
* Die reiche Himbeerernte des nächſten Jahres hängt davon
ab, wieviel und wie kräftige Ruten die Sträucher, in dieſem
Sommer treiben. In guter Nährkraft ſtehende Pflanzen
ent=
wickeln ſtets genügende Triebe. Je ſteiniger und freier dieſe
junge Schoſſe wachſen können, um ſo beſſer reifen ſie aus und
beſetzen ſich mit Fruchtaugen. Man läßt deshalb nicht alle Ruten
ſtehen, ſondern nur etwa fünf bis ſechs der kräftigſten. Damit
ſich dieſe von unten auf gleichmäßig mit guten Fruchtaugen
be=
ſetzen, empfiehlt es ſich, ſie nicht höher als 150 Gm werden zu
laſſen, ſondern ſie nach Erreichung dieſer Länge entweder
ſeit=
wärts zurückzubinden oder auch zu entſpitzen. Würden die
Schößliuge nach Belieben lang wachſen, ſo würden, ſich die
oberen Augen viel beſſer als die unteren entwickeln und
außer=
dem die Gefahr beſtehen, daß die Spitze ſchlecht ausreift und im
Winter erfriert.
Vor Mitte Auguſt darf dieſes Zurückbinden ja doch nicht
ge=
ſchehen, da ſonſt durch die unterbrochene Saftzirkulation die
Seitenaugen austreiben und dadurch die nächſtjährige Ernte
ver=
mindert wird. Um dem bei Himbeeren allgemein beklagten
Uebelſtande, daß ſich die jungen Schößlinge zuweilen weit von
der Mutterpflaänze entfernt entwickeln und dadurch einen
„wuchernden” Charakter annahmen, zu begegnen, iſt es ratſam,
die Mutterpflanze im Laufe des Sommers in angemeſſener Eut=
fernung vom Mittelſtamm kreisartig tief mit dem Sp m
umſtechen.
Ob zur Erzielung einer guten Holzreife und zur Krä
fgun=
der Ruten außer der herbſtlichen Stallmiſtdüngung aue wä
rend der ſommerlichen Vegetationsperiode Düngergaber erfol
derlich ſind, hängt in erſter Linie von der Nährkraft des Ilzu
bodens und dem jeweiligen Entwicklungszuſtande der Ptnz
unter Berückſichtigung der örtlichen und klimatiſchen 2 chäl
niſſe ab. Jedenfalls kann eine ſolche Düngung nur in For
von künſtlichen Düngemitteln oder in Geſtalt von Jaue
geben werden. Für alle Verhältniſſe paſſende Natſchläge ſaſſe
ſich in dieſem Punkte nicht geben. Jeder muß ſich bewu !
daß kalihaltige Düngemittel (Kainit und 40prozentiges K fal
beſonders auf die Kräftigung und Reife des Holzes wirkelun
außerdem den Fruchtanſatz begünſtigen, thosphor Ultin
(Thomasmehl und Superphosphat) die Farbe und Feſtig t dei
Früchte beeinfluſſen und ſtickſtoffhaltige (Chileſalpeter, ſe beſeh
ſaures Ammoniak, Hornmehl, Kalkſtickſtoff) eine üppige elat
bung und das Wachstum des Holzes fördern.
Wie bei allen Beerenobſtſträuchern, ſo iſt auch bei der Hin
beeren eine ſtärkere Stickſtoffdüngung im Sommer nie nu
zwecklos, ſondern unter Umſtänden gefährlich, da als folg
davon die Pflanzen zu lange grünen und infolgedeſſen d/c
fahr des Erfrierens ausgeſetzt ſind. Will man unter no ſalen
Verhältniſſen die einzelnen künſtlichen Düngemittel, in eine
Wirkungseinheit verabfolgen, ſo gebe man den Himbee räu
chern in den Monaten Mai, Juni und Juli per Pflanz un
Gabe zehn bis fünfzehn Gramm Phosphorſäure, zun
Gramm 40prozentiges Kaliſalz und zehn Gramm St ſtof
dünger (ſchwefelſaures Ammoniak oder ſchwefelſaures Kali ſu
zwar entweder trocken um den Strauch geſtreut und leick
eiſ=
geharkt, oder vorher in Waſſer aufgelöſt. Steht, abge ren
Jauche zur Verfügung, kann dieſe die Stickſtoffdüngung er ze
nur müſſen hierfür möglichſt regneriſche Tage oder do di
Abendſtunden benutzt werden. Ueber den Julimonat l
au=
darf keine Stickſtoffdüngung mehr gegeben werden. De
kann ſie wieder fortgeſetzt werden, wenn die Holzreife im gbf
beendet iſt und nunmehr lediglich eine Anreicherung des Benz
mit Düngerwerten bezweckt wird. Von beſonderer Wich kei
für die ſomnerliche Himbeerpflege iſt dann weiter noch die ſor
nahme einer ausreichenden Bodenbewäſſerung und grünt he
Bodenlüftung.
Schließlich kommt für die ordnungsmäßige Sommer e
auch die Bekämpfung der Schädlinge in Betracht, ſeien ſie un
tieriſcher oder pflanzlicher Art. Zu den erſteren gehört a.
die kleine braungelbe Obſtmade, die ſich im Fruchtgrunde
in=
bohrt und die normale Fruchtentwicklung verhindert. St nn
ſind es verſchiedene Blütenſtecher, die durch Anſtechen der
Be=
den Fruchtanſatz ſchädigen. Als Vorbeugungsmittel gilt g=
Abfangen der im Hochſommer und Herbſte fliegenden
ſpanner=Schmetterlinge durch Anlegung der bekannten
gürtel um alle in der Nähe der Himbeeren ſtehenden Obſtbe ie
ſowie die Verbrennung des abgeſchnittenen Holzes und de
b=
gefallenen Laubes, da ſich hierin die Brutſtätte dieſer S
linge befinden. Als pilzlicher Schädling ſtellt ſich häufig,
namentlich bei trockener Witterung der ſogenannte Himbe ſt
ein” er wird am wirkſamſten durch die verſchiedenen Spritzr
(Bordelaiſer und Schwefelkalkbrühe uſw.) bekämpft. Sein f.
treten wird dadurch kenntlich, daß ſich auf der Oberſeit,
Blätter zunächſt kleine gelbliche Häufchen bilden, die als 7
bald darauf ein Vergilben der Blätter verurſachen. Im üb. n
gilt auch bei den Himbeeren, die Erfahrung, daß ſie ur a
weniger von Schädlingen heimgeſucht, werden, je kräftiger
wachſen.
Die Urſachen ſchlechten Miſchgeſchmackt
ſind wohl in den ſelteneren Fällen in der Fütterung zu ſu
wenn die Futtermittel von mittlerer bis guter Qualität ſind
auch die Reinlichkeit im Kuhſtall, in den Milchräumen
=gefäßen nichts zu wünſchen übrig läßt. Manche Kuhhalter g
ben ja, eine ungünſtige Veränderung im Milchgeſchmack nachr
licher Rübenfütterung beobachtet zu haben. Nachgewieſenerme
hat aber eine ſolche keinen nachteiligen Einfluß auf den
Geſch=
der Milch. In ſehr vielen Fällen, ja man kann ruhig ſager
den meiſten Fällen, liegt der Grund des ſchlechten Milchgeſchme
bei den Kühen ſelbſt. Um dies feſtzuſtellen, muß man
Koſtpr=
von der friſch ermolkenen Milch bei jeder einzelnen Kuh vor
men, und man wird finden, daß von dem einen oder ande
Tier die Milch ranzig und ſchlecht ſchmeckend aus dem Et
kommt. Dort, wo man bei der erſten Koſtprobe keine weſentli
Unterſchiede im Geſchmack wahrnehmen kann, empfiehlt es
von jeder Kuh eine kleine Milchmenge 10 bis 12 Stunden geſ
dert ſtehen zu laſſen, um ſie dann abermals zu koſten. Man
dann wahrſcheinlich finden, daß ſich die Milch von dieſem o
jenem Tier vorſchnell ungünſtig verändert. Kommt alſo
ſchlechte Milch von einem ſolchen Tier mit der übrigen zuſamm
ſo nimmt natürlich auch die gute Milch ſchlechten Geſchmack
und verdirbt. Wo man auf dieſe Weiſe die Urſachen des Mi.
fehlers feſtgeſtellt und die in Frage kommenden Tiere heraus
funden hat, empfiehlt es ſich, die Milch von dieſen Kühen geſ
dert zu nehmen und ſie einer anderen Verwertung zuzuführ
Die im Tier ſelbſt begründeten Urſachen der Milchveränderu
können ſehr verſchieden ſein. Hauptſächlich treten Erſcheinune
dieſer Art zutage bei Hochträchtigkeit, beim Rindern, bei hohe
Alter, bei längerer Melkungsdauer, bei Abmelkkühen, bei Eut
krankheiten und dergleichen.
Der junge Tod.
Roman von Fritz Demuth.
(Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung des Herrn Verfaſſers und
der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in Stuttgart u. Berlin.)
Nachdruck verboten.)
80)
Wir ſchwiegen beide. Marie Louiſe begann von neuem:
„Das konnte ich nicht, das habe ich nicht getan. Ich habe nicht
verzichtet.”
„Marie Louiſe —‟
Sie ſah mich an, als verſtehe ſie mich nicht. Dann ſchüttelte
ſie den Kopf. „Ach nein, jetzt will ich gar nichts, jetzt bin ich nur
glücklich, daß Günter lebt und geſund werden wird.”
Wieder ſprach ſie: „Das mit dem Verzicht, das war ja nur
ſo ein Einfall. Und als es beſſer ging, da habe ich daran nicht
mehr gedacht, da habe ich mich nur gefreut.‟ Sie ſchwieg und
ſprach ein paar Worte und ſchwieg wieder und ſchlief ein.
Draußen vor dem Fenſter ſtieg die Sonne empor, nun ſah ich:
das endloſe Regenwetter hatte aufgehört, und es war wieder
Frühling. Ich blickte hinaus zum blauen Himmel und dann
zurück auf mein Kind: ſehr blaß ſah ſie aus, aber nicht
eigent=
lich elend, ſanft und friedlich ſchlummerte ſie, und ich meinte von
den Zügen um ihren feinen mädchenhaften Mund viel Glück
ab=
leſen zu können. Die Sonne ſtieg höher und ſchien gerade auf
Marie Louiſes Geſicht, ich ſtand auf, um den Fenſtervorhang zu
ſchließen und Marie Louiſe vor den Strahlen zu ſchützen. Es
war jetzt ſieben Uhr. Frau Pfeil brachte Tee; wir beide tranken
ihn im Speiſezimmer und warteten auf den Arzt; kurz vor acht
kam er und ſuchte Günter auf. Als er das Krankenzimmer
ver=
ließ, ſagte er: „Es iſt wunderbar, wie ſolch junge Menſchen
derartige Zufälle überwinden, ich hätte geſtern wirklich nicht,
na, ſagen wir mal, zehntauſend Mark für ſein Leben gegeben,
und heute, ſo weit ſich das beurteilen läßt, jedenfalls außer akuter
Gefahr.” Auf meine Frage geſtattete er mir, den Kranken zu
beſuchen.
Günter war wach, ſah angeſtrengt aus, ſprach leiſe, aber
wirkte doch nicht verfallen. Er fragte nach Marie Louiſe, und
ich berichtete ihm, daß ſie ſchlafe. „Den ganzen Tag und die
ganze Nacht hat ſie bei mir geſeſſen,” ſagte er. Die Schweſter
trat ans Bett und mahnte zur Ruhe. Da nahm Günter meine
rechte Hand in ſeine beiden Hände und hob ſie empor, obwohl
ihm das ſchwer fiel, führte ſie zu ſeinem Munde und küßte ſie.
Ich legte meine Linke auf ſein Haar und ſah ihn an, der meine
Rechte herabſinken ließ, ſie aber nicht aus den Händen freigab,
in Günters Augen ſtanden Tränen, und auch ich konnte die
Rüh=
rung kaum zurückhalten.
So viel Dankbarkeit, ſo viel Hingabe war in ihm, ein ſo
rüh=
rendes Treugelübde war das.
Ich ſagte: „Mein Junge” und wandte mich ab und ging.
Mit Erneſtine Pfeil verabredete ich, daß ſie Marie Louiſe
ſo lange wie möglich ſchlafen laſſen werde, daun fuhr ich nach
Hauſe und von dort ins Amt. Abends holte ich Marie Louiſe
ab, Günter ging es den Umſtänden nach gut, Marie Louiſe
willigte ein, mit mir den Kranken zu verlaſſen. Sie war ſehr
müde und abgeſpannt, obwohl ſie ziemlich lange in den Tag
hinein geſchlafen hatte, dennoch war ihre Stimmung freudig und
gehoben, wie am Morgen.
Wir ſaßen zu Hauſe in Marie Louiſes Zimmer, und ich ſorgte
für ſie, daß ſie es bequem hatte und zu Kräften käme. Von den
Ereigniſſen der letzten Tage ſprachen wir, von Günter, von alten
Zeiten. Ergreifende Milde war in Marie Louiſe, wie ſie ſagte:
„Vor ſo kurzer Zeit war ich noch ein Kind und wußte eigentlich
von gar nichts. Was hab’ ich alles gelernt inzwiſchen und
ein=
geſehen, ich bin ſo glücklich geweſen und bin es noch. Ich glaube:
ſchöner, als es iſt, kann’s gar nicht werden. Und das iſt
ſonder=
bar, auch als es ſchlecht ſtand, wie ich da kämpfte, manchmal
meinte ich, ich müſſe jede Minute von Günters Leben erobern,
das war auch ſchön. Oder kommt es mir nur jetzt ſo vor? Ne
dieſes Verzichten auf alles andere, dieſes Einſetzen bis zur letzt
Faſer, mit jedem Gedanken, für Günters Leben, wirklich, es w
ſchön. Aber den Augenblick, als Günter zum erſten Male wiel
ruhig atmete den vergeſſe ich nie. Da ſah ich, was liebhaben
ſo ganz anders war das wie früher, ſo ganz anders. Nun wi
er wieder geſund, und ich, Vater, ich hab ihm dazu geholfer
Sie lächelte, und ihre Augen ſtanden voll Tränen. Vater, es
doch etwas unglaublich Herrliches, ich glaube jetzt doch, ich ha
ihm das Leben gerettet.
„Vater, es gibt ja ſicher einen Gott, der es gut mit uns
Me=
ſchen meint.”
Am nächſten Tage war Marie Louiſe krank, heftiges Fieb
ſchüttelte ſie in Froſtanfällen und ließ ſie unter unerträglich
Hitze leiden. Der Arzt ſtellte feſt, es ſei eine Grippe, aus der ſi.
eine Lungenentzündung zu entwickeln ſcheine. Die Kranke klag
über ſtechende Schmerzen beim Atmen, es wurde ihr ſchwer, 2u
zu holen, ſie fühlte ſich ſehr elend.
Helene Berndt, die ich benachrichtigte, übernahm die Pfleg
ſie führte ſie mit der ſeltenen ſtillen Treue durch, die all ihr Tu
auszeichnete.
Das Kind war unendlich ſanft und voll Geduld, ſo ſchwat
ſie war, ſie entſchuldigte ſich wegen jeder Bemühung, die ſie un
verurſachte dankte für jede Handreichung. Ein paarmal fragt
ſie nach Günter, wir berichteten ihr, daß ſeine Geneſung fort
ſchreite, aber das ſehr hohe Fieber hinderte ſie wohl daran, zu
zu verſtehen.
In ihren Phantaſien, die beſonders gegen Abend lebhaft wur
den, traten Vorſtellungen aus ihrer frühen Kindheit beſonder”
zutage; wie ſie mich von der Bahn abgeholt hatte, als ich aus
Paris zurückam, das Spiel vom Aſchenputtel im Walde, Selte,
Später ſprach ſie viel von Italien.
(Fortſetzung folgt.)